Konfirmanden taufen

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Konfirmanden taufen
Herbert Kolb
Konfirmanden taufen – Getaufte konfirmieren
Zum Verhältnis von Konfirmation und Taufe
Ist es theologisch vertretbar, Konfirmandinnen und Konfirmanden noch kurz vor der Konfirmation zu
taufen? Oder entwertet diese zeitliche Nähe sowohl die Taufe wie die Konfirmation? Diese Fragen
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werden in letzter Zeit wieder verstärkt debattiert. Die Taufe eines Jugendlichen setze doch das
bewusste Beantworten der Tauffragen und damit ein reflektiertes Bekenntnis zu Jesus Christus
voraus. Um nichts anderes aber gehe es auch in der Konfirmation. Auch die so genannte
„Einsegnung“ bedeute gegenüber der Taufe nichts Zusätzliches, da die Taufe eine Kraft zur Stärkung
des Glaubens sei. Auch sei mit der Taufe bereits die Einladung zum Abendmahl ausgesprochen.
Welche Funktion hätte dann noch die Konfirmation? Im Kern geht es also um das Verhältnis von
Taufe und Konfirmation. Dieses soll im Folgenden beleuchtet und so eine (deutlich bejahende)
Antwort auf die eingangs gestellte Frage gegeben werden.
Konfirmanden taufen
Etwa sechs Prozent der deutschen Konfirmandinnen und Konfirmanden sind bei der Anmeldung zur
Konfirmandenzeit noch nicht getauft. In den ostdeutschen Landeskirchen und in den Großstädten liegt
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dieser Prozentsatz – aus unterschiedlichen Gründen – zum Teil deutlich darüber. Das führt alle
Beteiligten zu der Frage, wann (und in welchem Rahmen) diese Jugendlichen getauft werden sollen.
Insbesondere die Jugendlichen selbst stellen sich diese Frage. Denn vermutlich empfinden sie die
tiefe Bedeutung des Getauftwerdens viel inniger als Kinder oder Erwachsene: (Gottes-)Kindschaft, die
unabhängig ist von den Problemen mit den leiblichen Eltern; Verheißung unbedingter Annahme,
unabhängig von den eigenen Leistungen und Fehlleistungen; Aufnahme in eine gleichsam virtuelle
Gemeinschaft („unsichtbare Kirche“), die die alltäglich erlebten Probleme mit Gleichaltrigen übersteigt.
Eine derart dicht wahrgenommene Intimität verträgt sich für pubertierende Jugendliche in der Regel
nicht mit der Öffentlichkeit eines Festgottesdienstes. Deshalb kommen Gemeindepfarrer/innen auch
immer wieder dem Wunsch der Jugendlichen nach, im kleineren Familienkreis zu taufen. Auch die
meisten Eltern möchten lieber ein intimeres Familienfest feiern, als Teilnehmende eines „theologisch
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korrekten“ Verkündigungsgeschehens zu sein. Von theologischer Seite wird hier eingewandt, dass
mit der zeitlichen Nähe von Taufe und Konfirmationsfeier im Grunde die Taufe entleert und die
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Konfirmation zur „Jugendweihe“ gemacht wird. Schließlich entwickelte sich die Konfirmation
historisch aus der Taufe heraus. Wenn aber alles Wesentliche bereits in der Taufe enthalten ist,
welchen Sinn macht es dann, wenige Wochen nach der Taufe eines Jugendlichen diesen auch noch
zu konfirmieren?
Zum Verhältnis von Taufe und Konfirmation
Unbestritten stellt die Taufe das Grunddatum im Verhältnis eines Menschen zu Jesus Christus und
damit zu sich selbst und zu seinen Mitmenschen dar. Versucht man, dieses „Netzwerk“ der Taufe in
Begriffen aus der IT-Branche zu fassen, so könnte man sagen: Ein Mensch geht einen neuen
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„Vertrag“ ein, der ihm unbedingte Wertschätzung zuspricht. Da diese Wertschätzung auch allen
Anderen gilt, ergibt sich aus diesem Zuspruch der Anspruch eines Verhaltens, das von Nächsten- wie
Selbst-Liebe geprägt ist. Die Taufe – d. h. das Untertauchen in Wasser – ist der sinnenfällige
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Ausdruck dieses „Basisvertrags“: Alles, was zuvor als bindend galt, wird damit gelöscht. Aus der
Taufe steigt ein Mensch mit „prinzipiell“ neu ausgerichtetem (Lebens-)Programm, einem Programm
der Wertschätzung gegenüber sich selbst wie zu seiner Umwelt. Dieser einmal geschlossene Vertrag
hat – anders als im gewohnten Alltag – unbeschränkte Gültigkeit. Er besteht auch dann noch, wenn
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der/die Einzelne dieses Programm immer wieder falsch oder gar nicht benutzt. Um den im Alltag
(oder wie das Johannesevangelium sagt: „in der Welt“;) vorhersehbaren „Abstürzen“ des Programms
vorzubeugen, gibt es eine Reihe von „Updates“ (Gottesdienst, Kasualien, Bibellese, Gesprächskreis
etc.), die helfen sollen, das eigene System „am Laufen zu halten“. Neben solchen Formen der
Tauferinnerung gibt es besonders gestaltete „Schulungs-Module“, die in den Gebrauch der Updates
einführen, den Umgang mit ihnen erleichtern und insgesamt die „User“ im Umgang mit dem
„Programm der Wertschätzung“ fit machen – d. h. stärken, konfirmieren – sollen. Klassische
„Schulungs-Module“ sind etwa: Religionsunterricht, Konfirmandenzeit, Glaubenskurse oder Angebote
der Erwachsenenbildung.
Entscheidend ist: Weder die „Updates“ noch die „Schulungs-Module“ sind für die Wirksamkeit des
„Basisvertrags“ (heils-)notwendig. Es ist prinzipiell davon auszugehen, dass es „Naturtalente“ gibt, die
die Grundaussagen des „Basisvertrags“ auch ohne menschliche Hilfe mit Leben füllen können. Sie
dürften aber wohl die absolute Ausnahme sein. Das Schulungs-Modul „Konfirmandenzeit“ ist eine
Intensivform für die gemeinsame Konfirmation der einzelnen Jugendlichen in einer besonderen Zeit.
Die Konfi-Zeit ist weder die Vorbereitung auf eine Prüfung noch die Hinführung auf ein den eigenen
Status veränderndes Ritual. Sie ist Konfirmation. Ihre Bedeutung als Aktualisierung des Zuspruchs
und Anspruchs aus der Taufe wird symbolisch dargestellt im Konfirmationsgottesdienst. Dieser
wiederum stellt zwar den festlichen Höhepunkt und Abschluss der Konfirmandenzeit, nicht jedoch der
Konfirmation im o. g. Sinne dar. Konfirmation im eigentlichen Sinne ist das, was Martin Luther als
lebenslanges „Hineinkriechen in die Taufe“ bezeichnete.
Die evangelische Konfirmation wurde in Auseinandersetzung mit der katholischen Firmung und
mittelalterlichen Verbesserungsversuchen (Katharer, Waldenser, Böhmische Brüder) eingeführt – und
mit einem katechetischen Motiv verknüpft: Die als Säuglinge getauften Jugendlichen sollten einen
„nachgeholten Taufunterricht“ erhalten. Luther, der die Firmung als „Affenspiel“ ablehnte und auch bei
der Konfirmation die Gefahr der Sakramentalisierung sah, war in erster Linie daran interessiert, dass
diejenigen, die das Abendmahl mitfeiern wollten, im evangelischen Glauben unterrichtet sind. Vor
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allem durch ein missverstandenes Katechismuslernen und eine „Abschlussprüfung“ vor der
Konfirmation bekam die Konfirmandenzeit über die Jahrhunderte die Bedeutung der Vorbereitung auf
einen Ritus, der tatsächlich in die gefährliche Nähe zu einem Sakrament rückte. Etwas hemdsärmelig
– und wieder in der o. g. Begrifflichkeit – ausgedrückt, könnte man sagen: Die Konfirmation (mit
Bekenntnis, Einsegnung und Fürbitte) wurde zum sinnenfälligen Ausdruck des „Basisvertrags“ und trat
in Konkurrenz zum Untertauchen bei der Taufe.
Wer diese Entwicklung für falsch hält, muss die Konfirmation wieder abschaffen – oder ihr eine neue
Bedeutung in der oben skizzierten Richtung geben. Zusammenfassend deshalb noch einmal die
wichtigsten Aspekte dieser Bedeutungsverschiebung:
• Konfirmation ist ein lebenslanger Aneignungsprozess dessen, was die Taufe bedeutet. Ziel dieses
Lernprozesses ist die Stärkung des Glaubens. Solche Konfirmation ist ein nicht steuerbarer
subjektiver Lernvorgang (theologisch: „Geschenk des Heiligen Geistes“), der allerdings durch
bestimmte kirchliche Angebote (Gottesdienst, Kasualien, Bibellese, religiöse Kunst, religiöse
Bildungsangebote etc.) unterstützt werden kann.
• Die Konfirmandenzeit ist ein solches kirchliches Angebot in einem entwicklungspsychologisch
besonders bedeutsamen Lebensalter.
• Der Konfirmationsgottesdienst ist ein symbolischer Ausdruck dieses Prozesses. Der „Kernritus“
dieses Gottesdienstes (Konfirmationsfrage, Segen, Fürbitte) hat keine eigenständige theologische
Qualität wie die Taufe oder das Abendmahl.
Getaufte konfirmieren
Getaufte bedürfen also immer wieder der Konfirmation ihres Glaubens. Im Idealfall wird Konfirmation
deshalb zum „konfirmierenden Handeln in der Gemeinde“: zu einem bewusst gestalteten und
gestuften „religionspädagogischen Gesamtkonzept“ vom Kleinkindalter bis ins Erwachsenenalter.
Innerhalb dieser lebenslangen Bildungszeit erfolgt als einmaliger Ankerpunkt die Taufe. Auf sie hin –
als Verheißung wie als Erinnerung – verweisen alle „konfirmierenden Bildungsangebote“ der
Gemeinde.
Da die Taufe und der Konfirmationsgottesdienst also auf zwei völlig verschiedenen theologischen
Ebenen liegen, kann eine Konfirmandentaufe auch kurz vor diesem Gottesdienst die Taufe nicht
entwerten. Im Gegenteil: Wer im mehrgliedrigen Ritus des Konfirmationsgottesdienstes eine
Konkurrenz zur Taufe sieht, hebt ihn auf die gleiche (sakramentale) Ebene wie diese. Wohl deshalb
sieht auch die Konfirmations-Agende hier kein Problem: „Liegen Taufe und Konfirmation zeitlich nahe
beieinander, treten Aspekte einer eigenen Entscheidung vielleicht deutlicher
in den Vordergrund. Andererseits wird die Taufe mehr von der
bevorstehenden Konfirmation her gesehen. Sind Jugendliche kurz vor ihrer
Konfirmation getauft worden, so ist dies bei der Formulierung von Frage oder
Erklärung oder Zuspruch im Konfirmationsgottesdienst entsprechend zu
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berücksichtigen.“
Den vollständigen Artikel (mit Fußnoten)
finden Sie im KU-Praxis-Heft 56
„… weil ich getauft bin“

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