Monets Garten - Hatje Cantz Verlag

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Monets Garten - Hatje Cantz Verlag
Christoph Becker
Monets Garten
Seerosenbilder sind der Inbegriff des Impressionismus. Und Giverny ist ein Synonym
für den impressionistischen Garten – als ob Monet nichts als Seerosen gemalt hätte.
Besucht man den Garten Monets, wie vierhunderttausend andere Touristen
jedes Jahr, in dem kleinen Ort Giverny, eine halbe Stunde zu Fuss von Vernon entfernt, so sieht man eine Rekonstruktion, die zwanzig Jahre alt ist. Die originalen Aufzeichnungen, aus denen hervorgehen könnte, wie der Garten genau angelegt war,
sind bis auf wenige Dokumente und Schwarz-Weiss-Fotografien verloren. Schon ungefähr zwei Jahrzehnte nach dem Tod Monets im Jahr 1926 war von dem Garten nicht
mehr viel zu sehen. Die Wege waren überwuchert, die Seerosen verfault, die japanische Brücke morsch. Die Kunstwerke aber, die Monet in diesem Garten schuf, haben
die Zeit besser überdauert und sind auf der ganzen Welt in den Museen zu finden.
Dass der heutige Garten in Giverny einmal Monet gehörte, gibt ihm eine mythische Aura: der Schöpfer des Seerosenteiches, der Maler der Seerosen, der berühmteste Impressionist – diese Wechselbeziehung zwischen der gestalteten Natur und
den Werken der bildenden Kunst hat diesen Garten berühmt gemacht. Giverny war
beides, der Wohnort eines Malers und eines Gärtners. Und Claude Monet verkörperte
beides. Er verwendete fast so viel Zeit – und mehr Geld – für den Garten wie für seine
Kunst.
Im Blick über das Gesamtwerk zeigt sich, dass die grösste Zahl an Gartenbildern in
Giverny entstanden ist, wo Monet die längste Zeit seines Lebens verbracht hat, aber
die zahllosen Bilder mit dem Seerosenteich, der japanischen Brücke oder der
Rosenallee sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sich bereits lange vor
Giverny für das Gartenhandwerk und die Gartenkunst interessierte. Deshalb werden
auch zwei weitere Gärten einbezogen, jene in Argenteuil und Vétheuil.
Obwohl bei der Auswahl der Werke die Gartenbilder im Vordergrund stehen, wurden
auch Bilder aufgenommen, die auf den ersten Blick nicht unmittelbar mit dem Thema
zu tun haben, von Parks in London und Paris, von der Landschaft der Normandie und
vom Lauf der Seine, denn die Gartenbilder können nicht isoliert von den Landschaften und Stillleben in Monets Gesamtwerk betrachtet werden.
Hier geht es fast zwangsläufig nicht nur um Kunst, sondern auch um Geld: um
den Zusammenhang zwischen Monets künstlerischen Errungenschaften und seinem
materiellen Erfolg. Um diesen Text nicht über Gebühr mit zweifellos interessanten
Fakten zu belasten, sind in diesem Band zwei Dokumentationen zu finden, eine über
die Biografie Monets, seine Familie, die Kunsthändler, seine Erfolge und Misserfolge.
Monet hat nie längere Zeit in einer Stadt gelebt, und sucht man die Orte, an
denen er gewohnt und gearbeitet hat, so zeigt sich eine markante Zäsur. In den ersten
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