Oberstdorf ist mein Wimbledon!
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Oberstdorf ist mein Wimbledon!
Seite 12 WINTERSPORTMAGAZIN Interview DIETER THOMA: „Oberstdorf ist mein Wimbledon!“ Man kennt ihn als erfolgreichen Sportler und Fernsehmoderator. Im Interview mit Marcus Barnstorf spricht Skisprung-Legende Dieter Thoma über seine eindrucksvolle Karriere, die Macht der Medien und seine Beziehung zu Oberstdorf. Was machen Sie gerade? Dieter Thoma: Zum einen bin ich mit der ARD als Skisprung Experte unterwegs, zum anderen habe ich seit Oktober ein neues Projekt im Skisprung, was mich zeitlich stark einnimmt. Das ganze Jahr über bin ich mit meinen Vorträgen unterwegs. Außerdem sammle ich bei Benefiz-Golfturnieren Geld für meinen Verein „Spielend helfen e.V“. Welches Handicap haben Sie? Thoma: Derzeit 10,2 – zu Jahresbeginn war es noch 11,5. Mein Ziel für 2011 ist, einstellig zu werden! Sie beobachten den SkisprungZirkus aus nächster Nähe. Wer wird in dieser Saison für Furore sorgen? Thoma: Nach den ersten Ergebnissen bin ich sehr gespannt, wie sich das weiter entwickelt! Im Sommer-Weltcup waren die Polen sehr stark. Drei Athleten unter die ersten fünf zu platzieren – dazu gehört schon was. Die Österreicher werden sicherlich wieder ein gehöriges Wort mitsprechen, ebenso die Norweger. Bei den Deutschen kommt Severin Freund mit dem neuen Bindungssystem besonders gut zurecht. Auch Michael Uhrmann, Michael Neumayer und Martin Schmitt sind immer für eine Überraschung gut. Nicht zu vergessen Maximilian Mechler, der fast aus dem Nichts neue Qualitäten zeigte; Pascal Bodmer sprang stark am Ende des Sommers. Werden Sie abseits der Schanzen Silvester 1999 von der Schanvon Fans und Autogrammjägern ze in Garmisch-Partenkirchen, erkannt? tags darauf moderierte ich zuThoma: Ja, schon! Das ist je sammen mit Günther Jauch nach Saison ganz unterschied- das Neujahrsspringen. Ich bin lich! Da ich viel unterwegs sanft verabschiedet worden bin, werde ich am meisten an und hatte Glück, nicht in ein Tankstellen oder am Flugha- tiefes Loch zu fallen. fen erkannt. Ich bin froh darüber, dass meine Privatsphäre Können Sie uns beim Skispringewahrt wird – das war nicht gen das Gefühl vom Absprung bis immer so. Prozur Landung bemis wie Boris schreiben? „Promis wie Boris Thoma: Es ist Becker oder Becker oder Michael ein Gefühl, ganz Michael SchuSchumacher sind stark verliebt zu macher, die keinicht zu beneiden!“. sein, gepaart nen Schritt mit einem mehr unbeobDieter Thoma Schockmoment achtet machen wie der bei eikönnen, sind aus meiner Sicht nicht zu be- nem Beinaheunfall beim Autofahren. Der Adrenalinspiegel neiden. ist – insbesondere beim SkiflieWelche Macht üben Medien auf gen – hoch; 90 Prozent davon ist Routine. Körper und Geist Sie aus? Thoma: Die Medien üben werden extrem in Anspruch zweifelsohne eine große genommen; man setzt sich Tag Macht aus. Die Verantwor- für Tag einem Risiko aus. tung daraus ist leider nicht immer allen Journalisten be- Wie wichtig sind gutes Material wusst. Noch heute gilt das ge- und mentales Training? schriebene Wort als Gesetz. Thoma: Das Material wird im Wenn man liest „Thoma flat- Skispringen immer mehr getert wie eine gefüllte Weih- normt, man hat heute viel wenachtsgans“, so braucht man niger Spielraum. Dennoch ist schon ein dickes Fell, um das Entwicklung sehr wichtig um wegzustecken. Das Leben geht sich einen kleinen Vorteil zu aber immer vorwärts, die Ver- verschaffen. Das mentale Traigangenheit ist vorbei. Als jun- ning ist extrem wichtig. Gute ge Sportler wurden wir ins Skispringer machen unbekalte Wasser geschmissen. wusst vieles richtig. MittlerDoch ich habe in all den Jah- weile gibt es viele Möglichkeiren gelernt, einen Mittelweg ten, wie man auch den Kopf zu gehen – so wurde ich erzo- trainieren kann. gen. Man sollte nie die Brücke einreißen, die man später viel- Und welche Rolle spielen dabei leicht noch überschreiten will. Rituale oder Glücksbringer? Thoma: Als Sportler wird man mit der Zeit immer feinFehlt Ihnen das Skispringen? Thoma: Nein, aktiv mittler- fühliger und empfindlicher, da weile nicht mehr! Die ersten war mein Ritual eine enge zwei, drei Jahre war das an- Radlerhose, die meiner Musders. Aber ich habe zum rich- kulatur eine bestimmte Rücktigen Zeitpunkt aufgehört, als meldung in der Anfahrt und Weltmeister abzutreten ist ein beim Absprung gab. Dazu die Traum, besser geht es kaum. richtigen Socken für das gleiMeine Laufbahn endete mit che Gefühl als Verbindung dem „Millenniumssprung“ zwischen Schuh und Ski. ZUR PERSON: DIETER THOMA Dieter Thoma wurde am 19. Oktober 1969 in Hinterzarten geboren und galt in den 90erJahren als einer der besten Skispringer der Welt. 1990 gewann er die Vierschanzentournee. Bei den Olympischen Winterspielen 1994 in Lillehammer gewann er Mannschafts-Gold. Im Individualwettbewerb erreichte der gebürtige Schwarzwälder auf der Normalschanze Bronze. Insgesamt gewann Dieter Thoma 13 Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Von 2000 bis 2007 moderierte er gemeinsam mit Günther Jauch die Skisprung-Übertragungen bei RTL. Seit drei Jahren ist er als Experte für die ARD tätig. Heute ist er unter anderem als Referent der Dillinger „5 Sterne Redner“ bundesweit tätig. Haben oder hatten Sie eine Lieblingsschanze? Thoma: Lillehammer und Sapporo. Und Oberstdorf? Thoma: Oberstdorf war und ist immer etwas Besonderes – das ist meine Heimschanze, mein Wimbledon für mich. Es hat schon immer gekribbelt, wenn man das Tal mit seiner großen Schanze von weitem gesehen hat. In Oberstdorf bin ich mit 15 Jahren meinen ersten Weltcup gesprungen. Drei mal durfte ich dort gewinnen, aber auch die Skiflugschanze in Oberstdorf habe ich geliebt. Am 28./29. Dezember startet in Oberstdorf die Vier-SchanzenTournee. Sie werden als Experte für das ARD vor Ort sein. Kann man Valeska Homburg mit Günther Jauch vergleichen? Thoma: Dieser Vergleich ist nicht möglich. Valeska schaut auf jeden Fall besser aus! Was haben Sie mit all Ihren Siegerpokalen und Medaillen gemacht? Thoma: Die meisten stehen in Museen oder im heimischen Skizentrum Thoma in der Skihütte Thoma in Hinterzarten, das von meinem Bruder betrieben wird. Wenn ich ehrlich bin, dann stehen mehr Pokale vom Golf daheim als vom Skispringen. Einzig den Siegerpokal von Oberstdorf 1989 habe ich noch zu Hause. Ich erinnere mich gerne an die Vergangenheit, aber ich lebe in der Gegenwart; getreu dem Motto „Wer mit einer Hand an der Vergangenheit festhält, hat nur eine für die Zukunft frei!“. Sie waren 1994 und 1998 bei den Olympischen Spielen mit dabei. Warum wäre Olympia 2018 für Deutschland wichtig? Thoma: Es wäre genial! Als Olympionike im Heimatland an den Start zu gehen, ist schon ganz etwas Besonderes, sodass man es sich fast nochmals überlegen müsste, wieder anzufangen (lacht). Es ist zweifelsohne wichtig und richtig, die Natur zu hüten und zu bewahren. Auf der anderen Seite können wir uns weltoffen präsentieren. Wenn ich mir die Spiele in Vancouver anschaue, so ist mir Kanada äußerst positiv in Erinnerung. Dieter Thoma bereist als SkisprungExperte für die ARD die Welt. Foto: imago/MIS