28. Juni 08 orf
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28.06.2008, http://www.orf.at San Luis und San Iker Teamchef Luis Aragones glaubt, dass "Gott im Fußball unparteiisch ist". Das andalusische Dorf La Luisiana, auf halber Strecke zwischen Sevilla und Cordoba, wurde zu Beginn der Euro 2008 von mehreren Fernsehteams heimgesucht. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verdankte die 4.000-Seelen-Gemeinde ihrem Dorfpatron San Luis. Die Holzfigur des Heiligen Luis wurde von den Bewohnern in einer Prozession durch die Straßen Luisianas getragen, um für einen berühmten Namensvetter, Spaniens Teamtrainer Luis Aragones, den Segen zu erbitten. Ein neuer Heiliger und Kriegsgott Die Gebete zeigten Wirkung: Wider Erwarten schaffte die spanische Elf vergangene Woche den Einzug ins Viertelfinale. Als es Teamtorhüter Iker Casillas dann gelang, im Elfmeterschießen zwei italienische Strafstöße zu parieren und den Aufstieg ins Halbfinale zu fixieren, erhoben ihn auch sonst wenig fromme Medien in den Rang eines Heiligen. Seither wird der Teamkapitän "San Iker" genannt. Beim TV-Sender Cuatro, der mit der Übertragung des Schlagers Russland gegen Spanien einen absoluten Zuschauerrekord erreichte, wird Casillas zu einem heidnischen Kriegsgott stilisiert. Im Cuatro-Werbespot mutiert der Keeper zum martialischen Roboter, der gegnerische Bälle in der Luft explodieren lässt. Fußballgott ist "unparteiisch" Als Trainer Aragones, der trotz Pensionsalters nicht ans Aufhören denkt und Medienberichten zufolge in Zukunft für drei Millionen Euro jährlich die Spieler des türkischen Fenerbahce kommandieren wird, von der San-Luis-Prozession in Luisiana erfuhr, dankte er für das Stoßgebet. Der 69-Jährige stellte aber auch klar, dass "Gott im Fußball unparteiisch ist. In diese Dinge mischt er sich nicht ein", sagte der sonst grantige Coach redselig, "im Sport gewährt er uns jede Freiheit". Aragones, der längst als "Held von Wien" gefeiert wird, hat den Fußballfans inzwischen alle Schmähungen vergeben, vergessen auch die gegen ihn ausgestoßenen Flüche, als er sich weigerte, Real-Madrid-Stürmer Raul Gonzalez in den Teamkader zu berufen. Placido Domingo als Prophet Real-Fan Placido Domingo war schon vor dem EM-Start vom erfolgreichen Abschneiden der "Seleccion" überzeugt. Im ORF-Interview bewies der Opernstar fast hellseherische Qualitäten: "Natürlich werden wir im Finale sein." Aragones und seine Schützlinge werden vor dem Finale von der Presse bereits in überirdischen Tönen gefeiert: "Spanien greift nach dem Himmel", titelte die Gratiszeitung "Metro". Josef Manola, ORF Spanien