Du bist Petrus, der Fels - Pfarreiengemeinschaft Türkheim
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Du bist Petrus, der Fels - Pfarreiengemeinschaft Türkheim
1 Predigt „Du bist Petrus, der Fels …“ Pontifikalamt der Pfarreiengemeinschaft Türkheim zum Patrozinium St. Peter und Paul, Zollhaus (Diözese Augsburg) Sonntag, 1. Juli 2012, 9. 30 Uhr (Mt 16, 13-19) Lieber Herr Pfarrer Bernhard Hesse, liebe Mitbrüder im priesterlichen und diakonalen Dienst, liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Schlüsselübergabe nach Perugino (1481/82) 2 Die etwa 25.000 Menschen, die in dieser Jahreszeit täglich die Sixtinische Kapelle im Vatikan besuchen, sind vielfach von diesem einzigartigen Zeugnis der Geschichte und der Kultur des christlichen Glaubens begeistert. Viele haben lange angestanden und haben einige Zeit gebraucht, um sich in den Vatikanischen Museen durch die Menschenmenge hindurch zu kämpfen und nun stehen sie in der so berühmten Sixtinischen Kapelle, von der sie so viel gehört und mitunter auch gelesen haben. Die meisten richten zuerst ihren Blick auf das größte Wandgemälde der Welt mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts (1563-41) des Michelangelo. Den wenigsten bleibt jedoch die Zeit, die zwölf bzw. vierzehn Seitenfresken der Kapelle genauer zu betrachten. Daher möchte ich unsere Aufmerksamkeit auf eines dieser Fresken richten, das uns in besonderer Weise das heutige Patrozinium der Apostel Petrus und Paulus beleuchten kann und uns seine Botschaft zu verstehen hilft. Wie die zahlreichen Ausmalungen und Gemälde der Kirchen in den schwäbischen und bayerischen Landen bezeugen, verfügt ja der wahre Künstler über die Gabe, etwas „auf den Punkt zu bringen“, den Betrachter zum Kern eines Sachverhaltes zu führen, indem er diesen „ins Bild“ setzt. Bezüglich der Sixtinische Kapelle denke ich an das zweite Fresko auf der rechten Seite (Nordwand) mit der Darstellung der Übergabe der Schlüssel des Himmelreiches an den Apostel Petrus, die Perugino, der eigentlich Pietro di Cristóforo Vannucci (ca. 1445-1523) hieß, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (1481/82) mit einigen Gehilfen gemalt hat.1 Vielleicht werden einige von Ihnen dieses beeindruckende Wandfresko (3,35 x 5,50 m) persönlich gesehen haben, oder einen Druck davon kennen. Wir haben eben im Evangelium die Worte Jesu an Petrus gehört (vgl. Mt 16, 19): „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“2 1 Vgl. F: Buranelli7A. Duston OP (Hrsg.), The fifteenth century frescoes in the Sistine Chapel. Recent Restorations of The Vatican Museums, Bd. IV, Edizioni Musei Vaticani, Vatikanstadt 2003; F. Rossi/A. P. Graziano, Michelangelo und Raffael mit Botticelli-Perugino, Signorelli-Ghirlandaio und Rosselli im Vatikan. Fresken der Sixtinischen Kapelle, der Stanzen und Loggien. Sonderausgabe der Museen und Päpstlichen Galerien, A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München 1975; M. Wundram, Renaissance, Reihe: Kunst-Epochen, Bd. 6, Verlag Reclam, Stuttgart 2004. 2 Vgl. U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus (Mt, 8-17), in: EKK I/2, 450-483; J. Gnilka, Das Matthäusevangelium (14,1-28,20), in: HThKNT I/2, 46-80; J. Gnilka, Petrus und Rom. Das Petrusbild in den ersten zwei Jahrhunderten, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2002, bes. 149-160. 3 Wie deutet nun Perugino in seinem wohl bedeutendsten Werk diese Worte Jesu an Petrus? In der Mitte des oberen Bereichs des Bildes befindet sich der Jerusalemer Tempel und darunter sehen wir deutlich hervorgehoben Jesus und Petrus, die von einigen Aposteln und einer Reihe weiterer Personen flankiert werden. Jesus blickt zu dem vor ihm niederknieenden Petrus und überreicht ihm ein Schlüsselbund mit einem goldenen und silbernen Schlüssel. Mir scheint, dass Perugino uns neben dem Faktum der Schlüsselübergabe an Petrus die Voraussetzungen dieser einzigartigen Vollmacht erläutern will. Diese Voraussetzungen sind in seiner demütigen Haltung und in der Gestik seiner Finger zu entdecken. Der niederkniende Petrus blickt Jesus intensiv an und weist mit zwei Fingern seiner linken Hand auf sich selbst zurück. Mit diesem Fingergestus bringt Perugino die naheliegende Frage des Petrus zum Ausdruck, die in ihm in diesem Augenblick aufgekommen sein dürfte: „Herr, meinst du mich wirklich? Willst du mir wirklich das Felsenamt und die Schlüsselvollmacht übertragen? Hast du dich nicht geirrt? Du kennst mich doch!“ Und die eine große Ruhe und Sicherheit ausstrahlende Gestalt Jesu scheint ihm zu antworten: „Ja, Petrus, ich meine dich, denn ich kenne dich ganz und gar! Und gerade deswegen vertraue ich dir dieses Amt an.“ Es stellt sich also die Frage: Wie lässt es sich erklären, dass Jesus gerade diesen wankelmütigen Simon, den Sohn des Jonas, als Felsen- und Schlüsselmann ausgewählt hat? Hätte es nicht andere und bessere Apostel für dieses oberste Leitungsamt in seiner Kirche gegebenen? Erinnern wir uns an seine dreimalige Verleugnung, die in der Stunde der Bewährung im Hofe des Hohenpriesters geschah (vgl. Mt 26, 69-75). Und in dem unserem Evangelium folgenden Abschnitt wird Petrus von Jesus selbst als „Satan“ bezeichnet, da er die Leidensankündigung seines Meisters nicht akzeptieren will (vgl. Mt 16, 21-23). Wie lässt sich also diese Spannung zwischen dem wankelmütigen und kleingläubigen Simon und dem Felsenmann Petrus überbrücken? 2. Die Gott vertrauende Bereitschaft des Petrus Wir können in den beiden Evangelien der Eucharistiefeiern des Hochfestes der Apostel Petrus und Paulus zwei grundlegende Aspekte entdecken, die uns helfen, diese Spannung zu überbrücken. Zum einen ist es die Bereitschaft des Hl. Petrus, sich als 4 Offenbarungsträger und Verkündiger von Gott in Dienst nehmen zu lassen. Wir haben es eben gehört: Zwischen dem großen Bekenntnis zu Jesus als Messias und Gottessohn und dessen Verheißung als Felsenmann zu dienen steht die vielfach übersehene Seligpreisung Jesu (vgl. Mt 16,17b): „Selig bis du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Dies heißt mit anderen Worten: Petrus wird selig gepriesen, weil er bereit war, sich vom „Vater im Himmel“ als Offenbarungsträger und -verkünder in Dienst nehmen zu lassen. Petrus hat sich die wichtigste und alles entscheidende Offenbarung Gottes (vgl. Mt 16,16: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“) zu eigen gemacht und sie dann im Namen aller Jünger öffentlich proklamiert, diese vor allen bezeugt.3 Er hat durch Gottes Gnade die Jünger von einer allgemeinen Meinung über Jesus zu einem qualifizierten Bekenntnis zu ihm geführt. Dieses große Bekenntnis und die Annahme des Felsen- und Schlüsselamtes gründen in einem tiefen und grenzenlosen Vertrauen gegenüber Gott und seinem Sohn Jesus Christus. Die unvergleichliche Ruhe, die das Fresko der Schlüsselübergabe des Perugino ausstrahlt, bringt dies eindrucksvoll zum Ausdruck.4 Und das gleiche Vertrauen wird in der anderen Perikope dieses Festes deutlich, die in der gestrigen Vorabendmesse aus dem Johannesevangelium verkündet wurde (vgl. Joh 21,15-19). In seiner Antwort, die Petrus auf die dritte Frage Jesu nach seiner Agape gibt, fügt er hinzu (vgl. Joh 21,17): „Herr, du weißt alles; du weißt dass ich dich liebhabe.“ Petrus bekennt sich zu Jesus als dem Allwissenden, und damit dem Allgegenwärtigen, und dem Allmächtigen! Was bedeutet dies alles? Jesus fordert von Petrus die Bereitschaft zu einer göttlichen Indienstnahme, er fordert seine Ganzhingabe als Voraussetzungen der Übernahme der obersten Hirtensorge, die er ihm anvertrauen will. Und Petrus nimmt diesen besonderen Dienst an im Wissen um die vollständige Kenntnis seiner Person, mit all ihren Stärken und Schwächen. 3 Vgl. J. Ratzinger/Benedikt XVI., Jesus von Nazareth, Erster Teil. Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2007, 334-352. 4 Vgl. R. Raffalt, Sinfonia Vaticana, Ein Führer durch die Päpstlichen Paläste und Sammlungen, Prestel-Verlag, München 1966, 410: „In klares Nachmittagslicht fällt auf die Szene, die, durch keinen Misston gestört, in vollkommener Harmonie verläuft ...Würdevoll hat Petrus vor dem Herrn das Knie gebeugt, gelassen empfängt er das Symbol seiner macht, kein Hauch ist von den Stürmen zu spüren, die dieser Augenblick in der Welt heraufbeschwören wird.“ 5 Oder mit anderen Worten: Jesus sagt «Ja» zu Petrus, weil er ihn ganz und gar kennt. Und Petrus sagt «Ja» zu Jesus, weil er ihm ganz und gar vertraut. Es geht um ein Zusammenwirken von göttlicher Berufung und menschlicher Bereitschaft, sich in Dienst nehmen zu lassen, zu einem Werkzeug Gottes zu werden. Das Bekenntnis des Hl. Petrus „Du bist der Messias …“ und seine Versicherung „Herr, du weißt alles …“ besagen, dass er sich ganz der Führung Gottes und seinem Willen anvertraut hat. Er nimmt den Auftrag Jesu an, da er um seinen bleibenden Beistand, um seine fortwirkende Begleitung weiß. Er fühlt sich ganz von Gottes Allmacht getragen und in ihr geborgen, sie hat ihn zum Bekenntnis des Messias geführt und sie wird ihn auch weiterhin in seinem Felsen- und Schlüsselamt begleiten. Die gleiche Bereitschaft zur völligen Indienstnahme bezeugt der Apostel Paulus immer wieder in seinen Briefen. Er hält sich selbst für nichts, aber er ist stark in dem, der ihn leitet und führt. In der Kraft Gottes übersteht er alle Prüfungen und Gefahren. Die Übernahme eines jeden geistlichen Amtes lebt von diesem Vertrauen in die Kraft des berufenden und begleitenden Herrn. Sie lebt davon, dass alle menschliche Unzulänglichkeit von Gottes Allmacht getragen und von ihr ergänzt wird. Dies bedeutet aber auch, alles auf diese eine „Karte“ zu setzen, Petrus und Paulus ähnlich! 3. Glauben, Leben und Bekennen aus Gottes Kraft und Führung Liebe Schwestern und Brüder, diese gläubigen Grundhaltungen der Apostel Petrus und Paulus sind nicht nur für die Übernahme großer Aufgaben und Dienste in der Kirche gefordert. Sie sind notwendige Basishaltungen im Leben eines jeden Christusgläubigen. Wir alle sollten uns immer wieder im Bekenntnis zu Jesus Christus von Gottes Kraft in Dienst nehmen lassen. Liegt der allgemein zu beklagende Abriss der Glaubensweitergabe in dieser Zeit nicht auch an der fehlenden Bereitschaft, sich Gott - trotz unserer Unzulänglichkeiten - zur Verfügung zu stellen? Wir alle sollten dem Herrn immer wieder sagen: „Herr, du kennst mich mit meinen Stärken und Schwächen und gerade deshalb vertraue ich dir und lasse mich von dir führen.“ Wir sollten wie der Heilige Petrus im Fresko von Perugino betend niederknien und unsere Hände öffnen, damit der Herr sie mit seiner Kraft und Stärke füllen kann. 6 An diesem Patronatsfest sollten wir jedoch auch in besonderer Weise für den Petrusdienst danken, den der Herr selbst für seine Kirche gestiftet hat.5 Beten wir in diesen schwierigen Zeiten für den heutigen Nachfolger des Hl. Petrus, Papst Benedikt XVI., dass es ihm gelingt, die Kirche in stürmischer Zeit mit sicherer Hand zu leiten und zu führen. Danken wir für die engagierten und glaubwürdigen Inhaber des Petrusamtes, die der Kirche in den letzten Jahrzehnten geschenkt worden sind. Beten wir für die verstorbenen Päpste Johannes XXIII. und Paul VI., Johannes Paul I. und Johannes Paul II. Bitten wir für ein wachsendes Verständnis für den Petrusdienst im ökumenischen Dialog. Beten wir für die Überwindung der Spaltung der Christenheit, die ein gemeinsames Zeugnis aller Christen in vielen Teilen der Welt behindert. Bitten wir auch für alle Glieder dieser Pfarreiengemeinschaft, in der eine Kapelle die Namen der heiligen Petrus und Paulus trägt. Mögen Gott allen Gliedern dieser Gemeinschaft die Kraft geben, zu glaubwürdigen Nachahmern ihrer himmlischen Patrone zu werden. Beten wir darum, dass der Herr seiner Kirche in diesen aufgewühlten Zeiten Einheit und Frieden schenke, damit sie in innerer Gelassenheit und äußerer Freiheit ihren vom ihm übergegebenen Auftrag erfüllen kann. Amen. Bischof Dr. Josef Clemens, Vatikanstadt 5 Vgl. R. Schnackenburg, Das Petrusamt. Die Stellung des Petrus zu den anderen Aposteln, in: R. Schnackenburg, Aufsätze und Studien zum Neuen Testament, St. Benno-Verlag, Leipzig 1973, 283-299, 295 f.