Schmerzen in der Leiste verhindern

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Schmerzen in der Leiste verhindern
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SCHLESWIG-HOLSTEIN JOURNAL
nordisch Gesund
Schmerzen
in der Leiste
verhindern
Nach einer Leistenbruch-Operation
leiden viele Patienten unter
chronischen Schmerzen.
Beschädigte Nerven können chronische Leistenschmerzen auslösen.
FOTOLIA
VON GABRIELE HELLWIG
Bei einem Leistenbruch (Hernie) sind nach
einer Operation chronische Schmerzen leider keine Seltenheit. Denn oft werden bei
dem chirurgischen Eingriff Nerven verletzt.
Eine neue Studie zeigt jetzt den exakten Nervenverlauf. Mit diesem Wissen können in
Zukunft Leistennerven geschont werden.
„In Studien klagen bis zu 50 Prozent der operierten Leistenbruch-Patienten hinterher
über chronische Schmerzen. Das ist nicht akzeptabel“, kritisiert Dr. Wolfgang Reinpold,
HernienspezialistderKlinikFleetinselHamburg. Gemäß Deutschem Hernienregister
spüren rund 15 Prozent der Operierten auch
länger als sechs Monate nach dem Leisteneingriff noch ein „gelegentliches Ziehen“
oder leichte Schmerzen. Fünf Prozent der
Betroffenen leiden sogar unter „relevanten
Schmerzen“. Damit werden Schmerzen bezeichnet, die mehrmals am Tag auftreten
und den Alltag beeinträchtigen.
Schmerzen entstehen, wenn Nerven verletzt oder eingeengt werden. Dies kann im
Rahmen einer Erkrankung, eines Unfalls
oder eben während einer Operation geschehen. „Wenn ein Leistenbruch operiert wird
und der Arzt weiß nicht genau, wo die Nerven entlanglaufen, kann es leider vorkommen, dass ein Nerv bedrängt wird, zum Beispiel beim Zusammennähen des Bruchs mit
einem Faden“, erläutert Reinpold.
Um diese Situation zu verbessern, hat
Reinpold im Rahmen einer Studie den bislang kaum untersuchten Leistennervenverlauf vor der Rücken- und Beckenmuskulatur
(mittlerer Abschnitt der Nerven) genau untersucht. „Wir haben 30 Leichen seziert. Anders wäre diese genaue Untersuchung nicht
möglich gewesen“, erläutert der Experte.
Das Ziel: Alle Nerven in der Leiste zu lokalisieren. Besonders der mittlere Abschnitt der
vier Leistennerven N. Iliohypogastricus,
N.Ilioinguinalis, N. Cutaneus femoris lateralis und N. Genitofemoralis mit dem Verlauf
auf der Rückenmuskulatur und die genauen
Nerveneintrittspunkte in die Bauchwand der
Leistenregion waren bislang unzureichend
untersucht.
Das Ergebnis der Studie ist beeindruckend: „Die Streubreite der Nervenverläufe
ist deutlich größer als bislang angenommen“, sagt Reinpold. „Die Leistennerven finden sich in Zonen der Leistengegend, in denensienichterwartetwurden.DadieNerven
oft nicht oberflächlich laufen, können sie bei
der Operation durch Nähte und Instrumente
verletzt werden. Der Hernienchirurg weiß
jetzt genauer, wo er nicht schneiden und nähen darf.“
Die Schonung der Leistennerven ist besonders bei Frauen wichtig, weil die Verletzung
eines Nervenastes des N. Genitofemoralis zu
Taubheitsgefühl der Scheide führen kann.
„Ab sofort können bei der Operation eines
Leistenbruchs die Nerven geschont werden.
Im Idealfall werden sie nicht angerührt. Sie
bleiben in ihrer natürlichen Einbettung. Mit
diesen neuen Erkenntnissen werden hoffentlich in Zukunft sehr viel weniger Patienten
nach einer Leistenoperation unter Schmer●
zen leiden“, freut sich Reinpold.
HILFE BEI
LEISTENSCHMERZEN
Auch Patienten, die bereits operiert wurden und unter Schmerzen in der Leiste leiden, kann geholfen werden. „Wichtig ist
zunächst eine umfassende Diagnostik, um
die Ursache für die Schmerzen zu finden“,
sagt Dr. Reinpold. Eine Computertomographie zeigt, ob gegebenenfalls das Netz,
das zur Stabilisierung des Leistenbruchs
eingesetzt wurde, verrutscht ist. Eine Verklumpung durch einen Bluterguss kommt
ebenfalls in Frage. Es gibt mehrere Behandlungsmöglichkeiten:
> Gezielte Infiltrationen mit einem Betäu-
bungsmittel
> Medikamente (Schmerzmittel)
> Elektrotherapie (zum Beispiel transkuta-
ne elektrische Stimulation (TENS))
> Ultraschalltherapie (Schallwellen erzeu-
gen eine wärmende Wirkung, eine Art
„Mikromassage“)
> Neuromodulation (ein Schrittmacher
wird unter die Haut gesetzt, der dauerhaft
Schmerzmittel freisetzt)
> Nervenkappung (wenn alles andere
nichts helfen sollte)
Weitere Informationen unter
www.klinik-fleetinsel.de