Frankfurter Institut für Transformationsstudien MITJA SIENKECHT

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Frankfurter Institut für Transformationsstudien MITJA SIENKECHT
MITJA SIENKECHT
ENTGRENZTE
ETHNOPOLITISCHE KONFLIKTE
No. 01/11
Frankfurter
Institut für
Transformationsstudien
Frankfurter Institut für
Europa-Universität Viadrina
Transformationsstudien
Postfach 1786
Frankfurt Institute for
D - 15207 Frankfurt (Oder)
Transformation Studies
Arbeitsberichte - Discussion Papers
ISSN 1431- 0708
Herausgeber - Editorial Board
Prof. Dr. J.C. Joerden
Prof. Dr. H. Ribhegge
Prof. Dr. J. Neyer
© by the Author
Mitja SIENKNECHT
Entgrenzte ethnopolitische Konflikte Globalisierungsbedingte Veränderungen und theoretische Perspektiven
Abstract
Die Exklusion ethnischer Minderheiten aus dem nationalen Politiksystem stellt eine
entscheidende Ursache für die Entstehung ethnischer Konfliktsituationen dar. Dies liegt
darin begründet, dass der Staat die nationale Identität der Bevölkerung konstruiert und
die Exklusion eines Bevölkerungsteils zur (gewalttätigen) Infragestellung der Legitimation der Regierung oder zu Sezessionsbestrebungen führen kann, die die Einheit des
Staates gefährden. Diese innerstaatlichen Konfliktsituationen weisen im Zuge von Globalisierungsprozessen Entgrenzungstendenzen auf: So haben sich beispielsweise auf
globaler politischer Ebene neue Akteure herausgebildet, die sich dem Schutze der Menschenrechte verpflichtet haben und daher von exkludierten Minderheiten adressiert
werden können. Während Internationalen Organisationen in der gängigen Konfliktforschung eher eine konfliktmindernde Wirkung zugesprochen wird – etwa durch Mediation – wird in diesem Papier mittels des rationalistischen Ansatzes und der Weltgesellschaftstheorie die radikalisierende Wirkung der globalen Ebene herausgearbeitet. Die
These ist, dass Internationale Organisationen zu einer Radikalisierung ethnischer Minderheiten beitragen können, wenn deren Inklusionserwartungen enttäuscht werden und
neben dem Einsatz von Gewalt keine Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Interessen
besteht.
Mitja Sienknecht ist Doktorandin des Graduiertenkollegs „Transformations in Global Governance – Europe and the World Order in Historical Perspective“ an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa Universität Viadrina Frankfurt (Oder).
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
1. Einleitung
Ethnisch heterogene Staaten sind auf der gesamten Welt verbreitet. Im Durchschnitt
haben Länder fünf ethnische Gruppen, wobei die Länder im Westen im Schnitt
weniger verschiedene Gruppen aufweisen als in Sub-Sahara Afrika.1 Während bis
vor 100-200 Jahren ethnische Gruppen nicht als Basis politischer Mobilisierung oder
Autorität angesehen wurden, ist die Politisierung von Ethnizität in Subsahara-Afrika,
Süd- und Südost-Asien, dem Nahen Osten und Teilen Europas weit verbreitet und
der Zugang zu politischen und ökonomischen Leistungen ist oftmals nach
ethnischen Linien organisiert. Ethnizität ist in vielen der Länder sozial relevant.
Soziale Relevanz ist gegeben, wenn Menschen ethnische Unterscheidungen
registrieren und im alltäglichen Leben ihr Handeln danach strukturieren.2 Ethnische
Konflikte stellen seit der Verschiebung des weltweiten Kriegsgeschehens zu
innerstaatlichen Kriegen die dominierende Form dar.3 Ruanda und Bosnien
Herzegowina sind zwei Beispiele dafür, dass Ethnizität eine starke Ressource in der
Politik sein kann.4 In dieser Arbeit stehen ethnische Konflikte im Vordergrund, die
auf Exklusionen einer ethnischen Minderheit aus sozialen Systemen beruhen.
Es ist zu beobachten, dass innerstaatliche Konfliktsituationen heutzutage oftmals
eine internationale und transnationale Dimension aufweisen. Dies liegt unter
anderem an einer Verdichtung der kommunikativen Möglichkeiten zu Diasporen,
anderen Minderheiten oder benachbarten Staaten. Insbesondere aber an der globalen
Herausbildung eines vormals nationalstaatlich verorteten Politiksystems und an der
globalen Norm-Durchsetzung der Menschenrechte, die das Konfliktverhalten der
Akteure beeinflussen können. Eine sich dadurch vollziehende Entgrenzung
„innerstaatlicher“ Konflikte lässt sich auch an der Genese von Akteuren auf
weltpolitischer Ebene erkennen. An diese können Minderheiten aus ethnischen
Konflikten beispielweise ihre Exklusion aus dem nationalen politischen System als
1
Subsahara-Afrika ist die einzige Region auf der Welt, in der weniger als die Hälfte aller Länder eine ethnische
Mehrheitsgruppe aufweisen; im Westen hingegen hat jedes Land eine ethnische Mehrheitsgruppe und drei von
fünf Ländern haben eine dominante Mehrheitsgruppe (90% der Bevölkerung oder mehr). Vgl. Fearon 2006, S.
854.
2
Fearon 2006, S. 853.
3
Vgl. Singhofen 2005, S. 21. Aber auch Pfetsch/Rohloff 2000, S. 130 und Gurr 1998, Henderson/Singer 2000.
4
Vgl. Wolff 2006, S. 31.
1
FIT Discussion Paper 01/11
Menschenrechtsverletzung kommunizieren oder die Internationalen Organisationen
beobachten und adressieren Menschenrechtsverletzungen in einem Staat direkt.
Internationale Organisationen werden so zu Konfliktadressaten im vormals
innerstaatlichen Konfliktsystem. Auf diese Weise bildet sich zum einen das
weltpolitische System heraus, das konfliktregulierend wirken soll. Zum anderen
kann aufgrund der möglichen Adressierbarkeit der weltpolitischen Ebene und den
daraus
resultierenden
Inklusionserwartungen
der
Minderheiten
ein
Konfliktpotenzial entstehen, dem in der Forschung bisher wenig Beachtung
geschenkt wurde. Diese Lücke soll im Verlauf des Papiers diskutiert werden, um
eine zukünftige Anschlussfähigkeit für weitere Arbeiten herzustellen.
Folgende Forschungsfrage steht im Fokus dieses Papiers: Wie haben sich ethnische
Konflikte im Zuge von Globalisierungsprozessen verändert und mit welcher
theoretischen Perspektive können die Veränderungen erfasst werden?
Grundsätzlich
wird
in
der
Konfliktforschung
zwischen
primordialen,
konstruktivistischen und instrumentellen Ansätzen zur Erklärung von Konflikten
unterschieden.5 Während Vertreter des primordialen Ansatzes den ethnischen
Nationalismus als eine Manifestation einer bestehenden kulturellen Tradition und
Identität einordnen und ethnische Kategorien immer als sozial relevant ansehen,
verstehen Vertreter des instrumentellen Ansatzes unter Ethnizität die Möglichkeit
der ethnischen Mobilisierung zur Stärkung politischer Allianzen und Realisierung
ökonomischer Interessen.6 Die Schwäche der primordialen Ansätze liegt darin, dass
diese keine Varianz in der Gewaltbereitschaft von Ethnien über Raum und Zeit
erklären können.7 Aus instrumenteller Perspektive lässt sich die Varianz in der
Politisierung von Ethnizität durch strategisches und instrumentelles Verhalten der
Akteure
erklären.
Dieser
rationale
Aspekt
verweist
zugleich
auf
die
zugrundeliegende Annahme, dass rationale Entscheidungen die Basis für Konflikte
bilden und ermöglicht daher die Analyse des Einbezugs der globalen Ebene auf
Grundlage
von
rationalen
Entscheidungen
5
(Ressourcen,
Unterstützung,
Vgl. Gurr/Pitsch 2002, S. 290, vgl. Wieland 2000, S. 26-34.
Vgl. Gurr 1993, S. 124; vgl. Stewart 2001, S. 5ff.; vgl. Smith 1996, S.446f. Rational-Choice Ansätze helfen
dabei strategisches und instrumentelles Verhalten von Akteuren zu erklären (vgl. Kirchgässner 2000, S. 27-64),
allerdings vernachlässigen sie emotionale Faktoren, vgl. Petersen 2002, S. 33.
7
Vgl. Fearon 2006, S. 857.
6
2
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
Rückzugsmöglichkeiten).
Somit
bieten
rationale
Ansätze
einen
möglichen
Erklärungsrahmen für globale Konfliktsituationen. Konstruktivistische Ansätze
gehen davon aus, dass ethnische Identitäten soziale Konstruktionen und somit
wandlungsfähig sind;8 sie ermöglichen gleichzeitig sowohl rationale als auch
normengeleitete Aspekte und Verhaltensweisen in die Analyse mit einzubeziehen.
Die systemtheoretische Weltgesellschaftstheorie gründet auf einem operativen
Konstruktivismus und ermöglicht es scheinbar evidente soziale Tatsachen, wie die
Entgrenzung ethnischer Konflikte mittels eines kommunikationstheoretischen
Zugangs zu analysieren.
Um einer Beantwortung der Forschungsfrage näher zu kommen, wird im nächsten
Kapitel zunächst aufgezeigt warum der Nationalstaat in einer Vielzahl von Ansätzen
den entscheidenden Analysefokus bildet. Hierfür ist es notwendig, zunächst die
Entstehung und Funktion von modernen Nationalstaaten darzustellen (Kapitel 2.1).
Auf dieser Grundlage wird in Kapitel 2.2 das hier im Fokus stehende
Erkenntnisinteresse über den Zusammenhang von politischer Exklusion und
Konflikt thematisiert. Dieser Zusammenhang ist insofern relevant, da davon
ausgegangen wird, dass die Exklusion aus dem nationalen Politiksystem nicht nur
eine entscheidende Ursache für die Entstehung von Konflikten darstellt sondern
auch die Entgrenzung ethnischer Konflikte fördert. Aufgrund dessen wird im
darauffolgenden vierten Kapitel der theoretische und empirische Bedarf für die
Überwindung einer nationalstaatlichen Perspektive zur Erklärung ethnischer
Konflikte
dargelegt.
Diesbezüglich
werden
in
Kapitel
4.1
die
in
der
Konfliktforschung weit verbreiteten rationalistischen Ansätze herangezogen. In
Kapitel
4.2
findet
dann
der
systemtheoretische
Weltgesellschaftsansatz
Berücksichtigung, der dem operativen Konstruktivismus zuzuordnen ist und
aufgrund der theoretischen Annahmen die Fokussierung der nationalen Ebene zu
überwinden scheint. Abschließend werden weitere Implikationen für die Forschung
beschrieben.
8
Vgl. Gurr/Pitsch 2002, S. 290.
3
FIT Discussion Paper 01/11
2. Methodologischer Nationalismus
Die meisten Theorien der Politikwissenschaft und Soziologie stellen den
Nationalstaat in den Fokus ihrer Analyse. Der so genannte 'methodologische
Nationalismus' erfasst den Nationalstaat als zentrale Analyseeinheit und definiert
Gesellschaft(en) entlang territorialer Grenzen. Es wird davon ausgegangen, dass die
Nationalstaaten die entscheidenden Akteure sind, die das internationale System
konstituieren.9 „In fact, the view of the state as the key player in the international
arena is so strong that the English language does not provide a common word or
phrase to describe international relations without invoking the nation as the object of
study.”10 Da in diesem Papier innerstaatliche Konflikte mit einer ethnischen
Dimension im Vordergrund stehen, wird im Folgenden zunächst die Frage
beantwortet, warum der Nationalstaat eine so bedeutende Rolle in Bezug auf die
Inklusion der Bevölkerung einnimmt. Dies erfolgt, indem die Funktion des
modernen Nationalstaates in Bezug auf die Konstruktion einer nationalen Identität
herausgearbeitet wird. Im Anschluss werden die aus der Identitätskonstruktion
resultierenden Spannungspotentiale aufgezeigt, die in Form von Exklusionen eines
Bevölkerungsteils aus sozialen Systemen zu beobachten sind.
2.1 Die Funktionen des modernen Nationalstaates
Nationalstaaten stellen seit dem Westfälischen Frieden im Jahre 1648 die klassische
politische Ordnungseinheit des internationalen Systems dar und sind durch drei
wesentliche Elemente – die Nation, das Territorium und die Staatsgewalt –
charakterisiert.11 Im Zuge des 18. Jahrhunderts gewinnt der Begriff der Nation an
Relevanz und beansprucht eine neue Form der Staatlichkeit, die auf eine
evolutionäre Weiterentwicklung der ständischen Gesellschaftsstruktur verweist.12
Die Untertanen werden als Nation bezeichnet, was sowohl Teilnahmerechte als auch
Handlungspflichten normiert und insofern modern ist, als dass erstmals prinzipiell
jeder in das politische System inkludiert wird.13 Aus dieser Vollinklusion folgt die
9
Vgl. Bonacker/Weller 2006, S. 20f.
De Mesquita 2006, S. 831.
11
Vgl. Wimmer 2002, S. 87; Kersten 2000, S. 230.
12
Vgl. Stichweh 2000, S. 48.
13
Vgl. Stichweh 2000, S. 48f.
10
4
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
bedeutende Funktion des Nationalstaats, für die Bürger Identifikationsmöglichkeiten
mit einem nationalen Bezugssystem zu bieten, das die Individualität des Einzelnen
integrieren kann.
Die Entstehung einer Nation und die Konstruktion von Identifikationsmöglichkeiten
kann auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen: Zum einen kann ein neu
entstandener oder bereits existierender Staat versuchen, die auf dem staatlichen
Territorium lebenden Bürger zu einer Nation zu formen (Frankreich, Spanien,
Türkei); zum anderen kann eine bereits bestehende Nation das Ziel verfolgen einen
eigenen Staat aufzubauen oder politische Autonomie zu erreichen (Deutschland,
Italien, Baskenland, Katalonien, Kurdistan). Diese unterschiedlichen Verhältnisse
zwischen Staat und Nation werden oftmals mit den Begriffen der politischen oder
ethnischen Nation zum Ausdruck gebracht.14 In beiderlei Hinsicht gewinnt das
politische System an Bedeutung, das die Anerkennung der ethnischen und
kulturellen Identität in einem Staat – sprich die politische Inklusion von der
Bevölkerung – gewährleistet. Anhand der Konstruktion von Nation wird die neue
Form der Staatlichkeit deutlich: Zum ersten Mal in der Geschichte von Staatlichkeit
wird die Vielzahl der einzelnen Bürger und die Teilnahme dieser am politischen
Gemeinwesen relevant. Der Nationalstaat garantiert eine relative kulturelle
Homogenität nach innen wodurch die Stabilität des Staates gesichert und die
Abgrenzung zu anderen Staaten nach außen gewährleistet wird.15
Allerdings stellt sich mit der Entstehung von Nationalstaaten die Frage, inwiefern
ethnische Minderheiten die Einheit und Stabilität der politischen Nation gefährden
können. Während die Inkorporation einer weiteren Ethnie in den meist
multikulturellen Dynastien und Großreichen kaum eine Schwierigkeit darstellte,16 ist
die politische Nation in Hinblick auf eine ethnisch heterogene Bevölkerungsstruktur
14
Vgl. Wimmer 2002, S. 56, vgl. Stichweh 2000, S. 49. Anstelle von „politischer Nation“ wird auch der Begriff
der „liberalen Nation“ verwendet. Vgl. Rösel 1997, S. 147. Allerdings zielt dieser bereits auf eine demokratische
Ordnung ab, weshalb im weiteren Verlauf der Arbeit auf den Begriff der politischen Nation rekurriert wird.
Schneckener (2002) unterscheidet zwischen Demos (politische Nation) und Ethnos (ethnische Nation): „Der
Demos tendiert eher zu einer Inkorporierung und Assimilierung (inklusiv), der Ethnos zu einer Separierung und
Segregation (exklusiv), dominierend bleibt jedoch die demotisch oder ethnisch bestimmte core nation.“
Schneckener 2002, S. 32.
15
Vgl. Vgl. Wimmer 2002, S. 53.
16
Vgl. Stichweh 2000, S. 53.
5
FIT Discussion Paper 01/11
besonders gefordert, um die Einheit des Staates zu gewährleisten. Die Einheit des
Staates kann durch die Konstruktion einer übergeordneten Identität gewährleistet
werden, da so die Heterogenität einer Gesellschaft homogenisiert und ein
Nationalgefühl erzeugt werden kann. Dafür ist es jedoch notwendig, die Religion,
Identität und gesamte Kultur der einzelnen Ethnien der kommunikativ neu
erzeugten Identität unterzuordnen, was zu Konfliktlinien führen kann.17
„Das erhöht in der Folge für politisch konstituierte Nationen den Druck,
ihre bereits vorhandenen fremdethnischen Gebiete der Kernnation zu
assimilieren, und das provoziert umgekehrt, gerade wenn die politische
Nation
diesen
Versuch
unternimmt,
den
Widerstand
und
die
Sezessionsbestrebungen in dem betroffenen fremdethnischen Gebiet.“18
Die Staats- und Nationenbildung können also in einem engen Zusammenhang mit
Minderheiten- und Nationalitätskonflikten stehen.19 Aus der Perspektive des Staates
ist die physische Sicherheit des Staates und seiner Institutionen gefährdet, wenn
separatistische Gruppen die territoriale Einheit des Staates bedrohen.20 Das
beschriebene Konfliktpotenzial hat unter anderem dazu geführt, dass die Anzahl von
innerstaatlichen Konflikten deutlich zugenommen hat.
Der moderne Nationalstaat weist also eine stark inkludierende Seite auf, da der
einzelne Bürger für das politische Gemeinwesen relevant und eine Vollinklusion
möglich ist; gleichzeitig ist in multiethnischen Staaten eine stark exkludierende Seite
zu erkennen, die sich in der Schwierigkeit des Aufbaus eines nationalen
Bezugsystems, das nicht zur Unterdrückung oder Exklusion einer Ethnie beiträgt,
widerspiegelt. Es kann also festgehalten werden, dass ethnisch heterogene Staaten
(politische Nationen) mit der Herausforderung konfrontiert sind, einerseits die
Einheit des Staates zu gewährleisten, und andererseits ethnische Minderheitengruppen zu inkludieren, um die Entstehung von Konfliktlinien zu verhindern.
17
Vgl. Smith 1995, S. 101.
Stichweh 2000, S. 53.
19
Für einen historischen Überblick über das Verhältnis von Ethnizität und Kultur auf die Politik und
Staatsbildung, siehe Smith 1996, S. 449ff.
20
Vgl. Wolff 2006, S. 77. Auch die Existenz und der Erfolg separatistischer Gruppen in anderen, benachbarten
Staaten können einen Anreiz für Gruppen bieten, sich ebenfalls gegen die Unterdrückung zu richten und
gegenüber den staatlichen Institutionen zu radikalisieren. Vgl. Wolff 2006, S. 77. Dies lässt sich beispielsweise
anhand der ethnischen Minderheit der Kurden im Irak und in der Türkei erkennen.
18
6
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
2.2 Politische Exklusion und Konflikt
Die Exklusion ethnischer Minderheiten aus dem nationalen politischen System wird
in der Konfliktforschung und in dieser Arbeit als bedeutender Faktor für die
Entstehung von ethnischen Konflikten angesehen.21 Gurr und Pitsch (2002) stellen
auf Grundlage des Minorities at Risk-Projektes und der darin gewonnenen Daten
fest, dass mehr als die Hälfte der rebellierenden Gruppen, die zwischen 1990 und
1998 erhoben wurden, in ihrem Staat einer aktiven politischen Diskriminierung
unterlagen.22
Neben der
politischen Exklusion besteht
auch
oftmals eine
wirtschaftliche und rechtliche Diskriminierung. Doch warum spielt die Exklusion
aus dem politischen System eine entscheidende Rolle für die Radikalisierung23 einer
Gruppe? Die Exklusion aus dem politischen System wird als entscheidend
angesehen, da in diesem kollektiv bindende Entscheidungen getroffen und
nationalstaatliche Identitäten konstruiert werden.24 Der Ausschluss einer Minderheit
aus dem nationalen Politiksystem führt zum einen dazu, dass ihre ethnische Identität
nicht anerkannt wird und zum anderen, dass für Minderheiten keine Möglichkeit
besteht, über politische Ämter das Thema ihrer Exklusion auf der politischen Agenda
anschlussfähig zu halten. Dies birgt ein hohes Konfliktpotenzial in sich, da so keine
Vertretung dieser ethnischen Identität im politischen System möglich ist.
In der Forschung über den Zusammenhang zwischen Exklusionen aus sozialen
Systemen und Konflikten kann zwischen handlungs- und strukturtheoretischen
Ansätzen unterschieden werden.25 Strukturtheoretische Ansätze erklären Konflikte
durch
gesellschaftsstrukturelle
Faktoren
wie
sozialen
Ungleichheiten
oder
Überlappungen von Differenzierungsformen. Handlungstheoretische Ansätze stellen
hingegen für die Erklärung von Konflikten die Entscheidungen von Bewegungen in
den Mittelpunkt, die sich aus rationalen Überlegungen ergeben.26
21
Vgl. EPR, MAR.
Vgl. Gurr/Pitsch 2002, S. 299.
23
Es wird davon ausgegangen, dass sich eine Radikalisierung auf zwei Ebenen vollzieht. Einerseits innerhalb der
Ideologie der Gruppe und andererseits durch die Handlungen und den Einsatz von Gewalt. „Radikalisierung“
wird demnach definiert als die erhöhte Bereitschaft zum Einsatz von Gewalt von ethnischen
Minderheitengruppe, um eine bestehende Gesellschaftsordnung, in den für diese Gruppe wichtigen Fragen, von
Grund auf zu verändern.
24
Vgl. Stetter 2008, S. 112.
25
Vgl. Bonacker 2005, S. 3.
26
Vgl. Bonacker 2005, S. 4; vgl. Gurr 1993, S. 167; aber auch Stewart 2001, S. 5ff. und Smith 1996, S. 446f.
22
7
FIT Discussion Paper 01/11
Vertreter des handlungstheoretischen Ansatzes sehen Ethnizität und die Exklusion
einer Ethnie aus sozialen Systemen als Möglichkeit der ethnischen Mobilisierung zur
Stärkung politischer Allianzen und Realisierung ökonomischer Interessen. Dieser
rationale Ansatz entstammt aus den Wirtschaftswissenschaften. Vertreter des greedAnsatzes identifizieren die Gier (greed) von Akteuren nach raubbaren Ressourcen,
schwache staatliche Strukturen vorausgesetzt, als Auslöser von Bürgerkriegen.27
Ethnizität wird zwar als Möglichkeit der ethnischen Mobilisierung zur Stärkung
politischer Allianzen und Realisierung ökonomischer Interessen angesehen, aber die
Entstehung von Konflikten kann sie nach quantitativen Studien nicht erklären.28
Dadurch
wird
den
Akteuren
und
rationalen
Überlegungen
eine
höhere
Erklärungskraft zugeschrieben als den Strukturen. In den letzten Jahren haben sich
jedoch Ansätze herausgebildet, die die fehlende politische Dimension ökonomischer
Ansätze
kritisieren.29
Politische
Ungleichheiten
in
ethnisch
heterogenen
Gesellschaften als Konfliktursache, so der Vorwurf, werden im greed-Modell
vorschnell als nicht entscheidend zurückgewiesen. Diese (rationalen) Ansätze
unterstellen das Menschenbild eines homo oeconomicus. Aufgrund dessen können sie
kaum empirische Beispiele erklären, in denen Sezessionsbestrebungen einer Gruppe
verfolgt werden, die mit dem Verbleib im Staat ökonomisch besser gestellt wäre
(Kurden in der Türkei), oder in denen sich ein Individuum am Kampf einer Gruppe
beteiligt, obwohl die feindliche Gruppe viel stärker und größer ist.
Vertreter
von
grievances-Modellen
gehen
von
sozialen,
politischen
und
ökonomischen Ungleichheiten zwischen verschiedenen Gruppen eines Staates als
Ursache für bewaffnete Konflikte aus.30 Diese Ansätze identifizieren in den
Ungleichheitsstrukturen zwischen Ethnien und in der sozialen Wahrnehmung dieser
die entscheidende Konfliktursache. Die Ungleichheiten beziehen sich auf politische,
ökonomische, kulturelle Aspekte und führen dazu, dass unterdrückte ethnische
27
Vgl. Collier/Hoeffler 2000.
Vgl. Collier/Hoeffler 2004; vgl. Fearon/Laitin 2003, S. 88. Allerdings sind auch neue Studien zu erwähnen,
die den Aspekt der ethnischen Ungleichheit wieder stärker in den Vordergrund rücken, vgl. Ohlson 2008; vgl.
Cederman/Wimmer/Min 2008.
29
Vgl. Østby 2004, S. 5.
30
Vgl. Gurr 1993, S. 126ff.; vgl. Ohlson 2008; vgl. Cederman/Wimmer/Min 2008, vgl. Bonacker 2005, S. 4;
aber auch Stewart 2001, S. 5ff. und Smith 1996, S. 446f.
28
8
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
Minderheiten gegen die Akteure rebellieren, die diese Ungleichheiten hervorrufen:
meist die Regierung eines Staates.31
Diese Form der Ungleichheiten, lässt sich nach Stewart (2001) als horizontale
Ungleichheit bezeichnen, die sich auf der Gruppen-Ebene vollzieht.32 Aus der
Gruppenmitgliedschaft ergeben sich die Identität und das Verhalten eines
Individuums – wobei ein jeder multiple Identitäten besitzt. Die Gruppenidentität
entsteht auf Grundlage gemeinsamer Werte und durch die Abgrenzung zu einer
anderen Gruppe.33 Soziale Ungleichheiten werden dann relevant, wenn anhand der
kulturellen Identität eine von den Gruppenmitgliedern wahrnehmbare Abgrenzung
zu anderen Gruppen erfolgt.34 So können kulturelle – im Sinne starker – Identitäten35
in Kombination mit politischen Ungleichheiten und einer Unterdrückung des
Themas durch das politische System, die Wahrscheinlichkeit der Radikalisierung
einer Gruppe erhöhen. Die Abgrenzung zu einer anderen Gruppe wird meist sozial
konstruiert und kann eine hohe Gruppenloyalität und Ablehnung der anderen
Gruppe erzeugen.36 Die Gruppenebene, die sich aus dem sozialen Vergleich mit einer
anderen Gruppe ergibt, stellt also einen entscheidenden Faktor für die Stabilität eines
Landes dar.37 Für die Radikalisierung ist die Wahrnehmung von Ungleichheiten
zwischen (mindestens) zwei Gruppen und nicht zwischen einzelnen Individuen
ausschlaggebend, da eine individualistische Perspektive Exklusionen oftmals auf
persönliches Versagen zurückführt und dann nicht radikalisierend wirkt.38
31
Vgl. CRISE.
Vgl. Stewart 2001, S. 3. Vertikale Ungleichheiten werden hingegen anhand von Individuen oder Haushalten
gemessen.
33
Vgl. Stewart 2001, S. 2; vgl. Weber 1996, S. 52.
34
Vgl. Stewart 2001, S. 7.
35
So geht Walter (2002) davon aus, dass sich Identitäten quasi „zementieren” und somit verhindern, dass
gespaltene Gruppen zusammenarbeiten. Konflikte, die mit der Identität der Gruppe verknüpft sind, sind demnach
schwieriger zu lösen, als Konflikte über teilbare Ressourcen. Vgl. Walter 2002, S. 12.
36
Vgl. Horowitz 1985, S. 144f. Die Annahme Horowitz hat sich aus den Ergebnissen der Experimente von Henri
Tajfel ergeben, die gezeigt haben, dass die Konstruktion von Gruppenidentitäten und die damit einhergehende
Abgrenzung zu anderen Gruppen schnell erfolgt. Ethnische Gruppen stellen in diesem Sinne eine Besonderheit
dar, da die Mitgliedschaft meist qua Geburt gegeben ist. Zur Übersicht siehe Horowitz 1985, S. 143-147.
37
Vgl. Weber 1996, S.52, vgl. Østby 2006, S. 2, vgl. Stewart 2001, S. 2.
38
Vgl. Bonacker 2005, S. 8.
32
9
FIT Discussion Paper 01/11
Die Ausführungen haben gezeigt, dass Exklusionen für die Entstehung von
Konflikten Relevanz besitzen.39 Da Exklusionen aus sozialen Systemen wie dem
Politik-, Rechts- oder Wirtschaftssystem erfolgen und national betrachtet werden,
liegt der Schwerpunkt der bislang vorgestellten Ansätze auf dem Nationalstaat und
innerstaatlichen Konfliktaspekten. In dem vorliegenden Papier besteht das Ziel
darin, auf Grundlage der vorangegangenen Erkenntnisse die globale Dimension von
ethnopolitischen Konflikten zu erfassen und die Notwendigkeit der Überwindung
einer nationalstaatlichen Perspektive darzustellen. Im nachfolgenden Kapitel wird
daher der Bedarf einer globalen Beobachtungsperspektive aufgezeigt bevor dann auf
rationalistische Theorie und Weltgesellschaftstheorien eingegangen wird, die eine
mögliche theoretische Antwort auf die globale Dimension ethnischer Konflikte
bieten.
3. Der theoretische und empirische Bedarf einer globalen
Beobachtungsperspektive
„Alle in den vergangenen Jahren als „neu“ herausgestellten Merkmale des
Kriegsgeschehens haben eine lange Geschichte.“40 Der Einfluss der globalen Ebene
auf vermeintlich innerstaatliche Konfliktsituationen unterliegt somit einem langen
evolutionären Prozess. Innerstaatliche Konfliktsituationen werden von globalen
Zusammenhängen beeinflusst bzw. hervorgebracht und gesellschaftliche Interessen
organisieren sich unabhängig vom Staat und der Regierung grenzüberschreitend.41
Ansätze der Globalisierungsforschung unterscheiden vier Bereiche des globalen
Strukturwandels42: 1. Die Strukturen der Weltwirtschaft, 2. Die globalen,
gesellschaftlichen Kommunikations- und Austauschstrukturen, 3. Die globalisierte
Politik und 4. Die Herausbildung internationaler und transnationaler Normen und
Wertvorstellungen. Nachfolgend wird der Strukturwandel für die Punkte 2-4 näher
ausgeführt und in Hinblick auf veränderte Konfliktsituationen erörtert.
39
Vgl. Wimmer 2002, S. 102; vgl. Gurr/Pitsch 2002, S. 299ff.; vgl. Hafez 2003, S. 204. Hafez betont, dass
zusätzlich zur Exklusion auch das Verhalten der ethnischen Bewegung und der regierenden Elite mit einbezogen
werden müsse. Hafez vernachlässigt jedoch die Bedeutung von externen Akteuren, wie zum Beispiel
einflussreichen Staaten der internationalen Staatengemeinschaft oder NGOs, die aufgrund der globalen
Durchsetzung von Menschenrechten an Bedeutung und Einfluss gewonnen haben.
40
Schlichte 2002, S. 129.
41
Vgl. Bonacker/Weller 2006, S. 10.
42
Vgl. Bonacker/Weller 2006, S. 12.
10
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
Zu 2. Die globalen, gesellschaftlichen Kommunikations- und Austauschstrukturen:
Während die kommunikative Anschlussfähigkeit zunächst auf der physischen
Präsenz von Personen beruhte, sind durch den Buchdruck, die Telekommunikation
und vor allem das Internet neue Formen entstanden, die eine physische Anwesenheit
für die Anschlussfähigkeit von Kommunikationen obsolet werden lassen.43 Nach
Hepp (2005) lässt sich diese Entwicklung als globalisierter kommunikativer
Austauschprozess bezeichnen. In Bezug auf ethnische Konfliktsituationen stellen
Diasporen ein Beispiel für die physische und kommunikative Deterritorialisierung
dar: Die Diaspora teilt die gleichen kulturellen Repräsentationen wie ihre
Heimatethnie, was auf der kommunikativen Vernetzung und Anschlussfähigkeit
zwischen Diaspora und Heimatethnie beruht. „At the level of ethnicity we have an
increasing number of communicative thickenings of minority groups and diasporas
within Europe.“44 Die Verbindung zur Heimatethnie bleibt heutzutage deutlich
ausgeprägter und spiegelt sich neben der identitären Verbindung auch in der
finanziellen
und/oder
personellen
Unterstützung
der
Heimatethnie
in
Konfliktsituationen wider. Die Bürgerkriegsforschung unterstreicht die Bedeutung
der Unterstützung von außen, wobei sich Waffenlieferungen und finanzielle
Unterstützung eher auf die Konfliktträchtigkeit auswirken als die verbale und auf
die Identität einer Gruppe abzielende Unterstützung.45
Zu 3. Die globalisierte Politik: Das vormals nationale politische System weist
heutzutage eine klare globale Dimension auf. Diese Entwicklung hängt mit der
veränderten
Bedeutung
von
Nationalstaaten
zusammen,
die
durch
Globalisierungsprozesse hervorgerufen wird und vor allem die Souveränität von
Staaten betrifft. Neben dem Nationalstaat haben sich auf weltpolitischer Ebene
Organisationen und private Regime herausgebildet, die sich globalen Themen
annehmen. Als Beispiele sind sowohl Abkommen wie das Kyoto-Protokoll oder
43
Vgl. Hepp 2005, S. 4.
Hepp 2005, S. 9.
45
Vgl. Harff/Gurr 2004, S. 105.
44
11
FIT Discussion Paper 01/11
Basel II zu nennen, die deutlich machen, dass globale Probleme wie die
Umweltzerstörung und die Bankenaufsicht nicht mehr unilateral gelöst werden
können; als auch Internationale Organisationen, wie die Vereinten Nationen (VN),
die
sich
mit
globalen
Sicherheitsfragen
auseinandersetzt
und
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, die die Einhaltung der
Menschenrechte überwachen. Durch diese Entwicklungen konstituiert sich das
weltpolitische System.
In Bezug auf Konfliktsituationen ist festzustellen, dass sowohl die Konflikte eine
globale Dimension im Sinne einer Transnationalisierung von Konfliktakteuren und gegenständen aufweisen, die sich staatlichen Regulierungsmechanismen entziehen;
als auch die Konfliktbearbeitungsmechanismen in einen globalen Rahmen
eingebettet sind, wodurch der Einfluss externer Akteure auf innerstaatliche
Konfliktsituationen
zunimmt.46
Besondere
Beachtung
gilt
es
in
diesem
Zusammenhang Internationalen Organisationen zu schenken, da diese als Vertreter
der Menschenrechte angesehen werden und Einfluss besitzen, Normenverletzungen
in einem Staat öffentlich zu machen. In der bisherigen Forschung zu ethnischen
Konflikten stand die konfliktmindernde Wirkung internationaler Organisationen in
Mediationsprozessen im Fokus. Internationale Organisationen können allerdings
auch von Minderheiten adressiert werden, die politische exkludiert sind und auf
diese Weise in das Konfliktgeschehen einbezogen werden. Es wird davon
ausgegangen, dass die Organisationen in solch einem Fall auch eine radikalisierende
Wirkung entfalten können.47
Zu 4. Die Herausbildung internationaler und transnationaler Normen und Wertvorstellungen: Globale Normen und Wertvorstellungen werden durch verschiedene
Organisationen des weltpolitischen Systems generiert und durchgesetzt. Die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die Charta der VN repräsentieren
solche Norm- und Wertvorstellungen, die sich auf globaler Ebene institutionalisieren
46
Vgl. Bonacker/Weller 2006, S. 9f.
An dieser Stelle sollte betont werden, dass nicht unterstellt wird, dass die Vereinten Nationen oder
Europäische Union beispielsweise direkt durch Truppen oder Waffenlieferungen in einen Konflikt eintreten.
Dem alleinigen Einfluss internationaler Organisationen wird demnach keine eigenständige Erklärungskraft in
Bezug auf die Radikalisierungswahrscheinlichkeit ethnischer Minderheiten zugeschrieben.
47
12
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
und Druck für die Staaten erzeugen, sich an diesem globalen Konsens zu orientieren.
Diesbezüglich
nehmen
„Kontrollinstanzen“
wie
NGOs,
Internationale
Organisationen und die Medien eine wichtige Funktion zur Überwachung der
Einhaltung von Menschenrechten ein. Diese daraus entstehende transnationale
Öffentlichkeit entzündet sich an politischen Entscheidungen einer Regierung mit
menschenrechtsverletzenden Folgen – sprich, wenn über
die
Folgen der
Entscheidungen kommuniziert wird: „Es sind nicht die Taten, die die Menschen
erschüttern, sondern die öffentlichen Worte über diese Taten.“48 Die Erfahrung des
Holocaust und die von Beck als Amerikanisierung des Holocaust bezeichneten
Entwicklung, die zu einer Übertragung dieser Erfahrung auf die globalisierte Politik
führt, trägt dazu bei, dass Menschenrechte allgemein eingeklagt werden können und
impliziert somit eine Entgrenzung politischer Souveränität.49 Der Konflikt zwischen
der Souveränität eines Staates und diese einschränkende Menschenrechte ist Sinnbild
dieser Entwicklung.
Neben der empirischen Begründung für den systematischen Einbezug der globalen
Ebene, existiert auch die theoretische, die auf die Überwindung des zuvor
dargestellten methodologischen Nationalismus abzielt und mittlerweile die
sozialwissenschaftliche Theoriedebatte erfasst hat.50 Die Wissenschaft orientiert sich
an den zuvor benannten Entgrenzungsprozessen in dem Sinne, dass sich die
Soziologie der globalen Dimension von Konflikten zuwendet und die Theorien der
Internationalen
Beziehungen
die
gesellschaftliche
Dimension
zunehmend
berücksichtigen.51
„[..] [Die] Tendenzen einer Überschreitung der klassischen Trennung
zwischen soziologischen, politikwissenschaftlichen und IB-Perspektiven,
der vielfach diskutierte Wandel von Staatlichkeit, die Entstehung neuer
Konflikte
aufgrund
von
prekärer
48
Staatlichkeit
und
neuer
Beck 2002, S. 76. Diese Annahme verweist auf den kommunikativen turn, der in dieser Arbeit verfolgt wird
und in Kapitel 3.2.1 explizite Berücksichtigung erfährt.
49
Vgl. Beck 2002, S. 78f.
50
Vgl. Bonacker/Weller 2006, S. 21.
51
Vgl. Bonacker/Weller 2006, S. 10.
13
FIT Discussion Paper 01/11
Hybridordnungen im Zuge externer Interventionen sowie das im Kontext
der
Globalisierungsdebatte
zu
verzeichnende
Bedürfnis
einer
Erklärungsebene oberhalb des Staates, lassen es sinnvoll erscheinen,
Weltgesellschaftsforschung und Konfliktforschung stärker aufeinander zu
beziehen.“52
Daher sollen im Folgenden die Theorieansätze in den Fokus gestellt werden, die die
globale Ebene systematisch mit einbeziehen. Diesbezüglich werden zunächst
exemplarisch rationalistische Ansätze vorgestellt, die eine ausdrückliche globale
Komponente in ihren Analysen aufweisen, um aufzuzeigen welche Erklärung für die
Entgrenzung innerstaatlicher Konflikte gegeben wird. Im daran anschließenden
Kapitel werden weltgesellschaftliche Ansätze in den Mittelpunkt gerückt, um die
Analyse
der
Entgrenzung
von
ethnischen
Konflikten
mittels
eines
kommunikationstheoretischen Zugangs nachzuvollziehen und deutlich zu machen
welche Logik hinter der Entgrenzung ethnischer Konflikte steht.
3.1 Rationalistische Ansätze
Die rationalen Ansätze stehen in der Tradition der in Kapitel 2.2 beschriebenen
greed-Ansätze, die ökonomische Aspekte und rationale Entscheidungen in den
Vordergrund
für
die
Erklärung
von
Konflikten
stellen.
Hinsichtlich
der
Konfliktakteure kann in innerstaatlichen Konflikten zwischen der Seite der
Regierung und der Seite nicht-staatlicher Gruppen unterschieden werden. Während
die Regierung auf das Territorium des Nationalstaates begrenzt ist, lässt sich
beobachten, dass nicht-staatliche Konfliktakteure über diese Grenzen hinweg
operieren. Salehyan (2009) bezeichnet letztere als transnationale Rebellen und
definiert diese als bewaffnete Oppositionsgruppe, deren Operationen nicht von den
Grenzen der Nationalstaaten beschränkt sind.53 Rebellen organisieren sich
transnational, da so die Kosten der Organisation des Kampfes reduziert werden und
sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass weitere Ressourcen für die Rebellion
akquiriert werden können. Da Konflikte für die beteiligten Gruppen Opfer
52
53
Bonacker/Weller 2006, S. 23f.
Vgl. Salehyan 2009, S. 15.
14
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
implizieren, liegt ein pragmatischer Grund für die Transnationalisierung darin, dass
die Rebellengruppen dem Zugriff der Staatsmacht entgehen, wenn in angrenzenden
Staaten ein Rückzugsraum besteht. Die Mitglieder der kurdischen PKK, die in
Konflikt mit der türkischen Regierung und dem Militär stehen, haben beispielsweise
Syrien lange Zeit als Rückzugsmöglichkeit genutzt und unter anderem dadurch
ihren langen Bestand gesichert.54 Das Argument lautet also, dass die Rebellen
Ressourcen und Mobilisierungsmöglichkeiten außerhalb des Staatsterritoriums zu
generieren versuchen und sich dadurch transnational organisieren, um dem Zugriff
der territorial begrenzten Staatsmacht zu entgehen.55 Auf diese Weise stärken nichtstaatliche Gruppen ihre Verhandlungsposition, da der Staat durch die transnationale
Vernetzung der Gruppe meist nicht dazu in der Lage ist, diese militärisch zu
besiegen. Der Ansatz von Salehyan erfasst systematisch die transnationale
Komponente von Bürgerkriegen mittels eines rationalistischen Erklärungsmodells.
„External mobilization opportunities give rebel groups bargaining power
through the ability to impose costs on the state, and they open a
bargaining space. At the same time, external mobilization makes finding
an acceptable settlement more difficult by creating ambiguity about the
rebel’s relative strength and the appropriate level of concessions that must
be offered; by making it more difficult for the rebels to commit to
demobilization agreements; and by introducing new actors into the
bargain.“56
Salehyan geht in seinem rationalistischen Erklärungsmodell davon aus, dass neben
der Motivation (greed vs. grievances) auch die Opportunität für eine Gruppe
bestehen muss.57 Opportunitätstheorien fügen der Motivation zur Rebellion Aspekte
wie die Wahrscheinlichkeit des Erfolges, die Kosten kollektiver Handlungen und die
Kosten des Kampfes hinzu. Das bedeutet, dass benachteiligte Individuen glauben
54
Vgl. Strohmeier 2003, S. 108. Die PKK existiert bis heute und wurde von Abdullah Öcalan und anderen
Studenten offiziell im Jahre 1978 gegründet. Sie setzte sich die Befreiung der Kurden von der Dominanz der
Türken als oberste Priorität, vgl. White 2000, S. 135; vgl. Bilge Criss 1995, S. 18; vgl. Imset 1992, S. 19.
55
Vgl. Salehyan 2009, S. 19.
56
Vgl. Salehyan 2009, S. 20.
57
Vgl. Salehyan 2009, S. 21.
15
FIT Discussion Paper 01/11
müssen, dass eine begründete Chance besteht, ihre Ziele durchzusetzen, andernfalls
schließen sie sich nicht einer Rebellengruppe an.58
Viele Ansätze haben versucht, das politische Verhalten von Gruppen mit StandardModellen zu erklären, in denen politische Akteure als Maximierer ihrer eigenen
Interessen verstanden werden.59 Diese Modelle können jedoch kein politisches
Verhalten erklären, das sich an sozialen Normen orientiert, freiwillige Beiträge zu
öffentlichen Gütern liefert oder redistributive Programme unterstützt, die den
Einzelnen nicht bevorteilen.60 Weiterhin ist die Frage, wann die Politisierung von
Ethnizität von Gewalt begleitet ist nur in einigen mikroökonomischen Theorien
Analysegegenstand. Dies ist darauf zurückzuführen, dass mobilisierte Gruppen von
rationalen Ansätzen oft als einheitliche Akteure bezeichnet werden. Die Gewalt
resultiert dann aus dem Scheitern von Verhandlungen, aufgrund privater
Informationen bzw. Informationsdefizite und aufgrund von Vertrauensproblemen.61
Die Besonderheit ethnischer Konflikte liegt in solchen Erklärungsansätzen dann nur
darin, dass der Akteurstyp und das Thema als ethnisch eingeordnet werden.62
Lake und Rotschild (1996) konstatieren, dass die Entstehung ethnischer Konflikte in
der strategischen Interaktion zwischen und innerhalb einer Gruppe begründet liegt.
Sie identifizieren drei strategische Dilemmata, die zum Ausbruch von Gewalt führen
können: Erstens, Informationsdefizite, zweitens, Vertrauensprobleme und drittens,
Anreize, Gewalt präventiv anzuwenden (Sicherheitsdilemma).63 Die Umstände unter
denen
ein
Sicherheitsdilemma
virulent
werden
kann
liegen
1.
im
Regierungsumbruch bzw. -zusammenbruch, 2. in der geographischen Isolierung
oder Verwundbarkeit einer Minderheit in einer größeren Gruppe, 3. in
Veränderungen im Machtverhältnis zwischen Gruppen, 4. in Veränderungen im
Zugang zu oder der Kontrolle von ökonomischen Ressourcen und 5. in der
erzwungenen oder freiwilligen Demobilisierung von Partisanen.64 Wolff (2006) fügt
als zusätzlichen sechsten Punkt hinzu, dass Veränderungen in der externen
58
Vgl. Salehyan 2009, S. 21.
Vgl. Bowles/Gintis 2006, S. 951.
60
Vgl. Bowles/Gintis 2006, S. 952.
61
Vgl. Fearon 1995.
62
Vgl. Fearon 2006, S. 862.
63
Vgl. Lake/Rotschild 1996, S. 41.
64
Diese Aufzählung basiert auf Walter/Snyder (1999) und ist zitiert nach Wolff 2006, S. 74.
59
16
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
Unterstützung
oder
in
dem
Mächtegleichgewicht
zwischen
rivalisierenden
Unterstützern zu einem Sicherheitsdilemma und einem präventiven Einsatz von
Gewalt durch die ethnische Gruppe führen können. Bei den externen Akteuren, die
für Konflikte Relevanz besitzen, kann zwischen externen Eliten (bad neighbours)
und externen Bevölkerungen (bad neighbours) unterschieden werden. Beide können
dazu
beitragen,
dass
sich
der
Konflikt
verlängert,
da
durch
sie
Rückzugsmöglichkeiten bereit gestellt werden und Ressourcen mobilisiert werden
können.65 Möglichkeiten der Finanzierung einer Rebellion liegen in natürlichen
Ressourcen, in der Finanzierung durch die Diaspora oder in der Unterstützung
durch andere Regierungen.66 Die Diaspora und andere finanzstarke Regierungen
stellen
aufgrund
der
Bedeutung
von
konfliktspezifischem
Kapital
den
Hauptanalysegegenstand dar. Auf diese Weise integrieren ökonomische Ansätze die
globale Ebene in ihre Analyse.
Falls die globale Dimension von Konflikten in Form einer transnationalen
Öffentlichkeit, NGOs oder Internationalen Organisationen Berücksichtigung findet,
wird sie daraufhin abgeklopft, ob die finanziellen Ressourcen einer Rebellengruppe
gestärkt werden (können) oder die Verbindung einen strategischen Vorteil
impliziert. Dies vernachlässigt beispielsweise Aspekte der Identitätsbildung und festigung sowie der Inklusionserwartungen ethnischer Minderheiten, die im
nächsten Kapitel aufgegriffen werden. Die rationalen Ansätze argumentieren, dass
die
Unterstützung
durch
internationale
oder
transnationale
Akteure
die
Radikalisierungswahrscheinlichkeit der Ethnie erhöhen bzw. den Konflikt aus dem
Grunde
verlängern
kann,
da
–
im
rationalistischen
Jargon
–
die
„Verhandlungsposition“ der ethnischen Minderheit gestärkt wird. Somit wird als
wichtiger Punkt festgehalten, dass die globale Dimension konfliktverschärfend
wirken kann. Allerdings zeigt sich, dass der methodologische Nationalismus nicht in
seiner Gänze überwunden wird.
65
Vgl. Wolff 2006, S. 71. In Bezug auf den Einfluss externer Akteure sind auch Ansätze zu nennen, die den
Wandel des Austrages von Bürgerkriegen in Folge der internationalen Umwälzungen nach Ende des Kalten
Krieges untersuchen. Vgl. Kalyvas/Balcells 2010, vgl. Toft 2010.
66
Vgl. Collier/Hoeffler 2001, zitiert nach Wolff 2006, S. 86.
17
FIT Discussion Paper 01/11
Es bleibt festzuhalten, dass die rationalistischen Ansätze zwar eine Vielzahl
wichtiger Faktoren der Konfliktforschung identifizieren. Der Erkenntnisgewinn in
Bezug auf Identitätskonstruktionen, die Bedeutung von Inklusionsenttäuschungen
oder die identitäre Unterstützung durch externe Akteure ist jedoch gering.
3.2 Weltgesellschaftsansätze
In
den
folgenden
Kapiteln
gesellschaftstheoretische
wird
in
die
Beobachtungsperspektive
kommunikations-
der
und
Weltgesellschaftsansätze
eingeführt, um darzustellen, dass diese Ansätze einen überzeugenden Rahmen für
die Beschreibung und Analyse ethnischer Konflikte aus einer globalen Perspektive
liefern können. Die Ursprünge der Weltgesellschaftstheorie liegen in den 1970er
Jahren begründet, die als Anfangs- und Formierungsphase bezeichnet werden kann.
Die zu dieser Zeit entwickelten Ansätze entstanden zum Teil in Kritik zu klassischen
soziologischen
und
politikwissenschaftlichen
Modernisierungstheorie
und
den
Annahmen,
Konzepten,
dass
Staaten
wie
die
der
zentralen
Analyseeinheiten bilden und das internationale System von Anarchie geprägt ist.
Es
entwickelten
sich
unabhängig
voneinander
drei
prominente
Weltgesellschaftstheorien, die durch unterschiedliche Theoriekontexte geprägt sind.
Zu nennen sind die Weltgesellschaftstheorien von Niklas Luhmann67, die der
Systemtheorie zugeordnet wird, von Peter Heintz68, die dem Kontext der
Entwicklungssoziologie
entspringt
und
die
von
John
W.
Meyer,
die
neoinstitutionalistisch geprägt ist69. Weltgesellschaft wird als eine Ebene der
Sozialorganisation
verstanden,
die
nicht
auf
Nationalstaaten
oder
ein
Funktionssystem reduziert werden kann und somit eine emergente Ebene
67
Vgl. Luhmann 1975 [1971], S. 51-72; 1997, S. 145-171.
Vgl. Heintz 1976; 1982. Heintz (1976; 1982) versteht unter Weltgesellschaft einen globalen
Interaktionszusammenhang, der keinen zentralen gesellschaftlichen Teilbereich aufweist, aber einen
konflikttheoretischen Kern inne hat. Die Entstehung von Stratifikation und Konflikt erklärt er durch die
ungleiche Verteilung von Ressourcen.
69
Vgl. Meyer 1980; Meyer et al. 1998. Meyers Ansatz ist von Begriffen wie „world culture“ und „world polity“
charakterisiert. Die Kernaussage des Meyerschen Gesellschaftsbegriffs ist die Entwicklung eines hegemonialen
kulturell-legitimatorischen Wertezentrums, das weltweit homogenisierend auf die Sozialverhältnisse wirkt
(Isomorphiethese), so dass von einer Weltgesellschaft auszugehen ist. Vgl. Meyer 1980; Meyer et al. 1998. Zu
weiteren Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Weltgesellschaftskonzepte vgl. Wobbe 2000, Greve/Heintz
2005 und Bonacker/Weller 2006.
68
18
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
repräsentiert.70 Des Weiteren verbindet die Ansätze die Annahme, dass die
Kontingenz der modernen Gesellschaft ohne die Weltgesellschaft nicht hinreichend
erklärt werden könne. „In dieser Kopplung […] liegt der entscheidende Unterschied
zu den vielen Ansätzen, die sich unter dem Dach der Globalisierungsforschung
finden.“71 Im Unterschied zu Globalisierungsansätzen, welche eher die Entstehung
des
Globalisierungsprozesses
beleuchten,
konzentrieren
sich
die
Weltgesellschaftsansätze auf die Analyse der daraus entstehenden Strukturen:
Sozialer Wandel wird als Resultat dieser Strukturen und Zusammenhänge
begriffen.72 Somit lassen sich diese Ansätze eher den strukturtheoretischen Ansätzen
der Konfliktforschung zuordnen (grievances). Im Anschluss wird aus folgenden
Gründen auf die Weltgesellschaftstheorie von Niklas Luhmann und auf Autoren
rekurriert, die seinen Ansatz weiterentwickelt haben: Zum einen können mit diesen
theoretischen Konzepten die Entgrenzungsprozesse in funktionaler, territorialer und
symbolischer Hinsicht erfasst und analysiert werden; zum anderen können die
Konflikthaftigkeit
von
Exklusionsprozessen,
die
Entgrenzung
von
Konfliktsituationen und der Einbezug des globalen politischen Systems auf
innerstaatliche Konflikte umfassend beschrieben werden.
3.2.1 Entgrenzungsprozesse in der Weltgesellschaft
Die Theorie der Weltgesellschaft geht davon aus, dass Konflikte – in Folge der
Durchsetzung der funktionalen Differenzierung73 und weltweiten kommunikativen
Anschlussfähigkeit –
weltgesellschaftliche Ereignisse sind und gleichzeitig die
weltgesellschaftliche Entwicklung beeinflussen. Somit ist in der Theorie aufgrund
der
funktionalen
Ausdifferenzierung
globaler
Teilsysteme
implizit
die
kommunikative Aufhebung von territorialen Grenzen in innerstaatlichen Konflikten
angelegt. Die Möglichkeit der Entgrenzung von Konflikten basiert auf der
70
Vgl. Wobbe 2000, S. 6.
Wobbe 2000, S. 8.
72
Vgl. Bonacker/Weller 2006, S. 29. Für einen Überblick über die verschiedenen Ansätze der
Globalisierungsforschung, vgl. Held et al. 1999.
73
Die funktionale Differenzierung bedeutet, dass sich für verschiedene gesellschaftliche Bereiche
Funktionssysteme herausgebildet haben, wie etwa Wirtschaft, Politik, Religion, Recht, Wissenschaft, Kunst,
Sport, etc.
71
19
FIT Discussion Paper 01/11
Grundannahme der Weltgesellschaftstheorie, dass Kommunikationen prinzipiell
weltweit möglich sind und das Letztelement alles Sozialen darstellen. Da die
Gesellschaft nach Luhmann aus allen weltweit möglichen Kommunikationen besteht,
kann es nur noch eine Gesellschaft geben – nämlich die Weltgesellschaft, in der sich
eben auch Konflikte ereignen.74 Dieser theoretisch vollzogene Perspektivenwechsel
ermöglicht die Aufhebung der bisher üblichen Nationalstaatsfokussierung, die den
Staat mit der Gesellschaft gleichgesetzt hat. Die Weltgesellschaftstheorie folgt einer
differenzierungstheoretischen Lesart, in der Grenzen kommunikativ erzeugt und
überwunden werden.75 In einer primär funktional differenzierten Gesellschaft sind
die Funktionssysteme aufgrund ihrer operativen Eigenlogik und der Annahme der
prinzipiellen kommunikativen Erreichbarkeit grundsätzlich global und nicht
national angelegt.76 Ausnahmen stellen das Politik- und Rechtssystem dar, da diese
Systeme an das Herrschaftsgebiet des Nationalstaates gekoppelt sind. Allerdings
sind auch in diesem Bereich aufweichende Tendenzen zu beobachten: Es entstehen
neue Formen auf der globalen Politikebene, wie die VN und EU oder private
Rechtsregime
und
globale
Menschenrechtsorganisationen,
wie
Amnesty
International, die mit der Weltgesellschaftstheorie beobachtet werden können.
Demnach wird der Fokus in der Weltgesellschaftstheorie auf die Wirkung von
Strukturen und deren Entgrenzung gelegt, durch die eine abnehmende Kongruenz
von Staatsterritorium, Staatsgewalt und Nation deutlich wird. Der WeltgesellschaftsTheorie folgend, meint Entgrenzung nicht die Auflösung von Grenzen sondern
deren Bedeutungsveränderung und die Entstehung neuer – immer kommunikativ
verstandener – Grenzen, woraus wiederum neue Konfliktlinien resultieren können
oder bereits bestehende Konflikte einer Wandlung unterliegen.77
74
Luhmann stellt in dieser Hinsicht jedoch auch fest, dass regionale Unterschiede existieren und
„Weltgesellschaft“ nicht auf eine zunehmende Uniformität verweist.
75
Vgl. Bonacker 2006b, S. 78.
76
Die evolutionären Errungenschaften, wie die Erfindung des Buchdrucks, des Telefons und des Internets haben
dazu beigetragen, dass sich Kommunikationsangebote von der Anwesenheit von Personen zeitlich und räumlich
lösen konnten. Sie gelten als Grundvoraussetzung für das Aufspannen weltweiter Kommunikationsnetze. Vgl.
Luhmann 1997, S. 151. Die „und-so-weiter“-Hypothese besagt, dass in jeder Interaktion ein „und-so-weiter“
anderer Kontakte der Gesprächspartner angelegt ist und so die Möglichkeit einer weltweiten Verflechtung
existiert. Es ergibt sich aus der Herausbildung „weltweit orientierter Kommunikation“ (Luhmann 1975 [1971],
S. 57), dass es nur noch eine Gesellschaft geben kann: Die Weltgesellschaft.
77
Vgl. Bonacker 2003, S. 124, vgl. Bonacker 2006b, S. 84, vgl. Brock 2000.
20
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
Aus kommunikationstheoretischer Perspektive kann die Veränderung von drei
Grenzen beobachtet werden, die sich aus politikwissenschaftlicher Perspektive auf
die Staatsgewalt, das -territorium und die Nation beziehen. Die daraus entstehenden
neuen Strukturen in und für die Weltgesellschaft werden nachfolgend beleuchtet.
1. Funktionale Grenzen beziehen sich auf die Grenzen von Teilsystemen und
dienen sowohl der Abgrenzung gegenüber anderen Systemen, als auch der
Inklusion
von
Individuen
über
spezifische
Rollen.78
Beispiele
für
gesellschaftliche Teilsysteme sind Wirtschaft, Politik, Recht, Wissenschaft,
Religion, etc. Die funktionale Entgrenzung von Teilsystemen bedeutet, dass
sich diese der nationalstaatlichen Begrenzung entziehen (z.B. operiert die
Wirtschaft in ihrer Eigenlogik über nationalstaatliche Grenzen hinweg).
Deshalb ist anzunehmen, dass sich – so wie die Wirtschaft global operiert – ein
weltweit operierendes politisches Kommunikationsgeflecht herausbildet. Die
funktionale Entgrenzung der Politik – die in dieser Arbeit im Vordergrund
steht – bewirkt die Herausbildung neuer Organisationsformen auf globaler
Ebene, die das weltpolitische System mit konstituieren.79 Die Funktion dieser
neuen
Organisationsformen
liegt
auf
globaler
Ebene
darin,
Entscheidungsprozesse vorzubereiten und zu beschließen. Resultat hiervon
sind etwa die diversen Menschenrechtsabkommen. Der Staat wird durch diese
Entwicklung nicht obsolet, sondern behält als politische Organisation im
Weltsystem Politik seine Relevanz.
2. Territoriale Grenzen erfüllen die Funktion der Zuschreibung von
Zuständigkeiten und zielen auf das Charakteristikum des Staatsgebietes ab.
Die territoriale Entgrenzung impliziert eine Reterritorialisierung von
staatlichen
Grenzziehungen
–
also
die
abnehmende
Bedeutung
nationalstaatlicher Grenzen zugunsten anderer größerer, also regionaler oder
78
79
Vgl. Bonacker 2006b, S. 81.
Vgl. Bonacker 2006b, S. 85.
21
FIT Discussion Paper 01/11
kleinerer,
substaatlicher
Grenzen.80
Die
Transnationalisierung
von
Rebellengruppen ist ebenfalls ein Hinweis auf die Bedeutungsverschiebung
territorialer Grenzen.
In
Bezug
auf
ethnische
Minderheiten
ist
oftmals
eine
territoriale
Konzentration der Minderheit zu beobachten (z.B. Kurden im Südosten der
Türkei), die zu einer substaatlichen Grenzziehung führt. Eine Verbindung der
kurdischen Minderheiten im Iran, Irak, Syrien und der Türkei würde
hingegen zu einer regionalen Grenzziehung führen (Kurdistan). Im Rahmen
dieser Entgrenzungsprozesse über oder unterhalb der territorialen Grenzen
stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit im weltpolitischen System.
3. Symbolische Grenzen erzeugen durch die Unterscheidung zwischen dem
Eigenen und dem Fremden kollektive Identitäten und zielen auf das soziale
Konstrukt der Nation ab. Die symbolische Entgrenzung meint die Loslösung
von Nationalstaat und kollektiver Identität, so dass unter- und oberhalb des
Nationalstaates neue Grenzen der Identität gezogen werden.81 Anhand der
Kurden in der Türkei ist zu beobachten, dass auf lokaler Ebene eine
gemeinsame, kurdische Identität besteht, während die Verbindungen zur
Diaspora in Westeuropa ein Zeichen für die symbolische Entgrenzung und
Identitätsbildung auf transnationaler Ebene ist. Der Einfluss der Diaspora auf
Konfliktsituationen kann konfliktfördernd und -entschärfend sein: „Diasporas
can support moderates in their search for peace, but they have also been
known to provide the funding for militants who pursue an otherwise
legitimate agenda by means of violence.”82 Diese symbolische Entgrenzung
meint jedoch nicht, dass die Bedeutung der Exklusion der ethnischen Identität
der Minderheit aus dem politischen System an Relevanz verliert. Momentan
stellt der Nationalstaat trotz Entgrenzungsprozessen immer noch die
Ordnungseinheit dar und bleibt daher von großer Bedeutung.
80
Vgl. Bonacker 2006b, S. 85.
Vgl. Bonacker 2006b, S. 86.
82
Vgl. Wolff 2006, S. 115f. Die Diaspora der Iren hat zunächst den Konflikt und dann den Friedensprozess
unterstützt, ebenso wie die Diaspora des Kosovo.
81
22
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
Anhand
dieser
Ausführungen
ist
deutlich
geworden,
dass
die
Weltgesellschaftstheorie zum einen eine normative Begriffsbestimmung vermeidet,
da sie sich aus differenzierungs- und evolutionstheoretischer Perspektive nähert.
Dadurch wird die Theorie nicht von einem bestimmten Menschenbild abgeleitet,
welches zwar einer Reduktion von Komplexität entsprechen würde, aber gleichzeitig
auch starre Erklärungsmuster liefert. Zum anderen erlauben der systemtheoretische
Konfliktbegriff und das Prozessmodell, territoriale Grenzen überschreitende
ethnische
Konflikte
systematisch
weltgesellschaftlichen
Perspektive
ausgegangen
und
wird
zu
behandeln.
liegt
verschiedene,
Ein
darin,
dass
sich
zum
weiterer
von
Teil
einer
Vorteil
der
Gesellschaft
widersprechende
gesellschaftliche Entwicklungen, mit dem gleichen theoretischen Bezugsrahmen
erklärt werden können.83 Im Anschluss werden nun die theoretischen Annahmen zu
Konflikten, welche die Theorie der Weltgesellschaft bietet, thematisiert.
3.2.2 Die kommunikative Dimension von Konflikten und Exklusionen
Der systemtheoretische Konfliktbegriff gründet sich im Gegensatz zu einer Vielzahl
anderer
Ansätze, die
Handlungen
in
den
Mittelpunkt
rücken,
auf
eine
kommunikationstheoretische Plattform: Erst die Kommunikation über einen Konflikt
lässt den Konflikt entstehen und als gesellschaftliches Phänomen begreifen. Wenn
Konflikte nämlich nicht kommuniziert werden, „[…] sind sie kein Bestandteil der
Gesellschaft, kein soziales Ereignis, sondern entweder psychische Konflikte oder gar
kein Konflikt.“84 Der Rückbezug auf Kommunikation als Grundelement alles
Sozialen ermöglicht die Analyse sozialer Konflikte mittels eines wertneutralen
Werkzeugkastens. Konfliktsysteme
entstehen, wenn
Erwartungen enttäuscht
werden. Das Besondere an den so definierten Konfliktsystemen ist, dass ihre
Systembildung auf andere soziale Systeme angewiesen ist, da Konflikte solche
Erwartungen negieren, die erst in einem anderen System entstanden sein müssen. Da
die Entstehung der Konfliktsysteme von anderen Systemen abhängt, werden
83
84
Vgl. Bonacker/Weller 2006, S. 30.
Vgl. Bonacker 2008, S. 273.
23
FIT Discussion Paper 01/11
Konfliktsysteme in der Weltgesellschaftstheorie auch als parasitäre Systeme
bezeichnet.85
„Ein Konflikt ist die operative Verselbstständigung eines Widerspruchs
durch Kommunikation. Ein Konflikt liegt also nur dann vor, wenn
Erwartungen kommuniziert werden und das Nichtakzeptieren der
Kommunikation rückkommuniziert wird.“86
Im Falle eines Konflikts erfolgt demnach kein „Kommunikationsabbruch“ sondern
die Kommunikation wird fortgeführt – durch Benutzung der Möglichkeit des
„Neins“. Die Exklusion einer ethnischen Minderheit aus sozialen Bereichen durch
die Regierung wird von der betroffenen Minderheit nicht akzeptiert und abgelehnt.
Diese Ablehnungskommunikation entwickelt sich zu einem sozialen Konfliktsystem,
wenn die Strukturen der Widerspruchskommunikation stabilisiert werden. Die
Konfliktsysteme
sind
Teil
der
Weltgesellschaft
und
beeinflussen
den
weltgesellschaftlichen Entwicklungsprozess.
Zentral für die Konfliktanalyse der Weltgesellschaftstheorie ist der Zusammenhang
zwischen
funktionaler
Differenzierung,
sozialer
Ungleichheit
und
Inklusion/Exklusion von Individuen:
„“Exklusion“
bedeutet
dabei
die
(temporäre)
kommunikative
Nichtberücksichtigung von Personen in Funktionssystemen; an anderer
Stelle wird daher in der systemtheoretischen Literatur auch von Exklusion
als fehlender „Adressabilität“ von Personen innerhalb bestimmter
Funktionssysteme gesprochen.“87
Es wird angenommen, dass Exklusion und dessen Duplizierung ein enormes
Konfliktpotenzial in sich tragen und daher die Entstehung eines Konfliktsystems
bedingen können, wenn sich die exkludierte Gruppe gegen die Exklusion richtet und
85
Vgl. Luhmann 1984, S. 531. „[…] aber das Parasitentum ist hier typisch nicht auf Symbiose angelegt, sondern
tendiert zur Absorption des gastgebenden Systems durch den Konflikt in dem Maße, als alle Aufmerksamkeit
und alle Ressourcen für den Konflikt beansprucht werden.“ Luhmann 1984, S. 533.
86
Vgl. Luhmann 1984, S. 530.
87
Albert/Stetter 2006, S. 72.
24
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
diese ablehnt. Gesellschaftliche Relevanz erhält der Konflikt dann, wenn sich aus
dem Protest ein parasitäres Konfliktsystem mit Konfliktgegenständen und -akteuren
herausbildet. Durch die Beobachtung von Konflikten aus systemtheoretischer
Perspektive ist zu erkennen, dass Konfliktsysteme nicht zur Auflösung tendieren,
sondern eine Eigendynamik entfalten, die die Integration neuer Themen, Akteure,
Gegenstände fördert, um den Fortbestand des Systems zu sichern. Für die Analyse
und Bewertung von Konflikten sowie für ihre Lösung ist dies von hoher Relevanz.
Am Beispiel der kurdischen Minderheit in der Türkei lässt sich dieser Vorgang
eingängig exemplifizieren: Im Zuge des Entstehungsprozesses der türkischen
Republik wurde die Identität der ethnischen Minderheit der Kurden nicht anerkannt,
da das Ziel darin bestand eine übergeordnete, türkische Nation zu formen, die auf
der Konstruktion einer türkischen Identität basiert. Daraus resultierte die politische
Exklusion der kurdischen Minderheit, so dass die ethnische Identität der Kurden im
politischen System nicht anerkannt wurde. Dies lässt sich besonders deutlich daran
erkennen, dass erst in den letzten Jahrzehnten der Begriff „Kurde“ im offiziellen
türkischen Diskurs genutzt wird, während dies bis zu den 1980er Jahren verboten
war.88 Ein großer Teil der Kurden assimilierte sich in die türkische Republik,
allerdings bestand vor allem der südostanatolische Teil der Kurden auf die
Anerkennung ihrer kurdischen Identität. Politische Parteien, die die kurdische
Identität im Parlament vertreten wollten, wurden regelmäßig durch das türkische
Verfassungsgericht wegen Verletzung der staatlichen Einheit verboten. Die
Entstehung der PKK in den 1980er Jahren führte dazu, dass sich ein gewalttätiger
Konflikt bis hin zum Bürgerkrieg in den 1990er Jahren entwickelt hatte, der sich
einerseits zwischen dem türkischen Staat und dem Militär und andererseits der PKK
verstetigte.89 Als Folge der Stabilisierung der Widerspruchskommunikation hat sich
ein
gewalttätiges
parasitäres
Konfliktsystem
mit
Konfliktakteuren
und
-
gegenständen herausgebildet, das gesellschaftliche Relevanz aufweist.
88
Vgl. Somer 2004, S. 246f.; vgl. Bezwan 2008, S. 288.
Der Konflikt in der Türkei wird zwischen 1992 und 1997 als Bürgerkrieg eingeordnet. Diese Zahlen stützen
sich auf die Kriegsdefinition vom Uppsala Konfliktdatenset, das zur Kategorisierung als Krieg min. 1000 battlerelated deaths zur Voraussetzung macht. Vgl. UCDP Definitions.
89
25
FIT Discussion Paper 01/11
Die Wahrscheinlichkeit der Radikalisierung in einem Konfliktsystem erhöht sich,
wenn die Erwartungen beider Konfliktparteien dauerhaft kollidieren bzw. eine
Erwartung negiert wird. Wenn keine der beiden Konfliktparteien dazu imstande ist
ihre Ziele durchzusetzen, erhöht sich das Risiko der gewalttätigen Eskalation zur
Zielerreichung. Der Staat zielt durch den Einsatz von Gewalt darauf ab die
Staatsgewalt und -räson zu demonstrieren, während die ethnische Bewegung mit
Gewalt ihren Fortbestand sichern kann, da weitere Konfliktgegenstände und akteure in das System einbezogen werden und so das Konfliktsystem stabilisiert
wird.
„Tendentiell führt die Fixierung auf ein Ziel dazu, daß die Bewegung sich
in ihrem Verlauf, der das Ziel nicht erreicht, radikalisiert. Radikalismus ist
nicht Entstehungs- sondern Fortsetzungsbedingung.“90
Dieses Argument lässt sich mit einem kommunikationstheoretischen Zugang
illustrieren: Falls die Ablehnung einer Erwartung dazu führt, dass sich ein
Konfliktsystem als parasitäres System herausbildet, erhält die Selbstreferenz den
Bestand des Konfliktsystems. Durch diese Herangehensweise wird weder dem
Nationalstaat noch dem Individuum bzw. der Gruppe eine rationale Logik
unterstellt, da der Fortbestand von Konflikten durch die Logik des Systems erklärt
wird. Konfliktsysteme binden mehr als jede andere Systemebene die persönliche
Identität der beteiligten Personen ein, was zu der scharfen Trennung zwischen
Konfliktparteien führt und die Sozialdimension von Konflikten berührt.
3.2.3 Einbezug der globalen Ebene in das Konfliktsystem
Anhand der Systemlogik von Konflikten lässt sich darüber hinaus auch der
Entgrenzungsprozess
im
Sinne
der
Adressierung
von Organisationen
des
weltpolitischen Systems durch ethnische Minderheiten erfassen: Der Einbezug der
globalen Ebene, in Form von internationalen Organisationen, durch die ethnische
Minderheit erfolgt, um weitere Akteure und Themen in das Konfliktsystem zu
integrieren und auf diese Weise den Bestand des Konfliktsystems zu sichern. Die
Fortsetzung des Konflikts ist nur möglich, wenn das Thema/Ziel der Konfliktpartei
90
Vgl. Luhmann 1984, S. 547.
26
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
auf globaler Ebene anschlussfähig ist, sprich von dem jeweiligen Adressaten
berücksichtigt wird. Internationale Organisationen wie der Europarat, die VN oder
supranationale Organisationen wie die EU treten dafür ein, dass die kulturelle
Identität ethnischer Minderheiten respektiert und anerkannt wird und stellen daher
eine „sinnvolle“ Adresse für die ethnischen Minderheiten dar, die ihre Exklusion
und deren Aufhebung thematisieren wollen. Der Einbezug der globalen Ebene, so
das Argument dieser Arbeit, dient also dazu, die Ablehnung der politischen
Exklusion zu stärken und die internationale Organisation als Unterstützer dieses
Ziels zu gewinnen.
In vielen konflikttheoretischen Ansätzen wird dem Einfluss von Organisationen eine
konfliktmindernde Wirkung attestiert91; in diesem Papier soll auch die indirekte,
konfliktfördernde
Wirkung
von
Organisationen
in
Bezug
auf
ethnische
Konfliktsituationen als bisher vernachlässigter Aspekt aufgezeigt werden. Zunächst
konstatiert auch die Weltgesellschaftstheorie – ähnlich wie andere Ansätze der
Konfliktforschung – dem Einbezug von Dritten eine konfliktmindernde Wirkung, da
so die Unsicherheit in einem Konfliktsystem erhöht werden kann.
„Die Erhöhung der Unsicherheit erfolgt durch Einbeziehung von Dritten in
das Konfliktsystem – von Dritten, die zunächst unparteiisch sind, also
nicht vorweg schon mit einer der Parteien oder mit „Seiten“ der
Konfliktthemen solidarisiert sind, die aber im weiteren Verlauf Stellung
beziehen und die eine oder andere Seite begünstigen können.“92
Es wird also durch den Einbezug von Dritten, wie internationalen Organisationen,
eine Erwartungsunsicherheit eingeführt, die neue Strukturbildungsmöglichkeiten
und Kontingenzen schafft und daher die Auflösung eines Konfliktes zur Folge haben
kann.93 Dies liegt auch darin begründet, dass das Verhalten der Dritten meist
91
In den letzten Jahren hat die Forschung zum Einfluss von Internationalen Organisationen auf
Konfliktsituationen zugenommen. Es wurde u.a. festgehalten, dass die friedensfördernde Effektivität der
Organisation von ihrer Form abhängt; so stiften hochgradig institutionalisierte Organisationen mit
sicherheitspolitischem Mandat am ehesten Frieden. Vgl. Boehmer/Gartzke/Nordstrom 2004.
92
Luhmann 1984, S. 540.
93
Vgl. Luhmann 1984, S. 540.
27
FIT Discussion Paper 01/11
moralisch oder rechtlich aufgewertet ist und ein Nachgeben der Konfliktparteien
dann nicht als Schwäche angesehen wird. In der Konfliktforschung wird dies durch
Mediationsansätze thematisiert.
3.2.4 Radikalisierung durch Einbezug der globalen Ebene?
Allerdings wird in diesem Papier davon ausgegangen, dass Internationale
Organisationen auch zu einer Radikalisierung beitragen können, wenn die an die
Organisationen gerichteten Erwartungen der ethnischen Minderheit enttäuscht
werden. Denn es kann vermutet werden, dass der Einbezug von Dritten – in Form
von internationalen Organisationen – dann zu keiner Konfliktlösung führen wird,
wenn die grundsätzliche Haltung der Organisationen von bestimmten Werten und
Normen vorherbestimmt wird und diese somit aus ihrem Selbstverständnis heraus
auf Seiten der ethnischen Minderheit anschließen müsste. Schließlich gelten
bestimmte
normengeleitete
Internationale
Organisationen
durch
ihre
Selbstbeschreibung als Unterstützer und Schützer von Menschenrechten und als
Norm- und Werteverbreiter.94 Diese Wahrnehmung wird seit dem (für die ethnische
Minderheit) erfolgreichen Einsatz von internationalen Organisationen im Kosovo
gefestigt. Ein entsprechendes Verhalten wird auch von anderen Minderheiten für
ihre Situation gefordert, so dass die Neutralität von internationalen Organisationen
und die daraus resultierende Erhöhung von Unsicherheit in einem Konfliktsystem
stark eingeschränkt werden. Daraus kann folgen, dass ethnische Minderheiten
internationale Organisationen mit dem Ziel adressieren, sie auf ihre Seite zu ziehen
und aus den genannten Gründen auch davon überzeugt sind, dass das funktioniert.
Diese Entwicklung kann in Bezug auf die vorherigen Ausführungen so verstanden
werden, dass sich von Seiten der ethnischen Minderheit eine Erwartungshaltung
gegenüber den Organisationen aufbaut. Die Erwartung der Minderheit besteht darin,
dass ihre Exklusion aufgehoben wird und sie ins nationale Politiksystem integriert
werden bzw. dass die Minderheit in ihrem Wunsch nach Sezession oder Autonomie
von den Organisationen unterstützt wird. Da sich somit eine Erwartungshaltung der
94
Hierbei ist ausdrücklich nicht gemeint, dass die internationalen Organisationen gewalttätige Rebellengruppen
unterstützen, sondern vielmehr, dass das Ziel der politischen Inklusion erreicht wird. Dies fällt jedoch zum Teil
mit den Zielen gewalttätiger Gruppen zusammen; es gilt allerdings eine klare Trennung aufrecht zu erhalten.
28
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
ethnischen Minderheit aufgebaut hat, besteht die Möglichkeit der Entstehung eines
Konfliktes, wenn die Erwartungen negiert werden.
Die betroffene ethnische Minderheit wird sich vermutlich so verhalten, dass sie der
internationalen Organisation keinen Grund gibt, sich auf die andere, also staatliche
Seite
zu
schlagen
–
der
Einsatz
von
Gewalt
wird
beispielsweise
als
Selbstverteidigung dargestellt; die Minderheit wird aber erwarten, dass die
internationale Organisation sie gegenüber dem exkludierenden Staat unterstützt und
diese Erwartung kann das Verhältnis zwischen Minderheit und Organisation
konflikthaft gestalten. Wenn die Inklusionserwartungen der ethnischen Minderheit
durch die internationalen Organisationen enttäuscht werden, etwa weil keine
Veränderung erzielt wird, sich die Organisationen nach Wahrnehmung der
Minderheit nicht ausreichend einsetzen, der Staat schlichtweg auf seiner
Souveränität beharrt und somit keinen Verhandlungen zustimmt oder die
Organisationen gar den Staat unterstützen und die Minderheit als Terrorgruppe
bezeichnen, kann es sein, dass sich für die ethnische Minderheit der Eindruck
erhärtet ihr Ziel ohne den Einsatz von Gewalt nicht erreichen zu können. Der
Hauptkonflikt wird sich auch weiterhin zwischen Staat und Minderheit abspielen,
aber
die
durch
die
Internationalen
Organisationen
bedingte
Erwartungsenttäuschung kann zu einer rigideren Verhandlungsposition der
ethnischen Minderheit beitragen, die eine Konfliktlösung stark erschwert. Somit
bilden sich nicht zwei voneinander unabhängige Konfliktsysteme heraus, sondern im
Rahmen des Hauptkonfliktes zwischen Minderheit und Regierung findet ein
weiterer Akteur in Form der Internationalen Organisation eintritt. Gewalt wird dann
als Mittel verstanden den Konflikt aufrecht und anschlussfähig zu erhalten, da davon
ausgegangen wird, dass gewaltintensive Konflikte von der internationalen
Gemeinschaft eher berücksichtigt werden.
Der Beitrittsprozess der Türkei zur EU hat die Hoffnung der kurdischen Minderheit
auf eine Verbesserung ihrer Situation – im Sinne einer Inklusion – erhöht, da mit
einer klaren Unterstützung durch die Mitgliedstaaten bzw. die Europäische
29
FIT Discussion Paper 01/11
Kommission gerechnet wurde.95 Die Mitgliedstaaten der EU haben wiederholt
darauf hingewiesen, dass die Kurden-Frage politisch gelöst werden muss. Dies solle
durch die Durchsetzung der Kopenhagener Kriterien erfolgen, die Teil der
Voraussetzungen eines EU-Beitritts der Türkei sind.96 Die Reformen werden von
türkischer Regierungsseite jedoch eher zögerlich umgesetzt. Des Weiteren ist zu
betonen, dass die Europäische Kommission im Gegensatz zum Europäischen
Parlament die Kurden-Frage nur sehr vorsichtig anspricht.97 Darüber hinaus wurde
die PKK bzw. die KADEK und KONGRA-GEL seit dem 2. April 2004 von der EU in
die Liste der „terroristischen Organisationen“ aufgenommen.98 Dies hat die
Inklusionserwartung und Hoffnung der kurdischen Minderheit auf eine politische
Lösung durch die Beziehungen zur EU enttäuscht. Es wird zwar im Rahmen der
Kopenhagener Kriterien und der EU-Progress Reports gegenüber der türkischen
Regierung darauf verwiesen, dass die Minderheitenrechte ausgebaut werden sollen,
allerdings erfolgt keine klare Stellungnahme in Bezug auf die Kurden. Somit konnten
in dem friedlichen Zeitraum von 1999 bis 2004 keine umfassenden Verbesserungen
für die Ausübung der kulturellen Identität der Kurden und damit der Inklusion der
Kurden festgestellt werden.99 Der fehlende politische Wandel ist an der Ablehnung
der türkischen Regierung zu erkennen, mit kurdischen Parteien oder anderen
Vertretungen in Dialog zu treten.100 Als Antwort auf die fehlenden Reformen
hinsichtlich der Akzeptanz der kulturellen Identität der Kurden, kündigte die PKK
im Jahr 2004 ihren Waffenstillstand auf.101 Dieses Beispiel dient zur Exemplifizierung
der theoretischen Annahmen und bedarf weiterer Analysen. Es wird jedoch deutlich,
dass die globale Ebene in Form von Internationalen Organisationen mit einem klaren
Menschenrechtsbezug Erwartungen auf Seiten der Minderheit schürt, die es näher zu
analysieren gilt.
95
Vgl. Patton 2003, S. 44.
Vgl. Wessels 2008, S. 95.
97
Vgl. Buro 2007, S. 10.
98
Gegen diesen Beschluss klagte Öcalan im Namen der PKK mit der Begründung, dass die PKK seit Juli 1999
die Forderung nach der kurdischen Unabhängigkeit aufgegeben habe und seither nur mit friedlichen und
politischen Mitteln die Anerkennung anstrebt, vgl. Rechtssache T-229/02 des EuGh. Am 3. April 2008 wird der
Klage stattgegeben, allerdings halten die EU-Mitgliedstaaten an ihrer Einordnung fest. Vgl. Buro 2007, S. 4.
99
Vgl. EU-Regular Report 2004, S. 47f.
100
Vgl. Marcus 2007b, S. 302.
101
Vgl. Marcus 2007a, S. 75; vgl. Lüdemann-Dundua 2006, S. 197.
96
30
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
Folgende These kann für die weitere Forschung in diesem Bereich abgeleitet werden:
Internationale Organisationen können zu einer Radikalisierung der ethnischen
Minderheit beitragen, wenn die Erwartungen der Minderheit enttäuscht werden und
diese neben dem Einsatz von Gewalt keine Möglichkeit der Durchsetzung ihrer
Interessen sehen. Diese Entwicklungen können mithilfe der Weltgesellschaftstheorie
theoretisch ausgearbeitet und empirisch überprüft werden.
Durch den Rekurs auf Kommunikation als das alles Soziale erzeugende Element,
wird
es
mittels
Weltgesellschafts-Ansätzen
möglich,
die
verschiedenen
Kommunikationen zwischen ethnischen Minderheiten, Diasporen, Staaten und
internationalen Organisationen analytisch zu erfassen. Ethnische Minderheiten sind
in diesem Zusammenhang als soziale Bewegungen zu verstehen, die ein
Konfliktsystem erzeugen können, indem sie die Entscheidung der politischen
Exklusion durch die Organisation des Staates ablehnen und aufgrund der weltweiten
Kommunikationszusammenhänge
Organisationen
richten,
ihren
was
Radikalisierungswahrscheinlichkeit
Gegensatz
zur
Protest
zu
führen
Konflikteindämmung
einer
kann.
durch
auch
Diese
den
an
internationale
Erhärtung
Erkenntnis
Einbezug
der
steht
in
internationaler
Organisationen in der gängigen Konfliktforschung und die kommunikativen
Vorgänge markieren ein wichtiges Forschungsdesiderat und bedürfen weiterer
Analysen.
4. Implikationen für die Forschung
Als Alternative zu einem zusammenfassenden Fazit werden an dieser Stelle die
Relevanz und der
Gewinn einer
weltgesellschaftlichen Betrachtungs- und
Analyseweise entgrenzter ethnischer Konflikte hervorgehoben. Der theoretische und
empirische Bedarf für die Auseinandersetzung mit Weltgesellschaftsansätzen liegt in
der Bedeutung der Gesellschaft für die internationale Politik und der Notwendigkeit
einer Alternative zum Konzept des internationalen Systems. Mathias Albert (2002)
hat aufgezeigt, dass die Politikwissenschaft der Internationalen Beziehungen auch
heute noch Semantiken der Selbstbeschreibung des politischen Systems übernimmt.
31
FIT Discussion Paper 01/11
Dies führt dazu, dass die Theorien der Internationalen Beziehungen in der Semantik
von „Staat“ und „Souverän“ verharren und der Nationalstaat als Akteur im
Mittelpunkt der Analyse steht. Der Gesellschaftsbegriff orientiert sich dann quasi
automatisch normativ an der „integrierenden Einheit“ des Staates.102 Nach
Einschätzungen von Mathias Albert ist die Systemtheorie die einzige Theorie, die
aufgrund
der
theoretischen
Annahme
einer
funktional
ausdifferenzierten
Weltgesellschaft nicht am methodologischen Nationalismus verhaftet ist,103 und
bildet daher einen sinnvollen Rahmen, um den methodologischen Nationalismus in
der Konfliktanalyse zu überwinden. Durch das Luhmannsche Verständnis von
Weltgesellschaft als ein alles Soziale umspannendes System, wird diese implizite
Normativität des Gesellschaftsbegriffs umgangen, ein analytischer Blick auf
Gesellschaft ermöglicht und die globale Ausrichtung sozialer Analysen befördert.
Diese Aspekte erscheinen grundlegend für die weitere Forschung über Konflikte.
Mittels des theoretischen Rüstzeugs systemtheoretischer Ansätze kann die soziale
Komplexität der Weltgesellschaft ganzheitlich erfasst werden.104 Dies wird dadurch
ermöglicht,
dass
keine
vorgefassten
historischen
Endpunkte
oder
stabile,
unveränderliche kausale Mechanismen angenommen werden.105 „This view marks a
radical break with the (Western) humanist tradition in social thought, yet it also
relinquishes social theory from the burden of having to explain how social systems
operate on the basis of ontological assumptions about the human being.“106 Mittels
der systemtheoretischen Weltgesellschaftstheorie wird es möglich, die ethnischen
Minderheitsgruppen,
internationale
Organisationen
und
Nationalstaaten
gleichwertig zu beobachten und zu analysieren.
102
Vgl. Albert 2002, S. 313.
Vgl. Albert 2010, S. 51.
104
Obgleich an dieser Stelle der Vorwurf der Überkomplexität an die systemtheoretische
Weltgesellschaftstheorie gerichtet werden könnte, gilt es zu berücksichtigen, dass eine Abstraktion im Rahmen
einer Gesellschaftstheorie von Nöten ist, um alles Soziale erklären zu können. Da Forschungsvorhaben ein klar
umrissenes Erkenntnisinteresse haben, ist es möglich nur bestimmte Aspekte der Weltgesellschaftstheorie für die
Erklärung der Strukturen und Prozesse zu berücksichtigen. Dabei bietet es sich an, auf die Wissenschaftler zu
rekurrieren, die in der Tradition Luhmanns versuchen, die abstrakte Theorie der Gesellschaft unter anderem für
die Konfliktanalyse anwendbar zu machen. Man sollte sich also von der oftmals so bezeichneten „schweren
Kost“ der Systemtheorie nicht abschrecken lassen.
105
Vgl. Albert 2010, S. 45f., vgl. Albert/Cedermann 2010.
106
Vgl. Albert 2010, S. 46.
103
32
Sienknecht: Entgrenzte ethnopolitische Konflikte
Dass die Theoriekonstruktion von Luhmann auch als Konflikttheorie aufgefasst
werden kann, zeigt sich an dem kommunikationstheoretischen Zugang.107 Bislang
wurden Konflikte in der modernen Systemtheorie jedoch eher unsystematisch
berücksichtigt. Luhmann hat einzig in seinem Buch Soziale Systeme grundlegende
Ausführungen zu Konflikten gemacht108 und dies in einer sehr abstrakten
theoretischen Weise, so dass die Verbindung zwischen konkreten ethnischen
Konflikten und weltgesellschaftlichen Strukturen bislang noch eine Leerstelle
markiert, obgleich die Theorie – wie ausgeführt wurde – das notwendige
Analyseinstrumentarium zur Verfügung stellt.109 Vertreter der systemtheoretischen
Weltgesellschaftstheorie, wie Mathias Albert, Thorsten Bonacker und Stephan Stetter
haben bereits damit begonnen, diese Lücke zu schließen. In dem Papier ist jedoch
deutlich
geworden,
dass
es
weiterer
Forschung
bedarf,
um
die
Weltgesellschaftstheorie mit Erkenntnissen der Konfliktforschung zu verbinden und
empirisch zu unterlegen.
107
Vgl. Albert/Stetter 2006, S. 61.
Vgl. Luhmann 1984, S. 488-550.
109
Messmer hat in seiner systemtheoretischen Arbeit zu Konflikten diesen zwar einen zentralen Stellenwert
eingeräumt, allerdings ohne einen weltgesellschaftlichen Bezug herzustellen, vgl. Messmer 2003.
108
33
FIT Discussion Paper 01/11
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