Die neue Logik - Rationalgalerie

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Die neue Logik - Rationalgalerie
Die neue Logik
Mir händ nix verstande
Autor: U. Gellermann
Datum: 15. Juni 2012
Logik, sagt das Lexikon, sei die Wissenschaft von der allgemeinen Struktur des
richtigen Denkens, und Wikipedia fügt dem hinzu, das Wort käme aus dem
Altgriechischen und hieße übersetzt "denkende Kunst". Deutsche
Regierungskunst verbreitet in diesen Tagen eine Logik der besonderen Art: Eine
"wachstumsfreundliche Defizitreduzierung" wolle er jetzt auf den Weg bringen
erzählt uns der Bundesfinanzminister und hofft, wir merken nicht, dass er
zugleich auf das Brems- wie auf das Gaspedal tritt: Die Neuverschuldung, die er
zu bekämpfen vorgibt, wächst obwohl gestiegene Steuereinnahmen eine
"Defizitreduzierung" möglich gemacht hätten. Weil aber die Bundesrepublik 8,7
Milliarden zugleich in einen der Rettungsschirme - kein Mensch kann sie mehr
auseinanderhalten - einzahlen muss, erschöpft sich die
Wachstumsfreundlichkeit in Ausgaben für das Kinderbetreuungsgeld.
Schäuble steht mit seiner Logik keinesfalls allein. Er passt sich nur dem großen
Strom der internationalen Wirtschaftslogik an, der Kunst mit immer mehr Geld
immer schlechter zu wirtschaften: Irgendwo wackeln mal wieder die Banken,
diesmal in Spanien. Weil Bankenwackeln in den letzten Jahren immer zum
Staatenwackeln geführt hat, fließt aus einem europäischen Rettungsschirm
Geld zum spanischen Staat, der damit die Löcher seiner Banken stopft damit er
selbst nicht ins Wackeln gerät. Aus einem Schirm fließt was! Und mit dem
Flüssigen stopft man Löcher! Oh Kunst des Staatenlenkens! Oh Kunst der
ökonomische Wissenschaft! Doch der nächste Streich der unbezwingbaren
neuen Logik folgt sogleich. Kaum hat die EU Bündel von Geld unter das
wackelnde spanische Haus gestopft, sagt eine der Ratingagenturen, deren
Namen man sich nicht merken will, jetzt würde Spanien aber mehr wackeln als
zuvor, denn das Land habe jetzt mehr Schulden und wer viel Schulden hat, der
kann verramscht werden.
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Wie wird die große Staatenlenkerin Angela Merkel auf diesen Grundsatz der
neuen Logik - man gibt Geld nur damit neues Geld verlangt wird - reagieren?
Ganz nach der Art der von Merkel verehrten schwäbischen Hausfrau sagt sie, in
Vorbereitung des G-20-Gipfels: "Mir gäbet nix". Aus dem Schwäbischen ins
Merklige übersetzt lautet der Satz zu den nächsten Rettungsschirmen: "Alle
Maßnahmen wären Schall und Rauch, wenn sich herausstellen sollte, dass sie
über Deutschlands Kräfte gehen." Das ist tiefster, logischer Konjunktiv: Die
bereits getroffenen Maßnahmen könnten sich in heiße Luft verwandeln wenn
sie über unsere Kräfte gegangen sind. Da hätte sie auch sagen können: "Mir
wisset nix."
Auch hinter den Milliarden des Kinderbetreuungsgeldes steckt diese neue
Logik, die sich nur für jene entfaltet, die statt des Hirns die Stirnfalten
anstrengen: Wenn, so die Merkel-Schröder-Schäuble-Wissenschaft, wenn wir
statt mehr Kindertagesstätten-Plätze zu schaffen einem Teil der Eltern Geld in
die Hand drücken, um die Kleinen zu Hause zu halten, dann sparen wir viel
Geld, denn Kindertagesstätten-Plätze kosten deutlich mehr als das
Betreuungsgeld. Außerdem werden die Eltern von dem Bestechungsgeld zum
Beispiel Flachbildschirme kaufen, das belebt den Markt, das bringt mehr
Steuern in die Staatskasse und so sparen wir nicht nur sondern nehmen auch
was ein. Göttliche Logik. Warum wird die nicht sofort auf Spanien angewandt:
Das für den spanischen Staat, also die Banken, vorgesehene Geld drücken wir
den spanischen Familien in die Hand. Die kaufen irgendwas dafür, das bringt
Steuern, der Haushalt wäre saniert. Moody´s wäre begeistert und so retten wir
nicht nur Spanien sondern die ganze Welt. Mensch, Merkel.
Auch wenn die Königin der neuen Logik Fragen an das schwarze Loch der
Wirtschaftswissenschaften stellt, bekommt sie Antworten: "Wie konnte
eigentlich die internationale Finanzkrise 2008/2009 entstehen?", fragt die
Kanzlerin in Vorbereitung des G-20-Gipfels und hat auch gleich eine Antwort:
"Sie konnte entstehen und fatale Wirkungen entfachen, weil immer wieder
Fakten ignoriert wurden, Wechsel auf die Zukunft gezogen wurden, Kräfte
überschätzt wurden und riskante Instrumente finanzieller Art angewandt
wurden." Also es lag, nach Merkel, nicht an den Banken, nicht an der Profitlogik
des kapitalistischen Systems, nicht an den untertänigen Regierungen und der
Anbetung der Märkte. Die arme Frau. Sie hätte es sich, gemeinsam mit der
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schwäbischen Hausfrau, auch leichter machen können: "Mir händ nix
verstande."
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