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REISE
Ausgabe 5 / 4. März 2011
Gesundheit und mehr...
N LOS ANGELES
Auf der Suche nach dem Hollywood-Moment
J
Fuß wäre es dorthin aber ein bisschen weit: Es liegt fast 20 Kilometer entfernt in L.A.’s gutsituierter
kleiner Schwester Santa Monica.
ens ist frustriert: „Jetzt sind
wir extra nach hier oben
gefahren, aber so ein richtig
gutes Bild mit dem HollywoodSign als Hintergrund kriegt man
einfach nicht hin“, klagt der Urlauber aus Hannover. „Die Buchstaben sind einfach zu weit weg
und du bist zu nah dran“, sagt
er zu seiner Verlobten Ines.
Das Aero Theatre ist ein Kind
der 40er Jahre, ein Kino, wie
man es in unzähligen Filmen
gesehen hat: Kassenhäuschen,
Neonschrift und eine beleuchtete Anzeige über dem Eingang,
bei der die Buchstaben des Filmtitels per Hand angebracht werden. Das Innere des Kinos ist
eher unspektakulär, aber viele
Filmfans dürften es kennen: Im
Kultfilm „Donnie Darko“ sitzt der
Titelheld mit seiner Freundin im
Saal des Aero. Und wer auf der
Suche nach den Stars von heute
ist, hat mit dem Aero die richtige
Adresse gefunden.
Ines und Jens haben das gleiche
Problem wie Millionen andere
Touristen aus aller Welt. Sie
sind auf der Suche nach dem
Hollywood-Gefühl, wollen einen Traumfabrik-Moment aus
Los Angeles nach Hause mitnehmen, 100 Jahre nachdem
hier das erste Filmstudio eröffnete, die Nestor Motion Picture
Company. Aber das ist gar nicht
so einfach.
„Gestern Abend wollten wir ein
Foto vom Beachwood Drive aus
machen. Unsere Freunde waren
schon mal hier, hatten uns den
Tipp gegeben. Wer ahnt denn
schon, dass die das Ding nachts
nicht anstrahlen?“, sagt Ines
leicht entrüstet. „Na wenigstens
stimmt die Aussicht hier oben,
und das Gebäude sieht auch
klasse aus“, sagt Jens mit einem
Schulterzucken und setzt seine
Sonnenbrille wieder auf.
Mit „hier oben“ meint er das Griffith Observatory, das im gleichnamigen Park in den Hollywood
Hills thront, 300 Meter oberhalb
von Los Angeles in den Hügeln.
Von seinen Terrassen an der Südseite des Mount Hollywood hat
man den wahrscheinlich besten
Blick auf den berühmten Hollywood-Schriftzug, an klaren Tagen
kann man über ganz L.A. bis zum
Ozean schauen. Der beeindruckende Kuppelbau im Stil des Art
Déco wurde 1935 fertiggestellt,
mitten in Hollywoods „Golden Years“ also, wie die 30er und 40er
genannt werden. Und das Griffith
Observatory stand und steht bis
heute Kulisse für viele Filme.
James Dean hat hier gedreht, für
„... denn sie wissen nicht, was sie
tun“, seinen vorletzten Film. Seine Büste findet man auf der Westseite des Geländes. In James Camerons „Terminator“ mit Arnold
Schwarzenegger ist das Observatorium genauso zu sehen wie
in „Drei Engel für Charlie - Volle
Power“ und in „Transformers“.
Wer das Griffith Observatory als
Ruine sehen will, muss sich nur
„Terminator: Die Erlösung“ anschauen, der 2009 in den Kinos
lief.
Ines und Jens haben mittlerweile
eine asiatische USA-Touristin gebeten, doch ein Bild von ihnen
beiden vor dem Observatorium
zu machen. „Das ist ein schönes
Erinnerungsfoto. Der Hollywood
Boulevard war ja nicht so toll“,
Das Original des Hollywood-Schriftzuges sollte in den 20er Jahren eigentlich nur eineinhalb Jahre
lang für Grundstücke werben.
Fotos: dpa
sagen die beiden. „Total zugebaut
und reichlich unglamourös. Alles
voller Geschäfte. Ich flieg’ doch
nicht nach L.A. und fahr zum
Hollywood Boulevard, um bei
H&M Socken zu kaufen. Und
diese Typen, die einem Tickets
für ’Star Tours’ verkaufen wollen,
sind super-aufdringlich.“
Salman, der lieber Sam genannt
werden möchte, kennt das. Er
ist einer dieser Typen. Rings um
das Kodak Theatre, in dem seit
der Eröffnung 2001 die Oscars
vergeben werden, versuchen
sie, Touristen in die Kleinbusse
der Touranbieter zu lotsen. Oder
ihnen zumindest eine „Star Map“
für die kalifornische Großstadt zu
verkaufen. Das sind Karten, auf
denen angeblich die Villen von
Hollywoodstars verzeichnet sind alle Angaben sind natürlich ohne
Gewähr.
„Ich mache das nicht wirklich
gerne, aber das Geld ist okay
bei gutem Wetter und hilft mir,
meine Kurse zu bezahlen“, sagt
der junge Mann, der aus Pakistan
stammt. „Eigentlich studiere ich
Film. Ich kann schon verstehen,
dass viele Leute enttäuscht sind,
wenn sie den Boulevard sehen,
ging mir genauso. Richtig sehenswert ist hier nur das Grauman’s“,
findet Sam. „Ist mir aber eigentlich ganz recht, viele Touristen
machen bestimmt auch aus Frust
eine von unseren Touren.“
Das 1927 eröffnete Grauman’s
Chinese Theatre ist ein typischer
Vertreter des Trends, der im Hollywood der 20er Jahre äußerst
beliebt war: Ethno-Kitsch. Es liegt
direkt neben dem Kodak Theatre,
nahe der Kreuzung Hollywood
Boulevard und Highland Avenue.
Der Haupteingang sieht so aus,
wie sich damals wohl Hollywoods
Kulissenbauer eine chinesische
Pagode vorgestellt haben. Davor
haben viele Hollywood-Stars seit
den 20er Jahren ihre Hände oder
Füße in den noch weichen Beton
gedrückt. Geführte Touren durch
das Chinese Theatre gewähren
täglich den Blick hinter die Kulissen, die Teilnehmer sehen für
ihr Geld allerdings wenig Aufregendes. Filmstudent Sam hat
inzwischen Gesellschaft bekommen. Sein Kumpel Joe, geboren
in Kairo, ist zum Rauchen auf die
Der Eingang des Grauman‘s Chinese Theatres sieht so aus, wie
sich damals Kulissenbauer eine Pagode vorgestellt haben.
Straße gekommen. Joe arbeitet in
einem der Souvenirläden, die Mini-Oscars mit Beschriftungen wie
„Best Dad“ anbieten. Er muß regelmäßig Touristen verjagen, die
trotz Verbotsschilds die PlastikOscars fotografieren wollen, statt
sie zu kaufen. „Damit die nicht
nur sauer auf mich sind, gebe
ich ihnen manchmal einen Tipp,
schicke sie rüber zum McCadden
Place“, sagt Joe. Dort sehe es fast
so aus wie in seiner Heimat, nur
schicker. Er meint das Grauman’s
Egyptian Theatre, den Vorgänger des Chinese Theatre. Vielen
Touristen bleibt dieses Juwel des
Hollywoods der 20er verborgen obwohl es nur fünf Minuten vom
Chinese entfernt ist. Zu Fuß, eine
Seltenheit in Los Angeles.
Das Egyptian wurde 1922 eröffnet, sein Erfolg machte den Bau
des Chinese Theatre erst möglich. In seinem mehr als 2000
Zuschauer fassenden großen
Saal wurde die allererste Hollywoodpremiere gegeben. Leider
existiert der Saal nicht mehr.
Der Stil ist, wie der Name schon
sagt, „ägyptisch“, mit reichlich
Hieroglyphen an den Wänden.
Mit Spendengeldern wurde das
Kino restauriert und nur innen
umgebaut. Seit 1998 ist hier die
American Cinematheque untergebracht, ein unabhängiger, gemeinnütziger Vereins von und für
Filmenthusiasten. Touren werden
nur an Wochenenden angeboten.
Sowohl im Chinese Theatre als
auch im Egyptian Theatre werden
weiterhin Filme vorgeführt; im
Chinese
Blockbuster-Premieren
mit Rotem Teppich und Starpräsenz, im Egyptian Raritäten und
Sondervorführungen, oftmals in
Anwesenheit von Schauspielern
oder Filmschaffenden und mit
anschließender Fragerunde. Die
American Cinematheque hat noch
ein zweites Kino für solche Veranstaltungen, das Aero Theatre. Zu
Kürzlich gab es hier eine Sondervorführung des hochgelobten
Films „The King’s Speech“ zu
sehen. Anschließend konnten die
Zuschauer mit den Hauptdarstellern Colin Firth, der für seine
Rolle als Englands König George
VI. den Oscar erhielt, und Helena
Bonham Carter sprechen. Auch
nach dem gepriesenen Balettdrama „Black Swan“ stellte sich
Regisseur Darren Aronofsky den
Fragen der Zuschauer. Mit etwas
Glück lernt man bei so einer Vorstellung auch den einen oder
anderem Einheimischen kennen
- Filmfans wie Softwareingenieur
Bob, die in der Gegend wohnen
und manchmal bereit sind, ihr
Insiderwissen zu teilen.
Bob erzählt von einem unscheinbaren Haus im 20 Minuten entfernten Venice Beach, direkt am
Venice Boardwalk. Es soll im Auftrag von Charlie Chaplin gebaut
worden sein. In Nummer 511
Ocean Front Walk, so der Mythos,
habe Frauenheld Chaplin auch
Liebschaften untergebracht. Die
Atelierwohnungen inspirierten
Künstler durch den Meerblick.
Das Gebäude ist unscheinbar,
aber das Alter könnte passen.
Hinter einem der Fenster klemmt
ein „Zu vermieten“-Schild samt
Telefonnummer. Bei der Besichtigung fallen die Nischen auf, die
für ausklappbare Betten in die
Wände eingearbeitet wurden.
Sie sind nicht mehr da, der Lärm
der Promenade dröhnt durch die
hauchdünnen Fenster.
Aber mit etwas Fantasie kann
man sich durchaus vorstellen,
wie Charlie Chaplin sich von einer Geliebten in die Arme schließen lässt, während das Meer im
Hintergrund rauscht. Und dabei
kommt mehr Hollywoodfeeling
auf, als vor der Fototapete im
Universal Freizeitpark in Studio
City – dem einzigen Ort, an dem
Jens und Ines aus Hannover ihr
perfektes Urlaubsfoto mit dem
Hollywod-Schriftzug bekommen
hätten.
Sören Gieß