UNTERHALTUNG 13

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UNTERHALTUNG 13
UNTERHALTUNG
13
Ausgabe 23 / 9. November 2012
Gesundheit und mehr...
N KONZERT
Status Quo versuchen Comeback
N
ach fast drei Jahrzehnten planen die
britischen Rockveteranen der Gruppe Status
Quo ein Comeback in ihrer
Gründungsformation.
Die
für Songs wie „Rockin’ All
Over the World“ und „Caroline“ bekannte Band kündigte auf ihrer Internetseite für
März 2013 fünf Auftritte in
Glasgow, Manchester, Wolverhampton und London an.
Die derzeitigen Frontmänner Francis Rossi und Rick
Parfitt geben die Konzerte
demnach zusammen
mit
Alan Lancaster und John
Coghlan, die Status Quo in
den 1980er Jahren verlie-
ßen. „Auf diese Ankündigung haben viele Menschen
jahrelang gewartet“, schrieb
Status-Quo-Manager Simon
Porter auf der Internetseite.
Angesichts
zahlreicher
Streitereien und Gerichtsprozesse sei das Comeback
noch vor zwei Jahren „un-
denkbar“ gewesen. Status
Quo hatte sich im Jahr 1967
gegründet und verkaufte
seither etwa 119 Millionen
Platten. Rossi und Lancaster
feiern zudem ein Jubiläum:
Vor 50 Jahren, als beide
noch zur Schule gingen, traten sie erstmals zusammen
auf.
dpa Status Quo kommen wieder auf Tour. Foto: dpa
N FERNSEHBALLETT
Das schönste Ost-Produkt
V
ielleicht hätte sich Peter
Wolf geärgert. Geärgert
darüber, dass sein im
Februar 2012 vom Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) gekauftes Deutsches Fernsehballett
so schlechte Presse bekommt.
Für ein Werbefoto hatten sich
Tänzerinnen der Gruppe in
Fahnen und Banner mit Symbolen der Freien Deutschen
Jugend (FDJ) und Hammer und
Zirkel gehüllt. Der Verband
DDR-Opferhilfe kritisierte das
heftig, forderte sogleich ein
Verbot von Symbolen der SEDDiktatur. Wolf hatte das Foto
zum 50. Geburtstag des Balletts
produzieren lassen.
Peter Wolf ist aber jemand, der
weiß, wie das Geschäft funktioniert. Er ist ein großer Spieler im TV-Geschäft. Früher
hatte er Harald Juhnke unter
Vertrag, inzwischen hören seine Klienten auf Namen wie Vicky Leandros und Anna Maria
Kaufmann. Die Show „Willkommen bei Carmen Nebel“
produziert
er.
Deswegen
kommt ihm die Aufregung sicher ziemlich gelegen, jemand
der Juhnke betreute, weiß,
dass jede Presse gute Presse
ist. Und dass selbst schlimme
Fehltritte vom Publikum verziehen werden können. So
oder so sorgen Skandale dafür,
dass die Währung in die Kasse
kommt, die gemeinhin im
Showbiz die wichtigste ist –
Aufmerksamkeit. Zumal das
Ballett bei Fotos inzwischen
durchaus sensibilisiert sein
müsste.
Im Mai erst war es zu einem
Streit mit dem Deutschen Fußballbund gekommen, der sich
DFB abkürzt. Diese Abkürzung
sollte auch fürs Ballett durchgesetzt werden, passenderweise posierten einige Damen in
wenig züchtig getragenen Trikots der Nationalelf. Die Aufmerksamkeit war gesichert.
Und die ist lebenswichtig. Zumal Wolf auch für die DDR-Fotos eine Erklärung hat, die sie
vom provokativen in einen historisch-wertvollen Kontext rücken sollen. Man war 28 Jahre
Mit DDR- und FDJ-Fahnen: Die Symbolik empörte Opferverbände, das Haus der
Geschichte in Bonn hat das Foto in seinen Bestand übernommen. Foto: Lobomedia
schaltet würde. Die Frage, die
alle umtrieb, war, ob damit
auch das gewohnte Bild der
tanzenden Ballerinas von der
Mattscheibe verschwinden sollte. Emöke Pöstenyi, Solistin
des Balletts, kritisierte das zu
der Zeit öffentlich, appellierte
an die Branche, doch eine neue
Heimat zu finden. Im Januar
1992 war das der MDR. Damals bekam es eine Bestandsgarantie bis 2000, die Zeit
wurde jedoch deutlich überschritten.
quasi ein „DDR-Staatsballett“.
Hammer, Zirkel, Ährenkranz
und FDJ-Flagge gehörten nun
einmal zu der Geschichte, erklärt er in einem Statement zu
den Bildern. Man habe „gelebt,
gearbeitet und getanzt in einem Unrechtsstaat. Zu DDRZeiten wäre man für einen derart respektlosen Umgang mit
den Symbolen der Arbeiterund Bauernmacht höchstwahrscheinlich ins Gefängnis gekommen.“ Umso besser, findet
Wolf, dass es nun, 22 Jahre
nach dem Ende der DDR, möglich sei, ironisch und frech mit
den ehemaligen Insignien der
Macht zu spielen.
Am 1. April 1962 hat der Ballettmeister Günter Jätzlau die
Gruppe im Auftrag des Deutschen Fernsehfunks der DDR
gegründet. Sie startete mit acht
Tänzerinnen, fünf Jahre später
waren es 20. Immer wieder
tanzten große Namen mit –
oder wurden durch das Ballett
erst zu Stars. Während Westdeutschland zu dieser Zeit
kaum etwas von der Existenz
der Tanzgruppe mit den längsten Beinen im Osten ahnte, war
es in der DDR Traum von zahl-
1988: Die Tänzerinnen Angelika Honig und Ophelia Vilarova.
Foto: limago
Emöke Pöstenyi bei einer Show
im Juni 1974. Foto: K. Winkler
losen Mädchen, irgendwann in
diese schillernde Formation
aufgenommen zu werden.
Nach 1989 wurde es dann zunehmend schwieriger für das
Ballett, es geriet aus der Balance. Niemand wusste, wie es
weitergehen sollte, nur, dass
das DDR-Fernsehen bald abge-
Wolf kaufte es 2012 und stand
vor einem desolaten Betrieb.
Für jeden Euro, den er bekomme, müsse er mehr als
einen Euro hineinstecken,
schimpfte er. Ein unglaublicher Apparat habe dahintergesteckt, niemand sich ernsthaft Gedanken über die
Zukunft gemacht. Letztlich
wurde es dem MDR schlicht
zu teuer, der Sparzwang führte zum Verkauf.
Wolf möchte aus dem Ballett
nun eine ganz große Shownummer machen, das schönste Ost-Produkt, das eben nicht
nur in Ostdeutschland – über-
wiegend hier wird das Jubiläumsjahr auch mit einer Tour
gefeiert – die Massen anzieht.
„Ich will ein Spektakel schaffen, ein echtes Spektakel. Eine
Show mit Tanz, Akrobatik und
Artistik, die auch internationale Standards setzt“, erklärte
er im Interview.
Das muss auch funktionieren,
denn wenn das Ballett privat
und nicht mehr von einem öffentlich-rechtlichen Sender geführt wird, muss es ordentlich
Geld verdienen. 2014 soll das
so weit sein. Dazu passt, dass
Ex-Star Pöstenyi gerade in der
Süddeutschen Zeitung generell
mehr Aufmerksamkeit und
Respekt für ihren Beruf einforderte. „Weißt du, langsam
musst du betteln, dass du als
Künstler überhaupt noch erwähnt wirst. Und die Tänzer
sind Künstler, aber es gibt nicht
mehr viele, die Achtung haben
vor dieser Arbeit.“
Vielleicht schafft das Deutsche
Fernsehballett, diese Achtung
noch einmal herzustellen. Und
einen wichtigen Teil der DDRGeschichte in die Zukunft zu
führen.
Sebastian Scherer