Ohio State Penitentiary (1815^1900)1,2

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Ohio State Penitentiary (1815^1900)1,2
DIET ER BINDZUS
Ohio State Penitentiary (1815^1900)1, 2
Strafvollzug zwischen Vergeltung und Reform?
WÌhrend der deutsche Strafvollzug im 17. Jh. maÞgeblich aus Holland beeinfluÞt
wurde, erhielt er im 18. und 19. Jh. wesentliche Impulse aus der amerikanischen
GefÌngnisbewegung. Bis weit ins 20. Jh. hat das ,,solitary system``, d. h. die strikte
Trennung der Strafgefangenen bei Tag und Nacht (,,Pennsylvanisches System``) und
das mit ihm konkurrierende ,,silent system``, d. h. strenges Schweigegebot bei aufgehobener Isolierung am Tag durch gemeinsame Arbeit (,,Auburnsches System``)
im deutschen Strafvollzug seine unverkennbaren Spuren hinterlassen. Das ,,Ohio
State Penitentiary`` (1815^1984) ist ein Musterbeispiel einer auf dem ,,Auburnschen
System`` beruhenden amerikanischen Strafanstalt. Seine Geschichte hat trotz der
vorhandenen FÏlle von (zumeist unverÎffentlichtem) Material bisher weder in
Deutschland noch in den USA eine umfassende wissenschaftliche WÏrdigung gefunden.
I. Entstehung
Die Geschichte der Strafrechtspflege in Ohio begann im Jahre 1788
mit der GrÏndung der Stadt Marietta durch aus Neu-England stammende Siedler. In diesem Jahr erlieÞ Governor St. Clair ein Strafgesetz,
welches als Strafen Auspeitschen (whipping), an den Pranger stellen (confinement in stocks and pillories 3), Zwangsarbeit (binding out to service),
Verurteilung zu GefÌngnis (commitment to gaols), Geldstrafen (payment
of fines) und Verlust von Leben und Eigentum (forfeiture of life and pro1 Der Verfasser bedankt sich auf diesem Wege bei allen Strafvollzugsbediensteten das
,,Ohio Department of Rehabilitation and Correction``, insbesondere bei Tom Rees (CRC
Pickaway), sowie bei den Angestellten der State Archives (Ohio Historical Society), die ihn
in Columbus/Ohio bei den Recherchen tatkrÌftig unterstÏtzt haben.
2 Wichtige Informationsquellen hierzu sind die umfangreichen ,,Ohio Annual Reports,
Penitentiary``, die die GefÌngnisleitung von den AnfÌngen bis zur SchlieÞung dieser Strafanstalt dem Parlament von Ohio jÌhrlich zu erstatten hatte.
3 Ein senkrecht stehender Block oder ein Brett mit LÎchern, auch Schandstock genannt,
zum EinschlieÞen der FÏÞe (stocks) bzw. des Kopfes und der HÌnde (pillory); vgl. Reichel,
Philip L., Corrections, 1997, 152 f.
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perty) vorsah.4 Vier Jahre spÌter wurde gesetzlich angeordnet, ,,in jedem
Verwaltungsbezirk (county), soweit noch nicht geschehen, fÏr die Rechtsprechung ein GerichtsgebÌude (courthouse) und fÏr die Inhaftierung
von Schuldnern und Kriminellen ein dem Zweck genÏgendes, Îffentliches GefÌngnis (jail or prison) einzurichten, jedes mit zwei Abteilungen, eine davon fÏr die Aufnahme von Schuldnern und die andere fÏr die
sichere Aufbewahrung von Verbrechern.`` 5
Anfangs gab es in Ohio, 17. Staat der USA seit 1803, lediglich Îrtliche
GefÌngnisse (local jails). Erst 1815 wurde auf einem von BÏrgern gestifteten GelÌnde am Îstlichen Ufer des Scioto-Rivers zusammen mit einem
RegierungsgebÌude (State House) das erste StaatsgefÌngnis (State Prison)
errichtet. Die auf einer FlÌche von nur 200 m 2 errichtete Strafanstalt hatte
nach Aussagen von Zeitzeugen Zellen, die nicht mehr waren als ,,kleine
dunkle LÎcher``; ein ,,Annex`` enthielt den Galgen (gallows) und die
Todeszelle (death cage). 6 Schon im Jahre 1819 wurde nahe der alten
Anstalt ein neues grÎÞeres GefÌngnis errichtet. 7 Im Jahre 1822 erhielt die
Anstalt, die bis dahin den Namen ,,State Prison`` bzw. ,,Penitentiary``
fÏhrte, durch Gesetz 8 die offizielle Bezeichnung ,,The Ohio Penitentiary``.9
Die stark gestiegenen Einwanderungs- und KriminalitÌtszahlen zwangen Ohio in den Jahren 1832^1837 eine wesentlich grÎÞere Strafanstalt zu
bauen, die fÏr die nÌchsten 150 Jahre das Zentrum des Strafvollzuges in
Ohio bilden sollte. Verbunden war damit zugleich die Reorganisation des
Managements, welches man auf das sich im Vordringen befindliche ,,Auburnsche System`` umstellte.10 Bereits im Oktober 1834 wurden die Strafgefangenen aus dem alten, in das sich noch mitten im Bau befindliche
neue GefÌngnis ÏbergefÏhrt. Die neue Anstalt hatte 700 Zellen und verfÏgte Ïber ein besonderes mit elf Zellen ausgestattetes GebÌude als eigen4 Hicks, Clara Belle, The History of Penal Institutions in Ohio to 1850, The Ohio
Archaeological and Historical Quarterly, Oct. 1924, 367 f.
5 Laws of the Northwest Territory, 1792, 26.
6 Cole, George, A history of the Ohio Penitentiary from 1850 to 1900, Ohio State University 1941, S. 8, (unverÎffentlichte Diplomarbeit).
7 Hicks, a.a.O. (FuÞn. 4), S. 374 f.
8 Laws of Ohio, XXIX, 1822, 44.
9 Zur Entstehung des Begriffs ,,Penitentiary``: 1779 wurde in England durch das Parlament, unter EinfluÞ von John Howard, der ,,Penitentiary Act`` erlassen. Howard prÌgte den
Begriff ,,penitentiary`` um zu verdeutlichen, daÞ solche Institutionen fÏr die Besserung von
Kriminellen, basierend auf der Philosophie der QuÌker von BuÞe und Reue durch Reflexion der eigenen SÏnden, an Stelle von Zwangsarbeit einzurichten seien (vgl. Stinchcomb,
Jeanne B., Introduction to Corrections, 5. Auflage 1999, S. 97 f.).
10 Lewis, O.F., The Development of American Prisons and Prisons Customs (1776^
1845), 1845, 260; Kirchheimer, O./Rusche, G., Sozialstruktur und Strafvollzug, 1974, 177 ff.
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stÌndiges FrauengefÌngnis; die sie umgebende Mauer war 24 feet
(7,32 m) hoch.11
Einen guten Einblick in die allgemeine Entwicklung des Penitentiary,
kurz ,,Pen`` genannt, kÎnnen die umfangreichen Neuerungen, insbesondere die Neubau- und UmbaumaÞnahmen, aus der zweiten HÌlfte des
19. Jh. vermitteln, die ihren Grund in stÌndig wachsenden Gefangenenzahlen, daneben aber auch in der sich Ìndernden Einstellung zu Hygieneund Gesundheitsstandards sowie zum Strafvollzug allgemein hatten.12
Abwasseranlage (1851); Wasserreservoir, FassungsvermÎgen: 10 000 Barrel
(159 000 Liter) (1851); Getreidelager (1852); (neue) KÏche (1853); Lagerhaus fÏr
Lebensmittel u. a. (1853); (neue) Kirche (1853); Wiederaufbau abgebrannter Werkhallen fÏr Textil- und Schuhfabrikation (1854); Zementboden und eiserne Bettstellen in Zellen (1854); FeuerlÎschanlagen (1858); Beginn des Baus einer neuen Umfassungsmauer (1859); (neue) Frauenabteilung (1859); (neue) GieÞerei, Betriebe
zur Herstellung von Spielzeug und Hacken, BÌckerei (1860); EinfÏhrung eines
Gaslichtsystems (1861); Waschhaus, 13 neue Zellen (1862); besonderes Haus fÏr
Geisteskranke (1864); Betrieb zur Herstellung von Artikeln fÏr den Staat (1867);
Zisterne fÏr Regenwasser (1868); GebÌude fÏr vier neue Werkhallen (1872); Gasanstalt fÏr Îffentliche GebÌude auÞerhalb der Anstalt (1873); rattensicherer Getreidespeicher (1875); VergrÎÞerung von Speisesaal, KÏche, Hospital und Schlafsaal, Fertigstellung verschiedener Werkhallen (1876); 280 neue Zellen (1877);
(neue) MÏhle und Waschhaus (1878); Installation von Duscheinrichtungen, drei
Waschmaschinen, Zentralheizung fÏr die ZellenblÎcke (1878); Neubau einer
abgebrannten FaÞfabrik (1885); EinfÏhrung des Identifikationssystems nach
Alphonse Bertillon fÏr Kriminelle durch Erfassung anthropometrischer Merkmale (1887); Erneuerung des FeuerlÎschsystems nach groÞem Brand (1890);
(neues) Hospital (1894); Installierung des elektrischen Stuhles (electric chair)
(1896).
II. Verwaltung
Die Verfassung von Ohio aus dem Jahre 1802 enthielt noch keine
Bestimmungen Ïber den Strafvollzug. Erstmals 1851 wurden einige
GrundsÌtze verfassungsrechtlich verankert. Danach sollten Direktoren
(directors) direkt durch die ,,General Assembly`` (Senate and House of
Representatives) fÏr das Ohio Penitentiary bestimmt bzw. gewÌhlt werHicks, a.a.O. (FuÞn. 4), S. 381f.
siehe dazu Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), S. 40 ff., der dort auch einen interessanten Bericht
eines Besuchers des ,,Pen`` aus dem Jahr 1890 wiedergibt. Zum Identifikationssystem siehe
Howe, Henry, ,,Historical Collections of Ohio``, Columbus 1888, S. 647; eingehend dazu
auch Fornshell, Marvin E., ,,Ohio Penitentiary``, 1908 (OP Manual Rules, Governing the
Conduct of Prisoners in This Institution), S. 49 ff.
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den.13 Die 1874 verfassungsrechtlich geplante weitere Aufgliederung der
staatlichen Straf- und Besserungsanstalten in eine FÏrsorgeanstalt (school
for boys), ein Zuchthaus (house of discipline) sowie eine Strafanstalt
(penitentiary) kam Ïber einen Gesetzesentwurf nicht hinaus.14
Wichtigste Aufgabe der Direktoren war es, dem ,,Governor`` zur Vorlage bei der ,,General Assembly`` jÌhrlich einen Bericht Ïber die Finanzen
und den allgemeinen Zustand der Anstalt zu erstatten, der seinerseits auf
entsprechenden Berichten unter anderem des Anstaltsleiters (warden)
und der Ørzte (physicans) beruhte.15 DarÏber hinaus besaÞen die Direktoren gegenÏber der Anstalt die Weisungskompetenz und Aufsicht in allen Angelegenheiten, die die Arbeit der Strafgefangenen innerhalb und
auÞerhalb der Strafanstalt betraf.16 1884 wurden die Direktoren durch ein
,,Board of Managers``, bestehend aus fÏnf ehrenamlichen Mitgliedern, ersetzt, wobei zwei ausgebildete Maschinenbauer sein muÞten und nicht
mehr als drei derselben politischen Partei angehÎren durften.17 Die Direktoren bzw. die Manager ernannten den Anstaltsleiter, der auÞer praktischer Erfahrung vor allem die FÌhigkeit und Qualifikation zur Leitung
der umfangreichen Industriebetriebe besitzen sollte.
Die Verwaltung des ,,Pen`` selbst lag in den HÌnden des Anstaltsleiters
(warden), der die Gesamtverantwortung fÏr die Anstalt und ihre Insassen
hatte. Die LÌnge seiner Amtszeit variierte (1884: vier Jahre). ErwÌhnenswert ist, daÞ er nicht aus parteipolitischen GrÏnden seines Amtes enthoben werden durfte.18 Er erhielt ein jÌhrliches Einkommen von nicht
mehr als $ 3.000 (heutiger Wert: 19 $ 50 000). FÏr aus seiner TÌtigkeit resultierende RegreÞfÌlle hatte der Anstaltsleiter bei der Einstellung eine
BÏrgschaft Ïber $ 50 000 (heutiger Wert: $ 833 333) zu leisten. 20
Zur Seite stand dem Anstaltsleiter der stellvertretende Anstaltsleiter
(deputy warden), der u. a. als Vorsitzender des ,,discipline court`` (Disziplinargerichts) gegenÏber den Strafgefangenen fÏr die Anordnung und
DurchfÏhrung von DisziplinarmaÞnahmen verantwortlich war. UnterstÏtzt wurden die beiden bei der ErfÏllung ihrer Aufgaben u. a. vom
13 vgl. auch Patterson, Isaac Franklin, The Constitutions of Ohio and Allied Documents,
S. 136.
14 ebenda (FuÞn. 13), S. 206.
15 vgl. Ohio Annual Report, Penitentiary, 1884, S. 159.
16 Laws of Ohio, XXIX, 1830, 227.
17 vgl. Ohio Annual Report, Penitentiary, 1884, S. 159.
18 vgl. Ohio Annual Report, Penitentiary, 1884, S. 161.
19 Data adapted from McCusker, John J., How much is that in real money?, Proceedings
of the American Antiquarian Society (1992), Table A-2.
20 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1851, S. 66; 1884, S. 161.
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,,clerk`` (finanzielle Angelegenheiten), ,,physican`` (medizinischer Bereich),``
,,steward`` (allgemeine VerwaltungsgeschÌfte), ,,chaplain (Seelsorger),
,,matron`` (Frauenabteilung), ,,superintendent of schools`` (Bildungswesen), ,,captain of the night watch`` (Sicherheit der Anstalt bei Nacht)
und ,,guards`` (Aufsichtsdienst). FÏr die Bediensteten gab es einen umfangreichen Verhaltenskodex, 21 insbesondere galt ein absolutes GlÏcksspiel- und Alkoholverbot; Schlafen im Dienst wurde mit sofortiger Entlassung geahndet.
III. Finanzierung
Die Baukosten der 1837 fertiggestellten Strafanstalt beliefen sich auf
$ 93 379 (heutiger Wert: $ 1867 580). Die fÏr die damalige Zeit hohe Bausumme lÎste bei den Steuerzahlern heftige Kritik aus, 22 weil man nach
ihrer Meinung fÏr ein so unwirtschaftliches Unternehmen wie das ,,Pen``
nicht so viel Geld hÌtte verschleudern dÏrfen. Als die Anstalt dann aber
bereits im ersten Jahr ihres Bestehens Einnahmen in HÎhe von $ 43 000
(heutiger Wert: $ 860 000) erzielte, verstummten die Kritiker. Bis 1850
bildeten die Haupteinnahmequelle die ErlÎse aus dem Verkauf von
Schweinen, die von den Strafgefangenen aufgezogen wurden. Diese TÌtigkeit muÞte spÌter jedoch wegen der starken GeruchsbelÌstigung fÏr
die Nachbarschaft der Anstalt eingestellt werden. 23 Nach 1850 wurden
die meisten Einnahmen des ,,Pen`` durch ,,contract labor`` erzielt. 24
Weitere Einnahmen zog die Anstalt aus dem Besuch von BÏrgern
(1851: $ 2 466,29; heutiger Wert: $ 49 325,80), aus dem Verkauf von in
den GefÌngnisbetrieben hergestellten Produkten, sowie fÏr die Verwahrung von ,,federal prisoners``, d. h. aus der Ûbernahme von Strafgefangenen vom ,,United States Government`` (Zentralregierung) gegen entsprechende finanzielle VergÏtung. 25 Die Hauptausgaben der Anstalt im Jahre
1851 in HÎhe von $ 34 359,21 (jetzt: $ 687 184,20) bei einer Gefangenenzahl von 469 wurden fÏr Nahrungsmittel, Beleuchtung, GehÌlter, Bekleidung und medizinische Versorgung getÌtigt. 26 Die Kosten pro Gefangenem betrugen im Jahre 1873 einschlieÞlich Verpflegung, Kleidung, Bettvgl. Rules and Regulations, Ohio Annual Report, Penitentiary, 1852, S. 66 ff.
Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), S. 9 f.
23 Dyer, Benjamin F.), History of Ohio Penitentiary, Columbus 1891, S. 10; Dyer war
1879 warden (Anstaltsleiter) des Ohio Penitentiary.
24 ausfÏhrlich dazu siehe unten S. 9 f. (Gefangenenarbeit).
25 Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), S. 21ff.; siehe auch unten S. 8.
26 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1851, S. 10.
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zeug, Medizin und Tabak ^ daran hat sich bis zur Jahrhundertwende
kaum etwas geÌndert ^ pro Tag 18,25 Cents (heutiger Wert: $ 1,28). 27
Interessant ist, daÞ die Bilanzen zwischen 1850^1900 in 29 Jahren
jeweils Gewinne auswiesen; der hÎchste Gewinn war im Jahre 1861
mit $ 95 745,13 (heutiger Wert: $ 1914 902,60) zu verzeichnen, das hÎchste Defizit belief sich im Jahre 1885 auf $ 67 495,46 (heutiger Wert:
$ 1124 924,33). 28
IV. Vollzugsgestaltung
Ziel und Gestaltung des Vollzuges ergibt sich aus den gesetzlichen Vorgaben zur Vollzugsgestaltung, von denen aus den ,,Rules and Regulations``
(1876) einige wichtige im Wortlaut wiedergegeben seien: 29
Die Gefangenen sind verpflichtet, zuverlÌssig, bestÌndig und fleiÞig zu arbeiten, allen Anweisungen unverzÏglich zu folgen und ein striktes Schweigegebot
einzuhalten (unbroken silence). Jeder Wort- bzw. Schriftwechsel untereinander ist
strengstens untersagt. Es ist verboten, Blicke auszutauschen oder einander zuzuwinken, auÞer wenn es notwendig ist, um ihre Anliegen den Beaufsichtigenden
mitzuteilen.
Die Gefangenen haben sich ihren WÌrtern in respektvoller Weise zu nÌhern,
mit diesen so knapp wie mÎglich zu sprechen; mit ihnen sich nicht Ïber allgemeine Dinge zu unterhalten, noch sich an sie zu wenden, es sei denn es steht mit
ihrer Arbeit oder ihren sonstigen Anliegen in Zusammenhang.
Ohne Erlaubnis ist Kontaktaufnahme mit Personen auÞerhalb der Anstalt verboten. Ebenso ist untersagt, von solchen Personen Briefe, Zeitungen, Tabak oder
sonstige Dinge anzunehmen. Verboten ist den Gefangenen, den zugewiesenen Arbeitsplatz ohne besondere Erlaubnis oder Anordnung des zustÌndigen Bediensteten zu verlassen. Nicht erlaubt ist, wÌhrend der Arbeit vorÏbergehende Besucher
anzuschauen oder anzustarren.
Jegliche vorsÌtzliche BeschÌdigung von Arbeitsmaterial, Werkzeugen, Kleidung, Bettzeug sowie anderer dem GefÌngnis gehÎrender GegenstÌnde ist dem
Gefangenen verboten. Untersagt ist ferner, die WÌnde oder andere Teile der Zelle
bzw. des Schlafsaales (dormitory) zu beschmutzen, zu beschÌdigen oder zu verunstalten; ebenso darf der Gefangene seine Arbeit nicht schlecht ausfÏhren,
wenn er die FÌhigkeit besitzt, sie gut zu verrichten.
Beim LÌuten der Glocke hat jeder Gefangene ^ wenn er will, kann er es
auch frÏher machen ^ sich schlafen zu legen und strikte Ruhe bis zum LÌuten
der Glocke am Morgen einzuhalten, beim ErtÎnen der Glocke sich sofort anzuOhio Annual Report, Penitentiary, 1873, S. 102 .
im einzelnen dazu Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), Financial Statistics of Ohio Penitentiary
1850^1900, Appendices XII-XIV.
29 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1876, S. 90; vgl. auch Fornshell, a.a.O., (FuÞn. 12),
S. 139 ff.
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kleiden und zum Abmarsch vorzubereiten. Zu marschieren ist immer in militÌrischem Schritt. 30 Auf den Zellen, beim Marschieren, Ïberhaupt jederzeit ist unnÎtiger LÌrm zu vermeiden. Schlafen in Kleidung ist untersagt.
Alle vorsÌtzlichen Verletzungen der genannten Regeln ziehen unweigerlich
(schwere) Disziplinarstrafen nach sich.
Die Zellen der Gefangenen waren aus Stein gebaut, hatten eisenverriegelte TÏren und maÞen nur sieben mal vier FuÞ (2,1 m 2); jede Zelle verfÏgte neben einfachstem Mobiliar Ïber eine hochklappbare Pritsche. 31 Es
gab weder flieÞend Wasser noch eine Toilette, fÏr ihre Notdurft stand den
Gefangenen in der Nacht nur ein Holz-, bzw. spÌter ein BlechkÏbel zur
VerfÏgung, der nach Aussagen der Ørzte Grund fÏr viele Ansteckungskrankheiten war.32 Ûber den miserablen Zustand der Zellen schreibt der
Anstaltsleiter 1875 in seinem jÌhrlichen Bericht:
,,Die in den vergangenen 20 Jahren unzÌhlige Male ÏbertÏnchten (Schlaf-) Zellen sind in einem solchen Umfang zu einem Unterschlupf fÏr Wanzen und sonstiges Ungeziefer geworden, daÞ es zu einer unlÎsbaren Aufgabe geworden ist, diese
Plage auf ein tolerierbares MaÞ zu beschrÌnken.``33
Gesetzlich stand den Strafgefangenen ein sauberes Strohbett mit einer
Zudecke, der Jahreszeit angepaÞte Kleidung aus grobem Material und
gesunde, abwechslungsreiche Kost zu. 34 Mehrere Typhus- und Ruhrepidemien sowie die Tatsache, daÞ aufgrund Vitamin-C-Mangels Gefangene des Îfteren an Skorbut (scurvy) erkrankten 35, zeigen, wie es um die
Einhaltung dieser gesetzlichen Bestimmungen in der RealitÌt bestellt
war. In den Jahren 1850^1870 bestand das wenig abwechslungsreiche Essen vornehmlich aus Maismehlbrei (mush). Erst als sich danach die Ansicht der Ørzte durchsetzte, daÞ bessere Kost weniger Krankheit bedeutete, verbesserte sich die Verpflegung erheblich. AlkoholgenuÞ war den
Gefangenen verboten. Tabak dagegen war erlaubt, weil die Gefangenen
ohne diesen nach Ansicht der GefÌngnisverwaltung zur AufsÌssigkeit nei30 ,,Lockstep formation i. e. prisoners were required to line up in close formation with
their hands on the shoulders or under the arms of the prisoner in front. The line then
moved rapidly toward its destination as the prisoners shuffled their feet in unison, without
lifting them from the ground. Because of this nonstop shuffle was ,encouraged` by the use
of the lash, any prisoner who fell out of lockstep risked a broken ankle or other serious
injury from the steadily moving formation.``(Allen, Harry E./ Simonsen, Clifford E., Corrections in America, 7. Aufl. 1995, S. 46).
31 Howe, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 646.
32 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1857, S. 33.
33 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1875, S. 15.
34 Laws of Ohio, LVIII, 141.
35 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1853, S. 23; 1854, S. 39.
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gen wÏrden. 36 Die traditionell gestreifte GefÌngnisuniform wurde im
,,Pen`` bis zum Jahre 1871 getragen und dann durch eine unisono graue Bekleidung ersetzt. 37
1890/1891 setzte die Leiterin der Frauenabteilung (matron) Nettie
Marshal entscheidende Verbesserungen fÏr die weiblichen Strafgefangenen durch. Auf ihre Initiative wurden die GitterstÌbe von den Zellenfenstern entfernt, die Gefangenenbekleidung durch normale Hauskleidung ersetzt und die Zellen unverschlossen gelassen.38
V. Strafgefangene
Am 8. August 1815 wurden in die erste Strafanstalt, die eine AufnahmekapazitÌt fÏr 60 Strafgefangene hatte, als erste Gefangene die beiden
19 bzw. 20 Jahre alten BrÏder Jack und David Evans ^ dem Gefangenenbuch nach zu 5 Jahren GefÌngnis wegen ,,assault and battery to kill`` verurteilt ^ eingeliefert. 39 Bereits in den ersten Jahren des Bestehens des
,,Ohio Pen`` begann man, vom ,,United States Government`` (Zentralregierung) gegen entsprechende finanzielle VergÏtung ,,federal prisoners``
zu Ïbernehmen, darunter waren auch zehn Indianer vom Stamm der
Apachen.40
Die MortalitÌtsrate war anfangs groÞ, ebenso auch die Zahl der Begnadigungen: Von den 150 in den ersten fÏnf Jahren aufgenommenen
HÌftlingen starben 11 und 82 wurden nach TeilverbÏÞung begnadigt
(pardoned).41 Von 1815^1834 stieg die Gefangenenzahl auf 300 42 , bis 1849
auf 423, von denen im selben Jahr 116 an Cholera starben.43 Die Insassenstatistik in der zweiten HÌlfte des 19. Jh. weist als hÎchste Zahl 2424 Gefangene im Jahre 1898 und als niedrigste Zahl 424 im Jahre 1850 aus.44 Bei
den weiblichen Gefangenen lag in diesem Zeitraum die HÎchstzahl bei 41
(1899).45 Bis 1834 wurden insgesamt nur 10 Frauen inhaftiert, keine von
36 Bis 1882 erhielten sie zwei Unzen (56,7 g), danach drei Unzen (85 g) wÎchentlich
(vgl. Ohio Annual Report, Penitentiary, 1882, S. 29).
37 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1871, S. 28.
38 Dyer, a.a.O. (FuÞn. 23), S. 45.
39 Hicks, a.a.O. (FuÞn. 4), S. 374; Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 2.
40 Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), S. 8.
41 Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 3; vgl. auch Gall, Joe, Death of a Legend, Book Closing
on Another Chapter in Ohio History, reprinted from ,,Motive``, Nov./Dec. 1971.
42 Weekly Ohio State Journal, July, 15^17, 1833.
43 Lore, David, ,,Inside the Pen``, The Columbus Dispatch, October 28, 1984.
44 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1898, S. 5.
45 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1899, S. 64.
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ihnen verbÏÞte mehr als 18 Monate, obwohl ihre Verurteilungen zwischen
zwei Jahren und lebenslÌnglich lagen.46
Bei den mÌnnlichen Strafgefangenen reichten die zur Inhaftierung fÏhrenden Delikte vom Pferdediebstahl bis hin zum schweren Diebstahl
(grand larceny), und von Vergewaltigung bis hin zu Mord; 47 die Frauen
saÞen Ïberwiegend wegen schweren Diebstahls ein, 1863 waren es 17 von
insgesamt 31 weiblichen Gefangenen.48
VI. Gefangenenarbeit
Soweit sie kÎrperlich dazu in der Lage waren, unterlagen alle Strafgefangenen dem Arbeitszwang. Teilweise arbeiteten sie direkt fÏr den
Staat. Zwischen 1827^1829 waren viele von diesen am Bau des OhioKanals beteiligt, 89mal erschien in den GefangenenbÏchern der Eintrag
,,pardoned on the canal``.49 Mit Hilfe von Gefangenenarbeit wurde auch
das 1837 fertiggestellte neue Ohio State Penitentiary und das spÌter erbaute State Capitol errichtet.
Ûberwiegend wurde die Arbeitskraft der Strafgefangenen anfangs
aber an Unternehmer fÏr Arbeiten, die inner- und auÞerhalb der Anstalt
auszufÏhren waren, ,,verkauft`` (contract labor), wobei allein die Gewinnmaximierung fÏr den Staat im Vordergrund stand. Vertragspartner des
Staates waren in erster Linie lokale Unternehmer, die ihre FabrikationsstÌtten innerhalb der Strafanstalt selbst oder in deren NÌhe unterhielten.
In der Anstalt wurden von Unternehmern Handwerksbetriebe (Zimmermann, Anstreicher, Installateur, Schmied u. a.) und Fabrikationsbetriebe
fÏr die Herstellung von Besen, Schrauben und Bolzen, Geschirre fÏr Zugtiere, Eimer, StÏhle, Drucksachen, Haken, Rechen, Zigarren, Kleidung
und Seife unterhalten; die Frauen stellten RohrstÏhle sowie Wachsblumen her und nÌhten Kleidung. 50 Die gesetzlich vorgesehene Arbeitszeit
war lang: Sie betrug ^ sonntags war generell arbeitsfrei ^ bis zu 10 Stunden tÌglich. 51
Der ErlÎs aus der ,,contract labor`` stieg Ïber die Jahre stÌndig an
und erreichte im Jahre 1883 die beachtliche Summe von $ 216 78552
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Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 6.
nÌher siehe: Ohio Annual Report, Penitentiary, 1860, S. 23 f.
Ohio Annual Report, Penitentiary, 1863, S. 26.
Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 3 f.
Ohio Annual Report, Penitentiary, 1863, S. 26; 1891, S. 79 f.
Laws of Ohio, LVIII, 139.
Cole, George, a.a.O. (FuÞn. 6), Anhang XVI.
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(heutiger Wert: $ 3 613 095,53), fiel dann aber bis 1895 auf $ 16 95153 (heutiger Wert: $ 339 038,82) zurÏck. Das lag vor allem daran, daÞ das ,,contract labor``-System 1884 abgeschafft54 und durch den ,,piece-price-plan``
(,,StÏcklohn``-System) ersetzt wurde. Letzteres ist vergleichbar mit dem
System der Unternehmerbetriebe im deutschen Strafvollzug. Nach ihm
brachte der Unternehmer in die ihm in der Strafanstalt zur VerfÏgung gestellten Werkhallen Maschinen und Materialien ein, wÌhrend der Staat
die unter seiner Aufsicht verbleibenden Strafgefangenen als ArbeitskrÌfte
stellte, wobei sich die Bezahlung nach der StÏckzahl (piece) der jeweils
produzierten Erzeugnisse richtete. 55
Das neue System hatte gegenÏber dem alten den Vorteil, daÞ der Strafgefangene nicht mehr Sklave des Unternehmers war, sondern zum Angestellten des Staates wurde, der seine Arbeit erleichtern bzw. verÌndern
und je nach KapazitÌt und Fortschritt auch die Arbeitszeit verkÏrzen
konnte. Der entscheidende Vorteil fÏr den Strafvollzug lag aber darin,
daÞ das neue dem alten System hinsichtlich der MÎglichkeiten fÏr Erziehung (education) und Besserung (reformation) der Strafgefangenen
weit Ïberlegen war. 56 Wirtschaftlich gesehen brachte das neue System
dem Staat aber nur Nachteile. Infolge von Fabrikationsfehlern und -mÌngeln war der Verlust an Arbeitstagen in den ,,piece-price``-Betrieben dreimal so hoch wie in den ,,contract``-Betrieben. Zum anderen fÏhrte das
neue System, wie die Bilanz des ,,Pen`` im Jahre 1986 zeigt, zu erheblichen
Einnahmeverlusten aus der Gefangenenarbeit: durchschnittliche Einnahme pro Tag und Strafgefangenen 65,5 Cents (heutiger Wert: $ 10,92)
gegenÏber 72,5 Cents (heutiger Wert: $ 12,08) aus ,,contract labor``. 57
Von dem minimalen Anteil, den die Strafgefangenen aus den fÏr ihre
Arbeit erzielten Staatseinnahmen als Arbeitsbelohnung (award) 58 erhielten, wurde eine RÏcklage (ÛberbrÏckungsgeld) von mindestens 25 % gebildet, die ihnen erst bei Entlassung ausgezahlt wurde. 59
ebenda (FuÞn. 52).
Laws of Ohio, LXXXI, 74.
55 Laws of Ohio, LXXXII, 60.
56 vgl. Brinkerhoff, R., The Achievments of Ohio ^ Ohio Centennial Celebration,
Columbus 1903, S. 502.
57 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1886, S. 9.
58 Der genaue Betrag der Arbeitsbelohnung konnte aus dem vorliegenden Material nicht
ermittelt werden. RÏckrechnungen aus vagen Angaben im Jahre 1909 (Ohio Annual Report,
Penitentiary, 1909, S. 15) ergeben aber, daÞ der Gefangene im ausgehenden 19. Jh. im Durchschnitt pro Arbeitstag weniger als 2,5 Cent (heutiger Wert: 50 Cent) verdient haben
dÏrfte.
59 vgl. Laws of Ohio, LXXXI, 75.
53
54
Ohio State Penitentiary (1815^1900)
29
VII. Medizinische Versorgung
Mangel an ausreichender Bewegung, schlechte ErnÌhrung, unzureichende BelÏftung der Zellen, verunreinigtesWasser und das Fehlen von Abwasseranlagen sind einige der GrÏnde, die Krankheit oder sogar den Tod
von Strafgefangenen verursachten; die auf dem ,,silent system`` beruhende
Isolation hatte teilweise schwere Depressionen zur Folge. 60 Die stationÌre
medizinische Versorgung im ,,Pen`` war ^ tÌglich gab es durchschnittlich
50 Krankmeldungen 61 ^ ÌuÞerst dÏrftig. Bis 1894 62 gab es nur ein schwer
zugÌngliches, im dritten Stock eines Zellenblockes gelegenes Hospital. 63
Typhus-, Pocken- und Choleraepidemien erschÏtterten immer wieder
die Anstalt64, wobei diese ihre Ursache nicht zuletzt auch in der Ablagerung von Tierkadavern westlich der Anstalt und im nahegelegenen
Scioto-River hatten. 65 DarÏber hinaus fÏhrten verdorbene Lebensmittel
des Îfteren zu schweren Lebensmittelvergiftungen; 1868 wurde von 368
solcher FÌlle berichtet. 66 ZahnÌrztliche Versorgung gab es erst, als 1889
einem Gefangenen mit zahnÌrztlichen Kenntnissen die Einrichtung
einer entsprechenden Abteilung erlaubt wurde. 67 Die katastrophalen AnstaltsverhÌltnisse waren die Ursache fÏr die Ïberdurchschnittlich hohe
MortalitÌtsrate der Strafgefangenen: FÏnfzehn HÌftlinge starben 1871,
darunter elf an Tuberkulose. 68 Die hÎchste Zahl an TodesfÌllen gab es im
Jahre 1898, als von 2424 Gefangenen 55,69 hauptsÌchlich an MangelernÌhrung und LungenentzÏndung starben. SelbstverstÏmmelungen waren im
,,Pen`` wegen der harten Zucht und der unmenschlichen Arbeitsbedingungen an der Tagesordnung. 70
Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), S. 74.
Ohio Annual Report, Penitentiary, 1890, S. 108.
62 In diesem Jahr bewilligte die Legislative $ 20 000 (heutiger Wert: $ 400 000) fÏr den
Bau eines neuen Hospitals; (Ohio Annual Report, Penitentiary, 1894, S. 12).
63 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1886, S. 92.
64 Ohio Annual Report, Penitentiary, u. a. 1853, S. 23; 1891, S. 88; 1876, S. 34.
65 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1853, S. 24.
66 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1856, S. 40.
67 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1889, S. 61.
68 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1871, S. 118.
69 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1898, S. 61.
70 Besonders berichtete markante FÌlle: Ein nicht an harte kÎrperliche Arbeit gewÎhnter
Gefangener schlug sich vier Finger der linken Hand ab; ein schwarzer HÌftling schÏttete
sich den Inhalt eines GefÌÞes mit geschmolzenem Eisen in seinen Schuh, was die Amputation des FuÞes nach sich zog; zwei andere Gefangene, die ihren Ørger Ïber ihren Vorarbeiter zum Ausdruck bringen wollten, steckten ihre Arme in mit SchwefelsÌure gefÏllte Bottiche. (Dyer, a.a.O. (FuÞn. 23), S. 49).
60
61
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Dieter Bindzus
AnfÌnglich wurden geisteskranke Strafgefangene im ,,Ohio Pen`` nicht separiert, erst ab 1864 waren sie in einem besonderen Haus, dem ,,Insane Asylum`` untergebracht; gewalttÌtige Kranke wurden in das ,,Lunatic Asylum``
in Columbus verlegt. 71 Die auf der Isolierung beruhende Melancholie war
einer der HauptgrÏnde, der viele Gefangene in die Geisteskrankheit trieb.
Ausreichende Behandlung und zwischenmenschliche Kommunikation
hÌtten viele Gefangene vor der Geisteskrankheit bewahren kÎnnen. Dies
war auch die Meinung des Anstaltsarztes, der 1851 in seinem Jahresbericht schrieb: ,,Wenn alle, die von der Geisteskrankheit befallen sind,
auf der Stelle an einen Platz mit den passenden Behandlungsmethoden
transferiert werden kÎnnten, wÏrden ohne Zweifel viele von ihnen geheilt werden, ansonsten sind sie nur dazu verurteilt, hoffnungslos dem
Wahnsinn zu verfallen.`` 72
Einer der bemerkenswertesten Geisteskranken soll Benjamin Zurcher
gewesen sein, ein wegen Mordes verurteilter Deutscher mit einem KÎrperbau wie ein Gorilla, der sich als Bismarck ausgab. 73
Im Durchschnitt waren zwischen 20 und 25 Geisteskranke im ,,Pen``
inhaftiert; die hÎchste Anzahl gab es 1876 mit 55 FÌllen bei 1456 Gefangenen. 74
VIII. Resozialisierung
Die 1885 gesetzlich eingefÏhrte unbestimmte Strafe (indeterminate
sentence) war ganz vom Resozialisierungsgedanken getragen. Danach
konnte das Gericht einen noch nicht vorbestraften StraftÌter, der ein
Verbrechen (felony) ^ ausgenommen Mord (murder first and second degree) ^ begangen hatte, zu einer Strafe verurteilen, bei der das Mindest(minimum term) sowie das HÎchstmaÞ (maximum term) der zu verbÏÞenden Strafe festgelegt wurde, die tatsÌchliche Entlassung aber im
Ermessen des ,,Board of Managers`` stand. 75
Gleichzeitig wurde das ,,parole system`` eingefÏhrt, nach dem die vorzeitige Entlassung bei unbestimmter Strafe nur unter BewÌhrungsauflagen erfolgen konnte;76 bei ihrer Verletzung innerhalb der BewÌhrungs71
72
73
74
75
76
Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), S. 78 f.; Laws of Ohio, LXI, 21.
Ohio Annual Report, Penitentiary, 1851, S. 23.
Dyer, a.a.O. (FuÞn. 23), S. 52.
Ohio Annual Report, Penitentiary, 1859, S. 39; 1876, S. 36.
Laws of Ohio, LXXXII, 74.
Laws of Ohio, LXXXII, 236.
Ohio State Penitentiary (1815^1900)
31
frist drohte dem StraftÌter die erneute Inhaftierung bis zur VerbÏÞung
der HÎchststrafe. Dieses Rechtsinstitut erwies sich als ÌuÞerst erfolgreich: Von den in den ersten drei Jahren vorzeitig auf BewÌhrung entlassenen 254 Strafgefangenen, verletzten nur 16 ihre BewÌhrungsauflagen
und muÞten zur weiteren VerbÏÞung ihrer Strafe ins ,,Pen`` zurÏckkehren. 77
Durch den 1884 beschlossenen ,,Good Time`` Act konnten Strafgefangene durch gutes Verhalten in der Strafanstalt eine Reduzierung ihrer
Haftdauer erreichen. 78 Das 1891 modifizierte Gesetz sah im ersten Jahr
eine Reduzierung der Strafhaft von fÏnf Tagen pro Monat, im zweiten
von sechs, im dritten von acht, im vierten von neun und im fÏnften Jahr
von zehn Tagen und bei Strafen darÏber jeweils von elf Tagen pro Monat
vor. 79
Als groÞer Sprung nach vorn wurde 1884/1885 die EinfÏhrung des Stufenstrafvollzugs (graded punishment) angesehen, nach dem die Strafgefangenen in vier verschiedene Stufen (grades) entsprechend ihrem Verhalten im Strafvollzug eingeteilt wurden, wobei die erste die hÎchste und
die vierte die niedrigste Stufe war. 80 Erstrebt wurde damit eine schrittweise oder stufenweise Wiedereingliederung der Strafgefangenen in die
Gesellschaft, die entsprechend den Stufen mit Vollzugslockerungen und
VergÏnstigungen verbunden war. Die Auf- und auch mÎgliche Abstufung
erfolgte nach einem ausgefeilten Plus-Minus-Punktesystem, nach dem
sowohl fÏr gutes als auch fÏr schlechtes Verhalten jeweils Plus- bzw.
Minuspunkte pro Tag (credit marks) erworben werden konnten. 81 Von
der Einstufung hing auch die von den Gefangenen zu tragende Anstaltskleidung ab, die im Berichtszeitraum hÌufiger wechselte. Um die Jahrhundertwende trugen die ,,fourth grader`` schwarz-weiÞe Querstreifen,
die ,,third and second grader`` (intermediate grades) schwarz-graue Querstreifen und die ,,first grader`` schwarze LÌngsstreifen auf der HosenauÞenseite. 82
FÏr die Resozialisierung junger Rechtsbrecher war das im Jahre 1884
beschlossene, aber erst 1896 erÎffnete ,,Intermediate Penitentiary`` 83 in
Mainsfield bestimmt. Es nahm sich der ,,in the middle of the road`` beHowe, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 646.
Laws of Ohio, LXXXI 187.
79 Laws of Ohio, LXXXIX 12.
80 Columbus Sunday Dispatch, Centennial Library Edition, Sept., 1, 1912, 29^30.
81 dazu siehe im einzelnen Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 140 f (Grade Rules).
82 ebenda (FuÞn. 81).
83 zurÏckgehend auf den BegrÏnder des ,,Irischen Strafvollzugssystems``, Sir Walter Crofton, (vgl. Reichel a.a.O., (FuÞn. 3), S. 81f.).
77
78
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Dieter Bindzus
findlichen jungen Kriminellen an, die zu alt fÏr eine JugendfÏrsorgeanstalt (Boys Industrial School) waren, aber noch keine so gefestigten
kriminellen Neigungen besaÞen, deren ,,Ausmerzung`` einen Aufenthalt
im ,,Ohio Pen`` erfordert hÌtte. 84
IX. Bildung und Seelsorge
Da es um die Schul- und Allgemeinbildung der Gefangenen im allgemeinen schlecht bestellt war,85 sah bereits 1857 ein Gesetz vor, Strafgefangenen ohne ausreichende Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben
und Rechnen abends nach der Arbeit unter Aufsicht des Anstaltspfarrers
(chaplain) zwei Stunden Schulunterricht zu erteilen. Stetiger Mangel an
LehrkrÌften sowie Lernmaterialien verhinderten lange Zeit wirklich
durchschlagende Erfolge auf diesem Gebiet; erst 1884 wurde der erste
hauptamtliche Lehrer eingestellt. 86 Bemerkenswert ist aber, daÞ 1898 von
2424 Gefangenen 800 im Alter von 14^80 Jahren die Anstaltsschule besuchten und daÞ im Jahre 1900 der Lehrplan um die FÌcher Kurzschrift,
Maschinenschreiben sowie BuchfÏhrung erweitert wurde. 87 Die vorhandene GefÌngnisbibliothek litt, was ihren BÏcherbestand betrifft, an
stÌndiger Auszehrung. 88 Der Grund dafÏr war, daÞ fÏr Neuanschaffungen kaum finanzielle Mittel zur VerfÏgung standen und die BÏcher infolge der wenig pfleglichen Behandlung und der hÌufigen Benutzung
keine lange Lebensdauer hatten. Im Jahre 1853 betrug der Bestand bei 531
Gefangenen 800 BÌnde mit zumeist religiÎsem Inhalt; 1896 bei 2036 Gefangenen 7215 BÌnde. 89
Seelsorge war sowohl fÏr Gefangene christlichen als auch jÏdischen
Glaubens durch haupt- bzw. nebenamtliche Geistliche zu jedem Zeitpunkt des Berichtszeitraumes gewÌhrleistet. 1852 besuchten nach allgemeinen SchÌtzungen 1/6 der Gefangenen die religiÎsen Veranstaltungen
(religious services).90 Nach einer Befragung von 110 Gefangenen im Jahre
1853 lieÞen sich 57 einer bestimmten Glaubensrichtung zuordnen: Presbyterianer (7), Baptisten (6), Lutheraner (3), Katholiken (12), Methodisten
siehe im einzelnen Brinkerhoff, R, a.a.O. (FuÞn. 56), S. 50 ff.
Noch 1892 gab es in der Anstalt unter 1698 Gefangenen 207 Analphabeten (Ohio
Annual Report, Penitentiary, 1892, S. 77).
86 nÌher zu schulischen MaÞnahmen siehe Cole, a.a.O.(FuÞn. 6), S. 62 ff.
87 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1898, S. 69; 1900, S. 78.
88 vgl. im einzelnen Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), S. 66 ff.
89 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1852, S. 35; 1896, S. 57.
90 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1852, S. 35.
84
85
Ohio State Penitentiary (1815^1900)
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(17), ,,United Brethern`` (2), ,,Universalists`` (4), ,,Episcopalians`` (2) und
,,New Lights`` (4).91
X. DisziplinarmaÞnahmen
Ein dunkles Kapitel in der Geschichte des ,,Pen`` stellen die DisziplinarmaÞnahmen dar, die brutal und unnachsichtig als Mittel zur Aufrechterhaltung einer ganz auf Unterwerfung und Effizienz im Arbeitsbereich
ausgerichteten Anstaltsordnung eingesetzt wurden. Es verwundert
kaum, daÞ diese fast ausschlieÞlich in einer rigiden VerschÌrfung des bereits bestehenden Freiheitsentzuges bzw. aus KÎrperstrafen bestanden.
Welche geringfÏgigen VerstÎÞe bereits zur VerhÌngung einer Disziplinarstrafe fÏhren konnte, zeigt die nachfolgende wÎrtlich Ïbersetzte AufzÌhlung (list of offenses) aus einer fÏr die Strafgefangenen bestimmten Verhaltensanleitung (O. P. Manual ^ Rules Governing the Conduct of Prisoners in This Institution): 92
,,Bett nicht ordentlich gemacht. Kleidung nicht wie vorgeschrieben getragen.
Jacke falsch geknÎpft. Unaufrichtigkeit. Saumseligkeit. Schmutzige Zelle oder
Einrichtung. Nichtbefolgung von Anweisungen. Unruhe in der Zelle. KÌmpferische Auseinandersetzung. Pausieren wÌhrend der Arbeit. Frechheiten gegenÏber
dem WÌchter oder dessen Vorgesetzten. Unaufmerksamkeit in der Marschordnung, im Arbeitsbetrieb oder in der Schule. Lachen oder Herumalbern. Laute
Unterhaltung in der Zelle. LÏgen. Boshafter Ûbermut. Zeichen geben. VernachlÌssigung des Lernens oder der Arbeit. Nichterscheinen an der TÏr zum ZÌhlappell. Nicht unverzÏgliches Heraustreten aus der Zelle bei Aufforderung. Nicht
am angeordneten Platz sein. GotteslÌsterung. Streiten. Sich drÏcken. VersÌumnisse bei der Arbeit. Rauchen innerhalb des GefÌngnisses. Auf den Boden
spucken. Anstarren von Besuchern. Stehlen. Unterhaltung in der Kirche, im Speisesaal, in der Marschreihe, in der Schule, im Betrieb, im Zellenhaus, von Zelle zu
Zelle, bei Arbeiten auÞerhalb der Anstalt. Sonstiges unziemliches Verhalten. Gemeine Sprache. Verschwendung von Essen. Schreiben von nicht erlaubten Notizen oder Briefen.``
Ûber die gesamte Berichtszeit sind im einzelnen nachfolgend geschilderte DisziplinarmaÞnahmen durch den ,,Discipline Court`` verhÌngt
worden. Als die von den Gefangenen am hÌrtesten empfundene Strafe
galt der Dunkelarrest im Keller (solitary confinement) fÏr unbestimmte
Zeit, vollzogen bei Wasser und Brot in einem StahlkÌfig, in dem der
Verurteilte den ganzen Tag Ïber stehend mit Handschellen an die Decke
91
92
Ohio Annual Report, Penitentiary, 1853, S. 22.
Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 139 ff., 144.
34
Dieter Bindzus
des KÌfigs gefesselt war und sich nur nachts auf einem Brett niederlegen
durfte.93 Ernsthaft Ïberzeugt war man davon, durch den Vollzug dieser
barbarischen DisziplinarmaÞnahme einen Betrag zur Resozialisierung des
Verurteilten zu leisten, gÌbe man ihm doch schlieÞlich Gelegenheit, in der
Abgeschiedenheit Ïber seine Untaten nachzudenken und zu besseren Einsichten zu gelangen. GewÎhnlich genÏgten wenige Tage im ,,solitary confinement``, um den Verurteilten zu ,,heilen``. PrÏgelstrafen in Form kÎrperlicher ZÏchtigungen mit der Peitsche waren an der Tagesordnung, wobei
die Anzahl der Peitschenhiebe pro VerstoÞ zehn nicht Ïberschreiten durfte.94 Ein weiteres, von den Gefangenen gefÏrchtetes Disziplinierungsmittel war das ,,shower bath`` (Duschbad), bei dem man den Gefangenen mit
einem unter hohem Druck stehenden Wasserschlauch abspritzte und mit
Vorbedacht Mund und sonstige KÎrperÎffnungen nicht verschonte.95
Im Jahre 1853 wurden bei einer Gefangenenzahl von 53196 gegen 78
Gefangene 120 DisziplinarmaÞnahmen verhÌngt, davon 47mal PrÏgelstrafe mit insgesamt 184 PeitschenschlÌgen. Die Anzahl der Verurteilungen zu ,,shower bath`` betrug 65 und die Anzahl der FÌlle von verhÌngter
Absonderungshaft (solitary confinement) betrug acht.97 1848 ^ in diesem
Jahr wurde die gefÏrchtete neunschwÌnzige Peitsche (cat-o` nine tails) abgeschafft ^ betrug die Anzahl der DisziplinarmaÞnahmen bei 452 Gefangenen 282.98
Berichtet wird auch vom ,,hummingbird`` (Kolibri), einer DisziplinarmaÞnahme, bei der der Delinquent mit verbundenen Augen in einer mit
Wasser gefÏllten Wanne mit Elektroschocks traktiert wurde.99 Die EinfÏhrung der DisziplinarmaÞnahme der ,,TretmÏhle`` (,,tread or stepping
mill``), bei der der mit Handschellen an die Decke gefesselte Verurteilte
ein Rad mit hÎlzernen Stufen Ïber Stunden durch Treten mit den FÏÞen
in Bewegung zu halten hatte, ist fÏr das ,,Ohio Pen`` angeregt worden, ihr
tatsÌchlicher Gebrauch lÌÞt sich aber nicht nachweisen.100 Im Ausgang
des 19. Jh. war die gebrÌuchlichste, aber auch wirkungsvollste DisziplinarmaÞnahme die Aberkennung von ,,credit marks`` (good points) im Rahmen des 1884/85 eingefÏhrten Stufenstrafvollzugs.101
Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 43 f.
,,General Rules and Regulations`` (vgl. Ohio Annual Report, Penitentiary, 1851, S. 72).
95 Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 42 f.
96 Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), Appendices XI.
97 Ohio Annual Report, Penitentiary, 1852 S. 27.
98 ebenda (FuÞn. 87); Dyer, a.a.O. (FuÞn. 23), S. 10.
99 Gall, a.a.O. (FuÞn. 41).
100 Hicks, a.a.O. (FuÞn. 4), S. 390.
101 Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 44.
93
94
Ohio State Penitentiary (1815^1900)
35
XI. Vollstreckung von Todesstrafen
Von 1844^1885 wurden die Hinrichtungen (executions) Îffentlich
durch ErhÌngen am Galgen (hanging) in dem jeweiligen Bezirk (County)
durchgefÏhrt, in dem der zum Tode Verurteilte die Straftat begangen
hatte.102 Danach fanden die Hinrichtungen unter AusschluÞ der Úffentlichkeit im ,,Ohio Pen`` statt. Von Gesetzes wegen hatte der Anstaltsleiter
bzw. sein Stellvertreter die Exekution persÎnlich durchzufÏhren, wofÏr
dem jeweils AusfÏhrenden eine EntschÌdigung in HÎhe von $ 50 (heutiger Wert: $ 833,33) zustand.103
Zwischen 1885^1896 wurde das Todesurteil gegen 28 Verurteilte in
der Anstalt durch ErhÌngen vollstreckt. Ab 1897 ersetzte der elektrische
Stuhl (electrocution) den Galgen.104 Am 21. April 1897 wurde William
Haas (Nr. 28717) wegen Sexualmordes (rape and murder) als erster von
bis zur Jahrhundertwende weiteren sechs Verurteilten auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.
Die Hinrichtung selbst fand in einem besonderen Anbau (,,Annex``)
mit drei RÌumen statt, bestehend aus dem ,,Cage`` (ein mit GitterstÌben
versehener Raum, in dem der Verurteilte seine letzten Tage verbrachte),
dem ,,Guard Room`` (Tag und Nacht mit der ,,Death Watch`` besetzt) und
dem ,,Execution Room`` (Hinrichtungsraum mit dem Galgen bzw. spÌter
dem elektrischen Stuhl).105
XII. SchluÞfolgerungen
Hinsichtlich des Sinns und Zwecks des Strafvollzuges dominierte im
,,Ohio State Penitentiary`` im 19. Jh. noch ganz der Grundgedanke der
Vergeltung und SÏhne (retribution and vengeance). Die in der neuen Welt
hochgeschÌtzten humanitÌren Vorstellungen eines John Howard trugen
aber dazu bei, daÞ zum Ausgang des Jahrhunderts im Strafvollzug sich
die Idee der Resozialisierung, wie auch die ZurÏckdrÌngung der Todesstrafe zeigt, immer weiter in den Vordergrund schob.106 Vollzugssystem
102
103
104
105
106
Fornshell, a.a.O. (FuÞn. 12), S. 148.
Laws of Ohio, LXXXIII, 146.
Laws of Ohio, LXIII, 159 f.
Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), S. 83 f.
Cole, a.a.O. (FuÞn. 6), S. 4.
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Dieter Bindzus
war das ,,Auburnsche System``,107 das sich im Staat Ohio schon sehr
frÏh ^ wie fast Ïberall in den USA ^ gegenÏber dem ,,Pennsylvanischen
System`` durchsetzte.
Als inhuman muÞ der Strafvollzug in Ohio im 19. Jh. selbst nach damaligen Vorstellungen gegolten haben,108 schrieb doch schon 1893 der
Prison Superintendent Dan J. Morgan: ,,Zehntausend Seiten Geschichte
kÎnnen nicht beschreiben, was die HÌftlinge im ,,Ohio Pen`` an Elend
erleiden muÞten, die ungeschriebene Geschichte kennt nur Gott
selbst``.109
107 Lewis, a.a.O. (FuÞn. 10), S. 20; vgl. Senate Journal, 1832, S. 9. Zu diesem Zweck
besuchte ein Direktor des ,,Pen`` das ,,Auburn Prison`` in New York, Hicks, a.a.O. (FuÞn. 4),
S. 381.
108 Sicherlich konnte auch nur auf dem Boden dieser offenbar allgemein herrschenden
Grundeinstellung Ende der achtziger Jahre des 19. Jh. ein politisches Flugblatt mit der Ûberschrift ,,Brutality and Barbarism! The Skinning of Dead Convicts`` erscheinen, in dem die
Republikaner die Demokraten beschuldigten, daÞ unter ihrer Regierung 1884 im ,,Ohio
Penitentiary`` die Haut verstorbener Strafgefangener zu Leder zwecks Verzierung von SpazierstÎcken verarbeitet worden sei. Ein Exemplar dieses Flugblatts ist im Basement des
State Capitol in Columbus der Úffentlichkeit zugÌnglich gemacht worden.
109 Lore, a.a.O. (FuÞn. 43).

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