ende der herrlichkeit

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ende der herrlichkeit
ENDE DER
HERRLICHKEIT
MANAGERINNEN Noch sind Männer und Macht eine sakrosankte
Einheit in den deutschen Vorstandsetagen, Frauen nur als exotische
Einzelkämpferinnen zu finden. Doch jetzt denkt die Wirtschaft um.
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KARRIERE
Vorbotinnen weiblicher Macht: Brigitte Ederer, Regine Stachelhaus,
Angelika Dammann, Barbara Kux (v. l. n. r.); Die Herren der Macht:
Peter Löscher, Martin Winterkorn, Herbert Hainer, Josef Ackermann
(vorn, v. l. n. r.); dahinter: Norbert Reithofer, Wolfgang Reitzle,
Jürgen Hambrecht, Jürgen Großmann, René Obermann, Dieter Zetsche
ILLUSTRATIONEN: STEFANIE BEMMANN FÜR MANAGER MAGAZIN
W
as für eine Aussicht! Vom 19. Stock eines
Berliner Wolkenkratzers auf einen dieser
neu konstruierten Plätze. „Ein kalter Ort“,
moniert die Gastgeberin, „man spürt förmlich, dass
hier nichts natürlich gewachsen ist.“
Auch in der deutschen Wirtschaft wächst nicht
alles natürlich. Deshalb sind wir hier, bei Dr. Emma
Dorn*. Eine Mittvierzigerin, standesgemäß gestylt,
der silbergraue Anzug passend zum silbergrauen
Haar, die Perlenkette doppelreihig. Für eine bekannte Personalberatung makelt sie Spitzenkräfte,
und das sind noch immer hauptsächlich Männer.
Frauen mögen inzwischen Bundeskanzlerin,
Professorin oder Staatsanwältin werden, aber unter den Topführungskräften deutscher Konzerne
findet sich kaum eine. Von den 441 Vorstandsmitgliedern der 100 umsatzstärksten Unternehmen im Land waren 2009 gerade einmal vier weiblichen Geschlechts, hat das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW) ermittelt.
Ein Umstand, der vielen Firmen inzwischen
peinlich ist. Der Managerinnenmangel gilt als Makel; gemischte Teams erwirtschaften erwiesenermaßen mehr Gewinn. Gemischt heißt: In einer
Gruppe von zehn müssen mindestens drei Frauen
sein. Eine allein kann gar nichts ausrichten.
Auch der demografische Wandel, als Problem in
der Theorie längst bekannt, ist jetzt in der Praxis
angekommen: Nachwuchskräfte sind ein rares Gut,
und Vorstandsvorsitzende greifen schon mal selbst
zum Telefonhörer, um ein junges Talent zu ködern.
High Times also für High Potentials. Und – sie
dürfen gern weiblich sein.
Auch in die Vorstände ziehen die Frauen ein. Bei
Siemens lenkt seit November 2008 Barbara Kux
mit. Ab Juli kommt Brigitte Ederer dazu. Bei SAP
wird Angelika Dammann im Oktober antreten. Bei
Eon ist jetzt Regine Stachelhaus dabei. Bei BASF
warten Insider darauf, dass Margret Suckale befördert wird; und bei der Telekom muss Anastassia
Lauterbach, wenn auch aus der zweiten Reihe, für
Innovation sorgen.
Überhaupt die Telekom. Sie hat das Unfassbare
verordnet: eine Frauenquote. Steht jetzt der große
Dammbruch bevor? Werden die Chefetagen in den
kommenden Jahren von Karrierefrauen geflutet?
„Seit der Telekom-Quote ist unser Leben schwerer geworden“, klagt Emma Dorn. Der Ukas von
René Obermann entfaltet seine Dynamik: 30 Prozent der oberen und mittleren Führungspositionen
im Unternehmen sollen bis Ende 2015 den Frauen
gehören. Weltweit gerechnet. Das relativiert die
Sache, denn im Ausland mischen fast überall mehr
*Name von der Redaktion geändert.
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Karriere Managerinnen
Frauen mit als im Mutterland der teutonischen Männerfestung. Und Vorstand
wie auch Aufsichtsrat sind von der
Quote nicht betroffen.
Trotzdem ist auf einmal sehr viel
Druck in die „Gender-Frage“ gekommen.
Im Wettrennen um die Führungsposten
müssen Headhunter wie Frau Dorn jetzt
weibliche Kandidaten präsentieren.
Fortschritt kann anstecken.
Eine Gruppe jüngerer CEOs erklärt die
Mobilisierung weiblicher Topkräfte zur
Chefsache. Der Däne Kasper Rorsted
(Henkel) wirbt längst für mehr Frauen
an der Spitze; kontrolliert wird er von
Simone Bagel-Trah, der einzigen Aufsichtsratschefin in einem Dax-Konzern.
Johannes Teyssen (Eon) sagt empathisch: „Wäre ich eine Frau, wäre ich fordernder.“ Auch Martin Blessing (Commerzbank), der privat die Gleichheit
lebt – seine Ehefrau Dorothee ist Partnerin bei Goldman Sachs – merkt,
dass seine Bank die Frauen braucht.
Und für Marijn Dekkers, den künftigen
Bayer-Chef, der jahrzehntelang in den
USA wirkte, muss eine Chefetage ohne
Frauen geradezu unanständig wirken.
Wird diese neue Generation von Unternehmenschefs also tatsächlich ihre
Macht freiwillig teilen?
Und ob, sagt der frisch gekürte EonChef Teyssen: „Da bin ich Gesinnungstäter.“ Er war noch keine zwei Wochen
im Amt, da holte er Regine Stachelhaus.
der Feminisierung anhält, steht in Deutschland eine Revolution von oben an.
„Unsere Generation hat eine andere
Einstellung“, erklärt mit charmanter
Trockenheit Post-Chef Frank Appel, einer der größten Arbeitgeber Europas.
Er hat kein Problem mit weiblichen
Führungskräften. Sagt er. Auch Frauen
als Vorgesetzte kennt er. Sowohl seine
Diplom- wie seine Doktorarbeit wurden
von Professorinnen abgenommen.
Im globalen Wirtschaftsuniversum
tragen die traditionellen Männerseilschaften ohnehin nicht mehr weit genug.
Entscheidungen sind komplexer geworden, und die Jüngeren müssen auf
Vielfalt setzen, den Kunden in Shanghai
ebenso im Blickfeld behalten wie den in
Starnberg. Eine Art CEO 2.0 hat die Wirtschaftsbühne betreten. Diversity- und
Change-Management sind notwendig
und befördern nebenbei auch weibliche
WENN DAS TEMPO
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Karrieren. Mit Gerechtigkeitsstreben hat
das wenig zu tun.
„Wir haben zu viele alte Männer aus
Europa – das ist unser Problem“, sagt
eine Führungskraft. „Das können wir uns
nicht mehr leisten und müssen aushalten, dass wir nicht mehr unter uns sind.“
Die Revolution in der Chefetage, so sie
tatsächlich stattfinden sollte, basiert auf
ökonomischem Zwang. Es gibt nun einmal keinen stärkeren Druck zur Veränderung als den betriebswirtschaftlichen.
Frank Appel ernannte in den zwei
Jahren seiner bisherigen Regentschaft
bereits drei weibliche Bereichsleiter, die
direkt an ihn berichten. Drei von elf.
Immerhin: „Bei der Deutschen Post DHL
weiß heute jeder, wir haben Frauen,
die das Zeug zum Vorstand haben.“ Der
Konzern werde davon profitieren: „Frauen haben eine bessere Balance zwischen
rationaler und emotionaler Intelligenz“,
erläutert der promovierte Neurobiologe,
„vorausgesetzt, sie geben sich als Frauen
und nicht als bessere Männer.“
Früher oder später wird die normative
Kraft des Faktischen die für Karrierefrauen bisher schier unüberwindbaren
Barrieren wegfegen.
Noch allerdings ist Deutschland weit
entfernt von Chancengleichheit und
gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Frauen
in den Unternehmen und quer durch die
Gesellschaft, die bisher gegen die Quote
waren, schwenken neuerdings um. Der
Ärger über die geschlossenen Männerzirkel ist selbst bei den Landfrauen der
CSU angekommen. Deshalb macht die
Politik Druck: Aus der Bundesregierung,
die mit einem Stufenplan angetreten ist,
vernimmt die Wirtschaft Drohungen,
man werde im Zweifel per Gesetz dafür
sorgen, dass Frauen Zugang zu Spitzenposten bekommen. Elke Holst, die Autorin der DIW-Studie, weist nach: „Es gibt
genug Frauen für jede Position.“
Schon 2001 handelte die rot-grüne Regierung mit der Wirtschaft eine freiwillige Selbstverpflichtung aus. Den Status
quo focht das nicht an. Im Gegenteil. Der
Anteil weiblicher Führungskräfte in der
deutschen Privatwirtschaft, der 2001 bei
26 Prozent lag, steigerte sich etwas, um
dann wieder zurückzufallen.
Soll das alles an überkommenen Geschlechterklischees liegen? „Frauen springen nicht. Die wollen nicht. Sie haben
einen anderen Anspruch an Work-Life-
Europa auf dem Weg zur Quote
Zu wenige Frauen in Entscheidungspositionen – nicht nur ein deutsches Problem.
In anderen Ländern gibt es bereits gesetzliche Lösungen.
Frauenanteil in den höchsten Entscheidungsgremien der größten
börsennotierten Unternehmen 2009, in Prozent
Soll
Ist
NORWEGEN hat seit 2006 eine gesetzliche 40-Prozent-Quote
für Aufsichtsräte.
42
24
In FINNLAND sollen seit diesem Jahr Aufsichtsräte gemischtgeschlechtlich sein. Eine gesetzliche Quote gibt es nur für
öffentliche Unternehmen (40 Prozent).
40
10
In SPANIEN fordert das im März 2007 verabschiedete Gleichstellungsgesetz eine 40-Prozent-Quote von Frauen im Verwaltungsrat großer Gesellschaften. Die Übergangsfrist gilt bis 2015.
40
10
In FRANKREICH hat die Nationalversammlung ein Gesetz
gebilligt, das für Aufsichtsräte eine 20-prozentige Quote innerhalb von drei Jahren fordert. Diese soll sich binnen sechs
Jahren auf 40 Prozent steigern. Das Gesetz liegt dem Senat
zur Entscheidung vor.
30
15
Ab 2016 sollen NIEDERLÄNDISCHE Firmen mit mehr als 250
Mitarbeitern mindestens 30 Prozent Frauen in Vorstand sowie
Aufsichtsrat haben, beschloss das Parlament. Die noch ausstehende Zustimmung der Ersten Kammer gilt als sicher.
13
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DEUTSCHLAND
EU-27
Grafik: manager magazin
Quelle: DIW, mm-Recherche
Karriere Managerinnen
Balance und einen anderen Wertekodex.
Aber darüber wird nicht gesprochen!“
Emma Dorn lässt ihrem Ärger darüber
freien Lauf. Aus Amerika kommt bereits
der Trend zu Womenomics – der Anspruch von Karrierefrauen, Lust und
Leistung unter einen Hut zu bekommen.
Was aber ist mit den deutschen Frauen? Gehören sie auf die Couch anstatt ins
Coaching? Waren all die Frauenförderprogramme, die längst zum Inventar vieler Firmen gehören, vergeblich?
Es fällt auf, dass die wenigen Topfrauen in Deutschland häufig aus dem
Ausland kommen. Barbara Kux ist
Schweizerin, Brigitte Ederer Österreicherin, Sandra Peterson (Bayer CropScience) ist wie Melody Harris-Jensbach
(Puma) Amerikanerin, Elizabeth Corley
(Allianz Global Investors) Britin, Anastassia Lauterbach (Telekom) Russin.
Im Gegenzug wurde gerade die deutsche Ingenieurin Rita Forst Entwicklungschefin bei Opel; und Birgit Behrendt steigt auf zur Ford-Einkaufschefin
in den USA.
Folgen wir einem fiktiven Beförderungsgespräch, irgendwo zwischen
Miesbach und Cuxhaven, Freiburg und
Frankfurt an der Oder: Vergeben wird
ein Geschäftsführerposten. Eingeladen
hat der Chef zwei geeignete Kandidaten,
eine Frau und einen Mann.
ER SPRICHT ZUERST mit der Frau. Die be-
schreibt die Aufgaben der neuen Stelle
so präzise, dass er glaubt, sie habe längst
auf diese Chance gewartet. Aber dann
erläutert sie plötzlich, was sie alles nicht
kann. Kurzum: Sie zögert.
Wie anders die Vorstellung des Mannes! Aus dem Stand entwickelt er Visionen und kann gar nicht aufhören, seine
vielen persönlichen Vorzüge anzupreisen. Das erinnert den Chef an seine eigene Sturm-und-Drang-Zeit. Umgehend
weiß er: Das ist mein Mann! Noch am
selben Nachmittag schickt ihm die Chefsekretärin eine Einladung zum Mittagessen ins Separee der Senator Lounge.
Stimmt also die Analyse, die im März
2009 im Harvard Business Manager
publiziert wurde: „Frauen können alles –
außer Karriere“? 36 Prozent derer, die
eine Führungsposition anstreben, erforschte McKinsey, sind Frauen. Aber
nur 20 Prozent aller Führungspositionen
sind weiblich besetzt. Viele, die „springen“ wollen, scheitern demnach.
„Die Männer haben das Geld hinausgeschmissen“
Susanne Weiss über die Vorteile von Frauen in der Wirtschaft
Sie sind Anwältin, vierfache Aufsichtsrätin
und mit der Mehrheitsübernahme bei Togal auch noch Unternehmerin geworden.
Bescherte Ihnen das neue Erfahrungen in
der Männerwelt Wirtschaft?
WEISS Als wir vor zwei Jahren anfingen, haben wir zunächst zwei Vorstände
eingesetzt, Männer. Das war ein Schuss
in den Ofen. Wir mussten die Herren
relativ barsch beseitigen und bestellten
dann zwei Frauen. Seitdem läuft’s. Die
leitenden Funktionen sind mittlerweile
alle mit Frauen besetzt.
obachten – konfliktscheuer. Frauen stellen sich Konflikten eher. Woran das
liegt, weiß ich nicht, aber es ist so!
Außer Unerschrockenheit, was muss noch
ins Schatzkästchen einer erfolgreichen
Frau in der deutschen Wirtschaft?
WEISS Fleiß.
Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen?
WEISS Ich habe immer fleißig gearbeitet und mein Leben meinem Beruf
gewidmet.
Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?
Also nicht den Kindern?
WEISS Das sind die Fakten. Die Frauen sind engagierter, kreativer und auch
fleißiger; sie haben viel mehr Gespür für
das Geschäft und die Menschen und
kommen außerdem wunderbar mit den
Stakeholdern zurecht.
WEISS Ich habe keine Kinder. Mein
Beruf war und ist immer an erster Stelle.
Die Herren Manager werden aufhorchen.
WEISS Ich hoffe. Jedenfalls erzähle
ich meine Erfahrungen jedem, der sie
hören will oder auch nicht. Die Männer
haben das Geld mit beiden Händen hinausgeschmissen, und die Frauen schaffen es jetzt wieder herein.
Womöglich ein Sonderfall?
WEISS Ganz im Gegenteil! Es gibt
mittlerweile so viele Studien zur Performance von Unternehmen, die beweisen,
dass überall dort, wo Frauen das Sagen
haben, der Erfolg wesentlich besser
ausfällt. Aber um die Kirche im Dorf zu
lassen: Diese Studien gehen immer von
gemischten Teams aus.
Was ist das Erfolgsgeheimnis femininer
Unternehmensführung?
WEISS Frauen arbeiten sorgfältiger
und engagierter. Das behaupte ich bewusst in dieser Pauschalität.
In welchem Sinne sorgfältiger?
WEISS Engagierter, überlegter und
durchaus auch strategischer. Ich habe
oft das Gefühl, die denken weiter und
nehmen unangenehme Dinge in Angriff.
Männer etwa nicht?
WEISS Männer sind – das kann man
auch in persönlichen Beziehungen be-
Die Gesellschaft unterstellt Topfrauen
häufig genug, herzlose Monster zu sein,
die alles dem Götzen Erfolg opfern.
WEISS Da ist der Spaß an meiner Arbeit davor. Aus der Tätigkeit im M&AGeschäft heraus hat sich das Unternehmersein entwickelt. Irgendwann kam
mir der Gedanke, was ich für andere mache, bekomme ich auch für mich hin.
Auf den Appetit folgte der Biss ...
WEISS Das ist jetzt gut 20 Jahre her,
und ich war damals und bin bis heute
meistens die einzige Frau und werde immer besonders begrüßt. Es klingt schon
arg komisch, wenn Sie hören: „Meine
Dame und meine Herren“.
Frauen und Macht ist ein Tabuthema.
WEISS Dabei ist jeder Mensch interessiert an Macht. Das geht in der Beziehung oder Ehe los, setzt sich in der
Familie fort, im engeren und weiteren
Bekanntenkreis und natürlich auch im
Beruf. Macht macht nicht nur sexy, Macht
ist sexy. Wer das bestreitet, der lügt.
Sind Sie für oder gegen die Quote, wenn
es darum geht, dass Frauen endlich mit
in die deutschen Vorstandsetagen und
Aufsichtsräte einziehen?
WEISS In dieser Hinsicht bin ich vom
Saulus zum Paulus geworden. Es muss
Druck her, sonst ändert sich nichts. ◆
Susanne Weiss, 49, Rechtsanwältin, Aufsichtsrätin
(u. a. HypoVereinsbank), ist Gründungspräsidentin
des Frauenbeirats der HVB und lebt in München.
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Karriere Managerinnen
„Dass sich die Frauen zusammenschlossen,
verunsicherte anfangs die Männer.“
Diane Edfelder
München, BMW-Konzernzentrale, Erdgeschoss. In der Kantine treffen wir
Diane Edfelder (51), die 2006 das Frauennetzwerk gegründet hat. Sie spürte den
Druck der Führungsfrauen, ihre Erfahrungen im Unternehmen auszutauschen.
„Man bekommt zwar seine Trainings, ist
dann aber allein unter Männern.“ Dass
sich die Frauen zusammenschlossen, verunsicherte anfangs die Männer, es wurde gestichelt: „Na, gehste wieder in den
Frauenklub?“ Heute hat der „Klub“ 100
Mitglieder und gilt als vorbildlich.
Für das Unternehmen bringt er immense Vorteile. Abgesehen von femininer
Strahlkraft am Arbeitsmarkt sorgt das
Netzwerk auch für Kommunikationswege
quer durch die Hierarchien und oft genug für Problemlösungen, die auf dem
Dienstweg nie oder nur im Schneckentempo vorangekommen wären. Während
der regelmäßigen Kamingespräche werden strategische Themen erörtert, wird
das Logistikzentrum vorgestellt oder der
neue Windkanal. Anteilseignerin Susanne Klatten sucht die Diskussion und stellt
sich ihr genauso wie einzelne Vorstände.
Die Frauen gehen neugierig aufeinander zu. Sie versuchen voneinander zu
profitieren: die junge Chefin, die sich
mangelnder Akzeptanz von Seiten älterer Mitarbeiter gegenübersieht, die Fachfrau, die feststellt, dass schon wieder
ein Mann an ihr vorbeigezogen ist. Beim
ersten Mal hat sie noch an ihrer Qualifikation gezweifelt, beim x-ten Mal fragt
sie in die Runde: „Warum?“ Dann erinnert Edfelder an die „Hidden Agenda“:
Laut einer IBM-Studie hängen nur 10
Prozent von der erbrachten Leistung ab;
30 Prozent von Image und Selbstdarstellung; die restlichen 60 Prozent von Kontakten und Beziehungen.
16. Stockwerk. Hildegard Wortmann
(43) ist frisch gekürte Bereichsleiterin für
Produktmanagement, alles andere als ein
klassisches Frauenressort, und somit Obere Führungskraft, OFK. Über ihr thront
nur noch der Vorstand. Wortmann, die
Empathie und Schneidigkeit gut dosiert,
ist bestens gelaunt. An der Bürodecke
klebt ein rotes Luftballonherz, hinter ihr
steht ein Trolley, an dem Boxhandschuhe
baumeln. Ein Abschiedsgeschenk ihrer
alten Abteilung. Sie wird viel reisen, um
ihre 500 Mitarbeiter, alles Männer, anzuspornen. Ihren Dienstwagen, einen Z4,
haben zwei Frauen entworfen.
Das Geheimnis ihres Aufstiegs? „Neugierde und der Mut zu einem radikalen
Wechsel.“ Immer mutig sagen, was man
vorhat. Natürlich ist Wortmann außerordentlich fleißig. Aber: „200 Prozent
arbeiten, um 100 Prozent anerkannt zu
werden, finde ich Blödsinn.“
Karriere Managerinnen
„Fantasie und Flexibilität sind vonnöten“
Nina von Stebut will es ins Topmanagement schaffen
Sie haben bereits bei Ihrem Einstieg klargemacht: Ich will! Schon an der berühmten gläsernen Decke angekommen?
STEBUT Noch nicht. Aber Schranken
gibt es auch in den Etagen darunter.
Sie haben sich mit dem Gender-Thema
lange wissenschaftlich beschäftigt und
wussten, was auf Sie zukommt.
STEBUT Empirische Studien zeigen,
dass das Vertrauen in Männer größer ist
als in Frauen; etwa wenn es darum geht,
anspruchsvolle Aufgaben zu verteilen.
Bei Männern gilt die Annahme: Die
schaffen das. Frauen müssen erst beweisen, dass sie gute Ergebnisse liefern
können. Häufig bekommen sie gar nicht
die Chance dazu. Wenn es dann darum
geht, wer befördert wird, haben Männer automatisch die Nase vorn, weil sie
mehr einschlägige Erfahrungen, mehr
Exponierung in den Vorstandsetagen
und bei den Kunden haben.
Sie sind nicht gerade eine graue Maus
und wissen, wie man den Finger hebt.
STEBUT Es ist wichtig, sich aktiv ins
Spiel zu bringen. Aber nominiert zu werden funktioniert immer noch besser, als
sich selbst zu nominieren. Vieles läuft
allerdings nonverbal. Daher ist es auch
so schwierig, etwas zu verändern.
Geben Sie uns ein Beispiel.
STEBUT Mein Einsatz im Ausland
etwa. Ich bin Mutter von drei Kindern,
mit einem Mann, der auch ein Berufsleben hat. In dieser Konstellation kommt
man nicht von selbst in den Kreis der
Kandidaten. Man ging selbstredend davon aus, dass ich nicht kann und nicht
will. Als ich mich beworben habe, war
mein Umfeld völlig überrascht, und alles
drehte sich darum: Wird Ihr Mann das
mitmachen? Was ist mit den Kindern?
STEBUT Ich freue mich jeden Tag
darüber. Mein Mann hat mit seiner
Firma eine tragfähige Konstellation ausgehandelt. Mit der heutigen Technologie sind nur Fantasie und Flexibilität
vonnöten. Die Kinder hingegen waren
erst schockiert. Heute sind alle drei
begeistert.
Sie sind aus dem Gröbsten heraus.
STEBUT Ich kann erwerbstätigen
Müttern nur empfehlen, die Kleinkindphase ins Ausland zu verlegen. In den
meisten Ländern kann man sich viel
eher eine Ganztagsbetreuung leisten als
in Deutschland. Außerdem gibt es in anderen Ländern nicht den moralischen
Druck, als Rabenmutter dazustehen.
Ein guter Tipp, wir geben ihn weiter.
STEBUT Entschieden schwieriger ist
die Frage der Dual Careers, der Berufstätigkeit beider Partner. Hier brauchen
wir viel mehr Unterstützung als bei den
Kindern.
Klassischerweise opfert die Frau den eigenen Aufstieg der Karriere des Gatten.
STEBUT Wenn die Unternehmen
den tüchtigen Frauen entsprechende
Chancen bieten würden, könnten die
Paare auch anders entscheiden. Häufig
können die Frauen tatsächlich nicht mit
den Karrieren ihrer Partner mithalten
und haben deshalb signifikant weniger
in die Waagschale zu werfen.
Schwangerschaft und Kleinkinder sind
nun mal kein Karriereturbo.
STEBUT Diese Fragen würden einem
Mann nicht in der Form gestellt werden.
Da wird davon ausgegangen, dass die
Frau mitzieht und die Familie deichselt.
STEBUT Die meisten Großunternehmen, auch wir in der Munich Re, haben
so viele Angebote, um Kinder und Arbeit
unter einen Hut zu bekommen. Es geht
um die Bereitschaft, die Situation anzunehmen. Wenn wir ehrlich sind, könnten wir oft anstelle von drei Meetings
genauso gut nur eines abhalten. Außerdem zwingen uns Kinder ständig, über
den Tellerrand hinauszuschauen – eine
Eigenschaft, die auch in der Wirtschaft
so wichtig ist.
◆
Happy End – Sie sind bereits das dritte
Jahr für die Münchener Rück in Hongkong.
Nina von Stebut, 43, drei Kinder, arbeitet als
Manager Training & Development Asia in
der Personalabteilung der Münchener Rück und
lebt zurzeit in Hongkong.
In der Tat eine komplizierte Situation.
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„Frauen haben eine bessere Balance zwischen
rationaler und emotionaler Intelligenz.“
Frank Appel
22. Stockwerk. Topetage, Männerland.
An klaren Tagen sieht man am Horizont
die Alpen. Wer das schwarz bestückte
Büro von Personalvorstand Harald Krüger (44) betritt, läuft auf ein PlanquadratHerz zu, das hinter seinem Schreibtisch
hängt; bunt und schrill, als wäre es von
einem jungen Wilden gepinselt. „Frauen
brauchen einen Anwalt“, sagt Krüger.
Durch seine Auslandseinsätze in England und den USA ist er daran gewöhnt,
in gemischten Teams zu arbeiten.
Doch auch bei BMW zerstören die
Zahlen jede Illusion: Der Anteil weiblicher Führungskräfte beträgt im Schnitt
8 Prozent, unterhalb der gläsernen Decke,
vor der Vorstandsebene, nur noch 4 Prozent. Unter den 260 deutschen Topkräften sind zehn Frauen, zwei davon erst im
Lauf des vergangenen Jahres befördert.
Natürlich verweist man, wie bei allen
technikgetragenen Unternehmen, da130
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rauf, dass Frauen wenig Interesse an
Ingenieurwissenschaften zeigen. Knapp
über 20 Prozent liegt der Anteil bei den
Studierenden. Girls’ Day und Mint-Programm (damit sollen Mädchen und junge Frauen für Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften und Technik begeistert werden) sind die Folge der Zielvereinbarung von 2001. Sie zeigen zwar
Wirkung, aber nicht genug. Rein theoretisch müssten aufgrund des Fachkräftemangels Ingenieurinnen heute in
kürzester Zeit die tollsten Karrieren hinlegen. Die Praxis sieht anders aus:
Wie der Sozialforscher Carsten Wippermann in einer wegweisenden Studie
für das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend beweist, in
der 511 Frauen und Männer in Führungspositionen befragt wurden, sind die „Hüter der gläsernen Decke“ omnipräsent.
Eine ehrgeizige Frau in männerdomi-
nierter Umgebung hat der Studie zufolge
nur zwei Optionen:
■ „Sie ist eine gute Führungsperson –
dann ist sie ein halber Mann und verrät
ihr weibliches Wesen.“
■ „Sie wirkt weich und weiblich – dann
kann sie eigentlich keine gute Führungskraft sein. Wenn sie aber dennoch erfolgreich ist, dann sind ihre Weiblichkeit und
ihr Charme eine gezielt täuschende Kulisse für einen dahinterliegenden harten
Charakter. Damit ist solch eine Frau suspekt und mit Vorsicht zu behandeln.“
Es geht für die Frauen in der deutschen
Wirtschaft offensichtlich zu wie in einer
Achternbusch-Groteske: Du hast keine
Chance, aber nutze sie.
Gelegentlich passieren auch Possen.
Vor einigen Jahren machte sich die
Münchener Rück daran, am damaligen
Lehrstuhl von Jutta Allmendinger erforschen zu lassen, weshalb so wenig
Frauen im Konzern aufsteigen, obwohl
doch so viele eingestellt werden. Als die
„Empirischen Einsichten“ 2005 ausgewertet waren, konnten die hausgemachten Karrierekiller nicht mehr übersehen
werden. Schrecken breitete sich aus. Da
schwangen die Herren Vorstände entschlossen den Zauberstab: Der Bericht
wurde kurzerhand – eingestampft.
Offiziell soll alles nach Aufbruch klingen. Allein von 2008 auf 2009 sei der
Anteil der Führungsfrauen bei der Münchener Rück von 20,7 auf 23,5 Prozent gestiegen. Dass im Vorstand immer noch
keine Frau sitzt und auf der Hierarchiestufe darunter ihr Anteil sogar zurückging, sieht man den schönen Zahlen
nicht an.
Bei der Deutschen Bank macht sich
Josef Ackermann zum Schirmherrn von
„Atlas“, des Frauenförderprogramms.
Die HypoVereinsbank ließ von Susanne
Weiss (siehe Interview Seite 125) einen
Frauenbeirat gründen, der Strahlkraft
zeigt, in der Chefetage änderte sich
nichts.
Bei Daimler ging schon vor geraumer
Zeit in einer kleinen Pressemitteilung
das Ziel 20/20 unter. Zur Erinnerung:
Im Jahr 2020 sollen 20 Prozent der
Führungskräfte weiblich sein. Als aber
gleich zwei Frauen, eine davon Margret
Suzkale, für den Posten des Personalvorstands zur Auswahl standen, war der
Sieger dennoch ein Mann.
Die Allianz, dem Klischee nach ein
hartgesottener Männerklub, hat die Vor-
Karriere Managerinnen
gabe Diversity bonusrelevant auf die
Vorstandsagenda gehoben. Stolz verweist sie auf die Einführung ihres weltweiten Talentmanagement-Systems: Jeder fähige Aspirant, ob Frau oder Mann,
werde gesichtet und objektiv bewertet.
Bei einer der letzten Vorstandsbesetzungen war auch eine Frau im
Rennen – gewonnen hat ein Mann. Das
Muster ist gängig: Männer bevorzugen
Männer – oft auch unbewusst und im guten Glauben, dem Besseren den Vortritt
gewährt zu haben. Qualifikation beurteilen sie durch die männliche Brille. Ihr
Führungsstil ist „transaktional“, wie Soziologen das nennen: zack, sagen, was
Sache ist, aufs Alphatier ausgerichtet.
Anders bei Frauen. „Es ist eine Kunst,
mit Frauen zu diskutieren. Man muss
sich rechtfertigen und seinen eigenen
Standpunkt hinterfragen“, sagt Unternehmer Manfred Wittenstein (67), Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Weibliche Führung gilt als „transformativ“, sie will überzeugen, sieht den ganzen Menschen.
BERLIN,
KURFÜRSTENDAMM.
Monika
Schulz-Strelow finden wir zwischen Umzugskartons. Die Präsidentin der Fidar
(Frauen in die Aufsichtsräte) packt aus
an der neuen, noblen Adresse.
Fidar ist zwar noch eine junge, parteiunabhängige Initiative, die ursprünglich
auf einen Aufruf der Grünen zurückgeht,
die einen 40-prozentigen Frauenanteil
der Führungspositionen verlangen. Und
doch ist Schulz-Strelow in der deutschen
Wirtschafts- und Politcommunity bestens bekannt und verknüpft. Für die
einen sind ihre Forderungen der reine
Horror, für die anderen ein Segen. Mindestens 25 Prozent Frauen will Fidar in
den deutschen Aufsichtsräten sehen.
Kein übermäßig ambitioniertes Ziel:
„Ich möchte keine Visionen verkaufen,
sondern Ergebnisse haben“, sagt SchulzStrelow. 140 Mitglieder hat Fidar, acht
Männer sind auch dabei, wie der Aufsichtsratsvorsitzende von Beiersdorf,
Reinhard Pöllath. „Besser, wir verdrängen gemeinsam mit den fähigen die unfähigen Männer“, gibt sich Schulz-Strelow pragmatisch. Nicht nur seitdem der
Deutsche Juristinnenbund (djb) gemeinsam mit Fidar Anwältinnen in die Hauptversammlungen schickt, die nachfragen:
„Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl der Aufsichtsräte, spielt auch das
Geschlecht eine Rolle?“, ist der Ruf nach
der Quote salonfähig geworden.
Wenn in zwei bis drei Jahren nicht
„eine angemessene Berücksichtigung
von Frauen“ in den Aufsichtsräten und
Vorständen erreicht ist, wie es die Corporate-Governance-Kommission Ende Mai
festschrieb, dann soll per Gesetz dafür
gesorgt werden. Im Bundesministerium
der Justiz liegt schon ein Entwurf. Obwohl die Wirtschaft den Anschein erweckt, niemand sei dringender gesucht
als Führungsfrauen, bekommt der Kommissionsvorsitzende Klaus-Peter Müller
stapelweise böse Briefe von den Herren
aus den Topetagen. Der Vorstoß, dass
künftig eine Zielvorgabe für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates benannt
werden soll, scheint vielen nicht zu behagen. Die Angst vor Machtverlust geht um.
Andere Länder leben gut mit der
Quote. Als Pionier gilt Norwegen. 40 Prozent weibliche Aufsichtsräte forderte
eine konservative Regierung in Oslo 2003
per Gesetz. Der Widerstand aus der
Wirtschaft war aber so gewaltig, dass
man sich darauf einigte, das Gesetz trete
nicht in Kraft, sollte es den Unternehmen
gelingen, die Forderung freiwillig zu erfüllen. Stichtag: 1. Juli 2005.
Als zu diesem Zeitpunkt nur 15,5 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten vertreten waren, hatte es ein Ende mit dem
Vertrauen in die Freiwilligkeit. Am 1. Januar 2006 kam die Quote. Bei Nichteinhaltung drohte für den schlimmsten Fall
die Liquidierung. Wieder hingen über
Oslo die lauten Drohungen einiger Unternehmen, das Land zu verlassen.
Nichts von alledem geschah. Heute
sind gut 40 Prozent der norwegischen
Aufsichtsräte Frauen (zum Vergleich:
2003, vor dem Gesetz, waren es 7 Prozent), und Sanktionen brauchte es nicht.
„Deutschland hat noch einen langen
Weg vor sich: Ihr müsst Vorurteile bekämpfen, Ideologien, Rollenklischees“,
analysiert Arni Hole, Generaldirektorin
des norwegischen Gleichstellungsministeriums. Es gehe schließlich nicht nur
um eine Quote für Aufsichtsräte, sondern um ein Gesellschaftsmodell.
Immer mehr europäische Länder arbeiten an oder mit Gesetzen, die eine
Frauenquote vorschreiben (siehe Kasten
Seite 124).
„Übergangsweise halte ich das für ein
notwendiges und sinnvolles Instrument“,
sagt auch Airbus-Chef Tom Enders. Der
ehemalige Fallschirmjäger der Bundeswehr, der sich in seiner Führungsrolle als
„General mit Schlamm an den Stiefeln“
sieht, hat mit der Spanierin Pilar Albiac
Murillo (50) die erste Frau in den Reigen
der Top 20 aufgenommen. „Dass Pilar
eine starke Frau ist, war nur ein Nebenargument. Trotzdem bin ich froh, mit
ihrer Berufung ein Signal an die Frauen
bei Airbus zu senden: Ihr könnt es bei uns
bis ganz nach oben schaffen.“
Elizabeth Corley (53), CEO der Allianz
Global Investors Europe, hat es weit
genug gebracht, um mit britischer Gelassenheit behaupten zu können: „Mann
oder Frau – was macht das für einen Unterschied? Wir haben alle unseren eigenen Stil. Ich kann nicht sagen, ob meiner
typisch weiblich ist. Mann ist auch nicht
gleich Mann. Ich habe in meiner Karriere
nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass ich eine Frau bin. Ich hatte immer nur mein Ziel im Blick.“
Gisela Maria Freisinger/Helene Endres
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