Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh`n
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Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh`n
Objekt des Monats April 2015 des Städtischen Museums Wasserburg a. Inn Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh‘n Diesen Monat stellt das Museum im Rahmen der Sonderausstellung „Veronika, der Lenz ist da!“ eines der zahlreichen Titelblätter von Schlagernoten aus der Ausstellung vor, die uns auf ganz besondere Weise die Welt der Goldenen Zwanziger Jahre vor Augen führen. Das Titelblatt zeigt ein junges Paar auf einem Steg. Im Hintergrund ziehen Segelschiffe vorbei. Sie blickt selbstbewusst auf eines der Boote in der Ferne. Ihre kurzen blonden Haare wehen im Wind. Ihre Hände lehnen lässig an der Hüfte. Über dem sportlichen Strickpullover und dem knielangen Faltenrock trägt sie eine weite, ihre Schultern betonende rote Jacke. Sie bildet mit ihren femininen roten Schuhen eine offene Klammer. Er - ganz Matrose und Gentleman - kann seine Augen nicht von ihr nehmen. Beide symbolisieren 1929 den Typ des jungen modernen Paars. Sie, die Neue Frau, die in ihrer Eleganz ganz Frau und zugleich in ihrer selbstbewussten sportlichen Art ganz Mann zu sein scheint, bestimmt die Richtung. Beide haben sich von den idealen Mann/Frau-Bildern, die im Kaiserreich ein Jahrzehnt zuvor noch herrschten, völlig gelöst. Gestaltet wurde der dreifarbige Druck von Willy Herzig (1894 - 1978), einem Wiener und Berliner Grafiker, der auf zahlreichen Titelblättern der Unterhaltungsmusik das Bild der mondänen Jugend seiner Zeit entwarf. Der Text des Schlagers handelt vom Traum berufstätiger Frauen von einem gelungenen Wochenende mit dem Geliebten. Er wird sowohl von der „kleinen Josephine“ im Büro an der Schreibmaschine als auch vom Hausmädchen „Minna“ geträumt: „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh'n. Sofern die Winde weh'n, das wär' doch wunderschön! … mit mir im Sonnenschein so ganz allein! … und dann beim Abendrot mach ich das Abendbrot“. In den 1920er Jahren werden junge Frauen aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen zunehmend berufstätig und erlangen ein gewisses Maß an wirtschaftlicher und persönlicher Freiheit. Sie werden Teil des stetig wachsenden Heers der Angestellten. Der Achtstundentag lässt eine Freizeitkultur entstehen, die auch eine Massenkultur ist. So ist ein Nachmittag am Wannsee mit dem Geliebten umgeben von tausenden anderer Erholungssuchender sicher möglich, ein Ausflug mit dem Segelboot aber sicher nicht, es sei denn man wird doch noch die Geliebte des jungen Abteilungsleiters … Das Lied ist somit auch ein Spiegel der Sitten und Sehnsüchte. In den 1920er Jahren wird auch die Liebe etwas freier und gleichberechtigter. Gerade die unehelichen Verhältnisse werden besungen. Schon 1929 gibt es eine Abwandlung des Schlagers, in der die dritte Strophe gegen eine andere ausgetauscht worden ist: Nun ist es ein blonder Herr in der Eldorado-Bar, der den Flirt der jungen Kellnerin lachend abweist. Er träumt von „seinem Süßen“, dem er „beim Abendrot das Abendbrot auf dem Segelboot“ bereiten will.1 Komponiert wurde der Schlager von Anton Profes (1896-1976). Der Musiker hatte sich 1921 als Schlagerkomponist selbstständig gemacht. Ab 1930 komponierte er die Musik für über 100 Tonfilme. Der ursprüngliche Text des Liedes wurde von Robert Gilbert (1899-1978) geschrieben, der zu den erfolgreichsten Textern seiner Zeit gehörte. 1933 ist er wie viele andere jüdische Musiker, Komponisten und Texter gezwungen Deutschland zu verlassen. 1 Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Am_Sonntag_will_mein_S%C3%BC%C3%9Fer_mit_mir_segeln_geh%E2 %80%99n 17.4.2015 um 13:54 Uhr. 1 Mit Beginn der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft verarmt die Musikkultur in Deutschland. 1961 erscheint unter dem Titel „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n“ ein deutscher Schlagerfilm von Franz Marischka mit Harald Juhnke und Vivi Bach. Das Lied wird daraufhin zum Sommerhit des Jahres. Wer einmal einen Eindruck vom jungen Berlin der 1920er Jahre erhalten möchte, kann am Sonntag, den 24. April 2015 um 11:15 Uhr im Kino Utopia in Wasserburg den Film „Menschen am Sonntag“ anschauen, der unter anderem von einem Tag am See handelt. Willy Herzig: Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n. Drei Masken Verlag, Berlin, 1929. Sammlung Erpf. Link zur alternativen Version des Schlagers gesungen von Theo Lucas und dem Pianisten Karl Rockstroh aus dem Vox-Haus in Berlin: https://www.youtube.com/watch?v=uwRBHgZPVWs 2 Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh'n, Träumend an der Schreibmaschin' saß die kleine Josephine, die Sehnsucht des Herzens die führte die Hand. Der Chef kam und las es und staunte, da stand: Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh'n, sofern die Winde weh'n, das wär' doch wunderschön! Am Sonntag will mein Süßer mal ein Seemann sein, mit mir im Sonnenschein so ganz allein! Und dann beim Abendrot mach' ich das Abendbrot auf unserm Segelboot für meinen Süßen und für mich! Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh'n, sofern die Winde weh'n, das wär' doch wunderschön! Minna, sprach Frau Schulrat Kraus, Sonntag bleiben Sie zu Haus! Da heulte die Minna und sagte zu ihr: Mich halten am Sonntag zehn Pferde nicht hier! Am Sonntag... Allen Mädchen geht es so, in der Küche, im Büro. Am Sonntag, da hab'n sie was Besseres vor, da flüstert's die eine der andern ins Ohr: Am Sonntag ... Robert Gilbert, 1929 3