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Benutzer: hd.erlenbach Erscheinungstag: 14.11.2009
Datum: 16.11.2009 10:11:16 Status: LayoutArchiviert
SAMSTAG, 14. NOVEMBER 2009
ECHO-THEMA: WENN DIE SEELE SCHLAPP MACHT
DARMSTÄDTER ECHO
10
Krankheit – Der Tod des Fußball-Nationaltorhüters Robert Enke hat der
Nation ins Bewusstsein gerufen, welche Folgen eine Depression haben
kann. Es gibt viele Arten dieser Erkrankung, aber auch Hilfsangebote,
die Betroffene und Angehörige annehmen sollten.
Die Depression
hat viele Formen
Auswirkungen – Die Krankheit ist manchmal
innerhalb weniger Tage wieder vorbei
Experten unterscheiden verschiedene Arten von Depressionen
(Näheres dazu unter www.depressionen-depression.net). Die
typische Depression wird heute
als Major-Depression bezeichnet. Diese Depression gibt es in
allen Altersgruppen. Nicht selten
endet sie im Suizid. Kennzeichen
der Major-Depression sind unter
anderem Interessen- und Freudlosigkeit, die Betroffenen leiden unter Gewichtszunahme oder Gewichtsverlust, unter Ruhe- und
Antriebslosigkeit, Müdigkeit, haben kein Selbstwertgefühl mehr,
können sich kaum konzentrieren
und sind unfähig, Entscheidungen zu treffen. Sie haben immer
wiederkehrende Gedanken an
den Tod, Selbstmordpläne und
Selbstmordfantasien.
Gefährlich sind Bipolare Störungen bei denen die Betroffenen
erheblich beeinträchtigt sind. In
manchen Phasen verliert der Erkrankte die Kontrolle über sein
Handeln und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Hier
wird, auch zum Selbstschutz des
Betroffenen, dringend die Einweisung in eine Klinik empfohlen.
Die Bipolaren Störungen äußern
sich unter anderem in starker
Selbstüberschätzung.
Wer hingegen unter Zyklothymen Störungen leidet, kann kreativ und angenehm für sein Umfeld
sein. Oft wird diese Störung weder
vom Betroffenen, noch von seinen Mitmenschen wahrgenommen. Kennzeichnend sind sehr
plötzlich auftretende Stimmungsschwankungen.
Eine Neigung zu traurigen
Stimmungen, die Dysthymia, ist
eine neurotische Depression. Die
Erkrankten erleben nur selten Tage mit aufgehellter Stimmung. Sie
sind niedergeschlagen, haben
kein Selbstwertgefühl, leiden unter Selbstzweifeln und Angst.
Die Anpassungsstörung, auch
reaktive Depression genannt, geht
meist schnell wieder vorüber. Sie
tritt bei Menschen auf, die einen
Partner verloren haben, schwer
gekränkt wurden, die den Übergang vom Arbeitsleben in die Rente nicht verkraften oder plötzlich
arbeitslos werden. Besonders gefährdet sind Menschen, die ein
vermindertes Selbstwertgefühl
haben, die Anerkennung wollen
oder zu Schuldgefühlen neigen.
Die Symptomatische Depression tritt oft nach einer schweren
oder unheilbaren Erkrankung auf.
Bei der Behandlung muss zwingend darauf geachtet werden, zunächst die Grunderkrankung zu
therapieren. Zu den häufigsten
Krankheiten, die eine Symptomatische Depression auslösen können, zählen Aids, Stoffwechselerkrankungen, Störungen im Hormonhaushalt, Durchblutungsstörungen im Gehirn, Schlaganfall
oder Gehirntumor.
Bei abhängigen Menschen
wird oft eine Suchtdepression
festgestellt. Bis heute konnte
nicht geklärt werden, ob zuerst
die Sucht oder zuerst die Depression auftritt. Die Erkrankten sind
oft der Meinung, die Symptome
ihrer Depression mit Alkohol oder
Tabletten bekämpfen zu können,
was anfangs ganz gut funktioniert. Da die Dosis aber zumeist
kontinuierlich gesteigert wird, endet die Depression in einer Sucht.
Die Einnahme vieler Medikamente kann eine Medikamentendepression auslösen. Blutsenkende Mittel sowie Medikamente
gegen Herz- und Kreislauferkrankungen, aber auch die Pille und
Antibiotika können zu solchen
Depressionen führen, die in der
Regel sehr schnell vorbei sind,
wenn die Medikamente abgesetzt
oder durch andere Medikamente
ersetzt werden.
Mit der dunklen Jahreszeit
setzt bei vielen die Winterdepression ein. Die Betroffenen ändern
ihre Stimmung, sind niedergeschlagen, antriebslos, können
sich kaum konzentrieren, haben
ein großes Schlafbedürfnis und
bekommen Heißhunger auf kohlenhydratreiche Nahrung. Nahen
Frühjahr und Sommer, sind diese
Menschen wie ausgewechselt und
fühlen sich wieder pudelwohl.
Junge Leute trifft oft die Depression in der Pubertät. Besonders bei Mädchen zwischen zwölf
und 14 Jahren wurde ein sprunghafter Anstieg dieser Depression
beobachtet. Die Ursachen sind
noch nicht richtig erforscht. Fachleute sind sich aber sicher, dass
nicht nur die hormonelle Veränderung im Körper eine Rolle spielt,
sondern auch die Unsicherheit bezüglich des Aussehens. Viele orientieren sich in dieser Zeit an Idolen, denen sie nacheifern. Wenn
sie deren perfektes Aussehen
nicht erreichen, führt das zu einem Knacks in der Seele.
Viele Frauen leiden Monat für
Monat unter dem Prämenstruellen Syndrom. Sie haben in der
Menstruationsphase nicht nur
körperliche, sondern auch psychische Probleme. Es treten Stimmungsschwankungen, Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit und
Angst auf. Viele Frauen weinen in
dieser Phase sehr oft und reagieren meist schon auf Kleinigkeiten
mit Ausbrüchen. Diese Depression verschwindet nach wenigen
Tagen. Studien weisen nach, dass
etwa zwanzig Prozent aller Frauen in dieser Phase Hilfe benötigen
und bis zu zehn Prozent so sehr
beeinträchtigt sind, dass Privatund Berufsleben stark darunter
leiden.
Der Babyblues dürfte vielen
jungen Müttern bekannt sein. Etwa siebzig Prozent aller Frauen,
die gerade ein Kind gebaren, sollen davon betroffen sein. Wenige
Tage nach der Geburt werden sie
weinerlich, fühlen sich traurig,
unruhig und leer. Auslöser dieser
Art der Depression ist vermutlich
die Umstellung des Körpers nach
einer Geburt. Innerhalb weniger
Tage ist der Babyblues wieder vorbei. Andere Frauen leiden bis zu
einem Jahr unter einer depressiven Phase. Dann spricht man von
einer Wochenbettdepression, an
der bis zu 20 Prozent aller jungen
Mütter leiden. Sie haben Angst,
mit ihrer Mutterrolle überfordert
zu sein, fürchten unbekannte Erfahrungen oder glauben, ihr Kind
nicht richtig zu lieben. Im Gegensatz zum Babyblues sollte diese
Art der Depression von einem
Arzt behandelt werden. Die Wochenbettdepression betrifft auch
knapp zehn Prozent aller Väter.
Sie müssen den tiefen Einschnitt
in ihr Leben, den die Vaterrolle
mit sich bringt, erst verkraften.
Die Depression in den Wechseljahren ist bei Frauen die Zeit
nach der Fruchtbarkeit. Bis zu
vierzig Prozent aller Frauen leiden unter dieser Form der Depression. Bei Frauen beginnt in dieser
Phase ein generelles Nachdenken
über ihr Leben und über den bevorstehenden Lebensabend. ha
Alkohol, Tabletten und Zigaretten: Depressive Menschen suchen oft Hilfe in Suchtmitteln.
FOTO: HANS DIETER ERLENBACH
Schneller zum richtigen Medikament
Forschung – An der Uniklinik in Mainz startet ein umfangreiches Programm – Ärzte erkennen Symptome besser als früher
VON HANS DIETER ERLENBACH
Der Tod des Nationaltorwarts Robert Enke macht die Republik betroffen. Ein Mann, nach außen
cool und lässig, vielleicht etwas
introvertiert, wird mit dem Leben
nicht mehr fertig und begeht
Selbstmord. Der Öffentlichkeit
wird plötzlich eine Krankheit und
ihre möglichen Folgen vor Augen
geführt, an der deutschlandweit
schätzungsweise vier Millionen
Menschen leiden. Statistisch gesehen begehen täglich 25 Menschen Selbstmord. Wie viele von
ihnen depressiv waren, läßt sich
nur erahnen.
Treffen kann es jeden, ob prominent, arm oder reich. Ernest
Hemingway, Britney Spears oder
Virgina Woolf sind nur einige Prominente, die sich offen zu dieser
Krankheit bekannten und immer
wieder mal kurz für öffentliche
Aufmerksamkeit sorgten. In der
Regel traut sich aber kaum jemand, offen über seine Depressionen zu sprechen. Sei es, weil er
sich ohnehin nicht verstanden
fühlt, oder auch aus Angst, berufliche Nachteile zu erleiden.
Florian Holsboer, Direktor des
Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München, geht von zehn
bis zwölf Prozent aller Deutschen
aus, die mindestens einmal in ihrem Leben an Depressionen leiden. Zwar sind Frauen öfter von
der Krankheit betroffen, Männer
begehen aber deutlich öfter
Selbstmord.
Depressionen zeigen sich in
unterschiedlichsten Verhaltensformen. Manche Menschen ziehen sich zurück, leiden an
Schwermut oder Niedergeschlagenheit, andere bekommen als
Folge einer Depression Kopf- oder
Rückenschmerzen, wieder andere
verfallen in Lethargie und sind,
wie es der Volksmund umschreibt
„für nichts mehr zu gebrauchen.“
Schlafstörungen, innere Unruhe
oder der Verlust der Fähigkeit zu
Freude oder Trauer können ebenfalls Hinweise auf eine Depression
sein.
Mit Depressionen gehen oft
auch andere Symptome einher
wie zum Beispiel Panikattacken.
Medikamentenabgabe
hat sich verdreifacht
Grundsätzlich kann eine Depression mit Medikamenten gut therapiert werden, doch ist der Einsatz
dieser Mittel nicht unumstritten.
In den vergangenen zehn Jahren
verdreifachte sich die Abgabe von
Antidepressiva durch Apotheken.
Zum einen kann dies ein Zeichen
dafür sein, dass immer mehr Menschen zu ihrer Krankheit stehen
und sich ärztlich behandeln lassen, womöglich werden aber von
einigen Ärzten Antidepressiva
verschrieben, wo es gar nicht nötig wäre, zum Beispiel bei leichter
Niedergeschlagenheit.
Andre Tadic, Oberarzt an der
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uni Mainz und
Koordinator der sogenannten
EMC-Studie, weist diese Hypothese allerdings zurück. Er betont, in
den vergangenen Jahren hätten
die niedergelassenen Ärzte dank
entsprechender Schulungen Depressionen eher und besser erkannt. Deshalb auch der höhere
Verbrauch von Antidepressiva.
Derzeit läuft an der Uni Mainz
eine Studie, um Patienten früher
als bisher auf das richtige Medikament gegen Depressionen einzustellen. Nach den derzeit noch
geltenden Richtlinien gehen Ärzte
davon aus, es dauere vier bis
ONLINE-THERAPIE
Hilfe aus dem Internet
Unter der Adresse www.deprexis.de
gibt es für depressive Menschen,
die Hemmungen vor einem Arztbesuch haben, eine Online-Therapie.
Das aus zwölf Modulen bestehende
Programm kostet 180 Euro, die einen dreimonatigen Zugang auf die
Homepage ermöglichen.
Laut einer wissenschaftlichen
Studie mit 400 Personen war die
Online-Therapie bei etwa 80 Prozent der Teilnehmer erfolgreich.
Der Betreiber der Homepage,
die Therapeutical-Web-Systems AG
aus Hamburg, bemüht sich derweil
um eine Anerkennung durch die
Krankenkassen. Die Chancen sollen
ganz gut stehen, denn die Teilnahme an der Internet-Therapie kostet
gerade mal so viel wie zwei Sitzungen bei einem Psychotherapeuten.
Wer nachweislich von Hartz-IVLeistungen lebt, bekommt die Therapie schon jetzt kostenlos. Um die
Online-Therapie erst einmal auszuprobieren, kann sich jeder für eine
halbe Stunde kostenlos auf der
Homepage einloggen.
ha
sechs Wochen um festzustellen,
ob ein Patient auf ein bestimmtes
Antidepressiva anspricht oder ein
anderes Medikament benötigt.
Wenn Patienten erst nach dem
dritten oder vierten Medikament
ansprechen, zog sich der Zeitraum bis zur Verabreichung eines
wirksamen Medikamentes oft
über mehrere Monate hin.
Die von Andre Tadic geleitete
Studie möchte diese Zeiten deutlich verkürzen. Bereits nach zwei
Wochen soll erkannt werden, ob
ein bestimmtes Medikament bei
Patienten wirkt oder ob ein anderes Medikament gebraucht wird.
Für diese Studie wird ein Teil der
Patienten nach der herkömmlichen Methode und ein Teil nach
der neuen Methode behandelt um
dann zu sehen, in welcher Gruppe
die Patienten schneller geholfen
werden kann. Mit der Studie wurde an der Uni Mainz begonnen, an
fünf anderen Universitäten in
Deutschland startet sie demnächst (mehr unter www.
the-emc-trial.de).
Alexandra Escher ist Psychologin in Bensheim. Zu ihr kommen
seit einiger Zeit immer öfter Patienten, die unter normalen Umständen ihr Leben prima meistern
und ganz normal leben würden.
Sie leiden unter ihren Arbeitsbedingungen wie hoher Arbeitsbelastung oder unter der Wirtschaftskrise und hier vor allem
unter der Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. „Das hatten wir
früher kaum“, so die Diplom-Psychologin.
Erste Anlaufstelle
sollte der Hausarzt sein
Eine neue Studie zu Depressionen erarbeitete Andre Tadic an der
Universität Mainz.
FOTO: UNI MAINZ
Sie rät Menschen, die plötzlich
unter Appetitlosigkeit, Antriebsmangel, Traurigkeit oder anderen
Symptomen leiden, die auf eine
Depression hindeuten könnten,
sofort zum Hausarzt zu gehen
und sich beraten und bei Bedarf
zu einem Therapeuten überweisen zu lassen.
Um selbst aus einem Stimmungstief wieder herauszukommen, könne man sich sportlich
betätigen, öfter mal kulturelle Veranstaltungen besuchen oder die
sozialen Kontakte ausbauen.
Wenn das alles nichts helfe, solle
man sich einer Therapie unterziehen. Auf keinen Fall sollten im Internet bei dubiosen Anbietern
Stimmungsaufheller bestellt werden.
Zigaretten und falsches Essen schaden
Raucher leiden öfter unter Depressionen als Nichtraucher. Im
Rahmen einer Studie wurden
2000 Personen untersucht. Bei 23
Prozent der Raucher trat mindestens einmal im Leben eine Depression auf, 14 Prozent ehemaliger
Raucher hatten schon mindestens
eine Depression, während nur
sechs Prozent der Nichtraucher
unter dieser Krankheit litten.
Tranken Raucher gleichzeitig
übermäßig Alkohol, stieg die Risikoquote noch einmal dramatisch
an. Ärzte folgern daraus, Menschen mit Depressionen sollten
unbedingt auf das Rauchen aufgeben und auf Alkohol verzichten.
Der Volksmund kennt Schokolade als Stimmungsaufheller.
Neuerdings sind auch Omega-3Fettsäuren und sogenannte Tryptophane, eine essenzielle Amino-
säure, die durch Nahrung aufgenommen wird, als Mittel gegen
Depressionen im Gespräch. Trypthophan findet sich in vielen Lebensmitteln wie Fleisch, Milch,
Kartoffeln oder in Kakaobohnen.
Mit der täglichen Nahrung
wird die Tagesdosis an Trypthophan gedeckt. Zu viel davon würde Gesundheitsstörungen verursachen. Manche Menschen glauben derart fest an die stimmungsaufhellende Wirkung von Schokolade, dass sie täglich größere
Mengen davon in sich hineinstopfen. Tatsächlich beinhaltet die Kakaobohne einige Stoffe, die den
Menschen stimulieren, aber auch
Stoffe, die die Stimmung dämpfen. Um eine Wirkung auf den
Körper zu erzielen, müsste man
aber täglich mehrere Kilogramm
Schokolade essen. Die Stim-
mungsaufheller in der Schokolade befinden sich wohl eher in den
Kohlenhydraten, die auch tatsächlich kurzzeitig die Stimmung
aufhellen können. Ein Heilmittel
gegen Depressionen ist Schokolade aber nicht.
Omega-3-Fettsäuren helfen sowohl vorbeugend, als auch heilend gegen viele Krankheiten. Die
ungesättigten Fettsäuren befinden sich besonders reichlich in
Fisch wie Lachs oder Sardinen,
aber auch in Raps- Lein- oder Sojaöl. Ob sich diese Fettsäuren bei
Depressionen positiv auswirken,
ist aber nicht endgültig belegt.
Eine ausgewogene und gesunde Ernährung halten Fachleute gerade bei depressiven Menschen
für sehr wichtig. Sie beugt Übergewicht vor, oft auch ein Auslöser
für Depressionen.
ha