Verfahrensfreie Bauvorhaben – was ist zu beachten?

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Verfahrensfreie Bauvorhaben – was ist zu beachten?
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Technik
BAUERNBLATT l 30. Juni 2012 ■
Fachkundige Begutachtung des Versuchsschlages.
gesamt sind rund 500 Landwirte in
Schleswig-Holstein und Hamburg
für diese gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe ehrenamtlich für die
Bereiche Feldfrüchte und Marktobst
tätig.
Anschließend ging es in die Futterkamper Kantine zu einem Mittagessen. Gut gestärkt traf sich
die Gruppe gegen 13 Uhr auf Gut
Helmstorf in der Wetterrader Maschinenhalle. Dort wurden die im
Versuch eingesetzten Schlepper,
Geräte und Mähdrescher vom
Gutsverwalter Karsten Kock vorgestellt. Auch hier kam es zu Diskussionen und regem Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern. Dann hieß es aufsteigen
Auf geht es zur Feldfahrt.
Fotos (2): Andrea Bruhn
auf den „Feldfahrten-Anhänger“. Damit wurde die Besuchergruppe durch die Feldmark zu einem der Versuchsschläge gefahren.
Im
Winterweizenschlag
konnten sich alle einen Eindruck
von den Vor- und Nachteilen der
verschiedenen
Bodenbearbeitungsvarianten und Düngungsstrategien machen.
Gegen 16 Uhr schlossen Elke Gripp
und ihr Team die gelungene Veranstaltung mit einem herzlichen Dank
an alle Beteiligten.
Andrea Bruhn
Statistikamt Nord
Tel.: 0 4 31-68 95-93 17
[email protected]
Die Technik im Projekt „On-Farm Research“ auf Gut Wetterrade.
Fotos (2): Dr. Ulfried Obenauf
Landwirtschaftliche Bauvorhaben im Außenbereich – Teil 3
Verfahrensfreie Bauvorhaben – was ist zu beachten?
Verfahrensfrei bedeutet nicht,
dass ein Gebäude oder eine bauliche Anlage ohne jede Zustimmung
der zuständigen Behörden errichtet werden darf. Es wird beschrieben, welche Bauvorhaben darunter zu verstehen sind, ob auch hier
die Privilegierung zu prüfen ist und
welche Dinge beachtet werden
müssen.
Die Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und die Beseitigung
von Anlagen, die durch die Landesbauordnung (LBO) geregelt sind, bedürfen mit einer Ausnahme einer
Baugenehmigung. Nach der Landesbauordnung ist zwischen folgenden
Möglichkeiten zu unterscheiden:
● Bauantrag nach § 67 LBO,
● vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach § 69 LBO,
● Genehmigungsfreistellung nach
§ 68 LBO und
● verfahrensfreie Bauvorhaben, Be- die Bauvorlagen von Entwurfsverfasserinnen oder Entwurfsverfassern geseitigung von Anlagen (§ 63 LBO).
fertigt werden, die als eingetragene
Alle Bauvorhaben, die nicht ver- Architektinnen oder Architekten
fahrensfrei sind beziehungsweise oder bauvorlageberechtigte Ingeunter das vereinfachte Baugenehmi- nieurinnen oder Ingenieure nach § 65
gungsverfahren fallen, unterliegen Absatz 3 LBO bauvorlageberechtigt
einem normalen Genehmigungsver- sind. Außerdem sind die bautechnifahren nach § 67 LBO mit einer ge- schen Nachweise von Aufstellern ansamtinhaltlichen Prüfung. Dieses zufertigen, die in die Liste der ArchiVerfahren ist generell auch in Fällen tekten- und Ingenieurkammer Schlesanzuwenden, in denen die Bauvor- wig-Holstein eingetragen sind. Dieses
lagen von Meisterinnen und Meis- Verfahren ist das Regelverfahren für
tern des Maurer-, Zimmerer-, Beton- die Errichtung, Änderung und Erweiund
Stahlbetonbauerhandwerks terung baulicher Anlagen mit Ausoder von staatlich geprüften Techni- nahme der Sonderbauten nach § 51
kerinnen und Technikern erstellt Absatz 2 LBO (Abbildung).
worden sind.
Zu den Sonderbauten zählen unter anderem Gebäude mit mehr als
1.600 m² Grundfläche. Das heißt,
Das vereinfachte
Genehmigungsverfahren größere Lagerhallen und Stallgebäude können, wenn die genannte
Voraussetzung für das vereinfachte Größe überschritten wird, durchaus
Baugenehmigungsverfahren ist, dass betroffen sein.
Die Vorschriften der LBO (unter
anderem bezüglich Abstandsflächen, Brandschutz und Stellplätzen)
werden in diesem Verfahren nicht
mehr geprüft. Die Verantwortung
für die Einhaltung der Vorschriften
liegt beim Bauherrn und dem Entwurfsverfasser. Eine Prüfung durch
die Bauaufsichtsbehörde findet nur
noch statt, wenn Abweichungen
von den Vorschriften der LBO beantragt wurden.
Die Bauaufsichtsbehörde hat
über den Bauantrag spätestens innerhalb von drei Monaten nach
Eingang der Unterlagen zu entscheiden, bei unvollständigen Bauvorlagen innerhalb einer Frist von
drei Monaten nach Eingang der
noch einzureichenden Bauvorlagen. Die vorgenannten Fristen
können um drei Monate verlängert werden, wenn beispielsweise
andere Behörden oder Nachbarn
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Neben den unterschriebenen Erklärungen der Antragsteller und des
Entwurfsverfassers, dass der Vorgang
im Genehmigungsfreistellungsverfahren bearbeitet werden soll, und
des Entwurfsverfassers und des Aufstellers der bautechnischen Nachweise, dass die von diesen gefertigten
Bauvorlagen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen, sind
die vollständigen Bauunterlagen
nach der Bauvorlagenverordnung
mit Ausnahme der bautechnischen
Nachweise beizulegen.
Mit den Bauarbeiten darf einen
Monat nach Einreichung der erforderlichen Unterlagen bei der Gemeinde und der Bauaufsichtsbehörde begonnen werden, wenn die Ge-
stimmungen eines rechtskräftigen
Bebauungsplanes oder einer Ortsgestaltungssatzung. Es wird an dieser
Stelle nochmals deutlich darauf hingewiesen, dass bei allen verfahrensfreien Bauvorhaben dennoch eine
oder mehrere Genehmigungen beziehungsweise Zustimmungen der
Fachbehörden notwendig sind (Naturschutz, Wasserrecht, Denkmalschutz et cetera).
Ähnlich wie bei Baugenehmigungsverfahren nach §§ 67 und 69
muss im Einzelfall auch bei verfahrensfreien Bauten die Privilegierung
nachgewiesen werden. Es ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob
der Betrieb Landwirtschaft im Sinne
des Baugesetzbuches (siehe Teil I die-
Landwirtschaftliche Anlagen zur Lagerung von Silage unterliegen einer Vielzahl von Vorschriften, obwohl sie verfahrensfrei errichtet werden dürfen. Zwingend sind eine naturschutzrechtliche Zustimmung und eine Genehmigung der
unteren Wasserbehörde einzuholen.
beteiligt werden müssen. Die Genehmigung gilt beim vereinfachten Baugenehmigungsverfahren
als erteilt, wenn sie nicht innerhalb
der vorgegebenen Frist schriftlich
versagt wird.
● es im Geltungsbereich eines
rechtskräftigen Bebauungsplanes
liegt,
● es den Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht widerspricht,
● die Erschließung gesichert ist
und
● die Gemeinde nicht innerhalb eiNiemals
nes
Monats erklärt, dass ein vereinohne Antrag bauen
fachtes BaugenehmigungsverfahNach § 68 LBO bedarf die Errich- ren durchgeführt werden soll oder
tung, Änderung und Nutzungsände- eine vorläufige Untersagung des
rung von Gebäuden der Gebäude- Baubeginns beantragt ist.
klassen 1 bis 3 und der dazugehörigen Stellplätze und Nebenanlagen
Sind die vorstehenden Voraussetkeiner Genehmigung, soweit es sich zungen erfüllt, hat die Bauherrin
nicht um Sonderbauten handelt oder der Bauherr die erforderlichen
(Abbildung).
Bauvorlagen bei der Gemeinde und
Ein Bauvorhaben ist genehmi- zeitgleich bei der Bauaufsichtsbegungsfrei gestellt, wenn
hörde einzureichen.
Was ist ein Gebäude?
Gebäude sind selbstständig benutzbare, überdeckte bauliche
Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet
oder bestimmt sind, dem Schutz
von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.
Gebäudeklasse 3:
sonstige Gebäude mit einer Höhe
bis zu 7 m,
Gebäudeklassen und
Sonderbauten
Gebäudeklasse 1:
frei stehende Gebäude mit einer
Höhe bis zu 7 m und nicht mehr
als zwei Nutzungseinheiten von
insgesamt nicht mehr als 400 m²,
Gebäudeklasse 5:
sonstige Gebäude einschließlich
unterirdischer Gebäude,
Gebäudeklasse 4:
Gebäude mit einer Höhe bis zu
13 m und Nutzungseinheiten mit
jeweils nicht mehr als 400 m²,
Sonderbauten:
Sonderbauten sind unter anderem bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang oder Lagerung von Stoffen mit ExplosionsGebäudeklasse 2:
Gebäude mit einer Höhe bis zu oder erhöhter Brand- oder Ge7 m und nicht mehr als zwei Nut- sundheitsgefahr verbunden ist
zungseinheiten von insgesamt und frei stehende Gebäude über
1.600 m².
nicht mehr als 400 m²,
Photovoltaik- und Solarthermieanlagen in und an Dach- und Außenwandflächen können verfahrensfrei installiert werden, wenn sie das Gebäude nicht
oder nur geringfügig überragen. Ausnahmen sind zu beachten.
meinde mit dem Baufreistellungsverfahren einverstanden ist und der
Baubeginn nicht innerhalb dieser
Frist untersagt wird.
Verfahrensfreie Vorhaben
(§ 63 LBO)
In § 63 LBO werden Gebäude und
bauliche Anlagen aufgelistet, die verfahrensfrei sind, für diese ist ein Bauantrag nicht erforderlich. Hierunter
fallen beispielsweise Garagen und
Carports bis 9 m Länge und 2,75 m Höhe, Gewächshäuser, Solaranlagen in
und an Dach- und Außenwandflächen, Nebenanlagen bis 30 m³ (im Außenbereich 10 m³) umbautem Raum,
Einfriedungen bis 1,5 m Höhe auf der
Nachbargrenze und Fahnenmasten.
Selbstverständlich müssen die Bestimmungen der LBO auch bei verfahrensfreien Vorhaben eingehalten werden, so zum Beispiel die erforderlichen Abstandsflächen, die
Standsicherheit und auch die Be-
ses Beitrages) betreibt und ob das
Vorhaben dem Betrieb „dient“. Dazu sind gegebenenfalls Nutzungsnachweise und Bedarfsermittlungen
zu führen.
Weidehütten und Lagerund Maschinenschuppen
Die Fragestellung der sogenannten verfahrensfreien Bauvorhaben
sorgt immer wieder für Verwirrung.
In der Landesbauordnung (LBO) sind
unter anderem als verfahrensfrei genannt:
„… landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder erwerbsgärtnerisch
genutzte Gebäude ohne Aufenthaltsräume, ohne Toiletten und ohne Feuerstätten bis zu 4 m Firsthöhe,
wenn sie nur zur Unterbringung von
Ernteerzeugnissen, Geräten oder
zum vorübergehenden Schutz von
Tieren bestimmt sind …“.
Damit ist unmissverständlich geklärt, dass Viehunterstände verfah-
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Stoffen (Anlagenverordnung) und
die dazugehörige Verwaltungsverordnung (VV-VAwS) befinden sich
aktuell in der Überarbeitung. Die
länderspezifischen Vorschriften werden demnächst durch eine Bundesverordnung für Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAUwS) ersetzt und durch Technische Regeln zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (TRwS
792) ergänzt.
Beseitigung von
baulichen Anlagen
Die Beseitigung bestimmter baulicher Anlagen (zum Beispiel Abbruch
von verfahrensfreien Vorhaben, frei
stehenden Gebäuden bis 7 m Höhe
oder frei stehenden land- und forstwirtschaftlich genutzten Gebäuden)
ist ebenfalls verfahrensfrei, soweit es
Nicht jede Schutzhütte ist verfahrensfrei zulässig. Sie dürfen im Außenbereich nur von privilegierten Landwirten errich- sich nicht um Kulturdenkmale hantet werden.
Fotos: Uwe Weddige delt.
rensfrei errichtet werden können.
Über die bauliche Ausstattung und
über die Gebäudegröße macht der
Gesetzgeber, abgesehen von der
maximalen Gebäudehöhe, keine
Angaben. Gebäude zur Unterbringung von Ernteerzeugnissen und
Geräten dürfen durchgängig genutzt werden. Dem vorübergehenden Schutz von Tieren dienen Weidehütten, die die Tiere „jederzeit
und ohne fremde Hilfe betreten und
wieder verlassen können“. Ein Stall,
der zum dauernden Schutz von Tieren bestimmt ist und Einrichtungen
zur Versorgung beinhaltet, ist nicht
verfahrensfrei. Die Regelung des
§ 63 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe
c der LBO soll privilegierten Landwirten, die die Privilegierungsvoraussetzungen des § 35 Absatz 1 Nummer
1 BauGB erfüllen, ermöglichen, Weideschutzhütten und andere Gebäude von geringer Größe zu errichten
(siehe dazu Teil I und II dieses Artikels für die Niederschlagswässer auf bein den vorherigen Ausgaben des festigten Flächen bei der unteren
Bauernblattes).
Wasserbehörde zu beantragen. Je
nach Umfang werden in diesem Zusammenhang umfassende BeschreiWeniger Unsicherheiten
bungen und Berechnungen des Verbei Silagelager
bleibs der belasteten und unbelasteBis 2009 gab es beim Bau von Fahr- ten Wässer aller Fahr- und Lagerfläsilos hinsichtlich der Baugenehmi- chen sowie der Dachflächen auf dem
gungspflicht immer wieder Unsi- gesamten Hofgrundstück notwencherheiten. In der neuen LBO ist un- dig.
Die Böden und gegebenenfalls
missverständlich geregelt, dass
„Fahrsilos, landwirtschaftliche Silos, die Wände von Siloanlagen sind
Kompostanlagen“
verfahrensfrei wasserundurchlässig herzustellen.
sind. Außerdem sind unbefestigte Dabei kommt Beton mit hohem WiLager- und Abstellplätze, die einem derstand gegen starke chemische
land- und forstwirtschaftlichen Be- Angriffe zum Einsatz. Die Entwässetrieb dienen, verfahrensfrei gestellt rung der Siloanlage ist so zu gestalworden. Wenn eine Siloanlage auf ten, dass wassergefährdende Stoffe
bisher nicht überbauten Bereichen schnell und zuverlässig erkannt, auferstellt wird, sind eine naturschutz- gefangen und landwirtschaftlich
rechtliche Eingriffsgenehmigung bei verwertet werden können. Die Lander unteren Naturschutzbehörde so- desverordnung über Anlagen zum
wie eine Einleitungsgenehmigung Umgang mit wassergefährdenden
Abbildung: In Schleswig-Holstein beschreibt die Landesbauordnung vier verschiedene
Baugenehmigungs- und -antragsverfahren für Gebäude und bauliche Anlagen
Baugenehmigungsverfahren in Schleswig-Holstein
Bauantrag
nach § 67 LBO
gesamtinhaltliche
Prüfung der
eingereichten
Unterlagen
Bauantrag
nach § 69 LBO
„vereinfachtes
Baugenehmigungsverfahren“
Genehmigungsfreistellung
nach § 68 LBO
möglich bei
vorhandenem
Bebauungsplan
verfahrensfreie
Vorhaben
nach § 63 LBO
für kleinere Gebäude,
Siloanlagen, Abrisse
Auflagen beachten!
Solaranlagen und
Sonnenkollektoren
Solarenergieanlagen und Sonnenkollektoren in und an Dach- und Außenwandflächen sowie gebäudeunabhängig mit einer Höhe bis zu
2,75 m und einer Gesamtlänge bis zu
9 m, soweit sie nicht an Kulturdenkmalen oder im Umgebungsschutzbereich von Kulturdenkmalen angebracht oder aufgestellt werden, dürfen ebenfalls verfahrensfrei installiert werden.
FAZIT
Als verfahrensfrei sind Vorhaben
zu verstehen, die weder eines
Genehmigungs- noch eines Freistellungsverfahrens bedürfen.
Verfahrensfreie Vorhaben sind
nicht von der Verpflichtung entbunden, alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die an bauliche Anlagen gestellt werden,
einzuhalten. Insbesondere bedeutet verfahrensfrei nicht automatisch die Zulässigkeit dieses
Vorhabens. Die Verfahrensfreiheit bewirkt lediglich, dass ein
Antragsverfahren und eine Prüfung von öffentlich-rechtlichen
Vorschriften durch die Behörde
nicht erfolgt und dass für die Prüfung der Zulässigkeit zunächst allein der Bauherr und/oder sein
Planer verantwortlich ist.
Uwe Weddige
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 81-90 09-917
[email protected]

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