Assessment-Center auch im Elektrohandwerk

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Assessment-Center auch im Elektrohandwerk
BETRIEBSFÜHRUNG
Assessment-Center auch
im Elektrohandwerk
CHANCE FÜR MOTIVATION Der Begriff Assessment-Center hat für manche einen zwiespältigen
Beigeschmack. So könnte man meinen, es handelt sich dabei um einen Ausleseprozess für Mitarbeiter, nach dem Motto »wir können dich gebrauchen« oder »wir können dich nicht gebrauchen«.
In der Praxis kann die Teilnahme am Assessment-Center eine große Motivation für die beteiligten
Mitarbeiter sein und bietet dem Unternehmen und dem Mitarbeiter eine Fülle von Informationen.
Bauleiter im Spannungsfeld
AUF EINEN BLICK
ASSESSMENT-CENTER sind Trainings für Führungskräfte mit dem
Ziel, zu erkennen, welche Potenziale in den Teilnehmern schlummern
DIE TEILNEHMER sollen während der Veranstaltung laufend Rückmeldung erhalten und nicht erst am Ende der beiden Tage
K
arl F., Obermonteur in einem Elektroinstallationsbetrieb von 30 Mitarbeitern, ist
es schon ein wenig mulmig. Im Auftrag seines Unternehmens darf er an einem zweitägigen Assessment-Center teilnehmen, in
dem aufgezeigt werden soll, welche Potenziale in seiner Person schlummern und welche
Möglichkeiten der persönlichen Weiterentwicklung in ihm stecken.
Schon vor dem Assessment-Center musste
er sich vorbereiten und zwei Aufgaben bearbeiten. Zum einen hat er einen Persönlichkeitstest ausgefüllt, die sogenannte Insights-
Analyse, deren Auswertung er noch vor dem
Assessment-Center erhielt. Zum anderen hat
er die Aufgabe erhalten, seine Rolle im Unternehmen und seinen Betrieb in einer dreiminütigen Präsentation vorzustellen. Einerseits
ist er neugierig, andererseits ein wenig unsicher, weil er nicht weiß, was auf ihn zukommt.
Das Assessment-Center hat das Ziel, den
Teilnehmern, die allesamt in einer Führungsfunktion als Obermonteur oder Bauleiter in
den Betrieben tätig sind, eine Hilfestellung
zur Bewältigung ihrer schwierigen Aufgabe
zu geben.
Bild 1: Beobachter der Fa. Staudinger, von links nach rechts: Stefan Grill, Christian Appel,
Bernhard Knarr, Edmund Sagawe
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Obermonteure und Bauleiter müssen vor Ort
auf der Baustelle aktiv mitarbeiten und haben
auch die Verantwortung dafür, Vereinbarungen mit dem Kunden zu treffen, Nachträge zu
generieren und das Aufmaß rechtzeitig abzuliefern. Sie stehen damit einerseits von Seiten
der Kunden und der Projektleiter der anderen
Gewerke, andererseits aber auch aus dem
Kreis der eigenen Mitarbeiter unter Druck, die
nicht immer einverstanden sind, wenn nötig
auch einmal Überstunden zu machen.
Mit Belastungen besser umgehen
In diesem Spannungsfeld ist es von immenser Bedeutung, dem Bauleiter aufzuzeigen,
wie er sich persönlich weiterentwickeln
kann, um mit dieser großen Belastung umzugehen.
Feedback ist ein Geschenk
In Vier-Augen-Gesprächen geht es auch um
Themen wie Erscheinungsbild, Kleidung und
Auftreten. Solche Rückmeldungen werden
den Führungskräften in den Betrieben selten
gegeben. Im Assessment-Center ist dafür der
richtige Rahmen.
Ebenfalls in Vier-Augen-Gesprächen können die Teilnehmer außerdem ihre Fragen
und Ideen diskutieren und erhalten eine ehrliche und sehr persönliche Antwort. Während
in einem Seminar Wissen vermittelt wird,
geht es im Assessment-Center darum, dass
sich Mitarbeiter entwickeln können, da sie
von unterschiedlichen Seiten her gefordert
werden. Teile des Assessment-Centers sind
wie ein individuelles Coaching für den einzelnen Teilnehmer, da jeder nach jeder Aufgabe
sein Feedback erhält.
de 20.2013
BETRIEBSFÜHRUNG
Zehn Teilnehmer, vier Beobachter
In Assessment-Centern wird oft in kleinen
Gruppen gearbeitet und deshalb muss die Anzahl der Beobachter, die bei Inhouse-Workshops aus dem Unternehmen stammen und
die individuell gebrieft sind, sehr hoch sein.
Karl F. berichtet weiter: »Schnell habe ich
gemerkt, dass auch die anderen Teilnehmer
des Assessment-Centers nur mit Wasser kochen. Für mich war besonders wichtig, dass
wir nach jeder Aufgabe, die wir in den beiden
Tagen zu bewältigen hatten, sofort ein Feedback von den Beobachtern und Trainern bekommen haben. So konnte ich schnell an
mir arbeiten, mein Verhalten optimieren,
meine Ausdrucksfähigkeit verbessern und
lernen, auch in Konfliktsituationen ruhig Blut
zu behalten. Die zwei Tage waren schon deshalb ganz schön stressig, weil wir am Abend
des ersten Tages um 21:00 Uhr eine Aufgabe
erhalten haben, die manche Kollegen bis
morgens um 2:00 Uhr beschäftigt hat, denn
wir wollten uns ja alle gut vorbereiten. Mich
haben die zwei Tage gewaltig geschlaucht,
aber ich habe auch die Erkenntnis gewonnen, in welchen Bereichen ich noch an mir
selbst arbeiten muss, damit ich auch besser
beruflich vorankomme.«
Assessment-Center werden »frei« angeboten. Das heißt, Elektrohandwerksbetriebe können einen, zwei oder mehrere Mitarbeiter melden. Größere Unternehmen führen Assessment-Center unter ihrem Führungskräftenachwuchs durch, um den Mitarbeitern aufzuzeigen,
wo ihre Perspektiven und Entwicklungspotenziale liegen.
Nachfolgend zeigen zwei Erfahrungsberichte, welche Möglichkeiten AssessmentCenter im Elektrohandwerk bieten. Die Assessment-Center wurden bei der Firma Staudinger aus Loiching in Niederbayern und bei
der Firma Beck Elektrotechnik aus Würzburg
durchgeführt. Die Firma Staudinger aus
Loiching, Spezialist im Bereich der Automatisierungstechnik, führte für seine Bauleiter
ein Assessment-Center durch.
Edmund Sagawe, kaufmännischer Leiter
der Staudinger GmbH: »Dieses AssessmentCenter war eine sehr intensive Schulungs-
INFOS
Ein Assessment-Center kann individueller
sein als jedes Seminar.
Nähere Informationen dazu unter
[email protected]
www.elektro.net
Bild 2: Im Abschlussgespräch mit einem Teilnehmer von links: Dietmar Kesselring,
Stefan Oestreicher. Christine Beck-Meidt (Geschäftsführerin) und Bernd Eck
maßnahme. Die Teilnehmer hatten durch
das unmittelbare Feedback nach den jeweiligen Aufgaben die Möglichkeit, das Gelernte
sofort anzuwenden. Daneben haben sie sehr
viel über sich erfahren. Sie sind sich nun ihrer Stärken, aber auch Entwicklungsbereiche
bewusst. Die positive Stimmung der Teilnehmer und die Motivation, neue Dinge anzugehen, waren am Ende des Assessment-Centers förmlich greifbar.«
In Bild 1 sind die Beobachter des Assessment-Centers bei der Firma Staudinger zu
sehen.
Christine Beck-Meidt (Geschäftsführerin der
Beck Elektrotechnik) resümiert: »Wir sind seit
mehreren Jahren eng mit der Unternehmensberatung Heckner verbunden. Schnell waren
wir vom Angebot der Durchführung eines Assessment-Center für unsere jungen Nachwuchsführungskräfte überzeugt. Es war eine
sehr gute und, wie wir glauben, eine nachhaltige Investition für eine gemeinsame Zukunft.
Einerseits haben alle Teilnehmer die beiden Tage als anstrengend empfunden, aber
auch als sehr lehr- und aufschlussreich.
Wichtig war die Erkenntnis für jeden Einzelnen, wo sind meine Stärken, wo sind meine
Schwächen und woran muss ich arbeiten,
wie wirke ich auf andere und vor allem, wie
gehe ich selbst mit Kritik um. Selbst die internen Beobachter, die Geschäftsführung und
Teamleiter konnten viel erkennen und ihre
Lehre daraus ziehen. Jetzt liegt es an uns, an
jedem Einzelnen, mit den Erkenntnissen und
Ergebnissen aus dem Assessment-Center zu
arbeiten, damit alle davon profitieren, so die
Geschäftsführung einstimmig.« (Bild 2)
Die Eckdaten eines branchenspezifischen
Assessment-Centers:
• Acht Aufgaben (Präsentationen, Verkaufsgespräche, Rollenspiele und viele andere
betriebswirtschaftliche Themen)
• Gruppengröße: maximal zwei Gruppen mit
sechs Teilnehmern und zwei Beobachtern
je Gruppe
• Feedback unmittelbar nach jeder Runde.
Als Nachschlagewerk erhält jeder Teilnehmer
einen Ordner, in dem er sein Feedback und
seine persönlichen Maßnahmen zu seiner
Weiterentwicklung notiert. Jeder Teilnehmer
erarbeitet seinen individuellen Fortbildungsplan, den er danach mit seinen Vorgesetzten
im Unternehmen besprechen kann und gemeinsam mit diesem seine weitere Zukunftsund Karriereplanung durchspricht.
Angelika Kirch, eine der Moderatorinnen
der Assessment-Center, bringt es auf den
Punkt: »Die ersten Verbesserungen im Auftreten, der Argumentationsfähigkeit und im
Umgang mit anderen Menschen konnten wir
bereits nach fünf bis sechs Stunden im Assessment-Center beobachten.« Durch die
intensive Arbeit innerhalb des AssessmentCenters werden die Teilnehmer sehr stark
gefordert. Alle Teilnehmer äußern als Fazit
»Danke, dass mir mein Unternehmen die
Möglichkeit gegeben hat, mich hier zu verbessern.«
AUTOR
Ulrich C. Heckner
Unternehmensberatung Heckner, Kastl / Obb.
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