Interview der Tageszeitung Kosova Sot mit Botschafterin Frau
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Interview der Tageszeitung Kosova Sot mit Botschafterin Frau
Interview der Tageszeitung Kosova Sot mit Botschafterin Frau Angelika Viets vom 3. Oktober 2014 Lesen Sie hier das gesamte Interview: Kosova Sot: Sie haben vor kurzer Zeit Ihre diplomatische Mission in Kosovo angetreten. Mit welchen Eindrücken haben Sie Ihre neue Arbeit in Pristina begonnen? Botschafterin Viets: Dies ist, wie Sie wissen, mein allererster Aufenthalt in einem Balkanstaat. Ich war zunächst einmal überwältigt von dem freundlichen Empfang, der mir hier bereitet wurde, und der großen Deutschfreundlichkeit. Da ich keine Vorerfahrung habe, komme ich völlig unvoreingenommen und sehe nicht nur die Defizite sondern auch das Potential Kosovos. Allerdings war ich auch überrascht, dass sich seit meinen ersten Arbeitstagen im Juli bis zur Rückkehr im September immer noch keine Regierung konstituiert hat, obwohl viele dringende Entscheidungen anstehen. Kosova Sot: Seit den Wahlen vom 8. Juni gibt es in Kosovo eine Verzögerung in der Konstituierung der Institutionen. Wie bewertet die deutsche Botschaft diese Situation? Botschafterin Viets: Regierungsbildungen können dauern. Das sehen wir gerade in Sachsen. Aus der Landtagswahl Ende August ist die CDU mit fast 40 Prozent als stärkste Partei hervorgegangen. Das reicht aber nicht zum Regieren. Daher wird verhandelt. Eine neue Landesregierung wird es voraussichtlich erst Mitte November geben, wenn die Koalitionsverhandlungen mit der SPD abgeschlossen sind. Das ist also ein relativ normaler Vorgang. Aber: Man muss sich an einen Tisch setzen und miteinander sprechen und verhandeln! Das ist auch der Wählerauftrag. Kosova Sot: Die PDK als Siegerpartei hat Schwierigkeiten Partner sicherzustellen, da sich die Oppositionsparteien nach den Wahlen zu einem neuen Block zusammengeschlossen haben. Aber, das Verfassungsgericht hat das Recht ausschließlich der PDK bestätigt, einen Parlamentspräsidenten zu wählen. Welche Lösung sehen Sie, wenn die Parteien keine politische Vereinbarung erreichen? Botschafterin Viets: Zur Richtigstellung: Das Verfassungsgericht hat bestätigt, dass die stärkste Partei - die PDK - einen Kandidaten für das Amt des Parlamentspräsidenten nominieren - darf. Dieser muss dann allerdings von der Mehrheit der Abgeordneten gewählt werden. Dies ist in bisher 2 Parlamentssitzungen nicht gelungen. Auch die neu anberaumte Sitzung am 2.10. wurde wieder verschoben. Offensichtlich brauchen alle Beteiligten noch Zeit oder noch mehr Druck, bis der Knoten zerschlagen werden kann. Aber letztendlich wird es zu einer Vereinbarung kommen und kommen müssen. Warum also noch mehr Gesicht verlieren? Kosova Sot: In dieser Blockade könnte die Präsidentin auch eine Rolle spielen, die die Kompetenz hat, einen Kandidaten zum Premierminister für die neue Regierung zu nominieren. Müsste in diesem Fall die Präsidentin nicht aktiver sein? Botschafterin Viets: Zunächst einmal geht es darum, dass sich das Parlament konstituiert. Das scheint im Moment die größere Hürde. Ich denke, die Präsidentin tut alles in ihrer Macht Stehende, die Parteien dazu zu bewegen, miteinander zu sprechen. Dabei unterstützen wir sie nachdrücklich. Kosova Sot: Es wird auch die Option erwähnt, neue Wahlen zu veranstalten, die – wenn sie stattfinden - erneut nach dem alten Gesetz durchgeführt werden, also ohne eine Wahlreform und mit einer Zentralenwahlkommission, die sich beschwert, dass sie nicht ausreichende Kapazitäten und kaum Zeit zur Verfügung gaben. Dessen ungeachtet, denken Sie, dass Wahlen eine Lösung wären, bedenkt man, dass es eine parlamentarische Mehrheit gibt? Botschafterin Viets: Es gibt eine Partei, die die meisten Stimmen, aber nicht die Mehrheit erhalten hat. Es gibt ein Bündnis der bisherigen Oppositionsparteien, das die Mehrzahl der Stimmen hat, aber nicht den Kandidaten für das Amt des Parlamentspräsidenten nominieren darf. Und es gibt die kosovarischen Bürger, deren Wahlbeteiligung am 8. Juni bei rund 43% lag, und die endlich eine funktionsfähige Regierung wollen. Unter diesen Umstünden denke ich, dass niemand Neuwahlen wollen kann. Kosova Sot: In einigen europäischen Ländern gibt es Beispiele, dass wenn die erste Partei nicht in der Lage ist die Regierung zu formen, weil sie keine Verbündeten finden, die anderen die Regierung gründen. Kann man diese Möglichkeit Kosovo verbieten, wenn man diese Beispiele aus der EU kennt? Botschafterin Viets: Wer wollte Kosovo diese Möglichkeit verbieten? Zum demokratischen Regierungsauftrag gehören Mehrheiten. Kosova Sot: Kosovo hat aus einigen Gründen keine Zeit zu verlieren, z.B. beim EUIntegrationsprozess, wo wir die Letzten in der Region sind, was das SAA und den Visaliberalisierungsprozess anbetrifft. Wird diese Situation, wenn sie länger andauert, auch darauf Auswirkungen haben? Botschafterin Viets: Ja. Die Beitrittsperspektive ist klar an Fortschritte im kosovarischserbischen Dialog mit dem Fernziel eines rechtlich verbindlichen Abkommens geknüpft. Stagniert der Dialog, verzögert sich der gesamte Prozess. Da kann Stillstand schnell Rückschritt bedeuten. Kosova Sot: Sollte der nach den Wahlen gebildete Block an die Macht kommen, würde den Dialog – nach einer Grundsatzübereinkunft zwischen Vetevendosje und den anderen Parteiendie Partei von Albin Kurti führen, die dafür bekannt ist, dass sie gegen die Verhandlungen und gegen das Abkommen ist. Hätten Sie die Befürchtung, dass der Prozess in diesem Fall abgelenkt wäre? Botschafterin Viets: Diese Befürchtung gibt es in der Tat, und sie ist sehr ernst zu nehmen. Es trifft aber auch zu, dass Parteien und ihre Politiker mitunter rasch ihre Positionen den Realitäten und Erfordernissen anpassen, wenn sie in die Regierungsverantwortung eingebunden sind und konstruktiv Mitverantwortung tragen. Sie würden sehr schnell belehrt werden, dass der Dialog mit Serbien – jedenfalls im Grundsatz - nicht in Frage gestellt werden darf – andernfalls erlischt die EU-Perspektive. Kosova Sot: Trotz Verhandlungen verdeutlicht Serbien immer wieder, dass es Kosovos Unabhängigkeit nicht anerkennen wird. Denken Sie, dass die EU einen Staat in die eigene europäische Familie aufnehmen würde, wenn dieser den Nachbarstaat nicht anerkennt? Botschafterin Viets: Serbien weiß, ebenso wie Kosovo, dass sein Weg in die EU an ein rechtlich verbindliches Abkommen mit Kosovo am Ende des langen Normalisierungsprozesses geknüpft ist. In den Verhandlungsrahmen des Beitrittsprozesses mit Serbien wurde das Kapitel 35 aufgenommen, das dies sicherstellen soll. Kosova Sot: Nun zu einem anderen Thema. Die Deutschen feiern die Wiedervereinigung und den Mauerfall. Wie hat sich das in den letzten Jahren widergespiegelt? Botschafterin Viets: Ich verstehe Ihre Frage leider nicht. Meinen Sie, wie die Deutschen heute die Wiedervereinigung sehen oder ob die Folgen der Teilung Deutschlands heute überwunden sind? Zur ersten Frage gibt es aktuelle Umfragen: Etwa 75 Prozent der Ostdeutschen bewerten die Wiedervereinigung heute positiv und schätzen vor allem die Reisefreiheit und ihre persönliche Freiheit. Dann folgen Wirtschaft, Lebensstandard und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. In Westdeutschland sieht dagegen nur rund die Hälfte der Befragten (48 Prozent) mehr Vor- als Nachteile. Zur zweiten Frage: 24 Jahre nach dem Mauerfall ist der Osten weit vorangekommen, aber es bleibt noch einiges zu tun. Nach der Wiedervereinigung waren über Jahre hinweg massenhaft Menschen aus dem Osten weggegangen, die Geburtenzahlen brachen ein. Die verbesserte wirtschaftliche Situation und die bessere Lage auf dem Arbeitsmarkt haben aber dazu beigetragen, dass die Abwanderung aus Ostdeutschland gestoppt ist und fast genauso viele Menschen in beide Richtungen ziehen. Das fördert auch das innere Zusammenwachsen. Trotzdem werden die neuen Bundesländer in Zukunft besonders mit der demografischen Entwicklung zu kämpfen haben. Die Wirtschaftsentwicklung kommt gut voran, auch wenn die neuen Länder nach wie vor im Rückstand sind. Dies hängt aber auch mit großen strukturellen Problemen zusammen, die es allerdings auch im Westen Deutschlands gibt. Kosova Sot: Es gibt immer noch Parteien oder Organisationen, die die Idee einer Einigung der Albaner unterstützen, also die Vereinigung von Kosovo und Albanien. Gibt es Ähnlichkeiten zwischen unserem Fall und dem deutschen? Botschafterin Viets: Nein. Kosova Sot: Bei einem Gipfeltreffen in Berlin, bei dem die Regierungschefs der Länder aus der Region vertreten waren, sah man die Entschlossenheit Deutschlands den Westbalkan mehr zu unterstützen. Wie planen Sie diese Unterstützung? Botschafterin Viets: Alle Beteiligten, die Staaten des Westbalkans wie auch Deutschland, haben sich mit der Abschlusserklärung – und dort gut nachzulesen - zur Erledigung einer Großen Menge an “Hausaufgaben” verpflichtet. Im Kern: EU-Beitrittsperspektive bei Erfüllen der Voraussetzungen, also trotz aller bereits erreichten großen Fortschritte: Reformen, gute Regierungsführung, regionale Zusammenarbeit, Maßnahmen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Parallel wird Deutschland die Staaten der Region im Rahmen bestehender Programme zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützen. An diesen Hausaufgaben, die die Konferenz allen Beteiligten unsererseits bereits intensiv gearbeitet. aufgegeben hat, wird