RSF Projektbericht Selbständige Erwerbstätigkeit und
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RSF Projektbericht Selbständige Erwerbstätigkeit und
Wenn die Chefin schwanger ist. ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projekt der ZukunftsInitiative Frauen-ZIF Projektbericht Herausgegeben von Stadt Duisburg Der Oberbürgermeister Regionalstelle Frau und Beruf http://www.duisburg.de/fub Email: [email protected] In Kooperation mit Handwerkskammer Düsseldorf http://www.hwk-duesseldorf.de/frauen Email: [email protected] Stand: März 2007 Unter Mitarbeit von: Anke Herling M.A. Titelblatt unter Verwendung eines Gemäldes von Frida Wolsing Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Landesinitiative „Regionen stärken Frauen“ Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Inhaltsverzeichnis 1. 2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 3. 3.1. 3.1.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.3.3. 4. 4.1. 4.1.1. 4.1.2. 4.1.3. 4.2. 5. Einführung in die Thematik Projektbeschreibung Projektorganisation Fachbeirat Zielgruppen Ziele Konzeption des Projektes Projektlaufzeit Fachtagung: Lebhafte Diskussionen in entspannter Atmosphäre Das Programm der Fachtagung Protokollnotiz zu den Teilen Begrüßung, Statements und Impulsreferate Workshops Protokollnotiz zum Workshop 1 Protokollnotiz zum Workshop 2 Protokollnotiz zum Workshop 3 Referate der Fachtagung – die Scripte "Aktuelle Entwicklungen in der Förderung von Unternehmensgründungen Verbesserung der Rahmenbedingungen von Unternehmensgründungen von Frauen als Beitrag zur Verbesserung der Gründungskultur" - Prof. Dr. Ulrich Braukmann "Gender Mainstreaming – Einbeziehung der Gleichstellung von Frauen und Männern in alle Politiken und Maßnahmen der Gemeinschaft" - Marica Bodruciz “Schwangerschaft und Selbständigkeit im europäischen Vergleich” - Susan Koinzer Ergebnisse Infomodule in digitaler Form und als Print-Medium Die Infomodule Die Flyer Die Internetseite – Infomodule in digitaler Form Sachbericht und weiterhin bestehende Problemstrukturen Adressen und Kontakte Anlagen A. Presseberichterstattung/schriftliche Positionen B. Netzwerk/Links/Ankündigungen C. Tätigkeitsübersicht der Projektleiterin (fakultativ, nicht in allen Berichten enthalten) -2- 3 4 4 4 4 4 5 5 6 7 8 9 9 9 10 12 12 19 22 24 24 24 28 28 29 31 Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 1. Einführung in die Thematik Zum Glück ist es heutzutage nicht mehr ungewöhnlich, dass Frauen ihre eigenen Betriebe gründen. Ungewöhnlich und weniger glücklich ist, dass unsere Gesellschaft keineswegs darauf vorbereitet zu sein scheint, dass diese Frauen auch noch den Wunsch haben könnten, eine Familie zu gründen. Sind die Strukturen in Deutschland trotz vieler positiver, politischer Impulse in den letzten Jahren generell nicht kinder- oder familienfreundlich zu nennen, existieren für abhängig Beschäftigte Mutterschutzgesetze und Regelungen zur Elternzeit. Es gibt Arbeitsplatzgarantien und Unterstützungsansprüche, die es zumindest in einem gewissen Umfange ermöglichen, Arbeit und Familie in Einklang zu bringen. Selbstständige Unternehmerinnen hingegen fallen durch nahezu alle Maschen dieses Netzes. Es gibt keinen Anspruch auf Mutterschutz. Eine finanzielle oder personelle Unterstützung der Betriebe in dieser Zeit wird von keiner Seite gefördert, und eine Möglichkeit, sich privat gegen die das handwerkliche Kleinunternehmen in seiner Substanz gefährdenden Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft / Mutterschaft zu versichern, gibt es nicht. Speziell in kleinen handwerklichen Betrieben ist die Gefahr groß, dass die werdende Mutter sich und ihr Kind wegen der ökonomischen Zwänge des eigenen Betriebes gesundheitlich gefährdet oder die Firma durch schwangerschaftsbedingte Ausfälle der Chefin in Schieflage gerät – mit allen Konsequenzen für Unternehmerin und Unternehmen mit seinen Angestellten und Auszubildenden. Mit dieser unbefriedigenden Situation einher ging bislang eine unbefriedigende Informationslage. Da das Thema lange Zeit nicht zentral für die Wahrnehmung aller Beteiligten war, wurden weder gründungswillige Frauen rechtzeitig – d.h. nach Möglichkeit bereits während der Unternehmensplanung – darauf aufmerksam gemacht, noch gab es bei den Trägern unterschiedlichster Einrichtungen wie Behörden, Ämtern, Versicherungen etc. ein Problembewusstsein, das als Anlass hätte dienen können, bestehende Strukturen zu diskutieren und zu verbessern. An dieser Stelle sind die Unternehmerfrauen im Handwerk (UFH), Arbeitskreis Duisburg in Zusammenarbeit mit der Regionalstelle Frau und Beruf, Duisburg initiativ geworden, die Rolle der Mutter und (Klein)unternehmerin im Rahmen eines Projektes zu erfragen und zu verbessern. Das Projekt ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” hat das Thema in der Folge in die Öffentlichkeit getragen. Auf einer Fachtagung im September 2005, in Infoflyern, auf der Internetseite der Handwerkskammer Düsseldorf und nicht zuletzt durch die multiplikative Funktion des Projektbeirates wurden und werden Gründerinnen, Unternehmerinnen und Mitarbeitende aus dem Bereich Gründungsberatung informiert. Über eine weitreichende Vernetzung wurden unterschiedlichste Gremien aus Politik und Gesellschaft auf diese Problematik aufmerksam gemacht. So wurde Sorge getragen, dass das Thema bei den anstehenden sozialen und gesellschaftlichen Neuordnungen nicht wieder aus dem Blickfeld der gestaltenden Kräfte fällt. -3- Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 2. Projektbeschreibung 2.1. Projektorganisation Projektträgerin: in Kooperation mit: in Zusammenarbeit mit: Regionalstelle Frau und Beruf, Amt für Europaangelegenheiten, Stadt Duisburg Handwerkskammer Düsseldorf UnternehmerFrauen im Handwerk e. V., Arbeitskreis Duisburg. 2.2. Fachbeirat Für die Begleitung der Projektarbeit wurde ein Fachbeirat konstituiert. Die Mitglieder waren: Handwerkskammer Düsseldorf, Herr Ulrich Brand Handwerkskammer Düsseldorf, Frau Anke Herling Stadt Duisburg - Regionalstelle Frau und Beruf, Frau Irene Schiefen UFH Duisburg, Frau Elke Pannenbecker Bergische Universität Wuppertal, Prof. Dr. Ulrich Braukmann Signal Iduna, Filialdirektion Krefeld Herr Roland Benter Signal Iduna, Herr Udo van Rüth IKK-Nordrhein, Frau Elke Markelj UnternehmerHaus AG, Herr Marco Invernizzi Landesanstalt für Arbeitsschutz des Landes NRW, Frau Maria Dr. Tot Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit, Stab Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Frau Ulrike Wenner 2.3. Zielgruppen Die Zielgruppen des Projektes waren Existenzgründerinnen (einschl. Betriebsübernahme) und Unternehmerinnen von Kleinst- und Kleinunternehmen, Ich-AGs sowie freiberuflich tätige Frauen. Angesprochen wurden ferner frauenspezifische Berufsverbände sowie Vertretungen/Multiplikatoren des bestehenden Informationsund Beratungsnetzwerkes zu den Themen Existenzgründung und Selbstständigkeit. 2.4 Ziele Ziele des Projektes waren: Förderung der Motivation von Frauen zur Existenzgründung / Betriebsübernahme und Unterstützung der Realisierung ihrer Gründungsvorhaben Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen Minimierung des geschlechtspezifischen Betriebsrisikos Schwangerschaft für Selbstständige Umsetzung des von der EU in den beschäftigungspolitischen Leitlinien 1998 vorgegebene Leitprinzip ”Gender Mainstreaming” im Bereich der selbstständigen Erwerbsarbeit. - Dazu sollte erreicht werden: Integration des Themas Mutterschutz durch die Implementierung der Info-Moduls in das bestehende Informations- und Beratungssystem zum Thema Selbstständigkeit Verbindliche Vereinbarungen und Instrumente für das Management des Risikos Mutterschutz für selbstständig erwerbstätige Frauen z. B. Aufklärungspflicht der Krankenkassen mit konkreten Angaben über ihre Leistungen bei Schwangerschaft /Mutterschutz Konsensbildung über den notwendigen Handlungsbedarf zur Beseitigung der Benachteiligung von schwangeren, selbstständig erwerbstätigen Frauen und ihrer Unternehmen im Bereich der sozialversicherungsrechtlichen Regelungen Entsprechende Angebote von Dienstleistungen der Versicherungswirtschaft Dokumentation und Auswertung der Ergebnisse der Fachtagung -4- Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 2.5. Konzeption des Projektes Um eine effiziente Zielerreichung zu gewährleisten, bestand das Projekt aus zwei Modulen. Modul 1 Fachtagung mit Experten/innen, politischen und wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern, Multiplikatoren/innen und Unternehmer/innen mit dem Aufgabenschwerpunkt, Lösungsansätze zu entwickeln für die Themenbereiche: Management der Betriebsrisikos Schwangerschaft; Absicherung der Ausbildungs- und Arbeitsplätze während des Mutterschutzes der Unternehmerin; Auswahlkriterien für Versicherungsdienstleistungen Vergleich der sozialgesetzlichen Regelungen und Unterstützungssysteme in anderen europäischen Ländern und bestimmten Branchen Initiierung von Angeboten der Versicherungswirtschaft für Unternehmerinnen zur Reduzierung des Betriebsrisikos ”Mutterschutz” Modul 2 Konzeption und Herausgabe eines themenspezifischen Info-Flyers und Info-Moduls im Internet. Diese dienen der Implementierung des Themas in das Info-Material von Kammern, Verbänden, öffentlichen Verwaltungen sowie Multiplikatoren und Informierenden aus dem Bereich Existenzgründung / Betriebsübernahme / freiberuflichen Tätigkeit. 2.6. Projektlaufzeit Das Projekt begann am 01.03.2005 und endete am 31.10.2005. -5- Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 3. Fachtagung: Lebhafte Diskussionen in entspannter Atmosphäre Am 20. September 2005, am Weltkindertag, fand die Fachtagung wie geplant statt. Bei strahlendem Wetter fanden Fachpublikum, Betroffene und allgemein Interessierte in den Räumen der Handwerkskammer zusammen und ließen sich zunächst in Referaten zu den verschiedenen Ausprägungen des Problems Selbstständigkeit und Mutterschutz informieren, bevor sie in drei Arbeitskreisen lebhaft gemeinsam mit den Fachleuten diskutierten. Dem Thema angemessen, wurde selbstverständlich Kinderbetreuung angeboten, ein Angebot, dass gern genutzt wurde - nicht nur von den Müttern, die sich so ungestört informieren konnten, sondern auch von den Kindern, die den Tag in der Handwerkskammer sehr spannend fanden. Doch nicht nur für die Kinder war die Bilanz des Tages positiv: Alle Beteiligten äußerten sich sehr zufrieden mit dem Ablauf, wobei in einzelnen Bereichen die Notwendigkeit weiterer Verbesser-ungen in den konkreten Angeboten offenkundig wurde. Die Multiplikatoren, teilweise überrascht von der Brisanz und Dringlichkeit des Themas, sicherten eine zukünftige Berücksichtigung in ihren Beratungen zu. Viele Kontakte wurden geknüpft, die künftig dazu beitragen werden, das Problem der Absicherung der selbstständigen Mütter nicht länger unbeachtet bleibt. Viele Anfragen im Anschluss an die Fachtagung zeigen deutlich, dass ein nachhaltiges Problembewusstsein geweckt wurde. Nur so gelingt es die nötige Öffentlichkeit zu schaffen, um Problemlösungen auf den Weg zu bringen. -6- Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 3.1. Das Programm der Fachtagung ”Wenn die Chefin schwanger ist: Spannungsfeld: selbstständige Erwerbstätigkeit – Mutterschutz” Fachtagung am Dienstag, 20. September von 14:00 – 18:00 Uhr in der Handwerkskammer Düsseldorf. 14.00 Uhr Begrüßung Dr. Lothar Vahling, Geschäftsführer der Handwerkskammer Düsseldorf anschl. Eröffnung Karl Janssen, Dezernat für Familie, Bildung und Kultur der Stadt Duisburg Vertreten durch Frau Doris Freer, Leiterin des Frauenbüros, Mitglied des Verwaltungsvorstandes 14.15 Uhr Statements Beschäftigungsförderung und Förderung des Leitprinzips ”Gender Mainstreaming” in der Europäischen Union Marica Bodruzic, Journalistin, "Rednerteam Europa" (Team Europe) Selbstständigkeit und Mutterschutz: Praxisbericht Birgit Eppels, selbstständige Konditormeisterin und Mutter 14.40 Uhr Impulsreferate Netzwerke gemeinsamer Verantwortung für mehr Familienfreundlichkeit für selbstständig Erwerbstätige Marco Invernizzi, Vorstand UnternehmerHaus AG Mutterschutz aus Sicht der Arbeitsmedizin Dr. Maria Tot, Landesanstalt für Arbeitschutz des Landes NRW Mutterschaftsgeld und Krankenversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung am Beispiel der IKK Nordrhein Thomas Drost, IKK Nordrhein Schwangerschaft und Selbstständigkeit: Sicherungssysteme im europäischen Vergleich Susan Koinzer, Stadtverwaltung Landkreis Spree-Neiße 15.45 Uhr Kaffeepause 16.00 Uhr Workshops Workshop 1 Sozialversicherungssysteme: Chancen – Modelle – Lösungswege zum Abbau des geschlechtsspezifischen Risikos Workshop 2 Informationsoffensive und Vernetzungsaktivitäten zur Realisierung des Mutterschutzes bei Unternehmerinnen Workshop 3 Gründungskompetenz und Gründungskultur, Weiterentwicklung struktureller Rahmenbedingungen 17.00 Uhr Podiumsdiskussion Ende der Fachtagung ca. 18.00 Uhr -7- Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 3.1.1. Protokollnotiz zu den Teilen Begrüßung, Statements und Impulsreferate Herr Dr. Vahling betont in seiner Begrüßung die 1996 begründete Tradition der Förderung von Frauen in ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit durch die Handwerkskammer Düsseldorf. So darf die Fachtagung des aktuellen Projektes “Wenn die Chefin schwanger ist. Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit und Mutterschutz" als inhaltliche Fortführung der gemeinsam mit der Stadt Duisburg und den Unternehmerfrauen im Handwerk im Jahre 2002 gestarteten Initiative "Mutterschutz für Unternehmerinnen in Kleinbetrieben des Handwerks und handwerksähnlichen Betrieben" (Projektleiterin: Frau Dr. Anne Kuhlmann). In Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen Handwerkskammertag (WHKT) hatte sich das Bildungszentrum im Rahmen der empirischen Studie "Erschließung neuer Berufsfelder für Frauen in Technik und Handwerk" (Leiterin: Frau Petra Kuse) um einer Beseitigung von Barrieren bei der Berufswahl junger Frauen verschrieben. Ein sehr umfangreiches Projektvorhaben stellte das mit EU und Landesmitteln geförderte WHKT Projekt "Förderung neuer Berufsfelder für Frauen, insbesondere im Handwerk" (1997-2001; Leiterin: Frau Petra Kuse) dar. Besonders stolz ist die Kammer auf den, soweit ersichtlich bundesweit erstmaligen, Start eines Projektes zu Förderung von Kleinunternehmerinnen im Handwerk bereits im Jahre 1996 und zwar in Zusammenarbeit mit der Kommunalstelle Frau und Beruf, Düsseldorf (Kaufmännisch-technische Aufstiegsfortbildung für Frauen in Klein- und Mittelbetrieben. Projektleiter: Ulrich Brand, wiss. Begleitung Prof. Dr. Ruth Enggruber - FH Düsseldorf), 1996-97). Als Summe alles dieser Aktivitäten stellte Herr Dr. Vahling fest, dass die Quote der erfolgreichen Jungmeisterinnen eines Jahrganges im Kammerbezirk Düsseldorf von 13,5 % in 1996 auf ca. 21 % im Jahre 2004 angestiegen ist und damit um gut 5 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt liegt. Frau Doris Freer, Leiterin des Frauenbüros der Stadt Duisburg betonte die Notwendigkeit einer gezielten Förderung von Frauen in Klein- und Mittelbetrieben. In diesen Unternehmen sind in den letzten Jahren Arbeitsplätze in der Region entstanden, und es wäre eine fatale Entwicklung, wenn leistungsbereite Frauen nicht angemessen gefördert würden und keine Arbeit in diesem Wirtschaftsfeld ob als sozialversicherungspflichtige Angestellte oder auch im Rahmen einer selbständigen Erwerbstätigkeit finden würden. Frau Marica Bodruciz (Journalistin, "Rednerteam Europa" - Team Europe) referierte zum Thema Gender Mainstreaming – Einbeziehung der Gleichstellung von Frauen und Männern in alle Politiken und Maßnahmen der Gemeinschaft. Der Beitrag ist umfänglich im Anhang (Kapitel 6.2.) abgedruckt. Als selbstständige Konditormeisterin und Mutter hat Frau Birgit Eppels mit der Schilderung ihrer persönlichen Situation sicherlich am trefflichsten die wirklich existentiellen Schwierigkeiten einer Klein-Unternehmerin während (in der) Schwangerschaft und mit neugeborenem Kind darstellen können. Hier ist die Politik nachdrücklich gefragt, wenn sie die Vereinbarkeit von Selbständiger Tätigkeit und Familienplanung wirklich ernst meint. Herr Marco Invernizzi (Vorstand UnternehmerHaus AG, Duisburg) hat auf die bereits in der Region existierenden Netzwerkstrukturen verwiesen. “Unternehmerinnengeist” hängt auch immer mit Sozialverantwortung und Eigeninitiative zusammen, hierbei zeigen sich gerade kleine Unternehmen sehr leistungsbereit und verantwortungsvoll, z.B. bei dem Thema Kinderbetreuung. Frau Dr. Maria Tot von der Landesanstalt für Arbeitschutz des Landes NRW referierte über den Mutterschutz in Betrieben. Nähere Informationen unter: http://www.arbeitsschutz.nrw.de/bp/good_practice/BesondereZielgruppen/musch.html Herr Thomas Drost von der IKK Nordrhein erläuterte die gesetzlichen Vorgaben zu den Themen Mutterschutz und Mutterschaftsgeld, Elternzeit und Krankenversicherung in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung. Er sah die Notwendigkeit, das Thema bei der Restrukturierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf der politischen Ebene in befriedigender Form in die künftigen Lösungen zu integrieren. -8- Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Frau Susan Koinzer von der Stadtverwaltung Landkreis Spree-Neiße, referierte zum Thema “Schwangerschaft und Selbstständigkeit: Sicherungssysteme im europäischen Vergleich”. Der Beitrag ist umfänglich im Anhang (Kapitel 6.3.) abgedruckt. 3.2. Workshops In drei verschiedenen Workshops diskutierten Tagungsteilnehmer/innen mit Expertenrunden das Thema unter den Aspekten „Sozialversicherungssysteme“, „Informationsoffensive – Vernetzung“ sowie „Gründungskompetenz und Gründungskultur“. Dabei wurden Defizite benannt, positive Entwicklungen entdeckt und akute Handlungsbedarfe aufgezeigt. 3.2.1. Protokollnotiz zum Workshop 1 Sozialversicherungssysteme: Chancen – Modelle – Lösungswege zum Abbau des geschlechtsspezifischen Risikos Teilnehmende der Expertenrunde: Thomas Drost, IKK Nordrhein Elke Pannenbecker, Vorsitzende Arbeitskreis UnternehmerFrauen im Handwerk (UFH) Duisburg e. V. Udo van Rüth, Signal-Iduna Ulrike Wenner, Leiterin Stab Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Regionaldirektion NordrheinWestfalen der Bundesagentur für Arbeit NRW Moderation: Irene Schiefen, Stadt Duisburg Frau Elke Pannenbecker vom Arbeitskreis der UnternehmerFrauen im Handwerk (Duisburg) berichtete von vielerlei Hintergrundgesprächen in dem Bemühen zu greifbaren Lösungen für Frauen wie zum Beispiel der Duisburger Fotografenmeisterin Tatjana Knopf-Bauer zu kommen. Sie betonte das besondere Engagement des Duisburger Kreishandwerksmeisters Karl-Heinz Sondermann in dieser Frage. Herr Udo van Rüth von der Signal-Iduna legte dar, dass es nach seiner Einschätzung derzeit keine privatwirtschaftliche Lösung zum Einkommmensersatz für Selbständige während der Kinderbetreuung gibt. Im Zuge des Personalentwicklungsprogramms seiner Gesellschaft wird ein Projekt geprüft, das sich mit dem befristeten Einkommensersatz für selbständig tätige Mütter beschäftigt (Schriftwechsel mit der Signal-Iduna unter Presseberichterstattung/Anlagen). In ähnlich Form wie Herr Drost seitens der gesetzlichen Krankenkassen bat er um Verständnis, dass die Krankenversicherungsträger derzeit in besonderer Weise auf die Gestaltungsparameter des Gesetzgebers achten und neue Tarifstrukturen vor einer Klarheit der mittelfristigen Vorgaben der Politik kaum in Angriff nehmen würden. Frau Ulrike Wenner von der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit, Stab Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, erläuterte die nach wie vor unbefriedigende Situation im Hinblick auf das Kurzarbeitergeld in betroffenen Kleinunternehmen. Sie regt zu Überlegungen an, ob nicht ein Sonderfonds aus Steuermitteln bei entstehendem geringerem Arbeitsaufkommen von Mitarbeitern in den Mutterschutzzeiten für Ersatz sorgen könnte. Die hier anzurechnenden Mittel würden auch in Zeiten angespannter Haushaltslage keine erhebliche Belastung der öffentlichen Hand darstellen. 3.2.2. Protokollnotiz zum Workshop 2 Informationsoffensive und Vernetzungsaktivitäten zur Realisierung des Mutterschutzes bei Unternehmerinnen Teilnehmende der Expertenrunde: Dr. Axel Fuhrmann, Handwerkskammer Düsseldorf Marco Invernizzi, Vorstand UnternehmerHausAG Dr. Maria Tot, Landesanstalt für Arbeitschutz des Landes NRW Moderation: Anke Herling, Handwerkskammer Düsseldorf -9- Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Herr Dr. Fuhrmann stellte einleitend die Position der Ausbildungsabteilung der Handwerkskammer zum Thema Fortführung der Ausbildungsverhältnisse bei Schwangerschaft der Unternehmerin dar. Er erläuterte die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung für den Fall, dass eine erfahrene Gesellin oder Geselle für die Dauer des Ausfalls der Chefin über eine Ausnahmebewilligung die Betreuung der Auszubildenden übernehmen kann. Sollte diese Möglichkeit nicht bestehen, können die Auszubildenden vorübergehend im Rahmen einer Verbundausbildung in einem anderen Betrieb weiterlernen. Voraussetzung dafür sind natürlich freie Plätze. In diesem Zusammenhang wies Herr Dr. Fuhrmann nachdrücklich darauf hin, dass Vernetzung der Unternehmerinnen eines Gewerks bereits im Vorfeld sinnvoll sei, um so schon bei Auftreten einer Schwangerschaft über Kontakte zu möglichen Kooperationpartnerinnen zu verfügen. Darüber hinaus sicherte Herr Dr. Fuhrmann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die unbürokratische Unterstützung der Handwerkskammer zu. Frau Dr. Tot wies nachdrücklich darauf hin, dass eine Informationsoffensive zum Thema Mutterschutz notwendig sei, um Mutter und Kind vor Schäden zu bewahren. Die Vorschriften zum Mutterschutz seien medizinisch sinnvoll. Auch ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein, sollten die Frauen sich dringend informieren und nach Möglichkeit ihren Arbeitsplatz prüfen und Vorsorge treffen. Herr Invernizzi suchte in der Diskussion die Polarisierung zwischen abhängigen und selbstständigen Arbeitsverhältnissen aufzuheben, um auf der Basis gemeinsamer Schwierigkeiten in der Koordinierung von Kindern und Beruf gegenseitiges Verständnis und gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln. Als Fazit wurde die allgemeine Notwendigkeit erkannt, durch größere Flexibilität in den Strukturen von Arbeitsabläufen mehr Freiräume zu schaffen. Diese Freiräume, die dem geänderten Bedarf Erziehender Rechnung tragen müssten, seien für alle geforderten Änderungen zwingende Voraussetzung, ebenso wie die Erkenntnis, dass generelle Änderungen unumgänglich seien, wolle man das Gründungklima sowohl für Unternehmen als auch für Familien nachhaltig verbessern. Vernetzung, um durch den gegenseitigen Austausch nicht nur Großes zu bewegen, sondern auch konkrete alltägliche Probleme zu lösen, scheitere jedoch häufig an der mangelnden Bereitschaft der Betroffenen. Herr Invernizzi forderte dementsprechend, eigene Anspruchshaltungen und Versorgungserwartungen vor dieser Fragestellung zu überprüfen. 3.2.3. Protokollnotiz zum Workshop 3 Gründungskompetenz und Gründungskultur, Weiterentwicklung struktureller Rahmenbedingungen Teilnehmende der Expertenrunde: Prof. Dr. Ulrich Braukmann, Bergische Universität Wuppertal Susan Koinzer, Stadtverwaltung Landkreis Spree-Neiße Marica Bodruciz, Journalistin, "Rednerteam Europa" (Team Europe) Karin Peters, Landesvorsitzende der UnternehmerFrauen im Handwerk UFH NRW e.V. Moderation: Ulrich Brand, Handwerkskammer Düsseldorf Herr Prof. Dr. Braukmann unterstrich einleitend, wie wichtig das Thema »Spannungsfeld: selbstständige Erwerbstätigkeit – Mutterschutz« und die damit einhergehende Forderung nach einer Verbesserung 'dieser' Rahmenbedingungen von Unternehmensgründungen für eine Verbesserung der wirtschaftspolitisch so bedeutsamen »Gründungskultur« ist. Auch als unabhängiger Wirtschaftswissenschaftler appelliert er, insbesondere bei Kleinst- und Kleingründungen von Frauen den alten Grundsatz der Subsidiarität von Unternehmerinnen zu überdenken und gerade auch und insbesondere selbständigen Frauen für den Zeitraum des Mutterschutzes und ggf. darüber hinaus einen von der Allgemeinheit finanzierten Schutz und eine von der Allgemeinheit finanzierte Unterstützung umfangreich, nachhaltig und nach außen effektiv kommuniziert anzubieten. Diese eng definierte, partielle Abkehr vom Subsidaritätsprinzip rechtfertigte Prof. Braukmann mit einem wirtschaftlichen Gründungsklima in dem Deutschland im Hinblick auf die "Employment Rates" und die "entrepreneurial activities" gegenüber Nationen wie den USA und Kanada weit abgeschlagen zu sein scheint und demzufolge gerade Unternehmerinnen ermutigt und gefördert werden müssen um unternehmerisch tätig zu werden. ”Es müssen diejenigen motiviert und mobilisiert werden, die sich bislang nicht dem Thema der Unternehmensgründung zugewandt haben und sich zugleich durch hohe Gründungsbefähigungen, hohe fachliche Kompetenz, aufgebaute Netzwerke und bester Kenntnisse ihrer Branche für marktfähige Gründungen eig- 10 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht nen. Hierzu gehören übrigens auch und insbesondere die Frauen, die den handwerklichen Karriereweg beschritten und häufig im Vergleich zu unseren formal 'höher' qualifizierten Studierenden die 'Luft der manchmal sogar persönlichkeitsfördernden Praxis bereits geschnuppert haben'.” Die abschließende Bemerkung von Herrn Prof. Braukmann, es müsse als Verdienst des Projektes gesehen werden, dass es mit seiner Fragestellung die Finger auf einen großen 'weißen Fleck' und auf eine große Wunde der deutschen Gründungsförderung gelegt habe, zielte auch in Richtung der Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft. Sie sind gefordert diese aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive mit ökonomisch vernachlässigbaren Kostenaufwand/Mitteleinsatz aber für Unternehmerinnen existenzielle Schwachstelle in der sozialen Absicherung zu beseitigen. Frau Bodruciz stellte den grundlegenden Überlegungen des Wirtschaftswissenschaftlers zum Subsidiaritätsprinzip die Leitlinien der EU zum Gender-Prozess gegenüber. Hier sind explizit vier Säulen als besonders förderfähig definiert: 1. Verbesserung der Beschäftigungschancen 2. Entwicklung des Unternehmergeistes 3. Förderung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen 4. Stärkung der Maßnahmen für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt. Das Projekt wurde mit EU-Mitteln kofinanziert. Herr Brand bat um Verständnis bei den Handwerksunternehmerinnen, dass die Fachtagung neben den konkreten Einzelfragen zum Mutterschaftsgeld, zu den Krankenkassenbreiträgen, zum Kurzarbeitergeld für Mitarbeiter oder zur Weiterführung der Ausbildungsverhältnisse auch den weiten Blick des Wissenschaftlers und der Europaexpertin reflektieren muss, um in einem langwierigen Prozess in den entsprechenden Gremien zu konkreten Ergebnissen führen zu können. Das Beispiel der Tarifvertragsüberlegungen einer handwerksnahen Privatversicherungsgruppe zeige, das sich etwas bewege. Frau Peters hob hervor, wie eindringlich Frau Konditormeisterin Eppels die soziale Schieflage für die Unternehmerin und Mutter geschildert hat und dass seitens der Unternehmerfrauen im Handwerk NRW dringend konkrete Verbesserungen eingefordert werden. Handwerksunternehmerinnen und –unternehmer schätzen das fassbare Ergebnis, und hier seien schnelle Erfolge notwendig, um die erfreulich gestiegene Bereitschaft junger Meisterinnen zur Unternehmensgründung nachhaltig zu stützen. - 11 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 3.3. Referate der Fachtagung – die Scripte 3.3.1. »Aktuelle Entwicklungen in der Förderung von Unternehmensgründungen Verbesserung der Rahmenbedingungen von Unternehmensgründungen von Frauen als Beitrag zur Verbesserung der Gründungskultur« Univ.-Prof. Dr. rer. pol. habil. Ulrich Braukmann, Direktor des Instituts für Gründungs- und Innovationsforschung Meine Damen und Herren, mein im Rahmen der straffen Programmplanung allenfalls kurzer Beitrag soll es ermöglichen, das Thema unserer Fachtagung ”Wenn die Chefin schwanger ist: Spannungsfeld: selbstständige Erwerbstätigkeit – Mutterschutz” aus der Perspektive aktueller Entwicklungen in der Förderung von Unternehmensgründungen zu betrachten. Dabei möchte ich den Versuch unternehmen, Ihnen aufzuzeigen und zu verdeutlichen, wie wichtig Ihr Thema »Spannungsfeld: selbstständige Erwerbstätigkeit – Mutterschutz« und die damit einhergehende Forderung nach einer Verbesserung 'dieser' Rahmenbedingungen von Unternehmensgründungen für eine Verbesserung der wirtschaftspolitisch so bedeutsamen »Gründungskultur« ist. Und lassen Sie mich eine wesentliche förderpolitische Konsequenz meiner Einordnung Ihres Projektes in die aktuellen Entwicklungen der Förderung von Unternehmensgründungen vorab erwähnen: Es erscheint mir als unabhängiger Wissenschaftler unausweichlich, zumindest dafür zu appellieren, insbesondere bei Kleinst- und Kleingründungen von Frauen den alten Grundsatz der Subsidiarität1 von Unternehmerinnen zu überdenken und gerade auch und insbesondere selbständigen Frauen für den Zeitraum des Mutterschutzes und ggf. darüber hinaus einen von der Allgemeinheit finanzierten Schutz und eine von der Allgemeinheit finanzierte Unterstützung umfangreich, nachhaltig und nach außen effektiv kommuniziert anzubieten. Mit diesem Anliegen geht einher, dass ich zu Ihrem besseren Verständnis zunächst über aktuelle Entwicklungen in der Förderung von Existenzgründungen referiere. Dies ist aufgrund der vielen Entwicklungen, der vielen Programme und Initiativen, der vielfältigen und nicht nur konvergenten Diskussion in der Politik kein leichtes Unterfangen. Jedoch werde ich mich aufgrund meiner intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeit in einem Kernbereich der Gründungsförderung - der Förderung von innovativen Unternehmensgründungen aus Hochschulen - auf zumindest typische Entwicklungslinien beschränken können. Bitte gestatten Sie hierbei die Anmerkung: Dies ist nicht nur eine Konzentration auf den Bereich, in dem wir 'zu Hause sind'. Vielmehr wurde unsere Förderung der Gründung aus Hochschulen auch mehrfach (u.a. finanziert von der Deutschen Bank, von der FAZ und von BMW) für besonders 'gute Arbeit' - sogar als beste gründungsfördernde Hochschule Deutschlands - prämiert. Dies führte sicherlich auch zur außergewöhnlich dauerhaften Finanzierung unseres neu gegründeten Instituts für Gründungs- und Innovationsforschung. Ich bin mir sicher: Die diesbezüglichen Erfahrungen und Erkenntnisse lassen sich weitgehend auf den Bereich der hier an der Handwerkskammer relevanten Gründung von Kleinst-, Klein- und Mittelbetrieben übertragen, wie im Einzelnen belegt werden könnte oder Sie, meine Damen und Herren, unmittelbar nachvollziehen werden. 1 Vgl. Langenscheidts Wörterbuch (Dudenverlag als CD aus dem Jahre 2003): Sub|si|di|a|ris|mus, der; - u. Sub|si|di|a|ri|tät, die; - (gegen den Zentralismus gerichtete Anschauung, die dem Staat nur die helfende Ergänzung der Selbstverantwortung kleiner Gemeinschaften, bes. der Familie, zugestehen will. - 12 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Die auf allen Ebenen unserer Republik - also auf Bundes-, Landes- und sogar kommunaler Ebene - alimentierte und verantwortete Förderung von Unternehmensgründungen war primär wirtschaftspolitisch motiviert und lässt sich historisch sehr weit zurückverfolgen. Ein Meilenstein der jüngsten Geschichte der Förderung von Unternehmensgründungen wird durch den Global Entrepreneurship Monitor2 markiert. Mit dem Global Entrepreneurship Monitor lag Ende der 90er Jahre die erste wissenschaftlich fundierte Vergleichsstudie von OECD-Ländern bzgl. ihrer "entrepreneurial activities"3 vor. In diesen Studien konnte nachgewiesen werden, dass u.a. zwischen dem "Quarterly GDP Growth" und den "Employment Rates" eindeutige Beziehungen bestehen. Deutschland lag sowohl bzgl. der Beziehung zwischen dem "Quarterly GDP Growth" und den "entrepreneurial activities" als auch bzgl. der Beziehung zwischen den "Employment Rates" und den "entrepreneurial activities" gegenüber Nationen wie den USA und Kanada weit abgeschlagen im hinteren Feld des Nationenvergleiches. In Folge dieser wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnis wurde die Förderung von Existenzgründungen von unseres Wissens fast allen politischen Parteien postuliert und mit einem enormen finanziellen Aufwand in Form von Initiativen und Programmen wie GO, Go to School, EXIST, Flügge und Pfau auf den Weg gebracht. Die aktuellen Entwicklungen in der Förderung von Unternehmensgründungen aus und an Hochschulen lassen sich anhand von hier lediglich in den Vordergrund gestellten drei wesentlichen Erkenntnissen bzw. konzeptionellen Entwicklungssträngen nachzeichnen. 1997 legte das bmbf, damals noch unter der Führung unseres heutigen Ministerpräsidenten im Land NRW, Herrn Rüttgers, ein sehr großes Förderprogramm namens EXIST auf. Das wesentliche Ziel dieses bis heute in toto sehr viele Millionen Euro 'in Anspruch nehmenden' Projektes war es, durch geeignete Beratungs-, Qualifizierungs- und sonstige Unterstützungsmaßnahmen an Hochschulen die Zahl der Unternehmensgründungen 'direkt', d.h. in kürzester Zeit, zu erhöhen. Einer der fünf vom bmbf mit erheblichen Geldern geförderten Hochschulen (aus den 200, die sich beworben haben) war - auch für uns überraschend - die Bergische Universität Wuppertal. Bereits wenige Monate nachdem wir zu den Siegern des Wettbewerbs gekürt und gerade die ersten neuen Förderstrukturen an der Hochschule geschaffen waren, wurden wir vom Bund bzw. Projektträger aufgefordert, dem bmbf mitzuteilen, wie viele Gründungen wir nun in der dreimonatigen Projektlaufzeit 'produziert' hatten. Bereits zu diesem Zeitpunkt deutete sich meinen Mitarbeiterinnen und mir aufgrund der Widerstände in der praktischen Arbeit der Motivierung von Studierenden und Unterstützung von Gründungsvorhaben vor Ort an: Die Förderung seitens des Bundes unterlag leider einer großen Fehlannahme. Es wurde damals offenbar davon ausgegangen, dass es an der Hochschule - dem 'geborenen' Ort bzw. Hort der für Deutschland so bedeutsamen Produkt- und Prozessinnovationen - genügend Gründungsentschiedene geben würde, die regelrecht nur darauf warteten, dass ihnen eine Gründungsberatung oder eine in der Regel kurze Qualifizierung in Marketing, Finanzierung etc. den Weg zur unternehmerischen Selbständigkeit ebnen würden. Dem war nicht so. 2 Vgl. z.B. Reynolds, P. D./Hay, M./Camp, S. M.: Global Entrepreneurship Monitor (1999 Executive Report, Ewing Marion Kauffman Foundation), London 1999. Vgl. aktuell z.B. http://www.london.edu/gem.html. 3 Vgl. http://www.london.edu/gem.html: "Global Entrepreneurship Monitor (GEM UK) GEM UK is the world’s largest single country study of entrepreneurial activity within the GEM Global consortium. It is based on a survey of 22,500 adults of working age across the UK as well as in-depth interviews with 60-100 experts annually. This makes it more than a study of entrepreneurship. It can tell us about how much activity is going on, where that activity is, how regions across the UK compare, the types of people that become entrepreneurs and the impact that entrepreneurs have on job and wealth creation. GEM asks people of working age whether or not they are starting up a business, whether they own or manage a business and, if they are running a business, how long they have been doing this for. From this information a figure for Total Entrepreneurial Activity in the UK is calculated – the TEA index. The TEA index measures the numbers of people who are engaged in entrepreneurial activity in the UK. It comprises of: • All the people who are setting up a business by themselves or with other people as a stand-alone activity. • All the people who are setting up a business by themselves or with other people as part of their work. • All the people who own or run a business that has not been paying salaries for more than 42 months. In 2003 the TEA index for the UK was 6.4%. In other words, 6.4% of the UK population were engaged in some form of entrepreneurial activity [Download data for 2002 and 2003 here – links to excel files]." - 13 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Wir mussten bis heute feststellen, dass Gründerinnen und Gründer an der Hochschule eben nicht wie 'reifes Obst von den Bäumen fallen'. Schätzungen ergeben heute, dass sich pro ca. 15.000 Studierender einer Hochschule in etwa lediglich 15 mit Hilfe der Hochschule mit einer Prozess- und Produktinnovation selbstständig machen wollen, können und dies dann ggf. auch tun. Häufig sind das diejenigen Studierenden, die sich dem Thema der unternehmerischen Selbständigkeit aufgrund einer familiären Sozialisation zuwenden und nachhaltig-konsequent widmen. Dies war die erste Erkenntnis, der erste Entwicklungsstrang: Es gibt in der Regel viel zu wenig Studierende, die sich selbständig machen wollen und können; eine Erkenntnis, die im letzten Monat in einer Expertensitzung des bmbfs in Berlin durch eine aktuelle und unabhängige Studie von Kienbaum abschließend bestätigt wurde. Damit korrespondiert unser zweiter Entwicklungsstrang: In Wuppertal gingen wir als Konsequenz dieser ersten und für uns damals überraschenden Erkenntnis in einen »konzeptionell-programmatischen Spagat« und weiteten den Kreis der Adressaten unserer Gründungsförderung sukzessive aus. Anstatt wie vom bmbf ursprünglich erwartet, die Studierenden kurz vor ihrem Studienabschluss auf eine Existenzgründung vorzubereiten, haben wir uns stattdessen auf neue Zielgruppen konzentriert: Zum einen auf die Zielgruppe der freshmen - also auf die Studenten im ersten Semester und zum anderen auf die Zielgruppe der Alumni, also auf die Studenten, die bereits seit Jahren die Hochschule verlassen haben. Diese Konzentration auf die vermeintlich irrelevanten Randgruppen hat ihre Berechtigung u.a. in der Erkenntnis, dass sich Studierende genauso wenig kurzfristig zur Unternehmensgründung im wirtschaftspolitischen Interesse des Staates motivieren lassen, wie - Sie gestatten mir hoffentlich diesen ggf. überpointierten Vergleich - wahrscheinlich niemand im Raum sich ad hoc zur Gründung einer Familie und Zeugung von Kindern im Interesse der Sicherung des demografischen Fortbestands der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sehen möchte. Kurzum: Die Förderung von Unternehmensgründungen aus Hochschulen lässt sich insbesondere kurzfristig nicht in ein mechanistisches Kausalmodell einpferchen, nachdem - wenn ich dies nochmals verkürzend verdeutlichen darf - einige wenige Prozentpunkte Kreditverbilligung bereits den Willen und die Bereitschaft zur profunden Unternehmensgründung verursachen. Vielmehr bedarf es zudem einer nicht nur umfassenden, sondern in der Regel auch langen Auseinandersetzung der jungen Menschen mit dem vielfach für sie neuen Thema der Unternehmensgründung, bis sie sich bzgl. des Willens zur Unternehmensgründung von 'Unerfahrenen', ggf. 'Skeptikern' über Unentschlossene zu manifest Gründungsentschiedenen entwickeln, bis sie das Niveau der Gründungsmündigkeit und Gründungskompetenz erreicht haben. Eine solche selbst initiierte und weitgehend selbst gesteuerte Auseinandersetzung muss im Sinne einer Wertschöpfungskette früh einsetzen und sollte nach unserer Erkenntnis in Wuppertal bis ca. 5 bis 8 Jahre nach dem Studiumsabschluss dauern. Hierfür haben wir so genanntes gründungsdidaktisches Neuland betreten und ein völlig neuartiges Modell des »Entrepreneurship Career Development« entwickelt, welches angewandt auf das übliche Muster der Klassenraumbeschulung völlig neue Maßstäbe innerhalb der Gründungsqualifizierung bzw. Entrepreneurship Education setzt. Ein solches »Entrepreneurship Career Development« geht einher mit dem dritten Entwicklungsstrang, der da lautet »Von der Unternehmensgründungsförderung zur Förderung der Gründungskultur«. Bereits die weite Definition von »Kultur« nach William James Durant4 - ein franko-kanadischer Philosoph und Schriftsteller, der übrigens für das Stimmrecht der Frauen in den USA kämpfte, deutet das an, was mit diesem dritten Entwicklungsstrang gemeint ist. Nach William James Durant ist Kultur "soziale Ordnung, welche schöpferische Tätigkeiten begünstigt. Vier Elemente setzen sie zusammen: Wirtschaftliche Vorsorge, politische Organisation, moralische Traditionen und das Streben nach Wissenschaft und Kunst. Sie beginnt, wo Chaos und Unsicherheit enden. Neugier und Erfindungsgeist werden frei, wenn die Angst besiegt ist, und der Mensch schreitet aus natürlichem Antrieb dem Verständnis und der Verschönerung des Lebens entgegen." Diese sicherlich diskutierbare und als Ausdruck ihrer Zeit doch vielleicht ein wenig pathetisch wirkende Definition lässt erkennen, was wir in der Universität bezüglich der aktuellen Entwicklungen in der Förderung von 4 * 5. November 1885 in North Adams, Massachusetts; † 7. November 1981) war ein US-amerikanischer Philosoph und Schriftsteller; entnommen aus http://de.wikipedia.org/wiki/William_James_Durant. - 14 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Unternehmensgründungen erfahren haben und nunmehr zunehmend lauter als effiziente Förderung von Unternehmensgründungen fordern: Unser Land benötigt nicht eine (Über-)Veredelung der wenigen Unternehmensgründungen, also derjenigen, die sich sowieso, auch ohne staatliche Förderung, selbständig machen würden. Unser Land benötigt dringend zusätzliche Unternehmensgründungen. Es müssen diejenigen motiviert und mobilisiert werden, die sich bislang nicht dem Thema der Unternehmensgründung zugewandt haben und sich zugleich durch hohe Gründungsbefähigungen, hohe fachliche Kompetenz, aufgebaute Netzwerke und bester Kenntnisse ihrer Branche für marktfähige Gründungen eignen. Hierzu gehören übrigens auch und insbesondere die Frauen, die den handwerklichen Karriereweg beschritten und häufig im Vergleich zu unseren formal 'höher' qualifizierten Studierenden die 'Luft der manchmal sogar persönlichkeitsfördernden Praxis bereits geschnuppert haben'. Somit darf festgehalten werden: Unser Land benötigt dringend zusätzliche Unternehmensgründungen, auch und insbesondere von Frauen im Handwerk. Die bisherige Förderung von Unternehmensgründung hat sich bis auf die letzten Jahre zu stark auf die materielle Dimension der Förderung der Gründungskultur bezogen. Sollen zusätzliche Unternehmensgründungen bewirkt werden, müssen sich auch die Einstellungen, Werthaltungen und Auffassungen zur Unternehmensgründung in einer Gesellschaft als wesentliche immaterielle Dimension einer Gründungskultur ändern und verändern. Es bedarf hierbei nicht einer staatlich verordneten Änderung z.B. der Risikoneigung der Deutschen, die gemäß Studien des Global Entrepreneurship Monitors im Vergleich zu der der USA mit 49% außerordentlich hoch ist. Eine solche Neuakzentuierung der Gründungskultur darf in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung selbstverständlich nicht angeordnet werden. Vielmehr sollte sie die bewusste, willentliche und verantwortete Information über und Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken einer Gründung inkludieren. Sie muss sich mindestens in einer Gründungsmündigkeit jeden einzelnen Bürgers äußern, über die die hier im Rahmen dieser Fachtagung bedeutsame Adressatin der Gründungsförderung dann verfügt, wenn sie zur bewussten und begründeten Entscheidung für die Aufgabe oder Weiterverfolgung des Ziels einer weiteren Gründungsqualifizierung befähigt wird. Ich darf zusammenfassen. Unsere Erfahrungen und Forschungen indizieren: 1. Wir haben in Deutschland zu wenig Gründungen und zu wenig Personen, die sich für eine Gründung entscheiden und sich auch eine solche Gründung zutrauen. 2. Es bedarf einer zeitlich sehr gestreckten Auseinandersetzung der jungen Menschen mit dem vielfach für sie neuen bzw. fremden Thema der Unternehmensgründung. Ein solches Entrepreneurship Career Development kann viele Jahre in Anspruch nehmen. 3. Ein Entrepreneurship Career Development muss eingebunden sein in eine eigens geförderte Gründungskultur, die aus unserer Sicht für die Entscheidung, sich selbständig machen zu wollen, eine deutlich höhere Bedeutung hat, als kurzatmig angelegte Förderprogramme in einer »risikovermeidenden Risikogesellschaft«. Diese aus meiner Sicht zu kurze Rekonstruktion der aktuellen Entwicklungen in der Förderung von Unternehmensgründungen zeigt auf, wie bedeutsam eine Verbesserung der Rahmenbedingungen von Unternehmensgründungen von Frauen für die Erhöhung der Gründungsquote sein kann. Als unabhängiger Universitätsprofessor, der z.T. 'hautnah' die Entwicklung der Gründungsförderung in den letzten 20 Jahren mitverfolgen und insbesondere in den letzten 10 Jahren als Experte, Gutachter und Ratgeber in seinen Wirkungsfeldern mit gestalten durfte, vertrete ich hier wahrscheinlich eine etwas anders akzentuierte Auffassung als vielleicht der eine oder andere meiner Mitstreiter im Beirat des Projekts bzw. der Fachtagung ”Wenn die Chefin schwanger ist: Spannungsfeld: selbstständige Erwerbstätigkeit – Mutterschutz”. - 15 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Ich appelliere für eine konsequente, umfangreiche und deutliche Verbesserung des Mutterschutzes und ggf. der Zeit danach für Unternehmensgründerinnen bzw. Inhaberinnen kleinerer Unternehmen eben nicht nur (!), damit sich Frauen sofort selbständig machen und damit viele Unternehmerinnen in der konkreten Situation des benötigten Mutterschutzes unterstützt werden. Vielmehr fordere ich eine konsequente, umfangreiche und deutliche Verbesserung des Mutterschutzes und ggf. der Zeit danach für Unternehmensgründerinnen auch bzw. zusätzlich, damit sich überhaupt mehr Frauen als bislang - motiviert und 'beruhigt' durch das Zeichen und den Anreiz einer solchen Verbesserung - für den mutigen und lohneswerten Schritt zur unternehmerischen Selbständigkeit entscheiden und auch gehen. Wie eingangs bereits kurz erwähnt: Als wesentliche gründungspolitische Konsequenz meiner Einordnung Ihres Projektes in die aktuellen Entwicklungen der Förderung von start-ups erscheint mir ein Umdenken unausweichlich. Insbesondere bei Kleinst- und Kleingründungen von Frauen gilt es, den alten und im Handwerk so bewährten Grundsatz der Subsidiarität von Unternehmerinnen neu auszuloten. Gerade auch und insbesondere selbstständige Frauen in der Phase der Gründung eines Kleinst- oder Kleinunternehmens gilt es für den Zeitraum des Mutterschutzes und ggf. darüber hinaus einen von der Allgemeinheit finanzierten Schutz und eine von der Allgemeinheit finanzierte Unterstützung umfangreich sowie nachhaltig anzubieten und dies auch nach außen effektiv zu kommunizieren. Ob sich dafür z.B. eine U3 als neues Instrument anbietet, möchte ich hier nicht vertiefen, dies ist und wird Gegenstand unserer Fachtagung sein und ggf. der notwendigen nachfolgenden Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Vielmehr möchte ich mich noch kurz der Frage nach der Legitimität einer solchen Neuausrichtung der Förderung von Unternehmensgründungen widmen. Auf den ersten Blick mag die vorgetragene Argumentation in der historisch gewachsenen Tradition der deutschen Sozialpolitik bzw. der Tradition des deutschen Arbeitsrechtes als staatlich verordneter Schutz der Arbeitnehmer stehen. Dies könnte ein anerkanntes ordnungspolitisches Sakrileg verletzen. Denn: Warum - so darf und muss gefragt werden - soll eine Unternehmensgründerin durch staatliche Subventionen in dieser Phase der Unternehmensentwicklung unterstützt werden. Schließlich ist sie im Kontrast zu einer arbeitsrechtlich 'geschützten' und familienpolitisch 'geförderten' Arbeitnehmerin in einer selbst initiierten und zu verantwortenden Investitionsphase, deren Amortisation in Form eines ROI ('Return on Investment') wie jede Kapitalinvestition verloren gehen kann, aber auch - was in der Regel zu hoffen ist - ihr genauso alleinig als zukünftige Gewinne bzw. Überschüsse zufließt. Warum - so könnte ordnungspolitisch überspitzt gefragt werden - sollte sich die Allgemeinheit an der Finanzierung der Absicherung und Unterstützung von Unternehmerinnen beteiligen, wenn diese damit in der Zukunft Gewinne machen, die nicht an die Allgemeinheit als Investor zurückfließen. Exponierte Kritiker könnten dies zum Anlass nehmen und die Mutterschaft für angehende (und ggf. selbsternannte) Spekulantinnen an der OnlineBörse als förderungswürdig einstufen - übrigens, die damit einhergehende Abgrenzungsproblematik ist ein manifester Beleg für die Notwendigkeit weiteren Forschungs- und Entwicklungsbedarfes in diesem Feld. Die Beantwortung dieser hier relevanten Frage ist vergleichbar mit denen, denen sich die Verantwortlichen in Bonn und Berlin im Zuge der Erörterung der zukünftigen Förderung von Unternehmensgründungen auch stellen mussten. Ich möchte hier - neben der nicht weiter auszuführenden Selbstverständlichkeit der grundgesetzlich geforderten Gleichberechtigung von Mann und Frau5 und der daraus ableitbaren gesellschaftspolitischen Forderungen - lediglich drei Argumente nennen: 5 Vgl. Artikel 3 des Grungegesetzes: "(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." - 16 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Zum ersten sollte berücksichtigt werden: Viele Maßnahmen der unmittelbaren Gründungsförderung (wie z.B. 'verbilligte' Kredite) stellen als direkte Subvention und damit als Eingriff in das freie Spiel der sozialen Marktwirtschaft eine ordnungspolitische Verletzung dar. Diese wird jedoch von den Regierungen aller Parteien (also von Bayern bis MecklenburgVorpommern) im Zuge einer Güterabwägung insbesondere mit dem gesamtgesellschaftlichen Nutzen dieses bewusst hingenommenen Eingriffes gerechtfertigt. Das Ergebnis einer solchen Güterabwägung könnte auch hier ein ggf. neu einzuführendes mutterschaftsbedingtes Ausfallsicherungssystems - hier (bereits) plakativ und kurz U3 für Unternehmensgründerinnen genannt - legitimieren. Zum zweiten gibt es in der Sozialgeschichte und auch in der bewährten Tradition des Deutschen Handwerks gute Gründe und Vorbilder, warum diejenigen, die nicht aufgrund der § 611 ff BGB unter die z.T. mühsam erkämpften Privilegien des Arbeitnehmerschutzes stehen, nun durch eine z.B. U3 für Unternehmensgründerinnen so gestellt werden, als ob sie abhängig beschäftigt wären. Schließlich handelt es sich bei den Kleinstund Kleingründungen in der Regel um zukunftsträchtige, aber zugleich auch wirtschaftlich fragile Projekte, die insbesondere für den Fall, dass es keine oder nur sehr wenige Mitarbeiter in dem neu zu schaffenden Unternehmen gibt, sowieso die Grenzen zwischen selbständiger und abhängiger Beschäftigung verschwimmen lassen. Dass dies auch in der Vergangenheit respektiert wurde, zeigt sich für die Spezialisten im Handwerksrecht u.a. an der Zweidrittelmehrheit der Arbeitgeberseite in der Vollversammlung der Handwerkskammern. Zudem werfen diese Gründungen zumindest in den ersten zu überschauenden Jahren nicht die Gewinne und Überschüsse ab, die es in der Regel rechtfertigen können, auf eine Förderung mutiger Frauen im Spagat zwischen Familiengründung und Unternehmensgründung zu verzichten. Und damit bin ich schon bei meinem dritten Argument. Ohne eine Verbesserung der Rahmenbedingungen von Unternehmensgründungen von Frauen in Form zusätzlicher und zugleich ausgleichender Absicherung und Unterstützung werden letztlich auch von der Gesellschaft die falschen Signale an die jungen Frauen ausgesendet, die sich möglicherweise in der Zukunft selbständig machen könnten oder wollten. Es bedarf einer Verbesserung der Gründungskultur durch eine verbesserte Unterstützung während und ggf. nach dem Mutterschutz. Ohne solche Zeichen, Anreize und Symbole der Gesellschaft an diejenigen, die sich im Zuge einer KostenNutzen-Abwägung für oder wider eine Auseinandersetzung mit dem Thema Unternehmensgründung entscheiden, macht sich der Teil des Eisbergs unterhalb der Wasseroberfläche - also das gesamte Potenzial an Unternehmensgründungen und Unternehmensnachfolgerinnen - gar nicht erst auf den Weg. Ohne solche Zeichen, Anreize und Symbole starten weniger verantwortungsvolle Frauen (als wirtschafts- und gesellschaftspolitisch gewünscht) noch nicht einmal das eigens für sie entwickelte Programm einer »Entrepreneurship Career Development« als gute Voraussetzung für erfolgreiche Unternehmensgründungen. Falls unsere Gesellschaft möchte, dass unser Wohlstand und unsere Prosperität durch die dynamisierende Kraft von Unternehmensgründungen gesichert und ausgebaut werden, so sollte unsere Gesellschaft ausdrücklicher anerkennen, wenn sich Frauen oft nicht nur in der Familie, sondern auch durch und in einer in der Regel sehr 'anstrengenden' Unternehmensgründung in die gesamtgesellschaftliche Wertschöpfung einbringen und häufig auch 'aufopfern' - ein Begriff, über den ich lange nachgedacht habe, der nicht nur empirisch belegt werden kann, sondern auch aus theoretischer Perspektive als angemessen eingestuft werden muss. Bitte lassen Sie mich zum Abschluss meines Vortrages hierzu ganz kurz erläutern: Wie viele der Anwesenden aus dem selbständigen Handwerk aus eigener fordernder und förderlicher Anschauung wissen, hat die Entscheidung für eine Unternehmensgründung eine große Tragweite, z.B. bzgl. der Übernahme von juristischen und moralischen Verpflichtungen, bzgl. der Folgerungen eines unternehmerischen Arbeits- und Lebensstiles und ist in der Regel mit einer starken Festlegung, häufig Unumkehrbarkeit der Berufswahl- und Lebenswegentscheidung verbunden. Gerade die ersten Jahre der unternehmerischen Selbständigkeit sind häufig mit Abwechslung und Spannung, leider aber auch häufig mit der so genannten 'multiplen funktionalen Überforderung' verbunden. Diese äußert sich gerade bei Einfrauengründungen in der Tatsache, alle betriebswirtschaftlichen Funktionen - Einkauf, Verkauf, Finanzierung, Steuern etc. - zugleich beherrschen und erfolgreich anwenden zu können. Vor diesem Hintergrund muss ich mir als langjähriger 'Kämpfer' (im Sinne eines Promotors) für eine Verbesserung der Gründungskultur erlauben dürfen, festzuhalten: - 17 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Es muss als Verdienst Ihres Projektes gesehen werden, dass Sie mit Ihrer Fragestellung die Finger auf einen großen 'weißen Fleck' und auf eine große Wunde der deutschen Gründungsförderung gelegt haben. Sie haben damit nicht nur die Möglichkeit geschaffen, dass sich Frauen in der Gründung zunächst zumindest besser über die Absicherung ihrer Unternehmensgründung im Falle der Mutterschaft informieren können. Vielmehr haben sie mit Ihrem Projekt zumindest den Startschuss für eine Besserung der Situation gegeben und den selektiven Blick der interessierten Öffentlichkeit auf dieses Politikfeld gelenkt. Bitte lassen Sie mich vorsorglich klarstellen: Es darf nun nicht davon ausgegangen werden, dass sich nach einer möglichen Einführung eines mutterschaftsbedingten Ausfallsicherungssystems die Zahl der Unternehmensgründungen von Frauen im Handwerk radikal steigert bzw. steigern ließe. Zugleich aber haben Sie mit ihrem Projekt bereits zur Stabilisierung und Beschleunigung der aktuellen Entwicklungen in der Gründungsförderung beigetragen. Denn es wird durch die Zuversicht schaffende Anreiz- und Symbolwirkung pars pro toto der Verbesserung der Gründungskultur dienen und damit als zentraler Nährboden einer Erhöhung der Anzahl erfolgreicher Gründungen fungieren. - 18 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 3.3.2. Gender Mainstreaming – Einbeziehung der Gleichstellung von Frauen und Männern in alle Politiken und Maßnahmen der Gemeinschaft Marica Bodruciz, Journalistin, "Rednerteam Europa" (Team Europe) Gender Mainstreaming – Einbeziehung der Gleichstellung von Frauen und Männern in alle Politiken und Maßnahmen der Gemeinschaft Die Beschäftigungsquote von Frauen liegt unter derjenigen von Männern. Frauen werden schlechter vergütet, haben geringere Aufstiegschancen und ein höheres Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung. Zudem sind sie im öffentlichen und politischen Leben unterrepräsentiert und häufig durch Familie und Beruf doppelt belastet. Gleiche Lebens- und Arbeitsbedingungen für Frauen und Männer zu schaffen, ist eines der Ziele der Europäischen Union. Denn die Gleichbehandlung der Geschlechter und das Recht auf gleiche Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen sind grundlegende Menschenrechte. Gleichstellung und Chancengleichheit vergrößeren die Gerechtigkeit in einer Gesellschaft, die zu annähernd gleichen Teilen aus Frauen und Männern besteht. Sie tragen zur Verwirklichung von Demokratie und einer ausgewogeneren Politik bei. Abgesehen davon kann sich die europäische Wirtschaft nicht leisten, auf die Kreativität, Arbeits- und Gestaltungskraft von Frauen zu verzichten. Warum Gender Mainstreaming? Bei Gender Mainstreaming (GM) geht es darum, Chancengleichheit nicht allein mit Frauenförderprogrammen erreichen zu wollen, sondern zur Verwirklichung der Gleichberechtigung sämtliche politischen Konzepte und Maßnahmen einzuspannen. Definition Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt. Gender kommt aus dem Englischen und bezeichnet die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechtsrollen von Frauen und Männern. Diese sind - anders als das biologische Geschlecht - erlernt und damit auch veränderbar. Mainstreaming (englisch für "Hauptstrom") bedeutet, dass eine bestimmte inhaltliche Vorgabe, die bisher nicht das Handeln bestimmt hat, nun zum zentralen Bestandteil bei allen Entscheidungen und Prozessen gemacht wird. Herkunft und Entwicklung 1985 Gender Mainstreaming wird auf der 3. Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Nairobi als politische Strategie vorgestellt. 1994 Durch die Einsetzung eines Lenkungsausschusses für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, der für Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung zuständig und direkt beim Ministerkomitee angesiedelt ist, wird das Gender-Mainstreaming-Konzept auf der Ebene des Europarats aufgegriffen. 1995 Auf der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking wird das Prinzip in der verabschiedeten Arbeitsplattform verankert. Hieraus ergibt sich für alle Mitgliedstaaten die Verpflichtung, in den jeweiligen nationalen Strategien zur Umsetzung ein Konzept zur Implementierung von Gender Mainstreaming zu entwickeln. 1996 Die Europäische Union verpflichtet sich in der "Mitteilung der Europäischen Kommission zur Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche politische Konzepte und Maßnahmen der Gemeinschaft" dem neuen Ansatz des Gender Mainstreaming. 1997 Das Europäische Parlament empfiehlt in seiner Entschließung vom September 1997 als weitere Umsetzungsschritte die Schaffung geeigneter Koordinierungsstrukturen, die Erarbeitung von Bewertungskriterien, eine Überprüfung aller Legislativvorschläge auf die geschlechtsspezifische Dimension hin (Gleichstellungsprüfung), die Fortsetzung der Doppelstrategie (Gender Mainstreaming plus spezielle För- 19 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht dermaßnahmen) und die Ausrichtung von Datenerhebungen und Statistiken nach geschlechtsspezifischen Kriterien. 1998 Veröffentlichung des ersten Fortschrittsberichts der Europäischen Kommission zu Gender Mainstreaming. 1999 Verankerung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes in den beschäftigungspolitischen Leitlinien der EU. Sie basieren auf den folgenden vier Säulen: 1. Verbesserung der Beschäftigungschancen 2. Entwicklung des Unternehmergeistes 3. Förderung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen 4. Stärkung der Maßnahmen für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt Die Verankerung bedeutet: Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen werden nicht nur im Rahmen der Säule 4 ergriffen, sondern als Querschnittsaufgabe auch für die drei anderen Säulen definiert. Mit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages am 1. Mai wird der Gender Mainstreaming-Ansatz zum ersten Mal in rechtlich verbindlicher Form festgeschrieben. Der Vertrag verpflichtet die Mitgliedstaaten zu einer aktiven Gleichstellungspolitik im Sinne des Gender Mainstreaming. Der ”Doppelte Ansatz” der Europäischen Union Der Europäischen Kommission geht es nicht nur darum, Frauenförderprogramme aufzulegen und ihnen den Zugang zu den Programmen und Finanzmitteln der Gemeinschaft zu eröffnen, sondern auch darum, das rechtliche Instrumentarium, die Finanzmittel und die Analyse- und Moderationskapazitäten der Gemeinschaft zu mobilisieren, um auf allen Gebieten eine ausgewogene Beziehung zwischen den Geschlechtern zu ermöglichen." Förderung der Gleichstellung ist nicht nur der Versuch statistische Parität zwischen den Geschlechtern herzustellen. Es geht vielmehr darum, eine Weiterentwicklung der Elternrollen, der Familienstrukturen, der Arbeitsorganisation zu fördern im Sinne einer Entfaltung der gesamten Gesellschaft hin zu mehr Demokratie und Pluralismus Zur Förderung der Gleichstellung wendet die Europäische Kommission ein Bündel von Maßnahmen, Strategien und Methoden an. Im Vordergrund steht dabei das Prinzip des Gender Mainsteaming als Strategie. Diese wird flankiert und ergänzt mit spezifischen Aktionen. Nach Meinung der Europäischen Kommission kann das Gender Mainstreaming nur funktionieren, wenn zum Beispiel die Zuständigkeiten zur Überwachung und Prüfung des GM geregelt sind, das Problembewusstsein bei den Verantwortlichen geschult und Statistiken und Daten nach Geschlecht aufgeschlüsselt werden. Gender Mainstraming in den Europäischen Programmen Das Gender Mainstreaming hat in der Europäischen Union u.a. in folgende Politikbereiche Einzug gehalten, Beschäftigung und Arbeitsmarkt Entwicklungszusammenarbeit Allgemeine und Berufliche Bildung Forschung und Wissenschaft Personalpolitik Die Einbeziehung des Gender Mainstreaming in der europäischen Strukturpolitik zählt jedoch zu seinen größten Erfolgen. Dieser – nach der europäischen Agrarpolitik – zweitgrößte Haushaltsposten der Union, wird für die Überwindung wirtschaftlicher und sozialer Ziele in Europa eingesetzt. Die Strukturfondsverordnung definiert die Gleichstellung von Frauen und Männern als eines der Hauptziele der Fonds und sieht vor, dass die Gleichstellungsdimension in sämtliche von den Fonds kofinanzierten Maßnahmen zu integrieren ist. Insofern ist dem Gender-Mainstreaming-Grundsatz in allen Schwerpunktbereichen der Strukturfonds Rechnung zu tragen (Unternehmen, Humanressourcen, Verkehrswesen, Infrastruktur, For- - 20 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht schung und Technologie). Alle Pläne und Programme müssen auf nach dem Geschlecht aufgeschlüsselten Daten und Gleichstellungsindikatoren basieren. Weiterführende Links Ausführliche Informationen zum Gender Mainstreaming auf europäischer Ebene: http://europa.eu.int/comm/employment_social/equ_opp/index_de.htm Europäisches Netzwerk zur Förderung der Unternehmertätigkeit von Frauen: http://europa.eu.int/comm/enterprise/entrepreneurship/craft/craft-women/wes.htm Ergebnisse eines Seminars über den sozialen Schutz von Unternehmerinnen: http://europa.eu.int/comm/enterprise/entrepreneurship/craft/craft-women/seminar_socialprotection.htm Fachportale zur Umsetzung des Gender Mainstreaming http://www.kompetenzz.de/layout/set/print/content/view/full/299 EU-gefördertes deutsches Portal zur Förderungen von Unternehmerinnen: www.gründerinnenagentur.de Lesetipp: Frauen in Europa www.eu-kommission.de/pdf/eunachrichten/TH11_INTERNET.pdf - 21 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 3.3.3. ”Schwangerschaft und Selbständigkeit im europäischen Vergleich” Susan Koinzer, Jobagentur Landkreis Spree-Neiße Prioritäres Ziel der deutschen Familienpolitik ist es, Anreize für die Gründung einer Familie zu erhöhen. Dies sind vordergründig nicht ausschließlich finanzielle Aspekte. Damit sollte jetzt einhergehen, dass die schwierige Situation der selbständig erwerbstätigen Frauen zufrieden stellend gelöst wird. Aber wie sieht es nun aus – in Europa? Ich möchte vorweg nehmen, dass diese Thematik ursprünglich einen Teil meiner Diplomarbeit belegen sollte. Aufgrund der breit angelegten Eingangsdiskussion und persönlicher Unwegsamkeiten war ich jedoch gezwungen, diesen Teil auf einen Exkurs zur schweizerischen Mutterschaftsversicherung einzugrenzen. Ebenfalls erscheint es mir wichtig zu erwähnen, dass die vorhandenen Daten sich maßgeblich mit dem Thema Elternurlaub und den geschlechtsneutralen Anspruchsvoraussetzungen auseinander setzen. Anknüpfungspunkt ist überwiegend das abhängige Beschäftigungsverhältnis und der einhergehende Lohnausfall. Bei der Betrachtung europäischer Sicherungssysteme sind 2 Problemfelder zu analysieren. • Selbständig erwerbstätige Frauen bilden keine homogene Gruppe. Das heißt wir haben mithelfende Familienangehörige (also Ehefrauen, Lebenspartnerinnen, Töchter und alle sonst denkbaren verwandtschaftlichen Verhältnisse), angestellte Partnerinnen, Geschäftspartnerinnen und die Gruppe der Solounternehmerinnen. Demzufolge sind die Vorkehrungen für die soziale Sicherung äußerst unterschiedlich entwickelt worden. Eins ist aber allen gemein: die Existenz eines Nebeneinanders von staatlichen Pflichtversicherungssystemen und einem gewissen Maß an Freiwilligkeit. • Die Vorgaben der Europäischen Union resp. des Rates anno 1986 sind sehr vage > es wurden keine speziellen Maßnahmen reglementiert. Demnach darf spekuliert werden, ob die fehlende Anleitung dazu geführt hat, dass in der Vergangenheit kaum Reaktionen aus den Mitgliedstaaten kamen. Allerdings verpflichtete die Richtlinie schon damals zur Information des betrachteten Personenkreises, auch wenn keine Änderungen in der Gesetzgebung für erforderlich gehalten werden. Wir alle wissen, wie dieser Informationsfluss in Gang gesetzt werden muss – VON UNTEN NACH OBEN. Übereinstimmend mit der Absichtserklärung dieses Projekts fordert auch Europa aktuell mehr Informationsvermittlung und weiteres Handeln der Mitgliedstaaten. Lassen Sie mich kurz einige Worte zur Richtlinie des Europäischen Rates aus dem Jahre 1986 (86/613/EWG) sagen: Wie bereits erwähnt, wurden die Mitgliedstaaten lediglich verpflichtet, zu untersuchen, welchen besonderen Beitrag die erwerbstätigen Partnerinnen zum Familieneinkommen leisten. Hierzu ist erforderlich, dass der berufliche Status eindeutig definiert wird. Darüber hinaus ist festzustellen, ob Anwartschaften auf Leistungen der sozialen Sicherungssysteme erworben werden können. Überblicksweise möchte ich nun zu einigen europäischen (Nachbar-)Ländern sprechen: • Vor dem Hintergrund er aktuellen Diskussion zur Elterngeld-Regelung lohnt sich der Blick nach Norden: Schweden hat neben einer weit reichenden Kinderbetreuung ein gehaltsbezogenes Elterngeld (80% in 1998) eingeführt. Es gibt eine flexible Ein- und Aufteilung der Elternzeit für Mutter und Vater. Allerdings gilt dies nicht für alle Personenkreise. Studenten und Personen mit geringer oder keiner Erwerbsbindung bleiben außen vor. – Von den Arbeitgebern wird ein hohes Maß an Flexibilität verlangt, damit auf individuelle Bedürfnisse reagiert werden kann. Die Finanzierung wird über die Sozialversicherung realisiert. - 22 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht • • • • • In Irland gab es bis 1994 keine gesetzlichen Regelungen zum Mutterschutz. Elternurlaub wurde erst 1998 per Gesetz festgeschrieben. In Italien wurde per Gesetz im Jahr 2000 Elternurlaub gewährt, mit dem Ziel, das Gleichgewicht und die Harmonisierung zwischen den Zeiten von Arbeit, Pflege, Ausbildung und Familienleben zu fördern - mit dem Grundsatz der Gleichheit der Möglichkeiten auf mehreren Ebenen, so auch bei abhängig Beschäftigten und Selbständigen. In der französischen Gesetzgebung wurden drei Statuten hinsichtlich des sozialen Schutzes von Unternehmerinnen und den mithelfenden Ehepartnern eingerichtet: die mitarbeitende, die angestellte und die Geschäftspartnerin. Die Schweiz, in ihrer Entwicklung des gesetzlichen Mutterschutzes sehr ”artverwandt” mit Deutschland, hat zum 01. Juli 2005 eine Mutterschaftsentschädigung für erwerbstätige Mütter eingeführt. Ab diesem Zeitpunkt haben angestellte und selbständige Frauen Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung. Dies gilt auch für Frauen, die gegen Entgelt im Unternehmen ihres Partners mitarbeiten. Während 14 Wochen erhalten sie 80% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens vor der Geburt (maximal aber 172 Franken pro Tag). Für Nichterwerbstätige wird eine Grundentschädigung gezahlt. Finanziert wird dies alles durch einen Fonds. Und zum Schluss noch ein, wie ich finde, sehr passendes Beispiel aus Österreich: Seit etwa 10 Jahren hat sich dort die Betriebshilfe für Klein- und Kleinstunternehmen etabliert. Qualifizierte Betriebshelfer unterstützen die Unternehmen im Mutterschutzfall sogar gratis. Unter den insgesamt rund 1.500 Fällen gab es 400 Baby-Einsätze. Kommt man nun zur Frage der Übertragbarkeit einzelner Modelle auf Deutschland, so ist zu konstatieren, dass die Lohnnebenkosten ohnehin schon recht hoch sind. Die Möglichkeit der Finanzierung aus dem Steueraufkommen erscheint gerecht, abgesehen von den (un)gewollt Kinderlosen. Nur eins muss allen Beteiligten klar sein: Reformen sind nur mit flankierenden Maßnahmen umfangreich und nachhaltig umsetzbar. Hierzu zählen insbesondere der Ausbau der Kleinkindbetreuung und flexible Lebensarbeitszeitmodelle, die einen Wiedereinstieg ermöglichen. Die Unterstützung von selbständig erwerbstätigen Frauen ist wahrlich kein Selbstläufer. Die auf gesamtwirtschaftlicher Ebene von den Unternehmerinnen bereitgestellten Potenziale sollten mehr Beachtung finden. - 23 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 4. Ergebnisse Die Ergebnisse der Fachtagung sowie der parallel verlaufenden Verhandlungen mit namhaften Versicherungsunternehmen wurden in Infomodulen zusammengefasst. Sie wurden in digitaler Form auf der Internetseite der Handwerkskammer Düsseldorf und gedruckt als Flyer aufbereitet und publiziert. 4.1. Die Infomodule in digitaler Form und als Print-Medium 4.1.1. Die Infomodule Selbstständige im Sinne dieser Info-Module Selbstständige Unternehmerinnen und Gesellschafter-Geschäftführerinnen, die sozialversicherungsrechtlich nicht zu den Arbeitnehmerinnen zählen (in der Regel mit Gesellschaftsanteilen über 50 %). Kurzarbeitergeld Schwanger- und Mutterschaft stellen nach der derzeitigen Gesetzgebung keinen hinreichenden Grund für Kurzarbeitergeld dar. Die Beschäftigten einer schwangeren Unternehmerin haben dementsprechend keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, sollte es durch die Schwangerschaft zu betrieblichen Engpässen kommen. Mutterschutz und Mutterschaftsgeld Das Mutterschutzgesetz gilt generell nur für abhängig beschäftigte Arbeitnehmerinnen. Auf den Personenkreis der selbstständigen Unternehmerinnen ist es aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht anwendbar. Für Selbstständige gelten somit keine Mutterschutzfristen, und es gibt kein gesetzliches Beschäftigungsverbot. http://www.arbeitsschutz.nrw.de/bp/good_practice/BesondereZielgruppen/musch.html http://www.bmfsfj.de/Kategorien/gesetze,did=3264.html Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld reduziert sich dadurch auf jene Unternehmerinnen, die freiwillig in einer gesetzlichen Krankenversicherung sind und zusätzlich den Anspruch auf Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit mitversichert haben. Für diesen Personenkreis der nicht abhängig Beschäftigten – also auch für Unternehmerinnen – wird das Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes gezahlt. Eine finanzielle Leistung während der sonst üblichen Schutzfristen ( 6 Wochen vor / 8 Wochen bzw. bei Früh- und Mehrlingsgeburten 12 Wochen nach der Entbindung) wird also nur dann gezahlt, wenn die gesetzliche Krankenkasse einen entsprechenden Krankengeldanspruch mit einschließt. Die Satzung der jeweiligen Krankenkasse kann den Anspruch auf Krankengeld (und damit auch auf Mutterschaftsgeld) für freiwillig Versicherte auch ausschließen. Dies sollte möglichst bereits im Vorfeld erfragt werden. Problematisch kann die Höhe der jeweiligen Krankengeldabsicherung sein, da diese als Basis für die Berechnung des ”Ersatz”-Mutterschaftsgeldes gilt. Ein Krankengeldanspruch für freiwillig Versicherte wird als ”Lohnersatzleistung" nur bis zu einem Arbeitseinkommen berücksichtigt, für welches auch Beiträge gezahlt wurden bzw. werden. Gerade zu Beginn einer selbstständigen Tätigkeit wird der Gewinn naturgemäß gering ausfallen. Das bedeutet zwar auch eine geringe Beitragsbelastung, lässt allerdings auch nur eine dem Einkommen angepasste Krankengeld- und damit Mutterschaftsgeldabsicherung zu. Elternzeit Selbstständige haben keinen Anspruch auf die Elternzeit. http://www.bmfsfj.de/Kategorien/aktuelles,did=16318.html http://www.bmfsfj.de/Kategorien/gesetze,did=3262.html - 24 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Elterngeld (Für alle ab dem 01.01.07 geborenen Kinder) Stichtagsregelung bei Einführung des Elterngelds Hat der Bundesrat dann zugestimmt, kann das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetz zum 1.Januar 2007 in Kraft treten. Das bedeutet, dass Eltern für die Kinder Elterngeld (aber kein Erziehungsgeld) erhalten, die ab dem 1. Januar 2007 geboren werden. Für alle Kinder, die bis einschließlich 31. Dezember 2006 auf die Welt kommen, gilt auch weiterhin das Bundeserziehungsgeldgesetz, Wer erhält das Elterngeld? Elterngeld ist eine Familienleistung für alle Eltern, die sich in den ersten 14 Lebensmonaten eines Kindes vorrangig selbst der Betreuung des Kindes widmen wollen und deshalb nicht voll erwerbstätig sind. Teilzeitarbeit bis zu 30 Stunden in der Woche ist möglich. Elterngeld gibt es für Erwerbstätige, Beamte, Selbstständige (also auch Kleinunternehmerinnen) und erwerbslose Elternteile, Studierende und Auszubildende, Adoptiveltern und in Ausnahmefällen auch Verwandte dritten Grades, die Zeit für die Betreuung ihres bzw. eines neugeborenen Kindes investieren. Wie hoch ist das Elterngeld? Kernelement des Elterngeldes ist die dynamische Leistung in Anknüpfung an das Erwerbseinkommen. Die Elterngeldleistung beträgt prozentual mindestens 67% des entfallenden Nettoeinkommens, absolut mindestens 300 Euro und höchstens 1800 Euro (67% von maximal 2700 Euro, die als Einkommen berücksichtigt werden) für mindestens die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes. Da Selbständige kein Mutterschaftsgeld bekommen, wird das Elterngeld ab dem Tag der Geburt bezahlt und nicht wie bei Angestellten ab dem dritten Monat im Anschluss an das Mutterschaftsgeld. Bei Teilzeittätigkeit von maximal 30 Wochenstunden erhält die Betreuungsperson 67 % des entfallenden Teileinkommens. Als Einkommen vor der Geburt werden dabei höchstens 2.700 Euro berücksichtigt. Was erhalten Selbstständige? Auch Selbstständige erhalten das Elterngeld. Bei ihnen wird der wegen der Betreuung des Kindes wegfallende Gewinn nach Abzug der darauf entfallenden Steuern zu 67% ersetzt. Sofern ausnahmsweise Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung zu erbringen sind, werden diese wie bei nichtselbständiger Arbeit abgezogen. Der Gewinn wird nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelt. Für den Zeitraum vor der Geburt des Kindes kann an den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum und den dazu ergangenen Steuerbescheid angeknüpft werden, wenn die zugrundeliegende Erwerbstätigkeit durchgängig sowohl während der zwölf Monate vor der Geburt des Kindes als auch während des Veranlagungszeitraums ausgeübt worden ist. Liegt der Steuerbescheid zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht vor, kann das Einkommen durch andere Unterlagen wie beispielsweise den Steuerbescheid des Vorjahres, eine vorhandene Einnahmen/Ausgaben/Überschuss-Rechnung oder Bilanz glaubhaft gemacht werden. Das Elterngeld wird dann auf dieser Grundlage vorläufig bis zum Nachreichen des aktuellen Steuerbescheids gezahlt. Kann nicht an den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum angeknüpft werden, erfolgt die Gewinnermittlung nach einer mindestens des Anforderungen einer steuerlichen Einnahmen/Ausgaben/ÜberschussRechnung entsprechenden Aufstellung. Dies gilt auch, wenn im Bezugszeitraum des Elterngelds Einkünfte aus selbständiger Arbeit anfallen. Teilzeitarbeit ist zulässig, solange die wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt. Eine entsprechende Erklärung des Selbständigen gegenüber der Elterngeldstelle ist im Regelfall ausreichend Quelle: Internet-Seiten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/familie,did=76746.html - 25 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Kindergeld Anspruch auf Kindergeld hat, wer mit seinem Kind in einem Haushalt wohnt. Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort muss dabei Deutschland sein. Das Kindergeld wird einkommensunabhängig gezahlt und war entweder monatlich oder rückwirkend über die Steuererklärung. Fragen Sie bei Ihrem zuständigen Finanzamt oder Ihren Steuerberater. Gezahlt werden für die ersten drei Kinder jeweils 154 €, für jedes weitere Kind 179 €. Der Antrag auf Kindergeld muss schriftlich bei der Familienkasse der Agentur für Arbeit gestellt werden, in deren Bezirk Sie wohnen. http://www.bmfsfj.de/Kategorien/gesetze,did=4786.html http://www.arbeitsagentur.de/ > Service von A bis Z > Geldleistungen > Kindergeld http://www.dz-portal.de/ > Kindergeld Kinderzuschlag Wenn die selbstständige Unternehmerin nach der Entbindung vorübergehend aufgrund von z.B. Arbeitsausfällen in eine Einkommenssituation gerät, so dass sie ihren eigenen Bedarf durch ihr Einkommen zwar decken kann, sie aber durch den zusätzlichen Bedarf der Kinder theoretisch Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt hätte, so kann sie bei der Familienkasse einen Kinderzuschlag beantragen. Das Einkommen eines Lebenspartners wird hierbei mitgerechnet. Der Kinderzuschlag beträgt für jedes Kind maximal 140 Euro monatlich. Die Zahlung des Kinderzuschlags ist auf 36 Monate begrenzt. Kinderzuschlag ist ausschließlich bei den Familienkassen der Agenturen für Arbeit zu beantragen. http://www.bmfsfj.de/Kinderzuschlagrechner/ http://www.arbeitsagentur.de/ > Service von A bis Z > Geldleistungen > Kindergeld Krankenversicherung Private Krankenversicherung Unterbricht oder reduziert die Unternehmerin Ihre selbständige Tätigkeit, bleibt sie unverändert privat abgesichert; ein Krankentagegeld kann als Anwartschaftsversicherung geführt werden. Im Rahmen der privaten Krankenversicherung entsteht keine Beitragsfreiheit für die Dauer der Schutzfristen bzw. des Erziehungsgeldbezuges. Die private Versicherungswirtschaft prüft derzeit nach einem Impuls des Projektes ”Wenn die Chefin schwanger wird”, wieweit Angebote, die für diesen Zeitraum Beitragsfreiheit vorsehen, zu interessanten Konditionen angeboten werden können. Für Verheiratete gilt zusätzlich: Ist der Ehepartner privat krankenversichert, ist zu prüfen, ob dessen Arbeitgeber sich gemäß § 257 SGB V auch an Ihrem Beitrag beteiligt. Eventuell kommt auch eine Berücksichtigungsfähigkeit bei der Beihilfe infrage, falls der Ehepartner Beamter ist. Eine Familienversicherung bei einem gesetzlich versicherten Ehepartner ist nicht möglich. Ein "Mutterschaftsgeld" wird in der Privaten Krankenversicherung nicht gezahlt. Auch eine evtl. vorhandene Krankentagegeldversicherung tritt nur ein, wenn eine entsprechende Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Dies muss durch den behandelnden Arzt als Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden. In einigen Tarifen der privaten Krankenversicherung gibt es eine sog. Wochenbettpuschale. Sie dient der Wochenbettpflege und wird gezahlt, wenn die Mutter höchstens drei Tage zur Entbindung im Krankenhaus bleibt. Freiwillig gesetzliche Krankenversicherung Unterbricht oder reduziert die Unternehmerin ihre selbstständige Tätigkeit z.B. für die Dauer des Bezugs von Mutterschaftsgeld, bleibt sie unverändert freiwillig gesetzlich abgesichert. Die Selbstständige muss im Regelfall Beiträge vom so genannten Mindesteinkommen bzw. von Ihrem höheren, tatsächlichen Einkommen zahlen. Aus § 224 SGB V ergibt sich eine Beitragsfreiheit für Bezüge z. B. aus Mutterschafts- oder Erziehungsgeld. Für Verheiratete gilt zusätzlich Folgendes: Ist der Ehepartner privat krankenversichert, müssen im Regelfall von dessen halben Einkommen bzw. von dem höheren, tatsächlichen Einkommen der Unternehmerin Beiträge gezahlt werden. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber des Ehemanns sich gemäß § 257 SBG V auch an dem Krankenversicherungsbeitrag der Selbstständigen beteiligt. Eventuell kommt auch eine Berücksichti- 26 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht gungsfähigkeit bei der Beihilfe in Frage, falls der Ehepartner Beamter ist. Eine Familienversicherung bei einem gesetzlich versicherten Ehepartner ist unter den gesetzlichen Voraussetzungen möglich. Unterbricht oder reduziert die Unternehmerin ihre selbstständige Tätigkeit nicht, bleibt Ihre Krankenversicherung unverändert. Interessant ist hier auch das Kinderkrankengeld, das für bis zu zehn Arbeitstage pro Elternteil und Kalenderjahr, bei allein Erziehenden sind bis zu 20 Tage gezahlt wird. Erkranken innerhalb eines Kalenderjahres mehrere Kinder, zahlt die IKK Kinderkrankengeld für maximal 25 Tage je Elternteil bzw. 50 Tage für Alleinerziehende. Das Kinderkrankengeld ist genau so hoch wie das normale Krankengeld. http://www.ikk.de/ikk/generator/ikk/das-bietet-die-ikk/unsere-leistungen/4996,i=l.html http://www.ikk.de (Suchbegriff: Schwangerschaft und Mutterschaft) Fortführung der Ausbildungsverhältnisse bei Schwangerschaft der Unternehmerin Wird die Unternehmerin eines Handwerksbetriebes schwanger, so gibt es für sie derzeit keinen Anspruch auf Mutterschutz. Dies betrifft sowohl die festgelegten Zeiträume von 6 Wochen vor und 8 bzw. 12 Wochen nach der Entbindung, als auch Beschäftigungsverbote, bei spezifischen Tätigkeiten eines Berufes, die Mutter und Kind möglicherweise gefährden können. Dennoch wird oder kann auch sie im Verlaufe einer Schwangerschaft sicherlich nicht mehr alle Tätigkeiten ausführen oder bei allen Ausführungen die Aufsicht führen. Davon können in hohem Maße die Auszubildenden im Betrieb betroffen sein, kann doch ein Ausfall der Meisterin unter Umständen eine Unterbrechung und damit Verlängerung der Ausbildungszeit bedeuten. Was also passiert mit den Auszubildenden im Handwerksbetrieb, wenn die Unternehmerin schwanger wird? Sind erfahrene Gesellen/Gesellinnen im eigenen Betrieb beschäftigt, kann die Ausbildung durch diese Mitarbeiter im Rahmen einer befristeten Ausnahmegenehmigung weitergeführt werden. Die zuständige Handwerkskammer berät Sie gern bei allen Fragen zur Ausnahmegenehmigung. Sollte diese Möglichkeit nicht bestehen, so ist die Ausbildung im Verbund mit anderen Betrieben ein weiterer Weg, um Zeiten nicht planmäßiger Ausbildung im Betrieb aufgrund der Schwangerschaft der Meisterin vorab zu vermeiden. Wenden Sie sich dafür bitte so früh wie möglich an die Ausbildungsberatung der Handwerkskammern. Dort wird man Sie gern umfassend über die darüber informieren, wie Ihre Auszubildenden so unkompliziert wie möglich ihre Lehrzeit fortführen können. So kennen die Beraterinnen und Berater beispielsweise die Situation im Kammerbezirk genau und wissen eventuell einen Betrieb, in dem die jungen Leute während der Schwangerschaft bzw. des Ausfalles der Unternehmerin ihre Ausbildung weiterführen können. Zusätzlich sollten Sie beachten, dass in gefahrengeneigten Handwerken - wie z.B. im Frisör-, Dachdeckeroder Elektrohandwerk - für die Ausbilder/innen uneingeschränkte Aufsichtspflicht besteht. Sollten aufgrund der Schwangerschaft bei der Meisterin Probleme auftreten, dieser Aufsichtspflicht nachzukommen, ist es wichtig, nicht gegen die gesetzlichen Regelungen zu verstoßen. Besprechen Sie den Sachverhalt also dringend vorab mit der Ausbildungsberatung. In jedem Fall sind die Ausbildungsberater/innen der Kammern bestrebt, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Lösungen zu finden, die dem jeweiligen Ausbildungsstand der Lehrlinge und dem Unternehmen angemessen sind. Dies ist umso erfolgreicher, je früher die jeweilige Ausbildungsberatung bei der zuständigen Kammer kontaktiert wird. http://www.hwk-duesseldorf.de/frauen 4.1.2. Die Flyer Die Infoflyer geben in gestraffter Form die Inhalte der Infomodule wieder, die vollständig auf der Internetseite zu finden sind. Sie wurden in einer Erstauflage von 5.000 Stück gedruckt und über den Projekt-Verteiler sowie über die Verteiler der HWK Düsseldorf, der Stadt Duisburg und der Kooperationspartner verteilt. Ein Nachdruck ist bei Bedarf geplant. - 27 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 4.1.3. Die Internetseite – Infomodule in digitaler Form Die Infomodule sind auf der Internetseite der HWK-Düsseldorf unter der Adresse http://www.hwkduesseldorf.de/frauen zu erreichen. Die Kooperationspartner des Projektes und die Mitglieder des Fachbeirates vernetzen ihre Internetseiten mit diesem Link. - 28 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 4.2. Sachbericht und weiterhin bestehende Problemstrukturen Ein ausführlicher Bericht über die einzelnen Tätigkeiten der Projektleiterin Frau Anke Herling liegt den Sachberichtsexemplaren an die finanziell unterstützenden Institutionen (Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie NRW), Regionalstelle Frau und Beruf der Stadt Duisburg als Kapitel 9 bei. Info-Flyer und Info-Module konnten sehr umfänglich in das Info-Material von Kammern, Verbänden, öffentlichen Verwaltungen zur Existenzgründung / Betriebsübernahme / freiberuflichen Tätigkeit integriert werden; eine kleine Auswahl der vernetzten Datenbanken findet sich in der Anlage. Die Handwerkskammer Düsseldorf wird stark auch von völlig anderen Regionen Deutschlands (Rostock, Nürnberg) kontaktiert. Das Ziel auch überregional Mustervorlagen zu bieten, scheint hiermit erreicht. Am 20. September 2005, am Weltkindertag, wurde die Fachtagung mit Expertinnen und Experten, politischen und wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern, Multiplikator/innen und Unternehmer/innen durchgeführt. Die Teilnehmerinnen spiegelten in der Art und Weise ihrer Problembetrachtung ein sehr breites Spektrum zwischen den an sehr konkreten Ergebnissen orientierten Unternehmerinnen und juristisch analytisch wertenden Expertinnen aus der Politik wieder. Inhaltlich konnten folgende Aspekte der Infomodule noch nicht abschließend einer positiven Lösung zugeordnet werden (in der Reihenfolge der Stichworte in den Info-Modulen): Kurzarbeitergeld Ein Vorschlag könnte ein Sonderfonds aus Steuermitteln darstellen, aus dem bei entstehendem geringerem Arbeitsaufkommen von Mitarbeitern in den Mutterschutzzeiten Zahlungen erfolgen könnten. Die hier anzurechnenden Mittel wären auch in Zeiten angespannter Haushaltslage tragbar. Mutterschutz und Mutterschaftsgeld Der Großteil der gesetzlichen Krankenkassen zahlt zwischenzeitlich Krankengeld/Mutterschaftsgeld, natürlich sollte dies möglichst schnell in alle Satzungen eingeschlossen werden. Falls Probleme entstehen, die IKKNordrhein hat diese Leistungen eingeschlossen und berät unter der angegebenen Kontaktadresse. Solange noch nicht alle Satzungen der gesetzlichen Kassen hier Zahlungen vorsehen, bleibt dies natürlich ein zentrales Auswahlkriterium des frei wählbaren Versicherungsträgers. Für mittelfristige Entwicklungen war es wichtig, gerade den auf der Fachtagung anwesenden Entscheidungsträgerinnen mit dem von Frau Susan Koinzer dargestellten Vergleich der sozialgesetzlichen Regelungen und Unterstützungssysteme in anderen europäischen Ländern (siehe Anhang) den Blick auf weiterreichende soziale Sicherungssysteme zu öffnen. Betriebshilfe ein Modell aus Österreich 1994 wurde der Verein der Betriebshilfe für die Wirtschaft gegründet, mit dem Ziel Kleinstunternehmer/innen zu helfen, damit sie etwas mehr an ihre Gesundheit denken können. Zentrales Ziel ist hierbei auch der Einsatz während des Mutterschutzes (in Österreich 8 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt). Die Betriebshilfe dient in existenzbedrohenden Situationen der Aufrechterhaltung des Betriebes, wenn die Unternehmerin ausfällt. Erfahrene, engagierte und flexible Betriebshelfer/-innen (Fachkolleginnen) sorgen für partiellen Ersatz und geben in der mutterschaftsbedingten Abwesenheit ihr Bestes. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Betriebe – dank der Betriebshilfe - die schwierige Zeit besser bewältigen können. Infos im Internet unter www.betriebshilfe.at. Ein Modell auch für die Bundesrepublik Deutschland (siehe auch das Kleinunternehmer/-innen Netzwerk der UnternehmerHaus AG). - 29 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht Elternzeit Selbstständig Erwerbstätige haben keinen Anspruch auf die Elternzeit. Vielleicht könnte Kleinunternehmen künftig bei einer durch Schwangerschaft und Mutterschutz der Unternehmerin bedingten schwierigen sozialen Lage die Möglichkeit eingeräumt werden, “Ein-Euro-Jobber/-innen” eng befristet zu beschäftigen. Ein anders Modell wäre das Programm “Job-Rotation” der Bundesagentur für Arbeit. Auch hier wäre eine Ausdehnung des Geltungsbereichs von der reinen Weiterbildung abhängig Beschäftigter hin zur Einbeziehung von Kleinunternehmerinnen in der Familiengründungsphase notwendig. Krankenversicherung Ein privatwirtschaftliches Angebot zur Sicherung eines Einkommmensersatzes für Selbständige während der Mutterschutzfristen gibt es noch nicht. Der Zeitpunkt für einzelne Regelungen ist derzeit wegen der ausstehenden Neustrukturierung des Gesundheitswesens ungünstig. Die Politik ist gefragt, rasch zu handeln. Das Handwerk wird bei Vorlage einer geänderten Struktur im Gesundheitsbereich alle Partner in den Versicherungen sehr deutlich an den Handlungsbedarf erinnern und weiterhin “Druck” in Richtung auf endlich befriedigende Lösungen für die betroffenen Unternehmerinnen machen. Eine eindeutige Bekundung der Signal-Iduna Gruppe zur tariflichen Neustruktur findet sich in der Anlage, sicherlich auch resultierend aus dem großen Engagement des Duisburger Kreishandwerksmeisters Herrn Karl-Heinz Sondermann. Fortführung der Ausbildungsverhältnisse bei Schwangerschaft der Unternehmerin Neben der im Infomodul beschriebenen deutlich verbesserten Rechtslage bei der Fortführung der Ausbildung richtete vor allem auch die UnternehmerHaus AG den Blick auf das bestehende Netzwerk von Kleinunternehmen in der Region deren zentrales Anliegen auch die Absicherung von Arbeitsplätzen für leistungsstarke Mitarbeiter der angeschlossenen Betriebe ist. - 30 - Wenn die Chefin schwanger ist. - ”Spannungsfeld: Selbstständige Erwerbstätigkeit - Mutterschutz” Projektbericht 5. Adressen und Kontakte Handwerkskammer Düsseldorf Herr Ulrich Brand 0211 - 87 95 430 [email protected] Stadt Duisburg Regionalstelle Frau und Beruf Frau Irene Schiefen 0203 283 28 23 [email protected] UFH Duisburg Frau Elke Pannenbecker 0173 5 11 66 95 [email protected] Landesanstalt für Arbeitsschutz des Landes NRW Frau Dr. Marija Tot 0211 3101 2341 [email protected] Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit Stab Chancengleichheit am Arbeitsmarkt Frau Ulrike Wenner 0211 4306 362 [email protected] Bergische Universität Wuppertal Prof. Dr. Ulrich Braukmann 0202 – 439 24 84 [email protected] IKK-Nordrhein Frau Elke Markelj 0171-5534889 [email protected] Signal Iduna Herr Udo van Rüth 0163 80 46 45 3 [email protected] UnternehmerHaus AG Herr Marco Invernizzi 0203 60 82-221 invernizzi @unternehmerhaus-ag.de Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Landesinitiative „Regionen stärken Frauen“ - 31 -