Die Flucht nach Ägypten - Studienheim Maria Stern

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Die Flucht nach Ägypten - Studienheim Maria Stern
Die Flucht nach Ägypten
– Königlich böhmischer Teil –
Das ist:
Wahrhaftige und genaue Beschreibung
sämtlicher Vorfälle, Zufälle und Ereignisse
wie auch mehrerer Wunder,
welche sich damals
bei Durchzug der bethlehemitischen Wandersleute
im Königreich Böhmen begeben haben,
teils Amts-, teils Zivilpersonen betreffend
sowie auch Tiere –
geschätzter Einwohnerschaft von Maria Stern zu erbaulicher Unterhaltung
vorgelegt durch Christian Eberl, Andreas Huf und Arthur Zimek
(mit allerergiebigsten Anregungen durch s.g. Herrn Otfried Preußler)
Noch lesenswerter ist natürlich das Original:
1.
Z:
Kapitel Numero eins
welches mit einer kurzen, jedoch für unerläßlich gehaltenen Vorbemerkung den Anfang und hierauf im Stall von Bethlehem seinen
weiteren Fortgang nimmt.
Z:
Der Weg von Bethlehem nach Ägypten muß damals, in jenen heiligen Zeiten, durchs
Königreich Böhmen geführt haben, quer durch den nördlichen Teil des Landes, bei
Schluckenau etwa herein in das böhmische Niederland, dann nicht ganz bis zum
Jeschken hinum, dann weiter im Vorland des Iser- und Riesengebirges, durch
vorwiegend ärmliche, meist von Glasmachern, Leinewebern, kleinen Häuselleuten und
Studenten bevölkerte Gegenden bis in die Nähe von Trautenau – und zuletzt auf der
alten Zollstraße über Schatzlar hinaus ins Schlesische, wo es dann nach Ägypten
hinüber nicht allzu weit mehr gewesen ist.
Das wird zwar geschätzter Zuhörer schwerlich sich vorstellen können, wenn man die
heutigen Landkarten sich vor Augen hält: nur – die heutigen Landkarten sind eben
1
damals noch nicht im Gebrauch gewesen, das ist das eine; auch möchte es immerhin ja
der Fall sein können, daß sich die Straßen und Reisewege zwischen den biblischen
Örtlichkeiten seither verschoben haben, das ist das andere; drittens jedoch und
hauptsächlich wird man sich sicher fragen müssen, wie denn der heilige Josef seinerzeit,
auf der Flucht vor dem König Herodes, überhaupt mit dem lieben Jesulein und der
Muttergottes hätte im Königreich Böhmen durchkommen können, wenn vormals der
Weg von Bethlehem nach Ägypten nicht in der eben beschriebenen Weise verlaufen
wäre. Und durchgekommen im Königreich Böhmen, das sind sie ganz ohne Zweifel,
nämlich es fehlt nicht an Zeugen, die das bekundet haben, darunter auch meine beiden
Großmütter, und es fehlt nicht an Amtspersonen, welche mit der zeitweiligen
Anwesenheit der heiligen Familie auf königlich böhmischem Territorium sogar
dienstlicherweise
befaßt
gewesen
sind,
wie
zum
Beispiel
der
Herr
k.k.
Gendameriepostenkommandant Leopold Hawlitschek aus der Gemeinde Hühnerwasser,
von dem noch die Rede sein wird. Zunächst aber wollen wir die Geschichte dort
anfangen lassen, wo sie begonnen hat: nämlich im Stall von Bethlehem, und zwar in der
Nacht, die dem Tag gefolgt ist, an welchem die Heiligen Drei Könige aus dem
Morgenland bei der Krippe sich eingestellt und dem lieben Jesulein ihre Gaben
dargebracht haben.
H:
Der Tag ist also vorbei, und im Stall von Bethlehem ist es wieder still gewesen nach all
dem Trubel, man hat in der Finsternis nur den Atem von Ochs und Esel gehört und das
Schnarchen vom heiligen Josef. Von Zeit zu Zeit muß die Muttergottes ihn mit dem
Ellbogen anstoßen, weil sie befürchtet, daß er womöglich noch mit der Schnarcherei ihr
das liebe Jesulein aufwecken möchte: Aber das Jesulein in der Krippe hat sich von ihm
nicht stören lassen, das hätten zwölf heilige Josefe miteinander nicht wachgeschnarcht,
und so ist auch die Muttergottes dann endlich eingeschlafen, und weder sie noch das
liebe Jesulein haben gemerkt, wie um Mitternacht jemand zum heiligen Josef kommt,
ihm die Hand auf die Schulter legt und ihn dreimal bei seinem Namen ruft.
E:
Zuerst hat der heilige Josef gedacht, er wird halt der Muttergottes wieder einmal zu laut
geschnarcht haben; aber wie er nun aufblickt, steht da an seinem Lager der Erzengel
Gabriel, groß und leuchtend, mit lockigem Haar: Da ist er nicht schlecht erschrocken,
der gute Mann, als ihm der Engel so fest in die Augen geschaut hat, rasch ist er
aufgesprungen vom Stroh und hat einen Zipfel von seinem Mantel erwischt, den hält er
sich vor die Augen, damit ihn das Licht nicht blendet, das himmlische, das von dem
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Engel ausgeht, der gerade frisch aus Brasilien eingetroffen war und den Josef gleich
beruhigen wollte:
H:
„Du! Du bischt der Josef, gell? Di kenn i. Du, muasch kei Angst ham, i bin der Erzengel
Gabriel.“
E:
Der Ochs und der Esel sind auch erschrocken gewesen, ganz steif sind sie dagestanden
und haben den Erzengel Gabriel angeglotzt, bis er ihnen ein Zeichen gegeben hat: Da ist
alle Furcht von den beiden abgefallen. Der Ochs hat den Kopf gesenkt und sich langsam
abgewendet, wie wenn er jetzt schon gewußt hätte, daß man ihn bei den Dingen, die
sich in Hinkunft begeben werden, nicht brauchen kann; er ist in den hinteren Teil des
Stalls getrottet, dort hat er sich in den Schatten gelegt, mit dem Blick zur Wand, und
sogleich ist er wieder eingeschlafen. Der Esel indessen ist ohne Scheu vor den Erzengel
hingetreten, voll Neugier beschnuppert er ihm den Saum des Gewandes – und jener läßt
es sich freundlich gefallen, er streichelt ihm mit der Linken die Kruppe und klopft ihm
den grauen Hals.
Die Rechte hingegen hält er zum Himmel emporgereckt, was die Vorschrift in solchen
Fällen ihm abverlangt, wenn er mit einer Botschaft herniederkommt zu den Menschen,
wie er in dieser Nacht auch dem heiligen Josef eine zu übermitteln hat. Nämlich es hat
sich der König Herodes in seiner pechschwarzen Rabenseele dazu entschlossen, daß
man das liebe Jesulein umbringen lassen muß: Der Mordbefehl ist ergangen, die
Büchsen sind schon geladen, die Säbel gewetzt, es sollen aus Galiläa bereits zwei
Schwadronen Dragoner sich auf dem Ritt befinden nach Bethlehem, und aus Jericho
sind die berüchtigten Sechser-Schützen im Anmarsch, ein Bataillon stark, so daß unter
gar keinen Umständen ihnen das liebe Jesulein in die Hände geraten darf, sondern man
muß es vor ihnen und dem Herodes in Sicherheit bringen, und zwar ins Ausland. Mit
anderen Worten: Der heilige Josef soll rasch ein paar Sachen zusammenpacken für die
Familie, nicht zuviel, bloß das Allernötigste, eine Decke für jeden, Windeln und
Wäsche und etwas Wegzehrung auf die nächsten Tage, nicht zu vergessen natürlich die
Reisepässe! Dann soll er den Esel satteln und soll mit dem lieben Jesulein und der
Muttergottes die Flucht nach Ägypten antreten, wie es geschrieben steht.
Z:
Der heilige Josef hat vor Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen bei
dieser Nachricht, und selbstverständlich muß man das liebe Jesulein vor dem König
Herodes und den Soldaten retten, sagt er; zugleich aber kommen ihm Zweifel, ob er den
Weg nach Ägypten denn überhaupt finden wird, und wenn ja, so erhebt sich die Frage,
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wie man sich dort mit den Leuten verständigen soll, wo doch weder die Muttergottes
noch er eine Silbe Ägyptisch können; auch ist ja das liebe Jesulein in den Reisepässen
noch gar nicht eingetragen, da könnte es möglicherweise an den diversen Grenzen zu
Komplikationen kommen, befürchtet er. Nicht etwa, daß er sich dem Geheiß des
Erzengels widersetzen möchte, der heilige Josef, das tät er sich nie getrauen; aber es ist
eben eine ungemein schwierige Sache, mit der man ihn da betraut hat: Man darf nicht
vergessen, er ist bloß ein schlichter Zimmermann, und natürlich wird er’s am guten
Willen nicht fehlen lassen, aber wer weiß denn, ob das in diesem besonderen Fall
ausreicht.
H:
Gewiß, hat der Erzengel Gabriel ihm geantwortet, einfach ist diese Aufgabe für den
heiligen Josef bestimmt nicht: das hat er sich gleich gedacht, wie man ihn ausgesandt
hat mit dem Befehl an ihn; und so hat er sich extra danach erkundigt, ob es vielleicht
ihm gestattet sein möchte, daß er, der Erzengel Gabriel, auf der Flucht nach Ägypten
sichtbar vor ihnen hergeht, damit sie den Weg nicht verfehlen und er sie notfalls vor
Dieben, Räubern und sonstiger Unbill der Reise beschützen kann. Er hat aber, leider
Gottes, beim höchsten Thron kein Gehör gefunden mit seinem Vorschlag, sondern es ist
ihm bedeutet worden, ein solches Geleit sei im göttlichen Ratschluß nicht vorgesehen,
wie übrigens in der Bibel auch nicht, weshalb es gefälligst zu unterbleiben habe; das
einzige, was man nach langem Bitten und Flehen ihm schließlich zugestanden hat, ist
die Erlaubnis zu einem – no, sagen wir, einer kleinen Begünstigung, von welcher
indessen, außer dem heiligen Josef, kein Mensch etwas wissen darf, selbst die
Muttergottes nicht. Nämlich die Sache ist nunmehr die, daß sie der Erzengel, wenn
schon nicht offen vor ihnen hergehend, wenigstens insgeheim nach Ägypten geleiten
wird: in der Gestalt ihres Esels, den sie ja ohnehin mitnehmen auf die Flucht, und so
wird das nicht weiter auffallen.
Z:
Ja so? hat der heilige Josef gestaunt, dann wird sich der Erzengel Gabriel ihnen zuliebe
also in einen Esel verwandeln?
H:
Nein, hat ihm jener darauf erwidert, verwandeln wird er sich nicht, sonst hätten sie
plötzlich ja einen zweiten Esel im Stalle, das möchte Verdacht erwecken; vielmehr wird
er in den hier vorhandenen Esel eingehen für die Zeit der Reise: nämlich der Esel wird
nun bis auf weiteres sein Vehikel sein, und es soll sich der heilige Josef nur immer
getrost nach dem Esel richten, dann folgt er zugleich dem Geheiß des Engels nach.
E:
Der Esel ist ganz gerührt gewesen von diesen Worten. Er hat sich ja schon gedacht, daß
er mal wieder eine wichtige Rolle in der Weihnachtsgeschichte spielen wird, weshalb er
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auch nach einem Jahr in der Fremde extra wieder in seinen Heimatstall zurückgekehrt
ist, in welchem ihm ja das Bier auch immer am Besten geschmeckt hat und er nichts für
irgendeinen blöden Chef hat arbeiten müssen. Und wie es aussieht, wird er diesmal für
die besondere Rolle gar nichts tun müssen, weil ja alles der Engel Gabriel in ihm tun
wird. Und das war ihm natürlich noch lieber. Daß freilich der Engel Gabriel möchte
gleichsam von ihm Besitz ergreifen, war ihm schon etwas unheimlich, aber spätestens
seit dem letzten Kickerturnier hat er solches befürchten müssen, denn es schien schon
damals fast soweit zu sein.
Z:
Der heilige Josef ist natürlich auch ganz gerührt gewesen von diesen Worten und sehr
erleichtert, und weil er sich denken kann, daß es den Erzengel sicherlich Überwindung
kostet, wenn er vorübergehend zum Esel wird, so verspricht er ihm wenigstens, daß er
in allen Stücken ihn gut behandeln wird unterwegs.
H:
Das hat nun den Engel wieder gefreut und auch der Esel konnte damit zufrieden sein,
obwohl ihn der heilige Josef natürlich auch vorher schon gut behandelt hat. Der
Erzengel Gabriel richtet sich auf in seiner ganzen Größe und Majestät, daß der heilige
Josef die Augen mit dem Mantelzipfel bedecken muß, und wie er wieder in den Stall
blinzelt, ist es ganz dunkel gewesen, wenn auch nicht ganz so finster wie sonst bei der
Nacht, weil von dem Fell des Esels, besonders an seiner Stirn, ein gewisser rötlicher
Schimmer ausgeht, als möchte vom Licht des Engels ein wenig hindurchscheinen durch
die Eselshaut. Dem heiligen Josef bleibt aber nicht viel Zeit zum Staunen, nämlich der
Esel läßt das nicht zu, indem er zum Aufbruch drängt und ihn unentwegt mit der Nase
anschubst.
So packt er schnell die wenigen Habseligkeiten zusammen, vergräbt die Geschenke der
Heiligen Drei Könige (Ketchup, Knoblauchsoße und Tabasco) im Kühlschrank, in der
Hoffnung, daß sie jemand anders brauchen kann und dann auch zum Altglas bringt.
Dann hat er die Muttergottes geweckt und ihr alles erklärt, daß sie gescheit erschrocken
ist, gleich aber, ohne sich mit weiteren Fragen aufzuhalten, hebt sie das liebe Jesulein
aus der Krippe heraus, und nachdem sie ihm rasch noch die Windeln gewechselt hat,
schlägt sie es in ein doppelt zusammengelegtes Wolltuch ein, wie sie es bei der heiligen
Mutter Anna gelernt hat – die Flucht kann beginnen.
5
2.
E:
Kapitel Numero zwei
worin wir aus Gründen der Rücksichtnahme darauf verzichten, den bethlehemitischen Kindermord ein weiteres Mal sich ereignen
zu lassen; um so mehr wird darin vom König Herodes die Rede sein und von Kaiser Franz Joseph I. in Wien.
E:
Der König Herodes hat nämlich erfahren, daß der Kindermord, den er hat veranstalten
lassen, völlig vergebens gewesen ist, außer daß jetzt auch am 28. Dezember noch ein
Feiertag eingesetzt worden ist, und so hat er nach dem ersten Wutanfall den Gedanken
vom Oberteufel eingeblasen bekommen, daß es auf keinen Fall etwas schaden möchte,
wenn man ein Telegramm an den Kaiser Franz Joseph in Wien schickt, welcher
zugleich der König von Böhmen ist, und ihn in dieser vertrackten Sache um kollegialen
Beistand bittet.
Der Kaiser Franz Joseph nun, welcher dieses Regierungsamt eigentlich nur für die
Dauer weniger Tage übernehmen hat wollen – solange er eben noch in der Hofburg
wohnte (aber er hat eben noch keine andere Wohnung gefunden) – konnte mit solch
heiklen Regierungsaufgaben ja nicht gerechnet haben und war sich nun nicht so ganz im
klaren darüber, wie mit diesem Amtshilfeersuchen seitens des judäischen Königs
umgehen solle. So schickte der Kaiser das Telegramm nach kurzer Beratung mit seinem
kaiserlichen Schatzmeister, königlichen Fußballtrainer und Hofadjutanten einfach wie
es war nach Prag an die Statthalterei, daß sie sich dort den Kopf zerbrechen mögen, wie
man mit dieser Sache umgehen soll.
3.
Z:
Kapitel Numero drei
Im dritten Kapitel geht es eigentlich nur darum, daß die böhmische Verwaltung
angesichts des Telegramms es für das beste hält, wenn man die in Frage stehenden
Ausländer, welche mit einem Esel von Bethlehem nach Ägypten wandern, gar nicht erst
über die Grenze des Königreichs Böhmen hereinkommen lassen möchte. So wird also
wieder einmal die Weisung ausgegeben, daß doch bitte ab neun Uhr alle Grenzen zu
verschließen seien, damit keine ungebetenen Gäste hereinkämen. Das kennen wir schon.
4.
H:
Kapitel Numero vier
Der Grenzbeamte, der eigentlich Physik studiert hat, hat gerade die ersten
Fahndungsplakate aufgehängt (er hat sie selbst gemalt, und weil für einen gestandenen
Physiker das Aufhängen von Plakaten eigentlich eine recht fade Beschäftigung wäre,
hat er sie immer besonders kreativ und lustig gestaltet). Bei solch pflichtbewußten
Grenzbeamten konnte einem Angst und Bange um die heilige Familie werden: Wie
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sollten sie unbehelligt nach Ägypten kommen, wenn sie schon die böhmische Grenze
nicht passieren dürften.
E:
Doch kam der heiligen Familie der Umstand zugute, daß im Grenzwald einige
durchtriebene Schmuggler unterwegs waren; der eine, der in seinem Kochtopf mit
Glühwein eine gehörige Portion Amaretto schmuggelte, ihm zur Seite zwei andere, die
sich angeregt über Bier unterhielten. Der eine, der zur Tarnung eine Trompete mit sich
führte, schwärmte von den spanischen Sorten, der andere – offensichtlich ein Kollege
von der italienischen Mafia, wie man unschwer an seiner dicken Goldkette erkennen
konnte – brüstete sich mit seiner Fähigkeit, eine halbe Bier in einem Aufzug austrinken
zu können.
Z:
Einen vierten Kollegen gab es noch, der einzeln unterwegs war, um die Grenzbeamten
abzulenken. Er war gerade erst aus Leipzig zurückgekehrt und half den feierlustigen
Schmugglern immer gerne, da er ja auch sonst noch gar nicht so genau wußte, was er
werden sollte. So übernahm er bei den Schmuggleraktionen immer eine besondere
Rolle: Mit einem auffälligen Bierfaß auf dem Rücken versuchte er, über die Grenze zu
kommen, was für ihn aber völlig ungefährlich war, da er in diesem Bierfaß stets nur
völlig legalen Gesundheitstee beförderte. Doch mit dem großen Bierkrug in der Hand
und dem Faß auf dem Rücken sah er unzweifelhaft verdächtig aus, was ja auch der Plan
war. So ließ er sich also bereitwillig von einem Grenzposten, der mit einem
furcherregenden Dialekt bewaffnet war und gleich neben dem Schlagbaum hinter dem
Kicker wartete, festnehmen und dem Grenzpostenkommandanten und Plakatmaler
vorführen.
H:
„Oho!“
Z:
staunt der Grenzpostenkommandant, wie ihm der Posten vom Kicker mit dem
vermeintlichen Bierfaßschmuggler hereinrumpelt.
H:
„Soll das am Ende ein Pascher sein, den Sie mir da geschleppt bringen?“
E(salutiert):
Z:
„Melde, daß joo“,
sagt der Kickerposten stolz und berichtet ihm, wie er das verdächtige Subjekt am Kicker
geschnappt hat.
H:
„Mit was?“
E:
„Mit Bier!“
Z:
„Bier?“,
E:
ruft der Festgenommene nun ganz entrüstet, der seinen großen Augenblick gekommen
sieht.
7
Z:
„Sie werden doch nicht glauben, Herr Oberaufseher, daß ich – und täte Bier paschen!“
H:
„Nei-iin?“
E:
fragt der Kommandant
gedehnt und deutet dabei auf das hölzerne Faß und den
auffälligen Bierkrug.
H:
„Was für ein Fluid ist denn sonst in diesem Faß?“
Z:
„Ach wissen Sie, da drin hab ich nämlich Gesundheitstee.“
H:
„Was? Na das werden wir gleich untersucht haben!“
Z:
meint der Physikus und baut geschwind einen ausgeklügelten Versuch auf, obwohl er
eigentlich Theoretiker ist. Doch der praktisch veranlagte Kickerwart braucht den
physikalischen Versuch nicht, um Bier von Gesundheitstee zu unterscheiden und zapft
sich schnell ein Krügerl ab.
E:
„Gesundheitstee – oder nicht vielleicht Zehnfrucht, oder ACE gar? Probiern’s doch mal,
Herr Vorgesetzter!“
H:
„Weiße Limo!“
E:
„Gelbe Limo!“
H:
„Spezi!“
E:
„Adelholzener!“
H:
„Paulaner – igitt!“
E:
(Wulfi-Tonfall)„Naaaa! Schneider!“
H:
„Schnaps!“
E:
„Wodka!“
H:
(angeheitert)„Enzian!“
E:
„A Schladerer!“
H:
„Whisky!“
E:
(betrunken)„Caipirinha!“
H:
„Desperados!“
E:
(angewidert)„Long Island Icetea!“
Z:
Der Pseudoschmuggler kann nur mit wachsendem Staunen zusehen, welch
ungewöhnliche Wirkung sein Gesundheitstee auf die beiden Grenzer zeitigt, die nach
einigen Proben schließlich auf den Tisch fallen – wir aber wissen, daß hier ein
göttliches Wunder am Werke war, wie es so oft den Weg der heiligen Familie begleitet
hat, die auf diese Weise unbehelligt über die Grenze ziehen konnte. Und ein halbe
Stunde später profitierten auch die richtigen Schmuggler noch davon, daß die
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betrunkenen Grenzbeamten die große, rote Tür sperrangelweit offen stehen gelassen
hatten – denn der Herr läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.
5.
H:
Kapitel Numero sechs
(Aus Zeitgründen lassen wir das fünfte Kapitel aus, das zwar umwerfend schön ist, aber
zum Fortgang der Geschichte nur wenig beiträgt – und ihr wollt ja sicher alle bald ins
Bettchen gehen...)
H:
Als die heilige Familie am nächsten Morgen mühsam über den verschneiten Weg stapft,
da wünscht sich der heilige Josef doch bei dem einen oder anderen Pferdeschlitten, der
an ihnen vorbeirast, er möchte etwas mehr Abstand halten. Daß gar mal einer anhält, um
sie mitzunehmen, wagt er gar nicht zu hoffen, aber tatsächlich gibt es auch im
Königreich Böhmen noch gutherzige Menschen, die ein Herz für die geplagten
Wanderer haben.
So hält also ein junger Kutscher seine Pferde neben der heiligen Familie an:
E:
„Hei Meister, pack Dei Weibi in die Kutschn, na geht’s scho leichter.“
H:
Und er erklärte, es sei zwar nur eine Lastkutsche, aber dennoch habe er gut geheizt und
ein paar Gläser Sojakeimlinge habe er auch für sie übrig, wenn sie sich unterwegs ein
wenig stärken wollen.
Z:
Dieses Angebot nehmen die müden Wanderer gerne an, binden den Esel hinten an die
Kutsche und steigen, froh um die Erleichterung des Weges, in die gut geheizte Kutsche.
So mußte der Esel in den nächsten Stunden zwar etwas schneller laufen, aber dem Engel
Gabriel machte das nicht zuviel aus, und der Esel als solcher wollte ohnehin ein wenig
abnehmen – jedenfalls tagsüber.
E:
Gar zu schnell wird er ohnehin nicht laufen gemußt haben, da die beiden Pferde mächtig
einen in der Krone gehabt haben und sich statt zu laufen, laut und unverständlich
unterhalten. Der wo rechts laufe tuat fragt mit zehn Semmeln im Mund seinen
Saufkumpanen, der wo links laufen tut, wo er denn sei E-Gitarre glasse hädd.
Z:
Nachdem also alles verstaut und angebunden ist, spricht der Kutscher:
E:
„So, auf geht’s“,
Z:
und läßt die Pferde an.
So kommt die heilige Familie an diesem Tag doch recht bequem und flott voran, bis sie
der nette Kutscher an seinem Zielort an ein gastfreundliches Haus verweist. Als er die
Kutsche anhält, läßt er die Pferde noch einmal kurz aufheulen, dann klappt er die
Scheibenwischer hoch und setzt seinen Kopfhörer auf.
9
6.
H:
Kapitel Numero sieben
welches uns in die tiefsten Tiefen der Hölle hinabführt, jedoch – was geschätzter Hörerschaft mit
Rücksicht auf deren Seelenfrieden versichert sei – bloß vorübergehend.
H:
Die Hölle hat man sich folgendermaßen vorzustellen: In wildem Durcheinander, das
jeden Putztag zu verhindern imstande ist, liegen elektronische Bauteile, Werkzeuge,
sicherheitskopierte CDs – weil ja nach der höllischen Doktrin Raubkopieren das
Wirtschaftsleben nur ankurbelt – Skripte und Pamphlete neben einem müllspeienden
Vulkan, dessen Lava bis unter das Bett sich ergießt – akustisch unterlegt mit einem
grauenhaften Gemisch aus Renaissance, Rock und Orgelmusik.
Nun, in der Hölle ist man mit dem bisherigen Verlauf der Geschichte nicht so ganz
zufrieden, denn schließlich geht es ja bei dem nachzuholenden Kindermord darum, die
sogenannte Erlösung der Welt zu verhindern. So wird nach einem Kriegsrat mit den
sieben Oberteufeln und des Teufels Großmutter ein Agent beauftragt, für den vor dem
himmlischen Thron das gleiche Privileg ausgehandelt wurde, das – welch eine
Gemeinheit – dem Erzengel Gabriel zugestanden wurde: Er darf sich ein Tier suchen,
mittels dessen er seinem Auftrag nachkommen soll, die Auslieferung der heiligen
Familie an den König Herodes voranzutreiben.
Z:
Als geeigneter Agent wird der junge Unterteufel Pospisil einbestellt, der als
österreichischer Staatsbürger für diesen böhmischen Auftrag bestens geeignet war. Der
tritt flotten, federnden Schrittes ein, wirft seine wallende Mähne zurück und begrüßt die
teuflische Meute mit einem freundlichen
E:
„Schönen Nachmittag“.
Z:
Und so hat ihm der Luzifer die entsprechenden Instruktionen erteilt, damit er auch ja
sich darüber im klaren ist, was man von ihm erwartet – und wehe, wenn er des
kolossalen Vertrauens, welches der Höllische Thron ihm entgegenbringt, unwürdig sich
erweisen sollte! Da möchte es besser sein, wenn er sich gleich freiwillig mit Weihrauch
vergiften wollte: denn das, was er dann erleben wird – also das kann er sich ja
vermutlich ausrechnen!
H:
Der Herr Teufel Pospisil hat, nach der Vorschrift, ein schneidiges
E:
„Melde-daß-ja!“
H:
geschmettert, dann hat er die Order, welche der Luzifer ihm erteilt gehabt hat, Wort für
Wort sicherheitskopiert – und hierauf, nach einer exakten Rechtsum-Kehrtwendung mit
einem nochmaligen
10
E:
„Schönen Nachmittag!“
H:
sich mit beiden Hufen zugleich vom höllischen Fußboden abgestoßen und ist wie ein
Pfitschepfeil losgesaust, ohne Umschweif nach Prag hinauf, wo auf dem Hradschin
gerade die leitenden, mit bewußter Sache befaßten Herren k.k. Statthaltereibeamten
versammelt gewesen sind und beratschlagt haben.
7.
Z:
Kapitel Numero acht
worin man sich seitens der Königlich böhmischen Statthalterei zu Prag aus gegebenem Anlaß dazu
bewogen sieht, daß man die Hilfe des k.k. Landesgendameriekommandos in Anspruch nimmt.
Z:
Im böhmischen k.k. Staatssekretariat gab nämlich zu der Zeit gerade der k.k.
Staatssekretär mit kräftiger, tiefer, unverständlicher Stimme Schnellsprechorder an den
k.k. Telefonmann:
H:
„Ja, weisen‘s doch bitte dem Gendarmeriepostenkommandant Hawlitschek in der
Gemeinde Hühnerwasser an, diesen Josef inklusive Familie zu arretieren und nach Prag
zu überstelln.“
Z:
Auf Grund akustischer Schwierigkeiten tappt der Telefonist beim Inhalt dieser Aussage
leider noch im Dunkel und erwidert:
E:
„Hä, wie, Thunfischpizza?“
H:
„Nein, ich sagte, daß sie doch bitte dem Gendarmeriepostenkommandant Hawlitschek
in der Gemeinde Hühnerwasser anweisen, diesen Josef inklusive Familie zu arretieren
und nach Prag zu überstelln.“
E:
„Waaaahsinn, unglaublich, ich versteh’s einfach ned.“
H:
„Is denn des sooo schwer, sie sollen doch bitte dem Gendarmeriepostenkommandant
Hawlitschek in der Gemeinde Hühnerwasser anweisen, diesen Josef inklusive Familie
zu arretieren und nach Prag zu überstelln.“
E:(unterbricht):
Z:
„Ahhhh, jetzt ist es angekommen, zu Befehl, Meeeelder!“
Sofort tritt der neue Mitarbeiter, der erst kürzlich im hohen Hause angefangen hatte und
sich hauptsächlich damit beschäftigte, Dollarnoten als Blätter in irgendwelche Bäume
zu hängen, vor den Telefonmann und bekommt diese eben diskutierte Order übertragen
um sie dem Gendarmeriepostenkommandant Hawlitschek zu übermitteln.
11
8.
H:
Kapitel Numero neun
Der heilige Josef hat inzwischen bei dem Hause, das ihnen der freundliche StereoKutscher empfohlen hatte, an die Tür geklopft (den die Klingel ging mal wieder nicht),
und es wurde ihm von einer freundlichen Schwester aufgetan, die ihn und das liebe
Jesulein gerne in ihr Haus aufnahm. Das liebe Jesulein, sagte sie, kennt sie ja ohnehin
schon, weil sie es jeden Morgen in der Messe begrüßt. Und auch die Muttergottes durfte
in dem freundlichen Hause auf ein bequemes Nachtquartier hoffen, denn für die
Muttergottes können die Schwestern auch von der eisernen Regel einmal eine
Ausnahme machen.
E:
So konnte die heilige Familie nach der ersten anstrengenden Etappe von Bethlehem bis
ins Königreich Böhmen eine ruhige (denn es waren Ferien) und erholsame Nacht
verbringen, und sich am nächsten Morgen erfrischt an einen reichlich gedeckten
Frühstückstisch setzen.
Da freilich hätte der heilige Josef kein Handwerksmeister gewesen sein dürfen, wenn
nicht all die interessanten Apparaturen sein Interesse geweckt hätten. Und die Schwester
hätte keine Schwester sein dürfen, wenn sie dem heiligen Josef nicht angesehen hätte,
daß er gerne mal einen Blick auf das Gerät hätte werfen wollen, das nun die Speisen aus
dem Keller zu holen scheint, während es – das erkannte er am Geräusch – in der Frühe
noch als Wecker für das ganze Haus gebraucht worden war, der den Morgen mit
sanftem Surren verkündet.
Z:
Gerne führte die Schwester die technische Ausstattung ihres Hauses dem versierten
Zimmermann vor – und insgeheim möchte sie wohl gehofft haben, er hätte hier und da
etwas mit zwei schnellen Griffen reparieren können, oder doch zumindest ein
klitzekleines Wunder geschehen lassen, da er ja nicht nur ein Zimmermann, sondern
noch dazu auch noch ein Heiliger war, und die Muttergottes war ja auch dabei – vom
lieben Jesulein ganz zu schweigen, für das freilich der Speisenaufzug auch noch als
richtiger Aufzug zu gebrauchen gewesen wäre.
H:
Das besondere Problem der Schwester war aber gerade dieser andere Aufzug, der defekt
war und seine Türen nicht mehr öffnen wollte seit dem Besuch eines Elektroingenieurs,
der ganz unglaubliche Hosen trug und eigentlich lieber zuhause am Kicker stand, seit
also dieser Elektroingenieur mit Hilfe zweier eingeschleppter Kumpane, böhmischen
Separatisten vermutlich, einen Anschlag auf den Aufzug verübt hatte.
So hat der heilige Josef sich den Mechanismus angeschaut, hat sich am Kopf gekratzt
und die Schwester ein wenig getröstet, daß er ihren Kummer schon nachfühlen kann,
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weil da ja ganz andere Fachleute bestellt werden müssen, und die Handwerker im
Königreich Böhmen ja ganz andere Tarife verlangen, als er und seine Gildenbrüder im
armen Galiläa. Aber vielleicht, hat er gemeint, finde ja eine der patenten Schwestern
selbst den Fehler, und drücke auf den richtigen Knopf und alles sei wieder in Ordnung.
Z:
Und mit solchen tröstenden Worten und einem herzlichen
E:
„Vergelt’s Gott!“,
Z:
das natürlich von seiten der Muttergottes ein ganz besonderes Gewicht hat, schied die
heilige Familie von dem gastlichen Haus und machte sich mit ihrem Esel auf die
Weiterreise nach Ägypten.
Und als die Hausmeisterschwester am Samstag drauf in der Marienmesse zur
Kommunion gegangen ist, ist ihr der Gedanke gekommen, daß sie ja beim Aufzug an
diesem einen Schräubchen drehen und jenes andere etwas lockern könnte, dann müßte
eigentlich alles wieder in Ordnung sein.
Und wie sie dann voller Hoffnung auf den Knopf drückt, da wird sich geschätzte
Hörerschaft vermutlich sagen: No ja, damit hat man die ganze Zeit ja schon rechnen
können, daß mit dem Aufzug letzten Endes sich noch ein Wunder ereignen wird...
H:
Aber dazu muß man leider feststellen, daß auch geschätzte Hörerschaft eben von Zeit zu
Zeit sich verrechnen kann; nämlich das diesbezügliche Wunder, welches auch wir ja
den guten Schwestern vom ganzen Herzen möchten vergönnt haben, das von uns allen
mithin erwartete, ja geradezu fast schon für unausweichlich gehaltene – also, wir traun
es uns kaum zu sagen, daß es in Wahrheit nun doch nicht eingetreten ist: sondern es
sind, wie an diesem Morgen so auch in Hinkunft, den guten Schwestern alle
Bemühungen um den verbogenen Aufzug fehlgeschlagen, so daß schließlich doch für
teures Geld der Fachmann von der Aufzugsfirma hat verschiedentlich kommen müssen
(wohingegen die leider den Schwestern versagt gebliebene Hilfe von seiten des heiligen
Josef natürlich gratis möchte gewesen sein).
E:
Nun soll man jedoch nicht denken, es seien die guten Schwestern überhaupt nicht dafür
bedankt worden, daß sie in ihrem Hause den heiligen Wandersleuten aus Bethlehem
Obdach gewährt haben auf der ägyptische Reise. Es hat nämlich immerhin sich ein
anderes, wenn auch zunächst nicht als solches durchschaubares Wunder für sie ereignet,
welches zwar nicht den Aufzug betroffen hat, aber dafür die Gemeinschaft der
Schwestern, die nämlich auf’s willkommenste verstärkt worden ist mit tüchtigen
Schwestern, von denen freilich die beiden jüngeren noch studieren müssen, eine fertig
ausgebildete Schwester aber ist wohlerfahren in der Haushaltsführung und geht in jeder
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Tätigkeit gerne zur Hand. Und wenn sie damals schon dagewesen wäre, der heiligen
Familie möchte der Abschied wohl noch schwerer gefallen sein, da die gute Schwester
an Freundlichkeiten auch beim Abschied kein Ende möchte gefunden haben. Und noch
lange hätte man sie dem heiligen Josef und seiner Familie ihre besten Wünsche für den
Tag und die Woche und den Weg und überhaupt gleich für das ganze Jahr nachrufen
hören, was für eine solch mühsame Reise freilich auch nicht unwillkommen möchte
gewesen sein.
9.
Z:
Kapitel Numero zehn
Der k.k. Gendameriepostenkommandant Hawlitschek hat inzwischen die Order erhalten
und macht sich auf den Weg, ohne zu wissen, daß der Herr Teufel Pospisil ihm auf den
Fersen folgt, um sein Vorgehen zu überwachen und die Hölle vor Schaden zu bewahren.
Als der Hawlitschek in der Metzgerei noch etwas Wegzehrung mitnehmen will, die ihm
der freundliche Metzger voll Achtung vor der Staatsgewalt aufs beste zubereitet
E:
„Jo, dös is a Debreziner“,
Z:
erblickt er den Hund des Fleischer- und Selchermeisters, der traurig in der Ecke gelegen
ist. Das arme Tier fühlte sich in dieser fleischreichen Umgebung gar nicht wohl, da es
schon lange vegetarisch lebte und beständig Angst hatte vor dem vielen Karma hinter
der Theke. Auf seiner Suche nach den Fahndungssubjekten könne ihm dieser Hund
wohl behilflich sein, meinte der Hawlitschek und fragte den Metzger, ob er ihn ihm
nicht ausleihen wolle.
E:
„Mein Waldi woll’n’s? Freilich, den leih ich Ihnen gern aus, der mog mein
Wurschtsalat eh net.“
Z:
Da sieht der Herr Teufel Pospisil seine Chance gekommen und fährt in den Waldi, der
nicht recht weiß, wie ihm geschieht, für seine weiteren Handlungen aber natürlich nicht
mehr direkt verantwortlich ist.
Der solcherart teuflisch besessene Hund geht sofort bei Fuß zum Wachtmeister und
drängt zum Aufbruch. Der Hawlitschek verabschiedet sich also vom Metzger, der ihn
freundlich entläßt:
E:
„Dankschön, auf Wiedersehen, ciao, der nächste!“
H:
Der Hawlitschek befragte nun erst einmal alle Dorfbewohner hochnotpeinlich, warum
sie heute morgen nicht in der heiligen Messe waren, wo doch heute er selbst sogar auch
mal dort war, und ob sie nicht eine auffällig heilige Familie gesehen hätten.
Allmählich wurde dem Herrn Teufel Pospisil, der ja wußte, in welche Richtung sich die
Gesuchten bewegten, aber die Fragerei zu dumm, und er begann seinen neuen Herrn
14
wie wild in die richtige Richtung zu zerren, in die der Wachtmeister freilich gar nicht
wollte.
10.
E:
Kapitel Numero dreizehn
welches unter Auslassung der Kapitel 11 und 12 in Münchengrätz wieder den Blick auf
die heilige Familie lenkt, die dortselbst im Gasthof „Zur Stadt Karlsbad“ eingekehrt
sind, wo sich die Muttergottes auf ein warmes Bett und der heilige Josef auf ein kühles
Bier freute, das ihm die Muttergottes gerne vegönnte, nämlich es muß auch die größte
Sparsamkeit, findet sie, ihre Grenzen haben.
So ist der heilige Josef also die Treppe wieder hinuntergestiegen zum Wirt Procházka,
den wir hier nicht zum Spaß erwähnen, in die Gaststube und setzte sich an den Tisch zu
einem einzelnen Gast, der schon auf sein Bier gewartet hat und sich über die
Gesellschaft recht erfreut zeigte und über beide Backen grinste, die übel zugerichtet
waren, wie von Messern zerschnitten, da der Kantor Linek, wie er sich vorstellte, die
gefährliche Angewohnheit hatte, beim Rasieren zu dirigieren.
H:
Als dann im Radio Orgelmusik ertönte, war der Kantor Linek ganz in seinem Element:
grad so müsse man spielen, da spielt nämlich sein Lehrer, und hinterher wird die
Choralschola singen, welche ja weithin berühmt ist bis nach Korea und sogar in
Neuburg an der Donau, man sollte es nicht für möglich halten.
Josef bestätigt ihn, daß er grad so auch in der Messe spielen solle, und zwar jeden
Morgen, denn genauso hat es auch geklungen, als im Stall zu Bethlehem die Engel
sungen, was dem heiligen Josef damals ausnehmend gut gefallen hat. Und so ist der
Kantor Linek wieder einmal höchst zufrieden mit der Welt und läßt sich mit dem
heiligen Josef noch ein oder zwei Biere schmecken, die ihnen der freundliche, immer
lächelnde Wirt Procházka kunstvoll eingeschenkt servierte, wenn auch die
Weißbiergläser nicht ganz sauber waren.
Z:
Aus alledem hat der heilige Josef ersehen können, daß er zum Glück keinen schlechten
Menschen getroffen hat in der Gastwirtschaft „Zur Stadt Karlsbad“ in Münchengrätz,
und also hat er in rechtschaffener Bettschwere ihm Lebewohl gesagt, nach dem vierten
Bier; und während der Kantor Linek noch ein paar Flaschen Wodka mit Cinzano sich
hat schmecken lassen, ist der heilige Josef auf Zehenspitzen die Treppe zu ihrem
Zimmer hinaufgestiegen, in Strumpfsocken und mit vorsorglich in der Hand getragenen
Schuhen, weil er das liebe Jesulein nicht hat aufwecken wollen, zu dieser nicht mehr
ganz frühen Stunde, und selbstverständlich die Muttergottes auch nicht.
15
11.
E:
Kapitel Numero vierzehn
Am nächsten Morgen, als die heilige Familie gerade aufgebrochen war, wird der
Hawlitschek vom Pospisil nach Münchengrätz gezerrt, was ihm dann doch nicht so
unrecht ist, da er ja dann zum Procházka in die vertraute Wirtschaft gehen kann, um
sich etwas zu stärken.
Z:
Der Procházka hat sich sehr gefreut, denn der Procházka freut sich eigentlich immer,
und hat seinem Gast gleich in aller Ruhe ein Bier ausgeschenkt – das freilich hat dem
Hawlitschek zu lange gedauert, mußte er doch den flüchtigen Personen nacheilen:
E:
„Procházka, i hab heut kei Zeit. Sag, warst heut früh in der Kirch. Warum net? Hast
gestern abgspült? Hast net die heilige Familie gesehen?“
H:
„Hawlitschek! Schwager! I sag Dir eins: Du mußt noch viel ruhiger wern! Nimm erst
amal a Pris‘!“
Z:
Schließlich gab er aber dem Hawlitschek die gewünschte Auskunft, worauf der
natürlich gleich wieder aufgebrochen ist (nachdem er das Bier ausgetrunken und einen
Schnaps hinterhergeschickt gehabt hat), was auch dem Herrn Teufel Pospisil sehr recht
war, der schon sehr geduldig sein mußte, da er doch wußte, wie nah man der heiligen
Familie auf den Fersen war.
12.
H:
Kapitel Numero fünfzehn
Der k.k. Gendarmeriepostenkommandant Hawlitschek hat sich also in einiger Eile und
etwas angeheitert wieder auf die Straße begeben und läuft vom Pospisil gezerrt die
Straße entlang.
Als sie nämlich nach ungefähr einer Stunde den unteren Anfang vom Sichrower Berg
erreichen, haben der Hawlitscheck und der Waldi gerade noch sehen können, wie
droben, am anderen Ende der Steigung, die in Verhaft zu nehmenden Individuen, mit
dem Esel über die Kippe verschwunden sind. Und obschon er sie bloß von Fern und in
aller Kürze hat sehen können, so hat doch dem Hawlitschek dieser flüchtige Anblick
für die Feststellung ausgereicht, daß es bei ihnen tatsächlich um jene Subjekte sich
handelt, von welchen per Telefon der Herr Landesgendarmeriekommandant die
Beschreibung nach Hühnerwasser übermittelt gehabt hat.
E:
Und nicht nur das hat der Hawlitschek feststellen können, sondern es hat auch, zu alle
dem noch, der Esel so ausdrücklich mit dem Schwanz gewackelt, als ob er zur
Vornahme einer bestimmten Handlung ihn möchte herausfordern wollen – was
sicherlich bloß ein Mißverständnis gewesen ist. Aber der Hawlitschek, dessen
16
ungeachtet, ist fürchterlich zornig geworden und hat sich den Helm in die Stirne
gedrückt, und der zerzauste Bart hat sich ihm vor Empörung gesträubt, so daß er ihn mit
dem Handrücken glattstreichen muß, und zwar mit dem linken, weil er ja in der rechten
Hand das Gewehr mit dem Bajonett getragen hat:
H:
„Laufen – Lauft!“
E:
kommandiert der dem Waldi und will im Geschwindschritt den Sichrower Berg hinauf,
damit er die Sache so rasch wie möglich zum Abschluß bringt, und dann wird es sich
erst zeigen, meint er, wer letzten Endes dabei das Nachsehen haben wird – respektive
das, was der Esel mit seinem Schwanzwackeln mutmaßlich angedeutet hat.
Z:
Der Hawlitschek rennt also mit dem Waldi los, und sie werden vielleicht ein paar
zwanzig Schritte gelaufen sein, aber weiter auf keinen Fall, da hören sie hinter sich ein
gewaltiges Rattern und Knattern, und irgend jemand brüllt dazu fortwährend „Öff öff
öff!“ mit einer so quakigen Stimme, daß es sich anhört, als möchte man ständig mit aller
Kraft in den Leib ihm treten. Der Hawlitschek, weil er in vollem Lauf ist, braucht ein
paar Schritte, bevor er zum Stehen kommt – und wie er sich umdreht: was sieht er vor
seinen erstaunten Augen? Er sieht eine Kutsche, die kommt auf der Straße von
Münchengrätz auf ihn zu gehumpelt, aber es sind keine Pferde davor gespannt, sondern
es scheint, daß sie von alleine fährt. Und das Rattern und Knattern kommt auch von der
Kutsche her, ebenso wie das ständige Öff öff öff. Und hinter der Kutsche, da zieht sich
ein langer Schwaden von Qualm und Rauch auf der Straße hin, daß man meinen
möchte, der darinnen sitzt würde schwarz fahren. No, hoffentlich wird der Fahrgast sich
nicht den Hintern anbrennen.
E:
Der Hawlitschek steht also wie gelähmt von dem ungewohnten Anblick (denn da es zu
jener Zeit im ganzen Königreich Böhmen erst sieben Automobile gegeben hat, hat der
Hawlitschek
aus
der
Gemeinde
Hühnerwasser
einen
solchen
Anblick
verständlicherweise noch nicht gekannt) – steht also der Hawlitschek mitten auf der
Straße und der Herr Teufel Pospisil kriegt von dem Lärm ein höllisches Ohrensausen.
Und da kann der jugendliche Fahrer im Fliedergewand noch so viel schreien und mit
dem Tennisschläger herumfuchteln, der Hawlitschek räumt beim besten Willen die
Straße nicht und so bleibt dem Kutscher keine andere Wahl, als daß er die Bremse zieht,
was den Wagen erheblich ins Schleudern versetzt auf der glatten Fahrbahn, und weil es
vermutlich im Augenblick das Gescheiteste ist, was man tun kann, besinnt der
Chauffeur sich nicht lange und steuert das Vehikel kurzerhand in den Straßengraben.
17
H:
„Ja sind sie denn komplett verrückt? Ich muß vielleicht nach Hause, heut‘ is‘ Mittwoch,
morgen geht’s Wochenend‘ an!! Ich kann ja nicht die ganze Zeit an der Universität
bleiben!!“
E:
Und da ja der Hawlitschek seines Zeichens Gendarm ist und den Ort des Geschehens
nicht ohne Weiteres verlassen kann, geht er nun los, um Hilfe aus dem Dorfe zu holen.
Z:
In dem kleinen Dorfe rekrutiert der Hawlitschek mit aller dienstlichen Autorität zwei
Ärzte und zwei bayerische Studenten, die gerade herumliefen und ja schließlich auch
noch in der Geschichte haben vorkommen müssen (und wenn ihr aufgepaßt habt, könnt
ihr jetzt auch sagen, wer das ist – aber das wollen wir ja gar nicht von euch wissen). Die
Ärzte – der eine war schon mit dem Fahrrad vorgefahren, nachdem er sich rasch noch
sieben Brötchen als Proviant überbacken hatte, der andere kam zu Fuß hinterher, hinter
sich ein Köfferchen auf kleinen Rädern ziehend – versorgten gleich den Tennisarm des
Wochenendheimfahrers und die Studenten halfen dem Hawlitschek, das Automobil
wieder auf die Straße zu schieben.
13.
H:
Kapitel Numero sechzehn
Nachdem die Kutsche wieder flott war, durfte der Hawlitschek mitfahren, um die
versäumte Zeit wieder einzuholen – so daß er die heilige Familie noch kurz vor der
schlesischen Grenze erreichte konnte.
Doch bevor er nun seinem dienstlichen Zorn freien Lauf lassen konnte, war er ganz
beeindruckt von der Muttergottes, wie sie ihn so freundlich ansah, und ihm wurde
plötzlich klar, daß er unmöglich die heilige Familie würde verhaften können – und er
wünscht ihnen einfach eine gute Weiterreise. Das ist nun freilich dem Herrn Teufel
Pospisil, der sich schon am Ziel seiner Bemühungen gesehen hatte, die sogenannte
Erlösung der Welt zu vereiteln, gar nicht recht gewesen, und er sprang wütend die
Muttergottes an, die das liebe Jesulein schützend an ihrer Brust barg und den Herrn
Teufel Pospisil respektive den Waldi mit einem sanften Klaps abwehrte. Als aber die
Muttergottes den Waldi berührte, bekam der darinnen befindliche Herr Teufel Pospisil
einen solchen Schrecken, daß er aus dem Hunde wieder ausgefahren ist – und nun gar
nicht wußte, wie er seinen Auftrag noch weiter verfolgen sollte, da er ja, einmal
ausgefahren, nicht wieder in das arme Tier hineinfahren durfte.
Z:
Während nun der Wachtmeister die heilige Familie über die schlesische Grenze
geleitete, verließ auch der Engel Gabriel den Esel, der dann natürlich wieder alleine hat
18
gehen müssen und deshalb lieber mit dem Auto gefahren wäre – aber das ist eine andere
Geschichte. Und der Gabriel sprach den Teufel vertraulich an:
H:
„Du! Magst net zu uns kommen, zu die himmlischen Heerscharen. So Teufelskerle wie
dich kannt‘mer gut brauchen.“
Z:
Dieser Vorschlag gefiel nun dem Herrn Teufel Pospisil sehr, weil er sich ja in der Hölle
nicht mehr sehen lassen konnte, und er beantragt Asyl bei den himmlischen
Heerscharen. Er wird freilich vorläufig abgelehnt (da er zweifelsohne zum
morgentlichen Engelschor IMMER zu spät gekommen wäre) und für eine
Übergangszeit in ein christ-katholisches Wohnheim eingewiesen, unter der strengen
Auflage, ENDLICH die dortige Satellitenschüssel zu reparieren. Und um die Integration
zu erleichtern, wurde ihm ein Landsmann als Bewährungshelfer an die Seite gestellt, der
ihn mit theologischer Lebenskunst durchs Leben helfen sollte:
E:
„Geh, kimm, i zoag dea woas loang gehd. Aba loaß mi no die zwoade Hoabzaed fertig
oaschauggn!“
H:
Und mit einem großen Schlüsselbund klapperte er vor seiner Zimmertüre, bis selbige
sich lieber von selber ins Schloß fallen lies, um eine ernsthafte Beschädigung zu
vermeiden.
Z:
Der heiligen Familie aber können wir einen Blick nachwerfen, wie sie ins Schlesische
einziehen, wo gewiß kein Mensch sie möchte an den König Herodes ausliefern wollen,
so daß sie sicher nach Ägypten möchten gekommen sein, wie geschrieben steht, da es ja
vom Schlesischen auch dorthin nicht mehr weit gewesen sein möchte – so daß also das
mit dem Wunder im Stall von Bethlehem begonnen habende Werk der Erlösung der
Welt auch zum Nutzen und Heil des Königreichs Böhmen und seiner Bewohner seinen
weiteren Fortgang möchte genommen haben.
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