Determinanten erfolgreicher Netzwerkarbeit

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Determinanten erfolgreicher Netzwerkarbeit
Determinanten erfolgreicher
Netzwerkarbeit
Dirk Groß, Diplom-Soziologe
abgedruckt in:
Univation Institut für Evaluation (Hrsg.): Evaluation von
Netzwerkprogrammen - Entwicklungsperspektiven einer
Evaluationskultur, Köln 2006: Univation, S.57 - 65.
Kontaktadresse:
Dirk Groß, iSPO-Institut
Saargemünder Straße 40
66119 Saarbrücken
Tel.: 0681 / 9 85 01 67
E-Mail: [email protected]
1. Vernetzung als Schlüsselbegriff Sozialer Arbeit
Die Bedeutung von Netzwerkarbeit in den Handlungsfeldern Sozialer Arbeit ist in den letzten
Jahren kontinuierlich gewachsen. Verstärkt wird diese Entwicklung derzeit durch nationale
Programmplattformen, wie das Bund-Länder-Programm „Die Soziale Stadt" und dessen Unterprogramm „Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten“ (E&C).
Letzteres verfolgt - gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) - seit 2000 die Zielsetzung, die Lebensbedingungen und Chancen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, den Niedergang von Stadtteilen und strukturschwachen ländlichen Regionen aufzuhalten sowie nachhaltige Entwicklungen anzustoßen
(BMFSFJ 2001: 3).
Nach Einschätzung des BMFSFJ kann eine Verbesserung der Lebenssituation von Kindern
und Jugendlichen in benachteiligten Stadtteilen bzw. in strukturschwachen ländlichen Regionen nur dann erfolgreich gestaltet werden, wenn die jeweils vorhandenen Ressourcen „miteinander verknüpft und aufeinander bezogen sind“ und sich die öffentlichen und privaten
Träger von Kinder- und Jugendhilfediensten mit „anderen professionellen und informellen
Unterstützungs- und Sozialisationssystemen, aber auch in anderen Politikbereichen (...) vernetzen“ (BMFSFJ 2004).
Aufbauend auf der Programmphilosophie von E&C hat der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) das Modellprojekt „Qualitätsentwicklung für lokale Netzwerkarbeit" entwickelt.
Dabei sollten exemplarisch an vier Standorten die Erfahrungen von Einrichtungen der AWO
systematisch analysiert und weiterentwickelt werden. Auf diese Weise wollte das Projekt
„Qualitätsentwicklung für lokale Netzwerkarbeit“ einen Beitrag leisten, um stabile Strukturen
und professionelle Verfahrensweisen zu installieren, die eine adäquate sozialräumliche Vernetzung dauerhaft etablieren (vgl. AWO Bundesverband 2004, Petermann 2004).
Die folgenden Ausführungen stützen sich zu einem großen Teil auf die Erkenntnisse der
Evaluation dieses Projekts (Groß/Holz/Boeckh 2005). Dabei wurde - soweit möglich - versucht, vor allem solche Aussagen zu generieren, die auch in anderen Handlungsfeldern von
„Netzwerkarbeit“ von Bedeutung sind. Eingegangen wird auf den Begriff der Netzwerkarbeit
sowie auf Rahmenbedingungen und Schlüsselgrößen gelingender Netzwerkarbeit. Zum
Schluss des Artikels wird auch Bezug genommen auf Fragen der Netzwerkevaluation und
relevanter Evaluationsstandards.
2. Definition Netzwerkarbeit
Bei der Frage, was unter Netzwerk konkret zu fassen sei, zeigt sich eine inflationäre Verwendung der Begrifflichkeit, vor allem auch in der Abgrenzung zu dem oftmals synonym
verwendeten Begriff der Kooperation. Seckinger/van Santen (2003: 25ff.) etwa greifen in
ihrer Analyse interinstitutioneller Zusammenarbeit eine definitorische Differenzierung von
Kooperation, Koordination und Vernetzung auf und beschreiben letztere in der „Herausbildung, Aufrechterhaltung und Unterstützung einer Struktur" als notwendige Vorbedingung von
Kooperation. Demgegenüber wird im Rahmen der Programmplattform „E&C“ Netzwerkarbeit
1
als Handlungsziel deklariert. Sie hat dabei „die Aufgabe, Wissen und andere Ressourcen der
verschiedenen Akteure zusammenzutragen, in einen neuen übergreifenden Kontext unterschiedlicher Problemwahrnehmungen und Interessen einzubringen (...) und über Sektorgrenzen hinweg neue Lösungsansätze zu entwickeln“ (Brocke 2003: 14). Während hier also
Kooperation und Zusammenarbeit eher als Voraussetzung oder Bestandteil von Netzwerkarbeit verstanden wird, so sind im Verständnis von Seckinger/van Santen Netzwerke durch
ihren
unverbindlicheren
Organisationsgrad
Kooperationsbeziehungen
vorgelagert
(Groß/Holz/Boeckh 2005: 5f.).
Diese Definitionsschwierigkeiten und die damit einhergehende Begriffsverwirrung haben
dazu geführt, dass im Modellprojekt „Qualitätsentwicklung für lokale Netzwerkarbeit“ eine
eigene Definition entwickelt wurde. Demnach ist Netzwerkarbeit
„eine Methode, mittels derer die Zusammenarbeit und Ressourcenauslastung verschiedener
Akteure gesteuert wird. Grundlegend ist der Aushandlungsprozess, als zentrales qualitatives
Element, zwischen den unterschiedlichen lokalen Akteuren, der u.a. von Respekt für die unterschiedlichen Kompetenzen, das Verständnis gegenseitiger Abhängigkeit und die Entwicklung von gemeinsamen Zielvorstellungen geprägt ist. Sie
•
wird fallunabhängig, an den Bedarfen und Ressourcen des Sozialraumes orientiert geplant
•
ist eine langfristige, gemeinsame Vorbereitung und Planung mit einer gemeinsamen Zielsetzung unterschiedlicher lokaler Akteure
•
ist die stärker institutionalisierte, strategisch angeleitete Zusammenarbeit verschiedener
1
Partner/innen“ (AWO Bundesverband 2004: 19).
Hierbei wird Netzwerkarbeit als kooperativ ausgelegte Methode zur Umsetzung definierter
Zielvorstellungen verstanden, die dazu auf die personellen wie institutionellen Ressourcen
von Zielgruppen bzw. Sozialräumen zurückgreift (infrastrukturell lebensweltorientierte Netzwerkarbeit). Netzwerke sind damit in ihrer Funktion sowohl Methode als auch Steuerungsinstrument (Groß/Holz/Boeckh 2005: 14). Damit soll ausgedrückt werden, dass es hierbei um
Handlungsstrategien bzw. Methoden Sozialer Arbeit geht, die im Sozialraum beides
ermöglichen: nämlich das gleichzeitige und/oder jeweils unabhängig voneinander
stattfindende Zusammenwirken von Individuen und Institutionen, je nachdem, welches
Handlungsfeld zu betrachten ist (Groß/Holz/Boeckh 2005: 77).
3. Rahmenbedingungen gelingender Netzwerkarbeit
Van Santen/Seckinger (2003: 9, 336) verweisen darauf, dass Netzwerkarbeit oftmals als eine
„mit vielen positiven Erwartungen überladene Problemlösungsstrategie“ missverstanden
wird, auf die in „Politik, Wirtschaft und der psychosozialen Arbeit gern zurückgegriffen wird,
wenn komplexe Aufgaben bearbeitet werden müssen“, ohne dass alle Beteiligten sich
1
2
Hervorhebung vom Verfasser [DG]. Diese Definition ist angelehnt an Überlegungen von Sänger/Bennewitz 2001: 78
tatsächlich darüber im Klaren sind, ob Netzwerkarbeit tatsächlich „das richtige Mittel zum
Zweck ist und wenn ja, ob die richtige Kooperationsform gewählt wurde.“
Nach Erfahrung des Modellprojekts „Qualitätsentwicklung für lokale Netzwerkarbeit“ müssen
auf verschiedenen Ebenen entsprechende Rahmenbedingungen für gelingende
Netzwerkarbeit geschaffen werden (Groß/Holz/Boeckh 2005: 80):
•
Netzwerkarbeit ist das Zusammenspiel unterschiedlicher Handlungsebenen, die in einem
horizontalen und vertikalen Verhältnis zueinander stehen. Netzwerkarbeit, die in einem
lokal definierten Sozialraum ko-produktive soziale Dienstleistung herstellen soll, benötigt
dabei zunächst auf der Planungsebene einen klaren Netzwerkauftrag. Hier sind die
Kommunen bzw. Gebietskörperschaften gefordert, deutliche Rahmensetzungen
vorzunehmen, um Anreizstrukturen für die weitere Trägerentwicklung zu setzen.
•
Auf der Trägerebene braucht soziale Ko-Produktion eine Netzwerkbereitschaft. Das
bedeutet zum einen, dass die eigenen Fachabteilungen und Einrichtungen auf eine
fachgebietsübergreifende Netzwerphilosophie vorbereitet werden sollten. Zum anderen
muss eine prinzipielle Bereitschaft bestehen, sich mit anderen Akteuren im Sozialraum
auf gemeinsame Arbeitsbeziehungen festlegen zu lassen und dabei auch den Verlust
eigener Handlungsautonomie in Kauf zu nehmen.
•
Auf der operativen Ebene müssen die Akteure die konkreten Netzwerkbeteiligungen auch
ausführen wollen. Das beste Konzept und ausdifferenzierte Zielformulierungen laufen
leer, wenn die Mitarbeiter/innen die Konzeptvorarbeit nicht in ihren Arbeitsalltag
integrieren wollen bzw. können. Insofern ist Netzwerkarbeit immer auch verbandsinterne
Führungsaufgabe. Diese besteht zum einen aus kommunikativer Motivationsarbeit und
zum anderen aus administrativem Planungsgeschick.
•
Der Netzwerkdialog mit der Betroffenenebene ist handlungsfeldabhängig. Nicht alle
Zielgruppen Sozialer Arbeit sind gleichermaßen für eine Netzwerkmitarbeit aktivierbar.
Dies hängt zum einen an den unterschiedlichen Ressorcen einzelner Klientengruppen,
zum anderen an der Art der zu erbringenden sozialen Dienstleistung (offenes,
niedrigschwelliges Angebot versus ordnungsrechtliche Intervention).
2
Die Funktionsfähigkeit des gesamten Netzwerkes hängt von der Einbindung aller
notwendigen Knotenpunkte ab. Jeder Einzelne kann bei seinem Fehlen das Netzwerk
insgesamt in seiner Wirksamkeit deutlich beeinträchtigen. Eine der Hauptvoraussetzungen
für gelingende Netzwerkarbeit ist demnach, dass sich die Beteiligten auf allen Ebenen
eingebunden fühlen und ihre spezifischen Interessenslagen berücksichtigt sehen. Netzwerke
sind deshalb existentiell von der Qualität ihrer Informations- und Kommunikationskultur
abhängig (Groß/Holz/Boeckh: 2005: 81).
2
Die Stiftung SPI hat die Arbeit ihrer Regiestelle im Rahmen des E&C-Programms unter die Überschrift „Soziale Arbeit als Koproduktion“ gestellt und damit diesen Begriff geprägt. Damit wird die Verantwortung aller Akteure und insbesondere diejenige des öffentlichen Trägers für soziale Gestaltungs- und Partizipationsprozesse in einem definierten Sozialraum der Gebietskörperschaft hervorgehoben (Brocke 2003: 8).
3
4. Schlüsselgrößen für gelingende Netzwerkarbeit
Das Modellprojekt „Qualitätsentwicklung für lokale Netzwerkarbeit“ hat seinen wesentlichen
Wert darin, dass es gelungen ist, wichtige Schlüsselgrößen für gelingende Netzwerkarbeit
herauszuarbeiten, die auch in anderen Arbeitskontexten von Bedeutung sein dürften (vgl.
Abbildung 1).
Abbildung 1: Determinanten gelingender Netzwerkarbeit
Netzwerkarbeit
Mögliche Varianten:
- Netzwerk wird aufgebaut
- Bestehendes Netzwerk wird erweitert
Interne Netzwerkvorbereitung
Projektvorbereitung
Aufbau und Gestaltung der Arbeits- und
Kommunikationsstrukturen
Formulierung von win-win-Situationen
Netzwerkziele formulieren
Aufgaben und Ressourcen festlegen
Eigenmotivation klären
Notwendigkeit der Netzwerkarbeit überprüfen
Netzwerksteuerungsgruppe
Sicherung der konkreten Netzwerkarbeit
fachliches und ökonomisches Netzwerkcontrolling (Sicherung der Netzwerkoffenheit)
Evaluation
Regelkreis
Netzwerkarbeit
als integraler Bestandteil von
Netzwerkarbeit
Selbstevaluation und Qualitätsentwicklung
Externe Evaluation
Handlungsebene mit den konkreten Netzwerkpartnern
Quelle: modifiziert nach Groß/Holz/Boeckh 2005: 82
Netzwerkarbeit kann zwei Ausgangsbedingungen haben: (1) Eine Netzwerkstruktur soll neu
aufgebaut werden; (2) ein bestehendes Netzwerk soll erweitert werden. Unabhängig von
diesen Startbedingungen lassen sich für verschiedene Phasen der Netzwerkarbeit
Schlüsselgrößen für erfolgreiche Zusammenarbeit benennen (Groß/Holz/Boeckh 2005: 82ff.,
Böhm/Janßen/Legewie 1999: 15ff.):
4
(1) Interne Netzwerkvorbereitung
Netzwerkarbeit beginnt immer in den eigenen Strukturen mit dem Aubau, der Gestaltung
sowie der Pflege von Arbeits- und Kommunikationsstrukturen. In der internen
Netzwerkvorbereitung sind bereits wesentliche Faktoren für eine gelingende
Zusammenarbeit angelegt. Diese entsteht nicht erst durch das Zusammenwirken mehrerer
Träger. Faktoren zur Netzwerkvorbereitung sind:
Klärung der Eigenmotivation: Die trägerinterne Klärung der Motive ist eine
eigenständige Aufgabe der Netzwerkarbeit. Erfolgreiche Arbeit im Netzwerk setzt
voraus, dass der eigene Träger bzw. dessen Mitarbeiter/innen von Auftrag und Ziel
der Netzwerkarbeit überzeugt sind.
Klärung der Notwendigkeit zur Netzwerkarbeit: Es sollte innerhalb eines Trägers
geprüft werden, inwieweit für den vorgesehenen Einsatzbereich Netzwerkarbeit
tatsächlich zielführend sein kann und welche Vor- und Nachteile die Netzwerkarbeit
zur Lösung der damit einhergehenden Problematik bietet.
(2) Projektvorbereitung
Netzwerkarbeit macht für alle Beteiligten nur dann Sinn, wenn sie zur Erreichung des
Handlungsziels einen wesentlichen Beitrag leisten können und auf diese Weise Win-winSituationen erzeugbar sind. Von besonderer Bedeutung sind folgende Faktoren:
Formulierung der Netzwerkziele: In (sozialräumlichen) Netzwerken arbeiten Träger
zusammen, die unterschiedliche Leitbilder und damit korrespondierende
Werthaltungen, politische oder religiöse Werthaltungen verfolgen. Sie benötigen
deshalb klare, von den Netzwerkpartnern gemeinsam erarbeitete und dann als
allgemeinverbindlich akzeptierte Zielsetzungen zur Herstellung einer „Corporate
Identity“ des Netzwerkes.
Festlegung von Aufgaben und Ressourcen: In Netzwerken sind intensive und
umfangreiche Kommunikations- und Abstimmungsprozesse notwendig. Die
beteiligten Partner müssen deshalb möglichst hohe Klarheit über die eigenen
Ressourcen im Netzwerk haben und die von ihnen gewünschten Anteile so früh wie
möglich klar definieren und aushandeln. Bleibt dies aus, können Zielkonflikte und
Konkurrenzen in die Zusammenarbeit getragen werden.
(3) Steuerung des Netzwerkes
Bei der Durchführung der Netzwerkarbeit vor Ort ist die Einrichtung einer Projekt- bzw.
Netzwerksteuerungsgruppe, die die Durchführung der konkreten Arbeit im Netzwerk
koordiniert, steuert und kontrolliert, von zentraler Bedeutung. Sie hat die Aufgabe, ein
fachliches und ökonomisches Netwerkcontrolling zu gewährleisten, das auf mehreren
Ebenen die Netzwerkoffenheit sichern soll. Hiezu gehört gegenüber den Zuwendungsgebern
die laufende Überprüfung, ob der Mitteleinsatz bezogen auf die Netzwerkziele effizient und
effektiv geschieht (Legitimation nach außen). Bei der Sicherung der Legitimität nach innen
steht die Frage im Vordergrund, inwieweit die Netzwerkqualität dem Anspruch der Offenheit
5
entspricht, die Integration neuer Partner zulässt und damit die Arbeit vor Ort nicht in einer
anderen Form der Versäulung wieder erstarrt.
(4) Regelmäßige Evaluation
Netzwerke benötigen darüber hinaus Arbeitsmethoden, die der Evaluation und
Qualitätssicherung dienen. Eine unverzichtbare Voraussetzung dazu ist die Festlegung von
überprüfbaren Zielen. Erst wenn Ziele gesetzt und auf ihrem Hintergrund Interventionen
ausgewählt wurden, kann überhaupt erst eine systematische Selbstevaluation und darauf
aufbauend Lernen und Weiternetwicklung im Netzwerk stattfinden (Beywl/Schepp-Winter
1999: 32).
Es ist mittlerweile auch kein Tabu mehr, den Akteuren in der Sozialen Arbeit (und darüber
hinaus) wirkungsorientierte Evaluationen zu empfehlen. Sie hilft den Netzwerkakteuren, ihre
Konzepte und Leistungen wirkfähig zu machen, Grundlagen für fundierte Entscheidungen im
Netzwerk zu besitzen oder auch um Rechenschaft gegenüber Geldgebenden und Gesellschaft ablegen zu können (Beywl/Speer/Kehr 2004).
5. Zur Evaluation von Netzwerkprozessen
Im Rahmen des Projekts „Qualitätsentwicklung für lokale Netzwerkarbeit“ wurde ein Evaluationskonzept zur Analyse von Netzwerkprozessen entwickelt (Groß/Holz/Boeckh 2005: 22ff.).
Dazu wurde ein in verschiedenen Arbeitsfeldern (Entwicklungszusammenarbeit, Umwelt,
Berufliche Bildung) erprobter Evaluationsansatz für den vorliegenden Evaluationsgegenstand
modifiziert (Stockmann 1996, Stockmann 2000). Um eine sinnvolle Verbindung von Evaluation und Qualitätsmanagement zu ermöglichen, wurden zudem Aspekte aus dem StrukturProzess-Ergebnis-Modell berücksichtigt, das von M. Heiner noch um die Konzeptdimension
erweitert wurde (Heiner 1996: 31).
Kernstück dieser Evaluationskonzeption ist ein Analyseraster, das als untersuchungsleitendes Strukturierungs- und Bewertungsinstrument verstanden wird (vgl. Abbildung 2). Es benennt im Detail die Untersuchungsfragen, für die dann während der Datenerhebungsphase
Informationen gesammelt werden sollen. Auf diese Weise dient es dazu, die zur Beurteilung
des Projekts erforderlichen Informationen zu sammeln, zu filtern und zu analysieren. Darüber
hinaus bietet dieses Raster eine Grundlage für die Entwicklung der Datenerhebungsmethoden und die Auswahl der Indikatoren.
Dieses Evaluationskonzept ist – wie die Abbildung deutlich macht – auf einen konkreten Projektkontext zugeschnitten. Die Erfahrungen mit der Anwendung des Konzepts weisen jedoch
darauf hin, dass es auch in anderen Netzwerkprojekten einsetzbar ist. Dazu ist m.E. eine
Weiterentwicklung notwendig, die sich vor allem auf den Bereich der Ergebnisqualität erstrecken sollte. Es geht dabei um die sinnvolle Ausdifferenzierung der Resultate von Netzwerkprojekten in Outputs, Outcomes und Gesamtwirkungen (Impacts), wie sie in den Konzepten
zur „Wirkungsorientierten Evaluation“ bereits vorgeschlagen und eingesetzt wurden
(Beywl/Speer/Kehr 2004, Haubrich 2004).
6
Abbildung 2: Analyseraster zur Netzwerkentwicklung
I. Konzeptqualität
1.
Projektmanagement des Bundesverbandes
2.
Netzwerkvorbereitung durch die Kreisverbände
II. Strukturqualität
3.
Netzwerkstruktur
4
Zielsystem
5.
Informations- und
Kommunikationssystem
6.
III. Prozessqualität
IV. Ergebnisqualität
7.
Umsetzung der
Netzwerkstruktur
11. Einbeziehung der
Zielgruppen
8.
Erfolgskontrolle
9.
Informations- und
Kommunikationskultur
12. Wirkungen auf die
Zielgruppen
Ressourcen
10. Ressourceneinsatz
Quelle: Groß/Holz/Boeckh 2005: 26
Darüber hinaus sind die „Standards für Evaluation“ in diese konzeptionellen Überlegungen
einzubeziehen. Folgende Standards sind aus Sicht des Autors - ohne Anspruch auf
Vollständigkeit - an dieser Stelle zu nennen (DeGEval 2002):
•
Klärung der Evaluationszwecke: Eine Evaluation kann in Netzwerkprojekten
verschiedene Zwecke erfüllen. Diese Evaluationszwecke müssen jedoch frühzeitig
bestimmt werden, damit das Evaluationsteam einen klaren Arbeitsauftrag verfolgen und
so vor dem Hintergrund der verschiedenen Interessen der an Netzwerkprojekten
beteiligten Institutionen nutzbare Ergebnisse liefern kann.
•
Diplomatisches Vorgehen: Netzwerkevaluationen benötigen in besonderem Maße die
Akzeptanz und Kooperation der beteiligten und betroffenen Organisationen und deren
Mitarbeiter/innen bezüglich des Vorgehen der Evaluation und ihrer Ergenbisse. Um dies
zu erreichen ist ein diplomatisches Vorgehen des Evaluationsteams besonders gefragt.
•
Unparteiische
Durchführung
und
Berichterstattung:
Das
Umfeld
von
Netzwerkevaluationen ist oftmals durch divergierende Sichtweisen der beteiligten
Institutionen geprägt. Um die unparteiische Position des Evaluationsteam zu stärken,
muss die Berichterstattung darauf Wert legen, keine spezifische Sichtweise zu
übernehmen, um so eine faire Behandlung aller relevanten Interessen zu gewährleisten.
•
Valide und reliable Informationen: Die Verfahren zur Gewinnung von Daten müssen
einige Besonderheiten im Vergleich zur traditionellen empirischen Sozialforschung
berücksichtigen, da die grundlgegende Analyseeinheit hier die Beziehung zwischen
Akteuren ist. Gleiches gilt für die Auswertung dieser Beziehungen, zu der angemessene
Verfahren der Netzwerkanalyse angewandt werden müssen (Jansen 1999: 63).
7
6. Literatur
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Reichtumsberichterstattung.
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Köln
[Text
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Download
unter
http://www.bmgs.de/deu/gra/publikationen/4236cfm]
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http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/PRM-2982-Qs21,property=pdf.pdf]
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BMFSFJ - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2001): Entwicklung und
Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten (E&C) [Text zum Download unter
www.bmfsj.de/Politikbereiche/kinder-und-jugend,did=3102html]
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