Wir wollen eine angemessene Honorierung

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Wir wollen eine angemessene Honorierung
Lebensmittelzeitung
„Wir wollen eine angemessene Honorierung“
Die GES über die Leistungen des Fachhandels für das Markengeschäft, schlechtere Konditionen, die
Marktmacht des Lebensmittelhandels und die Attraktivität internationaler Spirituosen-Marken.
Herr Berklmeir, die GES ist besonders
stark im Spirituosengeschäft. Erwarten
Sie, dass die Bedeutung von Spirituosen
am Verrechnungsumsatz so hoch bleibt
oder eher zugunsten von AfG, Sekt und
Bier abnimmt?
Der GES-Verrechnungsumsatz belief sich im Jahr
2012* auf rund 1.015 Milliarden Euro. Der Umsatz im Schaumwein-Spirituosensegment bei
der GES stieg seit dem Jahr 1999 von 277 auf
466 Millionen Euro im Jahr 2012. Die GES geht
wie in der Vergangenheit in allen Bereichen von
weiter steigenden Umsätzen aus. Jährlich um
einige Prozent, sodass sich Bier/AfG auf der einen Seite und Schaumwein/Spirituosen auf der
anderen in etwa die Waage halten werden.
Wird sich das Spirituosengeschäft in den
kommenden Jahren weiter auf den Lebensmittelhandel konzentrieren? Oder
werden Fachhandel und Gastronomie
eine größere Rolle spielen?
Es wäre falsch zu sagen, dass sich das Spirituosengeschäft generell auf den Lebensmittelhandel konzentriert. Es gab immer schon bedeutende Marken, die den größeren oder einen sehr
großen Anteil ihres Umsatzes in der Gastronomie hatten. Das waren früher beispielsweise
Asbach, etliche Jahre Jack Daniels, später dann
Artikel aus dem Cachaca- und Tequila Bereich.
Ferner gehören dazu die von der Politik verbannten Getränke Bacardi Rigo und Smirnoff
Ice. Die Gastronomie war für den langfristigen
Markenaufbau seit jeher von entscheidender
Bedeutung. Aktuelles Beispiel ist der Erfolg des
Rums Havanna Club.
Also das Markengeschäft …
Der Fachhandel steht für die Marke, was aber
natürlich heißt, dass man bei Absatzvergleichen
zwischen der Gastronomie und dem LEH die
Handelsmarken der Lebensmittelschiene inklusive der Discounter fairerweise nicht einbeziehen sollte. Es ist davon auszugehen, dass rund
20 bis 25 % des Umsatzes in der Gastronomie
mit den Marken erzielt wird. Entsprechend dem
Einkaufsverhalten der Gastronomie im LEH und
bei Cash & Carry-Märkten können davon mindestens 50 Prozent dem Fachhandel zugeordnet
werden, der wiederum weit überwiegend der
GES zuzurechnen ist. Die wichtigsten Absatzkanäle für den Fachgroßhandel sind heutzutage
nicht mehr die „Wirtschaften“ sondern Diskotheken, Bars und Hotels.
Die Fachhändler beklagten in der Vergangenheit, dass sie schlechtere Konditionen als der LEH bekommen. Was kann
man aus Ihrer Sicht gegen diese Benachteiligung tun?
Die konditionelle Schlechterstellung wird infolge der oligopolistischen Struktur des Marktes
und der daraus resultierenden Marktmacht bestehen bleiben. Besondere Beachtung muss die
GES vor diesem Hintergrund der Verkaufsunterstützung für den Fachhandel widmen. Dazu
zählen beipielsweise sogenannte Fachhandelspakete, wobei solche Zugabepakete speziell der
Gastronomie beziehungsweise dem Fachhandel
zur Verfügung gestellt werden müssen. Das
schafft teilweise einen Ausgleich.
Also einen gewisse Kompensation?
Die Qualität der Zusammenarbeit der Lieferanten mit der GES und ihren Mitgliedern hat dabei
signifikante Auswirkungen auf diejenigen Absätze, die nicht durch Nielsen-Zahlen (LEH und
Cash & Carry) repräsentiert werden. Sie haben
für die Lieferanten ein besonders Gewicht, da
ein Markenaufbau in der Breite ohne Millionenetats für einzelne Artikel nur in den Vertriebskanälen der GES-Mitglieder möglich ist.
Die aus Service, Beratung, Logistik, Sortimentsbreite und Finanzierung bestehende Dienstleistung des Fachhandels ist für die Gastronomie
unverzichtbar. Wir fordern von der Industrie, die
Leistungen des Fachhandels angemessen zu unterstützen und zu honorieren. Die Entwicklung
unserer Umsätze mit den Fachgroßhändlern gibt
uns dabei Recht.
Dank des Tochterunternehmens Bremer
Spirituosen Contor sind Sie nah am
Markt. Wie haben sich das Sortiment,
die Preise, der Kundenkreis und die Absatzkanäle in den vergangenen Jahren/
Jahrzehnten verändert? Was sind die
Hauptaufgaben für die Zukunft?
Das Bremer Spirituosen Contor und die in Personalunion mit der GES geführte Schokoring eG
tätigen zusammen einen Spirituosenumsatz, der
bei den wichtigen Marken so groß ist, dass
dieses Zwischengroßhandelsgeschäft zu den
Top-Playern im deutschen Handel zählt. Das
ermöglicht uns, dass wir ganze LKW-Ladungen
bestellen können. Das macht die GES zu einem
wichtigen Ansprechpartner im Mengenspiel mit
der Industrie. Schon in den 90er-Jahren hatte
sich die Zahl der direkt bei der Industrie kaufenden Fachhändler, damals mehr als 1000, mehr
als halbiert, und dieser Trend hat sich seit dem
Jahr 2000 in gleichem Maße fortgesetzt. Der
GES gelingt es demgegenüber mit den genannten Gesellschaften, die Sekt-und Spirituosenumsätze von weit mehr als 2000 Fachgroßhändlern
im Fachhandel zu halten und einer Abwanderung, vor allem in den C&C-Bereich, erfolgreich
entgegenzutreten. Insbesondere auch von solchen Fachhändlern, die im Unterschied zu früher
keinen Außendienst der Industrie mehr sehen.
Das originäre Verhandlungsmandat der GES bei
den Zwischenfachhandelsgesellschaften sichert
der GES und damit ihren Mitgliedern zudem einen ständigen Austausch mit der Industrie über
deren langfristige Strategien und Einflussnahme
im Hinblick auf die Belange der GES-Mitglieder
insgesamt.
Dabei weitet sich das Sortiment
sogar aus.
Ja, aktuell findet sowohl im klassischen Spirituosenfachhandel als auch im Spektrum des Fachhandels mit Bier/AfG verstärkt eine Erweiterung
der Sortimente aus dem jeweils anderen Bereich
statt. Nehmen wir nur mal den Getränkefachmarktbereich, wo beim Wasser große Umsätze
an den Discount verlorengegangen sind und
die „Aktionitis“ bei den sogenannten Fernsehbieren weiter dramatisch zunimmt. Nachdem
die GES sämtliche Bereiche des Getränkefachgroßhandels mit ihrer Kernkompetenz abdeckt,
kann sie hier die notwendige Unterstützung
bei einem sinnvollen Ausbau des Sortiments
leisten. Dazu zählen Einkaufskompetenz und
Logistik durch den Zwischenfachhandel in den
Bereichen Schaumwein, Spirituosen und Convenience ebenso wie ein umfassendes CategoryManagement. Hier sehen wir zum Beispiel eine
wichtige Aufgabe, die den Fachgroßhändlern
hilft, die Attraktivität und Rentabilität ihrer
Märkte zu erhöhen und sie in die Zukunft zu
führen.
Stellen Sie eine verstärkte Verschiebung von nationalen hin zu internationalen Marken fest, was den Umsatz
und Absatz angeht?
Die Verschiebung von nationalen zu internatinalen Marken ist ein schon Jahrzehnte währender Vorgang. Allgemein verzeichnen die
traditionellen Kategorien Weinbrand und klare
Spirituose hohe Verluste. Wodka, Whisky, Rum
und mit einigem Abstand Cachaca und Tequila
sind demgegenüber wichtige Umsatzträger im
Fachhandel. Die letzten wirklich bedeutenden
deutschen Marken kann der Fachhandel beinahe an einer Hand abzählen. So sind die größten
Lieferanten der GES Pernod-Ricard, Diageo und
Bacardi, die im Vorjahr zusammen weit mehr als
100 Millionen Euro Umsatz mit der GES getätigt
haben. Erst dann folgen Jägermeister, Underberg/Remy Cointreau mit Team Spirit und Borco,
wobei die beiden letzteren ja auch einen bedeutenden Anteil an Import-Spirituosen haben.
Danach folgen Moet-Hennessy, Beam, BrownForman und Campari, die wiederum Importeure
sind.
Welche Sortimentsverschiebungen stellen Sie aktuell fest: in Richtung Whisky
und Rum?
Der Anteil von internationalen Premiummarken
wächst von Jahr zu Jahr. Dieser Trend fördert das
Umsatzwachstum vor allem in den Kategorien
Whisky, Rum und Aperitif. Letztere wachsen seit
zwei Jahren schneller. Absoluter Gewinner im
längerfristigen Vergleich ist Wodka mit einer Absatzsteigerung seit 2001 von 145 Prozent. Dabei
hat sich Wodka in Verbindung mit Energy-Drinks
längst zum umsatzstärksten Getränk in Diskotheken und Clubs entwickelt. Die Industrie arbeitet ständig an neuen Konzepten, die jeweils
auf den Fachmessen Pro-Fachhandel vorgestellt
werden.
Ulrich Berklmeir ist Vorstandsvorsitzender
der GES in Nürnberg.
Original abgedruckt in der Lebensmittelzeitung Ausgabe 38/2012
* Zahlen aktualisiert/Geschäftsjahr 2012