Borreliose effektiv behandeln
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Borreliose effektiv behandeln
50 WISSEN & 25. W OCHE 2008/B AUERN Z EITUNG Gesundheit Borreliose effektiv behandeln F ieber und Nachtschweiß, Nackenschmerzen und Abgeschlagenheit – diese Symptome in Verbindung mit einer ringförmigen Hautrötung – der Wanderröte oder Erythema migrans, wie der medizinische Fachausdruck lautet – weisen schnell auf eine Borrelioseerkrankung hin. Doch trotz sofortiger Antibiotikatherapie heilt sie nicht aus, sondern macht den Betroffenen monatelang arbeitsunfähig, oft sogar bettlägerig … Bei dieser Schilderung handelt es sich um die eigene Krankengeschichte unseres Experten, Professor Schardt. „Das Problem bei den Borrelien ist, dass sie nicht wie andere Bakterien nur an einen bestimmten Ort im Körper (zum Beispiel im Rachen) lokalisiert sind, sondern sich aktiv durch das Gewebe hindurchbohren und auch die Blut-Hirn-Schranke überwinden können“, weiß er. „Dadurch kommt es zu einer vielfältigen und oft wechselnden Symptomatik.“ Wandernde Schmerzen, die nachts besonders schlimm sind und sogar an einen Bandscheibenvorfall denken lassen, aber auch Depressionen, Panikattacken, Konzentrations- und Wortfindungsstörungen können demnach durch eine Borreliose verursacht sein und sollten dahingehend abgeklärt werden. Allerdings wird bei solchen Beschwerden oft gar nicht an eine Infektionskrankheit gedacht, sondern eine rein neurologische beziehungsweise psychiatrische Behandlung durchgeführt. Der Zusammenhang zwischen den Symptomen und einer möglichen Borreliose ist deshalb nicht klar erkennbar, weil die Patienten oft nicht einmal den Zeckenstich bemerken. Der Grund: „Auch die kaum erkennbar kleinen Nymphen können die Krankheit übertragen“, erklärt Professor Schardt, dessen Borreliosepatienten sich in 30 % der Fälle nicht an einen Zeckenstich erinnern. Dazu kommt, dass die Anfangssymptome oft sehr unspezifisch und leicht mit einem grippalen Infekt zu verIn Lauerstellung sitzt die Zecke auf einem Grashalm. Darüber – in der gleichen Konstellation – unter dem Rasterelektronenmikroskop. Laut Robert-Koch-Institut ist sie die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit in Europa. Schätzungen zufolge erkranken in Deutschland jährlich bis zu 100 000 Menschen neu. Wie diese Krankheit richtig diagnostiziert und behandelt wird, ist umstritten. Über neue Erkenntnisse und Therapieansätze sprachen wir mit dem Borreliosespezialisten Professor Dr. Friedrich Schardt. wechseln sind. Und die für Borreliose charakteristische Wanderröte kann nur subklinisch ausgeprägt sein, das heißt, sie kann so leicht verlaufen, dass sie übersehen wird. Vermuten Arzt oder Patient eine Borreliose, besteht die nächste Schwierigkeit darin, die Krankheit tatsächlich nachzuweisen. In der Regel werden dafür Antikörperbestimmungen im Blut durchgeführt. Doch die zu deuten ist nicht leicht. Denn solche Antikörper bleiben nach einer durchgemachten Infektion – ob mit oder ohne Krankheitszeichen – als sogenannte „Serumnarbe“ im Blut zurück. Umgekehrt können Antikörper nur gering erhöht sein, obwohl der Patient schwer krank ist. Das liegt möglicherweise daran, dass sich Borrelien in den Körperzellen so gut versteckt haben, dass die Immunabwehr sie nicht erkennt und deshalb auch nicht mit einer ausgeprägten Antikörperbildung reagiert. Dasselbe gilt für die Neuroborreliose, wenn sich der Erreger also im Gehirn festgesetzt hat. Oft wird dann eine sogenannte Liquorpunktion durchgeführt, um Borrelienantikörper in der Rückenmarksflüssigkeit zu bestimmen. Doch das ist laut Professor Schardt wenig sinnvoll: „Früher war die Liquoruntersuchung obligatorisch, heute ist es eindeutig belegt, dass sie auch bei eindeutiger Neuroborreliose zu einem falsch negati- ven Ergebnis führen kann. Also kann auf diese nicht ganz ungefährliche Untersuchung eigentlich verzichtet werden.“ Für den borreliosekundigen Spezialisten ergibt sich die Diagnose aus der Kombination von einem (gelegentlich auch nur grenzwertig) positiven serologischen Blutbefund – besonders aussagekräftig ist der sogenannte Westernblot – und dem Vorliegen typischer Symptome. „In diesen Fällen sollte umgehend eine Therapie eingeleitet werden!“ Da es sich bei den Erregern um Bakterien handelt, erfolgt die Therapie prinzipiell mit Antibiotika. Allerdings sind die Auswahl des Antibiotikums und auch die Therapiedauer unter den Medizinern noch umstritten. Vielfach wird – vor allem im akuten Stadium I (siehe Kasten) – zunächst der Wirkstoff Doxycyclin eingesetzt, doch das ist nach Erfahrung von Professor Schardt unzureichend: „Doxycyclin hemmt zwar die Bakterien, tötet sie aber nicht ab“, gibt er zu bedenken. „Wirksamer sind Penicillin oder ein Makrolidantibiotikum wie Roxithromycin oder Azithromycin.“ Auch die im chronischen Stadium II üblicherweise empfohlenen Infusionen mit einem Breitbandantibiotikum hält der Experte für wenig sinnvoll. Zu viele Nebenwirkungen und eine zu geringe Wirksamkeit, so sein Fazit. Denn: „Im Stadium II haben sich die Borrelien schon längst im Bindegewebe oder in den Zellen selbst verkrochen und werden dort von der Ceftriaxon-Infusion nicht mehr erreicht.“ Aus eigener Erfahrung, aber auch durch seine langjährige ärztliche Tätigkeit hat er ein neues Therapieschema für Stadium II und III entwickelt, das sich sehr gut bewährt. Borreliose-Bakterien wie diese computeranimierten können sich aufgrund ihres Baus aktiv durch das Gewebe bohren. FOTOS UND GRAFIK: WWW.ZECKEN.DE WISSEN & 25. W OCHE 2008/B AUERN Z EITUNG 51 Gesundheit Der ENTWICKLUNGSZYKLUS der Zecke Für mehrere Wochen verordnet er seinen Patienten ein Antiobiotikum, beispielsweise aus der Klasse der Makrolide. Neuesten Erkenntnissen zufolge hat auch die Kombination der Wirkstoffe Minocyclin und Quensyl gute Erfolge gezeigt. Liegt eine Neuroborreliose vor, wird im Anschluss an die Antibiotikagabe für weitere 50 Tage ein Medikament mit dem Wirkstoff Fluconazol gegeben. Das ist eigentlich ein Mittel gegen Pilzerkrankungen, wirkt aber auch bei der Borreliose sehr gut. „Fluconazol hemmt das Cytochrom P 450, ein Enzym in unserem Körper, das auch die Borrelien benötigen. Steht es ihnen nicht mehr zur Verfügung, können sie sich nicht weitervermehren und sterben allmählich ab“, so die wissenschaftliche Erklärung. „Dazu kommt, dass Fluconazol sehr gut ins Gehirn gelangt und die dort befindlichen Bakterien erreicht.“ Bei einer Neuroborreliose ist dieses Behandlungsschema daher unumgänglich. Und es ist sehr effektiv: 80 bis 90 % seiner Patienten, die teilweise schwer erkrankt waren, sind durch diese Therapie im Beschwerdebild deutlich gebessert oder geheilt worden, weiß der Experte zu berichten. Und er selbst schließlich auch. J OHANNA K ALLERT Weitere Informationen und konkrete Behandlungsvorschläge je nach Krankheitsstadium und vorherrschenden Symptomen finden Sie im Internet unter www.neuroborreliose.net Die STADIEN der Krankheit Eine Borreliose verläuft in drei Stadien. Jedoch können Symptome und auch die Zeitabfolge variieren. Hier der klassische Ablauf der Erkrankung: Stadium I (1–3 Wochen nach Zeckenstich) ■ Erythema migrans (Wanderröte) ■ Kopfschmerzen ■ Gliederschmerzen ■ leicht erhöhte Körpertemperatur Stadium II (Wochen bis Monate nach Zeckenstich) ■ Lymphozytom (Weichteilschwellung) ■ Meningo-Polyneuritis (Nervenschmerzen) ■ Arthralgien, Myalgien (Muskel- und Gelenkschmerzen) ■ Karditis (Herzmuskelentzündung) ■ Herzrhythmusstörungen ■ Lymphome (Lymphknotenschwellung) ■ Chorioiditis (Aderhaut-/ Netzhautentzündung) Stadium III (Monate bis Jahre nach Zeckenstich) ■ Acrodermatitis chronica atrophicans (verschiedene entzündliche Hauterkrankungen an Händen und Füßen) ■ Enzephalomyelitis (Gehirnentzündung) ■ Radikulitis (Nervenwurzelentzündung) ■ Polyneuropathie (Nervenschmerzen) ■ Vergesslichkeit, Depressionen, Panikattacken ■ Arthritis (Gelenkentzündung) ■ Bursitis (Schleimbeutelentzündung) ■ Tendosynovitis (Sehnenscheidenentzündung) ■ Myositis (Muskelentzündung) ■ Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung) ■ Vaskulitis (Gefäßentzündung) Sofortmaßnahme ZECKEN schnell entfernen Das Vermeiden von Zeckenstichen ist der einzige wirksame Schutz vor Borreliose. Falls trotz aller Vorsichtsmaßnahmen eine Zecke zugestochen hat, muss diese so schnell wie möglich und ohne Quetschen entfernt werden. Borrelien werden erst einige Stunden nach Beginn des Saugaktes übertragen. Die Gefahr der Übertragung steigt also mit der Saugdauer. Geeignete Instrumente für die Entfernung der Parasiten sind beispielsweise die Zeckenschlinge, eine feine Splitterpinzette aus der Apotheke oder eine Zeckenkarte. Letztere kann man aufgrund ihres Scheckkartenformates problemlos immer dabeihaben. Mit dem Spezialausschnitt der Zeckenkarte lassen sich Zecken einfach und sicher mit einer Schiebebewegung aus der Haut entfernen. Zeckenzangen sind so grobbackig, dass kleine Zecken beim Herausziehen gequetscht werden könnten. Dies ist gefährlich, da hierdurch die Borrelien, die sich im Darm der Zecke befinden, in den Stichkanal injiziert werden können. Dadurch steigt das Borreliose-InfektiDGK / MIL onsrisiko. Reisevorsorge Zeckenschutz im AUSLAND Türkeireisende sollten sich vor dem Aufbruch etwas Zeit für die Klärung möglicher Gesundheitsrisiken nehmen. Dies gilt unter anderem für Menschen, die bestimmte Regionen Anatoliens besuchen wollen, wo die Gefahr einer Ansteckung mit dem sogenannten Krim-Kongo-Fieber besteht. In Zentral- und Nord-Anatolien ist für Reisende ein guter Zeckenschutz am Körper besonders wichtig, rät das Centrum für Reisemedizin (CRM). In den Provinzen Corum, Samsun und Sivas seien in diesem Jahr schon sechs Menschen am Krim-Kongo-Fieber gestorben, das vor allem durch Zeckenbisse übertragen wird. Die Haupturlaubsgebiete an der türkischen Mittelmeerküste seien allerdings nicht betroffen, sagte eine CRM-SpreDPA / TMN cherin.