ende der herrlichkeit
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ENDE DER HERRLICHKEIT MANAGERINNEN Noch sind Männer und Macht eine sakrosankte Einheit in den deutschen Vorstandsetagen, Frauen nur als exotische Einzelkämpferinnen zu finden. Doch jetzt denkt die Wirtschaft um. 122 KARRIERE Vorbotinnen weiblicher Macht: Brigitte Ederer, Regine Stachelhaus, Angelika Dammann, Barbara Kux (v. l. n. r.); Die Herren der Macht: Peter Löscher, Martin Winterkorn, Herbert Hainer, Josef Ackermann (vorn, v. l. n. r.); dahinter: Norbert Reithofer, Wolfgang Reitzle, Jürgen Hambrecht, Jürgen Großmann, René Obermann, Dieter Zetsche ILLUSTRATIONEN: STEFANIE BEMMANN FÜR MANAGER MAGAZIN W as für eine Aussicht! Vom 19. Stock eines Berliner Wolkenkratzers auf einen dieser neu konstruierten Plätze. „Ein kalter Ort“, moniert die Gastgeberin, „man spürt förmlich, dass hier nichts natürlich gewachsen ist.“ Auch in der deutschen Wirtschaft wächst nicht alles natürlich. Deshalb sind wir hier, bei Dr. Emma Dorn*. Eine Mittvierzigerin, standesgemäß gestylt, der silbergraue Anzug passend zum silbergrauen Haar, die Perlenkette doppelreihig. Für eine bekannte Personalberatung makelt sie Spitzenkräfte, und das sind noch immer hauptsächlich Männer. Frauen mögen inzwischen Bundeskanzlerin, Professorin oder Staatsanwältin werden, aber unter den Topführungskräften deutscher Konzerne findet sich kaum eine. Von den 441 Vorstandsmitgliedern der 100 umsatzstärksten Unternehmen im Land waren 2009 gerade einmal vier weiblichen Geschlechts, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ermittelt. Ein Umstand, der vielen Firmen inzwischen peinlich ist. Der Managerinnenmangel gilt als Makel; gemischte Teams erwirtschaften erwiesenermaßen mehr Gewinn. Gemischt heißt: In einer Gruppe von zehn müssen mindestens drei Frauen sein. Eine allein kann gar nichts ausrichten. Auch der demografische Wandel, als Problem in der Theorie längst bekannt, ist jetzt in der Praxis angekommen: Nachwuchskräfte sind ein rares Gut, und Vorstandsvorsitzende greifen schon mal selbst zum Telefonhörer, um ein junges Talent zu ködern. High Times also für High Potentials. Und – sie dürfen gern weiblich sein. Auch in die Vorstände ziehen die Frauen ein. Bei Siemens lenkt seit November 2008 Barbara Kux mit. Ab Juli kommt Brigitte Ederer dazu. Bei SAP wird Angelika Dammann im Oktober antreten. Bei Eon ist jetzt Regine Stachelhaus dabei. Bei BASF warten Insider darauf, dass Margret Suckale befördert wird; und bei der Telekom muss Anastassia Lauterbach, wenn auch aus der zweiten Reihe, für Innovation sorgen. Überhaupt die Telekom. Sie hat das Unfassbare verordnet: eine Frauenquote. Steht jetzt der große Dammbruch bevor? Werden die Chefetagen in den kommenden Jahren von Karrierefrauen geflutet? „Seit der Telekom-Quote ist unser Leben schwerer geworden“, klagt Emma Dorn. Der Ukas von René Obermann entfaltet seine Dynamik: 30 Prozent der oberen und mittleren Führungspositionen im Unternehmen sollen bis Ende 2015 den Frauen gehören. Weltweit gerechnet. Das relativiert die Sache, denn im Ausland mischen fast überall mehr *Name von der Redaktion geändert. managermagazin 7/2010 123 Karriere Managerinnen Frauen mit als im Mutterland der teutonischen Männerfestung. Und Vorstand wie auch Aufsichtsrat sind von der Quote nicht betroffen. Trotzdem ist auf einmal sehr viel Druck in die „Gender-Frage“ gekommen. Im Wettrennen um die Führungsposten müssen Headhunter wie Frau Dorn jetzt weibliche Kandidaten präsentieren. Fortschritt kann anstecken. Eine Gruppe jüngerer CEOs erklärt die Mobilisierung weiblicher Topkräfte zur Chefsache. Der Däne Kasper Rorsted (Henkel) wirbt längst für mehr Frauen an der Spitze; kontrolliert wird er von Simone Bagel-Trah, der einzigen Aufsichtsratschefin in einem Dax-Konzern. Johannes Teyssen (Eon) sagt empathisch: „Wäre ich eine Frau, wäre ich fordernder.“ Auch Martin Blessing (Commerzbank), der privat die Gleichheit lebt – seine Ehefrau Dorothee ist Partnerin bei Goldman Sachs – merkt, dass seine Bank die Frauen braucht. Und für Marijn Dekkers, den künftigen Bayer-Chef, der jahrzehntelang in den USA wirkte, muss eine Chefetage ohne Frauen geradezu unanständig wirken. Wird diese neue Generation von Unternehmenschefs also tatsächlich ihre Macht freiwillig teilen? Und ob, sagt der frisch gekürte EonChef Teyssen: „Da bin ich Gesinnungstäter.“ Er war noch keine zwei Wochen im Amt, da holte er Regine Stachelhaus. der Feminisierung anhält, steht in Deutschland eine Revolution von oben an. „Unsere Generation hat eine andere Einstellung“, erklärt mit charmanter Trockenheit Post-Chef Frank Appel, einer der größten Arbeitgeber Europas. Er hat kein Problem mit weiblichen Führungskräften. Sagt er. Auch Frauen als Vorgesetzte kennt er. Sowohl seine Diplom- wie seine Doktorarbeit wurden von Professorinnen abgenommen. Im globalen Wirtschaftsuniversum tragen die traditionellen Männerseilschaften ohnehin nicht mehr weit genug. Entscheidungen sind komplexer geworden, und die Jüngeren müssen auf Vielfalt setzen, den Kunden in Shanghai ebenso im Blickfeld behalten wie den in Starnberg. Eine Art CEO 2.0 hat die Wirtschaftsbühne betreten. Diversity- und Change-Management sind notwendig und befördern nebenbei auch weibliche WENN DAS TEMPO 124 managermagazin 7/2010 Karrieren. Mit Gerechtigkeitsstreben hat das wenig zu tun. „Wir haben zu viele alte Männer aus Europa – das ist unser Problem“, sagt eine Führungskraft. „Das können wir uns nicht mehr leisten und müssen aushalten, dass wir nicht mehr unter uns sind.“ Die Revolution in der Chefetage, so sie tatsächlich stattfinden sollte, basiert auf ökonomischem Zwang. Es gibt nun einmal keinen stärkeren Druck zur Veränderung als den betriebswirtschaftlichen. Frank Appel ernannte in den zwei Jahren seiner bisherigen Regentschaft bereits drei weibliche Bereichsleiter, die direkt an ihn berichten. Drei von elf. Immerhin: „Bei der Deutschen Post DHL weiß heute jeder, wir haben Frauen, die das Zeug zum Vorstand haben.“ Der Konzern werde davon profitieren: „Frauen haben eine bessere Balance zwischen rationaler und emotionaler Intelligenz“, erläutert der promovierte Neurobiologe, „vorausgesetzt, sie geben sich als Frauen und nicht als bessere Männer.“ Früher oder später wird die normative Kraft des Faktischen die für Karrierefrauen bisher schier unüberwindbaren Barrieren wegfegen. Noch allerdings ist Deutschland weit entfernt von Chancengleichheit und gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Frauen in den Unternehmen und quer durch die Gesellschaft, die bisher gegen die Quote waren, schwenken neuerdings um. Der Ärger über die geschlossenen Männerzirkel ist selbst bei den Landfrauen der CSU angekommen. Deshalb macht die Politik Druck: Aus der Bundesregierung, die mit einem Stufenplan angetreten ist, vernimmt die Wirtschaft Drohungen, man werde im Zweifel per Gesetz dafür sorgen, dass Frauen Zugang zu Spitzenposten bekommen. Elke Holst, die Autorin der DIW-Studie, weist nach: „Es gibt genug Frauen für jede Position.“ Schon 2001 handelte die rot-grüne Regierung mit der Wirtschaft eine freiwillige Selbstverpflichtung aus. Den Status quo focht das nicht an. Im Gegenteil. Der Anteil weiblicher Führungskräfte in der deutschen Privatwirtschaft, der 2001 bei 26 Prozent lag, steigerte sich etwas, um dann wieder zurückzufallen. Soll das alles an überkommenen Geschlechterklischees liegen? „Frauen springen nicht. Die wollen nicht. Sie haben einen anderen Anspruch an Work-Life- Europa auf dem Weg zur Quote Zu wenige Frauen in Entscheidungspositionen – nicht nur ein deutsches Problem. In anderen Ländern gibt es bereits gesetzliche Lösungen. Frauenanteil in den höchsten Entscheidungsgremien der größten börsennotierten Unternehmen 2009, in Prozent Soll Ist NORWEGEN hat seit 2006 eine gesetzliche 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte. 42 24 In FINNLAND sollen seit diesem Jahr Aufsichtsräte gemischtgeschlechtlich sein. Eine gesetzliche Quote gibt es nur für öffentliche Unternehmen (40 Prozent). 40 10 In SPANIEN fordert das im März 2007 verabschiedete Gleichstellungsgesetz eine 40-Prozent-Quote von Frauen im Verwaltungsrat großer Gesellschaften. Die Übergangsfrist gilt bis 2015. 40 10 In FRANKREICH hat die Nationalversammlung ein Gesetz gebilligt, das für Aufsichtsräte eine 20-prozentige Quote innerhalb von drei Jahren fordert. Diese soll sich binnen sechs Jahren auf 40 Prozent steigern. Das Gesetz liegt dem Senat zur Entscheidung vor. 30 15 Ab 2016 sollen NIEDERLÄNDISCHE Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern mindestens 30 Prozent Frauen in Vorstand sowie Aufsichtsrat haben, beschloss das Parlament. Die noch ausstehende Zustimmung der Ersten Kammer gilt als sicher. 13 11 DEUTSCHLAND EU-27 Grafik: manager magazin Quelle: DIW, mm-Recherche Karriere Managerinnen Balance und einen anderen Wertekodex. Aber darüber wird nicht gesprochen!“ Emma Dorn lässt ihrem Ärger darüber freien Lauf. Aus Amerika kommt bereits der Trend zu Womenomics – der Anspruch von Karrierefrauen, Lust und Leistung unter einen Hut zu bekommen. Was aber ist mit den deutschen Frauen? Gehören sie auf die Couch anstatt ins Coaching? Waren all die Frauenförderprogramme, die längst zum Inventar vieler Firmen gehören, vergeblich? Es fällt auf, dass die wenigen Topfrauen in Deutschland häufig aus dem Ausland kommen. Barbara Kux ist Schweizerin, Brigitte Ederer Österreicherin, Sandra Peterson (Bayer CropScience) ist wie Melody Harris-Jensbach (Puma) Amerikanerin, Elizabeth Corley (Allianz Global Investors) Britin, Anastassia Lauterbach (Telekom) Russin. Im Gegenzug wurde gerade die deutsche Ingenieurin Rita Forst Entwicklungschefin bei Opel; und Birgit Behrendt steigt auf zur Ford-Einkaufschefin in den USA. Folgen wir einem fiktiven Beförderungsgespräch, irgendwo zwischen Miesbach und Cuxhaven, Freiburg und Frankfurt an der Oder: Vergeben wird ein Geschäftsführerposten. Eingeladen hat der Chef zwei geeignete Kandidaten, eine Frau und einen Mann. ER SPRICHT ZUERST mit der Frau. Die be- schreibt die Aufgaben der neuen Stelle so präzise, dass er glaubt, sie habe längst auf diese Chance gewartet. Aber dann erläutert sie plötzlich, was sie alles nicht kann. Kurzum: Sie zögert. Wie anders die Vorstellung des Mannes! Aus dem Stand entwickelt er Visionen und kann gar nicht aufhören, seine vielen persönlichen Vorzüge anzupreisen. Das erinnert den Chef an seine eigene Sturm-und-Drang-Zeit. Umgehend weiß er: Das ist mein Mann! Noch am selben Nachmittag schickt ihm die Chefsekretärin eine Einladung zum Mittagessen ins Separee der Senator Lounge. Stimmt also die Analyse, die im März 2009 im Harvard Business Manager publiziert wurde: „Frauen können alles – außer Karriere“? 36 Prozent derer, die eine Führungsposition anstreben, erforschte McKinsey, sind Frauen. Aber nur 20 Prozent aller Führungspositionen sind weiblich besetzt. Viele, die „springen“ wollen, scheitern demnach. „Die Männer haben das Geld hinausgeschmissen“ Susanne Weiss über die Vorteile von Frauen in der Wirtschaft Sie sind Anwältin, vierfache Aufsichtsrätin und mit der Mehrheitsübernahme bei Togal auch noch Unternehmerin geworden. Bescherte Ihnen das neue Erfahrungen in der Männerwelt Wirtschaft? WEISS Als wir vor zwei Jahren anfingen, haben wir zunächst zwei Vorstände eingesetzt, Männer. Das war ein Schuss in den Ofen. Wir mussten die Herren relativ barsch beseitigen und bestellten dann zwei Frauen. Seitdem läuft’s. Die leitenden Funktionen sind mittlerweile alle mit Frauen besetzt. obachten – konfliktscheuer. Frauen stellen sich Konflikten eher. Woran das liegt, weiß ich nicht, aber es ist so! Außer Unerschrockenheit, was muss noch ins Schatzkästchen einer erfolgreichen Frau in der deutschen Wirtschaft? WEISS Fleiß. Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen? WEISS Ich habe immer fleißig gearbeitet und mein Leben meinem Beruf gewidmet. Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Also nicht den Kindern? WEISS Das sind die Fakten. Die Frauen sind engagierter, kreativer und auch fleißiger; sie haben viel mehr Gespür für das Geschäft und die Menschen und kommen außerdem wunderbar mit den Stakeholdern zurecht. WEISS Ich habe keine Kinder. Mein Beruf war und ist immer an erster Stelle. Die Herren Manager werden aufhorchen. WEISS Ich hoffe. Jedenfalls erzähle ich meine Erfahrungen jedem, der sie hören will oder auch nicht. Die Männer haben das Geld mit beiden Händen hinausgeschmissen, und die Frauen schaffen es jetzt wieder herein. Womöglich ein Sonderfall? WEISS Ganz im Gegenteil! Es gibt mittlerweile so viele Studien zur Performance von Unternehmen, die beweisen, dass überall dort, wo Frauen das Sagen haben, der Erfolg wesentlich besser ausfällt. Aber um die Kirche im Dorf zu lassen: Diese Studien gehen immer von gemischten Teams aus. Was ist das Erfolgsgeheimnis femininer Unternehmensführung? WEISS Frauen arbeiten sorgfältiger und engagierter. Das behaupte ich bewusst in dieser Pauschalität. In welchem Sinne sorgfältiger? WEISS Engagierter, überlegter und durchaus auch strategischer. Ich habe oft das Gefühl, die denken weiter und nehmen unangenehme Dinge in Angriff. Männer etwa nicht? WEISS Männer sind – das kann man auch in persönlichen Beziehungen be- Die Gesellschaft unterstellt Topfrauen häufig genug, herzlose Monster zu sein, die alles dem Götzen Erfolg opfern. WEISS Da ist der Spaß an meiner Arbeit davor. Aus der Tätigkeit im M&AGeschäft heraus hat sich das Unternehmersein entwickelt. Irgendwann kam mir der Gedanke, was ich für andere mache, bekomme ich auch für mich hin. Auf den Appetit folgte der Biss ... WEISS Das ist jetzt gut 20 Jahre her, und ich war damals und bin bis heute meistens die einzige Frau und werde immer besonders begrüßt. Es klingt schon arg komisch, wenn Sie hören: „Meine Dame und meine Herren“. Frauen und Macht ist ein Tabuthema. WEISS Dabei ist jeder Mensch interessiert an Macht. Das geht in der Beziehung oder Ehe los, setzt sich in der Familie fort, im engeren und weiteren Bekanntenkreis und natürlich auch im Beruf. Macht macht nicht nur sexy, Macht ist sexy. Wer das bestreitet, der lügt. Sind Sie für oder gegen die Quote, wenn es darum geht, dass Frauen endlich mit in die deutschen Vorstandsetagen und Aufsichtsräte einziehen? WEISS In dieser Hinsicht bin ich vom Saulus zum Paulus geworden. Es muss Druck her, sonst ändert sich nichts. ◆ Susanne Weiss, 49, Rechtsanwältin, Aufsichtsrätin (u. a. HypoVereinsbank), ist Gründungspräsidentin des Frauenbeirats der HVB und lebt in München. managermagazin 7/2010 125 Karriere Managerinnen „Dass sich die Frauen zusammenschlossen, verunsicherte anfangs die Männer.“ Diane Edfelder München, BMW-Konzernzentrale, Erdgeschoss. In der Kantine treffen wir Diane Edfelder (51), die 2006 das Frauennetzwerk gegründet hat. Sie spürte den Druck der Führungsfrauen, ihre Erfahrungen im Unternehmen auszutauschen. „Man bekommt zwar seine Trainings, ist dann aber allein unter Männern.“ Dass sich die Frauen zusammenschlossen, verunsicherte anfangs die Männer, es wurde gestichelt: „Na, gehste wieder in den Frauenklub?“ Heute hat der „Klub“ 100 Mitglieder und gilt als vorbildlich. Für das Unternehmen bringt er immense Vorteile. Abgesehen von femininer Strahlkraft am Arbeitsmarkt sorgt das Netzwerk auch für Kommunikationswege quer durch die Hierarchien und oft genug für Problemlösungen, die auf dem Dienstweg nie oder nur im Schneckentempo vorangekommen wären. Während der regelmäßigen Kamingespräche werden strategische Themen erörtert, wird das Logistikzentrum vorgestellt oder der neue Windkanal. Anteilseignerin Susanne Klatten sucht die Diskussion und stellt sich ihr genauso wie einzelne Vorstände. Die Frauen gehen neugierig aufeinander zu. Sie versuchen voneinander zu profitieren: die junge Chefin, die sich mangelnder Akzeptanz von Seiten älterer Mitarbeiter gegenübersieht, die Fachfrau, die feststellt, dass schon wieder ein Mann an ihr vorbeigezogen ist. Beim ersten Mal hat sie noch an ihrer Qualifikation gezweifelt, beim x-ten Mal fragt sie in die Runde: „Warum?“ Dann erinnert Edfelder an die „Hidden Agenda“: Laut einer IBM-Studie hängen nur 10 Prozent von der erbrachten Leistung ab; 30 Prozent von Image und Selbstdarstellung; die restlichen 60 Prozent von Kontakten und Beziehungen. 16. Stockwerk. Hildegard Wortmann (43) ist frisch gekürte Bereichsleiterin für Produktmanagement, alles andere als ein klassisches Frauenressort, und somit Obere Führungskraft, OFK. Über ihr thront nur noch der Vorstand. Wortmann, die Empathie und Schneidigkeit gut dosiert, ist bestens gelaunt. An der Bürodecke klebt ein rotes Luftballonherz, hinter ihr steht ein Trolley, an dem Boxhandschuhe baumeln. Ein Abschiedsgeschenk ihrer alten Abteilung. Sie wird viel reisen, um ihre 500 Mitarbeiter, alles Männer, anzuspornen. Ihren Dienstwagen, einen Z4, haben zwei Frauen entworfen. Das Geheimnis ihres Aufstiegs? „Neugierde und der Mut zu einem radikalen Wechsel.“ Immer mutig sagen, was man vorhat. Natürlich ist Wortmann außerordentlich fleißig. Aber: „200 Prozent arbeiten, um 100 Prozent anerkannt zu werden, finde ich Blödsinn.“ Karriere Managerinnen „Fantasie und Flexibilität sind vonnöten“ Nina von Stebut will es ins Topmanagement schaffen Sie haben bereits bei Ihrem Einstieg klargemacht: Ich will! Schon an der berühmten gläsernen Decke angekommen? STEBUT Noch nicht. Aber Schranken gibt es auch in den Etagen darunter. Sie haben sich mit dem Gender-Thema lange wissenschaftlich beschäftigt und wussten, was auf Sie zukommt. STEBUT Empirische Studien zeigen, dass das Vertrauen in Männer größer ist als in Frauen; etwa wenn es darum geht, anspruchsvolle Aufgaben zu verteilen. Bei Männern gilt die Annahme: Die schaffen das. Frauen müssen erst beweisen, dass sie gute Ergebnisse liefern können. Häufig bekommen sie gar nicht die Chance dazu. Wenn es dann darum geht, wer befördert wird, haben Männer automatisch die Nase vorn, weil sie mehr einschlägige Erfahrungen, mehr Exponierung in den Vorstandsetagen und bei den Kunden haben. Sie sind nicht gerade eine graue Maus und wissen, wie man den Finger hebt. STEBUT Es ist wichtig, sich aktiv ins Spiel zu bringen. Aber nominiert zu werden funktioniert immer noch besser, als sich selbst zu nominieren. Vieles läuft allerdings nonverbal. Daher ist es auch so schwierig, etwas zu verändern. Geben Sie uns ein Beispiel. STEBUT Mein Einsatz im Ausland etwa. Ich bin Mutter von drei Kindern, mit einem Mann, der auch ein Berufsleben hat. In dieser Konstellation kommt man nicht von selbst in den Kreis der Kandidaten. Man ging selbstredend davon aus, dass ich nicht kann und nicht will. Als ich mich beworben habe, war mein Umfeld völlig überrascht, und alles drehte sich darum: Wird Ihr Mann das mitmachen? Was ist mit den Kindern? STEBUT Ich freue mich jeden Tag darüber. Mein Mann hat mit seiner Firma eine tragfähige Konstellation ausgehandelt. Mit der heutigen Technologie sind nur Fantasie und Flexibilität vonnöten. Die Kinder hingegen waren erst schockiert. Heute sind alle drei begeistert. Sie sind aus dem Gröbsten heraus. STEBUT Ich kann erwerbstätigen Müttern nur empfehlen, die Kleinkindphase ins Ausland zu verlegen. In den meisten Ländern kann man sich viel eher eine Ganztagsbetreuung leisten als in Deutschland. Außerdem gibt es in anderen Ländern nicht den moralischen Druck, als Rabenmutter dazustehen. Ein guter Tipp, wir geben ihn weiter. STEBUT Entschieden schwieriger ist die Frage der Dual Careers, der Berufstätigkeit beider Partner. Hier brauchen wir viel mehr Unterstützung als bei den Kindern. Klassischerweise opfert die Frau den eigenen Aufstieg der Karriere des Gatten. STEBUT Wenn die Unternehmen den tüchtigen Frauen entsprechende Chancen bieten würden, könnten die Paare auch anders entscheiden. Häufig können die Frauen tatsächlich nicht mit den Karrieren ihrer Partner mithalten und haben deshalb signifikant weniger in die Waagschale zu werfen. Schwangerschaft und Kleinkinder sind nun mal kein Karriereturbo. STEBUT Diese Fragen würden einem Mann nicht in der Form gestellt werden. Da wird davon ausgegangen, dass die Frau mitzieht und die Familie deichselt. STEBUT Die meisten Großunternehmen, auch wir in der Munich Re, haben so viele Angebote, um Kinder und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Es geht um die Bereitschaft, die Situation anzunehmen. Wenn wir ehrlich sind, könnten wir oft anstelle von drei Meetings genauso gut nur eines abhalten. Außerdem zwingen uns Kinder ständig, über den Tellerrand hinauszuschauen – eine Eigenschaft, die auch in der Wirtschaft so wichtig ist. ◆ Happy End – Sie sind bereits das dritte Jahr für die Münchener Rück in Hongkong. Nina von Stebut, 43, drei Kinder, arbeitet als Manager Training & Development Asia in der Personalabteilung der Münchener Rück und lebt zurzeit in Hongkong. In der Tat eine komplizierte Situation. managermagazin 7/2010 127 „Frauen haben eine bessere Balance zwischen rationaler und emotionaler Intelligenz.“ Frank Appel 22. Stockwerk. Topetage, Männerland. An klaren Tagen sieht man am Horizont die Alpen. Wer das schwarz bestückte Büro von Personalvorstand Harald Krüger (44) betritt, läuft auf ein PlanquadratHerz zu, das hinter seinem Schreibtisch hängt; bunt und schrill, als wäre es von einem jungen Wilden gepinselt. „Frauen brauchen einen Anwalt“, sagt Krüger. Durch seine Auslandseinsätze in England und den USA ist er daran gewöhnt, in gemischten Teams zu arbeiten. Doch auch bei BMW zerstören die Zahlen jede Illusion: Der Anteil weiblicher Führungskräfte beträgt im Schnitt 8 Prozent, unterhalb der gläsernen Decke, vor der Vorstandsebene, nur noch 4 Prozent. Unter den 260 deutschen Topkräften sind zehn Frauen, zwei davon erst im Lauf des vergangenen Jahres befördert. Natürlich verweist man, wie bei allen technikgetragenen Unternehmen, da130 managermagazin 7/2010 rauf, dass Frauen wenig Interesse an Ingenieurwissenschaften zeigen. Knapp über 20 Prozent liegt der Anteil bei den Studierenden. Girls’ Day und Mint-Programm (damit sollen Mädchen und junge Frauen für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik begeistert werden) sind die Folge der Zielvereinbarung von 2001. Sie zeigen zwar Wirkung, aber nicht genug. Rein theoretisch müssten aufgrund des Fachkräftemangels Ingenieurinnen heute in kürzester Zeit die tollsten Karrieren hinlegen. Die Praxis sieht anders aus: Wie der Sozialforscher Carsten Wippermann in einer wegweisenden Studie für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beweist, in der 511 Frauen und Männer in Führungspositionen befragt wurden, sind die „Hüter der gläsernen Decke“ omnipräsent. Eine ehrgeizige Frau in männerdomi- nierter Umgebung hat der Studie zufolge nur zwei Optionen: ■ „Sie ist eine gute Führungsperson – dann ist sie ein halber Mann und verrät ihr weibliches Wesen.“ ■ „Sie wirkt weich und weiblich – dann kann sie eigentlich keine gute Führungskraft sein. Wenn sie aber dennoch erfolgreich ist, dann sind ihre Weiblichkeit und ihr Charme eine gezielt täuschende Kulisse für einen dahinterliegenden harten Charakter. Damit ist solch eine Frau suspekt und mit Vorsicht zu behandeln.“ Es geht für die Frauen in der deutschen Wirtschaft offensichtlich zu wie in einer Achternbusch-Groteske: Du hast keine Chance, aber nutze sie. Gelegentlich passieren auch Possen. Vor einigen Jahren machte sich die Münchener Rück daran, am damaligen Lehrstuhl von Jutta Allmendinger erforschen zu lassen, weshalb so wenig Frauen im Konzern aufsteigen, obwohl doch so viele eingestellt werden. Als die „Empirischen Einsichten“ 2005 ausgewertet waren, konnten die hausgemachten Karrierekiller nicht mehr übersehen werden. Schrecken breitete sich aus. Da schwangen die Herren Vorstände entschlossen den Zauberstab: Der Bericht wurde kurzerhand – eingestampft. Offiziell soll alles nach Aufbruch klingen. Allein von 2008 auf 2009 sei der Anteil der Führungsfrauen bei der Münchener Rück von 20,7 auf 23,5 Prozent gestiegen. Dass im Vorstand immer noch keine Frau sitzt und auf der Hierarchiestufe darunter ihr Anteil sogar zurückging, sieht man den schönen Zahlen nicht an. Bei der Deutschen Bank macht sich Josef Ackermann zum Schirmherrn von „Atlas“, des Frauenförderprogramms. Die HypoVereinsbank ließ von Susanne Weiss (siehe Interview Seite 125) einen Frauenbeirat gründen, der Strahlkraft zeigt, in der Chefetage änderte sich nichts. Bei Daimler ging schon vor geraumer Zeit in einer kleinen Pressemitteilung das Ziel 20/20 unter. Zur Erinnerung: Im Jahr 2020 sollen 20 Prozent der Führungskräfte weiblich sein. Als aber gleich zwei Frauen, eine davon Margret Suzkale, für den Posten des Personalvorstands zur Auswahl standen, war der Sieger dennoch ein Mann. Die Allianz, dem Klischee nach ein hartgesottener Männerklub, hat die Vor- Karriere Managerinnen gabe Diversity bonusrelevant auf die Vorstandsagenda gehoben. Stolz verweist sie auf die Einführung ihres weltweiten Talentmanagement-Systems: Jeder fähige Aspirant, ob Frau oder Mann, werde gesichtet und objektiv bewertet. Bei einer der letzten Vorstandsbesetzungen war auch eine Frau im Rennen – gewonnen hat ein Mann. Das Muster ist gängig: Männer bevorzugen Männer – oft auch unbewusst und im guten Glauben, dem Besseren den Vortritt gewährt zu haben. Qualifikation beurteilen sie durch die männliche Brille. Ihr Führungsstil ist „transaktional“, wie Soziologen das nennen: zack, sagen, was Sache ist, aufs Alphatier ausgerichtet. Anders bei Frauen. „Es ist eine Kunst, mit Frauen zu diskutieren. Man muss sich rechtfertigen und seinen eigenen Standpunkt hinterfragen“, sagt Unternehmer Manfred Wittenstein (67), Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. Weibliche Führung gilt als „transformativ“, sie will überzeugen, sieht den ganzen Menschen. BERLIN, KURFÜRSTENDAMM. Monika Schulz-Strelow finden wir zwischen Umzugskartons. Die Präsidentin der Fidar (Frauen in die Aufsichtsräte) packt aus an der neuen, noblen Adresse. Fidar ist zwar noch eine junge, parteiunabhängige Initiative, die ursprünglich auf einen Aufruf der Grünen zurückgeht, die einen 40-prozentigen Frauenanteil der Führungspositionen verlangen. Und doch ist Schulz-Strelow in der deutschen Wirtschafts- und Politcommunity bestens bekannt und verknüpft. Für die einen sind ihre Forderungen der reine Horror, für die anderen ein Segen. Mindestens 25 Prozent Frauen will Fidar in den deutschen Aufsichtsräten sehen. Kein übermäßig ambitioniertes Ziel: „Ich möchte keine Visionen verkaufen, sondern Ergebnisse haben“, sagt SchulzStrelow. 140 Mitglieder hat Fidar, acht Männer sind auch dabei, wie der Aufsichtsratsvorsitzende von Beiersdorf, Reinhard Pöllath. „Besser, wir verdrängen gemeinsam mit den fähigen die unfähigen Männer“, gibt sich Schulz-Strelow pragmatisch. Nicht nur seitdem der Deutsche Juristinnenbund (djb) gemeinsam mit Fidar Anwältinnen in die Hauptversammlungen schickt, die nachfragen: „Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl der Aufsichtsräte, spielt auch das Geschlecht eine Rolle?“, ist der Ruf nach der Quote salonfähig geworden. Wenn in zwei bis drei Jahren nicht „eine angemessene Berücksichtigung von Frauen“ in den Aufsichtsräten und Vorständen erreicht ist, wie es die Corporate-Governance-Kommission Ende Mai festschrieb, dann soll per Gesetz dafür gesorgt werden. Im Bundesministerium der Justiz liegt schon ein Entwurf. Obwohl die Wirtschaft den Anschein erweckt, niemand sei dringender gesucht als Führungsfrauen, bekommt der Kommissionsvorsitzende Klaus-Peter Müller stapelweise böse Briefe von den Herren aus den Topetagen. Der Vorstoß, dass künftig eine Zielvorgabe für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates benannt werden soll, scheint vielen nicht zu behagen. Die Angst vor Machtverlust geht um. Andere Länder leben gut mit der Quote. Als Pionier gilt Norwegen. 40 Prozent weibliche Aufsichtsräte forderte eine konservative Regierung in Oslo 2003 per Gesetz. Der Widerstand aus der Wirtschaft war aber so gewaltig, dass man sich darauf einigte, das Gesetz trete nicht in Kraft, sollte es den Unternehmen gelingen, die Forderung freiwillig zu erfüllen. Stichtag: 1. Juli 2005. Als zu diesem Zeitpunkt nur 15,5 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten vertreten waren, hatte es ein Ende mit dem Vertrauen in die Freiwilligkeit. Am 1. Januar 2006 kam die Quote. Bei Nichteinhaltung drohte für den schlimmsten Fall die Liquidierung. Wieder hingen über Oslo die lauten Drohungen einiger Unternehmen, das Land zu verlassen. Nichts von alledem geschah. Heute sind gut 40 Prozent der norwegischen Aufsichtsräte Frauen (zum Vergleich: 2003, vor dem Gesetz, waren es 7 Prozent), und Sanktionen brauchte es nicht. „Deutschland hat noch einen langen Weg vor sich: Ihr müsst Vorurteile bekämpfen, Ideologien, Rollenklischees“, analysiert Arni Hole, Generaldirektorin des norwegischen Gleichstellungsministeriums. Es gehe schließlich nicht nur um eine Quote für Aufsichtsräte, sondern um ein Gesellschaftsmodell. Immer mehr europäische Länder arbeiten an oder mit Gesetzen, die eine Frauenquote vorschreiben (siehe Kasten Seite 124). „Übergangsweise halte ich das für ein notwendiges und sinnvolles Instrument“, sagt auch Airbus-Chef Tom Enders. Der ehemalige Fallschirmjäger der Bundeswehr, der sich in seiner Führungsrolle als „General mit Schlamm an den Stiefeln“ sieht, hat mit der Spanierin Pilar Albiac Murillo (50) die erste Frau in den Reigen der Top 20 aufgenommen. „Dass Pilar eine starke Frau ist, war nur ein Nebenargument. Trotzdem bin ich froh, mit ihrer Berufung ein Signal an die Frauen bei Airbus zu senden: Ihr könnt es bei uns bis ganz nach oben schaffen.“ Elizabeth Corley (53), CEO der Allianz Global Investors Europe, hat es weit genug gebracht, um mit britischer Gelassenheit behaupten zu können: „Mann oder Frau – was macht das für einen Unterschied? Wir haben alle unseren eigenen Stil. Ich kann nicht sagen, ob meiner typisch weiblich ist. Mann ist auch nicht gleich Mann. Ich habe in meiner Karriere nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass ich eine Frau bin. Ich hatte immer nur mein Ziel im Blick.“ Gisela Maria Freisinger/Helene Endres managermagazin 7/2010 131