Umsatzsteuer bei Ärzten
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Umsatzsteuer bei Ärzten
PRAXIS + ÖKONOMIE STEUER Umsatzsteuer bei Ärzten Wann Umsatzsteuer anfällt und was dabei zu beachten ist Heinz Pudell Fortschritte der Medizin, Strukturerneuerungen im Gesundheitswesen (z.B. MVZ), unterschiedliche Finanzierungsmodi der Heilfürsorge sowie Zunahme der Selbstzahlerleistungen (IGeL, Kosmetik u.a.) gestalten die steuerliche Einordnung ärztlicher Honorareinnahmen heute komplexer denn je. Gerade in Sachen Umsatzsteuer haben Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und der Finanzgerichte zu zahlreichen Ausnahmen geführt, was die grundsätzliche Umsatzsteuerfreiheit ärztlicher Leistungen angeht. Was der Umsatzsteuer unterliegt und welche Konsequenzen sich ergeben, erläutert dieser Beitrag. Der niedergelassene Frauenarzt erzielt so genannte freiberufliche Einkünfte, weil er in einem humanmedizinischen Heilberuf tätig ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Seine Honorareinnahmen sind gemäß Befreiungsnorm des § 4 Nr. 14 UStG im Grundsatz umsatzsteuerfrei. Umsatzsteuerpflicht und -befreiung Zur Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung Ärztin oder Arzt gehören Maßnahmen, die der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen dienen. Auch Leistungen der vorbeugenden Gesundheitspflege gehören dazu. Unter Beachtung der Gesetzgebung durch das Europaparlament sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind ärztliche Leistungen (Untersuchung, Attest, Gutachten usw.) dann steuerfrei, wenn sie der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen und ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Schwierigkeiten bereitet zunehmend die Beurteilung von Leistungen aus dem so genannten IGeL-Katalog. Gynäkologische IGeL sind z.B. verschiedene Schwangerschaftsvorsorgeleistungen (Toxoplasmose-Screening, Erst-TrimesterScreening, Wunsch-Ultraschall, Doppler-Ultraschall usw.), verschiedene Labor-Leistungen und auch diverse Beratungsleistungen (z.B. Hormonstatus mit Erst- und Therapie-Beratung). Aus dem anderen IGeL-Spektrum gelten folgende Behandlungen als umsatzsteuerfrei: n Akupunktur, n Bioresonanztherapie, n Chinesische Medizin, n Hämatogene, photobiologische Oxidationstherapie (HOT-UVB), n Hydro-Jet-Medical-Therapie, soweit medizinisch indiziert, n Laser-Therapie, soweit medizinisch indiziert, n Moxa-Therapie, n Sauerstoff-Ozon-Therapie (SOT), n Sauerstoffmehrschritt-Therapie nach Prof. Manfred von Ardenne. Beispiele für umsatzsteuerfreie ärztliche Leistungen n Bescheinigungen gemäß Ziffer 70 GOÄ, z.B. AU-Bescheinigungen oder Atteste als Nebenleistung zu einer dem therapeutischen Ziel dienenden Behandlung, n Gutachten zur Feststellung der Behandlungsart bei geplanten stationären Behandlungen, n Blutalkoholuntersuchungen zum Zwecke einer Heilbehandlung, n Begutachtungen zur Gewährung von Heil- und Hilfsmitteln, n Impfberatungen ohne Reisemedizin, n Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen, im Rahmen der Mit-/Weiterbehandlung von Patienten als Nebenleistung zu einer dem therapeutischen Ziel dienenden Behandlung, n Gutachten zur Feststellung der medizinischen Notwendigkeit einer Kur- oder Sanatoriumsbehandlung, n gutachterliche Tätigkeiten zur Feststellung der persönlichen Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitation (Reha-Gutachten), auch dann, wenn die Unter- 68 FRAUENARZT n 47 (2006) n Nr. 1 suchung ergibt, dass der Patient nicht rehabilitierbar, sondern dauerhaft erwerbs- oder berufsunfähig ist und eine Rentenzahlung folgen muss), n körperliche Untersuchung von Personen im Polizeigewahrsam zur Überprüfung der Verwahrfähigkeit in der Zelle (Alternative: Krankenhauseinweisung), n Schwangerenberatung, n Gutachten zur Therapie-Einweisung (nicht jedoch im Rahmen eines Gerichtsverfahrens), n Untersuchung von Proben lebender Personen z.B. bei Vergiftungsverdacht, n Vorsorgeuntersuchungen z.B. Krebsfrüherkennung, n Befundberichte für einen Rentenversicherungsträger, die aus bereits durchgeführten Untersuchungen erstellt werden, n Gutachten des Arztes als sachverständiger Zeuge für Versorgungsämter und andere Behörden (gilt nur für Abrechnungen nach § 2 des Zeugen- und Sachverständigenentschädigungsgesetzes). Neben den ohnehin zu beachtenden formalen Erfordernissen einer Rechnung gemäß § 12 GOÄ müssen auch die seit dem 01.07.2004 verschärften Form-Erfordernisse des Umsatzsteuergesetzes beachtet werden. Demnach müssen Arztrechnungen grundsätzlich Folgendes ausweisen: n leistender Unternehmer (= Arzt), n Steuernummer oder USt-Identifikationsnummer des Arztes, n Leistungsempfänger (= Patient), n Ausstellungsdatum der Rechnung, n fortlaufende Rechnungsnummer, n Menge und Art der Lieferung/ Leistung (gemäß GOÄ), n Zeitpunkt der Lieferung, Leistung, Behandlung, n Entgelt (Honorar), n USt-Satz und Steuerbetrag (s. Abb. 1 S. 70). Bei umsatzsteuerfreien Arztleistungen muss die Rechnung einen textlichen Hinweis auf die Umsatzsteuerfreiheit der jeweiligen Rechnungspositionen enthalten (s. Abb. 2 S. 70). Die IGeL-Rechnung entspricht einer Privatliquidation und muss nach den Grundsätzen der GOÄ (s.o.) erstellt werden. Das bedeutet zudem, dass die berechnete Summe einen Bezug zur GOÄ haben muss und keine beliebige Pauschale sein darf. Auch bei IGeL-Rechnungen ist übrigens anzugeben, ob die Leistungen umsatzsteuerfrei oder umsatzsteuerpflichtig sind. Auf derselben Rechnung darf beides gemeinsam abgerechnet werden. Um die Buchführung zu erleichtern, empfehlen sich jedoch separate Rechnungen für umsatzsteuerfreie und -pflichtige Leistungen. Steuerberechnung und -zahlung Da die Umsatzsteuer beim Finanzamt gesondert betrachtet wird, müssen Ärzte, die umsatzsteuerpflichtige Leistungen berechnen, die Umsatzsteuer auch gesondert ermitteln und dem Finanzamt mitteilen. n Vorsteuerabzug Erbringt ein Arzt umsatzsteuerpflichtige Leistungen, kann er in seiner Steuererklärung gegenüber dem Finanzamt von seiner Umsatzsteuerschuld die Umsatzsteuer abziehen, die er selbst an andere Unternehmen gezahlt hat (§ 15 UStG; s. Beispiele für den Vorsteuerabzug S. 69). Hat er Beispiele für den Vorsteuerabzug Beispiel 1 Ein Arzt hat ein Laser-Haarentfernungsgerät für 20.000 Euro plus 3.200 Euro Umsatzsteuer erworben und macht mit diesem Gerät ausschließlich umsatzsteuerpflichtige kosmetische Haarentfernungen. Da die Honorareinnahmen aus diesen Behandlungen umsatzsteuerpflichtig sind, kann der Arzt die beim Kauf des Geräts bezahlte Umsatzsteuer von 3.200 Euro beim Finanzamt geltend machen. Ein Vorsteuerabzug wird zudem für die Umsatzsteuer gewährt, die der Arzt im Rahmen der Betriebskosten des Geräts bezahlt, z.B. Strom, Wartung, Reparaturen usw. Beispiel 2 Nutzt der Arzt das Haarentfernungsgerät sowohl medizinisch-indiziert (z.B. Entfernung eines Damenbarts) als auch kosmetisch, kann der Vorsteuerabzug nur anteilig erfolgen. Der Anteil ermittelt sich aus dem Verhältnis medizinischer (umsatzsteuerfreier) und kosmetischer (umsatzsteuerpflichtiger) Honorareinnahmen, die mit dem Gerät erzielt wurden. Gegebenenfalls muss geschätzt werden. PRAXIS + ÖKONOMIE Rechnung mit und ohne Umsatzsteuer Beispiele für umsatzsteuerpflichtige Leistungen n ästhetisch-plastische Leistungen, soweit ein therapeutisches Ziel nicht im Vordergrund steht (Als Indiz für eine Steuerpflicht sieht die Finanzverwaltung regelmäßig die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung.), beispielsweise Brustvergrößerungen, Liposuktionen usw., n Erstellung von Gutachten – über die Berufstauglichkeit, – über die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Sozialversicherungsangelegenheiten, – über Blutgruppenuntersuchungen im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung, – anthropologisch-erbbiologischen Inhalts, n Anwendungsbeobachtungen oder Studien für Pharmafirmen bzw. Untersuchungen über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments, n ärztliche Untersuchungen über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments bei Menschen, n gerichtsmedizinische Tätigkeiten, n sonstige Tätigkeiten: – andere Leistungen von Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung, die keinem therapeutischen Ziel dienen, – Schönheitsoperationen, soweit nicht medizinisch indiziert, n Lieferungen und sonstige Leistungen: – Verkauf von Kosmetika, Diätnahrungsmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Pflegeprodukten, Hilfsmitteln u.a., – Verkauf von Material oder Geräten an andere Praxen, – entgeltliche Nutzungsüberlassung von Geräten z.B. an Kollegen (mit Kosten- oder Gewinnbeteiligung), – entgeltliche Nutzungsüberlassung der Praxis an andere Ärzte für Behandlungen, – Setzen von Piercings, n schriftstellerische Tätigkeit, z.B. auch Berichte in einer ärztlichen Fachzeitschrift, n Vortragstätigkeit, auch wenn der Vortrag vor Ärzten im Rahmen einer Fortbildung gehalten wird, n Lehrtätigkeit, n Entschädigungen nach § 3 ZSEG (Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen). FRAUENARZT n 47 (2006) n Nr. 1 69 PRAXIS + ÖKONOMIE Herrn Heinz Pudell Kösterstraße 1 a 47053 Duisburg Dr. med. Peter Müller Hafenstraße 35 47053 Duisburg St.-Nr. 108 / 233 / 5236 Rechnung-Nr. 245 / 2005 15.04.2005 10.04.2005 Eingehende Beratung 8,74 € x 2,3-fach = 20,11 € Die Leistung ist als ärztliche Leistung gemäß § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz von der Umsatzsteuer befreit. Bitte überweisen Sie den Rechnungsbetrag bis zum 30.04.2005 auf mein Konto bei der Sparkasse Duisburg, BLZ 350 500 00, Kontonummer 200 400 567. Abb. 1: Herkömmliche GOÄ-Rechnungen müssen einen Hinweis auf die Umsatzsteuerfreiheit der berechneten Leistungen enthalten. Herrn Heinz Pudell Kösterstraße 1 a 47053 Duisburg Gesundheitsinstitut Miriam und Peter Müller GbR Hafenstraße 35 47053 Duisburg St.-Nr. 108 / 288 / 1234 Rechnung-Nr. 245 / 2005 15.04.2005 10.04.2005 Lieferung von Orthonorm f 3 Packungen x 50,93 € = 152,79 € Orthopregna 3 Packungen x 50,28 € = 150,84 € Zwischensumme 303,63 € zzgl. 7 % Umsatzsteuer 21,25 € Gesamtbetrag 324,88 € Bitte überweisen Sie den Rechnungsbetrag bis zum 30.04.2005 auf mein Konto bei der Deutschen Bank Duisburg, BLZ 350 700 00, Kontonummer 123 321 987. Abb. 2: Werden umsatzsteuerpflichtige Leistungen abgerechnet, sind Umsatzsteuersatz und -betrag gesondert anzugeben. mehr Vorsteuer gezahlt (z.B. bei einer Neuanschaffung) als Umsatzsteuer eingenommen, erhält er vom Finanzamt eine Umsatzsteuerrückerstattung. Hat er jedoch weniger gezahlt als eingenommen, hat er die Differenz ans Finanzamt zu zahlen. n Umsatzsteuervoranmeldung Ein Arzt bzw. sein Steuerberater hat die Umsatzsteuer- und Vorsteuerbeträge (eingenommene und gezahlte Umsatzsteuer) zu berechnen und als Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt einzureichen (ausschließlich via Internet über die spezielle Software ELSTER). Wie oft eine Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben ist, legt das Finanzamt abhängig von der jährlich zu zahlenden Vorjahresumsatzsteuer des Arztes fest. In der Regel gilt: 70 FRAUENARZT n 47 (2006) n Nr. 1 n bis 512 Euro: jährlich, n bis 6.136 Euro: vierteljährlich, n über 6.136 Euro: monatlich. Existenzgründer müssen ihre Umsatzsteuervoranmeldungen im Gründungsjahr und im Folgejahr monatlich erstellen. Ohne Fristverlängerung ist die Umsatzsteuervoranmeldung spätestens am 10. Tag nach Ablauf eines jeden Voranmeldungszeitraums beim Finanzamt abzugeben. Mit einem einmaligen Antrag auf Dauerfristverlängerung (muss bis zum 10. Februar beim Finanzamt vorliegen) verlängert sich die Abgabefrist bei Vierteljahreszahlern jeweils um einen Monat. Bei Monatszahlern kann bis zum 10. Februar des jeweils laufenden Jahres eine Fristverlängerung um einen Monat beantragt werden, wobei bis zu diesem Termin ein Elftel der Vorjahresumsatzsteuer als Umsatzsteuersondervorauszahlung angemeldet und gezahlt sein muss. Sonderregelungen für Kleinunternehmer Das Umsatzsteuerrecht bietet mit der Kleinunternehmer-Regelung (§ 19 UStG) vielen Ärzten die Möglichkeit, dem Umsatzsteuerverfahren zu entgehen. Kleinunternehmer müssen nämlich für Leistungen, die üblicherweise umsatzsteuerpflichtig sind, keine Umsatzsteuer berechnen. Genauer gesagt: Wer die KleinunternehmerRegelung in Anspruch nehmen will, darf in seinen Rechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen, kann allerdings dann auch keinen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Diese Sonderregelung ist vor allem für Ärzte interessant, die nur in geringem Umfang umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen. Sie greift, sofern die umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen des Vorjahres den Betrag von 17.500 Euro nicht übersteigen und die des laufenden Jahres nicht über 50.000 Euro liegen. Der Arzt kann – muss aber nicht – von dieser Sonderregelung Gebrauch machen. Die Entscheidung richtet sich letztlich danach, welcher Weg unter Berücksichtigung eines eventuellen Vorsteuerabzugs finanziell günstiger ist. Autor Diplom-Finanzwirt Heinz Pudell Steuerberater mit Tätigkeitsschwerpunkt Ärzteberatung und Steuerstrafrecht Steuerberater Pudell & Partner Kösterstraße 1 a D–47053 Duisburg Tel. + 49 203 609460 E-Mail [email protected]