Das Kartellamt kennt keine Gnade bei

Transcription

Das Kartellamt kennt keine Gnade bei
https://klardenker.kpmg.de/das-kartellamt-kennt-keine-gnade-bei-preisabsprachen/
Das Kartellamt kennt keine Gnade bei Preisabsprachen
KEYFACTS
- Knapp über eine Milliarde Euro Strafzahlungen verhängte das Bundeskartellamt 2014
- Staatsanwaltschaften und Justizbehörden sind häufig unterbesetzt und überlastet
- Als Reaktion bauen die Unternehmen seit Jahren Compliance-Systeme auf.
Das Bundeskartellamt verhängt im März 2014 wegen verbotener Preisabsprachen bei Fassund Flaschenbier ein Bußgeld gegen elf Unternehmen und 14 persönlich Verantwortliche.
Höhe: 338 Millionen Euro. Der Hersteller, der das Bierkartell verraten hat, geht als Kronzeuge
straffrei aus.
Die Staatsanwaltschaft Bremen verurteilt im Dezember 2014 einen Rüstungskonzern wegen
Schmiergeldzahlungen in Griechenland zu einem Bußgeld. Höhe: 300.000 Euro. Für sein
Luftabwehrsystem kassierte das Unternehmen zuvor 150 Millionen Euro. Im Verhör gestand der
Athener Mittelsmann, für Beratungen 20 Millionen Euro aus Deutschland erhalten zu haben.
Das Geld setzte der Konzern teils von der Steuer ab.
1/5
Zwei Fälle alltäglicher Wirtschaftskriminalität in Deutschland. Sie zeigen, wer die Täter das
Fürchten lehrt und wer nicht.
Das Risiko aufzufliegen ist größer geworden
Knapp über eine Milliarde Euro Strafzahlungen verhängte das Bundeskartellamt 2014 in neun
Verfahren gegen 67 Unternehmen und 80 Privatpersonen. Neben dem Bierskandal machten
vor allem das Wurst- und das Zuckerkartell Schlagzeilen: Bußgelder von 338 beziehungsweise
280 Millionen Euro flossen in den Bundeshaushalt. Oberster Kartellwächter ist Andreas Mundt.
Er glaubt nicht, dass es heute mehr Preisabsprachen gibt als früher. „Richtig ist aber, dass wir
schlagkräftiger geworden sind“, sagte der Amtspräsident Ende Juni der „Stuttgarter Zeitung“.
Man habe die Kartellverfolgung forciert, Sonderabteilungen eingerichtet, Mitarbeiter geschult,
Experten für Datenverarbeitung und sogar Verhörspezialisten eingestellt. Mundts wichtigstes
Instrument im Kampf gegen die – meistens mündlich abgesprochenen – Kartelle ist die
Kronzeugenregelung: Heute geht jedes zweite Verfahren auf einen Whistleblower zurück. Wer
ein Kartell als Erster verrät und bei der Aufklärung hilfreich ist, darf sich Hoffnungen machen,
straffrei zu bleiben.
1 Mrd. €
Strafzahlungen verhängte das Bundeskartellamt
2014 in neun Verfahren gegen 67 Unternehmen und
80 Privatpersonen.
Schlechte personelle Ausstattung
Von der Schlagkraft der Kartellbehörde ist die deutsche Strafjustiz weit entfernt. „Wir kämpfen
mit einem stumpfen Schwert“, sagte der Wirtschaftsstrafrechtler Klaus Tiedemann in der „Zeit“.
Der Gesetzgeber habe veraltete Vorstellungen von Tätern und Opfern, auch die Definitionen
von Straftaten seien von gestern. Deshalb hinke die Justiz der Wirtschaft immer einen Schritt
hinterher.
Um Bestechung und Betrug zu bekämpfen, setzen die Staatsanwälte ein Rechtsmittel ein, mit
dem die Justiz sonst Falschparker belangt: das Ordnungswidrigkeitengesetz. Verstöße
dagegen ziehen keine Strafe, sondern nur ein Bußgeld nach sich.
Knöllchen gegen Korruption: In Relation zum erschwindelten Gewinn und angerichteten
Schaden ist die Geldbuße denkbar gering. Die Summe ist auf zehn Millionen Euro gedeckelt.
Beim Bundeskartellamt kommen Verstöße ungleich teurer: Der amtliche Bußgeldrahmen
beträgt bis zu zehn Prozent des Umsatzes.
2/5
Aber ganz so billig lässt auch die Strafjustiz die Täter nicht mehr davonkommen. Zum
Repertoire an Sanktionen gehören inzwischen Gewinnabschöpfungen, Steuernachzahlungen
oder Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen. Im Fall des Rüstungskonzerns
schöpfte die Justiz 36,7 Millionen Euro illegal erzielte Gewinne ab. Dazu muss das
Unternehmen 6,4 Millionen Euro ans Finanzamt zurückzahlen, weil die Bestechungsgelder als
Betriebsausgaben deklariert worden waren. So kamen am Ende doch mehr als 43 Millionen
Euro zusammen.
„Die Ausstattung der Staatsanwaltschaften ist in den meisten Bundesländern völlig
unzureichend“, sagt der Rechtwissenschaftler Kai Bussmann, Professor für Strafrecht und
Kriminologie an der Universität Halle (Saale).
In Deutschland fehlt ein Unternehmensstrafrecht
Nach Ansicht von Kai Bussmann mangelt es in Deutschland aber auch an einem effizienten
rechtlichen Instrumentarium, um nicht nur gegen einzelne Manager vorzugehen, sondern gegen
ein Unternehmen als Ganzes zu ermitteln.
Als Reaktion auf Skandale und Prozesse bauen die Unternehmen seit Jahren ComplianceSysteme auf. Können diese kriminelle Handlungen verhindern? „Wir wissen überhaupt nicht,
wie viel sie unter dem Strich tatsächlich verhindern“, sagte der Kartellamtschef Mundt dem
Fachmagazin „Compliance Manager“. Klar sei aber: Die Regelsysteme der Unternehmen
vermindern das Risiko.
Compliance-Systeme könnten in Zukunft unter Umständen dazu führen, Unternehmen von der
„Haftung freizustellen“, sagt Bussmann. Voraussetzung: Sie überzeugen die Justiz durch eine
Zertifizierung und Evaluation ihrer Compliance-Systeme davon, alles getan zu haben, um Taten
zu unterbinden.
3/5
Jens C. Laue
Head of Governance und Assurance Services
› Nachricht schreiben
› Unsere Services
ZUSAMMENGEFASST
»Um Bestechung und Betrug zu bekämpfen, setzen die
Staatsanwälte ein Rechtsmittel ein, mit dem die Justiz sonst
Falschparker belangt: das Ordnungswidrigkeitengesetz.«
Im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität erweist sich das Bundeskartellamt als besonders schlagkräftig.
Staatsanwaltschaften und Justizbehörden rüsten zwar nach, sind aber häufig unterbesetzt und überlastet.
Dazu fehlt ihnen die rechtliche Handhabe gegen ganze Unternehmen vorzugehen. Bis auch die
Staatsanwaltschaften die Schlagkraft des Bundeskartellamts haben, muss noch einiges passieren. Noch
fehlt es ihnen an vielem, was eine Strafverfolgung wirksam macht.
© KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ein Mitglied des KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KMPG International
Cooperative ("KPMG International"), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Recht vorbehalten.
4/5
5/5