„Morgen tanzt die ganze Welt“
Transcription
„Morgen tanzt die ganze Welt“
I mag sonnabend/sonntag, 14./15. september 2002 Fortgesetzte Notaufnahme. Barbara Bollwahn über den Fall eines Simulanten aus Hilflosigkeit SEITE IV und V Anwalt der Ohnmächtigen. Ulrike Winkelmann über das Phänomen Schill SEITE VI Unter das Eisen setzen. Heide Oestreich über einen neuen Film zur Beschneidung von Frauen SEITE VII 37. woche nr. 259 „Ich bin open-minded – ihr seid es nicht!“ Blick in das Berliner Atelier von Norbert Bisky FOTO: FRANK WEGNER „Morgen tanzt die ganze Welt“ Interview von NIKE BREYER S-Bahn-Station Humboldthain im Berliner Arbeiterbezirk Wedding. Wie verabredet, kommt Norbert Bisky im Auto vorbei, um den Weg ins Atelier abzukürzen, der durch Bronx-ähnlich verwinkelte Straßenzüge in einen alten Industriehof führt. Biskys Atelier ist ein großer, heller, sauberer Raum. Bilder stehen an die Wand gelehnt. Die bemalte Seite ist weggedreht. Ein Hawaiihemd hängt zum Trocknen im Badezimmer am Ende des Flurs. Mit dem blondem Kurzhaarschnitt wirkt Norbert Bisky jungenhaft, ist entwaffnend gut erzogen. Einer, dem man schwer die faustische Künstlerexistenz zutraut, dagegen problemlos jeden Tag eine gute Tat. taz: Herr Bisky, den bühnenreifen Zwischenfall im Mai auf Ihrer Vernis- sage im Brandenburgischen Kunstverein in Potsdam haben Sie mitbekommen? Norbert Bisky: Dass das eine Bild runtergefallen ist? Ja, das mit dem Jungen, der den Arm zum „deutschen Gruß“ erhoben hat. War das jetzt symbolisch? Ich kenne die Geschichte so, dass jemand so lange dagegengestoßen hat, bis das irgendwann runtergekommen ist. Gerüchte. Sie standen daneben, na gut. Also, ich weiß nicht, warum das Bild von der Wand gekommen ist. Am Bild kann es nicht liegen. Wahrscheinlich lag’s an den Energien, die die Leute dagegengeschickt haben. Ich finde, man muss sich da jetzt mal ein bisschen beruhigen. Die Medien – oder wer auch immer – rennen durch so eine Ausstellung und suchen etwas, woran sie sich hochziehen S01-mag-07 Manche Kritiker wittern bei diesem Maler Nazifolklore, andere sichten sozialistische Propaganda. An Norbert Biskys Pop Art blauäugiger, blonder Jugend scheiden sich die Geister können. Das ist aber, glaube ich, ein völlig harmloses Bild. Der Junge könnte genauso gut nach hinten zeigen. Der Arm verlängert sich eben in der Diagonalen. Das glaub ich eher nicht, dass der auch auf ein Flugzeug oder eine Libelle zeigen könnte. Na gut. Ich hab mir ja auch was dabei gedacht. Warum hängt dieses Bild nun in dieser Ausstellung in Potsdam, in Brandenburg. Warum? Kunst hat ja mit Kommunikation zu tun. Ich fahre viel in Brandenburg herum, und da ist es in den so genannten neuen Ländern nun so, dass die Kids, wenn sie auf der Suche sind nach einer Geste, nach einem Zeichen, mit dem sie die gesamte andere Welt maximal verschrecken können, die Welt ihrer Eltern, also alle, die älter sind als achtzehn und damit Feinde, dann beziehen sie sich halt auf diese ganze alte Nazischeiße. 12. September 2002, 15:16 Uhr Hm. Ich habe da erst mal keine Berührungsängste. Da ist auch mein kultureller Hintergund. Ich komme ja aus dieser russischen Kolonie. Aber ich finde es erschreckend, wenn Sie durch diese Orte fahren, wie dort Leute mit kahl rasiertem Kopf Patrouille fahren, in ihren tiefer gelegten Autos. Ich hab’s grad wieder erlebt. Vielleicht (lacht) drehen sie auch nur ihre Kreise, weil sonst gar nichts los ist. Das ist bedrohlich? Auf mich wirkt es sehr bedrohlich. Ich will jetzt gar nicht irgendwelche Klischeetüren aufstoßen. Aber das sind Dinge, wo ich sage, da ist was nicht in Ordnung. Da war bis gestern so ein Pseudosozialismus, und jetzt rennen die Leute mit doch sehr rechten, vielleicht nicht Ansichten, aber nach außen Fortsetzung nächste Seite tazmag Fortsetzung getragenem Gebaren herum. Darauf reagiere ich. Ich betone das nochmal, das ist kein faschistisches Bild. Das ist auch keine Ausflucht. Das zum einen. Das andere ist: Wir haben eine kranke, ungesunde Situation, in der jeder, der versucht, sich mit der deutschen Geschichte, also mit diesen beiden Diktaturen, durch die wir gegangen sind, zu beschäftigen – und ich fühle mich geradezu genötigt, mich damit zu beschäftigen, weil ich in dieser einen Dikatatur groß geworden bin –, sofort in eine rechte nationalistische Ecke gedrückt wird. Es gibt da diesen türkischen Schauspieler, der fährt durch die neuen Bundesländer mit einem Tourneeprogramm und liest aus „Mein Kampf“ vor. Das ist eine ganz großartige Sache. So muss man das machen. Man muss die Sachen erst mal auspacken: Was haben die da gemacht? Woher kommt diese Faszination? Das fehlt weitgehend. Und das ist schlimm. Schlimm für unsere Kultur. Ich bin durch meine Herkunft, durch die Art, wie ich lebe, durch das, was ich tue, durch und durch antifaschistisch und in meiner Existenz von dieser Form der Ideologie auch bedroht, dass ich der Erste bin, der jedes Interesse hat, gegen die Gefahren dieser Ideologie zu kämpfen. Nur – man muss anders damit umgehen. Und das versuche ich. Die britischen Chapman-Brüder etwa können sich ganz frei, dabei auf sehr interessante Weise mit dem Phänomen Nationalsozialismus beschäftigen. Wenn Sie das als deutscher Künstler tun, kriegen Sie sofort Probleme. Prinzipiell stimme ich zu. Aber sind Ihre Bilder nicht besonders offen? Kann die nicht jeder lesen, wie er will? Ich bin ganz sicher, diese Bilder kann man nicht mehr missbrauchen als andere auch. Das ist unmöglich. Warum reibt sich die Kritik dann so sehr an diesem Punkt? Ich kratze an den Türen. Und dahinter ist das Zimmer, in das man nicht reingehen darf. Nehmen wir die Achtundsechziger. Da haben sich Leute einer Generation in ein ganz bestimmtes Wertesystem begeben und sind jetzt auf ganz totalitäre Weise in ihrem eigenen Denkmuster drin. Ich bin in einer Diktatur großgeworden. Mir ist das alles sehr vertraut. Wenn jemand nicht die Freiheit aufbringt, Dinge auch einfach mal zuzulassen, registriere ich das sofort. Ich lebe aus dem Bewusstsein, ich bin jetzt in einer freien offenen Gesellschaft und kann mich auch frei und offen bewegen – und das tue ich. Sie halten wenig davon, dass ein Künstler mitverantwortlich ist für die Weise, in der er wirkt. (Energisch) Ich bin hundertprozentig verantwortlich für meine Bilder. Dabei ist das offensichtlich eine Frage, die schrecklich interessant ist. Denn sie II morgen tanzt die ganze welt sonnabend/sonntag, 14./15. september 2002 wird mir immer wieder gestellt: Was ist, wenn die Rechten so ein Bild kaufen? Nun bin ich in der komfortablen Situation, dass die das einfach noch nie gemacht haben. Und dafür gibt’s auch Gründe. Das glaubt mir nur keiner. Dafür gibt’s Gründe? Sie haben mich fürchterlich beschimpft in ihrem Szenezentralorgan Junge Freiheit, wie dumm und uninteressant das alles ist, was ich mache. Interessant. Da könnte ich mich zurücklehnen und sagen, damit ist das Problem für mich erledigt. So ist es aber gar nicht. Wenn diese Leute anfangen, sich mit meinen Sachen auseinander zu setzen, dann setze ich mich auch mit diesen Leuten auseinander. Ich lehne es ab, von vornherein zu sagen, diese Leute dürfen kein Bild von mir kaufen. Und wissen Sie, warum ich das ablehne? Wegen der totalitären Art, diese Dinge zu denken. Wie auch immer, sie machen’s nicht. Sie können mich nicht leiden. Ich kann die auch nicht leiden. Das wissen wir also gegenseitig. Können wir auf Ihre Bilder schauen? Auf dem einen, das Sie mir eben gezeigt haben, löst sich der Körper des Jungen so eigenartig auf. Die Form des Arms erinnert an eine Kaulquappe. Das stört die Feier des schönen, gesunden Körpers. Das ist ein Bild, an dem ich sehr sehr lange gemalt habe. Das habe ich vor zwei Jahren begonnen und erst Ende letzten Jahres fertig gestellt. Es ist durch vier verschiedene Ateliers getragen worden, also ein Bild, mit dem ich rumgereist bin. Vielleicht hat es dem Bild gut getan. Vielleicht sieht man einfach diese Zeit, die sich darin abgehangen hat wie bei einem guten Schinken. Und das Motiv? Das grenzt an Morphing, an bildtechnische Veränderung der natürlichen Morphologie. (Nachdenklich): Na ja, es gibt ja so linkische Bewegungen, die ganz sicher sein, ganz sicher aussehen sollen, die dabei aber furchtbar missglücken. Sie sehen es weniger vom Malerischen. Mehr vom Motiv. Zum Malerischen kann ich sagen, was ich vorher auch schon zu diesem falschen Hitlergruß gesagt habe, dass die Bewegung hier relativ genau in die Diagonale reingeht. Das ist etwas, was ich gut finde und oft benutze. So ein Bild hat vier Kanten. Da sind die Möglichkeiten, das Geschehen zu dynamisieren, begrenzt. Und diese wenigen (lacht) muss man nutzen. Es geht also um eine missglückte Bewegung, vielleicht um eine missglückte Pose? Posen sind ja der Körper als Zeichen, nicht wahr. Der Körper macht ein Zeichen. Und Zeichen sind toll, weil sie relativ universell sind. Innerhalb eines Kulturraums. Ja, oder in einem anderen Kulturraum anders aussehen. Letztes Jahr habe ich in Portugal ausgestellt. Da sagen die Leute, na ja gut, das ist ein deutscher Maler, und finden das gar nicht ungewöhnlich, dass die Figuren alle blond sind. Das entspricht deren Vorstellung vom Norden Europas. Die sehen auch gar nicht diese Bezüge zum Osten, die zu Anfang hier immer so herausgestellt wurden, den Bezug zur Tradition der russischen Bilder oder den Bildern aus den russischen Kolonien. Die Leute in Portugal haben solche Bilder noch nie gesehen. Deshalb stellen sie andere Zusammenhänge her. Dann reden Sie mit einem Biologen, und der sagt Ihnen dann, na ja, das ist ja klar, hier sind die Möglichkeiten thematisiert, die durch die Genomentschlüsselung und die Möglichkeiten des Klonens entstehen. Der meinte, die Figuren sähen aus wie aus einer Pro7-Nachmittagsserie, wo Außerirdische auf der Erde landen, die alle gleich aussehen und komisch gucken. So was läuft nachmittags auf Pro7? (Lacht): Keine Ahnung. Ansonsten kann ich dazu nur sagen: Klischees sind so eine Sache. Man kann sich gegen Klischees überhaupt nicht wehren. Das ist ein verlorener Kampf. Man kann da nur so rangehen, dass man sie absolut übererfüllt. Indem man den Erwartungen so sehr entspricht, dass es ins Leere läuft. Das ist der Umgang, den ich am besten finde. Pose befindet sich ja in direkter Nachbarschaft zum Klischee. Beides befreit das Individuum vom authentischen Ausdruck. Geschieht das auf Ihren Bildern bewusst? Absolut bewusst! Gehen Sie doch einmal auf die Straße: Die Leute sehen alle gleich aus. Es wird zwar erzählt, dass alles immer individueller wird. Aber ich habe eher den gegenteiligen Eindruck. Früher haben die Leute die gleichen Klamotten gekauft. Jetzt rennen sie in die Fitnessstudios und versuchen alle, den gleichen Körper zu kriegen. Das ist absurd. Die Menschen betrachten ihren Körper als ein Kleid, an dem sie herumschneidern können. Eine groteske Situation. Es gibt ja auch Menschen, die haben Visionen und bauen an ihrem Leben, die versuchen etwas zu schaffen, ein Haus, ein Bild. Dagegen steht diese Ichbezogenheit: Ich bau nur noch an meinem Körper rum. Ihre Bilder entwerfen in gewisser Weise das Ideal dieses modernen Gleichheitswahns: makellose, weitgehend identische Körper. Dabei haben die Figuren, malerisch gesehen, oft auch etwas Ornamentales. Da entsteht was. Das ist alles bei mir noch nicht fertig. Das sind dann vielleicht irgendwann Fleischberge. Oder wenn Sie das Bild umdrehen (lacht), sind’s Hühner. Da geht es überhaupt nicht mehr um einen einzelnen Körper. Das ist ja auch ein abstraktes Bild. Trotzdem nimmt man das Erzählerische meist stärker wahr. Irgendwo war in Bezug auf Ihre Figuren sogar mal von „blonden Bestien“ die Rede. Dabei wird oft vergessen, dass es sich um Leinwand und Ölfarbe handelt, dass das eine ganz langsame Sache ist, die aus der Tradition der Bilder lebt und auch daraus erwachsen ist. Dass das überhaupt nichts angelegt Spektakuläres ist. Also keine blonden Bestien. Das habe ich schon ein paar Mal gesagt: Holen Sie doch die Nazibilder hervor! Das Probem ist: Man sieht sie nicht. Sie denken an Arno Breker? Der war ja Bildhauer. Von Skulpturen verstehe ich überhaupt nichts. Ich weiß überhaupt nicht, was das ist, so komische dreidimensionale Sachen. Ich bin (lacht) ein vollkommen flacher Mensch. Aber wenn man diese Bilder der Dreißigerjahre daneben hält, dann sieht man ganz klar, wie anders meine Bilder sind. Da der Vergleich fehlt, wird immer eine falsche Vergleichbarkeit konstruiert. Ihre grellen Candyfarben erinnern tatsächlich eher an Bubblegum und Pop Art als an die NS-Bildsprache. Dieses Bild ist viel näher an Jeff Koons dran als an Arno Breker. Im Übrigen habe ich mich auch ein bisschen mit diesen Sachen beschäftigt. Es gibt ja diese Sportlerbewegung seit Ende des 19. Jahrhunderts, mit diesen „Spartakiaden“ und Arbeitersportfestspielen. Im sozialistischen Russland. Nö, überall, auch in Deutschland. Es gab eine Unmenge von lebensreformerischen Ansätzen. Das war eine Reaktion auf den Körper, den die Industriegesellschaft produziert hat, und der ganz schrecklich aussieht irgendwann. Dabei begrüßen sich die Sportler mit erhobenem Arm. Die Nazis haben das nicht erfunden, sie haben benutzt, was es vorher schon gab. Weil sie so eine gewalttätige Kultur hervorgebracht haben, haben sie das alles vereinnahmt. Vielleicht muss man ihnen das einfach wieder wegnehmen, es aushöhlen und entleeren, dass es ihnen nicht mehr gehört. Sie haben Jeff Koons erwähnt. Koons kommentiert unsere Welt als eine Warenwelt. Auch Ihre Bilder zeigen Ähnlichkeiten zur Bildsprache der Werbung. Die Werbewelt ist ja vor allem eins: Sie ist ganz fantastisch funktionierende Propaganda. Sie schafft das, was diese armselige kommunistische Kulturwelt nie erreicht, aber immer versucht hat: Propaganda und Werbung für ihr eigenes System so zu machen, dass die Leute ganz glücklich und überzeugt davon durch die Gegend laufen. Das schaffen diese Werbestrategen für ihre Produkte auf eine ganz grandiose Weise: Die Leute identifizieren sich mit ihrem Auto oder mit ihrer Waschmaschine. Da ich von außen komme, hab ich dafür einen besonderen Blick. Nicht zuletzt ist die „Es ist die Frage, ob man Kunst und Moral immer in einem Atemzug nennen muss.“ Norbert Bisky vor Öl auf Leinwand FOTO: FRANK WEGNER S02-mag-07 12. September 2002, 15:16 Uhr Mauer wegen dieser bunten Filmchen gefallen. Man soll die Kraft dieser Werbebotschaften nicht unterschätzen. Das ist das eine. Das andere ist: Es ging vorhin um den Kommentar, den Jeff Koons zur Gesellschaft formuliert. Also mir wurde zehn Jahre lang immer gesagt, du kommst aus einer Welt, die ganz unterdrückt war. Von der bist du geprägt. Du hast keine freien Gedanken im Kopf. Du kannst dich gar nicht frei bewegen. Du musst das erst mal lernen. Sagten die Wessis. Damit wurde man jahrelang bombardiert. Ich habe nun den ganz starken Impuls, mit meiner Arbeit aufzuzeigen: Nein, ich bin ganz tolerant. Ich bin open-minded, ihr seid es nicht. Mit zwei, drei kleinen Griffen führe ich euch an eure Grenzen und sage euch, da geht ihr nicht weiter. Über diese Brücke geht ihr nicht. Da habt ihr ganz intolerante Gedanken. Da werdet ihr sofort ganz undemokratisch. Das ist mein Impuls. Das wird sich wahrscheinlich irgendwann erledigt haben. Aber macht diese tolle Propaganda der Werbung, wie Sie sagen, nicht auch dumm und krank? Also, Propaganda ist für mich ganz negativ besetzt. Wenn man sich vorstellt, was sich da abspielt: Die Leute sagen, ich gehe zwar wie ein Idiot jeden Tag in den falschen Job, aber damit verdiene ich das Geld, um mir Dinge zu kaufen, von denen mir gesagt wird, dass ich sie kaufen muss. Dieses „Shoppen“ hat ja nichts Freiwilliges, sondern die Leute müssen sich bestimmte Dinge anschaffen, damit sie weiter in der Gesellschaft drin sind. Ich finde es schlimm, dass es ausschließlich irgendwelcher Autound Produktwerbung überlassen bleibt, die Sehnsüchte der Menschen zu visualisieren. Dass sich die Künste immer mit dem Dreck und den Problemen beschäftigen müssen. Man muss auch der Werbung die Utopien wieder wegnehmen, diese ganz alte Sehnsucht der Menschen nach einem guten, schönen Leben. Vielleicht nimmt man aber der Werbung mit den utopischen Motiven auch den Mechanismus der Entmündigung. Muss man da nicht Widerhaken in die eigene Arbeit einbauen? Ich bin ganz sicher, dass die Widerhaken, die andere in Bilder eingebaut haben, blöde sind und überhaupt nicht funktionieren. Es gibt ja in den Neunzigerjahren diese Soz-Art. Da wird dann eine heile Welt gemalt, um dann einen roten Pinsel zu nehmen und das alles wieder durchzustreichen oder irgendwas drüberzuschreiben. Das finde ich dümmlich. Auf der andern Seite soll man so ein Bild auch nicht überschätzen. Man kann dort keine Konflikte klären. Das kann man mit Worten machen. Man kann die Bilder verrätseln? Man kann auch das Gegenteil machen. Und ich glaube, dass das Gegenteil auch zum Erfolg führt. Ich führe ein Bild vor, wo die Leute denken können: Das habe ich sofort erfasst und das ist ja so dumm und platt und flach. Dann ist das Bild aber immer noch da und auch noch nach zehn Jahren. Da sehen sie, dass es so nicht funktioniert. Denn dann muss man sich immer noch damit beschäftigen. Wie erfolgt Ihre Bildfindung? Gibt es bevorzugte Tageszeiten, besondere Zustände, Träume? (Lacht): Ich führe ein relativ normales Leben. Verstehe, no sex, no drugs, no rock ’n’ roll. (Lacht): Nein, nein, keine Drogen. Wenn ich zwei Gläser Wein getrunken habe, kann ich schon nichts mehr machen. Ich muss ausgeschlafen sein, einen klaren Kopf haben, dann kann ich arbeiten. Was hat am schlechtesten funktioniert von allen Drogen? Alkohol. Schlechter als Kokain? Kokain hat gar nichts gebracht. Da hätte ich auch einen Kasten Cola trinken können. Was bei Drogen noch eine Rolle spielt, ist, dass ich die meisten der Zustände, in die sich die Leute da hineinbegeben, auch ohne Drogen erreiche. Dass ich ohnehin schon immer damit zu tun habe, dass mich irgendwelche Visionen packen. Wo, wann? Ich finde, dass, wenn man nachts wach ist und arbeitet, so ein endloser Raum vor einem liegt. Man ist alleine auf der Welt. Da kann man unglaublich viele Dinge erleben. Und im richtigen Leben? Mir kommen viele Ideen beim Fahrradfahren oder wenn ich schwimme. morgen tanzt die ganze welt Treiben Sie Sport? Ich bin gerne in Bewegung. Das ist aber nicht Bewegung, die als Selbstzweck und auf der Stelle passiert wie bei diesen Laufbändern. Ich kann Sachen nicht besonders leiden, die mir unproduktiv vorkommen. Ich mag auch keine Kartenspiele. Weil ich immer denke: Jetzt sitze ich hier und spiele Karten und was mache ich eigentlich? Das ist wahrscheinlich der falsche Gedanke. Aber das ist ein Gedanke, den ich habe. Auf Ihren Bildern sieht man ständig Menschen bei Sport und Spiel. Verlegen Sie das Wohlgefallen an der sinnlosen Bewegung in Ihre Bilder? Ja ja, ganz sicher. (lacht) Meine Bilder sollen’s mal besser haben als ich. Klar, Sachen, die ich nicht mache und die in meinem Leben nicht stattfinden, die kommen auf die Bilder. Das ist in sich logisch. So wie in diesem Schlager von Udo Jürgens: „Was ich im Leben nicht habe und das alles in Farbe“. Das bieten bekanntlich auch die Medien, Werbung und Zeitschriften. Also, das ist verrückt. Mir werden ja immer Sachen nachgesagt wie Gewalttätigkeit und dass ich diese verherrliche in meinen Bildern. Kaufen Sie sich eine x-beliebige Modezeitung und schlagen Sie eine beliebige Fotostrecke auf und Sie werden viel mehr von diesen Dingen, die mir unterstellt werden, in diesen Szenarien finden. (Lacht auf, greift zu der auf dem Tisch liegenden „Vogue Homme“, blättert): Hier – da hantieren Gewaltverbrecher. Gucken Sie sich das mal an, ich erzähl doch keinen Blödsinn. In diesen Bildern sind Gewaltgelüste dargestellt, mit denen ich überhaupt nichts am Hut habe. Ich hinke da ganz, ganz weit hinter dem her, was an Produktwerbung entworfen wird, für blöde Unterwäsche oder solche Sachen, um das Zeugs zu verkaufen. Hm. Heiner Müller hat das mal so formuliert, sinngemäß, als er in New York durch die Kaufhäuser gerannt ist: „Zehntausend rosa Unterhosen bejahen nicht das Leben, sondern sehen nach Tod und Verwesung aus.“ Eine zentrale Figur, die die Werbefotografen bis heute beerben, ist Leni Riefenstahl. Haben Sie Arbeiten von ihr in der DDR gesehen oder war das im Giftschrank weggesperrt? Überhaupt nicht. Das Ulkige ist, ich habe mit sechzehn Jahren angefangen, Fotos zu machen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dieser Ästhetik haben. Und ich hab’s nie vorher gesehen. Die Frage ist, wo kommt das her? Vielleicht aus den Eisenstein-Filmen. Die konnte man sehen. Ja. Sergej Eisensteins berühmter Film „Panzerkreuzer Potemkin“ wurde 1927 ein Kassenschlager in Berlin. Da hat ihn die Riefenstahl auch gesehen. Also Riefenstahl gab’s nicht, aber Eisenstein gab’s und Muchina gab’s, diese russische Bildhauerin. Die hat dieses Paar für die Weltausstellung gestaltet, den Arbeiter mit der Faust, die Frau mit der Sichel. Das ist Bildergedächtnis geworden, was ich so im Hinterkopf abgespeichert habe, alle diese Russen, Alexander Deineka und solche Sachen. Sie meinen den Sozialistischen Realismus. Ja, das ist eine vergleichbare Bildsprache, und da hab ich’s halt her. Riefenstahl haben Sie dann im Westen kennen gelernt. Die ist mir irgendwann in Salzburg während der Sommerakademie untergekommen. Da gab’s Bücher, Fotos. Dann wurde auch ein Film gezeigt. In der Diskussion habe ich dann gesagt, das ist ja ungefähr dasselbe, was Mapplethorpe macht, derselbe Blick. Da wurde ich böse angegriffen, wie ich das in einen Topf werfen könne. Der würde doch schwarze Körper fotografieren, das wäre etwas völlig anderes. Aber ich sage, wenn man behauptet, das wäre ein faschistoider Blick auf den Körper, was man sicher machen kann, dann muss man sagen, Mapplethorpe guckt auch faschistisch auf den Körper. Und die Werbestrategen und Fotografen gucken auch faschistisch auf den Körper, und die Fitnessstudios gucken auch faschistisch auf den Körper. Wenn man diese Dinge strapazieren will, dann muss man sie generalisieren. Leni Riefenstahl muss man nicht mehr bekämpfen. Das ist halt einfacher. Aber es ist die Frage, ob man Kunst und Moral immer so in einem Atemzug sehen muss. Oder ob man sich selbst auch die Möglichkeit gibt, diese Dinge zu trennen. Ich war gerade in Ägypten. Wenn Sie diese fantastischen Kunstwerke sehen, die vor Jahrtausenden geschaffen wurden, diese Pyramiden und vor allem die Malerei in den Gräbern. Wenn Sie sich vorstellen, was für eine Barbarei das gewesen sein muss, wie viele Leute dabei draufgegangen sind, die das geschaffen haben, dann muss man aber trotzdem sagen können: Es ist wahrscheinlich eine absolute Sauerei gewesen, was dort stattgefunden hat, aber das Bild ist trotzdem ein gutes Bild. Darüber denken Sie nach? Ja, und ich bin noch zu keinem Ergebnis gekommen. Sehen Sie, in der DDR gab’s ganz beschissene Künstler, die sich aber moralisch auf der richtigen Seite gefühlt haben. Deshalb waren ihre Bilder aber nicht klasse. Dann gab’s Leute, die moralisch tolle integre Charaktere waren und trotzdem keine besonders guten Zeichnungen gemacht haben. Beim Sportler ist es einfach. Da sagen Sie, na gut, der hat jetzt den Weltrekord über hundert Meter abgeräumt, (lacht) egal ob er ein Schwein ist oder nicht. Bei der Kunst wird’s verwickelter. Manche Leute sagen ja, am 11. September haben die Bilder zurückgeschlagen. Hat das den Umgang mit den Bildern verändert? Ich glaube, da passieren zwei ganz fatale Sachen. Das eine ist, dass seitdem in der Kunst wieder ein Trend zu moralischer Aussage- und Bekenntniskunst spürbar wird. Da artikulieren sich übelste Lemuren, die direkt dem Sozialistischen Realismus entstiegen sein könnten. Man beschäftigt sich mit moralischen, politischen Fragen, aber auf dumme, platte Weise. Das andere ist: Ich entstamme ja nun nicht hundertprozentig diesem Kulturkreis. Bin durch meine Herkunft auch ein bisschen fremd hier. Und das ist gut. Das ermöglicht mir, diese hemmungslose Arroganz, mit der eine bestimmte Form von Zivilisation der restlichen Welt gegenübertritt, stärker zu fühlen. Man hat ja gesehen, dass das schon in Deutschland eine relativ komplizierte Sache ist, wenn man einen bestimmten Teil der Bevölkerung über mehrere Jahre kulturell demütigt. Also den Menschen sagt: Wo ihr herkommt, ist Scheiße, euer Leben ist Scheiße, eure Bilder waren Scheiße, eure Musik ist Scheiße. Schlimm. Ist alles nichts wert. Aber wir sind gut. Dass das schon nicht funktioniert und zu schweren Aggressionen führt, zu brennenden Dörfern, zu Leuten, die – Amok laufen. Dass sich da ganz schlimme Sachen ablagern, im Gedächtnis der Menschen. Dass das nicht gut ist, sowas zu tun, das kapiert man vielleicht irgendwann auch in Bezug auf andere Kulturen und andere Religionen. Kommen wir bitte nochmal zu Ihren Bildern: Waffen spielen immer wieder eine Rolle. sonnabend/sonntag, 14./15. september 2002 Ich hab da ganz platt ein Tabu verletzt, soweit ich mich auskenne in den alten Ländern, wie es so schön heißt (lacht). Aber ich habe als Kind auch einfach viel mit Kriegsspielzeug gespielt. Das waren allerdings harmlose Plastikwasserpistolen und solche Sachen. Ich habe damit die Helden imitiert, die ich im Fernsehen in irgendwelchen russischen Knalliballipartisanenfilmen gesehen habe. Ich beschäftige mich ja immer wieder mit Bildern aus meiner Kindheit. Es sind im Übrigen nie Waffen, die man in irgendeiner Weise benutzen kann. Das liegt im Auge des Betrachters. Also ich fühle mich in keiner Weise zu Waffen hingezogen. Gar nicht. Wenn man Ihnen zuhört, scheinen Künstler und Bild nichts miteinander zu tun zu haben. Wer hat denn nun diese Waffenbilder gemalt? (Lacht): Ich habe diese Bilder gemalt. Gut. Ich sehe ja nun viel mehr elektronische Bilder als gemalte Ölbilder im Museum, und da spielten Waffen nun mal eine ganz große Rolle. Aber auch in der Kunst sind die ersten Bilder Jagdbilder in Höhlen gewesen. Waffen gehören zu den Bildern, seit es Bilder gibt. Sie sind jetzt knapp über dreißig. Das macht (lachend) fünfzig Jahre, in denen Sie als Künstler weiter tätig sein möchten. (lacht): Sagen wir sechzig! Okay. Wohin soll die Reise noch gehen? Ich sehe gegenwärtig einen gewissen Widerstreit zwischen der Tendenz, Körper naturgetreu darzustellen, und dem gegenläufigen Hang, es „falsch“ zu machen. Wo eine Schulter plötzlich merkwürdig flach, ein Fuß grob und klumpig aussieht. Ich bin ganz glücklich, dass ich immer noch einen falschen Fuß malen kann. Das ist das Problem, das die Realisten irgendwann haben, dass sie gar nichts mehr falsch malen können. Das ist ein ganz schrecklicher unfreier Zustand: Da haben Sie als Maler echt ein Problem. Ich male eben auch einen Ballonfuß, also einen völlig absurden Fuß. Dieser Fuß, den Sie da meinen, der spielt keine Rolle für das Bild und ist relativ scheißegal. Der hängt da unten so dran, und ich finde, der muss genau so aussehen, wie er da ist. Verstehe. Falsch ist richtig. Manierismus ist nun eine Sache, die mir sehr nahe ist, denn da beginnt ja die Kunst. Zumindest die für mich interessante. Die beginnt mit dem Manierismus. Die Leute leben in katastrophalen Zeitumständen, es gibt Mord und Totschlag, Naturkatastrophen, Seuchen und die Pest, und sie fangen an, ganz überdrehte künstliche komische Sachen mit den Bildern zu machen. Die fangen an, freizudrehen. Das ist was ganz Interessantes. Dann gibt es ja in der Malerei auch die Bedeutungsperspektive, wo man nicht mit so einer blöden Zentralperspektive kommt, sondern die wichtigen Sachen malt man groß und die Sachen, die unwichtig sind, malt man klein. In den Kirchen im Mittelalter. Ganz tolle Sache. Ich habe das Bedürfnis, das in diesem Sinne immer wieder von Bild zu Bild neu zu entscheiden. Ein Stil ist da eher hinderlich. Stil ist hinderlich? Ja, sehen Sie, das ist ein Wechselspiel. Ich glaube, dass die Bilder das einerseits brauchen, dass eine gewisse Annäherung an eine optische Wirklichkeit stattfindet. Auf der anderen Seite will ich das Bild auch immer wieder wegzerren von einer zu starken Nähe an eine reale Widergabe. Ich will auch immer wieder sagen, nein, das ist ein Bild. Das ist was ganz Flaches. Das ist Farbe auf Leinwand. III „Morgen tanzt die ganze Welt“: harter Titel für ein harmloses Bild oder harmloser Titel für ein hartes Bild? FOTO: KATALOG „ESSIG UND BLUT“ Die Spannung zwischen Bild und Titel ist bei Ihnen sehr wichtig. Da heißt es zum Beispiel „Alle wollen den Führer sehen“ oder „rechts um“. Ein elektrisches Motiv wie das mit dem ausgestreckten Arm hat dann wiederum den lieben Titel … „Morgen tanzt die ganze Welt“. (lachend): Kann doch nicht bös gemeint sein, denkt man sich da als Betrachter. „Morgen tanzt die ganze Welt“ klingt, finde ich, sehr bedrohlich! Finden Sie? Es gibt ja diese schöne Zeile, also diese schreckliche Zeile aus dem NS-Lied „… und morgen die ganze Welt“. Da ist das hier wie ein schlechter Robert-Gernhardt-Pseudoreim darauf. Das ist der Titel, den ich also gar nicht haben muss. First we take Manhattan … … then we take Berlin. Wie auch immer, bei „Morgen tanzt die ganze Welt“ denkt man doch eher an die Love Parade. Ich finde den Titel relativ hart, weil, wenn die ganze Welt tanzt, dann wird sie ja dazu auch genötigt. Da stecken solche perversen Allmachtsfantasien dahinter. Man kann ja auch die Verhältnisse zum Tanzen bringen. Im Übrigen ist „Morgen tanzt die ganze Welt“ ein tschechischer Film aus den Fünfzigerjahren. Kann ich relativ genau sagen, tschechisch oder ungarisch. Den Titel zu meinem Bild gab’s also vorher schon. Ich hab den nur … Apropriiert. Geklaut. Warum überhaupt so starke Titel? Also es gibt ja Leute, die nennen ihre Sachen so … hm, Gott … also so was wie „Schrägraum, Strich, unendlich“. So in der Art. Schwer mysteriös. Pseudoscheiße. Wo sich die Künstler auf der sprachlichen Ebene weit hinter dem bewegen, was sie im Bildnerischen machen, auf Töpferkursniveau. Das versuche ich zu umgehen. So nehme ich eben Sachen aus diesem Kulturmüllhaufen, den diese Diktaturen hinterlassen haben, und spiele damit. Ich hab ganz viel Zeug aus meiner DDR-Kindheit im Kopp. Ich kann Ihnen sofort zwanzig Pionierlieder vorsingen. Absoluter Müll. Wenn mein Gehirn eine Festplatte wäre, müsste man das löschen. Stattdessen benutze ich diese Sachen. Wenn es gelingt, dann zieht ein Titel ein Bild nochmal in eine andere Richtung. Wenn die also auf dem Bild alle nach links laufen, dann sorgt der Titel vielleicht dafür, dass sie eigentlich doch auf dem Weg in die andere Richtung sind. Der Titel als der letzte Pinselstrich? Gewissermaßen. Neulich zum Beispiel habe ich mit einer Freundin telefoniert, als sie in einer Kneipe war. Da hörte ich im Hintergrund jemanden den Satz sagen „Schweinefilet wird alle sein“. Das habe ich aufgeschrieben und dachte, passt wunderbar zu diesem Bild. Um so was zu schätzen, muss man eigentlich Gedichte lesen. Ich habe tatsächlich ein paar Jahre lang sehr viel Gedichte gelesen. Gottfried Benn zum Beispiel. Ich finde auch, Gedichte sind Bildern vergleichbar. NIKE BREYER lebt als freie Autorin in München und interessiert sich gerade für die ästhetischen Koordinaten des „faschistischen Blicks“ Marke Deutsch-Pop Norbert Bisky wurde 1970 in Leipzig geboren. Sein Vater Lothar Bisky ist der heutige PDS-Fraktionschef im brandenburgischen Landtag. 1980 zieht die Familie mit den drei Söhnen nach Ostberlin, wo Norbert Bisky eine typische DDR-Kindheit verlebt: dreizehnter Stock im Plattenbau, FDJ-Mitgliedschaft, singen, spielen, marschieren. Nach Schulabschluss und dem Fall der Mauer hört Bisky Vorlesungen in Germanistik und Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität, bevor er sich an der Berliner Hochschule der Künste bewirbt und wunschgemäß in die Klasse Georg Baselitz aufgenommen wird. Anfangs hat Bisky keinen Zugang zum Gegenständlichen. Auf der Sommerakademie Salzburg 1994/95 entdeckt er in der Klasse von Jim Dine, dass figuratives Arbeiten ihn doch interessiert. Als er 1995/96 als Stipendiat für ein Jahr nach Madrid geht, findet er zu seiner Form – gegen die hämischen Kommentare seiner Westkommilitonen und in produktiver Auseinandersetzung mit Baselitz. 2001 zeigt der Berliner Galerist Michael Schultz die erste Bisky-Einzelausstellung. Sie zeitigt kontroverse Reaktionen bei Kritik und Publikum. Während man sich im Ausland für die Qualität seiner Bilder interessiert und Respekt zollt, konzentriert sich die Kritik hierzulande immer wieder auf den Aspekt anrüchiger Botschaften, sprich den Ideologieverdacht gegenüber dem Maler. Ausnahme von der Regel ist der bekennende Bisky-Fan und FDP-Parteivorsitzende Guido Westerwelle. S03-mag-07 Natürlich sind die schmalen Knaben, die sich auf Norbert Biskys Bildern vor immerblauem Himmel tummeln, extrem blond und, wenn sie den Blickkontakt zum Betrachter suchen, extrem blauäugig. Die grafischen Nasen, die im Nacken ausrasierten Kurzhaarschöpfe, auch mit Seitenscheitel, wirken sehr deutsch. Auch wenn sie damit weniger einem realen als einem idealen Phänotypus entsprechen, wie ihn die Propaganda der Dreißiger- (NS-Zeit) bis Sechzigerjahre (DDR) kultivierte. Doch der tapetenhafte Bildaufbau, der farbige Flächen bildrauschhaft gegeneinander stellt und keine Tiefe zulässt, die manipulierten Horizonte drehen Biskys Leinwandspektakel in eine andere Richtung. Hier werden nicht Erinnerungen verklärt, hier wird 12. September 2002, 15:16 Uhr Gegenwart angerichtet, zugegebenermaßen mit Versatzstücken aus dem kulturellen Bildarsenal Mittel- und Osteuropas. Aber in der lauten Willkür der Farben, der plakativen bis absurden Anmutung der Motive greift Bisky auf die programmatische Formensprache von Werbung und Produktdesign zurück, die hier nichts verkaufen will als sich selbst. Bisky-Einzelausstellungen in den nächsten Monaten: Museum für Junge Kunst, Frankfurt (Oder): 17. November 2002 bis 19. Januar 2003; Galerie Michael Schultz, Berlin, Mai 2003. Im Dezember 2002 erhält Norbert Bisky einen Raum in der Ausstellung „Kopf und Figur. Die neue intensive figurative Malerei“ in der Galleria d’Arte Moderna, Bologna, Italien. NIKE BREYER tazmag IV obdach sonnabend/sonntag, 14./15. september 2002 Fortgesetzte Notaufnahme Jahrelang ließ sich Marcus P. in Dutzenden von Kliniken aufnehmen – ohne krank zu sein. Die Geschichte eines Simulanten aus Hilflosigkeit aus Witten BARBARA BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA Marcus P. ist leicht zu erkennen. Am Telefon hat er sich beschrieben. 1,99 Meter Körpergröße, 120 Kilogramm Gewicht. Wie verabredet, wartet er mittags um zwölf in der Eingangshalle des Bahnhofs in Witten, einer hunderttausend Einwohner zählenden Stadt an der Ruhr, zwischen Bochum und Dortmund. Sein Händedruck ist nicht sehr kräftig, sein Lächeln nett, schüchtern. Seine Kleidung – Sweatshirt, Hose und Turnschuhe – trägt er in XXL. Die Schultern hängen leicht nach vorn. Die Arme schlenkern beim Laufen unbeholfen an ihm herum. Die Beine scheinen ihm nur schwer zu folgen. Der Schnauz- und Kinnbart des 27-Jährigen ist mehr jugendlicher Flaum denn Erwachsenenstatus. Die Augenlider hängen etwas tief, sodass er immer betrübt wirkt. V iel Grund zum Lachen hat Marcus P. ohnehin nicht. Bei der Staatsanwaltschaft Hagen läuft ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gegen den nicht vorbestraften jungen Mann wegen einer Vielzahl von Betrugs- und Diebstahlsdelikten. Anderthalb Jahre lang ließ er sich in Kliniken kreuz und quer durch Nordrhein-Westfalen als Patient aufnehmen – ohne wirklich krank zu sein. In Düsseldorf, Neuss, Köln, Wetter, Hagen, Mönchengladbach, Solingen, Krefeld, Bottrop, Wuppertal, Duisburg, Recklinghausen, Witten und einer Reihe anderer Städte. Er hat Patienten bestohlen und in Internetcafés gesurft, ohne zu bezahlen. Es sind so viele Einzelfälle, dass die Staatsanwaltschaft noch eine Weile brauchen wird, bis die Anklage steht. Anfang Juni wird Marcus P. in einem Internetcafé in Witten festgenommen. Er kann die Rechnung nicht bezahlen. Bei der polizeilichen Vernehmung fliegt der Krankenhausbetrug auf. Weil Marcus P. davon erzählt. „Ich wollte, dass es zu Ende ist“, sagt er auf dem Weg vom Bahnhof zum Stadtzentrum. „Das ist ein ganz armer Hund, bei dem irgendwann etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Der gehört nicht ins Gefängnis“, sagt Richter Bernd Grewer vom Amtsgericht Witten, der den Haftbefehl aufhob. Seitdem muss sich Marcus P. zweimal in der Woche bei der Polizei melden und für Ämtergänge und Wohnungssuche regelmäßig die Beratungsstelle für Wohnungslose in Witten aufsuchen. Für das Gespräch wählt Marcus P. ein italienisches Eiscafé. Nicht, weil es ihm besonders gut gefällt. Aber es liegt in Sichtweite zur Polizei, wo er später noch hin muss. Die Stadt ist ihm nur wenig vertraut. „Am besten kenne ich hier die Krankenhäuser“, sagt er und braucht einige Sekunden, bis er die unfreiwillige Komik bemerkt. Lachen kann er darüber nicht. An die genaue Zahl der Kliniken, bei denen er sich Kost und Logis erschlichen hat, kann sich Marcus P. nicht mehr erinnern. „So ungefähr zweihundert“, sagt er, während er sich die erste von vielen Zigaretten dreht. Nein, sagt er, stolz ist er nicht auf das, was er getan hat. „Ich schäme mich.“ Der Satz klingt nicht nach aufgesetzter Reue. Seinen Nachnamen will er nicht in der Zeitung gedruckt sehen. „Wegen der Schande für meine Eltern.“ Vor der Festnahme von Marcus P. war Witten durch zwei Dinge über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Durch die Universität Witten-Herdecke, die erste deutsche Universität in privater Trägerschaft, und durch ein junges Paar, das angeblich auf „Befehl des Satans“ einen Bekannten mit 66 Messerstichen und Hammerschlägen regelrecht massakrierte. Und nun Marcus P. „Ein Wohnungsloser hat in Nordrhein-Westfalen den Aufstieg zum Simulant des Jahres geschafft“, schrieb die Nachrichtenagentur dpa und sparte nicht mit Spott. „Zum Verdruss des Gauners erließ ein Richter Haftbefehl, setzte ihn aber unter Auflagen außer Vollzug.“ Auf der Internetseite von Yahoo wurde die Meldung unter „Skurrile Nachrichten“ platziert. In dieser Rubrik wird von Menschen berichtet, die auf Geldautomaten pinkeln oder ein Chamäleon bei der Einreise als Hut tarnen. In der Wittener Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen hieß es: „Simulant lässt sich’s gut gehen im Krankenbett“. D ie Geschichte von Marcus P. ist eine traurige Geschichte. Er ist kein gerissener Betrüger, der sich einen Jux daraus machen wollte, das Gesundheitswesen vorzuführen. Dass er in Krankenhäusern ein Obdach suchte, ist Ausdruck von Verzweiflung, Hilflosigkeit und Unwissen. Marcus P. ist von Geburt an Epileptiker. Seine Eltern waren mit seiner Krankheit offenbar so überfordert, dass sie jeden Kontakt zu ihrem Kind abgebrochen haben. Seit Jahren schon. Die Mutter, so ist zu erfahren, war kühl und abweisend, als sie über die Festnahme ihres Sohnes informiert wurde. „Ich kann den aber nicht nehmen“, hat sie gesagt. Diese Ablehnung macht Marcus P. am meisten zu schaffen. Mehr noch als der bevorstehende Prozess. Für seine Krankenhaustour hat er eine simple Erklärung. „Ich brauchte ein Dach über dem Kopf und habe nur an mich gedacht“, sagt er beim Milchkaffee und blickt auf den Tisch. „Ich habe nie den Gedanken gehabt, dass es ein großartiger Betrug ist.“ Die Diebstähle – Geld, Handtaschen und Telefonkarten von Patienten – erwähnt er nicht. Erst auf Nachfrage. „Das tut mir Leid“, sagt er mit leiser Stimme. „Ich hatte kein Geld.“ Hört man Marcus P. zu, erscheint sein Tun logisch und normal – aus seiner Sicht. Er hat eben keinen einfacheren Weg gefunden, sich zu helfen. Nach seiner Festnahme bekam Marcus P. diverse Anfragen von privaten Fernsehsendern, die ihm Geld für seine Geschichte boten. Er hat abgelehnt. „Ich will meine Geschichte nicht verkaufen“, sagt er. Er will sie aber erzählen. Er überlegt kurz, wo er beginnen soll. „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, scherzt er. Beim nächsten Satz wird er Der Schwindel flog auf, weil er selbst der Polizei davon erzählte; „ich wollte, dass es zu Ende ist“: Marcus P. in seiner ersten eigenen Wohnung FOTO: WICIOK/LICHTBLICK ernst. „Seit meiner Geburt bin ich Epileptiker. Die Nabelschnur war um den Hals. Die ersten drei Jahre war ich nur im Krankenhaus.“ Seit zweieinhalb Jahren aber, sagt er, ist er anfallsfrei. Die Fakten seiner Schilderungen, ergibt die Recherche, stimmen im Großen und Ganzen. Aufgewachsen ist Marcus P. in Kempen, in Krefeld besuchte er eine Integrationsklasse der Montessori-Grundschule. „Bis zum dritten Schuljahr konnte ich nicht lesen und hatte starke Konzentrationsschwächen“, erzählt er. Nach sechs Jahren wurde er nach Bielefeld, in Europas größte diakonische Einrichtung, die von Bodelschwingh’schen Anstalten Bethel, überwiesen. Dort werden mehr als 14.000 Menschen in Kliniken, Heimen, Schulen, Kindergärten und Wohngruppen betreut. Für Epileptiker gibt es in Bethel – das Wort kommt aus dem Hebräischen und heißt „Haus Gottes“ – ein eigenes Zentrum mit Berufsbildungswerk und Internat. Marcus P. erzählt gerne und viel von seiner Zeit in Bethel. In einem Haus dort hatte er seine „beste Zeit“, lebte behütet und trotzdem relativ selbstständig. In einem anderen Haus war es ihm zu locker. „Dort vermisste ich das familiäre Gefühl.“ Der Hauptschulabschluss, sagt er, ist ihm leicht gefallen. „Wupp, weg, das ging ratzfatz.“ In seiner Freizeit ging er in Diskos, spielte Minigolf, fuhr mit dem Mountainbike durch Wälder, ging schwimmen oder in den nahe gelegenen Safaripark. Und hat viel gelesen, nachdem seine Leseschwierigkeiten überwunden waren. Karl May, Robinson Crusoe, Steven King, Superman, Batman. Alle zwei Wochen fuhr er nach Hause zu seinen Eltern. Mit der Mutter, Zentralistin einer Taxizentrale, und dem Vater, einem Bergmann, beide mittlerweile im Ruhestand, hat er sich gut verstanden. „Und jetzt sitze ich hier. Na, Prost Mahlzeit“, sagt Marcus P. und versucht zu lächeln. Einen Satz wiederholt er immer wieder. „Ich hänge noch immer an meinen Eltern.“ Der gute Draht zu den Eltern endet abrupt, als Marcus seine Freundin, die auch in Bethel lebt, zu Hause vorstellt. „Weiß Gott nicht die erste, aber die erste ernstzunehmende Beziehung“, sagt er, und es klingt etwas altklug. Die Mutter schimpft. „Wie kannst du so was anschleppen?“ Und: „Wir machen uns zum Gespött.“ Die Freundin zog seit einem Autounfall ein Bein nach. „Damit“, sagt Marcus P., „kam meine Mutter nicht klar.“ Für den Vater war es „Jacke wie Hose“. Doch zu Hause war das, was die Mutter sagt, „Gesetz“. Als die Eltern Silberhochzeit feiern, erlaubt die Mutter nicht, dass Marcus die Freundin mitbringt, beschimpft das Mädchen in Briefen. „Wir haben uns tierisch in die Köppe gekriegt“, sagt Marcus P. Weil er nicht ohne seine Freundin zu der Feier gehen wollte, ging er gar nicht hin. „Da warf mich meine Mutter raus.“ Immer wieder schüttelt er den Kopf. Wie soll man anderen das Verhalten der eigenen Mutter erklären, wenn man es selbst nicht versteht? Der Rauswurf bleibt nicht ohne Folgen. „Ich fühlte mich nicht mehr so munter, war schlecht gelaunt, wurde eigenbrötlerisch.“ Durch einen Mitschüler gerät er „auf die schiefe Bahn“, sagt Marcus P. „Er hat mich zum Trinken verführt. Das hat ausgeartet. Junge, Junge.“ Die Leistungen an der Berufsschule gehen „wupp, in den Keller“. Schließlich reichen die Noten nicht für eine Ausbildung, sein Wunsch, Verkäufer zu werden, rückt in unerreichbare Ferne. A ls Marcus P. Anfang zwanzig ist, zieht er aus dem Internat aus. Er sagt, dass er vorher mit Mitarbeitern in Bethel über seine Probleme gesprochen hat. „Ich hatte gehofft, dass sie Kontakt zu meinen Eltern aufnehmen.“ Der Leiter des Stiftungsbereiches Behindertenhilfe, Reinhard Hinz, will aus Datenschutzgründen nichts zu Marcus P. sagen. Doch er betont: „Wenn die Angehörigen nicht wollen, können wir nichts machen. Wir sind ja keine geschlossene Einrichtung.“ In seinen Erzählungen erwähnt Marcus P. eine Person, die sich offenbar so S04-mag-07 12. September 2002, 15:16 Uhr obdachlos um ihn gekümmert hat, wie er es brauchte. Es ist sein ehemaliger Klassenlehrer in der Grundschule in Krefeld, der bei der Überweisung nach Bethel behilflich war. Der 54-jährige Gregor W. kann sich noch gut an seinen ehemaligen Schüler erinnern. Am Telefon reagiert er „erschüttert und traurig“, als er von dem Ermittlungsverfahren gegen seinen früheren Schüler erfährt. „Als Marcus noch in Krefeld war, wirkte er wegen der Medikamente oft etwas verschlafen. Nach sechs Jahren ging er bei mir noch an der Hand.“ Später, sagt Gregor W., besuchte ihn Marcus einmal in der Schule, da muss er etwa neunzehn und noch in Bethel gewesen sein. „Ich freute mich über die gute Entwicklung.“ Marcus sei „kein gerissener Kerl“, sagt der Lehrer. „Aufgrund seines Schicksals stolpert er von einer Falle in die nächste.“ Kommt zwar irgendwie durchs Leben, sei aber „leicht manipulierbar“. Zum Elternhaus sagt Gregor W. vorsichtig: „Die Verhältnisse sind schwierig. Ich vermute, die Mutter hatte Schwierigkeiten, die Krankheit zu akzeptieren.“ Dieser Fall, meint der Lehrer, „zeigt ganz typisch, wie jemand aufgrund seiner Lebensgeschichte durch alle sozialen Netze fallen kann.“ Z eitweise wohnt Marcus P. bei seiner Freundin im Internat in Bethel, zeitweise in der kleinen Wohnung, die sie im Haus ihres Vaters in Köln hat. Und eine Zeit lang jobbt er. „Der Vater meiner Freundin hatte mir was besorgt.“ Regelmäßig fährt er nach Dortmund und Hagen, um Freunde zu besuchen. Das Leben plätschert so dahin. „Bis sie mir fremdgegangen ist.“ Marcus P. beendet die Beziehung zu seiner Freundin, da ist er 23 oder 24. Er kommt bei einem Kumpel unter, den er aus Bethel kennt und der in einer Kleinstadt zwischen Wuppertal und Hagen lebt. Dort meldet er sich polizeilich an und bezieht Sozialhilfe. Als die Freundin seines Kumpels schwanger wird, muss er das Zimmer räumen. Und sowieso, erzählt er, hat der Vermieter auch „Terror“ gemacht. So steht Marcus P. von einem Tag auf den anderen auf der Straße. „Das muss im November 2000 gewesen sein“, versucht er sich zu erinnern. „Mit paar Mark und einer großen Reisetasche mit dem Gröbsten. Es war dunkel und arschkalt.“ Wo und wie soll er die Nacht verbringen? Beim Überlegen fällt ihm eine Begegnung mit einem Mann in Bielefeld ein. „Das war ein Kiffer“, sagt er, „der hat mir erzählt, wenn du nicht weißt, wohin, dann geh in ein Krankenhaus, markier einen Epilepsieanfall, und schon hast du ein Dach über dem Kopf.“ Er hat gesehen, wie der Typ einfach so in ein Krankenhaus reinmarschierte und ein leichtes Taumeln markierte. „Ein bisschen schockiert“ war er schon, sagt Marcus P., dass das so einfach sein soll. Doch der leichte Schock hielt nicht lange an. „Da dachte ich, dann machste das auch mal.“ In dem kleinen Ort, wo Marcus P. zuvor bei seinem Freund gewohnt hat, gibt es kein Krankenhaus. Also fährt er in das zehn Kilometer entfernte Hagen, dort gibt es mehrere Kliniken. „Ich bin einfach rein, habe meine Versicherungskarte abgegeben und erzählt, ich hätte einen Anfall gehabt und Kopfschmerzen und würde etwas verschwommen sehen.“ Eigentlich will er nur eine Nacht bleiben, wird aber gleich für drei Tage zur Beobachtung dabehalten. Er wird untersucht, Blut wird ihm abgenommen, die Hirnstromkurven gemessen, Tabletten verordnet. Marcus P. mag jemand mit beschränkten Fähigkeiten sein. Doch seine Klinikaufnahmen hat er durchaus geschickt bewerkstelligt. Denn er hat nicht nur gelogen. Wahrheitsgemäß hat er oft gesagt: „Ich bin Epileptiker.“ Kaum wird Marcus P. entlassen, geht er zum Sozialamt. „Ich wollte eine Wohnung.“ Als er auf der Behörde sein Anliegen vorträgt, erfährt er, dass das Sozialamt nicht mehr für ihn zuständig ist. Der Vermieter hat ihn bei seinem Kumpel abgemeldet. Er solle sich doch bei seinen Eltern anmelden, wird ihm geraten. Drei bis vier Jahre hatte Marcus P. von seinen Eltern nichts gehört. Als er sonnabend/sonntag, 14./15. september 2002 deren Telefonnummer wählt, meldet sich eine Stimme vom Band. „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“ M arcus P. versteht nicht. Er ruft die Auskunft an und erfährt, dass seine Eltern keinen Eintrag mehr im Telefonbuch haben. „Bin nicht doof, Jung, rufste bei der Knappschaft an“, beschreibt er seinen nächsten Gedanken. Doch die Versicherung seines Vaters gibt aus Datenschutzgründen die Nummer nicht raus. Er versucht es bei der Schwester seiner Mutter. „Die sagte mir, dass meine Eltern innerhalb von Kempen umgezogen sind und meine Mutter keinen Kontakt will.“ Eltern verzogen, kein Eintrag bei der Telekom, kein Amt zuständig. Marcus P. fährt wieder zu seinem Kumpel und kommt mit Ach und Krach für einige Nächte unter. Er hat kein Geld, sein Kumpel kann ihm nichts leihen. Erneut geht Marcus zum Sozialamt. Dort bekommt er den Satz zu hören, den er schon oft gehört hat: Wir sind nicht zuständig. „Da stand ich wie der Ochs vorm Berg und wusste nicht vor und zurück.“ Wieder ist es Nacht, wieder hat er kein Dach über dem Kopf, wieder fährt er nach Hagen. Diesmal in eine Klinik mit neurologischer Abteilung. „Ich habe dasselbe wie beim ersten Mal erzählt und wurde zwei Wochen dabehalten.“ Er hat nichts dagegen, länger zu bleiben. „Ich habe versucht, einen klaren Kopf zu kriegen und zu überlegen, was ich machen kann.“ Er beschließt, sich „über Krankenhäuser meinen Eltern zu nähern“. Etwa zehn Kliniken hat er auf der Strecke von Hagen nach Kempen ausgemacht. So schlägt er sich bis Krefeld durch. Von dort sind es nur noch wenige Minuten mit der Regionalbahn nach Kempen. Auf dem dortigen Sozialamt erfährt Marcus P. endlich die Adresse seiner Eltern. Die Telefonnummer nicht. „Ich schrieb ihnen einen Brief, dass ich zurzeit keine Wohnung habe, in Krankenhäusern wohne und eine Meldeadresse brauche“, erzählt er. Als Absender gibt er die Adresse seines Kumpels an, bei dem er vorher gewohnt hat. Um zu erfahren, ob seine Eltern ihm antworten, macht er sich wieder auf den Weg zu seinem Freund – von Krankenhaus zu Krankenhaus. Sicher wäre es einfacher gewesen, bei seinem Kumpel anzurufen. Doch manchmal liegt das Naheliegendste in weiter Ferne. Vielleicht will er auch nur schwarz auf weiß sehen, was ihm seine Eltern schreiben. An Details der vielen, vielen Kliniken kann sich Marcus P. kaum noch erinnern. Aufnahmestationen, Flure, weiße Kittel, Blutentnahmen, Tabletten, Aufenthaltsräume – die Bilder gleichen sich. „Die einen machten einen tierischen Heckmeck, die anderen beobachteten nur.“ Besonders gut in Erinnerung geblieben sind ihm zwei Krankenhäuser. „In Witten waren wir ein ganz schön hartes Trüppchen. Abends haben wir Pizza bestellt und im Raucherzimmer gesessen.“ Und in Wetter, wo er über Silvester Patient war, seien die Schwestern „extrem nett“ gewesen. „Es gab Sekt und war sehr familiär.“ Als er bei seinem Kumpel ankommt, liegt dort Post von seinen Eltern. „Sie schrieben, ich soll zusehen, wie ich zurechtkomme, und dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.“ Marcus P. guckt traurig. „Ich dachte mir, dass meine Mutter so reagiert.“ Wieder sieht er keinen anderen Ausweg, als sich krank zu stellen. Nach einiger Zeit hat er es satt, Epilepsieanfälle vorzutäuschen. „Das wurde mir irgendwann zu bunt. Ich kam mir vor wie ein Versuchskaninchen. Ständig neue Tabletten.“ Also verlegt er sich auf eine andere Krankengeschichte und gibt an, beim Renovieren von der Leiter gefallen zu sein. Das brachte zwischen einem Tag und einer Woche wegen Verdacht auf Gehirnerschütterung. „Die haben die und die Untersuchung gemacht, Hauptsache …“ Marcus P. reibt Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. „Hauptsache, das Geld stimmt.“ Marcus P. wirkt bedrückt, wenn er von der anderthalbjährigen Klinikodyssee spricht. „Man wird depressiv“, sagt er. „Keine Menschenseele kümmert sich um einen.“ Einmal, in einer anthroposophischen Klinik in Herdecke, sagt er, vertraut er sich einer Ärztin im Praktikum an. „Ich hatte gehofft, dass der Scheiß endlich aufhört.“ Sie versucht, ihm bei der Wohnungssuche zu helfen. Leider ohne Erfolg. Als er entlassen wird, bricht er den Kontakt ab. Und dann? „Ich weiß nicht mehr, wo ich dann hin bin. Das war doch immer das Gleiche. Es waren zu viele Krankenhäuser.“ Das Wort „obdachlos“ kommt Marcus P. nicht ein einziges Mal über die Lippen. Aber er spricht von Obdachlosigkeit, als er den Bruder seines Vaters erwähnt. „Der lebt in Düsseldorf auf der Straße.“ Marcus P. will nicht so enden wie sein Onkel. Die Angst davor bringt ihn schließlich hinter Gitter. Die Nacht auf der Wache nach seiner Festnahme findet er „hart“. Kein Fernseher, kein Radio, Haftrichter, Fingerabdrücke, zählt er die Unannehmlichkeiten auf. Die nächsten Nächte verbringt er in einer Unterkunft für Wohnungslose der Diakonie in Witten. „Erst da habe ich erfahren, dass es so etwas gibt“, sagt Marcus P. und guckt dabei, als wisse er nicht, ob er sich für diese Wissenslücke schämen soll. S S05-mag-07 eit Ende Juni hat er eine eigene Wohnung, etwas außerhalb vom Stadtzentrum. In einem dreistöckigen rosafarbenen Haus mit 84 Einzimmerwohnungen, die Appartements heißen und vom Sozialamt bezahlt werden. Er bewohnt Appartement Nummer siebzig. Die Wohnung im zweiten Stock geht zu einer stark befahrenen Straße raus. Mehr als die Autogeräusche stört Marcus P. das laute Klingeln von „Kartoffel Thomas“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite. „Das geht mir auf den Sack“, sagt er. Das Wohnzimmer ist mit graubraunem Teppich ausgelegt. Die Einrichtung be- steht aus einem Schrank, einem Sofa, einem kleinen Tisch, einem Radiowecker, einigen Fantasybüchern und einer Glühbirne an der Decke. Dass hier wirklich jemand wohnt, ist nur daran zu erkennen, dass auf dem Tisch Stifte, zwei Würfel und mehrere Zettel liegen, auf denen Begriffe wie Zwerg, Amazone, Mut, Körperkraft, Jähzorn und Aberglaube stehen. „Das sind Rollenspiele, die ich mit einem Kollegen aus der Obdachloseneinrichtung mache“, erklärt Marcus P. Zwischen dem Wohnzimmer und einem kleinen, fensterlosen Bad, wo zwei Plastiktüten mit schmutziger Wäsche einen unangenehmen Geruch verbreiten, ist eine winzige Kochnische. Marcus P. hat sie noch nie benutzt. Sein neues Zuhause nennt er „Schweinchenhaus“. Wegen der Farbe. Früher, erzählt er, hat es „Zur blutigen Nase“ geheißen. Wegen der Schlägereien, die es dort unter den Mietern gegeben haben soll. Jetzt wirkt das Gebäude mit seinen langen Fluren und der Stille eher steril. Es sind die ersten eigenen vier Wände in seinem Leben. Freut er sich? „Ja, schon. Aber es wäre schön, wenn mich meine Eltern besuchen würden“, sagt er. „Oder wenigstens telefonieren.“ Aber er glaubt nicht daran. „So wie ich den Dickkopf meiner Mutter kenne.“ Seit einigen Wochen lässt sich Marcus P. nicht mehr bei der Wohnungslosenberatungsstelle blicken. Vergeblich versuchten die Mitarbeiter, über das Sozialamt und den Hausmeister Kontakt zu ihm aufzunehmen. Sie sind jedoch froh, über drei Ecken erfahren zu haben, dass er sich in seiner Wohnung aufhalten soll. Auch die Polizei beklagt, dass Marcus P. seinen Meldeauflagen nicht so nachkommt, wie er das sollte. Selbst durch diese Netze kann ein Mensch fallen. BARBARA BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA, 38, ist Reporterin der taz 12. September 2002, 15:16 Uhr Seinen Nachnamen will er nicht in der Zeitung gedruckt sehen, „wegen der Schande für meine Eltern“: Marcus P., inzwischen 27 Jahre alt FOTO: WICIOK/LICHTBLICK V tazmag Kalkuliert blamiert Ronald Barnabas Schill kam mit seiner Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen am 23. September 2001 auf 19,4 Prozent. Auf diese Weise verhalf er der seit über vierzig Jahren oppositionellen CDU, der zuvor kaum existenten FDP und seiner eigenen Organisation zur gemeinsamen Übernahme des Senats. Im Juli dieses Jahres beschloss die PRO gegen den Wunsch Schills, auch zur Bundestagswahl anzutreten. Ob sie jedoch Ende kommender Woche mehr als anderthalb Prozent erzielt, ist nach Kenntnis sämtlicher Meinungsforschungsinstitute zu bezweifeln. Alles, was man von den hastig aufgezäumten Gründungsakten der Landesverbände gehört hat, klang nach Desaster. Schills Anhänger stellten sich ungeschickt an: Der frisch gewählte Vorstand in Mecklenburg-Vorpommern musste im Juli wieder zurücktreten, weil die Parteisatzung falsch ausgelegt worden war. Die Gründung des Berliner Landesverbands ist im August geplatzt, eine Vorstandswahl wurde auf Oktober verschoben. Um überregional in die Schlagzeilen zu kommen, leistete Schill sich Ende August im Bundestag einen geradezu bizarr unpassenden Auftritt. In seiner Rede als Mitglied des Bundesrates warf er der Regierung vor, das Geld, das für die Fluthilfe benötigt werde, „in der Vergangenheit verfrühstückt“ zu haben, vor allem für Flüchtlings- und Katastrophenhilfe in aller Welt. „Wir haben die tüchtigsten Menschen, ohne Zweifel, aber sicherlich die unfähigsten Politiker“, sagte Schill. Als Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs ihn wegen Überziehung der Redezeit von fünfzehn Minuten mahnte, sagte Schill, seine Redezeit sei „unbegrenzt“, und fuhr an die Adresse von Fuchs fort: „Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Aber Bruch der Verfassung ist Ihnen ja nichts Neues.“ Fuchs drehte im schließlich das Mikrofon ab. Ob Schill seine Strategie des so genannten kalkulierten Tabubruchs eingehalten hat, steht dahin. In Hamburg jedenfalls titelte die Welt, sonst grundsätzlich auf seiner Seite: „Schill blamiert Hamburg im Bundestag.“ Nur mit Mühe gelang es Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU), seine Koalition zu retten – vorerst. Erstes Aufsehen hatte Amtsrichter Schill 1996 in Hamburg erregt, als er eine psychisch kranke Frau zu zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilte, weil sie den Lack von zehn Autos zerkratzt hatte. Schill pflegte fortan Journalisten zu seinen Urteilsverkündungen einzuladen. Ab 1997 erklärte er in Interviews, Hamburgs Justiz habe „ein Herz für Verbrecher“. 1999 begann er bei Veranstaltungen von CDU-Ortsgruppen zu referieren – ehe die Hamburger CDU-Spitze sich dies verbat. Im Juli 2000 gründete Schill mit ein paar Dutzend Anhängern seine Partei: die PRO. Weil es um das Kürzel Ärger gab (mit der Anti-Euro-Partei „PRO DM“), firmiert man nur noch als Schill-Partei. UWI VI populismus sonnabend/sonntag, 14./15. september 2002 Anwalt der Ohnmächtigen von ULRIKE WINKELMANN Immer dieser gepflegte Dreiteiler, in dem der Mann massig, aber nicht dick wirkt. Die Haare wirken stets etwas flusig gekämmt. Frauen über vierzig mögen ihn. Ein Mann, der sich eine gewisse Jungenhaftigkeit bewahrt hat. Sein Hamburger Akzent ist gerade so stark, dass er seiner schneidigen Rhetorik eine gewisse Heimeligkeit verleiht, die Hanseaten so mögen. Seine Sätze sind vom Zweifel frei. Und er scheut sich nicht, Räume in einem Knastneubau höchstselbst auszumessen, um hinterher zwölf Quadratmeter Einzelzelle als „puren Luxus“ zu bezeichnen. R onald Barnabas Schill hat vor einem Jahr die Bürgerschaftswahlen in Hamburg gewonnen und verkauft seither den Bruch all seiner Wahlversprechen als pragmatische Realpolitik, die, wenn schon nicht in der Sache akkurat, so doch im Prinzip richtig ist. Mit der Halbierung der Kriminalitätsrate binnen hundert Tagen – das war wohl nichts. Hauptsache, die Bürger denken, dass etwas getan wird. Das Thema innere Sicherheit – es ist Schills einziges Thema – legt es nahe, von der Rolle der Medien zu sprechen. Kriminalität taugt insoweit zum Politikum, als sich mit der Rede von ihr die Ängste der Bevölkerung schüren lassen. Jeder weiß, dass die reale Verbrechenshäufigkeit nichts damit zu tun hat, wie gut sich die Menschen auf der Straße, am Bahnhof und in der S-Bahn fühlen. Im Jargon heißt das, die „objektive“ und die „subjektive“ Sicherheitslage klaffen auseinander. So richtig es ist, Schill als Medienhelden zu begreifen – zur Erklärung des Phänomens Schill reicht es nicht. Es stimmt, dass eine von der Sozialdemokratie unendlich gelangweilte Presse in Hamburg das Thema Kriminalität so hoch gezogen hat, dass zwanzig Prozent der Bevölkerung glaubten, Schills Vorschläge – geschlossene Heime für Jugendliche sowie eine unbedingte Förderung des Autoverkehrs – seien die Lösung ihrer Probleme. Aber es stimmt nicht, dass der Erfolg Schills der vorwiegend zustimmenden Berichterstattung über ihn geschuldet ist. Zwar kommt keine Reportage ohne die Beschreibung des begeisterten Zuspruchs aus, den er beim durchschnittlich frustrierten Kleinbürger erntet. Aber Schill ist mehr als seine Wirkung, er ist nicht nur Talkrundensieger und Schrecken aller Rot-Grünen. Die Person Schill hat eine Herkunft, und die Hamburger Gemengelage hat eine Geschichte. Beide Faktoren sind bislang in die Bemühungen der Populismusanalysten kaum eingegangen. Zunächst zur Person Schill. Der Mann ist in Hamburg geboren, aufgewachsen und hat dort erst ein paar Semester Psychologie, dann bemerkenswerte acht Jahre lang, bis 1988, Jura studiert. Bis 1991 arbeitete er am Fachbereich auch als Lehrkraft für Strafrecht. Im Mai 1993, damals war die als liberal bekannte Lore Maria Peschel-Gutzeit noch Justizsenatorin, wurde er zum Richter ernannt. Fast alles Weitere bleibt im Ungefähren. Kaum etwas weiß man über seine Eltern. Niemand in dieser Stadt, wo doch sonst irgendwie jeder jeden kennt, S06-mag-07 gibt Auskunft. Weder ein Schill-Kommilitone noch ein Schill-Kollege oder ein Schill-Student. Und wie er Richter werden konnte, ist ebenso fragwürdig. In Hamburg ist es besonders schwer, Richter zu werden. Die Zahl der Anwärter auf einen dieser Jobs in Hamburg ist groß, denn erstens wollen Hamburger sowieso immer in Hamburg bleiben, und zweitens wollen viele hierher. Mehrere lange Gespräche mit Richtern und Leuten aus der Justizbehörde, die menschliche und fachliche Eignung prüfen, macht der Bewerber mit, ehe er angenommen wird. Anwalt werden kann jeder. Richter aber müssen sich besonders durch eines auszeichnen: Maß. Also durch die Fähigkeit, abzuwägen. Ist Schills auffälligstes Merkmal – sein Mangel an eben dieser Tugend – denn nie jemandem aufgefallen? Zu der Zeit, als Schill studierte und lehrte, gab es in Hamburg noch zwei Fachbereiche Juristerei – mit je konträrer Hausideologie. Jura I, das größere Institut, galt als konservativ, Jura II als links. Dieser Ruf hatte gar nicht einmal so viel mit den Professoren zu tun – Rechtsausleger waren bei Jura I nur die wenigsten –, half jedoch, dass sich die Studentinnen und Studenten größtenteils selbst einsortieren konnten. Am Sitz von Jura I, dem Rechtshaus, gab es einen teils wohl-, teils böswollend gemeinten Witz für Leute, die sich aufregten über Burschenschaftler, über Jungunionisten und darüber, dass viele von ihnen den Freund-Feind-Theoretiker Carl Schmitt als wichtigen Denker bezeichneten: „Geh doch nach drüben.“ Im Rechtshaus herrschte eine selbstbewusste Trutzburgstimmung: „Wenn irgendwo in der Stadt offen konservativ geredet werden darf, dann hier. Und wenn irgendwer gesellschaftliche Konflikte letztgültig entscheidet, dann wir, die Juristen.“ Könnte es also sein, dass Schill einfach ein normaler Hamburger Jurist ist? Könnte es sein, dass das Schill-typische Zweifrontendenken – „Hier die laschen Jugendrichter, da die harten Rechtsschützer“ – auch ein Produkt der unglückseligen Juristenausbildung der Hamburger Art ist? Und: Wäre es möglich, dass auch die Schill-Opponenten in diesem Denkmuster verharren? Auch ein zentrales Ereignis im Hamburg der Neunzigerjahre bedürfte im Hinblick auf Schill noch neuerer Beachtung: der örtliche Polizeiskandal. 1994 kam heraus, dass Ausländer in Hamburger Polizeiwachen systematisch misshandelt, die Taten systematisch durch Kameraderie gedeckt worden waren. Ein Innensenator musste gehen, ein Untersuchungsauschuss mit dem dazu gehörenden Wissenschafts- und Öffentlichkeitsapparat wurde in Gang gesetzt, um die Hamburger Polizei zu durchleuchten. Eine 1997 vorgelegte Studie von Bielefelder Soziologen kam zu den Ergebnis, dass die Hamburger Polizei unter mangelnder Kommunikation zwischen oben und unten litt. Der Korpsgeist, den sie ebenso wie eine erschreckend starre Law-and-Order-Mentalität feststellten, fand bei ihnen eine Begründung: Die Beamten hatten das Gefühl, dass ihre Arbeit weder von ihren Chefs noch in der Öffentlichkeit gewürdigt wurde. „Wer sich zu Beginn seines Dienstes noch als Repräsentant staatlicher Macht fühlte, dann aber tagtäglich die Vor knapp einem Jahr wurden die Rechtspopulisten um Ronald Schill in Hamburgs Regierung gewählt. Ihre Lawand-Order-Erfolge sind zwar kaum messbar – aber ihrer Beliebtheit hat das keinen Schaden zugefügt staatliche Ohnmacht etwa im Kampf gegen Drogenkriminalität erfährt, errichtet unbewusst Schutzmauern gegen diese deprimierenden Enttäuschungen und flüchtet ins konservativautoritäre Wertlager“, formulierten die Autoren kühl. Wer sich nun Schills Sprüche anschaut, erkennt, dass sie eins zu eins die populärsten Vorstellungen der durch frustrierende Arbeit und den Skandal doppelt gedemütigten Beamten wiedergeben. Schill traf, alles in allem, den Nerv der meisten Hamburger. Indem er für die Hamburger Polizei focht, machte er sich nicht nur zum Fürsprecher von Ruhe und Ordnung. Könnte es sein, dass Schill damit auch einem ganz normalen gesellschaftlichen Bedürfnis nach Integration entsprach, danach, dass die Repräsentanten der Staatsmacht wieder dazugehören sollten? Könnte es sein, dass es nicht eigentlich der Ruf nach dem Rechtsstaat, sondern das Verlangen nach Teilhabe, nach Integration hinter dem überwältigenden Zuspruch steht, den Schill geerntet hat? Dass die Schill-Wähler sich aus dem rotgrünen Hamburg ebenso ausgeschlossen fühlten wie die Polizisten? Trostlos, aber wahr: Genauso wenig, wie sich Schill von der Presse zum Innensenator schreiben ließ, lässt er sich nun aus der doch einstmals so gemütlich linksliberal eingerichteten Hansestadt wieder wegschreiben. So gesehen, ist zum Beispiel das erste Buch über Ronald Schill zwar eine hervorragende Materialsammlung, bleibt aber in der Analyse recht schnell stecken. Die Journalisten Marco Carini und Andreas Speit haben in „Ronald Schill. Der Rechtssprecher“ sicherlich alles zitiert, was über Schill bislang geschrieben wurde. Aber sie haben erkennbar weder mit ihm selbst noch mit Menschen aus seinem Umfeld gesprochen, und sie haben ihre Kollegen Lokalreporter auch nicht gefragt, warum es denn so erlösend war, mit der Berichterstattung über Schill und seine Fans endlich in die Zeitungen schreiben zu können, womit ihnen Volkes Stimme schon lange in den Ohren lag. P opulisten, das haben wir aus den Erfolgen eines Jörg Haider, eines Pim Fortyun, eines Ronald Schill gelernt, haben Erfolg, weil die Menschen sich nicht mehr durch eigene Herkunft, Stand und Milieu einer Volkspartei zugehörig fühlen. Sie wählen die neuen Typen, die sich kantiger geben und wohl auch sind, also die Personen mit den besonders einfachen Lösungen. Dass auch ein Gerhard Schröder mal mit dem Satz „Wegsperren, und zwar für immer“ auftrumpft, gilt ihnen dann nur als Bestätigung. Dass so ein sozialdemokratischer Kanzler ansonsten aber leidliche, sagen wir, Gesundheitspolitik macht, ist in diesem Kontext ganz einerlei. Gegen Populismus gibt es keine simplen Lösungen. Sicher aber hilft es wenig, im Wir-Ihr-Schema zu denken: wir Sauberen, ihr Schmutzigen. Es bleibt auch dies populistisch. Hamburgs Ronald Barnabas Schill im Innenministerzirkel: Sicherheitsversprecher und für manche selbst ein Sicherheitsrisiko FOTO: AP 12. September 2002, 15:16 Uhr Marco Carini/Andreas Speit: „Ronald Schill. Der Rechtssprecher“, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2002, 200 Seiten, 15 Euro ULRIKE WINKELMANN, 31, ist Redakteurin im Inlandsressort der taz der die das sonnabend/sonntag, 14./15. september 2002 VII von HEIDE OESTREICH Selbstverständlich ist Djeneba Diabaté für die Beschneidung von Mädchen. „Ich habe sechs Kinder. Alle meine Töchter habe ich beschneiden lassen. Und ich habe seitdem keine Schwierigkeiten bei ihnen festgestellt“, erklärt sie seelenruhig. Djeneba ist Griotte, eine traditionelle Festsängerin in Mali. Beschneidung. Es heißt doch genitale Verstümmelung? Nennen wir es „Exzision“, das ist der medizinische Fachbegriff für das Herausschneiden von Organen. Djeneba erklärt, dass die Exzision „viele Vorteile“ hat. Man wird von der zweiten Frau des Ehemannes nicht verhöhnt. Die Geburten sollen leichter sein. Die Frau geht nicht so oft fremd. Und sie ist einfach schöner, wenn der hässliche, männliche Teil entfernt ist. Die Initiation. Ebenso wie die Jungen sollten die Mädchen einen Schmerz erleiden, ohne zu klagen. „Wenn du das bestehst, erträgst du den ganzen Rest“, erklärt Djeneba stolz in die Kamera. U nd? Schnitt, Krankenschwester erklärt, wie viele Frauen an den Folgen der Genitalverstümmelung gestorben sind? Aufklärungskampagne mit Unterstützung der deutschen Regierung? Die Kamera schwenkt über ein häusliches Idyll, Djeneba badet ihre Kinder. Dann folgt der Film der Frau zur Arbeit. Ein Fest in Mali, Straßenszenen. Alltag? Ach ja, Beschneidung ist Alltag in Mali. „Ainsi va la vie“, sagt eine der Frauen, so ist das Leben. So heißt dieser Film über Exzision. Gedreht von zwei Frauen, die lange in Mali waren. Svenja Cussler, Kamerafrau und Cutterin, und Edda Brandes, Ethnomusikologin, lebte zwölf Jahre in Mali und sammelte Musik, zuletzt Beschneidungsmusik. Aufklärung. Die Dinge beim Namen nennen. Zu dem aufgeklärten Blick allerdings gehört eine tremolierende Sprache: „Allein an einem Tag erleiden in circa dreißig afrikanischen Ländern etwa sechstausend Mädchen dieses grausame Schicksal“, schreibt die Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul in einem Buch über weibliche Genitalverstümmelung, herausgegeben von Terre des Femmes. Eine Menschenrechtsverletzung, die „eingedämmt“ werden muss. In Mali, wo fast alle Ethnien die Frauen exzidieren lassen, sitzt Djeneba und erklärt den Autorinnen des Films „Ainsi va la vie“: „Ich habe die Beschneidung bereits vorgefunden, als ich auf die Welt kam.“ Die Riten der Alten ändert man nicht mal eben, heißt das. „Schädliche traditionelle Praktik“, nennt es die Sprache der Aufklärung. Das Entwicklungshilfeministerium schickt ein Filmteam nach Mali und lässt auch einen Film drehen, den Aufklärungsfilm „Bolokoli“, so heißt Beschneidung in Mali. Beschneidungstänze, große ängstliche Mädchenaugen. Dann verstummt der Film und man sieht viele Frauen mit einem nackten Mädchen hantieren. Zeitlupe. Was genau passiert, sieht man nicht. Die Aufklärer halten uns die Augen zu. Dann sehen wir Exbeschneiderinnen, denen ein Projekt das Führen einer Hühnerfarm ermöglicht. Die Exbeschneiderin sagt, dass Genitalverstümmelung eine Menschenrechtsverletzung ist. Das Hühnergeld reicht nicht zum Leben, heißt es im Kommentar. Womit die Exbeschneiderinnen ihren Lebensunterhalt noch verdienen, darüber schweigt der Film. „Diese Initiativen sind meines Wissens alle wieder verschwunden“, sagt Edda Brandes. „Der Bedarf an Beschneidungen ist nicht gesunken“, sagt sie. „Die Aufklärung war nicht tief genug.“ „Wenn du das bestehst, erträgt du den ganzen Rest“. Djeneba Diabaté, Festsängerin in Mali FOTO: SZENE AUS DEM FILM „AINSI VA LA VIE“ Unter das Eisen setzen Was ist tiefe Aufklärung? Wann verändert jemand sein Verhalten? Und was kann jemand, der von außen mit neuen Werten kommt, eigentlich tun? Edda Brandes hat ihre Freunde und Freundinnen gefragt, ob sie sie zum Thema Beschneidung befragen dürfe. Djeneba Diabaté sagte Ja. Fatou Sacko Touré ebenfalls. „Aber nur weil du es bist.“ Fatou macht im Nationalmuseum Führungen und verkauft vor ihrem Haus Fettgebackenes. „Meine Schwester fragte mich, wie mein Eheleben laufe“, erzählt sie. „Ich sagte, ich weiß nicht. Wo ist das Vergnügen der Liebe? Ist es am Anfang? Ist es am Schluss?“ Fatou ist gebildet, sie fängt an zu lesen. Über Beschneidung und Lust. Mit ihrem Mann redet sie nicht darüber. Aber eines Tages, sagt sie, sei aus der „kleinen Töpferei meiner Erfahrungen eine große Vase“ geworden. „Ich fragte meinen Mann: ‚Was ist Ekstase?‘ Er antwortete: ‚Du kennst Ekstase? Das ist sehr gut.‘“ W ährend sie Teigstückchen im Fett brät und an Kinder verteilt, spricht sie von der ersten Geburt. Fatou war zugenäht, „infibuliert“, sagt das Fachwort. Ihre Tochter erstickte in ihrem Bauch, weil die Krankenschwestern nicht wussten, wie die Geburt einer infibulierten Frau zu bewerkstelligen ist. „Ihr hättet sie in den OP bringen müssen“, sagte der Arzt am Ende. Zu spät. „Deshalb bin ich gegen die Beschneidung“, sagt Fatou. Der Film belässt es nicht dabei. Er begleitet Fatou, ins Museum, auf den Markt. Er zeigt Männer in der Moschee, Kinder auf der Straße, das langsame Leben, wie es in Mali eben läuft. Über Beschneidung redet man nicht. Den Film dürfe sie auf keinen Fall in Mali zeigen, sagte Fatou zu Edda Brandes. Niemand dürfe solche Details wissen. „Wenn man mich so reden hört, denkt man, ich Schmerz erleiden, um erwachsen zu werden? Die Beschneidung von Genitalien ist der älteste chirurgische Eingriff der Menschheitsgeschichte – was der amerikanische Medizinhistoriker David Gollaher in seiner Studie zum Thema eindrücklich nachweist. In erster Linie waren (und sind) es Männer, die diese Prozedur über sich ergehen lassen müssen – die der Entfernung der Penisvorhaut, der Zirkumzision. Für Söhne jüdischer Familien ist Vorhautbeschneidung aus religiösen Gründen zwingend vorgeschrieben; für die männlichen Kinder aus muslimischen ist sie üblich. Hinter der religiösen verbarg sich die me- glaube nicht mehr an Gott. Ich darf nicht so reden.“ Auch Salia Malé will nicht, dass jemand in Mali seine Qualen sieht. Schwitzend sitzt der ehemalige Vizedirektor des Nationalmuseums der Hauptstadt Bamoko in seinem Wohnzimmer. Manchmal kriecht ein Töchterchen auf seinen Schoß und möchte gestreichelt werden. Erst als es zu spät war, erfuhr er überhaupt, dass seine erste Tochter von der Familie des älteren Bruders beschnitten worden ist – während seines Ethnologiestudiums in Europa. „Durch meine Ausbildung im Westen weiß ich, was Beschneidung bedeutet.“ Langsam und umständlich kommen die Worte aus seinem Mund: „Es ist ein Angriff auf die Integrität des Individuums.“ Salia Malé blinzelt in die Kamera. „Ich habe mich positioniert“, sagt er. „Das ist nicht einfach, das ist überhaupt nicht einfach.“ Sein älterer Bruder nämlich frage schon ungeduldig, wann er denn endlich seine anderen vier Töchter beschneiden ließe. „Das wird schon noch kommen“, hat er geantwortet. Wenn der Bruder aber entscheidet, die Mädchen beschneiden zu lassen – „dann ist seine Entscheidung die meine“. Mit dem Sozialsystem Familie zu brechen, das ist in einem Land wie Mali bestenfalls ein Traum. Von der Familie ist man abhängig, „das ist eine Frage von Leben und Tod“, sagt Edda Brandes. Salia Malé spricht von der Initiation: „Das zeichnet einen Menschen für sein Leben. Das Mädchen ist erst nach der Beschneidung vollständig.“ Wieder der Blick in die Kamera: „Wie werden meine Töchter mit dem Status derer, die nicht beschnitten sind, zurechtkommen?“ Dieser Status lautet im Moment außerhalb der hauptstädtischen Oberschicht Malis: Unfrau. „Das Essen, das eine nicht Beschnittene gekocht hat, darf man nicht essen“, bebildert es Svenja Cussler. Das „unter das Eisen setzen“ ist dizinische Idee: Zu verhindern, dass die Sekrete, die sich zwischen Vorhaut und Eichel ablagern, eine Entzündung des Genitals bewirken können. In Ländern, in denen Wasser zum Waschen knapp war (wie im Nahen Osten), war insofern die Operation ein Fall geschlechtlicher Hygiene. Der erlittene Schmerz – der Akt findet ohne Betäubung statt – galt (und gilt häufig noch) als wichtige Voraussetzung, um als erwachsen zu gelten. Vom Mittelalter an wurde der Eingriff auch sexualmoralisch begründet: Eine Zirkumzision mache den S07-mag-07 Der Film „Ainsi va la vie“ provoziert. Weil er versucht, die Beschneidung von Frauen in Afrika überhaupt zu verstehen. Zeigen will die Dokumentation niemand: Sie widerspreche deutschen Sehgewohnheiten eine absolute Notwendigkeit, wenn man heiraten will. Ein Muslim in Mali heiratet keine Unbeschnittene. Das Nichtschneiden, sagt drastischer die Berliner Ethnologin Anni Peller, die eine Feldforschung zum Thema in Südäthiopien machte, „bedeutet mit Sicherheit den gesellschaftlichen Tod“. Kann man Menschen, für die Beschneidung nicht nur Normalität, sondern Gebot ist, mit dem Wort Genitalverstümmelung weiterhelfen? „Der Begriff ist eine Anklage“, sagt Brandes, „damit kann man keine gleichberechtigte Auseinandersetzung über ein Problem führen.“ Muss man es aber nicht benutzen, um daran die Grausamkeit des Rituals deutlich zu machen? Achtzig Prozent der Müttersterblichkeit sei auf die Exzision zurückzuführen, heißt es bei Terre des Femmes. „De Eichelschaft weniger empfindlich für Reizungen und damit für sexuelle Sehnsüchte. In Nordamerika zählt die Vorhautentfernung bei siebzig Prozent aller männlichen Säuglinge zu den Routineeingriffen kurz nach deren Geburt. Inzwischen hat sich in den USA ein Selbsthilfenetzwerk gegründet, dessen (meist männliche) Mitglieder den Eingriff kritisieren: Viele Babys hätten Verletzungen erlitten; ihre Geschlechtsorgane seien irreversibel von nachlässigen Beschneidern und Medizinern verletzt worden. Gegen eine Vorhautverengung, argumentieren sie, helfe ohnehin kein Chirurgenbesteck – sondern häufigere Selbstbefriedigung. Einige Kliniken (auch in Deutschland) bieten inzwi- 12. September 2002, 15:16 Uhr facto gibt es keine Untersuchung über Folgeschäden der Exzision“, sagt Anni Peller. Aids würde über Beschneiderinnen verbreitet, heißt es ebenfalls. Die Daten sagen das Gegenteil: In Gebieten, in denen exzidiert wird, ist die Verbreitung von Aids geringer als in Vergleichsgebieten, hat Peller in den Statistiken gefunden – „wahrscheinlich wegen der strengen Sexualmoral“. D ie Aufklärungskampagnen, so Pellers Beobachtung, führten „in manchen Fällen genau zum Gegenteil ihres eigentlichen Zieles“: Gegen die „westliche Einmischung“ wird die Exzision etwa von islamischen Fundamentalisten zu einer urislamischen Tradition stilisiert. Der Dialog über die Exzision würde dadurch unmöglich, sagt die Ethnologin. Sie fordert, Exzisionen in abgeschwächter Form in Krankenhäusern anzubieten – ein Ansinnen, das etwa die WHO strikt zurückweist. Ein „Ersatzritual“ müsse mindestes her, meinen die Filmemacherinnen Edda Brandes und Svenja Cussler. Um solche Ideen überhaupt im Westen verständlich zu machen, müsste der Westen erst einmal verstehen wollen, worum es bei der Exzision eigentlich geht. Man könnte den Film von Brandes und Cussler im Fernsehen zeigen. Doch es fand sich kein Sender, der ihn zeigen wollte. Er entspreche nicht den deutschen Sehgewohnheiten, hieß es, oder, wie vom Bayerischen Rundfunk: „zu irritierend“. HEIDE OESTREICH, 33, ist Redakteurin im Inlandsressort der taz Auf Initiative der taz wird der Film „Ainsi va la vie“ morgen, am 15. September, um 14 Uhr, exklusiv im Kino Arsenal gezeigt. Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin. Fon (030) 2695510. Die Regisseurinnen sind anwesend. www.ainsi-va-la-vie.de schen Operationen an, die die weggeschnittene Vorhaut rekonstruieren. Die Sexualität von beschnittenen und unbeschnittenen Männern wird verschieden beurteilt. Viele Frauen (und Männer) haben mit Männern ohne Vorhaut bessere Erfahrungen gemacht, andere schätzen aus ästhetischen Gründen die naturbelassene Variante. Literatur: David Gollaher: Das verletzte Geschlecht. Die Geschichte der Beschneidung, aus dem Amerikanischen von F. Florian Marzin, Aufbau Verlag, Berlin 2002, 316 Seiten, 22,50 Euro.JAF