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Inhalt 5 Inhalt 001 002 Vorwort Wem gehört Bond? Siegfried Tesche Streiten und streiten lassen Eine Pre-Title-Sequence Ellen Grünkemeier, Martina Iske, Jürgen Kramer, Anette Pankratz, Claus-ulrich Viol Mein Bond, dein Bond Ein einleitendes Dossier 003 Bonds Welten Anette Pankratz, Claus-ulrich Viol Bond ist, denn/was er isst Anette Pankratz «The World is not Enough» James Bonds Geopolitik Martina Iske Abenteuer hinter fremden Türen James Bonds Hotelgeschichten Sebastian Stockey Inseln in James-Bond-Filmen James Bond im Visier der Physik Ein Interview mit Prof. Dr. Metin Tolan 004 Bonds Strukturen John Paul Green Liebesgrüße aus Brengland Nationale Identität und James Bond Christian Lenz Warum auf Bond warten? Eine strukturalistische Prognose des kommenden Films Inhalt 005 Bond-Spielereien Quiz, Identitäten, Rezepte 6 006 Bonds Männlichkeiten Florian Gerhardt, Christian Lenz Bonds (imperiale) Männlichkeit im Wandel der Zeit Von den 1950ern über die 1970er bis zum Ende des Jahrhunderts Stefan Brandt Kino als Karneval der Männlichkeit (Selbst-)Ironie und Intertextualität in den frühen bond-Filmen Peter Osterried Wann ist ein Mann ein Mann? Männerbild und Männeridentität in einem Filmklassiker, einem, der es werden wird und im neuen James Bond Jürgen Kramer Bond und ich; oder, Wieviel Bond ist in mir? 007 Das Bond-Phänomen Felix Eisenberg James Bond als Global Player Marken in James-Bond-Filmen Ellen Grünkemeier «Tomorrow Never Dies» James Bonds Erfolgsgeschichte Claus-Ulrich Viol Liebesgrüße aus Babylon Über James Bonds unheimliche Missionen im Reggae 3 0 0 s We l t e n d n o B 003 Bonds Welten Martina Iske 44 Abenteuer hinter fremden Türen James Bonds Hotelgeschichten Hotels, James Bond und Kulturwissenschaften Jill Masterson räkelt sich wohlig auf dem breiten Hotelbett, während James Bond (im Bademantel) ein wenig Champagner nachschenkt, den der Zimmerservice diskret auf das Zimmer gebracht hat. Dies ist nur eine der vielen erotischen Szenen, die zu einem festen Bestandteil der JamesBond-Filme geworden sind und 007s berühmten Charme und seine scheinbar unwiderstehlichen Verführungskünste deutlich machen; sie stammt aus GOLDFINGER (1964), einem der erfolgreichsten Bond-Filme aller Zeiten (Chapman 1999), und gehört wohl zu den bekanntesten. Bald darauf hat sich im Film dieser Ort der Liebe in einen Ort des Todes verwandelt: Die junge Frau liegt wieder auf eben jenem Hotelbett, unbekleidet und lang ausgestreckt, aber nun leblos – getötet, indem ihre Haut vollständig mit Gold überzogen wurde (Abb. 1). Die Tötungsszene selbst zeigt der Film Abb. 6 Abenteuer hinter fremden Türen nicht, aber der Zuschauer kann sich vorstellen, wie Goldfingers Todeskommando heimlich das Zimmer betritt, James Bond (der gerade noch eine Flasche Champagner holen will) bewusstlos schlägt und dann die Tat vollzieht. All dies spielt sich also im selben Raum ab, in der Suite eines großen Hotels in Miami, von dessen Balkon aus Jill zuvor noch per Fernglas Goldfinger die Karten seines Spielgegners verraten musste. Warum spielt diese Sequenz im Hotel? Was macht Hotelräume so geeignet für Liebes-, Spiel- oder auch Todesszenen, dass Hotels in Romanen und Filmen rund um den Geheimagenten Ihrer Majestät immer wieder eine Rolle spielen? Um diese Fragen soll es sich im folgenden Beitrag drehen, in dem ich untersuchen möchte, welchen Reiz Hotels für Ian Fleming und somit für die auf seinen Romanen beruhenden James-Bond-Geschichten darstellten (und immer noch darstellen), wann Hotels von wem und wie genutzt werden und welche kulturellen Bedeutungen und Funktionen mit ihnen verknüpft sind – mit dem Hotel als Ganzem oder auch mit seinen kleineren einzelnen Räumen wie z.B. den Hotelzimmern, der Lobby oder auch dem Restaurant. Menschen benutzen Orte unterschiedlich und konstruieren aus ein und demselben Ort oft sehr verschiedene individuelle Räume, private Räume, die einen Gegensatz zum öffentlichen Raum darstellen können oder ihn in kleinerer Form reproduzieren (de Certeau 1988; Lefebvre 1991). Viele fiktionale Geschichten in Literatur und Film spielen im Hotel und nutzen die Möglichkeiten, die es zur Darstellung des Öffentlichen und des Privaten bietet. Doch bei James Bond ist das Hotel nicht bloßer Schauplatz, sondern kann auf drei unterschiedlichen Ebenen mit den Geschichten des Geheimagenten verknüpft werden: Biografische Aspekte des Bondschöpfers Ian Fleming lassen sich ebenso mit Hotels in Verbindung bringen wie fiktionale Elemente aus seinen Geschichten und darauf aufbauende, also auf einen lukrativen James-Bond-Tourismus abgestimmte Marketing-Strategien der ‹realen› Hotelwelt. Ian Fleming und Hotels Viele Menschen verbinden Hotels mit Arbeit, etwa weil sie dort angestellt sind oder weil sie auf ihren Geschäftsreisen in ihnen übernachten und vielleicht auch Geschäftspartner treffen müssen. Die meisten würden Hotels 45 003 46 Bonds Welten jedoch vermutlich eher mit Urlaub, Freizeit und Entspannung assoziieren, mit unbeschwerten Zeiten an eher unbekannten Orten, die einen Gegensatz zum Alltag und vertrauten Zuhause darstellen. Für Ian Fleming bedeutete das Hotel beides. Es war für ihn ein Ort der Entspannung und des Urlaubs, doch er arbeitete auch in Hotels, indem er dort Texte schrieb. Manchmal sind es vielleicht gerade die Ruhe und Muße, die man in der Freizeit findet, die ein Autor dann in kreative Energie für sein Werk umsetzen kann. Ein Urlaub auf Mahé (Seychellen) im Jahr 1958 inspirierte Fleming zum Beispiel zu seiner 1960 publizierten James-Bond-Geschichtensammlung FOR YOUR EYES ONLY, in der eine Episode komplett auf den Seychellen spielt («A View to a Thrill in the Seychelles with James Bond» 2006: s.p.). Das Hotel selbst kommt in der Geschichte nicht als Schauplatz vor, doch es ist der Ursprungsort der Erzählung, die es ohne ihn wohl so nicht gäbe. Seinen Geheimagenten hat Fleming dafür in viele andere Hotels reisen lassen, die die eigenen Vorlieben des Autors erkennen lassen. Eco beschreibt diese Vorlieben mit den Worten: «Sein Geschmack an Reisen, an großen Hotels und Luxuszügen ist noch ganz und gar Belle Epoque.» (Eco 1966: 113) Und so stattet Fleming James Bond mit einem Gespür für Luxus und sinnlichen Genuss aus; 007 kostet vor allem die süßen Seiten seines Lebens voll aus, auch wenn diese oft von Gefahr überschattet werden. Die Hotelzimmer und -restaurants, in denen er dies auf seinen Reisen tut, scheinen dafür besonders gut geeignet. James Bond und Hotels In James-Bond-Romanen und -Filmen erscheint das Hotel in verschiedenen Rollen. Oft dient es als Ort der Anonymität, an dem Bond und seine Mit- und Gegenspieler der Geheimdienste mit ihren Identitäten spielen, sich tarnen, verstecken und heimlich treffen können. Ian Fleming selbst schreibt in GOLDFINGER: «Bond liked anonymity.» (Fleming 1959: 18) Der Agent mag es, unerkannt zu bleiben und seine Missionen möglichst im Verborgenen durchzuführen (wenn das auch stets nur bedingt möglich ist). In FOR YOUR EYES ONLY (1981) zum Beispiel trifft Bond sich mit seinem Kontaktmann Kristatos in der Bar des Hotel Excelsior in Rom. In THE MAN Abenteuer hinter fremden Türen WITH THE GOLDEN GUN (1974) arbeiten Geheimagenten ‹undercover›, um Scaramanga auszuspionieren, u.a. sieht man den mit Bond befreundeten CIA-Agenten Felix Leiter als Elektriker getarnt im Hotel operieren. Offensiver geht hingegen die CIA-Agentin Rosie Carver vor, die sich in LIVE AND LET DIE (1973) ohne Wissen von James Bond als Mrs. Bond ausgibt und so schon vor ihm in sein Zimmer einchecken kann. Die Anonymität dient als Selbstschutz und kann gleichzeitig zur Gefahr werden, denn die Gegenspieler fallen nicht immer auf die Tarnung herein und planen Überfälle und Attentate, für die das Hotel als Schauplatz dienen soll. Durch Rosie Carver auf Bonds Anwesenheit und auf sein Zimmer aufmerksam gemacht, lassen seine Gegenspieler etwa eine giftige Schlange durch das Badezimmerfenster in sein Hotelzimmer, um ihn zu töten. Er bemerkt die Schlange jedoch früh genug und rettet sowohl sich als auch seine angebliche Ehefrau. In FROM RUSSIA WITH LOVE (1963) lauern viele Gefahren in Hotelzimmern auf Bond: Im ersten Hotel in Istanbul wird Bond abgehört und wechselt daraufhin ironischerweise in die Hochzeitssuite (in die er als Inbegriff des ledigen Mannes – abgesehen von der kurzen glücklosen Ehe mit Tracy – sonst vielleicht nie gekommen wäre), in der Tatiana Romanova ihn dann überraschend erwartet. Sie werden von ihren russischen Gegenspielern unbemerkt beim Sex gefilmt, damit der Film als Druckmittel gegen sie verwendet werden kann (am Ende wirft Bond den Film in Venedig in den Canale Grande). Während der Reise im Orient Express versucht Red Grant, Bond im Abteil zu überwältigen – natürlich vergeblich. Und gegen Ende des Films, als Bond und Tatiana Romanova sich schon in Venedig in Sicherheit wiegen, versucht Rosa Klebb – als Dienstmädchen getarnt –, das Paar mit ihrer vergifteten Schuhspitze zu töten und so an den umkämpften Dechiffrierapparat ,Lektor› heranzukommen. Am Ende erschießt Romanova sie jedoch, sodass das Hotel nur der ‹bösen› Agentin den Tod bringt. Das bekannteste der Bilder von Gefahr und Tod, die einem in den Hotelzimmern James Bonds begegnen, ist wohl das bereits erwähnte der vergoldeten Jill Masterson in GOLDFINGER. Bonds Gegenspieler bedrohen also nicht nur den britischen Geheimagenten selbst, sondern auch alle, die ihm nahe stehen. Ihr gemeinsames erotisches Abenteuer endet für die Frau im Tod, der für Bond zu einem weiteren Motiv seiner Mission gegen Goldfin- 47 003 Bonds Welten 48 Abb. 7 ger wird. Konsequenzen hinsichtlich seiner Affären wird ihr Tod jedoch nicht haben – die Erotik im Hotel zeichnet sich nun einmal durch ihre Vergänglichkeit aus, worauf ich gleich noch genauer eingehen werde. Ähnlich ist es mit Solange, der Frau eines Gegenspielers von Bond in CASINO ROYALE (2006), Dimitrios. James Bond nimmt Dimitrios nicht nur beim Spiel seinen Aston Martin ab, sondern teilt auch mit seiner Frau das Hotelzimmer, was Solange mit dem Leben bezahlt: Sie wird tot in einer Hängematte am Hotelstrand gefunden (Abb. 2). Das Standbild aus dem Film zeigt durch die Kontrastierung der Strandidylle mit dem Bild der für ihr Verhältnis zu Bond brutal bestraften Frau und der bereits eingetroffenen Untersuchungskommission besonders deutlich, wie nah beieinander Genuss und Tod im Hotel liegen können. Der Tod beider Frauen ist verknüpft mit den Rollen James Bonds als Liebhaber sowie als Spieler im Glücksspiel und im Leben. Er taktiert, riskiert, kassiert und muss doch in jedem Bereich Rückschläge in Kauf nehmen, was aber an seinem Sieg nichts ändert. Die Gewalt und der Kampf zwischen den Kontrahenten äußern sich nicht direkt körperlich, sondern erst später und vermittelt über die Ermordung der Frauen. Öffentlich äußern sie sich dafür beim Spiel. Goldfinger betrügt beim Kartenspiel am Pool, Bond selbst zieht es in die Casinos. Das Casino Royale ist noch ein besonderer Fall, da Bond hier nicht nur gegen seinen Gegner Le Chiffre gewinnen, sondern sich dadurch auch vor den eigenen Verbündeten erst noch beweisen muss, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht der anerkannte Superagent ist. Das Casino ist daher ein Ort, der einen Startpunkt für die Abenteuer hinter fremden Türen Beziehungen zwischen den Charakteren darstellt und an dem gleichzeitig von Beginn an im Spiel getestet, gereizt, gewonnen und verloren wird – was sich dann später in erotischen Situationen oder im körperlichen Kampf im Hotel wiederholen kann. In vielen Bond-Filmen ist das Hotel, nun besonders die einzelnen Gästezimmer, also vor allem ein Ort der Erotik, in dem Bond seine Bond-Girls verführt und sich von ihnen verführen lässt. Das Verführerische und Erotische ist etwas, das Hotels oft zugeschrieben wird. Raoul Schrott schreibt dazu: Hotels sind auch jene orte, denen eine gewisse erotik innewohnt, natürlich. Diese bezahlten zimmer für stunden, in denen die spuren einer gegenwart jeden morgen mehr oder weniger sorgfältig getilgt werden, das mobiliar und die wenigen gegenstände, dinge, die nichts bewahren. (Schrott 1995: 56) Das Vergängliche dieser Erotik, das sich in den Dingen, «die nichts bewahren» (ibid.) ausdrückt, macht für James Bond, der in einem einzigen Film mit bis zu drei Bond-Girls in unterschiedlichen Zimmern das Bett teilt, wohl auch einen besonderen Reiz aus, ist er doch der bindungslose Mann schlechthin, für den jede Frau (vielleicht außer Vesper Lynd am Beginn seiner Karriere sowie Tracy, die Bond in ON HER MAJESTY ’S SECRET SERVICE (1969) heiratet und die kurz darauf erschossen wird) nur ein Abenteuer ist, da er für seine Missionen und nicht für andere Menschen lebt und sein Leben aufs Spiel setzt. Die Hotelsituation macht das erotische Abenteuer endlos wiederholbar, mit problemlos zu wechselnden Zimmern und Partnerinnen. Bezahlte Hotelzimmer, in denen man ein paar Stunden der Erotik teilt, sind für ihn ideal: Mit seinem Geld kauft er Dienstleistungen und Diskretion der Hotelangestellten. Die Zimmermädchen entfernen schnell und diskret jegliche Spur seiner Anwesenheit aus dem Raum (und damit auch oft aus dem Leben der gerade noch ,geliebten› Frau), und Bond ist ihnen danach nicht weiter verpflichtet. Tatiana Romanova teilt mit ihm mehrere Hotelbetten in FROM RUSSIA WITH LOVE (1963), im Hotel und im Orient Express, verschwindet aber mit dem Ende der Geschichte, da sie in der nächsten keine Rolle mehr spielt. Jinx und Bond verbringen auf Cuba in 49 003 50 Bonds Welten DIE ANOTHER DAY (2002) die Nacht zusammen auf seinem Zimmer, nachdem er sie von der Hotelbar aus hat aus dem Meer steigen sehen. Für Jill Masterson bleiben nur ein paar Stunden, die gleich zur Gefahr werden, weil es nicht ihr Zimmer ist, sondern Goldfingers. Bond erobert Jill und bereichert sich dabei an etwas, was ein anderer als seinen Besitz ansieht – und Jill muss mit dem Leben dafür bezahlen. Liebe, Leidenschaft und Tod spielen sich im selben Raum ab, die Gefahr schwingt in vielen erotischen Szenen der James-Bond-Filme mit. Auch die sexuelle Begegnung mit Xenia Onatopp (GOLDENEYE, 1995) ist für Bond eine Mischung aus Erotik und Gefahr, da diese Frau gerne beim Sex mit dem Widersacher den Mann unter sich tötet, indem sie ihm den Brustkorb so lange mit den Oberschenkeln zusammenpresst, bis er erstickt – aber Bond kann sich selbstverständlich retten. All diesen Funktionen und Nutzungsweisen der Hotelräume ist gemein, dass es James Bond immer um das Taktieren, Täuschen, Gewinnen und Erobern geht, ob in der körperlichen Liebe oder im Kampf gegen den jeweiligen Schurken der Geschichte. Es ist auch meist eine Form von Gewalt in den Szenen enthalten, ein Kampf um Dominanz und Macht, bei dem James Bond seine Überlegenheit beweisen kann, der außerdem in ein luxuriöses Ambiente eingebettet ist und von der Diskretion und Anonymität der Hotels profitiert. James Bond hat kein klar definiertes Zuhause, das einen deutlichen Kontrast zu seinen Reiseaufenthalten darstellen würde, sondern zentrale Bereiche seines Lebens finden auf Reisen statt, in Hotels im weitesten Sinne. Und James Bond gefällt es: Aber wir wollen die Beziehung James Bonds zu seinen Hotelzimmern (oder auch zu dem Schlafwagen, der Schiffskabine, dem Bungalow auf den Bahamas oder dem Sessel in der Bar) nicht unterschätzen. Der Leser wird bemerkt haben, dass James Bond sich im anonymen Komfort völlig behaglich fühlt. (Colombo 1966: 122) Er genießt den Komfort des Hotels «auf intensive und sinnliche Art» (ibid.), und zwar nicht nur im Fall von ‹klassischen› Hotelzimmern, sondern auch in Kabinen auf Schiffen oder in Zügen, die ähnliche Funktionen haben wie das Hotelzimmer, wie z.B. das Schlafwagenabteil in FROM RUSSIA WITH LOVE (1963), das als Übernachtungsmöglichkeit und Fortbewegungsmittel Abenteuer hinter fremden Türen dient, aber gleichzeitig ein Ort der Erotik und des Kampfes im Schutz der Anonymität und, gegebenenfalls, Maskerade ist (Bond und Romanova tarnen sich hier als Ehepaar). Er liebt den Luxus der Zimmer bzw. der Hotelsuiten, der Bars und der Restaurants ebenso wie den des Zimmerservice (Fleming 1959: 33). Fleming beschreibt eine Restaurantszene in GOLDFINGER, in der Bond gemeinsam mit Mr. Du Pont in seinem Hotel in Miami zu Abend isst, mit den Worten «Bond [...] proceeded to eat, or rather devour, the most delicious meal he had had in his life.» (Ibid.: 30) Er genießt den Augenblick, ein luxuriöses, von Champagner begleitetes Menü, das Du Pont ihm spendiert, ist aber bereits im nächsten Augenblick wieder reserviert und lässt sich den sinnlichen Genuss nicht besonders anmerken. Er will sich nicht mit Delikatessen ,kaufen› lassen – und bekommt daraufhin 10.000 Dollar dafür geboten, dass er herausfindet, wie Goldfinger Du Pont beim Spiel in seinem Hotel betrügt (ibid.: 31). Die Tatsache, dass es bei diesem Geheimagenten nicht den sonst so auffälligen Kontrast zwischen Hotel und Zuhause gibt – da man über sein Zuhause in London so gut wie nichts erfährt – macht die Beziehung, die James Bond zu seinen diversen Hotelräumen hat, zu einer sehr besonderen. «James Bond [hat] kein Heim.» (Colombo 1966: 122) Ist das Hotel für viele Menschen eine Abwechslung vom eigentlichen Zuhause, von der sie sich Erholung, Ruhe oder auch Abenteuer versprechen, so ist es für James Bond ein notwendiger Raum, der ihm immer nur für kurze Zeit auf seinen Reisen eine Art Rückzugsort und ein gewisses Maß an Privatsphäre bietet, aber niemals sein Heim werden kann. Er ist ein Heim(at)loser, Rastloser, der sich weder festlegen noch niederlassen kann und will. Seine Hotelzimmer sind immer nur Orte des Übergangs, die vor ihm von anderen bewohnt wurden und auch nach ihm andere Gäste sehen werden und die er nur so lange zu ,seinen› eigenen Räumen machen kann, wie er sie wirklich nutzt. Sie sind austauschbar und, genau wie seine verschiedenen Missionen, nur Teil kurzer Episoden in seinem Leben. Die Hotelindustrie und James Bond Es lassen sich also mit der Figur James Bond und mit seinem Schöpfer Ian Fleming verschiedene Hotels und Hotelerfahrungen verknüpfen. Die 51 003 Bonds Welten 52 Abb. 8 Das Taj Lake Palace in Udaipur (Indien) Hotelindustrie weiß dies inzwischen entsprechend zu nutzen: So werden Hotels rund um die Welt zu Orten des Fan-Kults, der Erinnerung an Bond und/oder Fleming und natürlich zu Schauplätzen der Marketingstrategien für die jeweiligen Hotels. Das Taj Lake Palace in Udaipur (Indien) bot zum Beispiel die Kulisse des Wasserpalastes in OCTOPUSSY und hat seitdem Bond-Cocktails und Gerichte mit Namen wie «Moneypenny» oder «Licence to Kill» auf der Speisekarte, um so auf seine Rolle im Film aufmerksam zu machen und James-Bond-Fans zu einem Restaurantbesuch oder sogar einem Hotelaufenthalt zu bewegen (Hanisch 2005). Das Hotel The Northolme, Mahé (Seychellen), das Ian Fleming, wie oben beschrieben, zu seiner Geschichte «For Your Eyes Only» inspirierte, widmete dem Autor später eine Villa. Die Ian-Fleming-Suite bietet ihren Gästen eine luxuriöse Ausstattung, an der wohl auch James Bond selbst Freude hätte, und lockt die Fans des Geheimagenten sogar mit einer kompletten Bibliothek, die alle James-Bond-Romane und DVDs der Filmreihe enthält («A View to a Thrill in the Seychelles with James Bond» 2006: s.p.). Zweckentfremdet wurde hingegen das Buena Vista Hotel auf den Bahamas für den letzten Bond-Film, CASINO ROYALE. Es dient als einer der Schauplätze des Films und spielt sozusagen die Rolle der liberischen Botschaft in Madagascar, in der Bond einen Bombenbauer tötet («Bahamas Hotel to Transform into Liberian Embassy in Madagascar for Casino Royale Shooting» 2006: s.p.). Bereits bevor der Film in die Kinos kam, machte das im Kolonialstil erbaute und dadurch als Botschaft eindrucks- Abenteuer hinter fremden Türen voll erhaben wirkende Hotel mit dieser Rolle für sich Werbung und erhoffte sich durch die Verbindung zu James Bond einen besonderen Marketingeffekt. Das Hotel Pupp in Karlsbad wurde zum Hotel Splendide des Films, in dem Bond und Vesper sich während des Pokerturniers aufhalten, und wirbt seitdem mit einem dreitägigen Sonderangebot mit dem verlockenden Namen «Auf den Spuren von Agent 007» inklusive «Abendessen in einer luxuriösen Bar im englischen Stil mit dem Agent 007 Menü» (Grandhotel Pupp 2007: s.p.). Diese Hotels versuchen, sich durch die Vermischung der fiktionalen Agentenaufenthalte mit ihrem alltäglichen Übernachtungs- und Restaurationsgeschäft im inzwischen fast unüberschaubaren Markt der Sternehotels von den vielen anderen Orten abzuheben, die im internationalen Wettbewerb um die Gunst der Reisenden – und damit der potenziellen Hotelgäste – kämpfen. Jeder möchte seinen Anteil an Bonds Erfolgen und dem daraus resultierenden Fankult haben. Ob die Reisenden aus geschäftlichen Gründen, in der Hoffnung auf erotische und andere Abenteuer oder einfach für einen luxuriösen Urlaub eine Unterkunft suchen – in den James-Bond-Geschichten und der dazugehörigen Hotelwerbung können sie alle fündig werden. Resümee: James Bonds Hotelgeschichten Umberto Eco bezeichnet die Reise als archetypische «Spielsituation» (Eco 1966: 88) in James-Bond-Romanen; die Reise ist ein Wettstreit, aus dem einer der Kontrahenten als Sieger hervorgehen muss. Der Sieger heißt stets Bond: «Bond spielt immer, siegreich» (ibid.: 89). Er geht Risiken und Verbindungen zu unterschiedlichen Spielpartnern (und -partnerinnen) ein, immer mit dem Ziel, am Ende zu gewinnen. Es ist zwar ein Spiel, aber ein mitunter tödliches, das Bond sehr ernst nimmt. Die Reisesituation zeigt die Stationen auf seinem Weg zum Sieg auf, und die dazugehörigen Hotelräume werden Zeuge von Eroberung, Verschwörung, Taktik und Spielstrategien. Das Hotel selbst ist wie ein Spielbrett, das feste Regeln (z.B. routinierte Arbeitsabläufe, Diskretion der Mitarbeiter und Akzeptanz des Gastes als König) und Spielfiguren (z.B. den Gast, den Rezeptionisten, den Barkeeper, das Reinigungspersonal) vorschreibt, die in jedem Hotel vorhanden sind, aber in ihrer Ausprägung und in ihren Verhältnissen 53 003 54 Bonds Welten zueinander variiert werden können. Der Aufenthalt im Hotel wird, wie im Spiel, jedoch nicht nur von diesen Regelmäßigkeiten, sondern ebenso von Zufall und Glück bestimmt. Anfänglich anonyme und neutrale Hotelräume werden in unterschiedlichen (fiktionalen) Kontexten der Geschichten um 007 zu Orten der Zuflucht, des Verstecks und des Identitätswechsels, zu Orten der Gefahr, des Hinterhalts und des Todes – und gleichzeitig zu Orten der Lust, der Liebe und des Besitzens. Dadurch werden laut Eco bei Bond die gegensätzlichen Prinzipien von Eros und Thanatos, von Lustprinzip und Realitätsprinzip, von Liebe und Tod vereint (ibid.: 85). Bonds widersprüchliche Identität braucht das Hotel: Er, der oft als Inbegriff des englischen Gentleman angesehen wird, ist eigentlich ein Reisender und Heimatloser, der nur einen Teil seiner Zeit in England verbringt und der seine englische Identität vornehmlich in der Fremde im Schutz neutraler Hotels konstruiert. Er kämpft für traditionelle Werte und Stabilität, während er selbst ein unkonventionelles und unstetes Leben führt und seine Abenteuer hinter fremden Türen besteht. Das Hotel ist daher ein idealer, da immer wieder neu zu gestaltender Ort für James-Bond-Geschichten, der als Schauplatz für alle Facetten des Agentenlebens dienen kann. Die Mythenbildung um die fiktionale Figur wird inzwischen von der Tourismusindustrie ausgiebig zu Vermarktungszwecken genutzt, sobald die Hotels auch nur entfernt mit Fleming oder Bond in Verbindung gebracht werden können. Dass die realen Hotels so erfolgreich für James Bond werben können, zeigt unser stetiges Bedürfnis nach Fiktion(en), das uns in unserer unüberschaubaren postmodernen Welt nach Identifikationsmustern und Fantasien suchen lässt. Die (fiktionalen) Hotels als Reisestationen helfen Bond bei seinen Spielen bzw. Missionen, Bond hilft dafür den (realen) Hotels im Wettstreit der globalen Tourismusindustrie und ihren Gästen auf der Suche nach ihren eigenen Abenteuern – eine neue Form von Bündnis. Filmografie FROM RUSSIA WITH LOVE (GB 1963, D: Terence Young, Sc: Richard Maibaum). GOLDFINGER (GB 1964, D: Guy Hamilton, Sc: Richard Maibaum).