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BANK-FORUM
September 2009 – No. 55
www.financetrainer.com
Loan-/Deposit Ratio – modernisiert
Das Liquiditätsmanagement ist eine aktuelle Herausforderung im Bankmanagement. Die Loan-/DepositRatio (LDR) ist eine – leider zahnlose – Liquiditätssteuerungskennzahl. Was sie ausdrückt und wo sie verbessert werden muss, um im aktuellen, von den CEBS-Vorschriften geprägten Liquiditätsmanagementumfeld eine brauchbare Kennzahl zu sein, zeigt dieser Artikel.
von Hannes Enthofer und Heinz Hausknecht
Seitdem klar geworden ist, dass fehlende oder mangelhafte Liquiditätsvorschriften ein wesentlicher Auslöser der aktuellen Finanzkrise waren,
haben die Regulatoren Schnellmaßnahmen ergriffen, um diese Lücke zu
schließen. Im Einklang mit der BIS (Bank of International Settlement)
hat auch CEBS (Committee of Euro­pean Banking Supervisors) Leitlinien für die Europäische Union erlassen, die sofort in die nationalen
Aufsichtsrahmen der einzelnen Staaten übernommen wurden.
Kern der neuen Liquiditätsregelungen ist der „Krisenfinanzierungsplan“, den jede Bank entwickeln und leben muss.
Bei der Steuerung der strukturellen Liquidität hat nun die Loan-/
Deposit-Ratio ihre Funktion.
Die klassische Loan-/Deposit-Ratio definiert sich als Ausleihungen
an Kunden/Einlagen von Kunden und hat aus Sicht der Liquiditätssteuerung folgende Vor- und Nachteile:
+ sie trifft Aussagen zur Position der Bank im Kundengeschäft
- sie ist ohne Geld- und Kapitalmarktgeschäft
- sie ist ohne Sonstige Aktiva/Passiva
- sie trifft keine Aussagen zur Fristigkeit der Aktiva/Passiva
Operative Liquidität im Normalfall (in Mio)
Operative Liquidität im Stressfall (in Mio.)
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Liquiditätsbedarf
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Liquiditätsreserven
Liquiditätsreserven
Liquiditätsbedarf
Die Liquiditätsreserven sind immer größer als der Liquiditätsbedarf (Grafik1)
„Time to Wall“ darf Mindestperiode nicht unterschreiten (Grafik 2)
Er sieht zum einen vor, dass eine Bank auch unter Stressbedingungen über eine angemessene Periode hinweg („Survival Period“
oder „Time to Wall“) aus eigener Kraft über genügend Liquiditätsreserven verfügen muss. Das bedeutet, dass der Krisenfinanzierungsplan
eine Zone „operativer Liquidität“ (meistens 12 Monate) vorsieht, für
die gezeigt werden muss, dass die Bank im Zeitablauf nie mehr Liquidität benötigt als sie Liquiditätsreserven hat, und für die Berechnungen
vorliegen müssen, wie lange eine Bank im Stressfall ohne Hilfe von
außen auskommen kann. (Das Minimum ist bei CEBS mit einem Monat definiert.)
Zum anderen sieht der Krisen­finanzierungsplan vor, dass eine Bank
auch im Normalfall inklusive Neugeschäftsannahmen (Going Concern)
langfristig über genügend Liquidität verfügt. Für diese Zone der „strukturellen Liquidität“ hat eine Bank Pläne vorzulegen, mit welchen Maßnahmen sie beabsichtigt, das auslaufende Geschäft zu ersetzen respektive das Wachstum der Aktivseite zu refinanzieren. Dabei verlangt CEBS
eine Darstellung der Liquiditätsentwicklung im Zeitablauf. Das Beispiel
in der untenstehenden Graphik zeigt, dass 2010 ein Liquiditätsmangel
auftreten wird, für den heute noch keine Maßnahmen eingeplant sind.
Unter CEBS-Rahmenbedingungen erfolgt die Steuerung des Refinanzierungsrisikos wie folgt:
»» operativ durch Ratios wie „Time to Wall“ und/oder die Ratio „kumulierte Aktiva zu Passiva“
»» strukturell durch die Begrenzung der Refinanzierungslücke, die
durch Einlagenwachstum und Emissionen zu decken ist
Wenn wir den Geldmarkt und das Nostro als Teil der operativen
Liquiditätssteuerung sehen und die Sonstigen Aktiva/Passiva als konstante Größe, so ist tatsächlich das Kundengeschäft für die langfristige
Liquiditätsposition der Bank verantwortlich. Allerdings werden verbriefte Sparformen der Bank in der Kennziffer nicht berücksichtigt.
Strukturelle Liquidität mit Neugeschäftsannahmen
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Liquiditätsreserven
Liquiditätsbedarf
Der Geschäftsplan muss Maßnahmen beinhalten, die die lang­fristige Refinan­
zierbarkeit der Bank sicherstellen (Grafik 3)
Bezüglich der Steuerung der strukturellen Liquidität ver­langt CEBS
plausible Annahmen über Neugeschäfte auf der Passivseite, die mit
der Geschäftspolitik und der (mittel- und langfristigen) Planung übereinstimmen müssen. Die klassische LDR hat aber in diesem Zusammenhang den wesentlichen Mangel, dass sie nur Spar-, Termin- und
Sichteinlagen beinhaltet und damit die Refinanzierungssituation unvollständig darstellt.
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LDR klassisch:
Ausleihungen an Kunden / Einlagen von Kunden
Will man nun Aussagen zur strukturellen Liquidität treffen, so wäre
im Falle einer Regionalbank der Verkauf von Emissionen an die Zielkunden der Bank (meistens Retailkunden, die zwischen den Assetklassen und Instrumenten wechseln, aber Vertrauen in ihre Bank haben)
zu inkludieren.
LDR Regionalmarkt:
Ausleihungen an Kunden / Primäreinlagen ohne Kapital­
marktemissionen
Zur Operationalisierung dieser Zahl inkludieren wir Emissionen, die im
regionalen Markt abgesetzt wurden, in die Primäreinlagen; Emissionen,
die international an geratete Investoren verkauft wurden, aber nicht. Bei
der Abschätzung der LDR (Regionalmarkt) von außen (aus dem Geschäftsbericht) schlagen wir vor, Kassenobligationen, Depotzertifikate,
Pfand- und Kommunalbriefe sowie Wohnbauanleihen in die Primäreinlagen einfließen zu lassen, andere Emissionen jedoch nicht.
Will man eine adäquate Kennzahl für eine geratete und am Kapitalmarkt aktive Bank machen, so müsste die LDR die gesamten Primärmittel umfassen. Auf jeden Fall wird die Geschäftspolitik einer derartigen
Bank auch ein Zielrating und den Zugang zum Kapitalmarkt umfassen
müssen.
LDR Kapitalmarkt:
Ausleihungen an Kunden / Primäreinlagen
Auf Basis dieser Kennzahlenvorschläge haben wir nun einige Banken
aus Österreich, Deutschland und Luxemburg ausgewertet (siehe Tabelle).
Vor dem Hintergrund der strategischen Steuerung der strukturellen Liquidität ergeben sich folgende Interpretationen:
Banken wie wie z.B. Banque Raiffeisen Lux, BAWAG oder Frankfurter Sparkasse haben mehr Einlagen von Kunden als Ausleihungen.
Hier wird die LDR eher als Zielgröße im Ausleihungsgeschäft denn als
Limit bei der Refinananzierungsmöglichkeit gesehen werden. Auf jeden
Fall müssen die Emissionen an Kunden inkludiert werden, um Zielerreichungen planen zu können. Eine Umschichtung von Emissionen auf
Spareinlagen würde sonst die Zielerreichung ändern!
Banken wie z.B. Oberbank, Sparkasse Oberösterreich oder Banque Générale de Luxembourg benötigen ihre Kunden­emissionen, um ihr Ausleihungsgeschäft zu refinanzieren. Hier hilft die LDR (Regionalmarkt), struk-
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turelle Ziele vorzugeben: Eine LDR über 100 bedeutet, dass man in der
Finanzierung vom Interbankenmarkt abhängt.
Banken mit einer LDR (Regionalmarkt) deutlich über 100 wie z.B.
Bank Austria, Österreichische Volksbanken oder Dexia müssten eine
eindeutige Kapitalmarktstrategie haben und die Kennzahl mit dem geplanten Ausmaß der Kapitalmarktfinanzierung limitieren. Alternativ
könnte man Maßnahmen setzen, um in der LDR (Regionalmarkt) unter
100 zu kommen.
In allen drei Fällen fehlen bei der klassischen LDR wesentliche Teile
der Refinanzierung. Es bleibt unklar, welche Aussage aus dieser Kennzahl abgeleitet werden kann.
Wollen wir die LDR nutzen, um das Kundengeschäft und damit die
Liquiditätsposition strategisch zu steuern, muss sie auf jeden Fall Emissionen, die an die Zielgruppe einer Bank verkauft wurden, enthalten. Für
Spitzeninstitute des Sparkassen- und Genossenschaftssektors wäre die
Kennzahl auf das Liquiditätssteuerungsmodell des jeweiligen Verbundes
anzupassen.
Auf diese Weise kann die LDR (Regionalmarkt) im APM als Kennzahl
und Limit verwendet werden, um sicherzustellen, dass die strategische Liquidität im Kundengeschäft erhalten bleibt. Die Aussage ist, dass bei einer Ratio <100 die Kundenkredite (inklusive Kommunalfinanzierungen)
durch Kundeneinlagen gedeckt sind. Eine Zahl über 100 bedeutet, dass zur
Finanzierung der Kundenkredite auch Gelder am (bonitäts- und im langfristigen Bereich auch ratingabhängigen) Kapitalmarkt refinanziert werden
müssen. Ob und inwieweit das erwünscht oder zulässig ist, hängt von der
Liquiditätsstrategie der Bank ab und ist Teil des Krisenfinanzierungsplanes, den die CEBS-Empfehlungen den Banken vorschreiben.
Einen wesentlichen Nutzen dieser Kennzahl sehen wir insbesondere darin, dass sie die Verzahnung zwischen dem Liquiditätsmanagement und der
Geschäftsplanung darstellt. Kredit- und Einlagenwachstum bzw. Firmenkunden- und Retailkundenwachstum müssen für das Liquiditätsmanagement aufeinander abgestimmt werden.
Die LDR (Regionalmarkt) wird durch die hier vorgeschlagenen Erweiterungen zur griffigen Kennzahl, um die strukturelle Gesamtrisikoposition zu begrenzen. Ohne sie wäre es schwierig, diese Gesamtziele objektiv
zu setzen. Für die Steuerung der strukturellen Liquidität im APM reicht
die LDR (Regionalmarkt) allerdings noch nicht aus. Die dahinterliegende
Fristigkeitenstruktur, die auch CEBS verlangt, gibt die entscheidenden
Hinweise auf die Laufzeitbänder, in denen die Maßnahmen zur Risikobegrenzung gesetzt werden müssen, und führen damit zu einem geschlossenen und praktikablen System der strukturellen Liquiditätssteuerung.
(Tabelle auf der nächsten Seite)
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Bank
Bank Austria
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LDR
classic
LDR
regional market
LDR
capital market
Loans to consumers
2008
Customer liabilities
Primary deposits
regional market
Primary deposits
131.973
139%
115%
103%
Banque de Luxembourg
1.510
14%
14%
14%
Banque Générale de Luxembourg
26.059
109%
97%
82%
Banque Raiffeisen
2.925
75%
71%
71%
BAWAG
20.697
90%
85%
64%
Dexia
242.619
192%
110%
73%
Erste Group
87%
126.185
115%
102%
Frankfurter Sparkasse
7.221
55%
53%
53%
Hypo Investmentbank
7.517
287%
248%
104%
Hypo Tirol
6.813
196%
154%
60%
Hypo Vorarlberg
7.337
185%
163%
67%
Investkredit
10.548
k. A.
651%
253%
Kommunalkredit
18.158
k. A.
1813%
103%
Oberbank
9.461
117%
101%
101%
Sparkasse Köln-Bonn
21.778
129%
106%
106%
Sparkasse Oberösterreich
7.030
114%
100%
100%
Volksbanken AG
28.818
244%
239%
107%