Vermeidung eines Betriebsübergangs
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Vermeidung eines Betriebsübergangs
Arbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten beim Kauf restrukturierungsbedürftiger Unternehmen 7. Deutsche Distressed-Assets-Konferenz Rechtsanwalt Prof. Dr. Björn Gaul Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner Frankfurt, 21. März 2012 Themenübersicht Transaktionsleitende Faktoren Geschwindigkeit Kosten (Transaktionskosten/Fortführungskosten) Risiko der Transaktionsstruktur Flexibilität in der Fortführung des Targets Arbeitsrechtliche Einflussnahmemöglichkeiten Asset- oder Share-Deal – keine Umwandlungen Vermeidung von § 613 a BGB Personalabbau ohne Kündigung Schaffung/Erhaltung arbeitsfähiger Belegschaften Ausnutzen etwaiger Sozialplanprivilegien 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 2 Arbeitsrechtliche Einflussfaktoren einer Transaktion Vermeidung von § 613 a BGB Keine Pflicht zur Übernahme aller Arbeitnehmer Keine Pflicht zur Übernahme von Altverbindlichkeiten Keine Pflicht zur Fortführung der bisherigen Arbeitsbedingungen Kein Tarifvertrag / keine betriebliche Altersversorgung Keine Formalien einer Unterrichtung von Arbeitnehmern = Vorteile für Geschwindigkeit, Kosten, Flexibilität 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 3 "Textbausteine" zur Kennzeichnung eines Betriebsübergangs – Erforderlich ist für den Übergang die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs; der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie z. B. ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden oder den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Betriebsübergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. (vgl. BAG 7.4.2011 – 8 AZR 730/09) – Keine unveränderte Fortführung liegt vor, wenn der neue Betreiber eine andere Leistung erbringt, den Betriebszweck ändert oder ein anderes Konzept verfolgt. Ebenso reicht eine bloße Funktionsnachfolge nicht aus, bei der nur die Tätigkeit ausgeübt oder die Funktion am Markt übernommen wird, ohne Übernahme der Betriebsmittel oder der Belegschaft. (vgl. nur BAG 27.1.2011 – 8 AZR 326/09) 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 4 Begründung eines Betriebsübergangs – Vorliegen einer organisatorischen Einheit beim bisherigen Betriebsinhaber (BAG v. 13.10.2011 – 8 AZR 455/10: "einsatzbereite Gesamtheit") – Übernahme der wesentlichen Ressourcen durch Rechtsgeschäft • 1. Alt.: Übernahme wesentlicher Betriebsmittel (betriebsmittelintensive Tätigkeit) und/oder • 2. Alt: Übernahme des nach Zahl/Sachkunde wesentlichen Personals (betriebsmittelarme Tätigkeit) – ohne wesentliche Unterbrechung – Tatsächliche Fortsetzung der gleichen oder gleichartigen Tätigkeit in „eigener Regie“ bei im wesentlichen gleicher Organisationsstruktur bzw. bei Wahrung des Funktionszusammenhangs der übernommenen Arbeitnehmer und/oder Betriebsmittel (EuGH 12.2.2009 – C – 466/07) 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 5 Vermeidung eines Betriebsübergangs – Keine Übernahme wesentlicher Arbeitnehmer und/oder Betriebsmittel – Übernahme von Arbeitnehmern/Betriebsmitteln aus verschiedenen organisatorischen Einheiten zur Gründung einer neuen organisatorischen Einheit beim potenziellen Erwerber – "Spiel über die Bande" = Übernahme von Arbeitnehmern aus Transfergesellschaft (hierzu gleich mehr) – Stilllegung der betrieblichen Tätigkeit für nicht unerhebliche Zeit – Verwendung Betriebsmittel und/oder Arbeitnehmer zu wesentlich veränderten Betriebszweck – Beseitigung der bisherigen Organisationsstruktur durch Eingliederung in beim potenziellen Erwerber bestehende / neu geschaffene Organisationsstruktur – Beseitigung der Organisationsstruktur des bisherigen Betriebsinhabers durch Eingliederung in die beim potenziellen Erwerber bestehende / neu geschaffene Organisationsstruktur unter gleichzeitiger Beseitigung der bisherigen Funktionsstruktur der übernommenen Arbeitnehmer und/oder Betriebsmittel 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 6 Vermeidung von § 613 a BGB durch "Spiel über die Bande"? – Ursprungsidee: Arbeitnehmer-Wechsel von bisherigem (insolventen) Betriebsinhaber in Transfergesellschaft, Übertragung der Betriebsmittel auf Dritten und anschließender Wechsel der Arbeitnehmer zu Dritten. Bisheriger Betriebsinhaber Erwerber Wechsel Verkauf Arbeitnehmer Betriebsmittel 31.8. 1.9. Transfergesellschaft Wechsel einzelner Arbeitnehmer 2.9. = Kein Betriebsübergang, wenn Einstellung durch Dritten bei Wechsel in Transfergesellschaft nicht in Aussicht gestellt wird (BAG 18.8.2005 – 8 AZR 523/04) 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 7 Vermeidung von § 613 a BGB durch "Spiel über die Bande"? – Variante 1: Personaldienstleister übernimmt von Insolvenzverwalter die Mitarbeiter der Produktion und überlässt sie Dritten, der die wesentlichen Produktionsmittel (Maschinen/Hallen) übernimmt und Produktion fortführt. Bisheriger Betriebsinhaber Personaldienstleister Erwerber Wechsel Verkauf Arbeitnehmer Betriebsmittel 31.8. 1.9. Arbeitnehmerüber lassung 2.9. = Kein Betriebsübergang auf Personaldienstleister, da dieser durch (bloße) Einstellung des Personals keine funktionsfähige Einheit (hier: betriebsmittelintensive Tätigkeit) übernommen hat (BAG 23.9.2010 – 8 AZR 567/09). 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 8 Vermeidung von § 613 a BGB durch "Spiel über die Bande"? – Variante 2: Transfergesellschaft mit Losverfahren Erwerber Bisheriger Betriebsinhaber Verkauf Wechsel Betriebsmittel Arbeitnehmer 31.8. 1.9. Transfergesellschaft Wechsel einzelner Arbeitnehmer 2.9. * * mit Losverfahren = Betriebsübergang liegt vor, da Gesamtkonzeption Betriebsfortführung und damit Umgehung (statt Vermeidung) von § 613 a BGB nahelegt (BAG 18.8.2011 – 8 AZR 312/10) 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 9 Arbeitsrechtliche Einflussfaktoren einer Transaktion Asset- oder Share-Deal – keine Umwandlungen Vermeidung von § 613 a BGB Personalabbau ohne Kündigung Schaffung/Erhaltung arbeitsfähiger Belegschaften Ausnutzen etwaiger Sozialplanprivilegien 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 10 Personalabbau ohne Kündigung Outplacementverfahren Aufhebungsvertrag mit Abfindung Wechsel in Transfergesellschaft nach SGB III Aufspaltung nach § 123 UmwG und getrennte Restrukturierung Widerspruch gegen frühere Betriebsübergänge Fehlerhafte Unterrichtung bei der Übernahme von Arbeitnehmern Keine Verwirkung des Widerspruchsrechts Zeit: zwischen 2,5 Monaten und 6,5 Jahren Umstand: Keine Disposition über Arbeitsverhältnis oder sonstige vertrauensbegründende Verhaltensweisen Schriftlicher Widerspruch des Arbeitnehmers Erfolgreiche Beispiele: BenQ, Afga Gevaert (kein Erfolg: Qimonda) BAG 26.5.2011 – 8 AZR 18/10; BAG 15.3.2012 – 8 AZR 700/10) 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 11 Arbeitsrechtliche Einflussfaktoren einer Transaktion Asset- oder Share-Deal – keine Umwandlungen Vermeidung von § 613 a BGB Personalabbau ohne Kündigung Schaffung/Erhaltung arbeitsfähiger Belegschaften Ausnutzen etwaiger Sozialplanprivilegien 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 12 Schaffung/Erhaltung arbeitsfähiger Belegschaften = Gestaltungsspielraum bei etwaiger Sozialauswahl Erstellung von Excel-Tabellen mit Sozialdaten Kennzeichnung der Leistungsträger (A, B, C) Kennzeichnung des Anforderungsprofils der Arbeitsplätze von Leistungsträgern Auswahl des passenden Punkteschemas für die Sozialauswahl Bildung von Altersgruppen bei Sozialauswahl (BAG 15.12.2011 – 2 AZR 42/10), sofern: berechtigtes betriebliches Interesse (ggf. Differenzierung) vorsorglich keine Verbesserung der Altersstruktur Gestaltungsspielraum bei der Bildung der Altersgruppen und des ergänzenden Punkteschemas Namensliste zur Eingrenzung der gerichtlichen Überprüfbarkeit 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 13 Arbeitsrechtliche Einflussfaktoren einer Transaktion Asset- oder Share-Deal – keine Umwandlungen Vermeidung von § 613 a BGB Personalabbau ohne Kündigung Schaffung/Erhaltung arbeitsfähiger Belegschaften Ausnutzen etwaiger Sozialplanprivilegien 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 14 Ausnutzen von Sozialplanprivilegien Insolvenzrechtliche Privilegien Begrenzung auf 2,5 Gehälter/AN (ohne InsPlan max. 1/3 der Masse) Widerruf von Sozialplänen weniger als 3 Monate vor Eröffnungsantrag Transaktionsgesteuerte Privilegien Personalabbau ohne Betriebsänderung Betriebsänderung durch Personalabbau unterhalb der Schwellenwerte des § 112 a I BetrVG ohne Betriebsänderung (z. B. Betrieb 400, Entlassungen: 52 (15 statt 10 %, 60 statt 25 AN) Betriebsänderung Erwerber nach Asset-Deal Neugründung außerhalb des Konzerns Betriebsänderung in den ersten zwei Jahren nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit (§ 138 AO) Kein Strohmann-Geschäft 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 15 Schlussfazit – Erfolg von Restrukturierungsmaßnahmen beim Kauf in der Krise hängt wesentlich von Qualität der Vorbereitung ab – Frühzeitige Analyse rechtlicher, operativer und personalpolitischer Risiken und etwaiger Chancen – Anpassung der Vorgehensweise in Bezug auf Form und Zeitpunkt sowie aktuelle Vorgaben der Rechtsprechung notwendig. Aus arbeitsrechtlicher Sicht: • Vermeidung (nicht: Umgehung) von § 613 a BGB • Ausschöpfen der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten beim Personalabbau vor/nach dem Erwerb • Ausnutzen etwaiger Sozialplanprivilegien und • Gutes unternehmerisches Konzept und Überzeugung des Betriebsrats für Umsetzung 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 16 Viel Erfolg und vielen Dank! Rechtsanwalt Prof. Dr. Björn Gaul Fachanwalt für Arbeitsrecht CMS Hasche Sigle Kranhaus 1 Im Zollhafen 18 50678 Köln T +49 (0)221 7716-128 F +49 (0)221 7716-252 [email protected] 7. Distressed Assets Konferenz (Frankfurt) / 21. März 2012 17 Rückblatt Arbeitsrecht für Führungskräfte – Workshop der Stadtwerke Hamm GmbH | 13. September 2011 18