Auszeit nach dem Abi
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Auszeit nach dem Abi
dein weg in studium und beruf Weites Feld der Bits & Bytes: Informatik studieren Aus der Schule in die Schule: Arbeitsmarkt Lehrer September 2013 | 37. Jahrgang | Heft 4 Was macht eigentlich eine Online-Marketing-Managerin? go abi.de Praktikum, Sprachreise, FSJ & Co. Auszeit nach dem Abi abi.de IM FOKUS IM FOKUS Abi – und dann? Aufklärung in Afrika Au-pair, Sprachreise, Praktikum, Ferienjob, oder Freiwilliges Jahr: So lässt sich die Zeit bis zu Studium oder Ausbildung sinnvoll überbrücken. ���� 10 go abi.de Ein Jahr in Ghana: Simon Ansel hat sich für einen Freiwilligendienst entschieden und afrikanische Schüler über Aids aufgeklärt. ������������������������������ 14 editorial Liebe Leserin, lieber Leser, f aulenzen, Freunde treffen, frei haben – die meisten wollen nach dem Abi vor allem erst einmal eines: nichts tun. Aber spätestens nach zwei bis drei Wochen setzt häufig wahlweise die Langeweile oder das schlechte Gewissen ein – könnte man die freie Zeit nicht auch irgendwie sinnvoll nutzen? Natürlich kann man das. Die gute Nachricht: Es gibt so viele Möglichkeiten, dass zwischen Sprachreise und Au-pair, Freiwilligendienst und Ferienjob garantiert für jeden was dabei ist. Die weniger gute: Wer sich tatsächlich erst um seine „Überbrückungsmöglichkeit“ kümmert, wenn ihm das Nach-dem-Abi-Nichtstun auf die Nerven geht, ist für einen Großteil der Optionen zu spät dran. Gerade bei Freiwilligendiensten, anspruchsvollen Praktika sowie Au-pair-Stellen sollte man mit genügend Vorlauf damit beginnen, sich zu informieren, nach Angeboten zu suchen und Bewerbungen zu schreiben. Welche der vielen Möglichkeiten zu dir passen könnte, was du jeweils beachten solltest, an wen du dich mit deinen Fragen wenden kannst, und wie es anderen beim „Überbrücken“ gegangen ist, erfährst du in unserem Fokusthema „Abi – und dann?“, das wir natürlich nicht ohne Grund für die September-Ausgabe von abi>> ausgesucht haben. Denn jetzt hast du noch fast ein ganzes Jahr, um dich vorzubereiten – und auf die Auszeit nach dem Abi-Stress zu freuen. Viel Spaß beim Lesen wünscht dir die abi>> Redaktion! 2 abi>> 4 | 2013 i n h a lt ausbildung I studium I beruf I arbeitswelt I fun & facts abi.de ARBEIT S M AR K T W A S M A C HT EINE … ? Aus der Schule in die Schule Die Netzwerkerin Traumberuf Lehrer? abi>> hat nachgefragt, was man für den Job an der Schule heute mitbringen muss und wie gut die Berufsaussichten sind. ������ 22 Kristin Michels arbeitet als Online-MarketingManagerin und schaut rein geschäftlich täglich bei Facebook, YouTube & Co. vorbei. ���������������� 26 arbeitsmarkt studieren Informatik? Aber sicher! Informatikstudiengänge sind beliebt kein Wunder, schließlich kommt kaum ein Lebensbereich heute noch ohne IT aus. ��������������������������������������������������6 „IT-Themen sind kurzlebig“ Im Interview spricht Stephan Pfisterer vom Verband BITKOM über Anforder ungen in der IT-Branche. ���������������������9 im fokus Aufklärung in Afrika Simon Ansel hat nach dem Abi während eines Freiwilligendienstes in einer ghanaischen Schule mitgearbeitet. ����14 Nach dem Abi in den Blaumann Sinem Atilgan will Wirtschafts ingenieurwesen studieren, muss dafür jedoch zunächst ein Vorpraktikum absolvieren. ���������������������������������������16 Abi – und dann? Wie lässt sich die Zeit zwischen Abi und Studium oder Ausbildung am besten überbrücken? abi>> gibt einen Überblick, liefert Tipps und Infos. ����10 Lernen, wie es in der Klinik zugeht Zwölf Semester hat Astrid Scholz auf einen Studienplatz in Medizin gewartet – und in der Zwischenzeit eine Aus bildung gemacht. �������������������������������18 Checkliste Bestimmte Überbrückungsmöglichkeiten schulen gezielt gewisse Fähigkeiten – und passen zu bestimmten Studienoder Berufswünschen. Diese Checkliste liefert eine Übersicht. ������������������������12 Wie fällt man eigentlich richtig? Robin Surmann absolviert nach dem Abi ein Freiwilliges Soziales Jahr im Sport – bei einem Judo-Verein in Osnabrück. ��������������������������������������� 20 abi>> 4 | 2013 Aus der Schule in die Schule abi>> wirft einen Blick auf den Arbeits markt für Lehrer – und zeigt, von welchen Faktoren die Berufschancen abhängen. ����������������������������������������� 22 Persönlichkeit zählt Was muss ein Lehrer heute mitbringen? Im Interview gibt Josef Kraus, P räsident des Deutschen Lehrerverbandes, Antworten. ���������������������������������������� 25 was macht eine …? Die Netzwerkerin E-Commerce, B-to-B? Für Online- Marketing-Managerin Kristin Michels gehört das Internet-ABC zum Berufsalltag. ������������������������������������������������ 26 weitere rubriken Editorial�����������������������������������������������2 News����������������������������������������������������4 Fun, Impressum������������������������������ 27 Vorschau������������������������������������������ 28 3 Online -Befragung Buchtipp Bachelorstudierende gestresst, aber zuversichtlich Lernen mit der BWL-App Das Deutsche Studentenwerk (DSW) hat in einer OnlineUmfrage Studierende zu Stress und Belastung im Studium befragt. Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild. Auf der einen Seite sind rund 70 Prozent der Befragten mit ihrem Studium zufrieden, 78 Prozent sind sich sicher, ihr Studium erfolgreich abzuschließen. Andererseits gaben 68 Prozent der Befragten an, durch das Studium gestresst und belastet zu sein. Mehr als die Hälfte von ihnen empfindet ihre finanzielle Situation sowie die Anforderungen im Nebenjob als belastend. Für 49 Prozent gehen Stress und Belastung so weit, dass sie sich beeinträchtigt fühlen. Über das sogenannte HISBUS-OnlinePanel des HIS-Instituts für Hochschulforschung wurden im November und Dezember 2011 mehr als 4.000 Bachelorstudierende befragt. >>mehr infos: www.studentenwerke.de/ presse/2013/100413a.pdf 4 Die neue Lektüre von Gerald Pilz „BWL mit App“ verbindet traditionelles Lernen aus dem Buch mit einer App fürs Handy. In dem Buch führt der Autor in sieben Kapiteln in die Grundlagen der Allgemeinen BWL ein. Von Finanz- und Rechnungswesen über Personal- und Materialwirtschaft, Marketing, Controlling bis hin zur Personalwirtschaft stellt er die wichtigsten Funktionsbereiche knapp und verständlich vor. Das besondere dabei ist ein QR-Code am Ende jedes Abschnitts. Dieser führt den Leser direkt zu passenden Prüfungsaufgaben, die er dann auf dem Smartphone bearbeiten kann. Die Aufgaben gliedern sich in unterschiedliche Fragetypen, die von Single- und Multiple-Choice- über Markierungsfragen bis hin zu Lückentexten und einer Listenauswahl reichen. „BWL mit App“ richtet sich hauptsächlich an BWL-Studierende in den ersten Semestern und an Studierende, die BWL im Nebenfach gewählt haben. Die App gibt es für iOS, Android und als PC-Version. >>mehr infos: www.uvk.de/startseite/ abi>> 4 | 2013 Foto: Martina Striegl Foto: Jeannette Brugger news Foto: Jeannette Brugger NEWS Arbeitszufriedenheit Chef gut, alles gut Arbeitnehmer sind in Deutschland mit ihrem Job weitgehend zufrieden. Dass der Chef dabei eine wichtige Rolle spielt, zeigen zwei Studien des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Neun von zehn deutschen Arbeitnehmern sind mit ihrem derzeitigen Job zufrieden. Im internationalen Vergleich können das nur Dänemark, Österreich und das Vereinigte Königreich toppen. Die Studien zeigen, dass Aspekte wie Arbeitsplatzsicherheit, höheres Gehalt, wenig Stress oder nette Kollegen für viele Befragte weniger wichtig sind als oft angenommen. Vielmehr spielt für die Arbeitszufriedenheit der Deutschen der Chef eine besonders wichtige Rolle: Unterstützt er seine Mitarbeiter auch nur gelegentlich, steigt der Anteil der zufriedenen oder sehr zufriedenen Beschäftigten bereits auf über 93 Prozent. >>mehr infos: www.iwkoeln.de Messe jobmesse deutschland tour Die Milbe im Blick: Auch in den Naturwissenschaften entschließen sich viele FH-Absolventen zur Promotion. Promotion Immer mehr Doktoren von der FH Die Zahl der promovierten Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Das zeigt eine aktuelle Befragung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Die jüngste Umfrage der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) betrachtete zwei Zeiträume von jeweils drei Prüfungsjahren. Dabei stellte sich heraus, dass in den Jahren 2009 bis 2011 rund 47 Prozent mehr Doktorengrade an Fachhochschulabsolventen verliehen wurden als im Vergleichszeitraum von 2006 bis 2008. In den Ingenieurwissenschaften promovierten weiterhin die meisten Studierenden, gefolgt von den Naturwissenschaften. Bei Letzteren beträgt der Frauenanteil 38 Prozent, bei den Ingenieurwissenschaften sind es nur 17 Prozent. Gut vertreten sind die promovierten Frauen mit 40 Prozent in den Rechts-, Wirtschafts-, und Sozialwissenschaften sowie in der Mathematik und den Naturwissenschaften. Die Ergebnisse der Studie basieren auf Rückmeldungen von 89 Hochschulen. In Deutschland gibt es insgesamt 144 promotionsberechtigte Hochschulen. >>mehr infos: www.hrk.de/uploads/media/HRK_Umfrage_ Prom_FH_Abs_2009_2011_02.pdf Termine 2013/2014 7. und 8. September 2013 jobmesse Osnabrück 14. und 15. September 2013 jobmesse Stuttgart 28. und 29. September 2013 jobmesse Bremen 12. und 13. September 2013 jobmesse Bielefeld 19. und 20. Oktober 2013 jobmesse Berlin 26. und 27. Oktober 2013 jobmesse Kiel 9. und 10. November 2013 jobmesse Rostock 25. und 26. Januar 2014 jobmesse München 1. und 2. Februar 2014 jobmesse Hamburg 9. und 10. März 2014 jobmesse Lübeck 22. und 23. März 2014 jobmesse Düsseldorf 29. und 30. März 2014 jobmesse Dortmund 10. und 11. Mai 2014 jobmesse Münsterland 17. und 18. Mai 2014 jobmesse Köln 14. und 15. Juni 2014 jobmesse Emsland 21. und 22. Juni 2014 jobmesse Hannover 28. und 29. Juni 2014 jobmesse Oldenburg >>mehr infos: http://www.uvk.de/startseite/ 15 . – 17. N o v e m b e r 2 013 , B e r l i n Expolingua Messe für Sprachen und Kulturen Die Expolingua richtet sich an alle, die gerne Sprachen lernen oder alte Kenntnisse auffrischen wollen. Hier informieren Sprachschulen, Hochschulen, Botschaften, Anbieter von Sprachreisen oder von Schüleraustausch-Angeboten über ihre Arbeit und die Möglichkeiten, neue Sprachen und Kulturen kennenzulernen. Neben deren Infoständen gibt es Mini-Sprachkurse sowie Vorträge über Studienmöglichkeiten im Ausland, Mobiles Sprachenlernen oder Sprachwissenschaft. Dazu wird ein kulturelles Programm angeboten, das von Tänzen über Theater bis zu Kurzfilmen reicht. Natürlich alles fremdsprachig und/oder multikulturell. Die Expolingua findet vom 15. bis 17. November in Berlin, im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur, Friedrichstraße 176-179 statt. Es gibt sowohl Tages-, als auch Kombitickets für zwei oder alle drei Tage. Schulklassen erhalten bei vorheriger Anmeldung freien Eintritt. >>mehr infos: www.expolingua.com abi>> 4 | 2013 ans t a l t u n g en Ob Festanstellung, Ausbildung, Studienplatz, Weiterbildung, Quereinstieg oder Existenzgründung: Auf der jobmesse erwarten die Besucher die verschiedensten Aussteller. Bewerber aller Generationen und aller Qualifikationen haben zwei Tage lang die Möglichkeit, sich im direkten Kontakt mit Personalern hinsichtlich ihrer persönlichen Karrierechancen beraten zu lassen und wertvolle Kontakte zu knüpfen. Zudem gibt es ein Rahmenprogramm, das in allen Orten angeboten wird: kostenfreie Bewerbungsmappenchecks, Bewerbungs foto-Shootings sowie Fachvorträge. Der Eintritt ist frei. V e r Foto: Sebastian Kaulitzki NEWS 5 studieren I m Tr e n d : I n f o r m a t i k s t u d i e r e n Informatik? Aber sicher! Per Smartphone die nächstgelegene Pizzeria finden oder große Datenmengen bequem in der Cloud parken: Die neuen Informationstechnologien machen’s möglich. Doch mit dem Komfort steigt auch die Gefahr des Datenmissbrauchs. Umso wichtiger werden Experten, die IT-Systeme vor Hackerangriffen, Datenklau und -manipulation schützen. Menschen wie Jacek Rzeniewicz. Foto: Privat Foto: WillmyCC Studios Universelles Instrument: Die IT hat längst Einzug in viele Branchen, Wissenschaftsund Lebensbereiche gehalten. „Für mich waren Computer schon immer ein Hobby. Ich habe trotzdem lange überlegt, welcher Studiengang der richtige ist.“ 6 d Schnelllebige IT-Trends er 22-Jährige studiert an der Ruhr-Uni Bochum im zweiten Semester „IT-Sicherheit/Informationstechnik“ und ist damit einer von über 147.000 Informatikstudierenden in Deutschland. „Ein Angreifer muss nur eine Schwachstelle kennen, dann kann er das System knacken. Das ist prinzipiell nicht schwer, denn ein absolut sicheres System gibt es nicht“, sagt er. Gehackt hat der Student selbst noch nicht. „Das ist das Bild, das die Leute haben, auch weil sich die Medien darauf stürzen. Es ist nicht so, dass alle hier lernen zu hacken. Viel spannender als das Aufspüren der Sicherheitslücken ist es für mich, die Daten an sich sicherer zu machen: also das Verschlüsseln von Informationen“, erklärt der angehende Informatiker. Im Studium beschäftigt sich Jacek Rzeniewicz deshalb besonders intensiv mit der Kryptographie (Informationssicherheit) und der Entwicklung komplexer Algorithmen zur Verschlüsselung. „Vorlesungen und Übungen wechseln sich ab. Viel Mathe gehört dazu, aber auch Elektrotechnik, Informationstechnik und das Programmieren von Tools. Wir brauchen ein breites Wissen. Das finde ich sehr spannend. So spannend, dass ich mich später gerne 40 Stunden in der Woche damit beschäftige“, erklärt er. abi>> 4 | 2013 Ludger Porada von der Gesellschaft für Informatik (GI) findet es gut, dass es das spezifische Studienangebot IT-Sicherheit gibt. Er hält das Thema aktuell für eines der wichtigsten. „Die IT ist ein wichtiger Motor für den Erfolg eines Unternehmens. Cloud Computing beispielsweise, also das Auslagern von Daten und Diensten in Netzwerke, oder auch mobile Anwendungen bringen viele Vorteile mit sich. Gleichzeitig handelt es sich hierbei um äußerst datensensible Felder. Sicherheitslücken können die Akzeptanz guter Projekte bei Anwendern in Frage stellen“, erklärt der Experte. „Genauso wie auch beim Thema ‚Big Data‘, wo riesige Datenmengen zusammengeführt werden, die durch den Einsatz intelligenter Auswertungsalgorithmen ebenfalls missbraucht werden können.“ Ludger Porada geht davon aus, dass Themen wie IT-Sicherheit und „Big Data“ auch noch aktuell sind, wenn Jacek Rzeniewicz sein Studium nach sechs Semestern abgeschlossen haben wird. Sicher sein kann er sich aber nicht. „IT-Themen sind sehr schnelllebig. Da tut sich ständig etwas. Wegen der längeren Ausbildungszyklen ist es schwierig für die Hochschulen, ad hoc für jeden neuen Trend gezielt auszubilden. Was die Hochschulen in jedem Fall machen: Sie vermitteln das notwendige Wissen in der Kerninformatik“, erklärt er. Dies bereite die Studierenden auf Foto: Jessica Braun studieren Breite Basiskenntnisse oder fachliches Spezialwissen? Wer sich nicht sicher ist, sollte sich nicht zu früh spezialisieren. ihre späteren Aufgaben vor – und diese werden immer facettenreicher: „Die IT hat eine Breite und Tiefe angenommen, die Grenzen sprengt. Sie ist mittlerweile in alle Branchen, Wissenschafts- und Lebensbereiche vorgedrungen. In Zukunft wird es kaum mehr einen Tätigkeitsbereich ohne IT geben“, sagt er. Viele verschiedene Studiengänge Und Informatik ist ein beliebtes Studienfach: Im Wintersemester 2011/12 rangierte es laut Statistischem Bundesamt auf Platz 7 der am stärksten besetzten Studiengänge. Insgesamt waren 147.175 Studierende in einem Informatikfach eingeschrieben. IT-Sicherheit ist dabei eine Möglichkeit. Am häufigsten entscheiden sich junge Menschen allerdings für den Studiengang Informatik an sich (76.100), für Wirtschafts- (41.400) oder Medieninformatik (13.400). Weitere Möglichkeiten sind unter anderem Bioinformatik, Geoinformatik, Medizinische Informatik, Technische beziehungsweise Ingenieurinformatik oder Software Engineering. Der Hochschulkompass listet rund 860 Bachelor-Informatikstudiengänge (Stand: Juli 2013), über 50 Prozent davon zulassungsfrei. Das zeigt, dass die Studienfächer an den deutschen Hochschulen inzwischen genauso breitgefächert sind wie die Berufsfelder. Dabei sehen Schnittstellenstudiengänge wie Medien-, Bio- oder Medizininformatik bereits im Bachelor eine Fokussierung vor. „All diese Studiengänge kombinieren die allgemeine Informatik mit einer Fachspezialisierung. Einige werden mittlerweile auch als duales Studium in Kombination mit einer Ausbildung oder vertiefter Praxis angeboten“, erklärt Ramona Gegg, Berufsberaterin bei der Arbeitsagentur Hamburg. Die Uni Magdeburg beispielsweise hat vier siebensemestrige Bachelor-Informatikstudiengänge im Programm, die alle auch dual studiert werden können: Informatik, Ingenieurinformatik, Computervisualistik und Wirtschaftsinformatik. „Im allgemeinen Informatikstudium beschäftigen sich Studierende intensiv mit der Softwareentwicklung, also dem Programmieren, in der Ingenieurinformatik zudem mit Hardware-Themen, wie beispielsweise Robotik und Fahrzeugautomatisierung, in der Computervisualistik mit der digitalen Bilderstellung und -analyse, und die Wirtschaftsinformatik behandelt auch juristische und betriebswirtschaftliche Fragestellungen“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Bernhard Preim, Studiendekan der Informatik-Fakultät an der Uni Magdeburg. Studienwahl nach persönlichen Interessen „Je nach Interesse bietet sich das eine oder andere Studium eher an. Ich kenne Studierende, die beispielsweise wissen, dass sie auf jeden Fall im Bereich Medizintechnik arbeiten wollen. Diese sind in der Computervisualistik gut aufgehoben. Denn hier beschäftigen wir uns intensiv mit den bildgebenden Verfahren zur Diagnose von Krankheiten“, ergänzt Bernhard Preim. Auch Berufsberaterin Gegg kennt Fälle, in denen eine frühe Spezialisierung sinnvoll ist. „Wer weiß, dass er beispielsweise eher eine Vermittlerrolle einnehmen möchte, sich für BWL interessiert und sich an einer Schnittstelle zwischen Management und IT wohlfühlt, der ist in der Wirtschaftsinformatik sicherlich gut aufgehoben. Ich empfehle allerdings jedem, der zu mir kommt und sich nicht sicher ist, sich nicht zu früh zu >> abi>> 4 | 2013 7 Foto: Annika Voßen studieren spezialisieren. Manche Interessen entwickelt man ja erst im Laufe des Studiums. Die Unternehmen erwarten in jedem Fall solide Grundkenntnisse und die vermittelt auch der breit aufgestellte Studiengang Informatik. Eine Spezialisierung kann dann später im Master noch erfolgen.“ Wichtig für alle Informatik-Interessenten: „Egal für welchen Studiengang man sich schließlich entscheidet, alle Informatikstudierenden müssen Freude an mathematischen Fragestellungen und den Spaß am Knobeln haben. Also das abstrakte, logische und systematisch-analytische Denken muss gegeben sein. Außerdem sollte man sich für Technik interessieren.“ Hohe Abbrecherquote Alles das bringt Informatik-Student Jacek Rzeniewicz mit. „Für mich waren Computer schon immer ein Hobby. Ich habe trotzdem lange überlegt, welcher Studiengang der richtige ist. Dann war ich beim Schülertag an der Ruhr-Uni Bochum und habe mir den Studiengang IT-Sicherheit genauer angeschaut und sofort gemerkt: Das ist es! Die Kombination aus Mathematik, Elektronik, Elektrotechnik, Informatik, Kryptographie, Computernetze und Netz- und Datensicherheit hätte ich bei einem reinen Informatik-Studium nicht gehabt“, sagt der 22-Jährige. Anders als 13 seiner ursprünglich 149 Kommilitonen will er sein Studium in jedem Fall durchziehen. Im statistischen Vergleich ist die von Jacek Rzeniewicz genannte Abbrecherzahl relativ gering. Der Branchenverband BITKOM vermeldet eine Schwundquote von rund 50 Prozent „Die Abbrecherquote ist viel zu hoch. Ich denke, das liegt daran, dass die Vorstellungen vom Studium nicht mit der Realität übereinstimmen. Es bringt nichts, die Leute wegen rosiger Jobaussichten mit hohen Verdienstmöglichkeiten ins Studium zu locken. Wer nur karriereorientiert ist und kein Interesse für das Fach mitbringt, ist hier falsch“, sagt Ludger Porada von der Gesellschaft für Informatik (GI). Hochqualifizierte Fachkräfte gesucht Das Team Arbeitsmarktberichterstattung der Bundesagentur für Arbeit vermeldete 2011 gut 19.600 Informatikabsolventen. Das sind vier Prozent mehr als 2010 und so viele wie noch nie. Der Anteil der Bachelorabschlüsse liegt mittlerweile bei 53 Prozent. „Die meisten Angehörigen dieser Prüfungsgruppe treten jedoch nicht unmittelbar ins Erwerbsleben ein, da sie zunächst weiterstudieren. Wie die letzte Absolventenbefragung des Instituts für Hochschulforschung (HIS) ergab, streben 70 Prozent der Absolventen eine weitere akademische Qualifizierung an“, sagt Judith Wüllerich vom Team Arbeitsmarktberichterstattung. Die Industrie würde sich mehr Bachelorabsolventen wünschen, wie Stephan Pfisterer von 8 Keine Angst vor Kabelsalat: Informatikstudierende sollten technisch interessiert sein – und systematisch-analytisch denken können. BITKOM beschreibt: „In Deutschland gibt es derzeit rund 43.000 offene Stellen für IT-Experten. Für viele dieser Stellen bringen auch Bachelor beste Qualifikationen mit“, sagt er. Er empfiehlt trotzdem unbedingt eine formale Ausbildung, da Selfmade-ITler nicht über die geforderten Grundkenntnisse verfügen. „Ein Expertenmangel ist bei Fachkräften mit einem mindestens vierjährigen Informatikstudium zu beobachten, ebenso wie bei Hochqualifizierten in der IT-Anwendungsberatung als auch in der Softwareentwicklung und Programmierung“, ergänzt Judith Wüllerich und verweist auf die allein bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten 13.500 Jobangebote im Jahr 2012 (plus acht Prozent gegenüber 2011). Demgegenüber standen 14.600 arbeitslose IT-Experten im vergangenen Jahr. Für Jacek Rzeniewicz hat es bei der Studienwahl keine große Rolle gespielt, wie hoch die Zahl der unbesetzten Stellen ist. Für ihn zählt, dass er im Studium und später im Beruf seine Fähigkeiten und Interessen vereinen kann. Nach dem Bachelor will auch er sein Wissen in einem Masterstudiengang vertiefen. Was danach kommt, weiß er noch nicht. „Ich kann zu einem IT-Unternehmen gehen und als Berater arbeiten, ich kann in ein Industrieunternehmen gehen, ich kann in der Forschung bleiben und ganz neue Verschlüsselungsmethoden finden. Ein Code, der nicht zu knacken ist, das wäre schon was.“ << abi>> 4 | 2013 >>mehr info www.abi.de Gib Folgendes in die Suche ein: CodeVWA Foto: Privat studieren >>interview „IT-Themen sind kurzlebig“ abi>> hat mit Stephan Pfisterer, BITKOM-Bereichsleiter Bildungspolitik & Arbeitsmarkt, über die aktuellen Anforderungen in der IT-Branche gesprochen und darüber, wie sich Hochschulabsolventen am besten auf ihre Aufgaben in der Wirtschaft vorbereiten. abi>> Herr Pfisterer, welche Themen bewegen die Informatikbranche? Welche Trends zeichnen sich ab? Stephan Pfisterer: Aktuell spielt das Thema IT-Security eine sehr große Rolle. Viele Unternehmen entwickeln Konzepte, mit denen sie ihre Geschäftsprozesse zum einen effizienter gestalten und zum anderen die Datenhaltung sicherer machen können. Das ist immens wichtig, vor allem weil Anwendungen für mobile Geräte, wie Smartphones und Tabletcomputer, oder auch das Cloud Computing, also die Nutzung von Diensten im Netz, viel Potenzial versprechen, aber auch Sicherheitslücken aufmachen. Die Zukunft wird ein mobiles, dezentrales Arbeiten bringen. Es wird immer weniger Anwendungen geben, die zentral auf einem Desktop-Computer laufen. Aber dabei geht es nicht nur um eine grafische Aufbereitung für kleinere Bildschirme. Für IT-Experten geht es vielmehr darum, umfassende IT-Management-Systeme zu planen und zu begleiten. Und das gilt für immer mehr Geschäftsfelder und Bereiche: Medizintechnik, Einzelhandel, Logistik, Fertigungsautomatisierung und so weiter. abi>> Was heißt das für den Berufsalltag von Informatikern? Stephan Pfisterer: IT-Themen sind vergleichsweise kurzlebig. Es gibt laufend neue Anforderungen. Deshalb müssen ITler immer am Ball bleiben. Das betrifft alle Bereiche, egal ob Softwareentwicklung, Telekommunikationsdienstleistungen oder IT-Services. Informatiker müssen in der Lage sein, Trends selbst zu erkennen und sich gezielt weiterzuqualifizieren. abi>> Wie kann man sich eine gute Ausgangslage für eine Karriere im IT-Bereich schaffen? Stephan Pfisterer: Es reicht heute nicht, sich mit einzelnen Anwendungen auszukennen. Es ist immens wichtig, dass man die Zusammenhänge begreift und das Basis-Know-how mitbringt. Genau das vermittelt ein Informatikstudium. Hierbei ist es egal, ob man einen Fach- hochschul- oder Uni-Abschluss hat. Die Branche ist nicht sehr abschlussfixiert. Wir sehen aktuell das erstaunliche Phänomen, dass Bachelors von Unis aktuell niedrigere Einstiegsgehälter bekommen als Fachhochschulabsolventen, da sich die Unternehmen mehr Praxiserfahrung wünschen. Der Bedarf bei den Unternehmen liegt also nicht allein in wissenschaftlich orientierten Absolventen, sondern in praxisorientiert ausgebildeten Nachwuchskräften. Trotzdem finden eigentlich alle schnell einen Arbeitsplatz. Das gilt übrigens auch für Fachinformatiker mit einer dualen Ausbildung. Offen ist die Branche auch für Absolventen aus benachbarten Studiengängen wie Mathematik, Physik oder den Ingenieurwissenschaften. abi>> Leider entscheiden sich immer noch viel zu wenige Studentinnen für Informatik. Wie sehen Sie die Entwicklung? Stephan Pfisterer: In den letzten Jahren hat es einen leichten Anstieg bei den Studienanfängerinnen gegeben. Die Quote liegt aktuell bei 22,5 Prozent. Allerdings muss man schauen, ob sich diese positive Tendenz stabilisiert. Die Gründe für den niedrigen Frauenanteil liegen eindeutig nicht bei den Kompetenzen. Das zeigt schon der Frauenanteil im Studiengang Mathematik. Der liegt bei rund 50 Prozent, und hier sind ja die gleichen Grundkompetenzen gefordert wie in der Informatik. Aber in der Informatik gibt es aktuell noch viel zu wenige weibliche Vorbilder. Da müssen auch die Unternehmen was tun. Wir wünschen uns ja mehr Frauen, auch, um eine ausgewogenere Mischung in den Teams zu erreichen – Stichwort ‚Diversity‘. Wir müssen uns an der eigenen Nase packen und hinterfragen: Welche Kompetenzen werden im Kundenkontakt benötigt? Ist es bei uns möglich, Familie und Beruf miteinander zu vereinen? Auf eine 50:50-Verhältnis werden wir in der Informatik wohl nicht kommen, aber wenn wir einen Frauenanteil von 30 Prozent in Studium und Wirtschaft – und zwar auf allen Hierarchieebenen – schaffen, dann fühlen sich Frauen nicht mehr als Minderheit. Das wäre ein realistisches Ziel. << abi>> 4 | 2013 9 Foto: Privat im fokus Sieht schwer nach Urlaub aus, kann aber durchaus anstrengend sein: Richard Meng jobbte als TUI-Animateur auf Mallorca. Überbrückungsmöglichkeiten nach dem Abitur Abi – und dann? Traumhaft: Der Prüfungsstress liegt hinter einem, man hat jede Menge Zeit, und es dauert noch ein paar Monate, bis Ausbildung oder Studium beginnen. Wer will, spannt einfach nur aus, trifft Freunde oder jobbt im Getränkemarkt um die Ecke. Wer mehr erleben will, geht ins Ausland oder beteiligt sich an sozialen oder r ökologischen Projekten. Möglichkeiten gibt es viele. ichard Meng ist nach dem Abi in den Flieger nach Mallorca gestiegen – nicht, um Urlaub zu machen, sondern um professionell gute Laune zu verbreiten. Der 27-Jährige hat für TUI vier Monate lang als Animateur gearbeitet: „Ich habe mit den Gästen Sport gemacht, mit Kindern gespielt und am Abend auf der Bühne getanzt. Es war schon anstrengend, sehr sogar, aber es hat auch irre viel Spaß gemacht.“ Für seine Arbeit bekam er im Monat knapp 700 Euro, Verpflegung und Unterkunft waren kostenlos. Natürlich ist so ein Job nicht jedermanns Sache. Er ist aber auch nur eine unter vielen Möglichkeiten: „Man kann zwischen Abi und Studium so viel tun, etwa bei einem ökologischen Projekt im Wattenmeer oder auf einem Biobauernhof in der Eifel mitarbeiten, bei Sportvereinen oder in einem katholischen Stift aushelfen, sich um psychisch Kranke kümmern – oder gar um Geparden auf einer Tierfarm in Afrika – es wäre fast leichter aufzuzählen, was es nicht gibt“, sagt Hans Groffebert, Berufsberater für Oberstufenschüler und Studierende bei der Arbeitsagentur Frankfurt am Main. Er ist sich sicher: „Die Angebote sind in den vergangenen Jahre vielfältiger geworden.“ Neben dem klassischen Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ), das man sowohl in Deutschland als auch im Ausland absolvieren kann (siehe Reportage „Freiwilligendienst im Ausland“), gibt es 10 auch Freiwillige Jahre im Sport, in der Kultur oder in der Denkmalpflege. Seit 2011 kommt die Möglichkeit eines Bundesfreiwilligendienstes hinzu, der ebenfalls in den Bereichen Soziales, Ökologie, Kultur und Sport im In- und Ausland geleistet werden kann. Angeboten werden diese Dienste in der Regel von karitativen oder gemeinwohlorientierten Einrichtungen. Und seit der Aussetzung der Wehrpflicht ist es auch möglich, einen Freiwilligen Wehrdienst zu leisten. Loslegen – und Erfahrungen sammeln Neben den offiziellen Diensten kann man aber auch privat etwas auf die Beine stellen. Über Agenturen lassen sich etwa Work & Travel-Aufenthalte, Au-pair-Jahre, Sprachreisen oder Praktika, die manchmal Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums sind, organisieren. Die heutige Maschinenbaustudentin Sinem Altigan etwa hat nach ihrem sehr guten Abi die Bücher gegen einen Blaumann getauscht und ein Vorpraktikum für ihr Studium gemacht. Wie es ihr dabei ergangen ist, erfährst du in der Reportage „Nach dem Einser-Abi in den Blaumann“. Für Hans Groffebert ist die Überbrückungszeit auch eine gute Gelegenheit, sich klarer darüber zu werden, was man danach machen möchte und kann. „Oft hilft es bei der Entscheidung abi>> 4 | 2013 im fokus für ein Studium oder eine Ausbildung, erst einmal interessante Erfahrungen zu machen und diese dann auszuwerten.“ Eine Checkliste zu verschiedenen Überbrückungsmöglichkeiten und dazu passenden Studiengängen und Berufsmöglichkeiten findest du hier: „Welche Überbrückungsmöglichkeit passt zu meinem Berufswunsch?“ Wie findet man interessante Stellen? „Ich habe das Angebot für Animateure als Annonce in der Zeitung gesehen und mich einfach beworben“, erinnert sich Richard Meng. Angebote für Au-pairs, (internationale) Freiwilligendienste, Bundesfreiwilligendienste oder Work & Travel gibt es im Internet bei zentralen Anlaufstellen oder Vermittlungsagenturen. Inländische Freiwilligendienste werden auch online ausgeschrieben, oft ist aber ein Anruf bei der gewünschten Dienststelle erfolgversprechender. Jobs im Ausland vermittelt etwa die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit. >> Wer zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, hat es fast geschafft. Oft läuft es in Form eines Telefon-Interviews ab, manchmal müssen die Bewerber an einem Casting teilnehmen. „Das TUI-Casting hat in Berlin stattgefunden, wo ich auch wohne. Wir mussten uns vorstellen, etwas von uns erzählen, einen Motto-Tag für Kinder mit Spielen überlegen und dann noch ein persönliches Gespräch führen. Dabei merkt man schnell, ob der Job als Animateur zu einem passt. Man sollte gerne vor Menschen stehen“, erzählt Richard Meng. Was zu tun ist, bevor es losgeht Foto: WillmyCC Studios Hat man die Stelle bekommen, sind – gerade für Auslandsaufenthalte – weitere Vorbereitungen zu treffen: Für manche Regionen muss man sich impfen lassen, beispielsweise gegen Tropenkrankheiten, für andere ein Visum beantragen. Aktuelle Infos hierzu gibt es beim Auswärtigen Amt. „Es lohnt sich auch, im Vorfeld ein wenig die Sprache zu lernen“, rät Hans Groffebert. Grundsätzlich empfiehlt der Berater, sich bereits rund ein Jahr vor dem Abi Gedanken über die Zeit zwischen Schule und Studium oder Ausbildung zu machen. Denn die Vergabe der Plätze kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Wichtig ist es auch, im Vorfeld abzuklären, ob man für die Vermittlung bezahlen muss – das ist beispielsweise bei Au-pair-Agenturen der Regelfall. Bei manchen Angeboten muss man auch einen Teil des Aufenthaltes selbst finanzieren. Komplett selbst finanziert man etwa Work & Travel. Wie der Name schon sagt, verbindet man hier Reise und Arbeit, etwa auf einer australischen Farm. So kann man günstig lange unterwegs sein. Wer auf einen Studienplatz, etwa in den beliebten medizinischen Fächern, wartet, kann die Zeit bis dahin sogar noch sinnvoller nutzen, zum Beispiel mit einer Ausbildung zum/r Gesundheits- und Krankenpfleger/in. „Viele machen eine Ausbildung im Krankenpflegebereich. So überbrückt man die Wartezeit, bekommt eine attraktive Ausbildungsvergütung und lernt Fähigkeiten, die man später gut gebrauchen kann“, listet Berater Groffebert auf. Das hat sich auch Astrid Scholz gedacht, wie ihr Erfahrungsbericht „Lernen, wie es in einer Klinik zugeht“ zeigt (wir verlinken zum vorab veröffentlichten Erfahrungsbericht). Auch wer Wartesemester für ein zulassungsbeschränktes Fach braucht, kann diese während eines Auslandsaufenthalts oder eines Freiwilligen Sozialen Jahrs sammeln. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn man Wartesemester sammeln möchte, indem man ein anderes Studium beginnt: „Für bundesweit zulassungsbeschränkte Fächer gilt, dass ein Studium in Deutschland nicht als Wartezeit angerechnet werden kann, ein Studium im Ausland jedoch sehr wohl“, erläutert Bernhard Scheer, Pressesprecher von hochschulstart.de, der Stiftung für Hochschulzulassung. „Anders kann es jedoch bei örtlich zulassungsbeschränkten Studienfächern aussehen – hier wird teilweise auch ein Studium im EU-Ausland nicht als Wartezeit angerechnet.“ Interessierte sollten sich daher im Vorfeld sehr genau bei der jeweiligen Hochschule über die Bedingungen informieren. Und sich darüber im Klaren sein, dass sich durch das Ansammeln von Wartezeit keineswegs – wie es wohl so mancher Schüler in der Berufsberatung äußert – die Abiturdurchschnittsnote verbessert. Wichtiges Thema: der Studienplatz Wer gleich nach der Überbrückungsphase mit dem Fach seiner Wahl beginnen will, sollte vorplanen. Wie Richard Meng: „Ich habe mich an mehreren Hochschulen beworben, bevor ich abgeflogen bin. Als eine Hochschule noch weitere Unterlagen wollte, hat meine Mutter sie eingereicht, der ich vor meiner Abreise eine Vollmacht ausgestellt habe. So habe ich meine Zusage bekommen, als ich noch auf Mallorca war.“ Bekommt man eine Zusage für einen Studienplatz, während man noch im Dienst ist, muss man diesen aber nicht vorzeitig kündigen. Zusagen für bundesweit zulassungsbeschränkte Studiengänge gelten auch nach dem Dienst. Ein Beispiel: Wer sich vor Aufnahme eines FSJ für Tiermedizin an der Tierärztlichen Hochschule Hannover bewirbt und eine Zusage erhält, bekommt nach Abschluss des Dienstes einen sicheren Platz in Hannover, nicht aber in Leipzig oder Gießen. Und Achtung: Diese Regelung gilt nur für offizielle Dienste wie BFD oder FSJ. Wer hingegen auf eigene Faust als Au-pair in New York oder ihm Rahmen von Work & Travel in Neuseeland unterwegs ist, muss seinen Aufenthalt abbrechen, wenn er sich danach nicht neu bewerben möchte. Ähnlich verfahren übrigens auch die meisten Hochschulen bei der Vergabe von örtlich zulassungsbeschränkten Studienplätzen. Ein klärendes Gespräch mit der Studienberatung vor Antritt des Dienstes ist aber dennoch zu empfehlen. Übrigens: Fast jeder nimmt aus der Überbrückungszeit etwas mit. Die einen haben rausgefunden, in welchem Beruf sie arbeiten möchten, andere pflegen auch Jahre später noch ausländische Freundschaften. Und Richard Meng fliegt weiterhin in den Semesterferien auf Mittelmeerinseln, um als Animateur zu jobben – und kann so einen Teil seiner Studienkosten finanzieren. << abi>> 4 | 2013 Work & Travel: Bevor es zum Känguru-Gucken geht, unbedingt ums Visum kümmern! 11 im fokus Checkliste Welche Überbrückungsmöglichkeit passt zu meinem Berufswunsch? Mit den verschiedenen Überbrückungsmöglichkeiten kannst du auch testen, ob dir eine bestimmte Tätigkeit liegt. abi>> bietet dir eine kleine Auswahl an grundlegenden Fähigkeiten, die du in den Überbrückungsmöglichkeiten erwirbst, und zeigt auf, zu welchem Studium sie gut passen. Natürlich wirst du von deinen Praxiserfahrungen immer profitieren – Foto: Jeannette Brugger egal was du später studierst oder arbeiten willst. Überbrückungsmöglichkeit Grundlegende Fähigkeiten / Soft skills (eine Auswahl) Studiengänge beziehungsweise Berufswünsche (eine Auswahl) Au-pair Sprachenkenntnisse interkulturelle Kompetenz Umgang mit Kindern Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) / Ökologischer Bundesfreiwilligendienst (ÖBFD) enntnisse in Umwelt- und K Naturschutz Teamfähigkeit Kommunikationsfähigkeit Biologie Umweltwissenschaften Umwelttechnik Landschaftspflege Chemie Agrarwissenschaften Lehramt Geographie regenerative Energien Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) / Bundesfreiwilligendienst (BFD) enntnisse in sozialer Arbeit K Kenntnisse im Gesundheitswesen Kommunikationsfähigkeit Teamfähigkeit Pädagogik Sozialpädagogik Sonderpädagogik Psychologie Theologie Lehramt Gesundheitswesen Medizin 12 abi>> 4 | 2013 Pädagogik Sozialpädagogik Lehramt kultur- oder sprachwissenschaftliches Studium Tourismus Im fokus Überbrückungsmöglichkeit Grundlegende Fähigkeiten / Soft skills (eine Auswahl) Studiengänge beziehungsweise Berufswünsche (eine Auswahl) Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Kultur enntnisse in Kultur, Kunst und K Geschichte Kommunikationsfähigkeit Führungen planen und durchführen kulturwissenschaftliches Studium Geschichte Kunst Museumskunde Kunstwissenschaften Kunstpädagogik Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Denkmalpflege Interesse an Kultur, Kunst und Geschichte Kommunikationsfähigkeit handwerkliche Fähigkeiten Architektur Bauingenieurwesen Handwerk Restauratoren-Studium kunst- oder kulturwissenschaftliches Studium Geschichte Museumskunde Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Sport Teamfähigkeit Kenntnisse im Bereich Übungsleitung Teamführung Sportwissenschaften Physiotherapie Lehramt Sportmanagement Freiwilliger Wehrdienst (FWD) ameradschaft und K Teamfähigkeit Disziplin Selbstorganisation Hierarchien akzeptieren Offizierslaufbahn, wahlweise Geoinformationsdienst, Militärfachlicher Dienst, Militärmusikdienst, Sanitätsdienst oder Truppendienst Beamter/Beamtin in der Wehrverwaltung Polizeivollzugsbeamter/-beamtin Beamter/Beamtin im Kriminaldienst Freiwilligendienst im Ausland Sprachkenntnisse interkulturelle Kompetenz Kenntnisse in sozialer Arbeit Kenntnisse in Entwicklungshilfe Regionalwissenschaften Politikwissenschaften Geographie kultur- und sprachwissenschaftliches Studium Ingenieurwissenschaften Lehramt Pädagogik Sozialpädagogik Soziologie Tätigkeit bei internationalen Unternehmen oder mit einem interkulturellen Bezug Jobben im In- und Ausland / Praktika Sprachkenntnisse Kontakte zu Arbeitgebern interkulturelle Kompetenz Einblicke in bestimmte Berufe‚ und Tätigkeiten Nachweis eines Vorpraktikums (bei manchen Studiengängen Zulassungsvoraussetzung) kultur- oder sprachwissenschaftliches Studium internationale BWL Ingenieurwissenschaften Tätigkeit bei internationalen Unternehmen oder mit einem interkulturellen Bezug Sprachferien und -kurse im Ausland Sprachkenntnisse interkulturelle Kompetenz gute Sprachkenntnisse sind in allen Studiengängen wichtig Tätigkeit bei internationalen Unternehmen oder mit einem interkulturellen Bezug Schnupperstudium Orientierung für den Studienbeginn erste Kontakte zu Kommilitonen und Dozenten abi>> 4 | 2013 alle Studiengänge, wenn du noch nicht genau weißt, was du studieren möchtest, oder dich gezielt auf den Studienalltag vorbereiten möchtest. Allerdings solltest du dich bei deiner Wunschhochschule erkundigen, welche Schnupperstudien angeboten werden. 13 im Fokus Freiwilligendienst im Ausland Aufklärung in Afrika Einsatzort Ghana: Simon Ansel (23) hat nach dem Abi ein Jahr lang in einer ghanaischen Foto: Privat Schule mitgearbeitet. Organisiert hat er seinen Freiwilligendienst über „weltwärts“. ... und auf einmal bist du mittendrin: Wer sich für einen Freiwilligendienst im Ausland entscheidet, sollte kontaktfreudig und offen für neue Erfahrungen sein, kann aber wie Simon Ansel auch davon überrascht werden, dass vieles gar nicht so anders ist. 14 abi>> 4 | 2013 im Fokus In freier Wildbahn: Neben seiner Arbeit für die Schule hatte Simon Ansel auch Zeit, mit anderen Freiwilligen durch Ghana zu reisen – zum Beispiel zu den Naturparks. Ohne gute Vorbereitung läuft nichts Sein erster Anlaufpunkt war die Plattform weltwärts.de. Dort schreiben verschiedene Organisationen Stellen aus. Simon Ansel fand das Angebot bei den Internationalen Jugendund Gemeinschaftsdiensten (IJGD) für theaterpädagogische Aids-Aufklärung. Er bewarb sich für sein Wunschland Ghana und wurde – ein Telefoninterview später – genommen. Vor der Abreise war viel zu erledigen: Simon Ansel ließ sich impfen, beantragte ein Visum und baute einen Spendenkreis unter Bekannten und Verwandten auf, um den Eigenanteil der Kosten, rund 2.000 Euro, zu bezahlen. Nicht zuletzt sicherte er sich seinen Studienplatz nach der Rückkehr: „Wer einen offiziellen Freiwilligendienst macht und vor der Abreise zugelassen wird, wird ein Jahr später bevorzugt behandelt – er kriegt nach der Rückkehr einen sicheren Studienplatz.“ Das Kribbeln im Bauch setzte während der Vortreffen ein, als er andere Freiwillige und Organisatoren kennenlernte. Ein Arzt beriet die angehenden Freiwilligen, worauf sie beim Thema Gesundheit achten sollten. „Da wurde mir klar, dass ich bald wirklich dort sein werde.“ Als Simon Ansel in Ghana aus dem Flugzeug stieg, kam ihm die Luft wie „eine heiße Mauer“ entgegen. Das Wetter dort ist tropisch: immer heiß, immer schwül. Aber daran gewöhne man sich. Simon Ansels Einsatzort war die mittelgroße Stadt Agona Swedru, wo er bei Gasteltern lebte, einer Stoffhändlerin und einem Lehrer. Da die Kinder während der Schulzeit im Internat waren, hatte er ein eigenes Zimmer in einem modernen Neubau. Die Dusche hatte kein Warmwasser – aber wer braucht das schon bei diesem Wetter? Die Verständigung war kein Problem: Fast alle Ghanaer sprechen Englisch. In der Schule unterrichtete Simon Ansel je Woche rund sieben Stunden. Er klärte Zehn- bis 16-Jährige mithilfe einer menschlichen Puppe und anhand einfacher Bilder spielerisch über Aids auf. Seine Freizeit verbrachte er mal mit den anderen Freiwilligen in Agona Swedru, oft aber auch mit Williams, einem Freund seines Gastvaters. „Williams hat eine NGO aufgebaut und hilft sozial benachteiligten Kindern. Wir haben uns gut verstanden, und so konnte ich nach der Schule bei ihm mitarbeiten.“ Gelegentlich ist Simon Ansel auch mit den anderen Freiwilligen durch Ghana gereist – in die Naturparks mit Wildtieren oder an die ruhigen Atlantikstrände. Foto: Privat w er hat nicht schon mal davon geträumt, ans andere Ende der Welt zu gehen? Fremde Tiere sehen, Städte mit geheimnisvollen Namen besuchen und in eine fremde Kultur eintauchen? Die vielleicht beste Gelegenheit dafür ist die Phase zwischen Abi und Studium. Ein Freiwilligenjahr in einem afrikanischen Land ist problemlos machbar. Wer aber gleich nach dem Abi in den Flieger steigen will, sollte zeitig beginnen zu planen. „Ich habe rund ein Jahr vor dem Abi nach Stellen gesucht“, erzählt Simon Ansel. Ankunft in Agona Swedru Name: Simon Ansel Alter: 23 Abi: 2009 Macht gerade: Studium der Wirtschaftswissenschaften in Hohenheim Und später? Vielleicht in der Entwicklungs hilfe arbeiten, aber das ist noch offen. Wieder zu Hause – mit erweitertem Horizont Auch zwei Jahre nach seiner Rückkehr hält Simon Ansel, mittlerweile Wirtschaftsstudent, noch regen Kontakt mit Agona Swedru. „Ich versuche, einmal im Jahr hinzufliegen, und habe auch schon einen Bekannten für zwei Wochen nach Stuttgart eingeladen.“ Besonders bleibend sei aber die Erfahrung, dass vieles in Ghana und Deutschland gleich ist. „Die Leute gehen morgens zur Arbeit, ernähren ihre Familie und schauen gerne Fußball. Die Lehrer wollen Kindern was beibringen und haben ihre Lehrpläne. So wie es hier auch ist.“ << abi>> 4 | 2013 15 im Fokus Praktikum Nach dem Einser-Abi in den Blaumann Wer wie Sinem Atilgan (21) ein exzellentes Abi hinlegt, hat die Qual der Wahl. Nach langem Überlegen entschied sich die Dortmunderin für Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Maschinenbau in Aachen. Bevor sie anfangen konnte, musste sie allerdings noch ein Vorpraktikum absolvieren. Foto: Privat d Name: Sinem Atilgan Alter: 21 Abi: 2011 Macht gerade: Studium Wirtschafts ingenieurwesen mit der Fachrichtung Maschinenbau an der RWTH Aachen Und später? An der Schnittstelle zwischen Maschinenbau und Management arbeiten. Vielleicht auch im Ausland. 16 ie Studienwahl von Sinem Atilgan klingt ein wenig paradox: Sie sei nicht so die Technikerin, meint die 21-Jährige – und studiere gerade deswegen an der RWTH Aachen Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Maschinenbau: „Das Abi fiel mir leicht, ich hatte eine 1,0, danach habe ich eine Herausforderung gesucht.“ Natürlich ist dies nicht der einzige Grund: „Maschinenbau ist ein ehrliches Fach, da liegen die Karten auf dem Tisch. Außerdem habe ich damit gute Chancen, später ins Ausland zu gehen und etwa in der Türkei etwas aufzubauen.“ Also hat sie sich bei der RWTH beworben – und wurde mit ihrem Abi-Schnitt natürlich zugelassen. Allerdings verlangt die Exzellenzuniversität in der westlichsten Stadt Deutschlands von technischen Studierenden ein Vorpraktikum: „Man muss vor dem Studium mindestens vier Wochen in einem Betrieb mitarbeiten. Dabei lernt man bestimmte praktische Fähigkeiten und schreibt darüber einen Bericht.“ Welche Fähigkeiten, verraten die Richtlinien der RWTHHomepage – nämlich einige Methoden, mit denen Maschinen gebaut werden: Schweißen, Sägen, Stanzen, Nieten, Bohren, Biegen, Schleifen und mehr. Fühlt man sich in einer Werkhalle wohl? Da Sinem Atilgan sich erst kurz vor Fristende beworben hatte, galt es, schleunigst einen Praktikumsbetrieb zu finden. „Der Rektor unserer Schule hat mir geraten, es bei der Firma Janzhoff zu versuchen. Das ist ein mittelständischer Aufzugbauer in Dortmund.“ Kurzerhand ging die Türkin persönlich zur Firma, um sich vorzustellen. „Ich war aufgeregt, aber der Chef war sehr nett. Weil abi>> 4 | 2013 das Gespräch gut lief und ihm meine Noten gefielen, hat er ja gesagt und gleich Maß genommen – um für mich einen Blaumann und Sicherheitsschuhe zu bestellen.“ Denn Sicherheitskleidung ist Pflicht an dem Ort, an dem die eher zierliche Dortmunderin die folgenden vier Wochen arbeitete: in der Werkhalle, wo die Aufzüge gebaut werden und die Metallspäne durch die Luft fliegen, Sägen kreischen und Hämmer klopfen. „Im Vorpraktikum erfährt man, ob man sich dort wohlfühlt, wo viele Maschinenbauer später arbeiten.“ Ein weiterer Zweck des Vorpraktikums ist es, Einblicke in technische Produktionsprozesse zu gewinnen. Sinem Atilgan arbeitete in allen Bereichen mit: Sie spielte die technischen Zeichnungen in den Laserschneider ein, um Metallplatten zuzuschneiden, rundete die Platten mithilfe einer Biegepresse ab, nietete sie zusammen, verschweißte Gerüststangen und mehr. Erste Einblicke in die Mechanik „Weil ich ein Mädchen bin, waren die Arbeiter eher vorsichtig mit mir. Aber ich habe gezeigt, dass ich mitarbeiten will, und durfte das auch.“ Ebenfalls aus eigener Initiative stellte Sinem Atilgan viele Fragen: „Die Leute waren sehr offen und haben mir viel erklärt. Vor allem der Seniorchef hat mir oft erzählt, wie dies und das abläuft. So habe ich etwa gelernt, wie die Mechanik hinter einem Aufzug funktioniert. Das bringt mir auch im Studium etwas.“ Wichtig war für die Dortmunderin aber vor allem der Einblick in die Praxis. „Ich wurde mir so klar darüber, dass mein Studium das Richtige ist.“ Nun studiert sie seit zwei Jahren Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Maschinenbau – und empfindet das Studium als große Herausforderung. Wie gewünscht. << Foto: Alex Becker im Fokus Dort sein, wo die Späne fliegen: In ihrem Vorpraktikum hat Sinem Atilgan erste Einblicke in Arbeitsabläufe und Fertigungs prozesse erhalten und konnte ausprobieren, ob ihr das Arbeiten in der Werkhalle liegt. abi>> 4 | 2013 17 im Fokus Erfahrungsbericht: Ausbildung vor dem Studium Lernen, wie es in der Klinik zugeht Astrid Scholz (28) studiert im vierten Semester Humanmedizin. Auf einen Platz für ihr Wunschstudium hat sie lange gewartet: zwölf Semester. Die Zeit bis zum Studienstart hat sie genutzt, um eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin zu durchlaufen und i ch wollte schon immer Medizin studieren, weil ich das Fach unheimlich spannend finde. Doch wer wie ich einen Abi-Schnitt von 2,3 hat, hat keine Chance, sofort einen Studienplatz zu kriegen. Ich habe mich damals bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) angemeldet, heute die Stiftung für Hochschulzulassung (www.hochschulstart.de). Dort habe ich erfahren, dass ich einige Semester warten muss. Wie viele es werden, wusste ich natürlich nicht; geschätzt habe ich damals, dass es wohl mindestens drei bis vier Jahre werden. Davon wollte ich mich nicht aus der Bahn werfen lassen. Also habe ich mir gesagt: Ich warte und mache solange etwas Sinnvolles. Zuerst habe 18 Foto: Privat Routine statt zitternder Hände: Beim Blutabnehmen hat Astrid Scholz ihren Kommilitonen dank der Ausbildung einiges voraus. Foto: Jörg Moritz in diesem Beruf zu arbeiten. ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Altenheim in Frankreich gemacht. Weil mir das gefiel, habe ich mich nach der Rückkehr für die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin beworben. Die Idee war, so schon mal Erfahrung in einem Klinikum zu sammeln. Im Katharinenspital in Stuttgart Ich fand rasch eine Ausbildungsstelle beim Katharinenspital in Stuttgart. Das meiste von dem, was ich dabei gelernt habe, ist auch für künftige Ärzte hilfreich. Zum einen natürlich die Krankheitsbilder – wie erkenne ich etwa, ob jemand Diabetes oder eine Thrombose hat, wie kann ich eine Prellung von einem Bruch unterscheiden? abi>> 4 | 2013 Name: Astrid Scholz Alter: 28 Abi: 2004 Macht gerade: Studium der Humanmedizin in Tübingen Und später? Möchte Ärztin werden. im Fokus Aus dem Berufsleben an die Uni Nach meiner Ausbildung habe ich noch drei Jahre als Gesundheits- und Krankenpflegerin gearbeitet. Dafür gab es mehrere Gründe: Zum einen habe ich es einfach genossen, mehr Geld zu verdienen. In der Ausbildung bekam ich anfangs 700, später 900 Euro brutto, was schon ausgereicht hat, da ich im Wohnheim des Spitals günstig wohnen konnte. Nach der Ausbildung verdiente ich aber deutlich mehr, das war schon ein Sprung. Durch den „späten“ Studienbeginn habe ich auch den Vorteil, elternunabhängiges BAföG zu beziehen, wofür man mindestens sechs Jahre lang gearbeitet haben muss – Ausbildungszeit eingeschlossen. Also habe ich mich drei Jahre später nochmal in Tübingen für Medizin beworben. Diesmal mit Erfolg. Nun muss ich ordentlich pauken, das ist ganz anders als während der Ausbildung. Aber ich bin sicher, wenn ich in der Klinik mein Praktikum mache, werde ich enorm davon profitieren, bereits KrankenhausErfahrung zu haben. Das merke ich jetzt schon, etwa wenn ein Spritzenkurs ansteht: Während den anderen die Hände zittern, nehme ich routiniert Blut ab. << Foto: Martin Rehm In der Ausbildung habe ich auch gelernt, mit welchen Medikamenten man gegen welche Krankheit vorgeht, und wie man die Patienten versorgt. Es war mein Job, Spritzen zu verabreichen, Verbände anzulegen, gebrochene Arme zu gipsen. Sehr wichtig fand ich auch die sozialen Erfahrungen: Ich habe mit den Ärzten im Team gearbeitet und mich um die Patienten gekümmert, sie beispielsweise vor einer Operation beruhigt und ihnen dabei geholfen, danach wieder auf die Beine zu kommen. Nach einer Wirbelsäulen-Operation etwa kann ein zu hastiges Aufstehen großen Schaden anrichten. Während der Ausbildung habe ich viele Stationen durchlaufen und kennengelernt: von der inneren Medizin über die chirurgische Station bis zur Notaufnahme. In dieser gab es einen besonders herausfordernden Moment: Ein Patient kam mit einem Polytrauma in die Notaufnahme. So nennt man es, wenn jemand mehrere Verletzungen hat, die lebensgefährlich sein können. Ich musste einen Blasen-Katheder legen, während die Ärzte operiert haben. Um in so einer Situation ruhig zu arbeiten, benötigt man viel Routine. Klinikerfahrung, Wissen über Medikamente, Umgang mit Patienten und Teamarbeit mit Ärzten: Die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin ist für ihr erstes Praktikum während des Medizinstudiums bestens gerüstet. abi>> 4 | 2013 19 im Fokus E r f a h r u n g s b e r i c h t : FS J i m S p o r t „Zunächst musste ich lernen, wie man richtig fällt“ Viele Erfahrungen, die er nicht missen will – so sieht Robin Surmann (19) sein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) bei einem Judo-Verein in Osnabrück. Für abi>> berichtet der leidenschaftliche Fußballspieler, wie er Kindern Judo beibringt, Erwachsene in Fitnessgeräte Foto: Heidrun Hönninger einweist – und sich ein kleines Taschengeld fürs Studium zurücklegt. Foto: Privat Putzen und powern: Während seines FSJ kümmert sich Robin Surmann einerseits um das Fitnessstudio „seines“ Judo-Vereins, gibt andererseits aber auch Einführungskurse für Kinder und organisiert eigene Projekte. Name: Robin Surmann Alter: 19 Abi: 2012 Macht gerade: FSJ bei einem Sportverein Und später? (Sport-) Management-Studium in Osnabrück 20 b ald wird mein Freiwilliges Soziales Jahr vorbei sein, und ich werde studieren. Anders als direkt nach dem Abi weiß ich jetzt auch, was ich machen möchte: Management oder Sportmanagement. Vor einem Jahr konnte ich mich noch nicht entscheiden: Eine Ausbildung? Studieren? Wenn ja – welches Fach? Also sagte ich mir, ich warte erst einmal, denke in Ruhe nach und verdiene solange etwas Geld. Ein FSJ schien mir dafür ideal. Da ich begeisterter Fußballer bin, habe ich mir natürlich eine Stelle im Sport gesucht. Zuerst bei meinem Verein, aber da daraus nichts wurde, habe ich mich beim Judo-Verein Crocodiles hier in Osnabrück beworben, der hat damals per Zeitungsannonce einen FSJler gesucht. Danach ging alles ganz abi>> 4 | 2013 schnell: Ich wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen – und genommen. Möglich, dass ich einen Vorteil hatte, weil ich viel Sport mache, aber Voraussetzung ist das nicht. Meine Aufgabe hier ist es vor allem, mich um das hauseigene Fitnessstudio zu kümmern: Ich weise die Leute in die Geräte ein, etwa in die Beinpresse, den Butterfly, die Multipresse oder die Laufbänder. Außerdem sorge ich dafür, dass die Geräte in Schuss bleiben – etwa indem ich sie putze. Verantwortung für eigene Kurse und Projekte Bei den Crocodiles habe ich auch die Gelegenheit, eigene Projekte auf die Beine zu stellen. Das gehört auch zu den Pflichten eines FSJlers. im Fokus So werde ich bald mithilfe meines Mentors einen Tag der offenen Tür veranstalten: Wir geben Workshops im Fitnessstudio, bieten Schnupperkurse für verschiedene Altersgruppen an und rühren kräftig die Werbetrommel für das Studio. Dafür entwerfe ich auch Plakate und hänge sie auf. Aber ich gebe auch selbst Kurse. Das mache ich allerdings nicht im Fitnesscenter, sondern in der Judohalle: Ich gebe etwa Einführungskurse für Kindergartenkinder und zeige ihnen, wie man sich richtig fallen lässt – was für Judo-Anfänger ja das Wichtigste ist. Bevor ich das anderen beibringen konnte, musste ich es erst einmal selbst lernen. Überhaupt, das Lernen: Ich nehme aus dem FSJ vieles mit. Jeder, der ein FSJ im Sport macht, muss Seminare besuchen. Zum einen sind drei Lehrgänge Pflicht, in denen man lernt, Sportgruppen zu leiten: Wie verhält man sich als Übungsleiter? Wie sorgt man für Sicherheit? Mit welchen Spielen lässt man die Kinder sich aufwärmen? Und was macht man, wenn sie sich streiten? Zum anderen muss man spezielle Seminare besuchen, wie einen Erste-Hilfe-Kurs. Und ich habe meinen Übungsleiter-Schein gemacht, wozu ich eine Lehrprobe ablegen musste, die dann bewertet wurde. Zum Abschied: Zelten auf der Insel Das Schöne an den Seminaren ist, dass man mit anderen FSJlern mehrere Tage an anderen Orten ist. Ich war zum Beispiel in Clausthal-Zellerfeld und in Stade. Dabei habe ich viele Leute kennengelernt. Bald steht auch die Abschlussveranstaltung an, wofür wir auf der Insel Langeoog zelten gehen. Was mich da erwartet, weiß ich noch nicht, aber ich denke, es wird ein riesiges Vergnügen. Finanziell macht man mit einem FSJ sicher keine großen Sprünge. Ich bekomme 300 Euro im Monat. Aber da ich noch zu Hause wohne, ist die Fahrt zum Club meine einzige Ausgabe. Mein Essen nehme ich mir von zu Hause mit, so dass ich jeden Monat 100 bis 200 Euro fürs Studium sparen kann. Aber ich glaube, das ist nicht das Wesentliche – denn das, was ich hier erfahre und lerne, ist ein Gewinn fürs Leben. << Adressen & Links Freiwilliges Soziales Jahr Internationaler Jugendfreiwilligendienst www.internationaler-jugend-freiwilligendienst.de Arbeitskreis der Bundeszentralen Trägerverbände und Zentralstellen www.pro-fsj.de Internationaler Bund (IB) – Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V. www.internationaler-bund.de Au-pair AIFS – Au-pair www.aifs.de Überblicksseite über Au-pair-Agenturen in Deutschland www.au-pair-agenturen.de FSJ Kultur www.fsjkultur.de Sprachreisen (Auswahl) FSJ im Sport (Auswahl) Sportjugend Hessen www.sportjugend-hessen.de Bayerische Sportjugend www.bsj.de Freiwilligendienste im Sport (Niedersachsen) www.fsj-sport.de ESL Sprachreisen www.esl.de iSt Internationale Sprach- und Studienreisen GmbH www.sprachreisen.de FSJ in der Denkmalpflege Deutsche Stiftung Denkmalschutz (Jugendbauhütten) www.denkmalschutz.de Internationale Jugendgemeinschaftsdienste www.ijgd.de Freiwilligendienste im Ausland weltwärts – Der entwicklungspolitische Freiwilligendienst www.weltwaerts.de ADIA – Freiwillige weltweit www.fsj-adia.de Sonstige Möglichkeiten Bundesfreiwilligendienst www.bundesfreiwilligendienst.de Jobben im Ausland Job- und Praktikantenbörse der Zentralen Auslandsund Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) www.ba-auslandsvermittlung.de Work & Travel www.travelworks.de Praktikum www.studienwahl.de/de/praktikumsboerse.htm abi>> 4 | 2013 21 Foto: Thomas Riese arbeitsmarkt Auch wenn der Lehrerberuf vielen als besonders sicher gilt: Eine Garantie für eine (Fest-)Anstellung gibt es nicht. Arbeitsmarkt Lehrer Aus der Schule in die Schule Lehrer – für viele ein Traumberuf – auch wegen der Aussicht auf eine Verbeamtung. Ob und wann diese erfolgt, ist allerdings von Bundesland zu Bundesland ganz unterschiedlich geregelt. Wie schnell jungen Lehrern grundsätzlich der Einstieg in den Schuldienst gelingt, darüber entscheiden Schulart, Fächerwahl und Abschlussnote. 22 abi>> 4 | 2013 arbeitsmarkt Foto: Privat b Bei Grundschullehrerin Sonja Engel entschied am Ende die Examensnote. ei Sonja Engel lief der Berufseinstieg wie am Schnürchen: Nach ihrem Referendariat bekam die Grundschullehrerin eine feste Stelle in Aachen und wurde kurz darauf verbeamtet. Doch das ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit. „Wir waren 2007 allein in Aachen rund 50 frisch examinierte Referendare, die sich auf 16 Stellen im Grundschulbereich bewerben konnten“, erzählt die 31-Jährige. Entscheidendes Auswahlkriterium: die Examensnote. Wer keine Stelle bekam, wechselte die Stadt oder übernahm erst einmal Vertretungsstellen, erinnert sie sich. In Nordrhein-Westfalen gibt es einen Vertretungspool, eine Art schulübergreifende Vertretungsreserve für Grundschulen, die bei den Schulämtern gebildet wird. Auch hierüber besteht schließlich die Option auf eine Festanstellung und Verbeamtung. Darüber hinaus können sich Lehrer in NRW direkt bei den Schulämtern der Bezirksregierungen und bei den Schulen selbst bewerben. Zwei Drittel mit Beamtenstatus Im Schuljahr 2011/12 verzeichnete das Statistische Bundesamt 669.800 voll- und teilzeitbeschäftigte Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und 124.500 Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen. Etwa zwei Drittel aller Lehrkräfte sind verbeamtet, rund ein Drittel arbeitet im Angestelltenverhältnis. Fast 38.800 Studierende legten laut Statistischem Bundesamt 2011 erfolgreich die Lehramtsprüfung ab. Die Zahl der Absolventen steigt in den letzten Jahren wieder kontinuierlich. Auffällig ist, dass viele sich für ein Lehramtsstudium entscheiden, weil sie glauben, dass es ihnen Sicherheit bei der Lebensplanung bietet. So gaben gut acht von zehn Studienanfängern, die 2009 ein Lehramtsstudium aufnahmen, laut einer Umfrage der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) an, dass ihnen Sicherheit sehr wichtig sei. Als Inbegriff genau dessen gilt vielen der Beamtenstatus. Aber Vorsicht: Eine Garantie für eine Anstellung oder gar für eine Verbeamtung gibt es nicht. Lehrer müssen sich ganz regulär bewerben, je nach Bundesland zum Beispiel bei den Bezirksoder Landesregierungen, den Schulämtern oder direkt auf Stellenausschreibungen von Schulen. Die Vorteile der Verbeamtung liegen dabei auf der Hand: zum einen die Arbeitsplatzsicherheit. Aber auch: „Als verbeamtete Lehrkraft kann niemand in eine Teilzeitbeschäftigung gezwungen werden“, nennt Dr. Frank Zitka, Pressesprecher des Beamtenbunds (dbb), ein weiteres Plus. Auch auf das Einkommen wirkt sich die Verbeamtung in der Regel positiv aus: Wie hoch das Gehalt eines verbeamteten Lehrers genau ausfällt, variiert von Bundesland zu Bundesland. Für Angestellte abi>> 4 | 2013 gilt bundesweit der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes. Auch hier ist es jedoch den Ländern freigestellt, in welche Entgeltgruppe und -stufe sie ihre Lehrer einordnen. Auch ob überhaupt Lehrer verbeamtet werden, hängt von der jeweiligen Landesregierung ab. In Berlin und Thüringen werden zurzeit Lehrer nur im Angestelltenverhältnis eingestellt, in Bayern und Nordrhein-Westfalen wird noch verbeamtet, ebenso in Bremen. Überkapazität bei gleichzeitigem Lehrermangel „Insgesamt gesehen hat sich der Arbeitsmarkt für Lehrer in den letzten Jahren positiv entwickelt“, erklärt Ralf Beckmann, Arbeitsmarktexperte bei der Bundesagentur für Arbeit. Wie schnell es mit einer Festanstellung – ob als Angestellter oder als Beamter – klappt, hängt allerdings auch vom Bundesland, der gewählten Schulform und den Schulfächern ab. Nach letzten Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK) haben die deutschen Bundesländer 2012 knapp 30.000 neue Lehrkräfte in den öffentlichen Schuldienst eingestellt – zwei Prozent weniger als im Vorjahr. „Damit bewegt sich die Zahl der Neueinstellungen seit 2009 auf einem stabilen Niveau von jährlich etwa 30.000. In den Jahren 2002 bis 2008 wurde deutlich weniger Personal rekrutiert“, so Ralf Beckmann. Laut Statistischem Bundesamt ist fast ein Drittel der Lehrerschaft an allgemeinbildenden Schulen 55 Jahre oder älter, so dass viele Nachwuchslehrer benötigt werden. „Auf der anderen Seite rechnet man damit, dass die Schülerzahlen bis zum Jahr 2020 um gut 20 Prozent abnehmen werden. Deshalb ist zu erwarten, dass wir bei gleichbleibender Schüler-Lehrer-Relation insgesamt eine geringere Lehrerzahl als heute haben werden“, führt der Arbeitsmarktexperte der Bundesagentur aus. Er weist aber auf viele Unsicherheitsfaktoren hin, etwa auf das tatsächliche Renteneintrittsalter. Inklusion verändert Schullandschaft Ein weiterer Faktor ist die Inklusion, die in den kommenden Jahren an allen deutschen Schulen umgesetzt werden wird. Gemeint ist damit das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen. Als Vorreiter bei der Umsetzung dieses neuen Lernens hat sich bundesweit Bremen etabliert. Kinder sollen künftig nach der Grundschule nicht mehr für verschiedene Schulformen sortiert werden. Denkt man diesen Gedanken zu Ende, „kann es in Zukunft nur noch eine Schulform geben“, sagt Inklusions-Referentin Andrea Herrmann-Weide aus Bremen. Doch sie betont, dass das noch Zukunftsmusik sei. >> 23 Foto: Thomas Riese arbeitsmarkt Lehrermangel oder Überkapazität? Das hängt stark von den Fächern und der Situation im jeweiligen Bundesland ab. Derzeit haben insgesamt sechs Prozent der Kinder im Bremer Gebiet eine Behinderung, das sind rund 4.400 Schüler. Bisher wurden sie in Förderzentren unterrichtet, die jetzt „ein auslaufendes Modell“ sind. Nach der Schließung sollen die Förderschullehrer an den Regelschulen eingesetzt werden. „Und damit ist der Bedarf noch lange nicht gedeckt“, sagt Andrea Herrmann-Weide. Kurz gesagt: In Bremen sind Sonderpädagogen Mangelware, aber das Geld muss da sein, um neue Stellen zu schaffen. Eine Modellrechnung der Kultusministerkonferenz (2011) prognostizierte darüber hinaus zuletzt vor allem für berufliche Schulen und im sonderpädagogischen Bereich einen hohen Bedarf, und sah unabhängig von der Schulart gute Chancen in den naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern. Aber: „Das ist eine politische Entscheidung, die sich nicht immer am Bedarf orientiert“, erklärt Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Wirft man einen Blick auf die Prognosen einzelner Bundesländer, wird deutlich, dass sowohl Lehrermangel als auch Überkapazitäten nebeneinander existieren – etwa je nach Fach. Beispiel Mecklenburg-Vorpommern: „Trotz des derzeitigen Lehrkräfteüberhangs besteht bereits jetzt besonderer Bedarf für bestimmte Unterrichtsfächer (…): Musik, Sozialkunde, Kunst und Gestaltung, Englisch, Biologie – bis 2020 wird dieser fachspezifische Bedarf weiter bestehen. Überhangfächer sind hingegen: Deutsch, Geschichte, Mathematik, Sport“, heißt es auf den Seiten des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern. 24 Lehrerbildung ist Ländersache Heiko Pohlmann vom Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen e.V. (BLBS) sieht den Bedarf differenziert: „Im beruflichen Lehramt der Elektro- und Metalltechnik besteht in fast allen Bundesländern in absehbarer Zeit ein großer Bedarf, ganz deutlich zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Leider kann der Bedarf in den Fächern kaum gedeckt werden. Anders sieht es etwa in der Sozialpädagogik aus.“ Doch einfach das Bundesland zu wechseln, ist für Lehrer nicht ganz unkompliziert – denn Lehrerbildung ist Ländersache. Einige Bundesländer bieten in den Lehramtsstudiengängen Fächer an, die es in anderen Bundesländern nicht gibt. Dazu zählen etwa die Sprachen der jeweiligen Nachbarländer (z.B. Dänisch, Schwedisch und Norwegisch in Mecklenburg-Vorpommern) oder Pädagogik. Andere, wie etwa Bayern, sehen verpflichtende Fächerkombinationen vor, die Bewerber aus anderen Ländern nicht unbedingt mitbringen. Besonders in Studiengängen mit Schulstufenschwerpunkten, etwa bei der Kombination aus Grund- und Hauptschule oder Haupt- und Realschullehramt, sind die Studiengänge nur selten einheitlich. Ähnliches gilt nach Auskunft der zuständigen Landesministerien für den Vorbereitungsdienst: In Bayern dauert er 24, in Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen 18, in Sachsen-Anhalt nur 16 Monate. Welche Chancen man mit seinem Abschluss in welchem Bundesland hat, und ob er anerkannt wird, erfährt man beim jeweiligen Kultusministerium. << abi>> 4 | 2013 >>mehr info www.abi.de Gib Folgendes in die Suche ein: CodeWDL arbeitsmarkt Foto: Privat >>interview Persönlichkeit zählt „Lehrer kann ein sehr schöner Beruf sein, wenn man die entsprechende Persönlichkeit mitbringt“, so die Überzeugung von Josef Kraus, Schulleiter am Maximilian-von-Montgelas-Gymnasium in Vilsbiburg und Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Im abi>> Interview erläutert er, was ein Lehrer mitbringen sollte und wie es um die Arbeitsmarktchancen bestellt ist. abi>> Was muss ein angehender Lehrer mitbringen, um damit umgehen zu können? Josef Kraus: Heute muss ein Lehrer aus seiner Persönlichkeit heraus überzeugen können. Die reine Autorität per Amtsweg hilft wenig weiter. Ein Lehrer muss nicht nur seine Fächer lieben, er muss gerne mit Kindern arbeiten, ein aufgeschlossener Mensch sein und neben guten Nerven eine gehörige Portion Frustrationstoleranz mitbringen. abi>> Es gibt im Internet Tests, mit denen man p rüfen kann, ob man zum Lehrerberuf geeignet ist. Was halten Sie von solchen Tests? Josef Kraus: Diese Tests können nur Impulse zur Selbstreflexion geben. Ich rate dazu, alle Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zu nutzen. Neben Praktika sollte man etwa das Gespräch mit einem Lehrer des Vertrauens suchen, der aus dem Nähkästchen plaudert. abi>> Wie beurteilen Sie die Arbeitsmarktprognosen für Lehrer? Josef Kraus: Generell kann man sagen, dass es einen Mangel an Lehrkräften in den MINT-Fächern gibt. Leider gibt es aber keine differenzierten Bedarfsprognosen der Kultusministerien. Foto: WillmyCC Studios abi>> Herr Kraus, wie hat sich das Berufsbild des Lehrers in den vergangenen Jahren verändert? Josef Kraus: Es gibt eine Sozialpädagogisierung des Berufes. Lehrer sind heute eine Art gesellschaftliche Feuerwehr und sollen immer mehr Bereiche abdecken: Gesundheitserziehung, Umwelterziehung, Freizeiterziehung, Konsumerziehung, Medienerziehung. Damit sind Lehrer und Schulen überfordert. Hinzu kommt, dass sich in der heranwachsenden Generation schwierige Fälle häufen. Das kann viele Gründe haben: ein Umzug, die familiäre Situation oder hoher Medienkonsum. Auch die Elternschaft ist komplizierter geworden. Das Gros der Eltern ist nach wie vor bodenständig und kooperativ. Aber rund 20 Prozent der Elternschaft kosten uns Lehrer 80 Prozent unserer Energie. abi>> Jeder war selbst einmal Schüler. Reicht diese Erfahrung, um den Lehrerberuf zu erfassen? Josef Kraus: Nein, die Schülerperspektive ist sehr subjektiv. Sie beschränkt sich auf den effektiven Unterricht und nicht auf das, was hinter den Kulissen passiert: die Vorbereitungsarbeit, Koordinierungssitzungen, Konferenzen, Elternsprechtage, Projekt- und Planungssitzungen und der gigantische Korrekturaufwand. abi>> 4 | 2013 Einfach mit der Kreide werfen? Bei schwierigen Schülern und komplizierten Eltern sind andere Lösungsansätze gefragt. 25 Was macht eiNE …? Online - Marketing- Managerin Die Netzwerkerin Web 2.0, Chat und Social Network sind Begriffe, mit denen heute die meisten etwas anfangen können. Doch was versteht man unter E-Commerce oder B-to-B? Kristin Michels weiß es, denn als Online-Marketing-Managerin gehört das Internet-ABC zu ihrem täglichen Geschäft. Die 29-Jährige plant und organisiert Marketing-Strategien für ein Unternehmen, Foto: Privat das Erklär-Videos produziert. „Man sollte in meiner Branche einwandfreies Englisch können und am besten auch Fachenglisch beherrschen.“ w ie entstand die Finanzkrise? Warum schicken wir Geld nach Griechenland und wie war das noch mit dem Abseits im Fußball? Das zum Beispiel sind Fragen, die das Stuttgarter Unternehmen simpleshow GmbH in Werbevideos erklärt, die durchschnittlich etwa drei Minuten dauern. „Die animierten Filme funktionieren nach einem simplen Prinzip: Unter einem Sprecherkommentar werden gezeichnete Schwarz-Weiß-Bildchen wie etwa Figuren, Autos oder Glühbirnen, die Sachverhalte verbildlichen, durch zwei Hände ins Bild geschoben“, sagt Kristin Michels, die beim Unternehmen als Social-Media- und Marketing-Expertin arbeitet. Elektronischer Handel „Wir haben hunderte solcher Videos produziert und bereits über 500 Kunden“, freut sie sich, etwa die Deutsche Telekom, Microsoft oder BMW. Der VfL Wolfsburg hat das Medium etwa zur Einführung einer Bezahlkarte im Stadion genutzt – um im Vorfeld Vorbehalte abzubauen. Das Geschäft funktioniert nach dem B-to-B- und E-CommercePrinzip. Business to Business (B-to-B) funktioniert so: Kunden, die ihr Unternehmen, eines ihrer Produkte oder eine Dienstleistung vorstellen und erklären möchten, geben die Videos in Auftrag. „Die Aufraggeber kommen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft“, sagt Kristin Michels, die zunächst an der Universität Gießen ihren Abschluss zur Diplom-Wirtschaftsanglistin machte. 26 abi>> 4 | 2013 Schon während des Studiums hatte sie sich auf Marketingmanagement und internationales Marketing spezialisiert. Nach ersten Anstellungen als Trainee, Junior Managerin und Marketing Coordinator im „Offline Marketing“ kam Kristin Michels zur simpleshow GmbH. „Mich hat das Online-Marketing einfach noch mehr interessiert. Dort ist der Erfolg sofort messbar. Ich weiß nicht, wie viele Menschen ein Werbeplakat auf der Straße sehen, aber 20.000 Klicks unter einem unserer Videos sind ein sichtbarer und großer Erfolg“, sagt die Online-MarketingManagerin. „Im Kern kümmere ich mich darum, dass die simpleshow bekannter wird und mehr Menschen von diesem Kommunikationsmedium erfahren“, sagt Kristin Michels, deren Arbeitstag um 8 Uhr beginnt. „Zuerst beantworte ich neue Kommentare, die User auf unseren Youtube- oder Facebook-Auftritten, über Twitter oder auf unserem Blog gepostet haben.“ Danach erstellt sie etwa einen neuen Newsletter, in dem Kunden und Interessenten über Neuigkeiten des Unternehmens informiert werden. Ihr Unternehmen unterhält weitere Standorte in Berlin, London, New York und Singapur. „Man sollte in meiner Branche einwandfreies Englisch können und am besten auch Fachenglisch beherrschen“, sagt sie. Und weitere Kompetenzen sind wichtig: Neugier, Offenheit und Kommunikationsbereitschaft. Der Erfolg eines Videos ist ihr besonders wichtig. „Ich freue mich, wenn Menschen durch uns lernen oder Anregungen bekommen.“ << impressum Herausgeber Bundesagentur für Arbeit abi>> Quiz Richtig oder falsch? Mal sehen, ob ihr euch auskennt, wenn es ums Überbrücken geht. Wir haben einige Behauptungen aufgestellt – nun heißt es, die Wahrheit zu finden! 1. Bei einem Freiwilligen Ökologischen Jahr arbeitet man ehrenamtlich bei einer Müllsortierstation. richtig falsch 2. Au-Pair kann man nur als Mädchen machen. richtig falsch 3. D ie Wehrpflicht wurde im Juli 2011 in Deutschland ausgesetzt. richtig falsch 4.Die drei beliebtesten Work & Travel-Länder sind Australien, Neuseeland und Kanada. richtig falsch 5. D as Freiwillige Soziale Jahr kann man auch bei einem Sportverein machen. richtig falsch 5. R ichtig, ein FSJ kann man mit unterschiedlichen Schwerpunkten absolvieren – mittlerweile gibt es auch ein FSJ im Sport, in der Kultur oder in der Denkmalpflege. Insgesamt gab es 2012/13 deutschlandweit rund 47.000 Freiwillige. 4. Richtig, die Working Holiday Visa für Kanada sind allerdings auf 4.200 begrenzt – und waren 2013 bereits innerhalb von drei Wochen vergeben. Australien und Neuseeland hingegen haben eine unbegrenzte Anzahl an Visa für Deutsche zu vergeben. 3. Richtig, die allgemeine Wehrpflicht wurde tatsächlich im Juli 2011 in sog. Friedenszeiten ausgesetzt. Derzeit gibt es 187.000 aktive Soldaten. 2. Falsch, ein Au-Pair-Jahr kann jeder, egal ob Junge oder Mädchen, machen. Viele Vermittlungsagenturen haben allerdings für Jungs die Altersvoraussetzung von 21, wohingegen Mädchen schon ab 18 als Au-Pair arbeiten dürfen. 1. F alsch, das FÖJ ist ein Angebot für junge Frauen und Männer, die ein Jahr lang freiwillig in einer Einrichtung des Natur- und Umweltschutzes oder der Umweltbildung arbeiten und lernen wollen. abi>> 4 | 2013 Herausgeberbeirat Petra Beckmann, Wolfgang Biersack, Dr. Oliver Fischer, Heike Hessenauer, Yvonne Hollmann, Nils Kämpfer, Nicole Künzel, Stefanie Langen, Georg Leibold, Sabine Peters, Natascha Rediske, Katarina Stein, Judith Wüllerich Redaktion/Verlag abi>> dein weg in studium und beruf Willmy Consult & Content GmbH Gutenstetter Straße 8d, 90449 Nürnberg Telefon: 0911 937739-0 Fax: 0911 937739-99 E-Mail: [email protected] Redaktion Gesamtleitung: Rainer Möller Chefredakteur: Andreas Bund Chefin vom Dienst: Meike Schädlich Textchefin: Heike Reinhold Redaktion: Susanne Böhm, Julia Grimminger, Veronika Mahler, Alexander Reindl, Falk Steffen, Larissa Stempel Redaktionsassistenz: Manuela Meier Autoren Christian Hardinghaus, Annette Link, Christoph Mann, Katharina Vähning Gestaltung und Layout Art Direktor: Nero A. Kaiser Stellvertr. Art Direktorin: Viviane Schadde Layout: Claudia Costanza, Felicia Winterstein, Lukas Krüger, Nicole Weber Titelbild: Ramona Höfer Druck Westermann, Braunschweig Copyright 2013 für alle Inhalte © Bundesagentur für Arbeit Alle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck, auch auszugsweise, sowie jede Nutzung der Inhalte mit Ausnahme der Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke zum Unterrichtsgebrauch in Schulen bedürfen der vorherigen Zustimmung des Verlags. In jedem Fall ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Herausgebers wieder. Keine Gewähr für unverlangte Ein sendungen und Besprechungsstücke. Gesamtauflage: 285.000 Erscheinungsweise 6 Ausgaben im Jahr Bestellungen www.ba-bestellservice.de Einzelexemplare sind im Berufsinformationszentrum (BiZ) der Agenturen für Arbeit erhältlich. 27 Das nächste Heft Studieren heute und in Zukunft Die abi>> Ausgabe 5/2013 erscheint am 10. Oktober. Im Schwerpunkt dreht sich dann alles um das Thema Bewerbung: Wie sieht ein gutes Anschreiben, ein sinnvoll aufgebauter Lebenslauf aus? Was ist eine Initiativbewerbung? Wie kann ich mich auf Auswahlverfahren vorbereiten? abi>> liefert die Antworten – mit interessanten Interviews, hilfreichen Erfahrungsberichten, Tipps, Infos und umfassenden Hintergrundtexten. Zudem stellen wir dir im Fokusthema auch die neue abi>> Bewerbungsbox vor, die in wenigen Wochen auf www.abi.de online geht und sämtliche Infos zum Thema Bewerbung bündelt. Der Bildungssektor und die Hochschullandschaft sind im Wandel, Schlagworte wie Globalisierung, weltweite Vernetzung und Digitalisierung in aller Munde. Doch was bedeutet das konkret für dein Studium? Vielleicht gibt es ja schon bald keine Hörsäle mehr, nur noch Online-Vorlesungen. Und vielleicht sollten alle nur noch auf Englisch studieren, der Internationalität wegen. Gleichzeitig steigt der Einfluss von Unternehmen auf die Hochschulen – das verändert Lehre und Forschung, oder nicht? Solchen und ähnlichen Fragen rund um „Trends an der Hochschule“ geht das abi>> Portal ab dem 16. September nach. Legt man der Bewerbung heute noch ein Foto bei? Und worauf muss man sonst noch achten? abi>> gibt Antworten. Digital, global, international: Die weltweite Vernetzung verändert auch die Hochschullandschaft. Foto: Martin Rehm abi>> Por tal Foto: Martin Rehm Vo r s c h au go abi.de Finde deine Wunschhochschule! Im „Hochschulpanorama“ auf abi.de kannst du dich durch Hochschulstädte in ganz Deutschland klicken. Nach Bundesländern sortiert findest du Porträts und kurze Steckbriefe zu den Studienorten und Hochschulen, erfährst Wissenswertes zu Kultur und Freizeit, erhältst aber auch Hinweise auf die Lebenshaltungskosten. Das und mehr unter: www.abi.de/panorama 28 abi>> 4 | 2013