2015_07_30 NWZ - Kolping Jugendwohnen Oldenburg

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2015_07_30 NWZ - Kolping Jugendwohnen Oldenburg
Pilotprojekt: Mehr als nur vier Wände für Azubis
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30.07.2015
Pilotprojekt
Mehr als nur vier Wände für Azubis
Kolping-Jugendwohnen ab September ausgebucht – 47 Zimmer und Gemeinschaftsräume
Kolping bietet jungen Leuten, die sich in der Ausbildung befinden, in der Kaiserstraße eine Wohnung. Das Haus ist sehr gefragt.
Karsten Röhr
Hier lässt es sich lernen und leben (von links): Ivy Pfeiffer und Sharina Stulken (beide 18) am Mittwochnachmittag im Zimmer von Thanh
Nguyen (20) im Kolping-Jugendwohnen an der Kaiserstraße.
Bild: Torsten von Reeken
Oldenburg Freundlich blickt Adolph Kolping den jungen Leuten ins Gesicht, aus einem Porträt an der Wand – jedem, der das ehemalige
„Herdbuchhaus“ der Weser-Ems-Union an der Kaiserstraße betritt. Und das sind viele. Denn das „Kolping-Jugendwohnen“ ist nicht nur neu, es
ist auch bestens belegt.
Ohne Kolping gäbe es das Jugendwohnen nicht. Die alte, aber zeitlos gute Idee des katholischen Priesters, Gesellen auf Wanderschaft „ein
Zuhause in der Fremde“ zu bieten, wurde ins Heute übertragen. Das zeigt schon die Antwort auf die erste Frage aller Ankommenden: „Gibt’s
hier auch freies W-Lan?“ Ja, gibt es, im ganzen Haus.
Adrian ist einer der jungen Mieter. Er ist gerade 18 Jahre alt. Jeden Morgen steigt der Einzelhandels-Azubi ein paar Meter weiter in den Zug
nach Augustfehn, für seine Ausbildung im „Börjes Bikers Outfit“, sein Unterricht läuft an der BBS Wechloy. Das Jugendwohnen war genau
das, was er brauchte, sagt Adrian: „Ich hatte keinen Stress mit der Wohnungssuche, hier gab es sofort Kontakte, gemeinsames Kochen, Kicker
und Billard, und trotzdem kann ich mich hier voll auf meine Ausbildung konzentrieren.“ Um früh die Verantwortung für sein Leben zu
übernehmen, ohne sich dabei allein zu fühlen, sei es ideal. Adrian: „Und seit ich hier wohne, verschlafe ich auch nicht mehr.“
Regelsatz bei 385 Euro
Von den 47 Einzelzimmern auf sechs Stockwerken sind ab dem 1. September alle vermietet: Vor allem an Auszubildende, die aus dem Umland
kommen – an angehende Kaufleute im Einzelhandel, Kfz-Mechatroniker, Anlagenmechaniker, Gärtner aus Wilhelmshaven, Wiesmoor, dem
Emsland, alle sind 18 bis 27 Jahre alt. Manche kommen aus Trennungsfamilien und müssen früh ihren eigenen Weg finden. 385 Euro zahlen
sie im Monat warm, Schüler, die eine Förderung erhalten, steuern je nach Elterneinkommen 50 bis 300 Euro bei.
Auch andere nutzen das Angebot: Von zwei italienischen Azubis des Friseurs Ryf über sechs Spieler der Baskets-Akademie bis zu den
Praktikanten aus Kroatien, Spanien und Holland, die sich – gefördert vom Bund und vermittelt über „bbf sustain“ – hier ausbilden lassen
wollen.
Größere Gemeinschaft
Auch die 20-jährige Thanh nutzt das ,Jugendwohnen’. Sie kommt aus Cloppenburg und lernt Automobilkauffrau in der Autogalerie Schlickel.
Sie sagt: „Man ist von hier aus sofort in der Stadt, die Mitarbeiter sind freundlich und stehen einem zur Seite, die Zimmer sind groß und hell
und gut ausgestattet. Von Cloppenburg aus mit dem Zug wäre der Ausbildungsplatz für mich schwierig zu erreichen gewesen, so geht das aber
gut.“
30.07.2015 10:07
Pilotprojekt: Mehr als nur vier Wände für Azubis
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Ivy ist an ihrem 18. Geburtstag hier eingezogen. Die angehende Einzelhandelskauffrau sagt: „Das ist für mich genau richtig zur Vorbereitung
auf meine erste richtige Wohnung. Mir gefällt es, dass ich hier neue Menschen kennenlerne, auch durch unsere Kochabende.“
Künftig wird das Programm ausgeweitet: Der Oldenburger Malte Nerkamp (26) ist neuerdings mit einer halben Stelle als pädagogischer
Mitarbeiter aktiv. Weihbischof Heinrich Timmerevers hatte bereits zur Einweihung Ende Juni gesagt: „Dieses Zuhause meint nicht nur vier
Wände, sondern ein Beziehungsangebot, das Begleitung, Gemeinschaft und Freundschaft anbietet.“
Mechthild Koopmann leitet das Haus. Die 31-Jährige hat in Osnabrück Theologie und Kulturwissenschaften studiert. Sie sagt: „Ich bin von der
Pike auf Kolpingmitglied und in Emstekerfeld aktiv.“ Sie war Vorsitzende der Kolpingjugend Oldenburger Land, bevor sie als
Jugendbildungsreferentin ins Bistum Limburg ging. Mit Tebartz van Elst hatte sie persönlich nichts zu tun – „aber wir konnten die Scherben
hinterher zusammenkehren“, sagt sie. Als das Kolpingwerk sie als Leiterin für Oldenburg anfragte, sagte sie ja und kam zurück.
Deutschlandweit hat Kolping etwa 30 solcher Einrichtungen, vor allem im Ruhrgebiet und in Süddeutschland – in Niedersachsen ist es ein
Pilotprojekt.
Vorteile für alle Seiten
„Zuerst habe ich gedacht: Was macht Kolping denn da mitten in Oldenburg? Aber das läuft prima“, sagt Mechthild Koopmann. „Die
Kolpingfamilie steht voll hinter dem Projekt. Und auch die Firmen sind froh. Sie können jetzt weiter entfernt nach Azubis suchen und ihre
Fachkräfte sichern. Wir kooperieren eng mit der IHK und der Handwerkskammer.“
Wolfgang Jöhnk, Ausbildungs-Chef der Handwerkskammer, sagt: „Wir unterstützen das Kolping-Projekt. Es bringt Vorteile für Auszubildende
und Betriebe. Es ermöglicht eine Ausbildung fern der Heimat. In Zeiten eines engen Wohnungsmarktes und dazu noch mit pädagogischer
Betreuung ist die Einrichtung eine sehr gute Sache.“ Mehr als 80 Prozent der Bewohner in Jugendwohnheimen beenden erfolgreich ihre
Ausbildung, weit mehr als es ohne Jugendwohnen der Fall wäre.
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