FamRZ - Dr. Kogel

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FamRZ - Dr. Kogel
A N W A L T S G E M E I N S C H A F T D R. K O G E L
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Wohnungseigentum und Zugewinn
- Eine Regressfalle für den Anwalt -
Veröffentlicht in FamRZ 03, 808 ff.
Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 hat die Spekulationsfrist für Immobilien von zwei auf
zehn Jahre ausgeweitet. Die möglichen Auswirkungen dieser Regelung auf die Vermögensauseinandersetzung unter Eheleuten sind weitreichend. Dies muss Konsequenzen für die anwaltliche
Beratungspraxis haben.
I.
Karasek hat in seinem Beitrag1 grundsätzlich darauf aufmerksam gemacht, dass der neugefasste § 23
EStG Auswirkungen auf den Verkauf von Wohnungseigentum hat. Die Veräußerung einer Immobilie
wird für steuerbar erklärt, wenn die Zeit zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht länger als zehn
Jahre beträgt (Spekulationsfrist) und der Veräußerungspreis größer ist als die Summe von Anschaffungs-, Herstellungs- und Werbungskosten. Diese Differenz ist grundsätzlich zu versteuern. Nur bei
einer Nutzung zu Wohnzwecken gelten Ausnahmen. Nach § 23 I 1 Nr. 1, S. 3 EStG liegt dann kein
Spekulationsgeschäft vor, wenn das Grundstück zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Einzelheiten, wie diese Vorschrift
auszulegen ist, ergeben sich aus einem Schreiben des BMF vom 05.10.2000. Insoweit sei folgender
Beispielsfall gebildet:
Die Eheleute erwerben zu je ½-Anteil im Jahre 1998 günstig ein Grundstück für 150.000,00
EUR. Sie ziehen im Dezember 1998 ein. Im Dezember 1999 zieht Herr B. aus. Nach längeren
Verhandlungen einigen sich die Parteien auf einen Verkauf des Hauses. Dieses wird im Jahre
2001 für 300.000,00 EUR an einen Dritten veräußert. Bis dahin hat Frau B. im Hause gewohnt. Weiteres Vermögen ist nicht vorhanden.
Die steuerliche Situation stellt sich wie folgt dar:
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FamRZ 02, 590 ff.
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Bei Frau B. liegt kein Spekulationsgeschäft vor. Beide Alternativen sind in ihrer Person erfüllt. Sie hat
das Grundstück zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt.
Außerdem hat sie in den letzten drei Kalenderjahren vor der Veräußerung eine Wohnnutzung vorgenommen. Nach den Erläuterungen müssen hierbei noch nicht einmal die drei vollen Kalenderjahre
eingehalten sein. Es reicht vielmehr aus, dass von Dezember 1998 bis Januar 2001 eine Nutzung erfolgt ist. Bei Herrn B. hingegen ist keine der Alternativen erfüllt. Damit unterliegt sein Veräußerungsgewinn von 75.000,00 € der Spekulationssteuer. Gleiches würde im übrigen gelten, wenn Frau B. im
Hause wohnen bliebe und Herr B. diesen Anteil seiner Ehefrau übertrüge. Auch die Übertragung des
Miteigentumsanteils oder des Alleineigentums an einer Wohnung auf den anderen Partner unterliegt
der Spekulationssteuer2.
Karasek zeigt diese Konsequenzen auf und meint, einen Ausweg bis zur Veräußerung dadurch gefunden zu haben, dass die Eheleute in der Ehewohnung getrennt leben sollten. Dies sei zivilrechtlich nach
§ 1567 I 2 BGB zulässig. In diesem Fall werde das Objekt von beiden Ehepartnern genutzt. Eine derartige Lösung ist zwar theoretisch möglich. Sie kommt jedoch allenfalls für kinderlose oder ältere Ehepaare, deren Kinder bereits aus dem Hause sind, in Betracht. Wegen der Spannungen, die in der Regel
bei Familien mit Kindern und Getrenntleben unter einem Dach auftreten, ist eine solche Lösungsmöglichkeit reine Theorie.
II.
Karasek hat lediglich das Problem der Spekulationssteuer angesprochen. Die gravierenden Auswirkungen auf die Praxis und die Beratungstätigkeit des Anwalts sind hierdurch jedoch noch nicht dargelegt. Ohne dass mit diesem Beitrag eine abschließende Aufzählung verbunden sein kann, ist im Rahmen des Zugewinnausgleichs insbesondere folgendes zu beachten:
1.) Der obige Beispielsfall zeigt, dass schon mit dem Auszug als solchem die Weichen für eine spätere
Spekulationssteuer gestellt werden. Derjenige Partner, der auszieht, muss darauf bedacht sein, noch in
dem Jahr, in dem die Trennung erfolgt, die Veräußerung durchzuführen. Ansonsten droht Steuerpflicht. Bei der Erstberatung und der Frage, wann und wie die Trennung erfolgen soll, muss auf diese
Konsequenz hingewiesen werden. Schon im Rahmen der Auflistung der Vermögenswerte muss der
Mandant befragt werden, wann die Immobilie erworben wurde. Liegt dies innerhalb der 10-Jahresfrist,
ist auf diese Konsequenz aufmerksam zu machen. Insbesondere ein Auszug vor Jahresende setzt denjenigen, der ausgezogen ist, unter erheblichen zeitlichen Druck, wenn ihm nur wenige Monate oder gar
Wochen bis zur Auseinandersetzung des Wohnungseigentums verbleiben3.
2.) Bei der Berechnung des Zugewinns der Eheleute muss die mögliche Spekulationssteuer beachtet
werden. Vereinbart Herr B. auf Anraten seines Anwalts in dem obigen Beispielsfall eine allgemeine
2
3
vgl. hierzu Karasek a.a.O., 592,Rz. 10 unter Hinweis auf Erlasse der OFD Frankfurt, Nürnberg, München
vgl. hierzu insges. Kogel, MDR 02, 1227 f.
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Ausgleichsklausel, wonach wechselseitig keine weiteren Ansprüche gestellt werden, liegt ein Beratungsfehler vor. Der Anteil seines Mandanten war ja mit der Spekulationssteuer behaftet. Sein Anteil
war wirtschaftlich weniger wert als der seiner Ehefrau. Deren Anteil war steuerfrei. Der Zugewinn der
Eheleute ist also eben nicht gleich groß. Aus Sicht des Steuerpflichtigen muss in diesen Fällen zumindest ein Vorbehalt zum Ausgleich der Spekulationssteuer zu ½ vereinbart werden. Umgekehrt muss
der andere Ehepartner natürlich darauf bedacht sein, eine allgemeine Ausgleichsklausel einzufügen. Ist
der Spekulationsgewinn und die hieraus entstehende Steuer bereits konkret zu ermitteln, muss dieser
Betrag vom Zugewinn des Pflichtigen abgezogen und ausgeglichen werden.
Die bisher allgemein vertretene Ansicht, eine Auseinandersetzung von Hausbesitz unter Eheleuten sei
steuerneutral, ist also falsch.
3.) Selbst in den Fällen, in denen bei beiden Eheleuten nicht der Ausnahmetatbestand der Eigennutzung gegeben ist, kann nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Dies ergibt die Abwandlung
des obigen Beispielfalls:
Aufgrund unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten ziehen beide Eheleute B. im Dezember 1999 aus. Zunächst vermieten sie das Objekt, um es im Jahre 2001 zu veräußern.
In der Person beider Eheleute ist keiner der Ausnahmetatbestände gegeben. Auf beiden Seiten fällt
Spekulationssteuer an. Nur kann sich die Steuer, je nachdem wie hoch das Einkommen des betreffenden Ehepartners ist, völlig unterschiedlich auswirken. Hat ein Ehepartner z.B. nur geringes Einkommen und keinen Unterhaltsanspruch während der andere Großverdiener ist, ist wegen der Steuerprogression der Spekulationsgewinn ungleich. Konsequenterweise muss in einem derartigen Fall die jeweilige Spekulationssteuer bei der Zugewinnausgleichsberechnung als Verbindlichkeit angesetzt werden. Nur dann ist über die Zugewinnregelung gewährleistet, dass beide Miteigentumsanteile wirtschaftlich gleich bewertet werden.
4.) Eine weitere Konsequenz aus folgendem Beispielsfall ist in der Praxis überhaupt noch nicht erkannt:
Die Ehefrau B. hat im Dezember 1998 ein Immobilienobjekt günstig für 150.000,00 € zu Alleineigentum ersteigert. Zusammen mit ihrem Ehemann bewohnt sie das Objekt. Ihr Ehemann
zieht im Dezember 1999 aus. Zum Ende der Ehezeit 2001 betreibt er eine gut gehende Firma.
Die hat nach einem Sachverständigengutachten einen Wert von 300.000,00 €. Diesen Firmenwert hat der Ehemann während der Ehe erwirtschaftet. Sonstiges Vermögen sowie Anfangsvermögen existiert nicht.
Wie ist die Zugewinnausgleichsberechnung vorzunehmen?
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Bei der Bewertung von Unternehmen und freiberuflichen Praxen wird nach der Rechtsprechung auf
einen fiktiv erzielbaren Veräußerungserlös abgestellt. Es ist zu berücksichtigen, dass bei einem tatsächlich durchgeführten Verkauf wegen der damit verbundenen Auflösung von stillen Reserven nach
§§ 16, 18 III BGB, 34 I EStG erhebliche Ertragssteuern anfallen können. Diese Steuern fallen wertmindernd ins Gewicht5. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Ertragssteuer gar nicht anfällt, wenn der
Inhaber den Betrieb behält. Es wird nur eine fiktive Steuer berücksichtigt6. Diese wird als sogenannte
latente Ertragssteuer bezeichnet7. Der Vermögenswert des Ehemanns ist also um diese Steuer zu vermindern. Am besten wird eine derartige Steuer durch einen Steuerberater oder im Rahmen der Bewertung des Betriebes bereits durch den Sachverständigen ermittelt. Hierbei ist vor allen Dingen noch zu
berücksichtigen, dass in den letzten Jahren unterschiedliche Steuersätze anfielen (Versteuerung zum
vollen oder halben Steuersatz, wobei noch entsprechende Freibeträge zu berücksichtigen waren).
Niemand ist bislang auf die Idee gekommen, diese Gesichtspunkte auf die Spekulationssteuer zu übertragen. Dies ist aber erforderlich. Wenn in dem obigen Beispielsfall die Ehefrau nach Scheidung das
Haus veräußert, z.B. weil sie wieder heiratet und mit ihrem neuen Ehemann zusammenzieht, unterliegt
der Veräußerungsgewinn der Spekulationssteuer. Latent ist also auch insoweit eine Steuerpflicht gegeben. Argumentieren kann man hierbei nicht, diese Steuer fiele ja u.U. nach Ablauf der zehn Jahre später fort. Es kommt insoweit nur auf den Zeitpunkt des Stichtages (§ 1384 BGB) an. Zu diesem Zeitpunkt wird bei anderen Vermögenswerten ja ebenfalls die latente Ertragssteuer berechnet. Selbst wenn
der Ehemann sein ganzes Leben lang den Betrieb behält, wird diese Steuer fiktiv abgezogen. Gleiche
Sachverhalte dürfen aber nicht unterschiedlich behandelt werden. In derartigen Fällen muss wegen der
möglichen Spekulationssteuer vielmehr eine solche latente Belastung ebenfalls Berücksichtigung finden.
5.) All diese Überlegungen gelten nicht nur für das von den Eheleuten vormals genutzte Wohneigentum. Die Gedanken sind zu übertragen auf sämtlichen Immobilienbesitz, der den Eheleuten gehört.
Selbst wenn Eheleute z.B. mehrere Eigentumswohnungen zu je ½-Anteil besitzen, muss konkret die
mögliche Spekulationssteuer ermittelt und abgezogen werden. Die bisher gängige Praxis, bei Immobilienbesitz zu je ½ diesen „außen vor“ zu lassen, ist angesichts der unterschiedlichen Besteuerungsmöglichkeit falsch. Der Anwalt, der hierauf nicht hinweist oder der den Ehepartner mit der höheren Steuerpflicht vertritt und eine allgemeine Ausgleichsklausel vereinbart, begeht einen Beratungsfehler. Andererseits ist für den Partner, der eine geringere Steuerpflicht zu erwarten hat, eine allgemeine Ausgleichsklausel günstig.
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BGH, FamRZ 99, 361,364 (für den Fall der Steuerberaterpraxis) FamRZ 91, 43,48 (für den Fall der Arztpraxis)
BGH, FamRZ 91, 43,49
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Haußleiter/Schulz, 3. Aufl., 1. Kap., Rz. 296
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III. Fazit
Es zeigt sich, dass die Spekulationssteuer weitreichende Konsequenzen hat. Ein Anwalt, der in steuerlichen Dingen nicht versiert ist, sollte schon im eigenen Interesse darauf drängen, einen Steuerberater
hinzuzuziehen. Dieser muss ermitteln, ob und inwieweit Spekulationssteuer anfällt. Will der Mandant
dies nicht, sollte der Anwalt sinnvollerweise die Haftung für steuerliche Folgen ausschließen.
Die Probleme werden in Zukunft zunehmen, sofern die jetzigen Pläne zur Ausweitung der Spekulationssteuer wahr werden sollten. Fällt die zeitliche Schranke weg, ist selbst bei Immobilienobjekten, die
in weit zurückliegenden Zeiträumen erworben wurden, die Spekulationssteuer zu ermitteln. Im übrigen
ist das Problem der Spekulationssteuer auch bei sonstigen Objekten ( insbes. Aktien) im Rahmen des
Zugewinns zu beachten.
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