Eigenverantwortliche Schule
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Eigenverantwortliche Schule
Weiterentwicklung der Eigenverantwortlichen Schule in Niedersachsen Beschluss des Niedersachsenrates der Jungen Union vom 28. Februar 2009 in Westerstede Junge Union Niedersachsen Wilfried-Hasselmann-Haus Hindenburgstraße 30 30175 Hannover Tel.: 0511/27991-41 Fax: 0511/27991-42 [email protected] www.ju-niedersachsen.de 1 2 3 4 5 Der Niedersachsenrat der Jungen Union möge folgenden Antrag beschließen: Weiterentwicklung der Eigenverantwortlichen Schule in Niedersachsen 6 7 8 Mit Wirkung zum 1. August 2007 haben Landesregierung und Landtag die 9 Eigenverantwortliche Schule in Niedersachsen eingeführt. 10 11 Die Grundüberlegung des Konzeptes besteht darin, dass Politik bzw. Landesverwaltung 12 nicht mehr jedes Detail in den Schulen mit bildungspolitischen Vorgaben und Erlassen 13 einheitlich für das ganze Land zu regulieren versuchen, sondern auf die Kompetenz der 14 Verantwortlichen in den Schulen vor Ort setzen und diesen die Freiräume für 15 eigenverantwortliche und individuelle Entscheidungen eröffnen. 16 Dabei legt das Land einen verbindlichen Rahmen von Qualitätsansprüchen und -kriterien 17 für den Unterricht fest und die Schulen entscheiden weitestgehend eigenverantwortlich 18 über den entsprechenden Weg zur Verwirklichung dieser Bildungsziele. Anhand 19 verschiedener Instrumentarien wie regelmäßigen Vergleichsarbeiten und 20 Abschlussprüfungen sowie der Überprüfung durch die Schulinspektion werden die Schulen 21 dann an ihren Ergebnissen gemessen und bei Mängeln durch die Schulaufsicht 22 entsprechend beraten. 23 24 Technisch wurde die Einführung der Eigenverantwortlichen Schule zum einen durch die 25 Novelle des Niedersächsischen Schulgesetzes mit Wirkung zum 1. August 2007 umgesetzt, 26 die u.a. eine Stärkung der dienstrechtlichen Befugnisse des Schulleiters, den Schulvorstand 27 als neues bedeutendes Gremium, ein verpflichtendes Schulprogramm, die Einrichtung der 28 Schulinspektion sowie die Etablierung eines Budgetrechts vorsieht. Zum anderen hat das 29 Kultusministerium eine ganze Reihe von Erlassen ersatzlos gestrichen sowie die 30 Anwendung einer Vielzahl von Erlassen den Schulen zur eigenen Entscheidung überlassen 31 und damit zu einer Deregulierung beigetragen. 32 33 Nach den von der Landesregierung in den vergangenen Jahren eingeleiteten notwendigen 34 strukturellen und organisatorischen Veränderungen wie z.B. der Abschaffung der 1 35 Orientierungsstufe oder der Einführung des Zentralabiturs nach 12 Jahren, sieht die Junge 36 Union Niedersachsen nun in der Implementierung des Konzeptes der 37 Eigenverantwortlichen Schule einen zentralen Baustein für eine Art „innere Schulreform“, 38 mit dem Hauptziel der Verbesserung der Unterrichtsqualität, auf den Weg gebracht. 39 Ferner bestätigt auch der Blick in andere Länder wie beispielsweise die Niederlande, dass 40 auch im internationalen Kontext Schulentwicklungsplanung einen Schwerpunkt im Bereich 41 der Förderung von Eigenverantwortung setzt. 42 43 Die JU Niedersachsen unterstützt getreu ihres politischen Grundsatzes der Subsidiarität, 44 nämlich der Übertragung von Aufgaben auf möglichst kleine gesellschaftliche Einheiten, 45 die Einführung der Eigenverantwortlichen Schule ganz ausdrücklich und erhofft sich 46 hiervon, dass Schüler, Eltern und Lehrer durch ein Mehr an Freiheit und Verantwortung 47 zusätzliche Motivation erfahren und neue Leistungspotentiale an unseren Schulen 48 generiert werden. 49 50 Gleichwohl halten wir in einigen Bereichen Veränderungen und Anpassungen zwecks 51 Weiterentwicklung des bisherigen Konzeptes der Eigenverantwortlichen Schule für 52 dringend geboten. 53 54 Der Schulvorstand ist als neu geschaffenes Gremium vom Kultusministerium als „zentrales 55 Organ“ der Schule vorgesehen und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet worden wie 56 z.B. dem Recht zur Beschlussfassung über die Inanspruchnahme der vom Ministerium neu 57 eingeräumten Entscheidungsspielräume oder zur Verwendung der Haushaltsmittel, 58 wohingegen die neue Gesamtkonferenz sich nun fast ausschließlich pädagogischen Fragen 59 zu widmen hat. Es erscheint allerdings nicht systematisch, dass ausgerechnet bei der 60 Beschlussfassung über das wichtige neue Schulprogramm die Gesamtkonferenz die 61 maßgebliche Entscheidungsbefugnis haben soll, was auch die kryptische Formulierung im 62 Paragraphen 38a Abs. 4 des Schulgesetzes, die eine entsprechende Entscheidung der 63 Gesamtkonferenz im „Benehmen“ mit dem Schulvorstand vorsieht, nicht aufzulösen 64 vermag. 65 66 Die Junge Union fordert daher den von der Landesregierung durch die Neuordnung der 67 Kompetenzen eingeleiteten Weg auch konsequent zu Ende zu gehen und dem neuen 2 68 Schulvorstand sämtliche maßgeblichen Entscheidungsbefugnisse zu übertragen und damit 69 ein Durcheinander der Kompetenzen – wie es bereits beispielsweise von Lehrerverbänden 70 beklagt wird- zu beenden. 71 Weiterhin fordert die Junge Union folgerichtig die Gesamtkonferenz dann auch 72 namentlich abzuschaffen und zukünftig beispielsweise als „Pädagogische Konferenz“ der 73 Lehrerinnen und Lehrer weiter zu führen. 74 75 Es trifft dagegen auf die entschiedene Zustimmung der Jungen Union, dass im 76 Schulvorstand die Interessen von Schülerinnen und Schülern als den Hauptakteuren von 77 Schule mit nunmehr 25 % der Stimmkraft1 deutlich stärker berücksichtigt werden als 78 bislang in der Gesamtkonferenz, wo Schüler- und Elternvertreter nur einen Bruchteil der 79 Mitglieder stellen. Zudem ist der Schulvorstand als kleineres Gremium2 im Vergleich zur 80 alten Gesamtkonferenz wesentlich handlungsfähiger, ohne das hierdurch eine Minderung 81 der demokratischen Partizipation aller an Schule Beteiligter eintritt. 82 83 Die im Rahmen der Implementierung des Konzeptes der Eigenverantwortlichen Schule 84 erfolgte dienstrechtliche Stärkung der Position des Schulleiters, die u.a. die Beteiligung an 85 Auswahl und Einstellung neuer Lehrkräfte, die Beförderung von Lehrkräften oder die 86 Durchführung von Verbeamtungen vorsieht, unterstützen wir ausdrücklich. 87 88 Die JU Niedersachsen fordert darüber hinaus, dass seitens des Ministeriums eine 89 durchsetzungsfähige Möglichkeit geschaffen wird, zukünftig Lehrer, die sich gravierende 90 Verfehlungen haben zu Schulden kommen lassen und mehrfach von einer Schule zur 91 nächsten strafversetzt worden sind, aus dem Schuldienst und dem beamtenrechtlichen 92 Verhältnis entlassen zu können. 93 94 Ferner bittet die JU Niedersachsen das Kultusministerium die rechtliche Möglichkeit zu 95 prüfen bzw. zu schaffen und Haushaltsmittel in bescheidenem Umfang bereit zu stellen, 96 um den Schulleitern im Zuge ihrer neuen Stellung als oberste Qualitätsentwickler auch zu 97 ermöglichen, Leistungsanreize zu setzen und ein Teil ihres Budgets für die Prämierung 98 herausragender Leistungen von Lehrerinnen und Lehrern einzusetzen. 1 Weitere 25 % entfallen auf die Erziehungsberechtigten und 50 % auf die Lehrervertreter. In Grundschulen gehen die Sitze der Schüler auf die Eltern über. In Berufsbildenden Schulen verhält es sich genau umgekehrt. 2 Der Schulvorstand hat je nach Anzahl der Vollzeit- Lehrerstellen zwischen acht und sechzehn Mitglieder. 3 99 Schulleitungs- und Lehrerverbände beklagen zunehmend eine mit der Einführung der 100 Eigenverantwortlichen Schule einhergehende stark gestiegene Arbeitsbelastung von 101 Schulleitern vor allem im administrativen Bereich. 102 Das Kultusministerium ist deshalb dringend gebeten, bereits laufende 103 Fortbildungsprogramme für Schulleiter zu intensivieren und spürbare Maßnahmen der 104 Entlastung vorzunehmen. In diesem Zusammenhang sprechen wir uns aber gegen die 105 Überlegung aus, zum Zweck der Arbeitsentlastung Schulleiter von der 106 Unterrichtsverpflichtung auszunehmen. Die JU Niedersachsen hält ein gewisses 107 Mindestmaß an Unterrichtsstunden für erforderlich, um der Gefahr einer Entfremdung des 108 Schulleiters vom Unterrichtsalltag zu begegnen. 109 110 Bezüglich des im Grundsatz sehr zu befürwortenden Instrumentariums der 111 Schulinspektion hat die Junge Union Verbesserungsvorschläge in zwei wesentlichen 112 Bereichen zu formulieren. 113 114 Zum einen fordern wir den Ablauf des Inspektionsbesuches dahingehend zu verändern, 115 dass die Unterrichtsbesuche zukünftig unangekündigt stattfinden. Die Erfahrung vieler 116 Generationen von Schülern lehrt, dass im Vorfeld bekannte Unterrichtsproben wesentlich 117 ausführlicher durch das Lehrpersonal vorbereitet werden und vom ganzen Ablauf her 118 zumeist wenig Ähnlichkeit mit einer gewöhnlichen Unterrichtsstunde haben. Da bei der 119 Schulinspektion keine Bewertung des Unterrichts der einzelnen Lehrkräfte erfolgt und 120 deren Namen im Bericht nicht genannt werden, sondern vielmehr die Gesamtheit der 121 Unterrichtsqualität der jeweiligen Schule richtigerweise im Fokus der Betrachtungen 122 steht, möchten wir mit unserem Vorschlag auch nicht einzelne weniger gut vorbereitete 123 Lehrer bloß stellen, sondern stattdessen verhindern, dass den Inspektoren ein Zerrbild von 124 den Leistungen an der Schule vermittelt wird und damit der Inspektionsbericht seinen 125 eigentlichen Sinn einer realistischen Einschätzung der schulischen Leistungsfähigkeit 126 verfehlt. 127 Eine derartige Anpassung des bisherigen Konzeptes würde insbesondere im Interesse der 128 Schulen selbst erfolgen, da nur eine zutreffende Analyse von Stärken und Schwächen der 129 eigenen Lehranstalt zu der beabsichtigten intensiven schulinternen Diskussion über den 130 Inspektionsbericht und einer anschließenden Qualitätsoptimierung durch alle Beteiligten 131 führen kann. 4 132 Zum anderen sind aus unserer Sicht die Konsequenzen eines negativ ausfallenden 133 Inspektionsberichtes lediglich mit Gesprächen zwischen Schulleitung und Schulaufsicht 134 sowie der Anordnung einer Nachinspektion noch nicht ausreichend umrissen. 135 136 Vielmehr bedarf es nach Meinung der JU Niedersachsen der Aufstellung eines 137 „Sondermittelfonds“ durch das Kultusministerium um nach Feststellung gravierender 138 Qualitätsmängel zielgerichtet und zeitnah auch konkrete Verbesserungen innerhalb der 139 betroffenen Schulen von außen vornehmen zu können, wie z.B. durch die Bereitstellung 140 finanzieller Mittel für zusätzliche Fortbildungsmaßnahmen oder ähnliches. 141 142 Die Junge Union ist abschließend der Überzeugung, dass Niedersachsen mit der 143 Einführung der Eigenverantwortlichen Schule grundsätzlich einen wichtigen Schritt auf 144 dem Weg zu mehr Qualität von Unterricht unternommen hat und das Konzept dabei 145 gleichwohl immer wieder kritisch hinterfragen und weiterentwickeln sollte. Ferner sind wir 146 sehr optimistisch, dass unsere niedersächsischen Schulen ihre entstandenen neuen 147 Chancen und Spielräume im Spannungsfeld von Freiheit und Verantwortung zum Wohl der 148 Schülerinnen und Schüler nutzen werden. 5