Mythos Rommel Veranstalter: Haus der Geschichte - H-Soz-Kult

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Mythos Rommel Veranstalter: Haus der Geschichte - H-Soz-Kult
Mythos Rommel
Veranstalter: Haus der Geschichte BadenWürttemberg
Datum, Ort: 18.12.2008–20.09.2009, Stuttgart
Johannes, Häußler; Hecht, Cornelia; LutumLenger, Paula, Rommel, Manfred; Schnabel, Thomas (Hrsg.): Mythos Rommel.
Katalog zur Sonderausstellung. Stuttgart:
Haus der Geschichte Baden-Württemberg
18.12.2008–20.09.2009. ISBN: 978-3-933726-285; 180 S.
Rezensiert von: Rüdiger von Dehn, Dekanat/Historisches Seminar, Bergische Universität Wuppertal
„Es besteht die höchst greifbare Gefahr, dass
unser Freund Rommel bei unseren Truppen,
die viel zu viel über ihn reden, zu einer
Art Magier und Kinderschreck wird. Rommel ist keineswegs ein Übermensch, wenn
ihm auch niemand seine Energie und Tüchtigkeit abstreiten kann [. . . ]. Ich ersuche
Sie darum, mit allen Mitteln die Vorstellung zu zerstreuen, dass Rommel vom üblichen Typ deutscher Generale abrückt.“1 General Auchinleck, Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte in Nordafrika, versuchte
mit diesem Tagesbefehl vom Frühjahr 1941
dem entgegenzuwirken, was heute immer
noch Anziehungskraft besitzt: dem RommelMythos. Das Haus der Geschichte BadenWürttemberg hat ihm eine Sonderausstellung
gewidmet, die noch bis zum 20. September
2009 in Stuttgart zu sehen ist. Mit über 50.000
Besuchern aus dem In- und Ausland, dürfte
sie als eine der erfolgreichsten Ausstellungen
des Hauses gelten – aus gutem Grund.
Über zehn Stationen wird der Besucher
durch das Leben Rommels geführt, das ganz
und gar durch Propaganda und einen gewissen Grad der Selbstinszenierung geprägt war.
Fast kann von einer Profilneurose des späteren „Wüstenfuchses“ gesprochen werden.
An der ersten Station wird der private Erwin
Rommel präsentiert. Die Bilder und Exponate zeigen einen jungen Menschen, der fernab
vom Dasein eines Soldaten steht. 1912 verkleidete sich der Elfjährige als Revuegirl. Mitten
im Ersten Weltkrieg trifft Rommel auf LucieMaria Mollin, die er am 27. November 1916
heiratete. 1928 bewies sich Rommel als be-
geisterter Skifahrer im Kleinen Walsertal. Die
Ausstellung ist hier zu weiten Teilen auf wenig bekannte Photos gestützt, die aus dem
Privatbesitz der Familie Rommel stammen.
Rommels Privatleben fand 1914 ein jähes
Ende. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges
wurde er Berufsoffizier. Er diente an den
Fronten in Frankreich und Rumänien sowie
in den Julischen Alpen. Eben dort wurde der
Grundstein für den „Mythos Rommel“ gelegt.
Am 26. Oktober 1917 stürmten Rommel und
die ihm unterstellten Gebirgsjäger die italienischen Stellungen auf dem Monte Matajur.
Zwei Monate später wurde dem Infanteristen
dafür der Orden „Pour le Mérite“ verliehen.
Dieser ist im Original in der Ausstellung vorhanden und gilt als erste Insignie Rommels.
Handschriften und Karten aus den Kriegsjahren ergänzen die ausgestellten Exponate. Augenmerk ist auf den Photodiakasten zu richten, den Rommel für Vortragsreisen zusammengestellt hatte.
An der dritten Station kann der Besucher Rommels Lebensweg zum Anbeginn des
Dritten Reiches mitverfolgen. Es sind die Jahre, in denen er zum Panzertruppenkommandeur und Hitler-Verehrer wurde. 1934 trafen
die beiden in Goslar aufeinander. 1937 wurde
Hitler wieder auf Rommel aufmerksam, nachdem dieser sein Gefechts- bzw. Taktikhandbuch „Infanterie greift an“ veröffentlicht hatte. In Berlin wurde er zum dritten Mal zum
Kommandeur des „Führer“-Hauptquartiers
ernannt. Im Mai 1940 begann der FrankreichFeldzug, den Rommel nunmehr als Kommandeur der 7. Panzerdivision mitmachte. Seine Einsatzerfolge gegen Franzosen und Briten
wurden umgehend von der nationalsozialistischen Propaganda aufgenommen und verarbeitet. Nebenbei sorgte Rommel selbst dafür,
dass man in Berlin über seine Siege sprach.
Grundlage ist dafür unter anderem ein eigens für Hitler zusammengestellter Prachtband über die Geschichte der 7. Panzerdivision im Frankreichfeldzug. Dieser ist ein sehenswertes Exponat in der dritten Ausstellungssektion. Es folgen die Jahre Rommels in
Nordafrika (1941-1943), in denen er zum bekanntesten deutschen General gemacht wurde. Bereits an dieser Stelle ist dem Besucher
1 Zit.
nach Desmond Young, Rommel, Wiesbaden 1950,
S. 23.
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deutlich, dass der Panzergeneral sich keinesfalls gegen die propagandistische Instrumentalisierung seiner Person wehrte. Vielmehr
genoss er sie.
Nun kommen die wichtigsten Insignien
Rommels zur Geltung. Gemeint sind seine
Staubbrille, der Feldstecher sowie sein LeicaPhotoapparat, den er von Joeseph Goebbels
geschenkt bekam. Die erstgenannten Exponate garantieren den Wiedererkennungswert
seiner Person auf fast allen Propagandaaufnahmen. Rommel begann, sich zunehmend
selbst mit in die Propaganda einzubringen.
Bereitwillig gab er noch auf dem Schlachtfeld Interviews an Kriegsberichterstatter. Die
fünfte Sektion ist gänzlich auf das einsetzende Medienecho hin ausgerichtet.
Im Anschluss daran begleitet der Besucher Rommel zum Höhepunkt seiner militärischen Laufbahn. Hitler ernannte den Panzergeneral zum Feldmarschall und überreichte ihm im September 1942 den Marschallstab. Damit kam ein weiteres Symbol für den
„Mythos Rommel“ hinzu. Das Reichspropagandaministerium kannte nun keine Grenzen
mehr und zeigte den neuen Feldmarschall
nur noch in Siegesposen. Einige Bilder erwecken durchaus den Eindruck, dass Rommel bewusst als „militärischer Erlöser“ inszeniert wurde. Der Marschallstab und die Liebeserklärung von Magda Goebbels an Rommel sind zwei der interessantesten Exponate in diesem Teil der Ausstellung. Hinzu
kommt der persönliche Schriftverkehr zwischen Rommel und seiner Frau Lucie. Orden
und Auszeichnungen runden diesen Teilabschnitt ab.
Der siebte Teil der Sonderausstellung hat
das Jahr 1944 zum Thema. Es ist das Jahr,
in dem Rommel die Normandie gegen die
erwartete alliierte Invasion verteidigungsbereit machen sollte. Des Weiteren wird sein
Kontakt zum Widerstand gegen Hitler thematisiert. Seit der Niederlage bei El Alamein war der „Wüstenwuchs“ vom Verehrer des „Führers“ zum Zweifler am „Endsieg“ geworden. Ob und welche Rolle Rommel im Zusammenhang des „20. Juli“ spielte, ist bis heute nicht genau geklärt. Wochenschauausschnitte und Bildquellen dominieren
diesen Ausstellungsbereich, der in den Oktober 1944 überleitet. Für die Führung in Ber-
lin hatten Gerüchte und einige unter Folter erzwungene Geständnisse festgenommener Offiziere gereicht, die Rommels Verbindung zu
den „Verschwörern“ des Widerstandes bestätigten. Daraufhin zwang ihn Hitler in den
Selbstmord. Sein Tod wurde mit einem minutiös geplanten Trauerakt in Ulm zum Element der Propaganda gemacht. Im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda hatte man den Staatsakt bereits eingeplant und
war auf die massenwirksame Dokumentation vorbereitet. Die Wochenschaubilder zeigen
den Erfolg der Goebbels-Mitarbeiter. Interessant sind die Bilder auch deswegen, weil sie
das noch unzerstörte Ulm 1944 zeigen, das im
Dezember des Jahres durch einen Luftangriff
in Schutt und Asche gelegt wurde.
Mit dem Ende des Krieges 1945 kam es zu
einer neuen Dynamik in der Erinnerung an
Erwin Rommel. Diese ist auf den von 20th
Century Fox gedrehten Film „Rommel – Der
Wüstenfuchs“ zurückzuführen. Sieben Jahre
nach Kriegsende verkörperte James Mason
den „Desert Fox“, der nunmehr zum Filmstar
und zu einer Integrationsfigur wurde. Grundlage lieferte das Buch von Desmond Young
„Rommel“. Auf den zweiten Blick stellt der
Besucher fest, dass das Rommel-Bild im Film
und Buch von Cornelius Ryan, „Der längste Tag“, unberücksichtigt bleibt. Über diese
thematische Lücke ist hinwegzusehen.2 Nach
dem Mason-Film folgt 1953 die Diskussion über die wenig objektive Dokumentation
„Das war unser Rommel“, der es ein Jahr später bis in die arabischen Kinos schafft.
Der letzte Teil der Ausstellung beschreibt
die umstrittene Erinnerung an Rommel in der
Traditionspflege der Bundeswehr sowie in
der bundesdeutschen Öffentlichkeit. Dr. Hans
Speidel, ehemaliger Generalstabschef Rommels und 1956 General der Bundeswehr, trug
den Mythos in die westdeutschen Streitkräfte. In den 1960er-Jahren wurden eine Kaserne
und schließlich ein Zerstörer der Bundesmarine nach Erwin Rommel benannt. Beides findet sich in der Ausstellung dokumentiert. Ein
letztes und kurioses Exponat ist die RommelEhrenscheibe der Schützengesellschaft Herrlingen e.V., die 1994 als Wettkampfgewinn an
ein Mitglied vergeben wurde. Im Kinosaal des
2 Cornelius
Ryan, Der längste Tag. Normandie: 6. Juni
1944, Klagenfurt 1998.
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Mythos Rommel
Museums kann der Besucher die RommelPropaganda auf sich wirken lassen. Sämtliche
Original-Wochenschau- und Filmausschnitte,
die in der Ausstellung gezeigt werden, können nochmals angeschaut werden. Die Filmfolge lädt zum Vergleich der Heldenikonographie ein. Er lässt die Mechanismen der nationalsozialistischen Propaganda erkennen. Die
Bilder zeigen durchaus die Perfektion, mit der
im Goebbels’schen Ministerium 1933-1945 gearbeitet wurde. Gleiches gilt für Rommels Eitelkeit.
Zum Ende des in sich geschlossenen Rundgangs bleiben zwei Fragen offen: wer war
Rommel nun wirklich? Nazi-General oder ritterlicher Kriegsheld? Gerade die noch ausstehende Suche nach den Antworten zeigt,
dass die Ausstellung weder mahnt noch auf
ein Rommel-Idealbild hin ausgerichtet worden ist. Gleichsam weiß der Besucher nicht,
wie er Erwin Rommel bewerten soll. War er
ein Opfer des Regimes? Ein Held? Ein Mythos? Es sei dahingestellt, ob es sinnvoll gewesen wäre, zum Beginn der Ausstellung eine – wenigstens kurze – Definition von „Mythos“ zu entwickeln bzw. zu präsentieren.
Der Griff zu Krumeichs SchlachtenmythenSammelband hätte über dieses Hindernis hinweg geholfen.3 Dies ändert nichts an der hohen Qualität der Ausstellung. Die Vielzahl der
Besucher bestätigt den Erfolg der Kuratoren.
Was lässt sich über den musealen Aufbau der Darstellung „Mythos Rommel“ sagen? Die durchgängig gezackte Vitrinenaufstellung symbolisiert eindrücklich den Lebensweg Rommels sowie die Entwicklungslinie des Mythos. Beide werden durch den aufeinander abgestimmten Medieneinsatz (Bild-,
Film- und Audioquellen) verbunden und für
den Besucher sichtbar gemacht. Freilich „lebt“
die Ausstellung von den Exponaten. Es lassen sich drei Themenkreise im Aufbau erkennen. Der äußere ist durch großformatige Bilder und einen ausgewogenen Einsatz
von Medienstationen gekennzeichnet. Letztere, die nicht über Kopfhörer abzurufen sind,
wären deutlich leiser zu stellen gewesen. Der
mittlere Kreis besteht aus Dokumenten und
diversen Exponaten. Das Zentrum wird aus
den bereits erwähnten Ausstellungsstücken
wie Staubbrille, Fernglas, Rommels Ledermantel und Marschallstab gebildet. Die Ord-
nung der Ausstellung ist durch die Biographie Rommels vorgegeben. Zudem wird notwendiges Basiswissen in den Leit- und Führtexten vermittelt.
Insgesamt gilt es festzuhalten, dass Erwin
Rommel aus unterschiedlichster Perspektive
gezeigt wird. Die Propaganda-Ikone sowie
der nach militärischer Anerkennung und Geltung strebende Mensch werden reflektiert. In
diesem Sinne wäre es auch falsch, im „Wüstenfuchs“ ein Opfer der nationalsozialistischen Propaganda zu sehen. Vielmehr hat er
sich selbst der Macht der Goebbels-Medien
unterstellt. Dem Besucher steht es frei, welchen Rommel er selbst sehen und historisch
einordnen will. Der Blick ins Gästebuch der
Ausstellung zeigt, inwieweit sich hier die
Geister scheiden. So ist auf der einen Seite
vom hoch gelobten Offizier zu lesen, der für
sein Vaterland starb. Auf der anderen Seite
wird er als Nazi-General kritisiert, der aus
der Geschichte getilgt werden müsse. Rommel wird weiterhin ein Politikum und ein
Objekt der historischen Forschung bleiben.
Erste Ansätze bietet der jüngst veröffentlichte Sammelband „Erwin Rommel. Geschichte
und Mythos“. Die dort abgedruckten Aufsätze geben keine endgültige Antwort darauf,
„wie aus der Person Erwin Rommel der Mythos Rommel“ wurde.4
Rüdiger von Dehn über Johannes, Häußler; Hecht, Cornelia; Lutum-Lenger, Paula,
Rommel, Manfred; Schnabel, Thomas (Hrsg.):
Mythos Rommel. Katalog zur Sonderausstellung. Stuttgart 18.12.2008–20.09.2009, in: HSoz-Kult 19.09.2009.
3 Gerd
Krumeich/ Susanne Brandt (Hrsg.), Schlachtenmythen. Ereignis. Erzählung. Erinnerung, Köln 2003,
S.1-19.
4 Thomas Schnabel, Erwin Rommel. Geschichte und Mythos, in: Haus der Geschichte Baden-Württemberg /
Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.), Erwin Rommel.
Geschichte und Mythos (= Stuttgarter Symposion, Bd.
13), Leinfelden-Echterdingen 2009, S. 7-16, hier: S. 15.
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