Titel als PDF - Fakultät für Sozialwissenschaft - Ruhr

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Titel als PDF - Fakultät für Sozialwissenschaft - Ruhr
DISKUSSIONSPAPIERE AUS DER FAKULTÄT FÜR SOZIALWISSENSCHAFT
RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM
SOZIALE STADTENTWICKLUNG IN WULFEN-BARKENBERG –
EINE SOZIALWISSENSCHAFTLICHE ANALYSE
von
Silvia Bader
Diskussionspapier Nr. 04 – 3
März 2004
Korrespondenzanschrift:
Silvia Bader
Hildegardstr. 42
44809 Bochum
Die Diskussionspapiere aus der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität
Bochum werden von der Fakultät für Sozialwissenschaft herausgegeben. Die inhaltliche
Verantwortung für die Beiträge liegt bei den Autoren und nicht bei der Fakultät. Die
Papiere können bei den jeweiligen Autoren angefordert werden.
Die Liste aller Papiere finden Sie auf den Internet Seiten der Fakultät unter
http://www.ruhr-uni-bochum.de/sowi/ Rubrik „Forschung“
ISSN 0943 – 6790
2
SOZIALE STADTENTWICKLUNG IN
WULFEN-BARKENBERG – EINE
SOZIALWISSENSCHAFTLICHE
ANALYSE
2
Inhalt
1
EINLEITUNG..............................................................................................3
2
SEGREGIERTE ARMUT IN DER STADT ...............................................6
3
STRATEGIEN GEGEN ARMUT UND SOZIALE AUSGRENZUNG IN
DER STADT: SOZIALE STADTENTWICKLUNG..............................................8
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
ENTWICKLUNG UND WIDERSPRÜCHE .....................................................................8
STRUKTURMERKMALE UND ZIELE .........................................................................9
DIE INNOVATION: STADTTEILMANAGEMENT .......................................................10
AKTEURE ..............................................................................................................11
DAS BEISPIEL: STADTTEILE MIT BESONDEREM ERNEUERUNGSBEDARF ..............13
4
WULFEN-BARKENBERG: NEUE STADT AM RANDE DES
RUHRGEBIETS ....................................................................................................14
4.1
4.2
4.3
4.4
ENTSTEHUNG DER NEUEN STADT ........................................................................15
STÄDTEBAULICHES GRUNDKONZEPT ...................................................................15
WEITERE ENTWICKLUNG: DIE 80ER JAHRE ..........................................................17
AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IM LICHTE DER STATISTIK ....................................17
4.4.1
4.4.2
Sozialstruktur .....................................................................................17
Infrastrukturelle Versorgung..............................................................22
5
BARKENBERG: WIE SEHEN DIE EXPERTINNEN DEN
STADTTEIL? ........................................................................................................23
5.1
5.2
METHODISCHE VORGEHENSWEISE UND PROBLEME ............................................23
AUSWERTUNG DER EXPERTENINTERVIEWS .........................................................25
5.2.1
5.2.2
Ausgangbedingungen im Stadtteil: Probleme und Potenziale ...........25
Strategien zur Bewältigung von Armut: Projekte und Akteure .........28
5.2.2.1 Bürgertreff Dimker Allee e.V.................................................28
5.2.2.2 Pater Pauly und seine Hütten................................................30
5.2.2.3 Die Wulfen-Konferenz: Instanz der Vernetzung?..................31
5.2.2.4 Die zentralen Akteure............................................................32
5.2.2.5 Weitere Projekte und Akteure................................................33
5.2.2.6 Bürgerbeteiligung..................................................................34
5.2.2.7 Bewertung: Grenzen und Chancen........................................35
5.2.3
Stadtpolitik .........................................................................................35
5.2.3.1 Zur Entstehung benachteiligter Quartiere ............................35
5.2.3.2 Aktuelle Stadtpolitik ..............................................................36
5.2.3.3 Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf? .....................37
6
ERGEBNISSE UND AUSBLICK.............................................................39
7
LITERATURVERZEICHNIS ...................................................................44
8
ANHANG ..................................................................................................48
8.1
8.2
INTERVIEWTE EXPERTINNEN................................................................................48
STADTTEILPLAN: RUNDWEG DURCH BARKENBERG .............................................49
1 Einleitung
Über Barkenberg brauchen Sie nichts zu schreiben. Hier ist eh alles kaputt.1
Die „Traumstadt [..] inmitten herrlicher, unberührter Landschaft wird die übliche Schlafstadt
vieler Stadterweiterungen ablösen“ (Entwicklungsgesellschaft Wulfen mbH 1968: 7,10), heißt es
1968 in dem Katalog zur Städtebau- und Wohnausstellung der Neuen Stadt Wulfen. Die
„Schaffung neuer Arbeitsplätze“ (ebd.: 9) im nördlichen Ruhrgebiet veranlasste das Land
Nordrhein-Westfalen zur Gründung einer neuen Stadt, um einer „Zersiedlung der Landschaft“
(ebd.: 8) entgegenzuwirken. „Ein Paradies für Autos und Fußgänger“ (ebd.: 11) und eine
„lebendige, pulsierende Stadt“ (ebd.: 16) mit „hervorragende[n] Wohnverhältnisse[n]“ (ebd.: 9),
in der 50.000 Menschen leben sollten, das waren in den 1960er Jahren die Vorstellungen über
die Entwicklung Barkenbergs.
Aber alles kam anders. Um einen Einblick in den Ort zu bekommen, schlage ich an dieser Stelle
einen Rundgang vor. Dieser beginnt am Wulfener Markt, welches das Verbindungsstück
zwischen dem alten und dem neuen Wulfen werden sollte.2
Der Marktplatz verdeutlicht den Versuch, eine Stadt entstehen zu lassen. Die Funktionsmischung
von Wohnen, öffentlichen Einrichtungen, privaten Dienstleistungen und Freizeitangeboten sollte
hier verwirklicht werden. Eine integrierte Gesamtschule mit öffentlicher Bibliothek, ein
Hallenbad und das Gemeinschaftshaus befinden sich hier. Dem angrenzenden Einkaufszentrum
gelingt es aber heute kaum alle Läden zu vermieten, da es für eine Kleinstadt mit 11.000
EinwohnerInnen3 völlig überdimensioniert ist; angeboten werden in erster Linie Pfennigartikel.
Vom Marktplatz aus geht man Richtung Osten durch die Wohngebiete Am Wall und
Kampstraße, die von drei-viergeschossigem Wohnungsbau geprägt sind. Sie entstanden Anfang
der 70er Jahre. Weiter Richtung Nordosten durchquert man die Siedlungen Barkenberger Allee
und Himmelsberg und gelangt schließlich zur Dimker Allee. Hier stehen Hochhäuser mit bis zu
acht Stockwerken, diese ersten Siedlungen Barkenbergs spiegeln das städtebauliche Leitbild der
60er Jahre Urbanität durch Dichte wider. Dieser Bereich bestätigt all die Vorurteile über
Großsiedlungen aus dieser Zeit. An den Balkonen blättert der Putz ab und auf den Mülltonnen
vor den Häusern türmt sich Sperrmüll. Die fehlenden Klingel- und Briefkastenschilder lassen
einen enormen Leerstand erahnen. Viele der dunklen Durchgänge zwischen den Häusern sind
von Kameras überwacht. Man durchquert das Nebenzentrum, welches inmitten dieser hohen
Gebäude angesiedelt ist. Männer stehen biertrinkend vor der Pommesbude. Überall spielen
Kinder, so viele wie man in den großen Ruhrgebietsstädten nie zu Gesicht bekommt. In Hütten
auf der Wiese hängen Jugendliche rum. Die beiden Teile des Nebenzentrums, die durch eine
Straße getrennt sind, verbindet eine Brücke, denn Straßen braucht man in Barkenberg nicht zu
überqueren. Entweder Brücken oder Unterführungen ermöglichen es, den ganzen Ortsteil zu
durchstreifen, ohne je einem fahrendem Auto zu begegnen.
Nun überquert man Richtung Osten den Wittenberger Damm, die große Umgehungsstraße.
Hieran verdeutlicht sich das Vorhaben, eine Mittelstadt zu bauen. Die vierspurige Straße ist für
den Ort viel zu groß und wird zweckentfremdet von Jugendlichen als Rennstrecke benutzt.
1
Das sagte mir ein Junge auf dem Schulhof der Gesamtschule, als ich ihm von meinem Vorhaben erzählte, eine
Diplomarbeit über Barkenberg zu schreiben.
2
Ich beschreibe einen Rundgang von ca. 7km der Entwicklungsgesellschaft Wulfen mbH, der etwa Mitte der 80er
Jahre erstellt wurde (vgl. Stadtteilplan im Anhang, Kap. 8.3).
3
In der vorliegenden Arbeit wird – im Zuge feministischer Sprachkritik – bei geschlechtlich nicht eindeutig
zuordbaren Personengruppen das sog. Binnen-I verwendet. Abstrakte Begriffe wie Akteur oder Handlanger und
zusammengesetzte Wörter wie Bürgerbeteiligung, Mieterfluktuation oder Experteninterview werden – der besseren
Lesbarkeit geschuldet – in der männlichen Sprachweise benutzt.
4
Durch die Einfamilienhausgebiete Buchenhöfe, Am Gecksbach und Braunfelder Allee
schlendert man gen Norden. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Wenn man erneut
den Wittenberger Damm kreuzt, gelangt man zum Habiflex. In diesem Experimentierbau sind
die Wände verstellbar, so dass man die Wohnungsaufteilung flexibel gestalten kann. Kaum eine
der etwa 50 Wohnungen ist bewohnt, die Tiefgarage unter dem Bau ist abgesunken und die
Fenster verrostet; im Volksmund wird der Habiflex auch Tropfsteinhöhle genannt. Der Weg zum
Napoleonsweg führt wieder am Geschosswohnungsbau der Dimker Allee vorbei, danach passiert
man die Gemeindezentren der katholischen und evangelischen Kirche. Der Napoleonsweg
verbindet Barkenberg mit der Hohen Mark. Durch die Umwidmung der Allee in einen Fuß- und
Radweg konnte der alte Baumbestand erhalten bleiben. Der Weg über den Napoleonsweg führt
an der Finnstadt, einem südeuropäisch-anmutenden Häuserkomplex mit Eigentumswohnungen,
vorbei. Man umrundet nun den künstlich angelegten See. Das Altenheim am Rande des Sees
erinnert an die bereits 1987 abgerissene Metastadt, auf deren Grundriss gebaut wurde. Der
Abriss der Metastadt symbolisierte für viele der Abriss Barkenbergs. An einer großen
Sportanlage vorbei gelangt man dem Bach folgend zum Baugebiet Zentrum-West. Nach einer
kleinen Runde durch die Ein- und Mehrfamilienhaussiedlung gelangt man wieder zum
Ausgangspunkt des Rundgangs, dem Wulfener Markt. Der Rundgang zeigt Barkenberg als
einen Stadtteil mit deutlichen Problemvierteln, aber auch als einen ruhigen Stadtteil im Grünen,
dessen autofreies Fuß- und Radwegenetz beeindruckt.
Vor allem der innere Kern Barkenbergs, in dem der Geschosswohnungsbau der 60er Jahre
gelegen ist, gilt als Viertel, indem sich benachteiligte Bevölkerungsgruppen konzentrieren. Dies
zu prüfen, bildet die Grundlage der vorliegenden Arbeit. Darauf aufbauend soll untersucht
werden, welche Strategien und Handlungsansätze es gibt, diese Segregationsprozesse
benachteiligter Bevölkerungsgruppen aufzuhalten. Anhand der Theorien zur Sozialen
Stadtentwicklung4 soll überprüft werden, inwieweit diese für Barkenberg ihre Gültigkeit
besitzen.
In Barkenberg ist kein offizielles Förderprogramm5 implementiert, was die Stadtteilstudie
besonders spannend macht. Häufig wird entsprechenden Programmen eine Alibifunktion
unterstellt. Man tue nur in wenigen ausgewählten Modellstadtteilen etwas gegen Armut und
soziale Ausgrenzung. (vgl. Alisch 2002: 99; Strohmeier 2002: 59) Daher ist es interessant zu
schauen, ob und welche Aspekte der integrierten Handlungsansätze auch in Stadtteilen, die nicht
gesondert gefördert werden, umgesetzt werden.
Bisher sind in der Regel nur Stadteile, die Teil eines Stadtteilprogramms sind, hinsichtlich ihrer
Handlungsansätze, bestimmte Segregationsprozesse aufzuhalten, untersucht worden.6 Da es sich
um die erste Stadtteilstudie Barkenbergs handelt, die sich mit diesem Thema beschäftigt, bleibt
die Analyse hauptsächlich auf der deskriptiven Ebene. Die Wirkungen solcher Ansätze werden
nicht untersucht. Aus diesem Grund beschränkt sich diese Studie auch zum großem Teil auf die
Stadtteilebene.
Aus dieser Fragestellung ergibt sich die Struktur der Arbeit. Im ersten Kapitel wird ein Überblick
über die Hintergründe der Entstehung von Armut und ihrer sozialräumlichen Konzentration in
einigen Großstadtvierteln gegeben.7
4
Soziale Stadtentwicklung hat die ökonomische, soziale und städtebauliche Aufwertung benachteiligter Stadtteile
zum Ziel, hierbei wird mit integrierten Handlungsansätzen gearbeitet. In Kap. 3 beschäftige ich mich ausführlich mit
diesem Politikfeld.
5
Wie z.B. das Programm „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ in NRW.
6
An dieser Stelle ist beispielsweise die Umsetzungsanalyse des integrierten Handlungsprogramms für Stadtteile mit
besonderem Erneuerungsbedarf der ILS zu nennen (vgl. ILS 2001).
7
In dieser gekürzten Fassung meiner Diplomarbeit wird auf eine ausführliche Analyse der gesamtgesellschaftlichen
Ursachen für die Entstehung von Armut und ihrer sozialräumlichen Konzentration in benachteiligten Stadtvierteln
verzichtet.
5
Städte werden gezwungen, sich mit den Auswirkungen von Armut und sozialer Ausgrenzung
auseinander zu setzen. In den 90er Jahren wurden in vielen Regionen Deutschlands
Stadtteilprogramme eingeführt, die nicht mehr nur die städtebauliche Erneuerung zum Ziel
hatten, sondern versuchen, die Lebenssituation der dort lebenden Menschen nachhaltig und
umfassend zu verbessern bzw. zu stabilisieren. Im dritten Kapitel werden diese integrierten
Konzepte vorgestellt und diskutiert.
Dem Dorstener Untersuchungsstadtteil Barkenberg ist das vierte Kapitel gewidmet. Die
Darstellung der Entstehung und Entwicklung Barkenbergs berücksichtigt sowohl die
planerischen Besonderheiten als auch den historischen Kontext. Das Ausbleiben der
Nordwanderung des Bergbaus war der wesentliche Grund für das Scheitern des Projekts der
Neuen Stadt Wulfen, welches die Eingemeindung Wulfens 1975 verdeutlichte. Anschließend
beschreibe ich anhand ausgewählter statistischer Daten die Sozial- und Infrastruktur des
Ortsteils. Anhand dieser Daten soll herausgestellt werden, dass es sich bei Barkenberg um einen
benachteiligten Stadtteil handelt. Für einen Häuserblock an der Dimker Allee liegen mir
gesonderte Daten vor, so dass ich die Konzentration armer und ausgegrenzter Menschen in
diesem Bereich belegen kann.
Im empirischen Teil soll mit Hilfe von Experteninterviews die Fragestellung nach der
Umsetzung von integrierten Handlungsansätzen zur Bekämpfung von sozialräumlich
konzentrierter Armut beantwortet werden. Die Befragten geben Einblicke in die besonderen
Probleme und Potenziale Barkenbergs und beschreiben und beurteilen die verschiedenen
Handlungsansätze zur Verbesserung der Lebensverhältnisse von sozial Benachteiligten. Sie
gehen kritisch auf die Verantwortung der Stadt und der Wohnungsbaugesellschaften bei der
Entwicklung Barkenbergs zum benachteiligten Stadtteil ein. Insgesamt habe ich 8 AkteurInnen
aus dem Stadtteil und den Dorstener Bürgermeister Lambert Lütkenhorst auf der städtischen
Ebene interviewt. Der Auswertung der Interviews geht die Vorstellung des Forschungskonzept
voraus.
Abschließend werde ich die zentralen Ergebnisse der Arbeit mit den theoretischen
Vorüberlegungen verbinden und die Fragstellung der Arbeit beantworten (Kapitel 6). Was sind
die besonderen Probleme und Potenziale Barkenbergs und inwieweit stehen sie in Verbindung
mit gesamtgesellschaftlichen Trends? Wird Armut und soziale Ausgrenzung versucht mit Hilfe
von integrierten Handlungsansätzen zu bewältigen? Die Ergebnisse der Arbeit werden in die
aktuelle sozialwissenschaftliche Diskussion eingeordnet und ihre Bedeutung wird herausgestellt.
2 Segregierte Armut in der Stadt
Seit dem Ende des Fordismus in den 70er Jahren wird Armut auch in Deutschland wieder
sichtbar. Bis dahin wurde Armut als eine „exzentrische und periphere Ausnahmesituation am
Rande der Gesellschaft“ (Strang 1970: 36) begriffen. Armut im Reichtum/ Wohlstand und
Zwei-Drittel-Gesellschaft prägen die Armutsdiskussion seit dem Ende der 80er Jahre. Hier
wird die Gleichzeitigkeit von Armut und Reichtum angesprochen. Dangschat (1995) erweitert
diese These noch, in dem er sagt, dass „Armut durch Wohlstand“ (ebd.: 50) entsteht. Seiner
Meinung nach benötigt die kapitalistische Gesellschaft im Postfordismus Armut, um
existieren zu können.
Diese Polarisierungstendenzen der Gesellschaft in arm und reich schreiben sich
sozialräumlich nieder. Armut konzentriert sich in Großstädten und dort in bestimmten
Teilgebieten. Die „ungleiche Verteilung der Wohnstandorte von sozialen Gruppen in einer
Stadt“ (Dangschat 1998: 207) wird mit dem Begriff Segregation beschrieben. Für diese Arbeit
ist in erster Linie die Konzentration benachteiligter Gruppen als ein Segregationsprozess
interessant.8 In den Überlegungen zur Teilung der Stadt, einem Ansatz in der
Segregationstheorie, steht die räumliche Konzentration von Armen im Mittelpunkt des
Interesses. Ausgehend von der dual-city-These, die die gesamtgesellschaftliche Polarisierung
zwischen „global agierenden Professionellen und wirtschaftlich Prekären und Überflüssigen“
(Keller 1999: 32) beschreibt, haben sich die Konzepte der drei- und viergeteilten Stadt
entwickelt. Häußermann und Siebel (1987: 139) haben die deutsche Großstadt als dreigeteilt
beschrieben:
Die erste Struktur, die international wettbewerbsfähige Stadt, setzt sich aus den Glanz- und
Höhepunkten einer Stadt zusammen, die über regionale Funktionen und Aufmerksamkeit auf sich
ziehen können. [...] [Die zweite Struktur ist, S.B.] die normale Arbeits-, Versorgungs- und
Wohnstadt für die deutsche Mittelschicht mit den Funktionen eines regionalen Oberzentrums. [...]
[D]ie dritte Struktur [ist] die marginalisierte Stadt der Randgruppen, der Ausgegrenzten, der
dauerhaft Arbeitslosen, der Ausländer, der Drogenabhängigen und der Armen. (Häußermann/
Siebel 1987: 139, Hervh. im Original)
Des Weiteren gehen Häußermann und Siebel darauf ein, dass vor allem zwischen der ersten
und der dritten Stadt eine sozialräumliche Polarisierung stattfindet: „Die Aufenthaltsgebiete
dieser Gruppen [in der marginalisierten Stadt, S.B.] werden ähnlich abgeschottet wie ihr
Gegenstück, die internationale Stadt, aber mit kaum einer anderen Perspektive als der,
allmählich zu verrotten.“ (ebd.) Folglich ist die Dreiteilung der Stadt eine Ergänzung der
dual-city-These. Die Einbeziehung der Mittelschicht in diesem Konzept ist für Deutschland
wichtig, da sie im Gegensatz zur USA viel breiter ist und zudem die
Suburbanisierungsprozesse, die zu einem großen Teil für die Entstehung von benachteiligten
Gebieten in der Stadt verantwortlich ist, trägt. Die Konzepte der vier- oder vielfach geteilten
Stadt differenzieren die dreigeteilte Stadt noch weiter aus.9
8
Keller (1999: 40ff) unterscheidet in einer deutschen Stadt der Gegenwart vier Segregationsprozesse: die
Gentrifizierung, die Segregation benachteiligter Gruppen, die Suburbanisierung und die Segregation der
Oberschicht. Die Konzentration benachteiligter Gruppen wird durch die anderen drei Segregationsprozesse
weiter verschärft.
9
Unterschieden werden nach Krätke (1995) in Anlehnung an Marcuse die „Stadt der Herrschaft und des Luxus“
(ebd.: 174f), die „gentrifizierte Stadt“ (ebd.), die „mittelständische Stadt“(ebd.), die „Mieter-Stadt“ (ebd.) und
die „aufgegebene Stadt“ (ebd.). Die Ausdifferenzierung betrifft also vor allem die erste und die zweite Stadt, die
in der dreigeteilten Stadt beschrieben wird. Eine besondere Entwicklungsdynamik haben die „gentrifizierte“ und
die „aufgegebene Stadt“, die Krätke indirekt als polarisierende Pole ausmacht. (vgl. ebd.: 174-187)
7
Als Ursache für Segregation und für die Konzentration von Armut wird die ökonomische
Umstrukturierung (unter kapitalistischen Bedingungen) und die veränderten (neoliberalen)
Regulationsformen gesehen. Der Wettbewerb von Städten und Regionen um Standorte
verändert deren Struktur. (Dangschat 1998: 210, vgl. weiterführend Dangschat/ Diettrich
1999, Esser/ Hirsch 1987)
Die Armutsquartiere, die in den Segregationsprozessen entstehen, lassen sich in Deutschland
grob in zwei Typen einteilen: in Großsiedlungen der 50er und 60er Jahre und in
innenstadtnahe Altbauquartiere. Großsiedlungen hatten häufig soziale Ansprüche, vor
fordistischen Hintergrund entstanden familiengerechte, gut ausgestattete (Sozial-)Wohnungen
im Grünen. Fehlende Urbanität, unzureichende infrastrukturelle Ausstattung,
Monofunktionalität ohne ausreichend Arbeitsplätze, bautechnische Mängel, die Lage am
Stadtrand und soziale Probleme waren die wichtigsten Gründe für das Scheitern solcher
Siedlungen (Mölder 1997: 6).
Mit dem Begriff der sozialen Ausgrenzung10 soll auf den veränderten Stellenwert von Armut
aufmerksam gemacht werden. Es entsteht eine neue Qualität von Armut. Die sich nach
Häußermann (1998:137) dadurch auszeichnet, dass eine Gruppe von Menschen entsteht, die
überflüssig, entbehrlich und nur noch eine Last ist. Soziale Ausgrenzung zeigt sich in
benachteiligten Quartieren am stärksten. Die Stadtgebiete, wo die Armen wohnen, zeichnen
sich durch schlechte Qualität aus. Dadurch entsteht ein Imageverlust der Stadtteile, was
wiederum zu sozialer Ausgrenzung führt. Diese Faktoren verstärken die räumliche
Ausgrenzung. Die benachteiligten Stadtteile sind zudem einer ‚Abwertungsspirale’
ausgesetzt: Der bauliche Zustand des Gebiets verschlechtert sich und das Stadtgebiet erleidet
erneut einen Imageverlust. Dadurch entstehen selektive Fortzüge, was wiederum bedeutet,
dass die Investitionsbereitschaft nachlässt. Die bauliche Zustand verschlechtert sich weiter
etc. Dies führt zu einer Verlängerung und Verfestigung von Armut (Friedrich 1999: 278,
279). In diesen Quartieren zeigt sich also eine Dichte und Kumulation von Kriterien sozialer
Ausgrenzung.
Die räumliche Ausgrenzung in ihrer Gesamtheit wird selber zu einem Faktor, der soziale
Ungleichheit und Benachteiligung erzeugt und die Lebenslage von Betroffenen nachhaltig
verschlechtert. Besonders weil räumlich bedingte Ausgrenzungsformen zur sowieso schon durch
Mangel gekennzeichneten Lebenssituation erschwerend hinzukommt. (Friedrich 1999: 282)
Benachteiligte Quartiere erzeugen also von selbst weitere Benachteiligung; Armut verstärkt
und verfestigt sich. Die entstandene Abwärtsspirale führt geradewegs zu ghettoähnlichen
Quartieren, wie sie bereits aus französischen cités, englischen Vorstädten oder
nordamerikanischen Hyperghettos bekannt sind.
Bisher sind benachteiligte Quartiere in Deutschland zwar durch einen hohen und steigenden
Anteil an Armen gekennzeichnet, doch es wohnen dort nicht nur Arme. Auch befinden sich
die BewohnerInnen nicht alle und nicht dauerhaft am gesellschaftlichen Rand, wo
gesellschaftliche Integration nicht mehr möglich bzw. gewollt ist. Noch sind extreme
Armutsquartiere in Deutschland erst kleinräumig vorhanden, aber es besteht die Gefahr, dass
benachteiligte Gruppen die Qualität gesamter Stadtteile bestimmen.
Will man nun nicht lediglich ‚Feuerwehrpolitik’ betreiben und Armut wirklich bekämpfen,
besteht grundlegender Handlungsbedarf. Dangschat (1995) formuliert treffend:
10
Der Begriff stammt aus Frankreich (vgl. Dubet/ Lapeyronnie), er wird seit den 90er Jahren in nahezu allen
europäischen Ländern benutzt. Man versucht zwischen Armut und sozialer Ausgrenzung zu unterscheiden,
wobei es nur um eine analytische Trennung geht, um Wechselwirkungen (empirisch) untersuchen zu können.
Armut bezieht sich auf alle ökonomischen Dimensionen, das Konzept der sozialen Ausgrenzung betrifft
„hingegen die Teilhabe an nicht marktförmig geregelten Institutionen (Staat, informelle soziale Systeme)“
(Siebel 1997: 68).
8
[E]s bedarf einer völlig neuen gesellschaftlichen und politischen Übereinkunft, will man diese
Problemlagen nicht nur eindämmen, sondern auch abbauen. (ebd.: 51)
3 Strategien gegen Armut und soziale Ausgrenzung in der
Stadt: Soziale Stadtentwicklung
3.1 Entwicklung und Widersprüche
Analog zu Monika Alisch (2002) benutze ich den Begriff Soziale Stadtentwicklung als
Sammelbegriff für solche lokal wirksamen Politikansätze, die in Deutschland in den 90er Jahren
soziale und ökonomische Benachteiligung und ihre räumliche Konzentration in bestimmten
städtischen Teilgebieten zum Ausgangspunkt politischer Intervention gemacht haben. (ebd.: 78,
Hervh. im Original)
Voraussetzung für Soziale Stadtentwicklung mit dem Ziel des Sozialen Ausgleichs ist nach
Alisch/ Dangschat (1998: 174) die Entwicklung von Strategien, um bestimmte Segregationen
zu vermeiden, da benachteiligte Bevölkerungsgruppen durch ihren Wohnort zusätzlich
benachteiligt werden. Weiterhin soll sich der Umgang mit Segregation verändern, um die
Lebensbedingungen der benachteiligten Bevölkerungsgruppen nachhaltig zu verbessern.
Auch sollen Strategien in Handlungskonzepte eingearbeitet werden, die innerstädtische
Disparitäten abbauen.
Vor allem seit den 90er Jahren entstanden Ansätze der Sozialen Stadtentwicklung.
Vorangetrieben haben die Politik der Sozialen Stadtentwicklung in erster Linie das
Landesprogramm aus NRW Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf (1993) und das
Hamburger Armutsbekämpfungsprogramm (1994). Zurückgegriffen werden konnte hier auf
Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern11 sowie auf vereinzelte kommunale und
europäische Initiativen. Die kontinuierliche Entwicklung der Sozialen Stadtentwicklung in
den 90er Jahren führte 1999 zum auf Bundesebene verankerten Programm „Stadtteile mit
besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“. Bis dahin war nationale
Stadterneuerung „ausdrücklich eine baulich-physische Aufgabe, in der soziale Tatbestände
nur am Rande von Bedeutung sind“ (Alisch 2002: 80).
Anlässe für die Implementierung politischer Handlungsansätze der Sozialen Stadtentwicklung
sind vielfältig: zunehmende Gewalt an Schulen, geringe Wahlbeteiligung, hoher Anteil an
WählerInnen rechtsextremistischer Parteien, hohe Arbeitslosenquoten, steigende
Kriminalitätsraten. In der Regel sind Ereignisse, an denen die Öffentlichkeit stark teilhat, ein
Grund, sich der Probleme im Quartier anzunehmen (ILS 2001: 16f). Auf jeden Fall wird
Armut an sich nicht Motiv zum Eingreifen, das Bestehen von Armut alleine wird nicht als
gesellschaftlich relevantes Problem gesehen. Erst die politischen und ökonomischen
Probleme, die entstehen, lösen eine politische Intervention in benachteiligten Stadtteilen aus
(Alisch 2002: 83-87).
Soziale Stadtentwicklung findet sich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab, sie
sucht für globale Probleme lokale Lösungen. Ihre Aufgabe, die Alltagswelt der Armen zu
verbessern und zu versuchen, durch Entkopplung von sozialer Benachteiligung und
benachteiligten Wohnbedingungen die Problematik zu entschärfen, ist durchaus wichtig.
Jedoch sollte dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass die Gefahr besteht,
11
Hier sind Frankreich, Großbritannien und die Niederlanden explizit zu nennen, die schon seit mehreren Jahren
nationale Programme zur Armutsbekämpfung in Stadtteilen implementiert haben. (vgl. hierzu ausführlich
Kemper/ Schmals 2000)
9
gesellschaftliche Ungerechtigkeit festzuschreiben und dass gesamtgesellschaftliche Probleme
kaschiert werden. (Alisch/ Dangschat 1998: 181)
3.2 Strukturmerkmale und Ziele
Gerade in den 80er Jahren ging es vor allem um städtebauliche ‚Aufwertung’ der Gebiete.
Diese Strategie gilt heute in den meisten – zumindest westdeutschen Großstädten – als nicht
weitreichend genug. Ziel soll es sein, eine Verbesserung der Lebensverhältnisse zu erreichen,
nicht nur auf die städtebauliche Aufwertung konzentriert, sondern es sollen auch die
ökonomischen und sozialen Verhältnisse der BewohnerInnen verbessert werden. Da dies
abhängig von gesamtgesellschaftlichen Trends ist und lokal nur bedingt Möglichkeiten
bestehen, wird häufig in erster Linie eine Stabilisierung der Situation in den benachteiligten
Gebieten angestrebt, was auf der einen Seite bedeutet, weitere Segregationsprozesse zu
verhindern und auf der anderen Seite, die Situation der Bewohnerschaft zu stabilisieren. Als
gebietsbezogene Ziele charakterisiert Alisch die (städtebauliche) Aufwertung, die
Verbesserung der Lebensverhältnisse und die Stabilisierung der Situation in den
Wohngebieten. (Alisch 2002: 91-93)
Diese Ziele untergliedern sich in weitere Teilziele, die in den einzelnen Stadtteilen mit
unterschiedlicher Prioritätssetzung verfolgt werden. Bei der klassischen städtebaulichen
Erneuerung spielt die Verbesserung des Wohnungsbestandes und der Wohnumfeldqualität,
Umweltschutz und Verkehr eine wesentliche Rolle. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die
Stärkung der lokalen Ökonomie, darin inbegriffen ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
und die Qualifizierung von Arbeitslosen. Weitere gebietsbezogene Teilziele sind: Förderung
des Zusammenlebens unterschiedlicher ethnischer und religiöser Gruppen, Stärkung der
sozialen Netzwerke und der nachbarschaftlichen Solidarität, Förderung von Schulen und
anderen Bildungseinrichtungen, Ausgleich milieuspezifischer Benachteiligungen von Kindern
und Jugendlichen, Gesundheitsförderung, Kriminalprävention- und -bekämpfung und
Integration von EinwanderInnen. (Strohmeier 2002: 58, 59; vgl. ILS 2001; Becker u.a. 2002)
Als strukturbezogene Ziele bezeichnet Alisch (ebd.: 94) integrierte Handlungsansätze und die
Vernetzung von Maßnahmen. Dies sind eigentlich nur Mittel zu Erreichung der anderen Ziele,
aber da sie selbst noch erarbeitet und erprobt werden müssen, sind sie Teil der
Zielformulierung. Integrierte Handlungsansätze integrieren auf drei Ebenen. Dies geschieht
einmal auf der horizontalen Ebene: verschiedene Ressorts in den Verwaltungen sollen
einerseits ihre Ressourcen bündeln und andererseits sollen die verschiedenen
Handlungsfelder12 übergreifend zusammenarbeiten und sich vernetzen. Es entstehen daraus
sogenannte Mehrzielprojekte. Vertikal äußert sich die Integration über die Verknüpfung von
politisch-administrativen Ebenen wie Landesverwaltung, Bezirke, Kommunen und der
Stadtteilebene. Zusätzlich sollen die lokalen Akteure (Bewohnerschaft,
Wohnungsunternehmen, Wirtschaft, Wohlfahrtsträger) sich aktiv an der Stadtteilentwicklung
beteiligen. Die Aktivierung und Beteiligung der BewohnerInnen muss als bedeutendes
Qualitätsmerkmal in allen Handlungskonzepten auftauchen. (ebd.: 94-97)
Politik, Verwaltung, Bewohnerschaft, Wirtschaft und andere lokal relevanten Akteure müssen
gemeinsam daran arbeiten, die Abwärtsspirale, in der sich benachteiligte Stadtteile befinden,
zu durchbrechen. Besonders hervorgehoben wird, die endogenen Potenziale des Quartiers zu
nutzen und die unterschiedlichen Probleme der einzelnen Gebiete zu berücksichtigen. Dafür
ist gerade Beteiligung der lokalen Akteure wichtig. Ziel ist es, selbsttragende Strukturen zu
schaffen.
12
Nach Döhne und Walter (1999: 2) sind dies insbesondere folgende Politikfelder: Wohnungswesen und
Wohnungsbauförderung, Verkehr, Arbeits- und Ausbildungsförderung, Sicherheit, Frauen, Familien- und
Jugendhilfe, Wirtschaft, Umwelt, Kultur und Freizeit. Man kann die Handlungsfelder auch aus den
gebietsbezogenen Zielen s.o. ableiten.
10
Die o.g. Ziele werden mit Hilfe von Mehrzielprojekten erreicht, da die unterschiedlichen Ziele
sich gegenseitig bedingen. Als Beispiel werden Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik mit der
Aufwertung des Wohnumfeldes und der Stadterneuerung verknüpft. So pflegen und
verschönern z.B. arbeitslose Jugendliche aus dem Stadtteil Schulhöfe, Grünanlagen oder
Spielplätze (ILS 2001: 29).
Diese Bündelung von öffentlichen und privaten Ressourcen findet nicht zuletzt aufgrund
finanzieller Probleme der Kommunen und sonstigen staatlichen Trägern statt, davon wird sich
eine Effizienzsteigerung der Maßnahmen mit möglichst geringen Kosten erhofft. (Döhne/
Walter 1999: 2)
Der Anspruch einer integrierten Politik zur Armutsbekämpfung in Stadtteilen ist ziemlich
hoch und stößt in der Praxis immer wieder an Grenzen. Die Verwaltungs- und
Politikstrukturen sind teilweise zu langsam und reagieren nicht ausreichend flexibel.
Machtpositionen wollen nicht aufgegeben werden, lange Abstimmungswege verzögern den
Prozess oder man stößt an formale Zuständigkeitsgrenzen. Die integrierten Ansätze fordern
einen hohen Koordinationsaufwand, sie sind extrem komplex und arbeitsintensiv. Zudem
stehen nur eingeschränkte finanzielle Mittel zur Verfügung.13 Das können alles Gründe für
Konflikte sein oder sogar zum Scheitern von Projekten führen. (Kürpick 1999: 53, 60)
Die Reichweite von Sozialer Stadtentwicklung ist zeitlich, räumlich und thematisch begrenzt.
Eine Realisierung findet häufig nur in Modellprojekten statt, die temporär begrenzt sind.
Bislang sind es auch nur wenige ausgewiesene Stadtteile, die in den Genuss kommen, mit
Hilfe Sozialer Stadtentwicklung gefördert zu werden. Die thematische Reichweite, die durch
das integrierte Handlungskonzept erhofft wird, wird oft durch Zuständigkeitsfragen in den
Verwaltungen erschwert. (Alisch 2002: 99)
Es stellt sich die Frage, ob nicht auch wesentliche Teile der angestrebten Ziele und
Handlungsansätze in nicht ausgewiesenen Stadtteilen funktionieren und umgesetzt werden.
3.3 Die Innovation: Stadtteilmanagement
Stadtteilmanagement ist zu einem Modebegriff innerhalb der Sozialen Stadtentwicklung
geworden. In Handlungsprogrammen ist es quasi ein Muss geworden, das Instrument
Stadtteilmanagement zu benennen. Was damit genau gemeint ist, bleibt allerdings oft unklar,
da der Begriff nicht klar definiert ist. Um es mit Wolfgang Hinte (2001) zu sagen: „Nicht
überall, wo Stadtteilmanagement draufsteht, ist auch Stadtteilmanagement drin.“ (ebd.: 156).
Nach Alisch (2001a) lassen sich die wesentlichen Handlungsprinzipien des
Stadtteilmanagements [...] mit den Begriffen: „quartiersbezogen, prozesshaft und
bewohnerorientiert“ (ebd.: 13) beschreiben. Wichtig ist, die endogenen Potenziale des
Quartiers und der BewohnerInnen zu kennen und zu nutzen und Strategien danach
auszuwählen, was machbar und milieugerecht ist.
Stadtteilmanagement moderiert und unterstützt Aushandlungsprozesse von Interessengegensätzen
und die Entwicklung von Projekten, vernetzt die lokalen Akteure untereinander und mit den
verschiedenen Ebenen des öffentlichen Sektors, schafft Anreize, um bestehende Kooperationen zu
schaffen oder weiter zu entwickeln und bietet die Chance, bisherige Beteiligungsverfahren von der
rein angebotsorientierten Beteiligung an ‚von oben’ und ‚von außen’ gesteuerten
Planungsprozessen hin zu einer kooperativen, eigenverantwortlichen Partizipation an den
Entwicklungsprozessen zu entwickeln. (Alisch 2001a: 13)
Hinte (2001) hebt vor allem die Entwicklung zum Stadtteilmanagement hervor.
Stadtteilmanagement entstand als konsequente Fortführung der Gemeinwesenarbeit über die
13
Die Bündelung der finanziellen Mittel und die kostengünstige Umsetzung mancher Projekte durch Beteiligung
der BewohnerInnen hat auch Grenzen.
11
stadtteilbezogene soziale Arbeit. Da erkannt wurde, dass „der enge Bereich des Sozialen nur
ein Teilsegment ganzheitlicher Stadtteilarbeit darstellt“ (ebd.: 156), war die Entstehung des
Instruments Stadtteilmanagement logische Weiterentwicklung. Inhaltlich skizziert er
Stadtteilmanagement ähnlich:
Auf der Seite des Wohnquartiers geht es darum, kollektive Aspekte individueller Betroffenheit zu
organisieren, Menschen an einen Tisch zu bringen, Nachbarschaften zu stärken, lokale Potentiale
zu mobilisieren – schlagwortartig gesagt: um Kommunikation, Ideenproduktion sowie
Organisation von Menschen und Ressourcen. Auf der Seite von Politik, Verwaltung und
Institutionen geht es darum, Ressourcen zu bündeln und nutzbar zu machen für die Arbeit im
Stadtteil. (Hinte 2001: 157)
Stadtteilmanagement agiert somit zwischen der Bürokratie (Verwaltung und Politik) und der
Lebenswelt der Menschen als „intermediäre Instanz“ (Hinte 2001: 157). Alisch (2001a:14)
betont zudem die ökonomische Dimension des Stadtteilmanagements. Die finanzielle
Förderung sozialer Projekte durch den privaten Sektor gelingt z.B. in Form von SocialSponsoring und Social-Investment (vgl. Nerlich/ Kirchberg 2001).
Als Kernfunktion des Stadtteilmanagements benennt Alisch abschließend die eines
„Strukturen schaffenden Instruments“ mit dem Ziel „kleinräumig Rahmenbedingungen für
sozial und ökonomisch nachhaltige Entwicklungsprozesse herzustellen“ (Alisch 2001b: 294).
Die strukturschaffende Eigenschaft gliedert sich in vier Funktionen:
- Kommunikations-, Koordinations-, Kooperationsfunktion
- Mobilisierungsfunktion durch das Erschließen von Handlungsressourcen
- Entlastungsfunktion durch Projektbegleitung
- Stabilisierungsfunktion
Stadtteilmanagement ist somit keine Daueraufgabe, sondern existiert nur solange bis sich
selbsttragende Strukturen im Stadtteil herausgebildet haben. (ebd.: 296)
3.4 Akteure
Alle Personen und Institutionen, die in irgendeiner Weise mit den Handlungsprogrammen in
Verbindung stehen, von der Entwicklung vor Ort selbst betroffen sind oder auf den Verlauf
und die Gestaltung einwirken können, sind Akteure. Folglich gibt es eine Reihe von
Akteuren, die im Dreieck Staat, Markt und dem informellen Sektor angesiedelt sind. Dazu
gehören:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
BewohnerInnen bzw. Bewohnergruppen,
Gewerbetreibende, Kammern und Verbände,
Wohnungsunternehmen, Grundeigentümer und deren Verbände,
intermediäre Organisationen als Auftragnehmer der öffentlichen Verwaltung,
lokale soziale und kultureller [sic!] Einrichtungen und Initiativen,
Wohlfahrtsorganisationen,
Sponsoren und Förderer,
Forschungsinstitute, Bildungseinrichtungen, Schulen,
lokale und zentrale Verwaltungsstellen unterschiedlicher Ressorts,
Kommunal- und LandespolitikerInnen (Alisch 2002: 105)
Die Aufgaben der Akteure des politisch-administrativen Systems liegen zum großen Teil
darin, Fördermittel einzusetzen, staatliche Aktivitäten zu koordinieren, Projekte in den
einzelnen Referaten zu unterstützen und zu vernetzen. Besondere Bedeutung erhält hier die
horizontale (ressortübergreifende) und vertikale (ebenenübergreifende) Koordination, eine
Aufgabe für die häufig (noch) die Strukturen wie z.B. ressortübergreifende Arbeitsgruppen
12
fehlen (Alisch 2002: 105,106). Die städtische Verwaltung hat somit eine herausragende
Bedeutung im Stadtentwicklungsprozess.
Als weiterer zentraler Akteur agieren die intermediären Instanzen im klassischen
Wohlfahrtsdreieck zwischen Markt, Staat und informellem Bereich (private Haushalte). Ihre
vordringlichste Aufgabe ist es, zwischen Politik und Verwaltung und den Interessen und
Bedürfnissen vor Ort zu vermitteln. Die intermediären Instanzen organisieren das
Stadtteilmanagement (vgl. Kap. 3.3). Die grundsätzlichen Aufgabenbereiche sind die
BewohnerInnen zu aktivieren, Projekte anzuregen und zu begleiten, die Stadtteilkoordination
(Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit) und die Verwaltung über die Handlungsprogramme
(Einrichten von Stadtteilbüros, Konzeptfortschreibung etc.) zu betreiben.
Im Mittelpunkt der Handlungsprogramme der Sozialen Stadtentwicklung steht die
Aktivierung der BewohnerInnen als eigenständige Akteure. Bürgerbeteiligung ist
ausdrücklich erwünscht und soll gefördert werden. Wie diese Form der Beteiligung aussehen
soll, ist allerdings weit gesteckt. Mancherorts geht es in erster Linie darum, Informationen
über den Stadtentwicklungsprozess weiterzugeben und anderenorts geht es um die
Beteiligung an Planung und Umsetzung von Maßnahmen. Informationsaustausch ist lediglich
die Grundlage für Beteiligung. (Alisch 2002: 111)
Für die Verwaltung ist es oft nicht leicht, die Einschätzung und Wahrnehmung von
Problemen und ihre Dringlichkeit von den BewohnerInnen als ‚Vor-Ort-ExpertInnen’
anzuerkennen (Herrmann 2001: 188-190). Das wird auch darin deutlich, dass die Mitspracheund Entscheidungsmöglichkeiten doch noch sehr begrenzt sind (Alisch 2002: 111). Daher
wird wiederholt kritisiert, dass Bewohnerbeteiligung lediglich eine Alibifunktion hat
(Herrmann 2001: 188).
Außerdem soll man neue Formen der Beteiligung finden, da die gewohnten Formen sich an
„klassischen bürgerlichen Mittelschichtstandards“ (Hinte 2001: 155) orientieren. Die
privilegierte Mittelschicht hat in der Regel sowieso keine Probleme, ihre Interessen zu
artikulieren und durchzusetzen. Veranstaltet man nun Runde Tische, geordnete
Bürgerversammlungen oder Stadtteilkonferenzen, werden die ohnehin benachteiligten
Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt. Daher ist es besonders wichtig, nicht organisierte und
artikulationsschwächere BewohnerInnen zu erreichen und von Anfang an in den
Entwicklungsprozess zu integrieren. Dazu muss man die soziale Integration der
BewohnerInnen in nachbarschaftliche Netzwerke stärken und unterstützen, denn „Bürger, die
dazugehören, nehmen am sozialen und politischen Geschehen in der Nachbarschaft und der
Gemeinde Anteil“ (Strohmeier 2001: 32). Die Identifikation mit dem Stadtteil sollte deshalb
gestärkt werden.
Einen zentralen Akteur der Sozialen Stadtentwicklung stellen die Wohnungsunternehmen dar.
Sie sind die größten privaten Investoren. Im Programm „Soziale Stadt“ investieren sie zum
Beispiel weit mehr als die staatliche Förderung (Becker u.a. 2002: 16). In der klassischen
städtebaulichen Erneuerung nehmen die Wohnungsunternehmen die wichtigste Rolle ein: sie
modernisieren ihren Wohnungsbestand und tragen zur Verbesserung der Wohnumfeldqualität
auf ihren Grundstücken maßgeblich bei. Gerade in den Großsiedlungen, in denen den
Wohnungsunternehmen ein Großteil der Wohnungen gehört, werden sie aktiv. Ihr
Engagement ist zum Teil noch viel weitreichender: sie stellen HausmeisterInnen an, häufig
Arbeitslose aus dem Stadtteil, zusätzlich beschäftigen sie SozialarbeiterInnen, initiieren
Mietermitbestimmung, unterstützen kulturelle Aktivitäten finanziell oder stellen zur
Einrichtung von Stadtteilbüros Wohnungen mietfrei zu Verfügung. (Becker u.a. 2002: 16, ILS
2001: 31,32)
Die private Wirtschaft ist in erster Linie als finanzieller Förderer von Bedeutung, während die
Funktionen von Wohlfahrtsverbänden und lokalen sozialen und kulturellen Einrichtungen und
Initiativen vielfältig sind. Sie agieren z.B. in der Familien- und Jugendhilfe, der
Gesundheitsförderung und im Aufbau von sozialen Netzwerken.
13
3.5 Das Beispiel: Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf
Das Programm Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf ist 1993 in NordrheinWestfalen initiiert worden. Es ist das erste integrierte Handlungsprogramm in der BRD zur
Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung und hat somit eine Vorreiterrolle. Anlass
war der Wandel im Rhein-/Ruhrgebiet, der durch Wegfall von Industrie geprägt war. Dies
führte zum Anstieg von Arbeitslosigkeit und Armut und gleichzeitig zum sozialen und
baulichen Verfall von ganzen Stadtteilen. Stadtteile, „die in Hinblick auf ihre Sozialstruktur,
den Wohnungsbestand, das Wohnumfeld sowie das Arbeitsplatzangebot einer besonderen
Stabilisierung bedürfen“, werden gezielt gefördert (ILS 2001: 11).
Derzeit ist das Handlungsprogramm in 35 Stadtteilen in 26 Städten implementiert. Dies sind
einerseits altindustriell geprägte Stadtteile14, die in der Regel innenstadtnah gelegen sind und
andererseits Großsiedlungen der 60er und 70er Jahre15, die häufig am Rand der Kernstädte
liegen.16
Die Größe der Gebiete bezogen auf ihre Einwohnerzahl variiert stark. Die Einwohnerzahlen
in den Programmgebieten reichen von unter 5.000 bis über 25.000.17 Etwa die Hälfte aller
Stadtteile haben zwischen 10.000 bis 25.000 EinwohnerInnen, was in der Umsetzungsanalyse
des ILS als zukünftiger Richtwert vorgeschlagen wird. (ILS 2001: 16,17)
Für die Gebietsauswahl ausschlaggebend ist die Kumulation von sozialen und ökonomischen
Problemen in einem Quartier (in der Regel ein Stadtteil). Allerdings gibt es nur selten eine
umfangreiche Sozialberichterstattung, schon allein weil kleinräumige Daten fehlen. Häufig
sind öffentlichkeitswirksame Ereignisse, wie Gewalt an Schulen (Hamm-Norden) oder die
Silvesterkrawalle in Dortmund-Scharnhorst der Grund, sich der Probleme im Stadtteil
anzunehmen. Auch die Einschätzung von ortskundigen ExpertInnen wie SozialarbeiterInnen
und Wohnungsgesellschaften trägt zur Gebietsauswahl bei. Ein weiterer Grund für die
Auswahl von Stadtteilen, die gefördert werden sollen, sind schon vorhandene Potenziale wie
z.B. bürgerliches Engagement. (ILS 2001: 16f)
Im Landesprogramm Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf werden die Ziele durch
Handlungsfelder beschrieben: Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik, Wirtschaftsförderung/
Lokale Ökonomie, Wohnungsbau, Stadterneuerung, Umwelt/ Ökologie, Soziale und
kulturelle Infrastruktur/ Stadtteilzentren, Soziale Netze und kulturelle Aktivitäten, Integration/
Zusammenleben im Stadtteil, Schule im Stadtteil, Kinder und Jugendliche, Stadtteilbezogene
Gesundheitsförderung/ Sport und Bewegung, Kriminalprävention im Stadtteil,
Stadtteilmarketing, Image. Wesentlich an dem integrierten Handlungsansatz ist erstens der
ganzheitliche Ansatz, also dass Handlungsfelder miteinander vernetzt werden und Probleme
nicht isoliert betrachtet werden, zweitens ist die Beteiligung und Aktivierung der
BewohnerInnen von entscheidender Bedeutung und drittens die Verknüpfung der
horizontalen politischen Ebenen wie Stadtteil, Rat der Stadt und Landesregierung (MSKS
1998: 7).
Die Entwicklung der Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf wird als Erfolg
bezeichnet. Es geht darum, die zusätzliche Benachteiligung durch den Wohnort abzubauen.
Gesamtgesellschaftlich bedarf es weiterer Veränderungen. Soziale Stadtentwicklung hat
lediglich den Anspruch die individuellen Lebenslagen in den benachteiligten Stadtteilen zu
verbessern. Aber trotz einiger Erfolge sind Anspruch und Wirklichkeit immer noch zweierlei.
(Vgl. Alisch/ Dangschat 1998)
Eine Kritik kann daran ansetzen, warum es nur so wenige Stadtteile mit besonderem
Erneuerungsbedarf gibt und man muss schauen, wie sie sich verteilen. Strohmeier (2002: 59)
14
z.B.: Gelsenkirchen-Bismarck/ Schalke-Nord, Dortmund-Nordstadt, Essen-Altendorf.
z.B.: Dortmund-Clarenberg, Köln-Chorweiler, Ratingen-West.
16
vgl. http://www.ils.nrw.de/netz/forum/landesprogramm.htm, zugegriffen am 16.01.2003.
17
Der Stadtteil Dortmund-Nordstadt hat sogar über 50.000 EinwohnerInnen (ILS 2001: 119).
15
14
kommt in seiner Ruhrgebietsstudie zu dem Ergebnis, dass allein im Ruhrgebiet „insgesamt
also 190 Stadtteile mit faktisch besonderem Erneuerungsbedarf ausgemacht“ werden können.
Hinzu kommt, dass in dieser Studie kreisangehörige Gemeinden als ein Stadtteil gelten, so
dass kleinräumige Disparitäten dort gar nicht ausgemacht werden können. Auch können
einzelne Stadtteile in sich sehr heterogen sein, so dass benachteiligte Gebiete statistisch nicht
auffallen. (ebd.)
Diesbezüglich ist auch auffällig, dass kreisangehörige Gemeinden seltener Stadtteile mit
besonderem Erneuerungsbedarf haben. Insgesamt sind acht Städte, in denen das
Handlungsprogramm implementiert wurde, kreisangehörig und von diesen Städten wiederum
sind die Hälfte die Kreisstädte selber, haben also eine erheblich größere Bedeutung.18
Um in das Handlungsprogramm aufgenommen werden zu können, müssen die Städte
verschiedene Leistungen erbringen. Anhand sozialstatistischer Daten muss eine offenkundige
Benachteiligung nachgewiesen werden, die Städte müssen ein integriertes Handlungskonzept
erarbeiten, welches durch den Rat der Stadt getragen wird und die Städte müssen vorhandene
Organisationsstrukturen zur Umsetzung des Programms aufzeigen.19
Gerade kleinere, kreisangehörige Gemeinden aber verfügen nur über eine kleine Verwaltung,
die bestimmte Dinge nicht leisten kann. So sind z.B. häufig Daten nicht in dem Maße
verfügbar bzw. auswertbar wie sie für die Aufnahme in das Programm erforderlich wären.
Kreisfreie Städte haben eigene statistische Ämter, kreisangehörige Gemeinden in der Regel
nur eine Statistikstelle mit wenig Personal. Zudem können weitere Hindernisse aufgrund der
Ausstattung der Verwaltung auftreten (weniger (ausgebildetes) Personal, weniger Geld...).
Die Auswahl der Programmgebiete ist also selektiv, auch kommt es vor, dass Städte keine
Förderung beantragen, da sie fürchten, dass Stadtteile so weiter stigmatisiert werden.20 Bspw.
fürchten HauseigentümerInnen und die ansässige Wirtschaft aufgrund der
Imageverschlechterung Verluste.
Problematisch ist also zum einem die geringe Zahl an Programmgebieten und zum anderem
die selektive Auswahl der Stadtteile. Hier stellt sich die Frage, ob Stadtteile, die nicht speziell
gefördert werden, ebenso die Überlegungen zur Sozialen Stadtentwicklung in ihre lokale
Politik einbeziehen oder ob Soziale Stadtentwicklung nur eine Theorie ist, die lediglich in
wenigen Stadtteilen exemplarisch vorgeführt wird.
4 Wulfen-Barkenberg:
Neue
Stadt
am
Rande
des
Ruhrgebiets
Als Neue Stadt Wulfen geplant und gebaut, bildet Wulfen-Barkenberg21 heute mit Alt-Wulfen
den Dorstener Stadtteil Wulfen. Dorsten ist kreisangehörige Gemeinde im Kreis
Recklinghausen. Wulfen zählt heute über 16.000 EinwohnerInnen, davon knapp über 11.000
in Barkenberg.
Barkenberg liegt am nördlichen Rand des Ruhrgebiets. Der Slogan: „Tor zum Münsterland,
Brücke zum Ruhrgebiet“ der Stadt Dorsten verdeutlicht die geographische Lage. Barkenberg
und Alt-Wulfen sind durch die Bundesstraße 58 voneinander getrennt. In unmittelbarer Nähe
liegt der Naturpark Hohe Mark.
18
Detmold, Recklinghausen, Bergheim und Düren sind die Kreisstädte; Dinslaken, Gladbeck, Ratingen und
Monheim sind lediglich kreisangehörige Gemeinden.
19
Antwort auf eine E-Mailanfrage am 11.11.2002 von Klaus Austermann.
20
So handeln nach Auskunft von Klaus Peter Strohmeier die Städte Bochum und Mülheim/ Ruhr.
21
Die neue Siedlung des Stadtteils Wulfens trägt viele Namen: Neu-Wulfen oder Neue Stadt Wulfen wird in der
Regel nur noch historisch gebraucht, üblicherweise wird heute die Bezeichnung Wulfen-Barkenberg oder nur
Barkenberg verwendet.
15
Die Entfernung zu den Mittelzentren Dorsten und Marl beträgt 8 bzw. 10 km, die großen
Städte im Ruhrgebiet Dortmund und Essen liegen beide etwa 30 km entfernt.
4.1 Entstehung der Neuen Stadt
Die Neue Stadt Wulfen ist auf dem Reißbrett entstanden. Sie ist nicht lediglich eine neu
gebaute monofunktionale Großsiedlung sondern eine neue Stadt.22 Stadtgründungen auf der
‚grünen Wiese’ gab es in der Bundesrepublik nach 1945 eher selten, man orientierte sich an
den sehr häufig gebauten englischen New Towns. Neue Städte zeichnen sich durch eine
gewisse Größe und Einwohnerzahl, durch zentrale Funktionen, wirtschaftliche und
strukturelle Bedeutung und kommunalrechtliche Selbstständigkeit aus (Arbeit des
Wissenschaftlichen Beirats 1961: 12).
Ende der 50er Jahre entstand die Idee einer neuen Stadt in der nördlichen Zone des
Ruhrgebiets. Man wollte der Zersiedlung des Ruhrgebiets wenigstens in den neu entstehenden
Gebieten entgegenwirken und ein Abwandern von jüngerer Bevölkerung in andere Teile
Deutschlands aufhalten. In Wulfen glaubte man Arbeitsplätze und Natur bieten zu können.
Die Steinkohlebergwerke Mathias Stinnes AG planten in den 50er Jahren eine neue
Großschachtanlage mit 8000 bis 9000 Arbeitsplätzen. Die Sozialforschungsstelle Dortmund
errechnete einen Siedlungsbedarf von 53.000 Menschen, der bis zum Jahre 2015 erreicht
werden sollte. (vgl. Ipsen/ Mackensen 1958)
Die Entwicklungsgesellschaft Wulfen mbH als Träger der Stadtentwicklung schrieb 1961
international einen städtebaulichen Wettbewerb unter ziemlich klaren und detaillierten
Vorgaben aus. Das Konzept des Büros Fritz Eggeling gewann den ersten Preis und wurde mit
der städtebaulichen Planung beauftragt. (Wittwer 1980: 15)
Nach der Erstellung des Flächennutzungsplans 1962, der Anfertigung des Gesamtaufbauplans
1963 und der Auslobung weiterer Wettbewerbe für den Wohnungsbau, konnte 1964 mit dem
Bau begonnen werden. 1967 wurden die ersten Wohnungen bezogen.
Mit der Bergbaukrise Anfang der sechziger Jahre war die Neugründung Wulfens schon
ziemlich früh in Frage gestellt. Die Funktion Wulfens als Bergarbeiterstadt gerät in den
Hintergrund und ihre Aufgabe als Entlastungsstadt wird mehr und mehr betont. (vgl. Tietzsch
1963)
Mitte bis Ende der sechziger Jahre stellt sich heraus, dass weder der Bergbau genügend
Arbeitsplätze zur Verfügung stellt noch, dass andere Unternehmen ihren Standort in Wulfen
wählen, da die Verkehrsanbindung nicht ausreichend gegeben ist. Aber weiterhin halten die
Beteiligten an dem Projekt fest, obwohl „die Neue Stadt Wulfen ihre raumplanerische
Daseinsberechtigung Mitte der 1960er Jahre verloren“ (Seiter 2001: 77) hatte.
4.2 Städtebauliches Grundkonzept
Die Planung der Neuen Stadt Wulfen zeichnete sich durch interdisziplinäre Zusammenarbeit
zwischen SoziologInnen, VerkehrsplanerInnen, BiologInnen und LandschaftsarchitektInnen
aus (Börner 2000: 326).
Wulfen sollte eine Stadt mit bis zu 50.000 EinwohnerInnen im Jahr 2015 werden. Besonders
prägend bei der Stadtplanung war die Suche nach Urbanität, es sollte sich „städtisches Leben
und städtischer Geist entwickeln können“ (Rühl 1962: 3). Urbanität sollte über verschiedene
Wege erreicht werden. Es wurde eine soziale Mischung der Bevölkerung mit möglichst vielen
Berufsgruppen angestrebt, nicht zuletzt weil dadurch eine städtische Atmosphäre erzeugt
werden könnte. Eine ausgewogene Sozialstruktur sollte erreicht werden, so eine Forderung
22
Als neue Städte in der Bundesrepublik nach 1945 entstanden nur Wulfen, Sennestadt, Hochdahl und
Meckenheim-Merl (Seiter 2001: 4).
16
des soziologischen Gutachtens. Das soziologische Gutachten empfahl hierzu z.B. die
Einrichtung von Arbeitsmöglichkeiten für junge Frauen, um die Heiratschancen der Bergleute
zu erhöhen (Ipsen 1958: 8). Der Leitidee der sozialen Durchmischung folgt auch die
Mischung der Wohn- und Bauformen. So entstanden Einfamilienhäuser,
Eigentumswohnungen und Mietwohnungen in verschiedenen Größen und Preisklassen. Die
räumliche Organisation sollte „ohne jeden Schematismus und jede Uniformität gestaltet
werden“ (Zahn 1962: 10). Allerdings wurde versucht, die spezielle Situation der
BergarbeiterInnen zu berücksichtigen, daher entstand überwiegend öffentlich geförderter
Wohnungsbau mit qualitativ hochwertigen Wohnungen.23
Bezüglich der Dichte wird erst eine aufgelockerte Bebauung von 50 WE/ha angestrebt, die
vom Zentrum zu den Siedlungsrändern abnimmt. Während der Realisierungsphase wird
dieses Konzept allerdings zugunsten des Leitbildes der 60er Jahre aufgegeben, welches
Urbanität durch Dichte verspricht. Es entsteht eine durchgrünte, verdichtete Siedlung mit bis
zu 8-geschossigen Wohnhäusern. (Hafner u.a. 1998: 58)
Ein neuer städtebaulicher Weg wird mit der Mischung von Funktionen gegangen. Arbeiten,
Wohnen, Verkehr und Erholung sollen nicht mehr voneinander getrennt werden, eine
Funktionsmischung gilt als Kennzeichen von Urbanität (Seiter 2001: 92, 93). Wichtig war die
Schaffung eines Zentrums mit den infrastrukturellen Einrichtungen einer Mittelstadt. Neben
dem Hauptzentrum, welches als Bindeglied zwischen Alt-Wulfen und Barkenberg fungieren
soll, wurden mehrere Nebenzentren geplant. (Zahn 1962: 10,11)
Für neue Städte typisch ist die fast vollständige Trennung von Auto- und Fußverkehr.24 Eine
vierspurige Straße umringt das Hauptwohngebiet25, dazwischen werden die Wohngebiete
wabenförmig durch kleinere Straßen strukturiert. Parkplätze und Tiefgaragen sind über
gepflasterte Zufahrten zu erreichen. Aufgrund von Unterführungen und Brücken ist es für
FußgängerInnen und RadfahrerInnen nicht nötig, Straßen zu überqueren. Aufenthalts- und
Kommunikationsorte werden auf das Fuß- und Radwegenetz übertragen, überall entstehen
kleine Plätze mit Bänken und Spielplätze. Die wiederentdeckte Bedeutung des öffentlichen
Raums schlägt sich hier nieder. Weiter soll die Bebauung an die gegebene Topographie
angepasst werden und sie betonen. Zudem soll die Neue Stadt Wulfen in die Umgebung
integriert werden, dem Gedanken einer „Stadt-Landschaft“ (Eggeling 1962: 18) folgend.
Zusätzlich wurden ökologische Sichtweisen mit in die Planung einbezogen, was für diese Zeit
keineswegs selbstverständlich war. „Menschen, Tiere und Pflanzen sollen in der Neuen Stadt
Wulfen optimale Lebensbedingungen finden und so zu einem gesunden und natürlichen
Nebeneinander geführt werden“ (Entwicklungsgesellschaft Wulfen mbH 1968: 18). In der
„Stadt ohne Schornstein“ (ebd.) wird „ernst gemacht mit dem blauen Himmel an der Ruhr“
(ebd.), denn Stromheizungen werden als ernstgemeinter Beitrag zum Umweltschutz
verpflichtend. In erster Linie diente die Naturbezogenheit aber zur Verbesserung und
Erhaltung der Lebensbedingungen der Menschen und nicht der Natur an sich (Seiter 2001:
109).
Für den Wohnungsbau wurden weitere Wettbewerbe ausgelobt. In den 60er Jahren sah man in
Hochhäusern Vorteile (Urbanität durch Dichte), so dass mehr 8-geschossige Häuser als
eigentlich geplant entstanden. In der 2. Bauphase ab 1973 wird Barkenberg zum
Experimentierfeld im Wohnungsbau. Auf Initiative von Bund und Land entstanden die
Metastadt, das Habiflex und die Finnstadt. Ziel war es, die Wohnungen an die veränderten
23
Es gibt auffallend viele große Sozialwohnungen mit einer Wohnfläche von über 100 m², die Wohnungen
haben einen hohen Komfort z.B. Abstellräume in den Wohnungen, relative große Balkone und ein separates WC
ab einer bestimmten Größe (Hafner u.a. 1998: 60).
24
Dieses Verkehrssystem nennt sich Radburn-System nach der Stadt Radburn bei New York, die ab 1928 erbaut
wurde.
25
Für die heutige Größe Wulfen-Barkenbergs ist die Straße völlig überdimensioniert und wird häufig als
Rennstrecke benutzt, ein Rückbau wird zugunsten der Verkehrsicherheit gefordert (WAZ vom 24.05. 2002).
17
Bedürfnisse der BewohnerInnen auch nach der Fertigstellung anzupassen. Dies geschah zum
Beispiel mit flexiblen, verstellbaren Wänden und einer gewissen Nutzungsneutralität. Hafner
u.a. (1998) stellen Wulfen aufgrund dessen als „städtebauliches Museum“ (ebd.: 60) dar, wo
sich „fast wie in ,Form von Jahresringen’ und eingebunden in ein städtebauliches
Gesamtkonzept die Formensprachen des Sechziger- und Siebziger-Jahre-Wohnungsbaus
ablesen lässt.“ (ebd.)
4.3 Weitere Entwicklung: die 80er Jahre
Im Zuge der Gebietsreform 1975 wurde die Neue Stadt Wulfen gemeinsam mit Alt-Wulfen
zu Dorsten eingemeindet, obwohl 90% der BewohnerInnen sich dagegen aussprachen (Börner
2000: 335). Der neue Stadtteil Wulfen hat zu dem Zeitpunkt knapp 14.000 EinwohnerInnen,
Barkenberg davon alleine 7200. Die Zielvorstellungen über die Einwohnerzahlen sind zu dem
Zeitpunkt auf 20.000 EinwohnerInnen zurückgenommen worden. Spätestens mit der
Eingemeindung ist Wulfen eine „Großwohnsiedlung wie viele andere geworden“ (Weiss o.J.:
2).
In den 80er Jahren ist eine Negativentwicklung Wulfens nicht mehr zu übersehen. Die
wirtschaftliche Basis fehlte nicht nur aufgrund der ausbleibenden Weiterentwicklung der
Zeche, sondern auch Gewerbe siedelte sich kaum in Wulfen an, da die verkehrliche
Anbindung ungenügend war. Hinzu kam die allgemeine Strukturkrise, die im Ruhrgebiet
stark ausgeprägt war.
Von einem Wohnungsüberangebot Mitte der 80er war Wulfen besonders betroffen, 1984
standen 18% aller Mietwohnungen leer. Die Planungsfehler der 60er und 70er Jahre ließen
sich in Wulfen ablesen und das Image in den Medien konnte schlechter nicht sein. Die WAZChronik des Ruhrgebiet 1985/86 urteilt über die Neue Stadt Wulfen: „Wer anderswo eine
Wohnung finden kann, meidet die anonymen Wohnsilos dieser Trabantenstadt“ (zitiert nach
Börner 2000: 333).
Den Höhepunkt in diesem Abwärtstrend bestimmte der Abriss der Metastadt 1987. Aufgrund
von Konstruktionsfehlern wurde die Bausubstanz undicht. Viele setzen den Abriss der
Metastadt gleich mit dem Abriss der Neuen Stadt Wulfen.26 Margit Mölder schreibt bspw. in
einem Diskussionspapier aus der Fakultät für Sozialwissenschaft in Bochum, dass die „ Neue
Stadt Wulfen [...] 1987 bereits wieder abgerissen wurde“ (Mölder 1997: 8).
Als endgültiges Scheitern kann schließlich der Rückzug des Landes NRW aus der Förderung
und die Kommunalisierung der Entwicklungsgesellschaft 1985 gesehen werden. Dieses
Scheitern ist auch vor dem Hintergrund der fordistischen Krise zu begreifen, denn die Basis
des Projektes Neue Stadt Wulfen bildete die Mittel- und Arbeiterschicht, die heute nicht mehr
in diesem Ausmaß existiert. Großsiedlungen sind in Deutschland in den 80er Jahren
allgemein einer Imageverschlechterung ausgesetzt. Daher liegt die Entwicklung Barkenbergs
im gesamtgesellschaftlichen Trend.
4.4 Aktuelle Entwicklungen im Lichte der Statistik
4.4.1 Sozialstruktur
Tabelle 4.1: Übersicht über demographische und sozialräumliche Merkmale
Einwohnerzahl
26
1
Barkenberg
11.032
Wulfen
16.551
Dorsten
81.919
In einem Ravensburger Ratespiel wird gefragt, welche Stadt abgerissen wurde. Als Antwort wird die
Metastadt in Wulfen benannt (Börner 2000: 333).
18
Größe (qkm)
Einwohnerdichte (EW/qkm)
Arbeitslosenquote2
Sozialhilfedichte3
AusländerInnenanteil4
Anteil der Deutschen mit
Migrationshintergrund5
Anteil der unter 18jährigen4
Anteil der über 63jährigen5
1
8,3*/ 2,99**
1329,16*/3689,63**
o.A.
o.A.
6,7 %
13,8 %
24,7 %
11,8 %
20,6
803,45
13,6 %
7,2 %
5,6 %
9,9 %
171
479,06
11,2 %
4,7 %
5,4 %
4,6 %
23,3 %
13,5 %
21,2 %
17,1 %
Stand: 31.12.2002 2 Stand: Dezember 2002 3 Stand: 09.01.2003 4 Stand: 31.12.2000 5 Stand: 31.01.2003
*Gesamtfläche aller statistischen Bezirke Barkenbergs
**Gesamtfläche, der statistischen Bezirke Barkenbergs, in denen sich die gesamte Bebauung befindet
Datenbasis: Stadt Dorsten
Heute wohnen 11.000 Menschen in Wulfen. Nach dem Bevölkerungseinbruch Anfang der
80er Jahre stiegen die Einwohnerzahlen wieder. Ob sich Barkenberg von seinem schlechten
Image erholt hatte oder der Zuzug von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen Grund für
den Anstieg war, ist aus dem vorhandenem statistischen Material nicht abzuleiten. 1995 war
allerdings ein vorläufiger Höhepunkt mit 12500 EinwohnerInnen erreicht, seitdem verlassen
die Menschen wiederholt den Stadtteil. Jährlich ziehen durchschnittlich über 200 der
BürgerInnen weg. Dies gilt jedoch nur für den neuen Teil von Wulfen, die Einwohnerzahlen
in Alt-Wulfen steigen, allerdings nur minimal.27
Der Bevölkerungsrückgang in Barkenberg steht im Gegensatz zur Entwicklung von Dorsten
und dem Kreis Recklinghausen, die ein positives Bevölkerungssaldo haben. Die an das
Kernruhrgebiet angrenzenden Kreise, also auch der Kreis Recklinghausen, sind zur
„Familienzone der Mittelschichten“ (Strohmeier 2002: 4) des Ruhrgebiets geworden. Junge,
deutsche Familien ziehen aus den Städten des Ruhrgebiets ins Umland. Barkenberg kann aus
dieser Suburbanisierung keine positive Bilanz ziehen. Während Dorsten in den letzen 20
Jahren (1982-2002) einen Bevölkerungsgewinn von gut 12% erzielt, verliert Barkenberg im
selben Zeitraum über 3%28, gerade in den letzten fünf Jahren werden Bevölkerungsverluste
deutlich.
Abbildung 4.4: Einwohnerentwicklung 1977 bis 2002: Alt-Wulfen, Barkenberg und
Dorsten im Vergleich (Index 100 = 1977)
27
Die Daten beruhen, wenn nicht anders angegeben, auf Auskünften der Statistikstelle (Barbara Altkemper) und
des Jugendamtes der Stadt Dorsten (Joachim Gayk).
28
Erwähnt werden muss allerdings, dass Barkenberg bis 1982 noch erhebliche Zuwächse verzeichnen konnte
und auch im Zeitraum zwischen 1985 und 1995 ließ sich ein Bevölkerungsgewinn feststellen.
19
Quelle:
eigene
Berechnungen; Datenbasis: Stadt Dorsten
Kinder und Jugendliche sind in Wulfen-Barkenberg deutlich überrepräsentiert. Mit fast 25%29
hat Barkenberg den höchsten Anteil an Kindern und Jugendlichen, das heißt knapp 3000
BarkenbergInnen sind unter 18 Jahren. Die Quoten sind allerdings in ganz Dorsten hoch30,
was die These der Abwanderung von jungen Familien aus dem Ruhrgebiet ins Umland
unterstützt. Im Gebiet des KVR liegt der Anteil der Kinder und Jugendlichen im Vergleich
lediglich bei 18,3% und auch im Kreis Recklinghausen liegt der Anteil mit 19,3% deutlich
unter denen Barkenbergs und auch Dorstens.31 (KVR: 2003) Gleichzeitig hat Barkenberg von
allen Dorstener Stadtteilen den niedrigsten Anteil an älteren Menschen32. Dies ist aber auch
auf die geringe Anzahl an kleinen Wohnungen zurückzuführen, da die Neue Stadt Wulfen für
Bergarbeiterfamilien geplant wurde.
Die Ausländerquote ist im Gegensatz zum gesamten KVR gering. Lediglich 6,7%33 der
Barkenberger Bevölkerung haben keinen deutschen Pass, im Ruhrgebiet (KVR) liegt die
Ausländerquote bei 11%34, einzelne Städte wie Duisburg und Gelsenkirchen haben sogar
einen Ausländeranteil von über 15% (KVR: 2003). Der Anteil von AsylbewerberInnen an der
Bevölkerung liegt im Schnitt der Stadt Dorsten.
In Barkenberg leben allerdings auffällig viele deutsche BürgerInnen mit
Migrationshintergrund, insgesamt 13,8%. In der Gesamtstadt haben 4,6% erst als zweite
Nationalität die Deutsche. Holsterhausen, der Dorstener Stadtteil mit dem zweithöchsten
Anteil an Deutschen mit Migrationshintergrund, liegt mit 5,3% deutlich unter dem
Barkenbergs. Die vorherige Nationalität dieser Personen war zu knapp 90% polnisch,
29
Stand 31.12.2000
Der Anteil der EinwohnerInnen, die unter 18 Jahre sind, beträgt in Dorsten 21,23%; 31.12.2000.
31
Stand 31.12.2001
32
63 Jahre und älter
33
Stand 31.12.2002
34
Stand 31.12.2001
30
20
russisch, sowjetisch oder kasachisch. Daraus kann man schließen, dass es sich um
AussiedlerInnen handelt. Insbesondere bei jüngeren BarkenbergInnen ist der Anteil hoch.
Aufgrund von Integrationsschwierigkeiten und Rassismus sind hohe Ausländer- bzw.
Aussiedlerquoten ein Indikator für soziale Benachteiligung.35
In Barkenberg wohnen überdurchschnittlich viele benachteiligte Bevölkerungsgruppen.
Neben dem hohen Aussiedleranteil gibt es auch hohe Anteile an Armen und Arbeitslosen. In
Wulfen leben über 30%36 der SozialhilfeempfängerInnen der gesamten Stadt Dorsten, obwohl
der Anteil der Wulfener BürgerInnen an der Gesamtbevölkerung Dorstens nur 20% ausmacht.
Während in Dorsten insgesamt 4,7%37 der Bevölkerung von Sozialhilfe leben, ist Wulfen
‚Spitzenreiter’ mit 7,2%. 50% der Aufwendungen des Jugendamtes Dorsten fließen nach
Barkenberg, obgleich nur 17% der Dorstener Jugendlichen in dem Ortsteil wohnen (WAZ
vom 14.04.2001).
Auch die Arbeitslosenquote38 ist in Wulfen überdurchschnittlich hoch, lediglich der Stadtteil
Hervest hat eine geringfügig höhere Arbeitslosenquote. Mit 13,6% liegt Barkenberg auch
deutlich über der Arbeitslosenquote des Ruhrgebiets, die zu dem Zeitpunkt 12,1%39 betrug.
Alleinerziehende können meistens nicht oder nur sehr begrenzt arbeiten gehen, so dass sie
häufig arm bzw. von Armut gefährdet sind. Als Indikator für Alleinerziehende könnte man
die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) betrachten. In Wulfen erhalten
7,4% der EinwohnerInnen unter 11 Jahren entsprechende Leistungen. Das liegt klar über dem
gesamtstädtischen Durchschnitt von 5,6%.
Alle Sozialindikatoren für Barkenberg bzw. Wulfen, die verfügbar sind, liegen über dem
Durchschnitt der gesamten Stadt Dorsten (vgl. Abbildung 4.5). In Wulfen sind mehr
Menschen arbeitslos, beziehen mehr Menschen Sozialhilfe, leben überdurchschnittlich viele
AussiedlerInnen und auch die Zahl der Alleinerziehenden ist höher als in anderen Stadtteilen
Dorstens. Das heißt, dass sich in Barkenberg bzw. in Wulfen benachteiligte
Bevölkerungsgruppen konzentrieren.
Abbildung 4.5: Sozialindikatoren im städtischen Vergleich
35
Stand der Daten zu deutschen EinwohnerInnen mit Migrationshintergrund: 31.01.2003.
Stand 09.01.2003
37
Stand 09.01.2003
38
Die Berechnungen zur Arbeitslosenquote sind von Herrn Gayk, Jugendhilfeplaner der Stadt Dorsten,
durchgeführt worden. Die Erwerbspersonen hat er mit Hilfe der Bevölkerung zwischen 16-65 Jahre und dem
Anteil an Erwerbstätigen, wie er in der Gesamtstadt vorliegt, berechnet; Stand Dezember 2002.
39
Stand 31.12.2002
36
21
Quelle: eigene Berechnungen; Datenbasis: Stadt Dorsten40
Die meisten bisher genannten Indikatoren beziehen sich auf den ganzen Stadtteil Wulfen. Es
gibt in Barkenberg einerseits Viertel, in denen sich soziale Probleme bzw. benachteiligte
Bevölkerungsgruppen konzentrieren. Andererseits sind auch große Teile Barkenbergs durch
Einfamilienhaussiedlungen geprägt, so dass sich soziale Problemlagen zum Teil statistisch
neutralisieren. Hafner u.a. (1998) beschreiben eine Dreiteilung des Stadtteils. Dieser besteht
erstens aus dem gewachsenen, alten Ortsteil, Alt-Wulfen, der sich als eigenständig versteht
und sich von Barkenberg abgrenzt, zweitens aus den Einfamilienhaussiedlungen der
Besserverdienenden und drittens aus den Vierteln, die durch mehrgeschossige Wohnhäuser
der 60er und 70er Jahre und durch eine hohe Konzentration von benachteiligten
Bevölkerungsgruppen gekennzeichnet sind. (ebd.: 63)
Gerade in den Vierteln Barkenbergs, die durch Geschoss-Wohnungsbau der 60er und 70er
Jahre geprägt sind, fallen sowohl städtebauliche als auch soziale Probleme immer stärker auf.
Die Hochhäuser sind oft sanierungsbedürftig: „zunehmend verfallende Fassaden,
verwahrloste Hausflure und Aufzüge, beschädigte Glaseingangstüren, beschädigte
Schellenanlagen sowie feuchte oder schimmelbefallene Wohnungen“ (Jugendamt der Stadt
Dorsten 1996: 2) werden an einigen Wohnblocks beobachtet. Verschärfend hinzu kommt ein
enormer Leerstand. Von den über 1350 Wohnungen der Landesentwicklungsgesellschaft
(LEG) stehen gegenwärtig 130 Wohnungen leer, das ist eine Quote von 9,4%41 (WAZ
09.10.2002), eine Mieterfluktuation mit 13% bis 14% liegt über dem Durchschnitt der LEGObjekte (WAZ 07.08.2002). Auch andere Wohnungsgesellschaften klagen über hohe
Leerstände und im Habiflex, einst hochgelobt, sind nur 12 der 50 Wohnungen bewohnt.
Aufgrund der entspannten Lage auf dem Wohnungsmarkt ziehen vor allem die MieterInnen
aus, die für Sozialwohnungen Fehlabgaben zahlen. Das führt zu einer sozialen
Homogenisierung, also zur Konzentration von benachteiligten Bevölkerungsgruppen gerade
in Großsiedlungen. In Barkenberg befinden sich ein Viertel der öffentlich geförderten
Wohnungen Dorstens, was auch zu einer Konzentration von Personen mit geringem oder
Transfereinkommen führt.
Um die Leerstände auszugleichen, vermieteten die Wohnungsgesellschaften in den 90er
Jahren massiv an AussiedlerInnen und bereits in den 70er und 80er Jahren trug die
Belegungspolitik der Stadt Dorsten zur Entstehung von Vierteln bei, in denen sich
benachteiligte Bevölkerungsgruppen konzentrieren (Börner 2000: 333; Hafner u.a. 1998: 63).
Besonders betroffen sind einzelne Wohnblocks, z.B. an der Dimker Allee, am Himmelsberg
und Am Wall. Aufgrund von hoher Fluktuation der MieterInnen und Verwahrlosung und
Vandalismus erstellt das Jugendamt 1996 eine Untersuchung über die Wohnblocks der
Dimker Allee.42 In den untersuchten Wohnblöcken ergibt sich ein Mieteranteil von 72,9% mit
Migrationshintergrund, davon stammen 52,4% aus den ehemaligen GUS-Staaten. Über die
Hälfte der Haushalte beziehen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt (54,5%)43. U.a. berichtet
40
Ausländeranteil: Stand 31.12.2002; Deutsche mit Migrationshintergrund: Stand: 31.01.2003; UVG-Fälle:
Stand 31.12.2002; Sozialhilfedichte: Stand 09.01.2003; Arbeitslosenquote: Stand Dezember 2002.
41
1997 standen nur 40 der Barkenberger LEG-Wohnungen leer (WAZ vom 28.10.1997).
42
Die Daten wurden manuell ausgezählt, da insbesondere ZuwanderInnen aus GUS-Staaten nach der
Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Ausgezählt wurden 8 ausgewählte Wohnblocks
(Dimker Allee 35, 53, 55, 57, 59, 77, 79) mit 231 Mietparteien bzw. 796 Personen. (Jugendamt der Stadt Dorsten
1996: 2)
43
Das Einkommen der übrigen MieterInnen konnte nicht ermittelt werden.
22
die Studie von folgenden Problemlagen44: Vereinsamung, ‚Überfremdung’45, mangelnde
gesellschaftliche Integration, Arbeitslosigkeit, empfundene Armut, Gewalt, Verwahrlosung
von Haushalten, illegaler Drogen- und Waffenhandel, sexuelle Übergriffe, Alkoholismus,
geringe Wohnqualität, etc. (Jugendamt der Stadt Dorsten 1996: 2ff.)
4.4.2 Infrastrukturelle Versorgung
Durch ihre Planung als Neue Stadt hat Wulfen infrastrukturell eine bessere Ausstattung als
andere Großsiedlungen. Im Hauptzentrum Barkenbergs, dem Wulfener Markt, der
ursprünglich als Verbindungsstück zwischen der Neuen Stadt und Alt-Wulfen fungieren
sollte, befinden sich die grundlegenden infrastrukturellen Einrichtungen. An einem großen
Marktplatz befindet sich das Gemeinschaftshaus, in dem kulturelle und sonstige
Veranstaltungen46 stattfinden können, ein Hallenbad, ein Ärzte- und Wohnhaus, eine
Einkaufspassage mit Wohnungen in den oberen Geschossen und die Gesamtschule mit
integrierter Stadtteilbibliothek. Direkt dahinter ist der künstlich angelegte See gelegen, der
ursprünglich auch zum Schwimmen konzipiert wurde. Da die Neue Stadt nie fertig gebaut
wurde, liegen diese Einrichtungen am Rande des Stadtteils.
Weiter gibt es ein Nebenzentrum, die „Simcity“47, im dichter bebauten, nordöstlichen Teil
Barkenbergs, wo es Arztpraxen, Geschäfte, Banken, eine Apotheke, Imbissbuden und eine
Tankstelle gibt.
Das Angebot an Bildungs- und Betreuungseinrichtungen erscheint angemessen, es existieren
in dem gesamten Stadtteil Wulfen 8 Kindergärten, davon 5 in Barkenberg. Damit ist jedes
Kind im Alter von 3-5 Jahren mit einem Platz versorgt. Weiterhin können
SchulanfängerInnen zwischen zwei Grundschulen wählen; das LehrerInnen/ SchülerInnenVerhältnis ist besser als im gesamtstädtischen Durchschnitt.48 Ferner gibt es eine integrierte
Gesamtschule mit öffentlicher Bibliothek und in Alt-Wulfen eine Haupt- und eine
Sonderschule. Zwei Alten- und Pflegeheime sind vorhanden. (Stadt Dorsten 2002: 66-68,91)
Zur Freizeitgestaltung gibt es die Möglichkeit, das Hallenbad aufzusuchen und an
(kulturellen) Veranstaltungen im Gemeinschaftshaus teilzunehmen. Ferner gibt es viele
Spielplätze49, fünf Freizeitheime und zahlreiche Sportflächen inklusive einer großen
Freizeitsportanlage im Grünen. Hier stellt sich allerdings die Frage des Zustandes und somit
der Nutzbarkeit, die ein statistischer Jahresbericht nicht beantworten kann. Positiv
hervorzuheben ist an dieser Stelle noch das Fuß- und Radwegenetz mit integrierten (Spiel)plätzen, was auf der einen Seite Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung bietet und auf der
anderen Seite vor dem Autoverkehr schützt. Die Mitgliedschaft in Vereinen liegt in etwa im
gesamtstädtischen Durchschnitt. (ebd.: 77, 91)
Nicht ausreichend ist auch die öffentliche Nahverkehrsanbindung. Zweimal pro Stunde
verkehren Linienbusse nach Dorsten und Marl (bzw. Oer-Erkenschick) und einmal pro Stunde
nach Haltern. Seit kurzem fahren auch Nachtexpresse aus Haltern und Dorsten-Mitte am
Wochenende Barkenberg an. Die Möglichkeiten, andere Städte mit Bus und Bahn zu
44
Diese Problemlagen wurden zum Teil durch die Bezirksarbeit oder durch das Zutragen von Beobachtungen
durch andere Institutionen und BürgerInnen bekannt, zum Teil basieren sie auf einer schriftlichen Umfrage unter
den deutschsprachigen Haushalten in den o.g. Wohnblock. (Jugendamt der Stadt Dorsten: 3)
45
Dieses Wort wurde aus der Studie übernommen. Es ist m.E. rassistisch und wird rechtspopulistisch gebraucht.
46
Hier finden Spielzeug- und Kinderkleidermärkte, Mutter-Kind-Gruppen, Seniorentreffs etc. statt. Ob das
Gemeinschaftshaus angenommen wird, kann hier nicht beurteilt werden.
47
Simcity ist die Bezeichnung der BarkenbergInnen für das Nebenzentrum, benannt nach dem Computerspiel, in
dem man eine Stadt erbauen soll.
48
Auf 18,36 SchülerInnen der Grundschule kommt einE LehrerIn, in der gesamten Stadt Dorsten müssen sich
20,29 SchülerInnen einEn LehrerIn teilen (eigene Berechnungen nach Stadt Dorsten 2002: 68, Stand
31.12.2001).
49
Mit 35 Spielplätzen hat Wulfen mit Abstand die meisten Spielplätze der Stadtteile in Dorsten (Stadt Dorsten
2002: 91).
23
erreichen, sinken nach Geschäftsschluss erheblich, lediglich die Busse nach Marl und Dorsten
fahren ab 20 Uhr noch einmal in der Stunde. Zudem sind häufig alte Busse unterwegs, in
denen ein Kinderwagen keinen Platz findet und in denen RollstuhlfahrerInnen nicht befördert
werden können. Der nächste Bahnhof mit Verbindungsmöglichkeiten nach Essen und
Dortmund liegt in Dorsten. Obwohl sich die ÖPNV-Verbindungen in den letzten Jahren stetig
verbessert haben, ist man in Barkenberg auf ein Auto angewiesen, um ausreichend
unabhängig zu sein. Sich am Wochenende weiter als Dorsten und Marl zu bewegen, ist
praktisch nicht möglich.50 Über drei Autobahnen51 im Radius von 8km, die zügig über
Bundesstraßen zu erreichen sind, gelangt man nach Münster und in große Teile des
Ruhrgebiets, wobei hier einzelne Städte wie z.B. Essen schlechter zu erreichen sind.
5 Barkenberg: Wie sehen die ExpertInnen den Stadtteil?
5.1 Methodische Vorgehensweise und Probleme
Bisher habe ich die Situation Barkenbergs lediglich durch Daten vermittelt dargestellt. Ich
konnte mit Hilfe der Sozialberichterstattung Einblicke in die Sozialstruktur und die
infrastrukturelle Versorgung des Stadtteils und von einzelnen Quartieren geben.
Für die weitere Analyse des Stadtteils und insbesondere der Strategien und Handlungsansätze
zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung habe ich mit insgesamt neun
StadtteilakteurInnen leitfadengestützte offene Experteninterviews geführt, sie bilden die
hauptsächliche Grundlage der vorliegenden Stadtteilstudie. Den Expertenstatus haben die
Personen aufgrund meines Forschungsinteresses erlangt, d.h.
eine Person wird zur ExpertIn gemacht, weil wir wie auch immer begründet annehmen, dass diese
Person über Wissen verfügt, das ihr zwar nicht unbedingt alleine verfügbar ist, das aber doch nicht
jedermann bzw. jederfrau im interessierenden Handlungsfeld zugänglich ist. (Meuser/ Nagel
2002b: 259)
Ich habe folglich wichtige Akteure aus dem Stadtteil interviewt. Orientiert habe ich mich an
den Akteuren der Sozialen Stadtentwicklung (vgl. Kap. 3.4), die weitere Auswahl der
Befragten erfolgte über das sogenannte Schneeballverfahren, so dass mir einzelne
ExpertInnen andere empfahlen. Interviewt habe ich einen Sozialarbeiter des Allgemeinen
Sozialen Dienstes des Jugendamtes, Joachim Thiehoff; jeweils einen Lehrer der Gesamt- und
Hauptschule, Rainer Diebschlag und Volker Helfferich; die Vorsitzende des Bürgertreffs
Dimker Allee e.V., Marion Werk; eine Sozialarbeiterin, die bei der Dorstener Arbeit52
arbeitslose Jugendliche berät und bei der Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle arbeitet,
Sigrid Gläser; den Barkenberger Bezirkspolizisten Manfred Flaß; Streetworker Pater Winfried
Pauly und den Dorstener Bürgermeister Lambert Lütkenhorst. Als Pretest habe ich den
Sozialarbeiter Andreas Winkelhorst, einen Mitarbeiter des erst Anfang dieses Jahres
implementierten Sozialraumzentrums interviewt. Das Interview wird auch ausgewertet,
allerdings unter Berücksichtigung der kurzen Zeit, die Herr Winkelhorst im Stadtteil arbeitet.
Sieben der neun Befragten haben mindestens einen Fachhochschulabschluss. Alle sind
institutionalisierte Akteure in der Stadtteilarbeit. Bis auf den Bürgermeister sind die
Interviewten hauptsächlich im Stadtteil tätig, eine Ausweitung auf weitere Teile der Stadtoder Landespolitik wäre sicherlich interessant und in einer weiteren Studie zu
50
http://www.vrr.de, zugegriffen am 27.02.2003.
A31: westliches Ruhrgebiet – Emden; A43: Wuppertal – Münster (über Bochum/ Recklinghausen); A52:
Gelsenkirchen-Buer – Marl (A43).
52
Gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft
51
24
berücksichtigen. Der Bürgermeister ist als Person, die sich sehr engagiert für den Stadtteil
zeigt, ausdrücklich empfohlen worden.
Aufgrund der methodischen Definition von ExpertIn (s.o.) habe ich keine BewohnerInnen
interviewt. In einer weiterführenden Studie sollten die Bewertungen und Einstellungen der
BewohnerInnen – mit einer entsprechenden Methode - Berücksichtigung finden. Die
befragten Personen sind zu einem großen Anteil männlich, obwohl ich mich bemüht habe,
auch Frauen zu interviewen. Das liegt wohl daran, dass leitende Positionen weiterhin in der
Regel in männlicher Hand sind.
Die Anfragen verliefen in der Regel unproblematisch, die zu Befragenden reagierten meist
mit freudigem Interesse. Lediglich bei einem Mitarbeiter der LEG entschied ich mich gegen
ein Interview, da ich dessen „kostbare Zeit“ nicht stehlen wollte.
Die Anfrage erfolgte in der Regel telefonisch, aber auch per E-Mail. Der Erhebungszeitraum
war März/ April 2003. Die Dauer eines Interviews belief sich in der Regel auf 30 bis 60
Minuten. Besonders kurze Interviews fanden unter eingeschränkt verfügbarer Zeit statt.53
Ich habe mit einem offenen Leitfaden gearbeitet.54 Erstens interessiert mich lediglich ein
Ausschnitt aus dem Wissen der befragten Person, das ich mit Hilfe eines Leitfaden abfragen
konnte und zweitens sicherte der Leitfaden die thematische Vergleichbarkeit der
Experteninterviews (Meuser/ Nagel 2002a: 77ff.). Der Schwerpunkt lag darauf, die
Ausgangssituation im Stadtteil zu beschreiben – dies geschah ergänzend zu der statistischen
Darstellung und die verschiedenen Handlungsansätze im Umgang mit Armut zu analysieren.
Zudem interessierte mich die Einstellung der Befragten zu der Verantwortung der Stadtpolitik
und ihre Wahrnehmung der gesamtgesellschaftlichen Ursachen von Armut und ihrer
sozialräumlichen Konzentration.
Bei der Auswertung orientierte ich mich an Meuser/ Nagel (2002a). Grundlage bildet die
Methode der qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Mayring 1997).
Das Ziel ist [...] im Vergleich mit den anderen ExpertInnentexten das ÜberindividuellGemeinsame herauszuarbeiten, Aussagen über Repräsentatives, über gemeinsam geteilte
Wissensbestände, Relevanzstrukturen, Wirklichkeitskonstruktionen, Interpretationen und
Deutungsmuster zu treffen. (Meuser/ Nagel 2002a: 80)
Zuerst habe ich alle Interviews transkribiert, wobei ich auf aufwendige Notationssysteme
verzichtet habe, da sie für die Auswertung ohne Interesse sind. Auch grammatisch
unvollständige und unverständliche Sätze wurden zum besserem Verständnis geglättet.
Anschließend habe ich die Interviews paraphrasiert und den entsprechenden Passagen
Überschriften zugewiesen, um das umfangreiche Textmaterial zu verdichten. Die Paraphrase
verlief selektiv. Exemplarisch wurden Zitate hinzugefügt. Die Reihenfolge des Textes wurde
verändert, so dass das Material übersichtlicher wurde. Nachdem so die einzelnen Interviews
behandelt wurden, kam es zu einer „Reduktion der Terminologie“ (Meuser/ Nagel 2002a: 86)
und zu einer Zunahme der „Komplexität der Inhalte“ (ebd.). Erst zu diesem Zeitpunkt ging
die Auswertung über das einzelne Interview hinaus. Aus allen Interviews wurden
vergleichbare Textpassagen anhand der Überschriften ausgewählt und gegenübergestellt. Ich
habe Kategorien gebildet, dabei wurden Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Widersprüche
herausgearbeitet. Dieser Teil wird in dieser Arbeit bereits dokumentiert. (Kap. 5.2) Die
Aussagen der ExpertInnen werden vergleichend und geordnet vorgestellt. Es geht hier
allerdings nicht darum, die unterschiedlichen Ziele, Interessen und Motivationen der
einzelnen Akteure gegeneinander zu diskutieren, da nicht von akteursspezifischen
Unterschieden auszugehen ist, da die Akteure sich eher ähnlich sind. (Meuser/ Nagel 2002a:
83-88) Gleichzeitig zu der rein deskriptiven Komponente, werden die Inhalte soziologisch53
54
Dies war bei Siegrid Gläser und Lambert Lütkenhorst der Fall.
Der Leitfaden befindet sich im Anhang.
25
hermeneutisch gedeutet. Das heißt, dass Aussagen nicht aufgrund von Alltagsverstand
getroffen werden, sondern auf soziologischem Sonderwissen beruhen. (Soeffner 2000: 168)
Die Absicht dahinter ist, „einen Anschluss der Interpretation an allgemeinere disziplinäre
Diskussionen zu ermöglichen“ (Meuser/ Nagel 2002a: 88). Ich werde also bereits im
folgendem Kapitel (vgl. Kap. 5.2) Aussagen der StadtteilexpertInnen in soziologische
Terminologien übersetzen.
In dem Resümee der Arbeit (vgl. Kap. 6) werde ich nochmals die wichtigsten Aussagen
zusammenfassend vorstellen und interpretieren. Weiter werde ich versuchen die gewonnenen
Erkenntnisse theoretisch zu generalisieren. Dies erfolgt losgelöst vom Interviewmaterial.
In der qualitativen Forschung ist es üblich, verschiedene Methoden zu kombinieren. Ich habe
zwar meinen Schwerpunkt auf die Methode der leitfadenorientierten Experteninterviews
gelegt, die mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet wurden. Doch auch andere
qualitative Methoden werden im Folgendem berücksichtigt. So werde ich auch Dokumente
analysieren und Zeitungsartikel heranziehen. Vor allem bei der Beschreibung der Projekte im
Stadtteil sind sie von Interesse.
Auch die Beobachtungen, die ich während meiner Besuche im Stadtteil gemacht haben,
fließen in die Studie ein. Zudem kenne ich den Stadtteil und zahlreiche BewohnerInnen
einerseits seit mehreren Jahren persönlich und andererseits habe ich, seit ich mich zu dem
Thema meiner Diplomarbeit entschieden habe, gezielt mit BewohnerInnen Barkenbergs und
angrenzenden Stadtteilen und Städten diskutiert. Gerade auch durch meine langjährige Arbeit
in der Verwaltung des Westfälischen Jugendhilfezentrums in Dorsten bekam ich Einblicke in
die Entwicklung Barkenbergs.
5.2 Auswertung der Experteninterviews
5.2.1 Ausgangbedingungen im Stadtteil: Probleme und Potenziale
Zu den Besonderheiten Barkenbergs zählt sicherlich seine Entstehungsgeschichte. Der
Ortsteil ist nur vor diesem Hintergrund zu begreifen. Barkenberg hat keine Geschichte, es ist
kein gewachsener Stadtteil. Alle BewohnerInnen wohnen frühestens seit den 60er Jahren in
dem Stadtteil. „Das wirkt sich aus in allen Fragen des Lebens,“ beschreibt Joachim Thiehoff
die Situation. So unterscheidet sich die Bebauungsweise von gewachsenen Ortsteilen, es gibt
keinen Ortskern mit einer Kneipe, schildert eine Befragte. Auch gibt es keine
mittelständischen Betriebe, wie Handwerksbetriebe, die sonst in einer gewachsenen Ortschaft
ansässig sind. Als positiv werteten die Befragten, dass viele Leute sich für den Stadtteil
engagieren, gerade am Anfang, was sie auf den Projektcharakter der Entstehung
zurückführen. „Und wenn man etwas Neues hat, dann hat man auch Ambitionen, man hat
Hoffnungen, man hat Wünsche und versucht, sie zu realisieren und ist sehr aktiv“
(Diebschlag).
Der Ruf von Barkenberg ist sehr charakteristisch für den Ort. „Das Image ist ja in Barkenberg
traditionell geteilt“ (Thiehoff). Alle Befragten, die sich dazu äußern, geben an, dass
Barkenberg außerhalb einen extrem schlechten Ruf hat. Es finden sich Bezeichnungen von
‚Tal der fliegenden Messer’ über ‚Barackenberg’ bis hin zu ‚Klein-Chicago’. Gerade in
Dorsten denken die Menschen katastrophal über Barkenberg, Volker Helfferich berichtet,
dass ihn früher keine Dorstener SchulfreundInnen besuchen durften, „denn hier wurden alle
umgebracht.“ Die BewohnerInnen Barkenbergs hingegen mögen ihren Stadtteil und wohnen
gerne dort. Die BarkenbergerInnen unter den interviewten ExpertInnen, beeilen sich alle zu
sagen, wie schön der Stadtteil ist und wie nett es sich dort leben lässt. Das positive Image
seitens der Bewohnerschaft bezieht sich aber laut J. Thiehoff überwiegend auf die klassische
Mittelschicht, die in Barkenberg ihr Eigenheim haben und außerhalb arbeiten. Das wird auch
von Marion Werk bestätigt.
26
Die Stadtteilstruktur wird von den ExpertInnen als Schlafstadt oder Pendlerstadt
charakterisiert. Die BewohnerInnen arbeiten auswärts, da es in Barkenberg selber kaum
Arbeitsplätze gibt. Die Dienstleistungen, die in Barkenberg angeboten werden, decken
lediglich das ab, was zum täglichen Leben gebraucht wird, wie Einkaufsmöglichkeiten und
Ärzte. Auch in der Freizeitgestaltung ist das Pendeln sehr verbreitet.
Polarisierung ist ein auffälliges Merkmal in vielen Bereichen Barkenbergs. Alle befragten
StadtteilakteurInnen berichten von einer stark polarisierten Bevölkerungsstruktur, die sich
zusätzlich in der städtebaulichen Struktur ablesen lässt. Einerseits berichten die ExpertInnen
von „wunderschönen Wohngegenden“ (Pauly), das sind bürgerliche Einfamilienhausgebiete
in den Außenbezirken, wo gutsituierte Leute wohnen. Im inneren Kern von Barkenberg gibt
es andererseits Siedlungen des Geschosswohnungsbaus, die städtebaulich in einem schlechten
Zustand sind und in denen sich benachteiligte Bevölkerungsgruppen konzentrieren. Dieser
Bereich wird als „sozialer Brennpunkt“ beschrieben, ein Befragter spricht sogar von
„Ghettobildung“. Die beiden Extreme existieren „krass nebeneinander“ (Pauly). Trotz der
räumlichen Nähe der polarisierten Bevölkerungsgruppen, existiert im Alltag eine soziale
Distanz. „Die Problembereiche sind gegenüber den anderen Bereichen ziemlich abgeschottet“
(Diebschlag). So gibt es z.B. nach Pater Paulys Aussage Kindergärten, in die fast 100%
„verhaltensauffällige Kinder“ gehen und welche, in denen es nur Kinder aus der Mittelschicht
gibt. Pater Pauly wundert sich, dass es „noch so ruhig ist im Stadtteil.“
Bei den problematischen Straßenzügen handelt es sich vor allem um die 7-8stöckigen Häuser
der Dimker Allee, aber auch in der Barkenberger Allee und Am Wall treten vermehrt
Probleme auf, „wo man nicht sagen kann, das ist ein Brennpunkt, aber es schwillt“ (Werk).
Die Talaue gehörte früher zu benachteiligten Vierteln Barkenbergs, hat sich aber nach
Aussage mehrerer befragter ExpertInnen deutlich verbessert.
Die benachteiligten Quartiere zeichnen sich nach Aussage aller Befragter durch eine
katastrophale Bausubstanz aus, in den Wohnungen schimmelt es, die Häuser sind stark
verschmutzt und unzureichend isoliert. Hinzu kommen Vandalismusschäden. Auch das
Wohnumfeld wird negativ geschildert. Diese Problematik wird durch einen erheblichen
Leerstand und durch hohe Mieterfluktuation noch verschärft (vgl. Kap. 4.4.1). Dies führt
dazu, dass dort nur die Menschen einziehen, die woanders keine Wohnung finden und die
ausziehen, die die Möglichkeit haben. Im Ruhrgebiet ist der Wohnungsmarkt ziemlich
entspannt, so dass lediglich ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen Wohnraum in Barkenberg in
Anspruch nehmen. Gerade Fehlbelegungsabgaben unterstützen auch die Abwanderung der
Mittelschicht. Es ziehen vor allem Personen und Familien nach Barkenberg, die „eher zu
einer Verschlechterung der Situation beitragen“ (Thiehoff). Die StadtteilakteurInnen berichten
von einer Konzentration sozialer Benachteiligung, es gibt in diesen Siedlungen
überdurchschnittlich viele AussiedlerInnen und AusländerInnen und auch die
EmpfängerInnen von sozialen Leistungen sind stark überrepräsentiert. Diese Aussagen
werden von den Daten der Stadt Dorsten verifiziert (vgl. Kap. 4.4.1). In diesen Hochhäusern
fehlen Nachbarschaften, sie können sich aufgrund der kurzen Verweildauer gar nicht
entwickeln und „es ist absolut anonym“ (Helfferich). Zudem sehen viele ExpertInnen in den
verschiedenen Nationalitäten, die auf engem Raum zusammenwohnen, Konfliktpotenzial,
„weil man sich gegenseitig nicht akzeptiert und auch ein Feindbild da aufgebaut hat“ (Werk).
Die Kriminalitäts- und Drogenproblematik scheint nicht erheblich zu sein. Lediglich eine
Person gibt erhöhte Kriminalitätsraten an, andere, wie auch der Polizist Manfred Flaß, sagen
aus, dass es in Barkenberg nicht mehr Kriminalität gibt als in anderen Stadtteilen auch. Eine
Drogenproblematik habe es früher einmal gegeben, aber das sei heute nicht mehr so drastisch.
Als besonders prekär beschreiben alle Befragten die unzureichenden Angebote für
Jugendliche. Es gibt weder eine Disko noch ein Kino vor Ort, auch existiert keine Kneipe
oder sonst ein informeller Treffpunkt für Jugendliche. Diese Angebote können auch außerhalb
27
nur bedingt wahrgenommen werden, da die Busse abends nur noch selten fahren. Die
Verkehrssituation des öffentlichen Nahverkehrs im Allgemeinen wird häufig kritisiert.
Die Verkehrsanbindung vermindert auch die ohnehin schon schlechten Arbeitsmöglichkeiten.
Ohne Auto ist es häufig nicht möglich, arbeiten zu gehen. Das betrifft gerade Frauen als
Zweitverdienerinnen und Jugendliche, die ihren potenziellen Ausbildungsplatz vielleicht nicht
erreichen können. Siegrid Gläser merkt an, dass es sich für Frauen, die zusätzlich ihre Kinder
versorgen müssen und dadurch nur eine geringfügige Beschäftigung annehmen würden, nicht
lohnt, arbeiten zu gehen, außerdem gäbe es erst seit kurzem Betreuungsangebote für Kinder in
größerem Umfang.
In Wulfen selber gibt es kaum Arbeitsplätze, was von vielen AkteurInnen als Problem
beschrieben wird. Lediglich am Rand gibt es ein bisschen produzierendes Gewerbe, aber
größere Industrieansiedlungen sind weiter entfernt wie der Chemiepark Hüls in Marl. Die
Dorstener Arbeit, als zweiter Arbeitsmarkt, ist nach der Stadtverwaltung Siegrid Gläser
zufolge der zweitgrößte Arbeitgeber. Sie berichtet auch, dass die wenigen mittelständischen
Betriebe, die es gibt, Konkurs anmelden müssen. Die Zeche, für die Barkenberg schließlich
gebaut wurde, konnte nie im erwarteten Umfang Arbeitsplätze schaffen und ist mittlerweile
auch komplett stillgelegt. Pater Pauly bemängelt, dass dadurch nie eine Identität mit dem
Stadtteil entstehen konnte. Die Arbeitslosigkeit wird von nahezu allen sich dazu geäußerten
Interviewten als überdurchschnittlich hoch eingeschätzt, „die Arbeitslosigkeit ist sicher eines
der größten Probleme in Barkenberg,“ urteilt Bürgermeister Lambert Lütkenhorst. Als
weiteres ökonomisches Problemfeld, wäre der Einzelhandel auszumachen. Der Wulfener
Markt ist „notleidend“ (Lütkenhorst), es stehen dort sehr viele Geschäfte leer und das
Angebot ist gering.
In Barkenberg gibt es folglich in allen Bereichen strukturelle Probleme. Unter städtebaulichen
Gesichtpunkten ist die äußerst marode Bausubstanz der Geschossbauten zu nennen. Die
ausschlaggebenden sozialen Probleme sind die „soziale Entmischung“ (Pauly) in bestimmten
Siedlungen und die fehlenden Angebote für Jugendliche. Ökonomische Perspektiven können
aufgrund fehlender Arbeitsmöglichkeiten nicht gesehen werden. In den benachteiligten
Vierteln Barkenbergs besteht also eine Kopplung von sozialen, städtebaulichen und
ökonomischen Problemen, die sich gegenseitig bedingen und verstärken. Dies führt zu einer
Stigmatisierung des kompletten Stadtteils, was wiederum die vorhandenen Probleme
verschärft. Das heißt Barkenberg ist einer Abwärtsspirale ausgesetzt, Armut verlängert und
verfestigt sich. Durch den Raum wird also zusätzlich Benachteiligung erzeugt (vgl. Kap. 2).
Im Großem und Ganzem nennen die ExpertInnen drei wichtige Potenziale. Städtebaulich wird
das Fuß- und Radwegenetz gelobt, auch die Lage im Grünen zählen die meisten interviewten
StadtteilakteurInnen als Potenzial auf. Aber vor allem betonen die Interviewten alle ein
außerordentliches Engagement unter den BewohnerInnen und den verschiedenen Sozial- und
Bildungseinrichtungen, welches mit einer guten Vernetzung zwischen ehrenamtlich und
beruflich Tätigen einhergeht.
Viele der befragten Personen geben das Fuß- und Radwegenetz als Potenzial an, da Kinder
unbeaufsichtigt spielen können und „dann sehr selbstständig unterwegs [sind], weil eben der
Verkehr keine Gefahr darstellt“ (Gläser). Die Lage im Grünen wird gerne gepriesen: „[W]enn
wir uns aufs Fahrrad setzen, in fünf Minuten sind wir in der Hohen Mark, da sind wir raus,“
schwärmt Polizist Manfred Flaß. Joachim Thiehoff gibt allerdings zu bedenken, dass die
grüne Lage lediglich die Mittelschichtfamilien nutzen. Die benachteiligten Familien „wohnen
in einem Hochhaus und gucken aus dem siebten Stock tatsächlich in eine wunderschöne
Landschaft. Nur ich bezweifle, dass die Familien die 500 Meter zum Wald tatsächlich finden
oder gehen [...]. Das ist also eine Pseudodiskussion an der Stelle.“
Die Bereitschaft und das Engagement der verschiedenen Akteure im Stadtteil mitzuwirken,
wird immer wieder hervorgehoben. Die Menschen sehen den „Stadtteil als Ganzes“
(Thiehoff), arbeiten sehr verantwortungsvoll und bringen enorme Fähigkeiten mit, berichten
28
die verschiedenen StadtteilakteurInnen. In diesem Zusammenhang wird gerade die
ausgesprochen gute Zusammenarbeit und Vernetzung der Akteure hervorgehoben. „ [...] eine
gute Zusammenarbeit ist immer ein Riesenpotenzial, so dass man hier etwas verändern kann“
(Helfferich).
Allerdings wird von einigen befragten AkteurInnen hinzugefügt, dass die Anteilnahme am
Stadtteilgeschehen in letzter Zeit abgenommen hat. Pater Pauly stellt in Frage, ob das
Engagement der BürgerInnen ein Potenzial ist, „weil wahre Entscheidungen für die
Umgestaltung eines Stadtteils woanders liegen,“ dieser Frage werde ich noch später bei der
Beurteilung der Maßnahmen und der Verantwortung der Stadtpolitik nachgehen.
Auch wenn keinEr der befragten StadtteilexpertInnen das so explizit sagt, kann man
heraushören, dass das Engagement für den Stadtteil in aller Regel von Angehörigen der
Mittelschicht ausgeht. Auch die Betrachtung der ehrenamtlich Tätigen unterstützt diese
Aussage.
Ökonomische Potenziale sind im Stadtteil nicht vorhanden, da sind sich alle ExpertInnen
einig.
5.2.2 Strategien zur Bewältigung von Armut: Projekte und Akteure
Was tun? Verschiedene Akteure wie Initiativen, BürgerInnen und die Stadtverwaltung haben
sich der Probleme in Barkenberg angenommen. Einige Projekte und wichtige Akteure sollen
jetzt vorgestellt werden. Eine vollständige Darstellung ist nicht möglich, da sehr viel zur
Verbesserung der Lebenssituation und zur Stabilisierung der Situation in bestimmten
Wohngebieten beiträgt, aber nicht alles erfasst werden kann. Es wird also kein Anspruch auf
Vollständigkeit erhoben. Die Auswahl der Projekte wurde entsprechend der Aussagen der
ExpertInnen getroffen. Zusätzlich werden aber Dokumente und Zeitungsberichte
hinzugezogen.
5.2.2.1 Bürgertreff Dimker Allee e.V.
Der Bürgertreff ist das wohl wichtigste Projekt, welches sich für die Verbesserung der
Lebenssituation benachteiligter Bevölkerungsgruppen in Barkenberg einsetzt. Von allen
befragten StadtteilexpertInnen wird der Bürgertreff zuerst genannt.
Der Mieterbeirat gründete 1997 den Bürgertreff Dimker Allee e.V. Der Trägerverein setzt sich
neben dem Mieterbeirat aus Matthäus- und Barkenbergschule, der ev. und kath. Kirche, dem
Jugendamt der Stadt Dorsten, dem Caritasverband und dem Kinderschutzbund Dorsten
zusammen (Stadt Dorsten 03.12.2002: 2). Joachim Thiehoff gibt an, dass sich der Verein ganz
bewusst aus diesen unterschiedlichen Organisationen und Institutionen zusammensetzt, um
„darüber das vorhandene Potenzial an Arbeitskraft und Arbeitszeit in dem Bürgertreff zu
bündeln.“
Zweck des Vereins ist „die Förderung der Jugendhilfe und die Integration von Migranten
sowie die Verbesserung der Informations- und Kommunikationsstruktur unter allen
Bewohnern der Dimker Allee“ (Stadt Dorsten 03.12.2002: 1). Die Handlungsschwerpunkte
sind demnach Jugendarbeit, Integration ausländischer BewohnerInnen und Förderung des
Zusammenlebens.
Ständige Angebote des Vereins sind laut Programmheft für das Jahr 2003:
Hausaufgabenbetreuung, Spiel- und Freizeitangebote für Jugendliche, Kinder- und
Frauengruppen, Deutschkurse, Beratung speziell für Jugendliche, Aussiedlerberatung und
Sprechzeiten des Mieterbeirats. Im Keller befindet sich zusätzlich eine Fahrradwerkstatt. Seit
Dezember 2002 bietet der Bürgertreff ein ehrenamtliches Beratungsangebot als erste
Anlaufstelle für unterschiedliche Problemlagen an, eine ausgebildete Psychologin unterstützt
die MitarbeiterInnen (Stadt Dorsten 06.12.2002). Anfang dieses Jahres wurde die erste
bezahlte Stelle im Bürgertreff eingerichtet. Zwei Sozialarbeiterinnen bieten halbtags
professionell Beratung für Menschen an, die bedroht sind, obdachlos zu werden (Bürgertreff
29
Dimker Allee e.V. 2003). Die Einrichtung der Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle wird von
vielen befragten StadtteilakteurInnen als Fortschritt bewertet. Mit dieser Stelle könnten neben
der persönlichen Hilfe für die Betroffenen die Strukturen im Stadtteil verbessert werden,
indem eine höhere Verweildauer in den Wohnungen erreicht wird. Nur dann könnten sich
Nachbarschaften entwickeln. Folglich versucht man, die Bewohnerschaft im Stadtteil zu
halten, „einfach, damit mehr Stabilität und mehr Identität in den Stadtteil kommt“ (Thiehoff).
Diese Stelle fördert zu 80% das Land und jeweils 10% zahlen die beiden
Wohnungsbaugesellschaften LEG und Dorstener Wohnungsgesellschaft.
Neben den regelmäßigen Angeboten finden auch andere Projekte statt. Das jährliche
Sommerfest, was gemeinsam mit der LEG veranstaltet wird, zieht etwa 400-500 Gäste an.
Auch werden Ausflüge angeboten und der Bürgertreff ist Träger des Hüttenprojekts von Pater
Pauly (s.u.). Ansonsten gibt es Informationsveranstaltungen, die sich an den Interessen der
BewohnerInnen orientieren. Das sind Veranstaltungen zu Ernährungsfragen oder über den
Aufbau des deutschen Schulsystems. Alle Angebote sind in der Regel kostenfrei. Zusätzlich
ist der Bürgertreff einfach nur ein Treffpunkt, der für alle offen ist, was die soziale
Infrastruktur dieser Gegend verbessert.
Die BewohnerInnen sind in die aktive Arbeit eingebunden, „was ein ganz wichtiger Punkt im
Konzept des Bürgertreffs war, denn der Bürgertreff ist eigentlich ein Projekt für die
Menschen, aber auch mit den Menschen“ (Werk). Viele der Gruppen werden von
BewohnerInnen geleitet. Es besteht ein enger Kontakt zu den einzelnen Gruppen, so dass
Vorschläge und Anregungen an den Vorstand herangetragen werden, erzählt die Vorsitzende
Marion Werk. Die organisatorische Tätigkeit wird allerdings nicht von BewohnerInnen
durchgeführt. Marion Werk als Vorsitzende arbeitet rein ehrenamtlich. Sie ist in ihrer
Funktion als Vorsitzende des Kinderschutzbundes dort tätig geworden. Die anderen Personen,
die in der Leitung und Organisation involviert sind, machen dies in der Regel aufgrund ihrer
beruflichen Position, da ihre Arbeitgeber Mitglieder des Trägervereins sind. Die Einbindung
der BewohnerInnen wäre einigen Interviewten zufolge aber noch ausbaufähig, obwohl dies
auch als schwierig eingeschätzt wird.
Vor allem die Internationalität der Gruppen wird als positiv bewertet, weil – so schildern die
beiden Vorsitzenden – die verschiedenen Nationalitäten sich besser kennen lernen können.
Als Beispiel wird die Frauengruppe besonders hervorgehoben.
Die Finanzierung des Vereins läuft zum großen Teil über Spenden, berichtet Marion Werk.
Die Wohnung stellt die LEG zur Verfügung, sie trägt auch die Sachkosten und bezahlt
Honorarkräfte, die für Sprachkurse benötigt werden. Eine Jugendgruppe wird von der Stadt
bezahlt und die Hausaufgabenbetreuung finanziert der Kinderschutzbund. Alles andere läuft
ehrenamtlich, aber – so folgert Marion Werk – anders wäre es auch nicht möglich.
Der Bürgertreff wird allen Befragten zufolge gut angenommen. An der Basis lebt die
inhaltliche Arbeit „natürlich letztendlich von Bewohnerinnen und Bewohnern“ (Thiehoff).
Dadurch kann etwas verbessert werden, urteilt Volker Helfferich. Auch hat der Bürgertreff
sowohl bei den StadtteilakteurInnen als auch auf der politischen Ebene der gesamten Stadt
Dorsten mittlerweile eine hohe Akzeptanz gefunden. So ist er inzwischen auch ein
„Sprachrohr für die Anliegen Barkenbergs und speziell für diese Siedlung“ (Thiehoff).
Tabelle 5.1: Bürgertreff Dimker Allee. Eine Übersicht
Bürgertreff
Dimker Allee e.V.,
gegründet 1997
1. Vorsitzende:
2. Vorsitzender:
Kassierer
Vereinsmitglieder:
EG Wohnung
Dimker Allee 59
46286 Dorsten
Marion Werk, Kinderschutzbund
Volker Helfferich, Matthäusschule
Udo Werk, Mieterbeirat
•
Matthäusschule
•
•
Barkenbergschule
•
Jugendamt Stadt Dorsten
Caritas
30
Aktivitäten:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Ev. Kirchegemeinde
Kath. Kirchengemeinde
Kindergruppe
Jugendgruppe
Sprachkurse
Hausaufgabenbetreuung
Sportgruppe
Frauengruppe
Frühstückstreff – Treff
ausländischer
und
deutscher Frauen
Aussiedlerberatung
Beratungsstelle
für
Wohnungsnotfälle
Beratung speziell für
Jugendliche
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Kinderschutzbund
Mieterbeirat
Kontaktstelle (Beratung
und Hilfe bei allen
Problemen)
Sprechstunde
des
Mieterbeirats
Fahrradwerkstatt Tandem
Abendliches
Treffen
ausländischer
und
deutscher Frauen
Informationsveranstaltun
gen zu verschiedenen
Themen
Sommerfest
Ausflüge
Quelle: Bürgertreff Dimker Allee e.V. 2002
5.2.2.2 Pater Pauly und seine Hütten
Pater Winfried Pauly vom Redemptoristen-Orden ist seit zweieinhalb Jahren als Streetworker
in Barkenberg tätig. Das Streetworkprojekt hat „benachteiligte, ausgegrenzte oder von
Ausgrenzung bedrohte Jugendliche“ (Winfried Pauly 2002: 4) zur Zielgruppe. Im näherem
Umkreis von Bottrop-Kirchhellen, wo sich das Jugendkloster der Redemptoristen befindet,
wurde Barkenberg von Pater Pauly als Ortsteil ermittelt, in dem sich benachteiligte junge
Menschen konzentrieren und somit Handlungsbedarf besteht. Das Streetworkprojekt vertritt
einen sozialräumlichen Ansatz. Pater Pauly sucht die Jugendlichen an ihren Treffpunkten auf
und bietet ihnen die Möglichkeit, sich zu gewissen Zeiten in einer Wohnung zu treffen, die er
als Kontaktbüro eingerichtet hat. Die Wohnung wird von der LEG kostenlos zur Verfügung
gestellt. Es geht vor allem um die Jugendlichen, die anerkannte Jugendeinrichtungen nicht
aufsuchen. Bei seiner Arbeit sollen die „vorhandenen Cliquenstrukturen wahrgenommen und
berücksichtigt werden“ (ebd.).
Zu den einzelnen Angeboten des Streetworkprojekts in Wulfen-Barkenberg zählen:
„Vermittlung zu den vorhandenen Jugendtreffs, Freizeitaktivitäten, Freizeitfahrten, Beratung
und Krisenintervention, Seelsorge, Hilfestellung, Vermittlung von Hilfeangeboten,
Stadtteilarbeit/ Gemeinwesenarbeit, Öffentlichkeitsarbeit zur Verbesserung von Information
und zur Vermeidung von Ausgrenzung“ (ebd.). Die einzelnen Aktivitäten ergeben sich sehr
spontan, erzählt Pater Pauly, gerade Spielen sei eine beliebte Freizeitbeschäftigung, deshalb
hat er immer einen Rucksack mit verschiedenen Spielen wie Boccia, Jonglierbälle etc. dabei.
Auf Grund dessen nannten ihn die Kinder und Jugendlichen zum Anfang den „Mann mit den
Spielen“.
Die Personalkosten für Pater Pauly trägt der Redemptoristen-Orden, erhofft sich aber eine
Bezuschussung durch die Stadt Dorsten oder das Bistum Münster, die signalisieren aber ihr
finanzielles Unvermögen. Weitere Kosten werden zum Teil durch Spenden abgedeckt.
(Winfried Pauly 2002: 5)
Das aktuellste Projekt ist das o.g. Hüttenprojekt. An Orten, die für Jugendliche gut zu
erreichen sind und wo die AnwohnerInnen nicht gestört werden, wurden ‚überdachte Bänke’
aufgestellt. Die Hütten wurden von der Dorstener Arbeit im Rahmen einer
Qualifizierungsmaßnahme für arbeitslose Jugendliche gefertigt. Die Finanzierung lief
ausschließlich über Sponsoren. Für jede Bank sollen sich Jugendliche finden, die diese
betreuen und sauber halten. Im Dezember wurden bereits fünf Hütten von Bürgermeister
31
Lambert Lütkenhorst eingeweiht.55 Dieses Projekt bezieht also auch neben der Jugendhilfe
weitere Handlungsfelder mit ein, auch die Verbesserung der Wohnumfeldqualität, die
Qualifizierung und Beschäftigung von Arbeitslosen und die Förderung des Zusammenlebens
sind Bestandteil des Hüttenprojekts.
Pater Paulys Streetworkarbeit und sein Hüttenprojekt wird von allen Befragten
außerordentlich positiv bewertet. In der Bereitstellung von informellen Treffpunkten, die am
Rande von Pater Pauly begleitet werden, sieht Joachim Thiehoff für die Jugendlichen die
Möglichkeit „ein Stück Identifikation für sich zu bilden.“ Ein „vorbildliches Projekt“ so
Rainer Diebschlag. Ohne Pater Pauly gäbe es für bestimmte Jugendliche keine Anlaufstelle.
Die Hütten stellen ein Angebot für Jugendliche dar und sind deshalb positiv zu bewerten.
Jedoch verdeutlichen sie auch die Situation der Jugendlichen. Es ist von Nöten, Einrichtungen
zu schaffen, in denen nicht „nur“ auf der symbolischen Ebene etwas für Jugendliche getan
werden kann, um den Jugendlichen eine Perspektive geben zu können.
5.2.2.3 Die Wulfen-Konferenz: Instanz der Vernetzung?
Die Wulfen-Konferenz heißt offiziell „Fachtagung der Institutionen zur Vernetzung und
Kooperation in Wulfen“. Sie wurde vor etwa vier Jahren wurde mit Hilfe der Universität
Essen und dem Dorstener Prof. Werner Springer ins Leben gerufen.
Im März 2003 fand die 17. Wulfen-Konferenz statt. Sie wird normalerweise zwei bis viermal
im Jahr veranstaltet. Die verschiedenen Akteure des Stadtteils nehmen teil; es erscheinen
meist etwa 40 Personen, darunter befinden sich LehrerInnen, PolizistInnen, Pater Pauly,
SozialarbeiterInnen, Pastoren, VertreterInnen von Parteien, Angestellte bei der Stadt und der
Bürgermeister.
Auf der Wulfen-Konferenz werden Informationen ausgetauscht und wichtige Dinge, die den
Stadtteil betreffen, diskutiert, erklärt Marion Werk. Joachim Thiehoff, der zum
Sprechergremium der Wulfen-Konferenz gehört, ergänzt, dass man sich auch ohne spezielles
Thema trifft, „weil es da auch ganz stark um die Beziehungen geht. Es sollen also auch durch
die Stadtteilkonferenz die Beziehungen im Stadtteil gefördert werden. Und da ist eben das
Sich-Unterhalten in der Pause genauso wichtig wie der Programmpunkt.“ Die WulfenKonferenz soll die Interessen des Stadtteils bündeln und auch für den Stadtteil sprechen
können, so definiert Rainer Diebschlag ihre Aufgabe. Verschiedene Projekte wurden von der
Wulfen-Konferenz ins Rollen gebracht, so sind z.B. die Kinder- und Jugendkulturwochen,
„zwei echte Kinder der Wulfen-Konferenz“ (Diebschlag).
Mittlerweile hat die Wulfen-Konferenz einen gewissen Einfluss erreicht und wird auch im
politischen Bereich anerkannt, was sich z.B. daran zeigt, dass der Bürgermeister sie
regelmäßig besucht. Fast alle befragten Stadtteilakteure beschreiben die Wulfen-Konferenz
als Instanz der Vernetzung und als „Informationsbörse“ (Pauly). Joachim Thiehoff beschreibt
die Wulfen-Konferenz als einen Ort wo Stadtteilmanagement stattfindet. Da es in Wulfen
kein Stadtteilmanagement gibt, was alleine für die Vernetzung zuständig ist, beziehen „viele
Leute aus dem Stadtteil Aspekte von Stadtteilmanagement in ihre Arbeit“ ein. Ein anderer
wesentlicher Ort wäre der Bürgertreff. Zur erfolgreichen Vernetzung im Stadtteil trägt auch
bei, so berichten einige der befragten ExpertInnen, dass sich die Akteure persönlich kennen
und somit viele Dinge einfach und schnell besprochen werden können.
Pater Pauly vermisst eine Instanz der Vernetzung und wünscht sich ein Stadtteilbüro, von dem
er sich „auch einen verstärkten politischen Druck erwarten“ würde. Er beschreibt vor allem
die fehlende Vernetzung zur Stadt, die von den anderen Befragten kaum bedacht wird. Sie
reden lediglich von der Vernetzung im Stadtteil. Nur Joachim Thiehoff als Angestellter des
Jugendamtes beschreibt die Vernetzung zur Stadt durch den ASD (Allgemeiner Sozialer
Dienst) des Jugendamtes vor Ort. Ansonsten wird die Anteilnahme des Bürgermeisters an
55
http://www.dorsten.de/presse/Huettenprojekt.htm, zugegriffen am 01.01.2003.
32
Themen des Stadtteils positiv hervorgehoben, so dass durch Lambert Lütkenhorst als Person
eine Vernetzung zur Verwaltungsspitze besteht.
5.2.2.4 Die zentralen Akteure
Die Landesentwicklungsgesellschaft LEG
Wohnungsgesellschaften gelten als wichtige Akteure in der Sozialen Stadtentwicklung (vgl.
Kap. 3.4). In Barkenberg gehört der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) der größte Teil
der Wohnungen. Daneben gibt es noch die Dorstener Wohnungsgesellschaft.56
Die LEG wird nur selten überhaupt als Akteur der Sozialen Stadtentwicklung bezeichnet. Von
dem Sommerfest, was die LEG gemeinsam mit dem Bürgertreff organisiert, berichten
allerdings viele der ExpertInnen. Einer befragten Person zufolge gibt es aber sonst nicht viele
„Sachen, die nach außen dringen, das ist also in erster Linie das Sommerfest.“ Es wird
beklagt, dass man die LEG immer wieder ansprechen müsste, ehe sie etwas tut. Auch auf der
letzten Wulfen-Konferenz war keinE VertreterIn der LEG anwesend. Der Bezirksbeamte
Manfred Flaß berichtet als einziges positiv: „Die LEG macht sich schon stark hier.“ Der
Polizist bietet einmal pro Woche im Mieterbüro der LEG eine Sprechstunde an, allerdings mit
relativ geringer Resonanz, bedauert er. Finanziell unterstützt die LEG – wie oben zum Teil
schon dargestellt – verschiedene Projekte: Sie stellt sowohl dem Bürgertreff als auch Pater
Pauly eine Wohnung zur Verfügung. Die Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle wird zu je
10% von der LEG und der Dorstener Wohnungsgesellschaft getragen. Die Sachkosten des
Bürgertreffs und die Sprachkurse zahlt die LEG. Aber sie ziehen sich aus dem „Sponsoring
von anderen Sachen immer mehr zurück,“ beklagt sich ein befragter Experte. Es wird
beanstandet, dass die LEG Sanierungen nicht im angekündigten Umfang nachkommt (WAZ
09.10.2002).
Zusätzlich versucht die LEG mit billigen Einstandsmieten, leerstehenden Wohnraum zu
vermieten. Mit dem Programm „Mieter werben Mieter“, welches MieterInnen, die neue
BewohnerInnen anwerben, Geld- und Sachprämien verspricht, wird einerseits versucht, die
Leerstände zu verringern und andererseits hat es den positiven Nebeneffekt, dass die
BewohnerInnen sich schon kennen, was zu einer guten Nachbarschaft beiträgt (WAZ
09.10.2002). Der Effekt könnte aber genauso negativ beschrieben werden, da so die
Konzentration benachteiligter Bevölkerungsgruppen gefördert wird.
Die LEG deckt damit die Funktionen der Wohnungsgesellschaften ab, wie ich sie im Kapitel
zu Akteuren Sozialen Stadtentwicklung beschrieben habe (vgl. Kap. 3.4). Sie sind also gerade
als Investor interessant und ist für die klassische Stadterneuerung zuständig. Ihr Engagement
geht aber anscheidend nicht über das Nötigste hinaus, was gerade in einem Ort, wo Einsatz
und Verantwortung für den Stadtteil als eines der größten Potenziale gilt, auffällt.
Die Schulen
In Barkenberg gibt es eine integrierte Gesamtschule und zwei Grundschulen. Eine
Hauptschule, eine Sonderschule und eine weitere Grundschule befinden sich zusätzlich in AltWulfen. Die Schulen spielen im Stadtteilleben eine bedeutende Rolle.
Alle Schulen öffnen sich zum Stadtteil. „Also es ist hier nicht möglich in diesem Ortsteil, dass
Schulen sozusagen die Tür zumachen und sich nicht um das kümmern, was hier passiert“
(Diebschlag). Auch die LehrerInnen müssen sich umdefinieren, erklärt Volker Helfferich,
man sei gleichzeitig SozialarbeiterIn.
Die Zusammenarbeit der Schulen mit anderen AkteurInnen und Institutionen aus dem
Stadtteil wird von vielen ExpertInnen als außerordentlich gut geschildert und die
Notwendigkeit wird gerade von den beiden Lehrern unterstrichen. Der Hauptschullehrer
56
Die folgenden Einschätzungen beziehen sich aber nur auf die LEG, da die Dorstener Wohnungsgesellschaft
von keiner/ keinem befragten StadtteilakteurIn erwähnt wurde.
33
Volker Helfferich nennt es Eigennutz der Schulen, sich für den Stadtteil zu engagieren, weil
dadurch die Arbeit mit den SchülerInnen angenehmer wird. Alle Schulen sind bei der WulfenKonferenz vertreten. Die Öffnung der Gesamtschule wurde mit einem vom Land geförderten
Projekt unterstützt.
Die Kirchen
Auch die beiden großen Kirchengemeinden werden von vielen ExpertInnen als sehr engagiert
beurteilt. Pater Pauly spricht von „deutliche[n] Impulsen zur Verbesserung des Stadtteils,“
Rainer Diebschlag nennt die Arbeit der Kirchen im Stadtteil „vorbildlich“. Er sei sogar wegen
der sozialen Funktion, die die Kirchen in Barkenberg haben, wieder eingetreten. Die Kirche
„wird zum Wohle des Stadtteils sehr genutzt.“ Von den Kirchen gehen eine Reihe Initiativen
aus, so gibt es ab September eine Tafel, die Lebensmittel, die kurz vom Verfallsdatum stehen,
günstig verkauft. Beide Kirchen sind Mitglied im Förderverein des Bürgertreffs.
Dorstener Arbeit
Die Dorstener Arbeit, eine gemeinnützige Beschäftigungsgesellschaft, taucht bei den
befragten StadtteilexpertInnen eigentlich nicht auf; lediglich Frau Gläser, die ich dort
interviewt habe, berichtet darüber. Trotzdem will ich noch kurz auf die Dorstener Arbeit
eingehen, da sie sich auf das wichtige Handlungsfeld Qualifizierung und Beschäftigung
bezieht und in vielen Projekten, die in Wulfen bestehen, involviert ist.
Die Dorstener Arbeit gGmbH entwickelte sich aus der 1986 gegründeten Aktion Solidarität
e.V. Gesellschafter sind der KAB57 Diözeseverband Münster, die Stadt Dorsten und die
Aktion Solidarität e.V. Ihr Selbstverständnis formuliert sie wie folgt:
Wir beraten, betreuen und fördern Erwerbslose. Wir bringen Arbeits- und Qualifizierungsangebote
in Gang. Wir schaffen neue Arbeitsplätze und unterstützen neue Formen der Arbeit. Wir verstehen
uns als Ergänzung zu bestehenden Einrichtungen, Verbänden und Initiativen – nicht als
Konkurrenz. (Dorstener Arbeit)
Die Dorstener Arbeit ist Frau Gläser zufolge nach der Stadtverwaltung der zweitgrößte
Arbeitgeber in Dorsten. Ansässig ist sie in Alt-Wulfen. Sofern Arbeitskräfte bei den
verschiedenen Projekten der Sozialen Stadtentwicklung benötigt wurden, stellte die Dorstener
Arbeit sie zur Verfügung. Mit dem Projekt Wulfen-Fonds wird versucht, insbesondere
Menschen, die in Wulfen wohnen und arbeitslos sind, zu fördern.
Der Bau der Hütten von Pater Pauly erfolgte über Beschäftigte der Dorstener Arbeit, der
arbeitsmarktpolitische Träger für die Schulhofgestaltung zur Öffnung der Gesamtschule ist
die Beschäftigungsgesellschaft. Auch die LEG kooperiert bei der Sanierung und
Instandsetzung ihrer Häuser mit der Dorstener Arbeit.
5.2.2.5 Weitere Projekte und Akteure
Es existieren noch weitere Projekte und Akteure, die ich hier nur kurz vorstellen werde. Der
Allgemeine Soziale Dienst (ASD) des Jugendamtes spielt eine wichtige Rolle im Stadtteil. Er
ist auch der Ansprechpartner für die Wulfen-Konferenz. Der Teamleiter des Sozialraumteams,
Joachim Thiehoff, der auch von mir interviewt wurde, ist eine bekannte Person im Stadtteil.
Er hat sich eingehend mit der Theorie zur Sozialen Stadtentwicklung befasst, so dass er sich
diesbezüglich viel für den Stadtteil einsetzt und geschätzt wird.
Das Modellprojekt „Sozialraumzentrum Wulfen“ steckt noch in den Kinderschuhen’, da es
erst am 01.Januar 2003 seine Arbeit aufnahm. Mit diesem Projekt wird die ambulante
Jugendhilfe trägerübergreifend vor Ort gebündelt. Man will nicht mehr nur einzelfallorientiert
helfen, sondern „lebensweltlich und sozialräumlich orientierte Hilfen“ (Stadt Dorsten u.a.
57
Katholische Arbeitnehmerbewegung
34
2002: 1) anbieten, man will vorhandene Ressourcen besser nutzen. Andreas Winkelhorst,
Teamleiter des Sozialraumzentrums, formuliert: „Idealtypisch gesehen soll es so sein, dass
wir uns überflüssig machen.“
Die Kinder- und Jugendkulturwochen sind von wesentlicher Bedeutung. Die Idee entstand auf
der Wulfen-Konferenz. Jedes Jahr findet eine Kinderkulturwoche und im Anschluss eine
Jugendkulturwoche statt. Gerade die Kinderkulturwoche, die dieses Jahr ‚Lesen’ zum Thema
hat, wird stark frequentiert, berichten viele ExpertInnen. An die Jugendkulturwoche, die
dieses Jahr aufgrund von Geldmangel nur zwei Tage stattfindet, ist die Big Party
angegliedert. Dies ist eine Stadtteildisko im großen Rahmen, wo etwa 400-500 Jugendliche
teilnehmen. Sowohl die Kinder- als auch die Jugendkulturwochen finanzieren sich über
Spenden und Einzelzuwendungen diverser Organisationen.
Viele der Befragten schildern die Vereine, insbesondere Sportvereine, als sehr engagiert. Sie
würden sich auch gerade für die Belange der sozial Benachteiligten einsetzen. Auch das
Gemeinschaftshaus sei sehr engagiert und trage viel zum Stadtteilleben bei.
Die Bedeutung der Parteien hat in der letzten Zeit deutlich abgenommen, „in vielen Bereichen
fast bedeutungslos geworden,“ berichtet SPD-Mitglied Rainer Diebschlag. In der
Entstehungsphase Wulfens waren sie eine wichtiger Akteur der Stadtentwicklung.
5.2.2.6 Bürgerbeteiligung
Bürgerbeteiligung steht „im Mittelpunkt der Handlungsprogramme der Sozialen
Stadtentwicklung“ – schreibe ich weiter oben (vgl. Kap. 3.4). Doch wie sieht das in
Barkenberg aus, einem Stadtteil, welcher nicht Teilnehmer eines offiziellen Förderprogramms
ist?
Die befragten StadtteilakteurInnen reagieren sehr unterschiedlich auf die Frage der
Bewohnerbeteiligung bzw. -aktivierung. Von sich aus nennt niemand die BewohnerInnen als
Akteure, die an der Stadtteilentwicklung mitwirken.
Der Bürgermeister führt ab und zu Bürgerversammlungen durch, die beziehen sich aber auf
konkrete Themen wie die Umstellung der Energieversorgung. Zur Wulfen-Konferenz gehen
auch interessierte BewohnerInnen, so Bürgertreff-Vorsitzende Marion Werk, aber kritisch
fügt sie hinzu, dass es nicht die BewohnerInnen aus den benachteiligten Bereichen sind, da sie
die Thematik erst mal nicht als wichtig erachten. Es sei stark schichtabhängig. Joachim
Thiehoff aus dem Sprechergremium der Wulfen-Konferenz erklärt, dass diese
Stadteilkonferenz nicht für BewohnerInnen konzipiert sei, man könne nicht alles auf einmal
machen.
Die Interessen und Vorlieben der Menschen im Stadtteil werden in der normalen (sozialen)
Arbeit erfragt. Das beurteilen die Befragten als wichtig. Es gibt aber diesbezüglich keine
strukturierte Form, die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen. Eine vom Bürgertreff
ausgehende Befragung der BewohnerInnen nach ihren Wünschen und Vorlieben und ein
Versuch, sie an Entscheidungen zu beteiligen, misslang aufgrund der geringen Resonanz,
schildert Siegrid Gläser. Im Jugendbereich wird jährlich ein Jugendhearing veranstaltet, die
Beteiligung ist aber Volker Helfferich zufolge nicht sehr gut. Er kritisiert, dass die
Jugendlichen aber auch nicht die Möglichkeit haben, Druck auszuüben.
Pater Pauly gibt zusätzlich zu bedenken, dass Befragungen eine gewisse Erwartungshaltung
erzeugen, der man auch nachkommen muss. Eine Umsetzung der Forderungen sieht er in
Barkenberg aufgrund fehlender finanzieller Mittel und unzureichender Möglichkeiten,
politisch Druck auszuüben, aber nicht und folgert „warum soll man groß fragen, wenn eh
kaum was kommt.“
Der Bürgermeister erachtet die Bürgeraktivierung als sehr wichtig, BewohnerInnen müssen
mit zur Verbesserung des Stadtteils beitragen. Dabei sei Identifikation mit dem Stadtteil sehr
wichtig.
35
Im Bürgertreff arbeiten BewohnerInnen aktiv an einzelnen sozialen Projekten mit. Auch im
Hüttenprojekt Pater Paulys sollen BewohnerInnen Verantwortung übernehmen (vgl. Kap.
5.2.2.1.; 5.2.2.2.). BewohnerInnen werden in konkrete Aktivitäten im Stadtteil eingebunden,
aber sie haben keine Möglichkeit an Entscheidungen, die den Stadtteil und seine Entwicklung
betreffen, mitzuwirken.
Bürgerbeteiligung und -aktivierung wäre auf jeden Fall ein Bereich der auszubauen wäre.
Hier gibt es sicherlich eine Reihe von Potenzialen, da die Bereitschaft zur Mitarbeit unter den
BewohnerInnen von vielen sehr hoch eingeschätzt wird, zumindest sofern es sich um
Angehörige der klassischen Mittelschicht handelt. Die Aktivierung und Beteiligung von
BürgerInnen findet zu wenig statt und es wird sich zu wenig damit auseinandergesetzt.
5.2.2.7 Bewertung: Grenzen und Chancen
Die verschiedenen sozialen Projekte werden von den ExpertInnen in der Regel sehr positiv
bewertet. Sie gelten als erfolgreich und innovativ. Der Bürgertreff oder die Arbeit von Pater
Pauly werden von allen befragten StadtteilexpertInnen hoch gelobt. Auch die anderen
Projekte wie die Wulfen-Konferenz oder die Kinder- und Jugendkulturwochen und die
verschiedenen Akteure im Stadtteil finden breite Anerkennung. Die befragten Personen
betonen ebenfalls immer wieder die gut funktionierende Kooperation der einzelnen Akteure
vor Ort und in den unterschiedlichen Projekten.
Im Grunde genommen sind sich die Befragten über das Problem einig. Mit sozialer Arbeit
kann man nur „Pflästerchen kleben“ (Lütkenhorst), man muss aber „das Übel an der Wurzel
ausreißen“ (Helfferich). Man kann zwar in alltäglichen Bereichen die Lebenssituation von
benachteiligten Menschen verbessern, aber eigentlich arrangiert man sich nur mit den
Problemen, man betreibt „Feuerwehrarbeit“ (Diebschlag).
Im Stadtteil müsste strukturell etwas verändert werden. Die Aussagen der Interviewten
beziehen sich hier sowohl auf die ökonomische Struktur als auch auf die städtebauliche und
die soziale Struktur. Strukturen verändern heißt, Arbeitsplätze zu schaffen, den Einzelhandel
zu verbessern und die Gebäudesituation neu zu überdenken, denn viele sehen nur im Abriss
oder Rückbau bestimmter Hochhäuser eine Perspektive, eine heterogenere Mieterstruktur zu
bewirken und die Verweildauer in den Wohnungen zu erhöhen, damit Nachbarschaften
entstehen können. Diese Aufgabe kann aber von der sozialen Arbeit nicht wahrgenommen
werden, hier trägt die Politik die Verantwortung (vgl. dazu weiterführend Kap. 5.2.3).
Zusätzlich wird auf finanzielle Grenzen hingewiesen. Viele Dinge können nicht verwirklicht
werden oder fallen erheblich geringer aus, weil Geld fehlt. Pater Pauly führt die
gesamtgesellschaftliche Entwicklung als Problem für die Entwicklung Barkenbergs an. Die
Schere zwischen arm und reich geht insgesamt weiter auseinander, das wirkt sich auch in
Barkenberg aus, so dass damit stadtteilbezogenen Projekten deutliche Grenzen gesetzt sind.
Insgesamt ist die Beurteilung der Aktivitäten durch die Personen, die sie initiieren und
gestalten, problematisch. Gerade die Arbeit, die ehrenamtlich getan wird, findet auch nur
statt, wenn sie als richtig und wichtig erachtet wird. Die Verantwortung für Dinge, die nicht
funktionieren, wird auch schnell abgegeben und die Grenzen der eigenen Arbeit werden
betont. Hier müsste man andere Methoden anwenden, wie zum Beispiel teilnehmende
Beobachtung oder man müsste BewohnerInnen über ihre Einschätzungen und Kritik zu Wort
kommen lassen. Nur dann könnte man die Wirkungen solcher Projekte untersuchen.
5.2.3 Stadtpolitik
5.2.3.1 Zur Entstehung benachteiligter Quartiere
Nach Aussage nahezu aller befragten ExpertInnen hat sowohl die Politik der Stadt als auch
die Politik der Wohnungsgesellschaften in der Vergangenheit zu einer Verschlechterung der
Problematik beigetragen. Der Wohnungsleerstand, der immer wieder ein Problem in der
36
Geschichte Barkenbergs war, führte zu Einquartierung benachteiligter Bevölkerungsgruppen.
Die Wohnungsbaugesellschaften wollten ihre Wohnungen belegen, um die Miete zu
bekommen und die Stadt, das Sozialamt, nutzte den billigen Wohnraum für die Leute, für
deren Miete sie aufkommen muss. Dadurch kam es zu einer Konzentration sozial
Benachteiligter. Verschärfend hinzu kommt, dass sich in Barkenberg auch
überdurchschnittlich viele öffentlich geförderte Wohnungen befinden (vgl. Kap. 4.1).
Stadt und Wohnungsbaugesellschaft [...] hatten natürlich beide ein Interesse: Die Stadt wollte die
Menschen in Wohnungen bringen und die Wohnungsbaugesellschaften wussten, sie kriegen ihre
Miete. Nur, dass man das so konzentriert machte, das war der große Fehler. (xxx)
Die Wohnungsbaugesellschaften werben noch heute im Ruhrgebiet mit billigem Wohnraum
in Barkenberg, daher „ziehen auch immer Familien aus dem Ruhrgebiet nach Barkenberg, die
eben auch starke soziale Belastungen mitbringen“ (xxx). Ein anderer Befragter formuliert die
Kritik an den Wohnungsbaugesellschaften noch schärfer: „Es entsteht der Eindruck, die
Substanz war da und sie wird noch ausgemolken, so lange es geht, man investiert nicht
wirklich mehr.“ Eine weitere Person beschreibt, dass wiederholt die selben Fehler begangen
wurden. Vor vielen Jahren wurden Obdachlose aus einer aufgelösten Notunterkunft in Essen
ohne Begleitung in der Talaue untergebracht. Nachdem dort die Probleme gelöst worden sind,
quartierte man AussiedlerInnen konzentriert in der Dimker Allee ein. Das ist „für viele Leute
nicht nachvollziehbar. Einmal ist das Problem gelöst worden, warum baute man sich hier das
nächste. Das kann also kein Mensch verstehen, aber das ist Politik.“
Gerade für die Vergangenheit wird der Politik der Stadt Dorsten vorgeworfen, dass sie
Barkenberg vernachlässigte oder „stiefmütterlich“ (xxx) behandelte. Hierfür wird zum einem
die geographische Entfernung zur Stadtmitte verantwortlich gemacht, zum anderen wird
berichtet, dass die Dorstener Barkenberg als privilegierten Stadtteil ansehen, den man
deswegen nicht weiter unterstützen dürfe.
Hier zeigt sich, dass nicht nur die Eigenschaften der Quartiere selbst zum Entstehen von
Benachteiligung beitragen, sondern auch die Handlungen, Entscheidungen und Vorlieben der
beteiligten Akteure eine Rolle im Segregationsprozess spielen. Das Sozialamt weist
Wohnungen zu, die Wohnungsgesellschaften werben für ihre Wohnungen, um ihre Miete zu
bekommen. Hinzu kommt in Barkenberg noch eine ‚besondere’ Beziehung der Stadt zum
Stadtteil. Die Verteilung der Sozialwohnungen über das Dorstener Stadtgebiet ist auch sehr
ungleichmäßig, etwa ein Viertel der öffentlich geförderten Wohnungen liegen in Barkenberg.
Die ExpertInnen berichten davon, dass verschiedene Bevölkerungsgruppen gezielt nach
Barkenberg ziehen, weil dort schon FreundInnen und Verwandte wohnen. So suchen sich
viele AussiedlerInnen in Barkenberg eine Wohnung, weil dort schon viele Menschen wohnen,
die sie kennen und deren Sprache sie sprechen. Andersherum wird beschrieben, dass
Zugehörige der deutschen Mittelschicht aus den Hochhäusern ausziehen. Die
Wohnstandortpräferenzen auf der Mikroebene verstärken also Segregation und führen zu
einer Konzentration sozial Benachteiligter.
5.2.3.2 Aktuelle Stadtpolitik
Wenn man jetzt nichts tut, dann man muss man irgendwann eine größere Kritik anbringen, nach
meiner Meinung. Wir brauchen jetzt strukturelle Veränderungen, weil wir jetzt über 100
Wohnungen leer stehen haben in Barkenberg, weil es jetzt einen Gebäudeverfall gibt, wo die
Gebäude teilweise eben sozusagen verfallen. Jetzt ist meiner Meinung nach an der Stelle
Handlungsbedarf. Dann müsste man sicherlich in den nächsten Jahren da sehr kritisch sein. (xxx)
Man soll somit nicht den Fehlern der Vergangenheit nachtrauern, sondern in die Zukunft
sehen. Viele Interviewte erklären, dass die Stadt Dorsten in den letzten Jahren die
37
Problematik in Barkenberg erkannt hat und auch Handlungsbedarf sieht. Gerade der
amtierende Bürgermeister Lambert Lütkenhorst und das Jugendamt werden als besonders
engagiert hervorgehoben. Bis vor fünf oder sechs Jahren ist der Ortsteil aber vernachlässigt
worden, wird häufig betont. Die Erkenntnis, etwas für den Stadtteil zu tun, kam erst, als es
schon „brannte“ (xxx). Für die Entwicklung Barkenbergs zu einem Problemstadtteil wird die
Stadt zur Verantwortung gezogen. Bisher wird für den Stadtteil noch nicht ausreichend getan,
kritisieren viele der befragten StadtteilakteurInnen. So wirft ein Stadtteilexperte der
Stadtverwaltung vor, zu unflexibel zu sein. Er hebt aber hervor, dass die Frage nach der
Mitarbeit der Stadt im Erneuerungsprozess differenziert beantwortet werden muss, da z.B. die
Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle ohne den Bürgermeister nicht erreicht worden wäre.
Aber „es könnte noch viel mehr geschehen“ (xxx). Auch positiv zu bewerten ist eine
Vereinbarung mit dem Sozialamt, nicht alle SozialhilfeempfängerInnen nach Barkenberg zu
schicken.
Der Bürgermeister räumt ein, dass die Stadt sich in der Vergangenheit vielleicht nicht
„intensiv genug um den Ortsteil gekümmert hat.“ Für die Zukunft verspricht er aber
Veränderungen. Lambert Lütkenhorst kündigte öffentlich auf der Wulfen-Konferenz an, dass
noch vor der Sommerpause ein Wulfen-Tag stattfinden soll, zu dem Beteiligte aus Politik und
Verwaltung der Stadt Dorsten, der Minister für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des
Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Michael Vesper, Verantwortliche der
Wohnungsbaugesellschaften und Stadtteilakteure eingeladen werden. Bürgermeister Lambert
Lütkenhorst formuliert einen „Entwicklungsschwerpunkt“ für Barkenberg, der sowohl in der
Verwaltung als auch in der Kommunalpolitik durch alle Fraktionen erkannt wird. In
Barkenberg muss strukturell etwas verbessert werden. Insbesondere die Frage der Zukunft der
Geschossbauten muss diskutiert werden. Zudem soll die Frage geprüft werden, inwieweit
Barkenberg in das Förderprogramm Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf
hineingehört. Der Bürgermeister betont die Verantwortung des Landes NRW für den Ortsteil,
da es damals die Entwicklungsgesellschaft Wulfen mbH gegründet hat.
Die Ankündigung bewerten die Stadtteilakteure, die ich nach der Wulfen-Konferenz
interviewt habe, zwar durchaus positiv, sind aber auch sehr skeptisch.
Das ist zunächst einmal ermutigend, aber die Frage wird sein, was wird konkret passieren. Noch
kann ich nicht erkennen, dass man wirklich strukturiert an der Verbesserung der Situation in
Barkenberg arbeiten würde. (xxx)
5.2.3.3 Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf?
Barkenberg ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht Teil des Landesprogramms Stadtteile mit
besonderem Erneuerungsbedarf. Die Überlegung liegt nahe, die Frage zu stellen, warum das
nicht so ist.
Alle befragten Stadtteilakteure, die sich mit dem Programm beschäftigt haben, sehen den
‚besonderen Erneuerungsbedarf’ in Barkenberg: „Barkenberg gehört auch in dieses Projekt,
für uns eigentlich alle ganz klar“ (Werk). Volker Helfferich nennt Barkenberg „ein
Modellbeispiel“ und ist verwundert, dass der Ortsteil nicht an dem Förderprogramm
teilnimmt, obwohl das schon sehr lange im Gespräch ist. Barkenberg habe „es dringend
nötig,“ formuliert Joachim Thiehoff. Er erklärt, dass es sich in Barkenberg um „ein
integriertes Problem“ handelt, „was bei dem Stadtteilprogramm so überzeugend ist, dass man
nicht nur ein Problem sieht sondern die Gesamtheit der Probleme“ (Thiehoff).
Gerade der Bürgertreff und Joachim Thiehoff vom ASD haben sich vor einigen Jahren darum
bemüht, in das Programm hineinzukommen. Dies gelang nicht, weil viele Leute in Politik und
Verwaltung Barkenberg nicht für geeignet hielten. Andere Großsiedlungen in dem Programm
seien viel größer, war ein Argument. In der Umsetzungsanalyse des ILS wird ein Richtwert
von mindestens 5000 EinwohnerInnen vorgeschlagen, Barkenberg hat 11.000
EinwohnerInnen (ILS 2001: 16). Als weiterer Grund für das Scheitern wird genannt, dass die
38
Stadt einen eigenen Beitrag hätte leisten müssen. Die Stadt muss das Handlungskonzept
erarbeiten. Einer der Befragten berichtet58, dass diese Frage nie im Rat gelandet ist, weil
einige Leute das blockiert haben bzw. sich nicht genug dafür eingesetzt haben.
Das Thema ist Lambert Lütkenhorst zufolge wieder auf der Tagesordnung gelandet und soll
auf dem Wulfen-Tag im Sommer genauer diskutiert werden.
In Barkenberg gibt es vieles, was bei den Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf
abgeguckt wurde, es läuft also quasi in Eigenregie, allerdings eben ohne die finanzielle
Unterstützung.
58
Diese Aussagen werden erst nach der Abschaltung des Tonbandgeräts gemacht.
39
6 Ergebnisse und Ausblick
Werden die Theorien zur Sozialen Stadtentwicklung in Barkenberg umgesetzt? Das war die
Fragestellung dieser Arbeit. Im Folgenden werde ich noch einmal erörtern, dass sich in
Barkenberg Armut sozialräumlich konzentriert und werde die besonderen Probleme und
Potenziale des Ortsteils zusammenfassend darstellen, hierbei wird im Allgemeinen und im
Besonderen (in Barkenberg) auf die Ursachen zur Entstehung von Armut und
sozialräumlicher Ausgrenzung eingegangen. Anschließend werde ich die theoretischen
Ausführungen zur Sozialen Stadtentwicklung rekapitulieren, um sie mit den Ergebnissen des
empirischen Teils zu verbinden.
Sowohl die Aussagen der ExpertInnen als auch die statistische Auswertung zeigen, dass es
sich bei Barkenberg um einen benachteiligten Stadtteil handelt. Armut und soziale
Ausgrenzung manifestiert sich im Geschosswohnungsbau, der im geographischen Kern von
Barkenberg liegt. Diese Konzentration von benachteiligten Bevölkerungsgruppen ist ein Teil
von Segregationsprozessen. Großsiedlungen, einst innovative Projekte mit sozialem
Anspruch, sind von enormen städtebaulichen und sozialen Problemen betroffen. Am Rand des
Ortsteils wohnt die Mittelschicht in ihren Eigenheimen, abgeschottet von den Armen und
Ausgegrenzten, so dass die Probleme des Stadtteils „im täglichen Leben gar nicht
wahrnehmbar“ sind (Diebschlag). Die Stadtteilstruktur ist von Polarisierung gekennzeichnet.
Das positive Image innerhalb Barkenbergs wird vor allem von den Angehörigen der
Mittelschicht geprägt. Barkenberg ist wunderschön im Grünen gelegen, die Umgebung bietet
zahlreiche Naherholungsangebote. Das sind allerdings Vorzüge, die nur diese Schicht nutzt.
Ebenso werden viele der kulturellen Veranstaltungen im Gemeinschaftshaus von den
benachteiligten Bevölkerungsgruppen kaum besucht. Das Engagement für den Stadtteil oder
die Teilnahme am politischen Leben ist auch schichtabhängig. Diese guten Eigenschaften des
Stadtteils bieten trotzdem zahlreiche Anknüpfungspunkte und Potenziale. Gerade durch die
Identifikation der Mittelschichten mit den Stadtteil gibt es ein ausgeprägtes Interesse und
Engagement für eine positive Entwicklung des Stadtteils.
Die Problemfelder in den Wohnorten der Armen und Ausgegrenzten sind vielfältig. Der
städtebauliche Aspekt wird von vielen Befragten als wichtigstes Problem erachtet, daher gilt
die Lösung dieser Angelegenheit als Voraussetzung für die Verbesserung der
Stadtteilstruktur. Hier wird sowohl die Bausubstanz als auch das Wohnumfeld und die
Infrastruktur bemängelt. Als auffälligstes soziales Problemfeld zeigt sich die Konzentration
von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen in bestimmten Siedlungen. Hier leben
überdurchschnittlich viele AussiedlerInnen, arme Menschen und Arbeitslose. Gerade auch die
unzureichenden Angebote für Kinder und Jugendliche werden kritisiert. Die ökonomischen
Aussichten sind im Stadtteil ebenfalls sehr gering, da die Arbeitslosigkeit hoch ist und es
wenig Möglichkeiten gibt, eine Beschäftigung zu finden. In der Umgebung existieren so gut
wie keine Arbeitsplätze und außerdem sind sie häufig schlecht zu erreichen, da die
Verkehrsverbindungen schlecht sind.
Diese Kumulation und Konzentration von den diversen sozialen, städtebaulichen und
ökonomischen Problemen führt zu einer Stigmatisierung des Stadtteils. Barkenberg hat
außerhalb einen außerordentlich schlechten Ruf. Durch das schlechte Image verschlechtert
sich die Lebenssituation der Armen und Ausgegrenzten weiter. Das Interesse, in den Stadtteil
zu investieren, sinkt deutlich. Barkenberg ist einer Abwärtsspirale ausgesetzt. Es kommt zu
einer Verlängerung und Verfestigung von Armut. Hierin zeigt sich die Notwendigkeit, dieser
Entwicklung etwas entgegenzusetzen, da Benachteiligung durch den Raum verstärkt wird.
In den vielfältigen Problemen sind schon verschiedene Eigenschaften angesprochen, die
erklären, warum gerade Barkenberg zu einem benachteiligten Stadtteil geworden ist. Die
40
Zeche konnte nie die Bedeutung erlangen, von der anfangs ausgegangen wurde, so dass die
ökonomische Grundlage für den Stadtteil fehlte. Die städtebauliche Struktur
(Wohnungsstruktur, infrastrukturelle Anbindung, Geschosswohnungsbau etc.) bildete eine
Grundlage für die negative Entwicklung Barkenbergs.
Barkenberg ist von Segregationsprozessen betroffen, doch wie kommt es überhaupt zur
Entstehung benachteiligter Viertel? Wie verlief das in Barkenberg?
Die Ursachen für Segregationsprozesse und damit für die Konzentration von Armut muss auf
verschiedenen Ebenen benannt werden. Auf der Makroebene bedingen im Rahmen
postfordistischen Wandels ökonomische Umstrukturierungen, eine Veränderung der
politischen Regulationsweise und ein Wandel der Gesellschaft die Entstehung von
benachteiligten Vierteln. Diese gesellschaftlichen Veränderungen wirken auch auf die Mesound Mikroebene. Beteiligte Akteure auf der Mesoebene gelten auch als verantwortlich für die
sozialräumliche Konzentration von Armen und Ausgegrenzten in Barkenberg. So hat das
Sozialamt in der Vergangenheit EmpfängerInnen von Sozialleistungen in die billigen
Wohnungen in Barkenberg eingewiesen. Auch der LEG war es wichtiger, ihre Wohnungen zu
vermieten, als für eine ausgewogene Sozialstruktur zu sorgen. Zudem befinden sich ein
Viertel der öffentlich geförderten Wohnungen Dorstens in Barkenberg; eine
Ausgangsbedingung für Segregation, die durchaus von städtischer Seite zu vermeiden oder
zumindest zu entschärfen ist. Als Indiz dafür, dass die Stadt in der Vergangenheit versäumt
hat, sich der Probleme im Stadtteil anzunehmen, könnte das fehlende Engagement der Stadt,
in das NRW-Programm Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf zu gelangen, gewertet
werden. Wohnstandortpräferenzen von Individuen – in Barkenberg gilt dies insbesondere für
den Zuzug von AussiedlerInnen – fördern die Segregation sozial Benachteiligter auf der
Mikroebene.
Was wird in Barkenberg getan, diese Entwicklung zu stoppen? Wie wird versucht, eine
weitere Segregation zu verhindern? Diese Frage werde ich im Folgendem mit Hilfe der
Theorien zur Sozialen Stadtentwicklung diskutieren. Wie gestaltet sich die praktische
Umsetzung in Barkenberg?
Die befragten StadtteilakteurInnen berichteten von diversen Aktivitäten mit dem Ziel der
Verbesserung bzw. der Stabilisierung der Lebenssituation im Stadtteil. Dieses Ziel, welches
auf das Gebiet bezogen ist, kann in mehrere Teilziele untergliedert werden, denen
Handlungsfelder zugeordnet werden können. (vgl. Kap. 3.2) Als Mittel zur Erreichung der
gebietsbezogenen Ziele gelten integrierte Handlungsansätze und die Vernetzung von
Maßnahmen als Strukturmerkmal (strukturbezogene Ziele) in der Sozialen Stadtentwicklung.
Die verschiedenen Handlungsfelder sollen ressortübergreifend zusammenarbeiten, so dass
Mehrzielprojekte entstehen. Dies beinhaltet auch die Vernetzung und Kooperation aller am
Stadtteilentwicklungsprozess beteiligten Akteure sowohl auf Stadtteilebene als auch vertikal
zwischen den verschiedenen politisch-administrativen Ebenen.59 Den BewohnerInnen als
Stadtteilakteure soll eine besonders große Bedeutung zukommen. (vgl. Kap. 3.2)
Inwieweit werden sowohl die gebietsbezogenen als auch die strukturbezogenen Ziele in
Barkenberg angestrebt? Dies versuche ich anhand drei ausgewählter Projekte noch einmal
darzustellen: dem Bürgertreff Dimker Allee e.V., dem Hüttenprojekt von Pater Pauly und der
Wulfen-Konferenz. 60
Das wohl bekannteste Projekt in Barkenberg ist der Bürgertreff Dimker Allee e.V. Hier wird
Kinder- und Jugendarbeit geleistet, auch die Integration von MigrantInnen ist ein
59
Die vertikale Vernetzung wird in der vorliegenden Studie vernachlässigt, da Barkenberg nicht mit einem
Handlungsprogramms gefördert wird und somit nur die Stadt- und Stadtteilebene von Bedeutung sind. Auch die
Rolle der Stadt wird nur am Rande angesprochen, da diese erste Studie über Barkenberg sich auf die
Stadtteilebene konzentriert.
60
An dieser Stelle wäre es unsinnig noch einmal alle Projekte aufzuführen, daher nur diese Auswahl.
41
Handlungsschwerpunkt. So werden Deutschkurse angeboten, die Internationalität der
verschiedenen Gruppen wird gezielt gefördert und AussiedlerInnen werden gezielt beraten.
Das Sommerfest und weitere Angebote des Bürgertreffs fördern das Zusammenleben der
BewohnerInnen. Auch die Handlungsfelder Gesundheit oder Umweltschutz finden durch
Informationsveranstaltungen Berücksichtigung. Die BewohnerInnen stehen im Mittelpunkt
der Angebote, vielfach werden sie aktiv mit einbezogen. So werden z.B. die Kindergruppen
von BewohnerInnen geleitet. Für die städtebauliche Aufwertung des Viertels engagiert sich
der Bürgertreff, indem sich verantwortliche Personen für die Belange der BewohnerInnen bei
der LEG und bei der Stadt einsetzen. Der Bürgertreff versucht sich vieler verschiedener
Teilziele anzunehmen, Joachim Thiehoff bezeichnet ihn als „klassischen Stadtteilladen“. Die
Wahl der Mitglieder aus acht verschiedenen Organisation verdeutlicht die Kooperation der
verschiedenen Akteure, auch über die Stadtteilebene hinaus.61 Weitere beteiligte Akteure sind
die Wohnungsunternehmen und private Sponsoren.
Das Hüttenprojekt von Pater Pauly bezieht sich neben der Jugendhilfe auch direkt auf
folgende Handlungsfelder: Wohnumfeldqualität, soziale Infrastruktur, Beschäftigung und
Qualifizierung. Weitere Handlungsfelder wie die Imageverbesserung sind indirekt von
Bedeutung. Auch hier spielen verschiedene Akteure eine Rolle, so ist der Bürgertreff Träger,
die Stadt entwarf die Pläne und die Dorstener Arbeit baute die Hütten. BewohnerInnen sollen
aktiv einbezogen werden, indem sich Verantwortliche finden, die die Bänke pflegen.
Die Vernetzung aller am Stadtteilentwicklungsprozess beteiligten Akteure soll auf der
Wulfen-Konferenz erfolgen. Hier erscheinen VertreterInnen der Schulen, der Vereine, der
Polizei, der Parteien, SozialarbeiterInnen, Pastoren und auch Akteure der städtischen Ebene,
wie Mitglieder der Verwaltung und der Bürgermeister. Das ist ein wesentlicher Ort, wo die
Vernetzung vertikal zwischen Akteuren aus kommunaler und Stadtteilebene funktioniert. Die
Zusammenarbeit mit der Stadt wird vielfach über den Bürgermeister erreicht, der sich als
Person für die Belange des Stadtteils interessiert und engagiert. Gleichzeitig initiiert die
Wulfen-Konferenz verschiedene Projekte wie die Kinder- und Jugendkulturwochen. Bei der
Wulfen-Konferenz geht es bewusst nicht um die Beteiligung und Aktivierung von
BewohnerInnen. BewohnerInnen sind nur erwünscht, sofern sie sich konkret engagieren
wollen.
Anhand dieser drei Projekte konnte gezeigt werden, dass verschiedene Ziele gleichzeitig
berücksichtigt werden, es handelt sich um Mehrzielprojekte. Die vertikale Vernetzung zur
Stadt ist in einigen Bereichen gegeben, das Jugendamt und der Bürgermeister sind im
Stadtteilentwicklungsprozess involviert. Hier fehlt ein ausgewiesenes Stadtteilmanagement,
welches verstärkt politisch Druck ausüben könnte. Bewohnerbeteiligung und -aktivierung
findet sowohl im Bürgertreff als auch beim Hüttenprojekt begrenzt statt. Allerdings setzten
sich die Akteure wenig mit dieser Thematik auseinander. Klassische Formen der
Bürgerbeteiligung wie in Stadtteilforen oder Bürgerversammlungen existieren kaum bzw.
werden schlecht frequentiert. An Entscheidungen, die die Stadtteilentwicklung betreffen,
werden BewohnerInnen nicht beteiligt. Diese Thematik müsste ausgebaut werden, da die
Integration der BewohnerInnen, eine Voraussetzung für eine positive Entwicklung des
Stadtteils ist.
Eine wichtige Aufgabe des politisch-administrativen Systems besteht darin, den
Stadtteilentwicklungsprozess finanziell zu unterstützen. Sowohl die Stadt Dorsten als auch
das Land NRW stellen Gelder zur Verfügung. Bezüglich des Landes sei hier die
Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle im Bürgertreff erwähnt und auch das Projekt zur
Öffnung der Schule wurde vom Land gefördert. Die Bündelung von Ressourcen findet z.B. in
der ambulanten Jugendarbeit statt (Sozialraumzentrum Wulfen).
61
Das Jugendamt der Stadt Dorsten ist Mitglied im Trägerverein des Bürgertreffs.
42
Stadtteilmanagement ist ein „Strukturen schaffendes Instrument“ (Alisch 2001b: 294),
welches als „intermediäre Instanz“ (Hinte 2001: 157) die Vernetzung der lokalen Akteure
untereinander und der verschiedenen politisch-administrativen Ebenen unterstützt.
Insbesondere auch die Beteiligung der BewohnerInnen soll verwirklicht werden. Die
Einbeziehung der endogenen Potenziale im Ort ist dabei wesentlich. Stadtteilmanagement
lenkt und gestaltet den Stadtteilentwicklungsprozess. (vgl. Kap. 3.3)
In Barkenberg gibt es kein ausgewiesenes Stadtteilmanagement, aber viele
StadtteilexpertInnen bezeichnen die Wulfen-Konferenz und den Bürgertreff als Instanz der
Vernetzung. Dies sind zwei „wesentliche Orte“, wo Stadtteilmanagement stattfindet, erzählt
Joachim Thiehoff. Hier spielt vor allem die Vernetzung der Akteure auf Stadtteilebene eine
entscheidende Rolle, aber auch auf politischer Ebene sind diese beiden Projekte anerkannt.
Auch andere Akteure und Projekte beziehen Anteile des Stadtteilmanagements in ihre Arbeit
mit ein, aber immer nur nebenbei. Eine Stadtteilkonferenz, die nur bis zu viermal im Jahr
stattfindet und ein Bürgertreff, der zum großem Teil aus ehrenamtlich Tätigen besteht, kann
ein Stadtteilmanagement nicht ersetzen. Es fehlt die Kontinuität und die Ansprechbarkeit.
Außer die intermediären Instanzen, die das Stadtteilmanagement organisieren, sind die
meisten Akteure der Sozialen Stadtentwicklung inklusive ihrer spezifischen Aufgabenfelder,
die ich in Kap. 3.1.4 vorgestellt habe, auch in Barkenberg wiederzufinden. Die Beteiligung
von Politik und Verwaltung ist bereits dargestellt worden, dies gilt auch für die Rolle der
BewohnerInnen. Die LEG engagiert sich entsprechend der Ausführungen besonders für die
städtebauliche Erneuerung und finanziert ein Reihe von Projekten. Viele der befragten
ExpertInnen erachten allerdings das Engagement als nicht ausreichend genug. Die soziale
Arbeit im Stadtteil wird hochgelobt. Als weitere wichtige Akteure werden die beiden großen
Kirchen, die Schulen (insbesondere die Gesamtschule), verschiedene Sportvereine und das
Gemeinschaftshaus benannt.
Die Aktivitäten im Stadtteil werden dahingehend kritisiert, dass sie lediglich „Pflästerchen
kleben“ (Lütkenhorst), man arrangiert sich mit den Problemen und betreibt nur
‚Feuerwehrpolitik’. So wird im alltäglichen Leben die Lebenssituation der Armen und
Ausgegrenzten verbessert, damit die Kumulation von sozialer Benachteiligung und Wohnort
verringert wird. Um eine nachhaltige Verbesserung zu erreichen, muss aber grundsätzlich
etwas geschehen.
Die StadtteilexpertInnen sehen die Politik in der Verantwortung, die Strukturen zu verändern.
Insbesondere die ökonomische und städtebauliche Struktur soll verbessert werden. Die
Gebäudefrage ist zweifellos eine der wichtigsten Fragen, die zu klären ist. Des Weiteren steht
die Schaffung von Arbeitsplätzen ganz oben auf der Wunschliste der StadtteilakteurInnen.
Momentan „ist eine spannende Zeit, was Barkenberg betrifft,“ prognostiziert der
Bürgermeister Lambert Lütkenhorst. Sowohl Politik und Verwaltung kündigen an, sich
verstärkt um die Entwicklung Barkenbergs zu kümmern.
Resümierend lässt sich festhalten, dass die Theorien der Sozialen Stadtentwicklung
durchaus in vielen Punkten in Barkenberg praktisch umgesetzt werden. Sicherlich gibt es
einige Defizite, die aber vor dem Hintergrund, dass Barkenberg nicht mit einem offiziellen
Stadtteilprogramm gefördert wird, verblassen. Der Stadtteil erhält keine besondere Werbung,
keine zusätzlichen finanziellen Mittel und die Akteure werden nicht entsprechend theoretisch
geschult. Letzterem ist eine unzureichende Reflexion über manche Angelegenheiten
geschuldet, insbesondere bezüglich Bewohnerbeteiligung und -aktivierung. Das Fehlen eines
Stadtteilmanagements zeigt sich vor allem in dem geringen Engagement die BewohnerInnen
zu aktivieren und zu beteiligen und in der Möglichkeit, politisch Druck auszuüben. Die
Beteiligung der städtischen Verwaltung und der Kommunalpolitik ist hier nur am Rande
43
untersucht worden. Inwieweit sie den Ansprüchen sozialer Stadtentwicklung genügt, kann nur
annährend beantwortet werden. Sicherlich zeigt sich auch hier deutlich das Fehlen eines
Stadtteilmanagements.
Die Realisierung der Theorien zur Sozialen Stadtentwicklung findet also nicht nur in
Modellprojekten statt, sondern wird auch in anderen Stadtteilen soweit wie möglich kopiert.
Dies geschieht allerdings unter eingeschränkteren finanziellen Mitteln, was schon einen
erheblichen Unterschied ausmacht. Wie deutlich die Implementierung eines
Handlungsprogramms, die praktische Umsetzung verbessern würde, wäre sicherlich eine
spannende Frage.
Auch müssten die Wirkungen der Sozialen Stadtentwicklung, ob ohne oder mit
Programm, genauer untersucht werden. Wie sehen Barkenberger BürgerInnen die
Handlungsansätze und inwieweit sind Erfolge ablesbar?
Abschließend wäre es sicherlich zu begrüßen, wenn Barkenberg in das Landesprogramm
Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf aufgenommen wird. Barkenberg gehört in
dieses Programm.
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und empirischen Analyse von Armut. Stuttgart.
Strohmeier, Klaus Peter 2001: Stadtgesellschaft und Stadtteilpolitik. In: Teichmann, Ulrich
(Hrsg.): Das Haus im Griff. Dortmund, S. 107-171 bzw. S. 1-52 (Seitenzahlen der Online-Version).
Strohmeier,
Klaus
Peter
2002:
Demographischer
Wandel
im
Ruhrgebiet.
Bevölkerungsentwicklung und Sozialraumstruktur im Ruhrgebiet. In: Projekt Ruhr GmbH (Hrsg.):
Demographischer Wandel im Ruhrgebiet. Bevölkerungsentwicklung und Sozialraumstruktur im
Ruhrgebiet. Essen
Tietzsch, Karl-Heinz 1963: Entwicklung der Gemeinde Wulfen und Lembeck.
Wirtschaftsstrukturelle Modelluntersuchungen als Grundlage für die Beurteilung der städtebaulichen
Entwicklung unter Berücksichtigung des bergbaulichen Strukturwandels. Essen.
WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) 07.08.2002: LEG kämpft weiter um jeden Mieter, von
Martin Ahlers, Dorsten.
WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) 09.10.2002: LEG schiebt Sanierungen vor sich her,
Dorsten.
WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) 14.04.2001: Bedarfsanalyse für Streetwork, Dorsten.
WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) 20.04.2000: Viele Leerstände in großen Mietshäusern,
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Weiss,
A.
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http://www.dorstenwulfen.de/Seiten/Barkenberg/Geschichte.htm, zugegriffen am 01.01.2003.
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Zahn, Erich 1962: Die Grundlagen des Wettbewerbs. In: Krämer, Karl (Hrsg.): Architektur
Wettbewerbe. Sonderheft Neue Stadt Wulfen. Stuttgart, S. 7-12.
47
8 Anhang
8.1 Interviewte ExpertInnen
Rainer Diebschlag, didaktischer Leiter der Gesamtschule Wulfen, Bezirksausschuss von
Barkenberg, Beirat des Gemeinschaftshauses, lange Zeit Vorsitzender der Wulfener SPD,
beteiligt an der Planung der ersten Kinder- und Jugendkulturwochen, wohnt seit 1976 in
Barkenberg, Gespräch am 04.04.2003, Dauer ca. 50 Minuten
Manfred Flaß, Polizeibeamter im Bezirksdienst, Vorsitzender der Fußballabteilung von
Blau-Weiß-Barkenberg, wohnt seit 1971 in Barkenberg, Gespräch am 04.04.2003, Dauer 23
Minuten
Sigrid Gläser, Diplom-Sozialarbeiterin, Jugendarbeitslosenberatung bei der Dorstener Arbeit,
Beratungsstelle für Wohnungsnotfälle im Bürgertreff seit Januar 2003 (1/2 Stelle), seit 1997
ehrenamtlich im Bürgertreff, seit 8 Jahren im Pfarrgemeinderat, viel ehrenamtliches
Engagement, wohnt seit über 20 Jahren in Barkenberg, Gespräch am 24.03.2003, Dauer 17
Minuten
Volker Helfferich, Hauptschullehrer an der Matthäushauptschule in Wulfen, Mitglied der
Wulfen-Konferenz als Vertreter der Schule, stellvertretender Vorsitzender des Bürgertreffs
(seit Februar 2003), Organisation der Big Party (große Stadtteildisko), Planungsausschuss der
Kinder- und Jugendkulturwoche, Initiator für ein Jugendcafé, wohnt seit seinem 5. Lebensjahr
(1972) in Barkenberg, Gespräch am 02.04.2003, Dauer 49 Minuten
Lambert Lütkenhorst, Bürgermeister der Stadt Dorsten, Gespräch am 09.04.2003, Dauer 14
Minuten
Pater Winfried Pauly, Streetwork mit benachteiligten jungen Menschen (seit 2 ½ Jahren),
Gespräch am 02.04.2003, Dauer 33 Minuten
Joachim Thiehoff, Diplom-Sozialarbeiter, Teamleiter des ASD/ Sozialraumteams,
maßgeblicher Initiator der Wulfen-Konferenz, Gespräch am 24.03.2003, Dauer 65 Minuten
Marion Werk, ehrenamtliche Vorsitzende Bürgertreff Dimker Allee e.V. (seit 1997),
Vorsitzende Kinderschutzbund, wohnt seit 29 Jahren in Barkenberg, Gespräch am
24.03.2003, Dauer ca. 50 Minuten
Andreas Winkelhorst, Diplom- Sozialwissenschaftler, Teamleiter des Sozialraumzentrums
(seit 01.01.2003), Gespräch am 18.03.2003, Dauer ca. 32 Minuten
49
8.2 Stadtteilplan: Rundweg durch Barkenberg

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