Matsche in der Birne - Starclub Varieté Kassel

Transcription

Matsche in der Birne - Starclub Varieté Kassel
„Hör mir uff“: G. von Bamberg im Starclub. Der „schwule Vorhang“ passe besser nach Köln, meint der Kasseler Komiker.
Foto: Malmus
Matsche in der Birne
Kassel-Comedian G. von Bamberg mit der grandiosen „Schlachdepladde“ im Starclub
V ON M ARK -C HRISTIAN
VON
B USSE
KASSEL. Nostalgische Gefühle
entfalten, wie Psychologen wissen, positive Wirkung. Gemeinsam das Vergangene zu beschwören, schweißt zusammen. Insofern war es ein kluger
Schachzug des Kasseler Comedians G. von Bamberg, am Montagabend bei seinem „Neujahrsempfang“ im Starclub mit
dem neuen, tollen Programm
„Schlachdepladde“ nicht nur –
mit der „Spiegel“-Jahreschronik als losem roten Faden – auf
2013 zurückzuschauen, sondern Merkwürdigkeiten von
Kindheit und Jugend ins Ge-
dächtnis zu rufen – jene Jahre,
als man wegen „Bobbele“ Boris
Becker sogar freiwillig PumaSchuhe gekauft hat.
Früher gab’s Scout-Schulranzen, Nicki-Pullover, „Medizin
nach Noten“ im DDR-Fernsehen und Dosenstechen mit
Faxe-Dosen: „Wir waren Wirkungstrinker.“ Und heute?
„Hör mir uff, was es alles gibbet. Da macht man was midde.
Da wirste Matsche in der Birne.“ Low Carb, Intimrasur,
Sprüche wie „Vadder, chill ma’
deine Base“, und beim Kindergeburtstag muss es statt Kegeln
mindestens ein Besuch im Delfinarium sein. Alles ist schriller
und schneller. „Toys R Us ist
wie Sesamstraße auf Ecstasy.“
Auch ein paar Träume muss
man mit den Jahren aufgeben.
Wie das Berufsziel „GehacktesFotograf“ für die Rewe-Werbung. Oder das perfekte Aussehen. Obwohl: „Ich bin nicht zu
dick, an meinem Körper bricht
sich nur das Licht scheiße.“
Eine grenzwertige MichelFriedman-Passage („Schmierlappen“) hat einen langen Bart,
aber meist setzt G. von Bamberg, der eigentlich Gerrit Bamberger heißt, seine MundartPointen punktgenau, treffsicher. Die Wahl von Papst „Justus Bieber“ per „Ippchen Dipp-
chen Silberlippchen“, das Begriffe-Raten beim Tabu-Spiel
(Fidel Castro? „Das Gegenteil
von Geige Bistro“) und Zauberkünste im Zugabenblock - zum
Brüllen komisch. Ein Höhepunkt: Die Schilderung, wie
Nachkriegsdeutschland
aus
Kieselsteinen erbaut wurde, zusammengehalten von den Kaugummis der Amerikaner, „und
der SS-Mantel wurde mit RoteBete-Saft eingefärbt“.
Die 60 Besucher riefen im
Chor, vom Komiker im höchsten Kasseläner Lob schlechthin
unterrichtet: „Ma was Anneres!“ Und mehr noch: Sie haben
vor Vergnügen gekrischen.