Katastrophengefahr im Arktischen Eis?

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Katastrophengefahr im Arktischen Eis?
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THEMEN / WISSEN & UMWELT
S C H I F F FA H RT
Offshore-Öl, Schiffsrouten am Pol, Kreuzfahrt zu den Eisbergen - Der Klimawandel macht
es möglich. Aber wie gut ist die Arktis auf einen möglichen Unfall vorbereitet?
Spätestens als das Greenpeace Schiff Arctic Sunrise im vergangenen Jahr während einer Protestaktion
an der russischen Bohrplattform Prirazlomnoye geentert und beschlagnahmt wurde, dürfte es jedem
klar geworden sein: Die Entwicklung der Arktis läuft trotz Umweltrisiken auf vollen Touren. Und sie
genießt für Russland und andere Staaten höchste politische Priorität.
Abkürzung durch die Arktis
Der Klimawandel hat das Offshore-Geschäft in der russischen Arktis zum ersten mal möglich gemacht.
Im Dezember 2013 lief die Produktion an der umstrittenen Plattform an. Auch die Schifffahrt durch
die Arktis hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Internationale Logistikfirmen nutzen den
nördlichen Seeweg entlang der russischen Küste, um Gas und andere Waren zu transportieren. Das
verkürzt die Entfernung zwischen Schanghai und Hamburg im Vergleich mit der herkömmlichen
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Route über den Suezkanal um etwa 6400 Kilometer und die Reisezeit um mehr als eine Woche.
Nordost- und Nordwestpassagen sowie die zentralarktische Route führen durch arktische Gewässer.
Aber nicht nur der Frachtverkehr profitiert. Im Sommer können immer mehr Kreuzfahrtschiffe in die
Arktis reisen. Dabei zeigte die Havarie der Costa Concordia vor der Küste Italiens die Risiken des
Massenkreuzfahrttourismus selbst in einer gut entwickelten Region ohne erschwerte
Wetterbedingungen. Was wäre aber, wenn ein Schiff mit 3000 Menschen an Bord in den beliebten
abgelegenen Regionen um Spitzbergen oder Grönland zum Beispiel durch eine Kollision mit einem
Eisberg havarieren sollte?
Horrorszenario: Unfall im Eis
Das Arctic Institute Center for Circumpolar Security Studies ist eine unabhängige Denkfabrik mit Sitz
in Washington. Das Institut hat die vorhandene Infrastruktur in den sechs Arktis-Anrainerstaaten
USA, Kanada, Grönland (Dänemark), Island, Norwegen und Russland im Hinblick auf die
wirtschaftliche Entwicklung untersucht. Ende Januar präsentierten die Experten erste Resultate auf
der Arctic Frontiers Konferenz im norwegischen Tromsø. Die Ergebnisse sind ernüchternd.
Kathrin Keil vom IASS Institute for Advanced Sustainability
Studies in Potsdam beschäftigt sich für das Arctic Institute mit
den Entwicklungen im Öl- und Gassektor. Am Beispiel der
Prirazlomnaya Plattform zeigt sie, dass die Unberechenbarkeit
und Veränderbarkeit der Wetter- und Eisbedingungen die
Reaktionsmöglichkeiten im Fall eines Ölunfalls stark
einschränken. So könne die Eisbedeckung im Monat Mai zwischen
Ölsperren könnten bei einem Unfall
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im Eis nur begrenzt helfen.
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30 und 90 Prozent betragen. Die eisfreie Zeit könne ein bis neun
Monate dauern. Noch gebe es keine Technologien, die die
erfolgreiche Beseitigung der Folgen eines Ölunfalls im Eis ermöglichten. Außerdem sei der "Oil Spill
Response Plan" des Betreibers Gazprom zu wenig detailliert. Die Situation sei besonders kritisch, da
viele Naturschutzgebiete in der Nähe liegen, die nicht geschützt werden könnten. Da es sich hier um
die erste Offshore-Plattform in der Arktis handelt, plädiert Keil für möglichst strenge
Sicherheitsstandards.
Keine Sicherheit ohne Eisbrecher
"Die bereits existierende Infrastruktur reicht auch für die Zunahme des Schiffverkehrs in der Arktis
nicht aus", sagt Malte Humpert, Executive Director des Arctic Institute. So sei beispielsweise die
Eisbrecherflotte für die Unterstützung des wachsenden Schiffsverkehrs nicht groß genug. Auch der
Mangel an geeigneten Häfen stelle eine große Herausforderung für die Schifffahrt dar.
Die Zunahme des Kreuzfahrtschiffverkehrs vor allem um die norwegische Inselgruppe Spitzbergen
und an der Westküste Grönlands birgt laut der neuen Studie weitere große Risiken: Sollte
beispielsweise einer der Kreuzfahrtriesen mit 3000 Menschen an Bord im Eis vor dem beliebten
Touristenziel Ilulissat havarieren, reichten die vorhandene Rettungskapazitäten an Flugzeugen,
Hubschraubern und Schiffen bei weitem nicht aus, um Passagiere und Crew rechzeitig zu evakuieren,
erläutert Marc Jacobsen vom Arctic Institute. Der 4500-Einwohner-Ort hätte große Probleme,
gestrandete Passagiere zu beherbergen und medizinisch zu versorgen. Auch für die Beseitigung des
auslaufenden Öls wäre die Infrastruktur nicht ausreichend. Ein weiteres Problem liege in der
mangelnden Versorgung mit Kommunikationsmöglichkeiten über Satellit, Internet und Mobiltelefon.
Eisberge, die vom Gletscher abbrechen, sind die große Attraktion für Touristen in Ilulissat.
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Politiker nehmen Risiken in Kauf
Die Risiken der zunehmenden Ökonomisierung der Arktis sind den Politikern bekannt. Sie genössen
hohe Priorität im Arktischen Rat, dem Zusammenschluss der Anrainer, sagte Magnus Johannesson,
Direktor des ständigen Sekretariats der Organisation mit Sitz in Tromsø, im Gespräch mit der DW. Er
verweist auf die internationalen Verhandlungen mit der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation
IMO, um Richtlinien auszuarbeiten. Dieser "Polar Code" soll 2016 in Kraft treten. Johannesson zitiert
auch die SAREX-Übungen, die 2013 einen Schiffunfall simulierten, um die Kapazitäten für Suche und
Rettung zu testen. Nach Meinung von Jacobsen vom Arctic Institute war die Übung aber mit 200
Passagieren und 50 Crewmitgliedern viel zu klein angelegt, um ein realistisches Bild zu geben.
"Ich glaube, alle wissen, dass die Infrastruktur besser sein könnte", gibt Johannesson zu. "Wir haben
aber die ersten Schritte schon gesehen." Er verweist auf die Vereinbarungen zur Suche und Rettung
sowie über die Kooperationsvereinbarung um Ölunfälle zu vermeiden, die bereits vom Arktischen Rat
verabschiedet wurden. "Die Arbeit ist fortlaufend. Die Arktisstaaten wissen, dass die Entwicklung
bereits im Gange ist. Sie tun ihr Bestes, um den Prozess zu beschleunigen."
Eine Katastrophe wäre möglich
Anton Vasiliev, Russlands Botschafter im Arktischen Rat, geht davon aus, dass sein Land in drei bis
viel Jahren die Infrastruktur entlang der "Northern Sea Route" fertig haben wird. Auch Islands
Außenminister Gunnar Bragi Sveinsson ist zuversichtlich: "Gerade weil eine Katastrophe in den
arktischen Gewässern möglich wäre, widmen wir der Arktis eine sehr hohe Aufmerksamkeit", sagte er
im Gespräch mit der DW. "Das Interesse am wirtschaftlichen Potential der Arktis wächst sehr schnell.
Ich glaube aber nicht, dass der Prozess zu schnell voranschreitet, um ihn zu managen."
Umweltorganisationen sind anderer Meinung. Nina Jensen ist die Leiterin des WWF Norwegen: "Je
mehr der Schiffsverkehr in dieser Region zunimmt, desto höher ist das Risiko für Unfälle oder
Umweltverschmutzung, die schwerwiegende Konsequenzen für Menschen und die Tierwelt hätten",
sagte Jensen der DW. "Wir wissen nicht genug über die marine Umwelt, wir haben noch keine
ausreichenden Regelungen, und wir sind nicht adäquat auf einen Ölunfall vorbereitet."
DW.D E
Kampf zwischen Öl und Eis in der Arktis
Bei einer Konferenz in Norwegens Arktis-Hauptstadt wird über Umweltschutz und Ölbohrungen diskutiert. So
viele Teilnehmer wie noch nie sind an dem interessiert, was unter dem schmelzenden Eis zum Vorschein kommt.
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"Vielen ist es lieber, nicht mehr zu frieren"
Alle Welt hat Angst um das Eis in der Arktis. So manchem Anwohner aber kommt der Klimawandel ganz gelegen.
Der Autor und Journalist Klaus Scherer hat am Polarkreis solche Profiteure der Erderwärmung getroffen.
(13.01.2014)
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W WW- L IN K S
The Arctic Institute Center for Circumpolar Security Studies
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Datum 05.02.2014
Autorin/Autor Irene Quaile
Redaktion Tobia Oelmaier
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Wir haben das Recht, in der Arktis
nach Öl zu bohren und keiner
hindert uns. Andere Länder
scheinen das ähnlich zu sehen.
Das Interesse an der Arktis steigt
mit der Erderwärmung. Denn sie
erleichtert den Zugang zur Region
und entfesselt die Jagd nach
Rohstoffen. Welche Folgen hat das
für die Arktis und den Rest der
Erde?
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Die Rückkehr der
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"Grüne Spiele" für Sotschi?
06.02.2014
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06.02.2014 17:26
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Nur 40 Kilometer sind es vom
Schwarzen Meer bis zum Beginn
des Kaukasus-Gebirges. Die
gewaltigen InfrastrukturMaßnahmen gefährden die Umwelt
massiv. Die Natur muss sich Putins
Spielen unterordnen.
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06.02.2014
Google kauft ein. Im Fokus:
Unternehmen, die stark sind bei
der Entwicklung "Künstlicher
Intelligenz". So wie Deepmind oder
Ray Kurzweil. Das Ziel: Das
Verhalten von Menschen bis ins
Detail vorherzusagen.
Wenn viel Strom über lange
Distanzen transportiert werden
soll, ist Gleichstrom das Mittel der
Wahl. Aber Wechselstrom in
Gleichstrom umzuwandeln und
wieder zurück ist gar nicht so
einfach.
06.02.2014 17:26