Cui bono?
Transcription
Cui bono?
GESUNDHEITSPOLITIK Halbgare „Wahrheiten“ aus dem Lauterbach-Institut Cui bono? Von Walter Plassmann Warum fällt denn niemandem etwas auf? „Unterschiedliche Wartezeiten für gesetzlich und privat versicherte Patienten!“ Diese „Sensation“ ist ungefähr so sensationell wie der österliche Stau auf deutschen Autobahnen. Trotzdem gab es ein mediales Echo, als ob das zentrale Problem des Gesundheitswesens entdeckt worden wäre. Und niemand hat gefragt, warum das Ganze angezettelt wurde. Die „Untersuchung“ des Instituts für Gesundheitsökonomie an der Universität Köln ist eine simple Telefonrecherche, die so ähnlich schon x-fach von Journalisten oder Verbraucherschützern durchgeführt wurde. Alle kamen zum selben Ergebnis: Privat versicherte Patienten können damit rechnen, einen früheren Termin zu bekommen als gesetzlich Versicherte – es sei denn, es handelt sich um Not- oder Akutfälle. Niemals ist auch nur die Behauptung aufgestellt worden, die Behandlung als solche werde unterschiedlich durchgeführt, es ging nur um unterschiedliche Service-Aspekte. Sparzwang der Gesundheitspolitik Gegen diese unterschiedliche Behandlung im Service ist auch nichts einzuwenden. Seit vielen Jahren tobt sich der Sparzwang der Gesundheitspolitik auf dem Rücken der niedergelassenen Ärzte aus. Die Schere des Ertrags zwischen der Behandlung von privat und gesetzlich Krankenversicherten geht immer weiter auseinander. Die Ärzte reagieren darauf wie es jeder tut, der vom Geld seiner Kunden lebt: Wer besser bezahlt, wird bevorzugt behandelt. So tut es der Handwerker, der Journalist und auch der Politiker hüpft zunächst einmal über das Stöckchen, das ihm der Lobbyist mit der größten Brieftasche hinhält. Einen inhaltlichen Grund kann es also nicht gehabt haben, dass das Institut diese „Studie“ ausgerechnet jetzt veröffentlicht – vor allem, wo sie schon vor zwei Jahren durchgeführt wurde und es nicht anzunehmen ist, dass Akademiker zwei Jahre brauchen, um Strichlisten zu zählen. Da lohnt es sich doch einmal, hinter die Kulissen zu schauen: Das Institut gehört Karl Lauterbach, dem mittlerweile nicht mehr ganz so einflussreichen SPD-Gesundheitspolitiker. Lauterbach hat beste Erfahrungen damit, The men zu besetzen und zu lenken, indem man mehr oder minder mediokre „Untersuchungs“-Ergebnisse präsentiert. Erinnert sei nur an nachweisbar falsche „Studien“, die die Einführung der Disease Management Programme beeinflusst haben. Kritik am Gesundheitsfonds Zurzeit gerät der „Gesundheitsfonds“ wieder in die Kritik. Nachdem die vorbereitenden Arbeiten an diesem Merkelschen Zwitter zur Rettung der „Gesundheitsreform“ im Streit zwischen den Krankenkassen hängen geblieben sind, wittern einige Politiker und Parteien Morgenluft, die ganze Angelegenheit zu kippen. Vor allem die Bayern, die als Netto-Einzahler in den Fonds am stärksten belastet würden, bauen Widerstand auf. Diese kippelige Lage nutzt Lauterbach nun, um ein altes Lieblingsziel wieder anzupeilen, nämlich private und gesetzliche Krankenversicherung zu fusionieren. „Wir brauchen eine einheitliche Honorarordnung für alle Versicherten, egal ob gesetzlich Versicherte oder privat Versicherte“, tönte er denn auch sofort. Notorischer Strippenzieher Und noch immer fällt niemand etwas auf? Da kramt ein notorischer Strippenzieher aus der untersten Schublade seines drittfinanzierten Instituts eine alte „Studie“, erweckt den Anschein, als habe er gar nichts damit zu tun und nutzt den selbst erzeugten Schwung dazu, ein altes Steckenpferd zu reiten. Sehr lange braucht man eigentlich nicht, um diesen Walter Plassmann ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV Hamburg. Zusammenhang zu durchschauen. Und trotzdem geht die Rechnung auf, gibt es ein großes mediales Echo, in dem nicht ein einziges Mal die Frage „cui bono“ gestellt wurde. Halbgare „Wahrheiten“ So funktioniert Gesundheitspolitik bei uns: Vorgebliche Experten legen halbgare „Wahrheiten“ auf den Tisch, die zu nichts anderem nutze sind, als altbekannte Behauptungen immer wieder aufzuwärmen – so lange, bis sie endlich Allgemeingut geworden sind. Auf diese Art und Weise wurden die Honorarbudgets immer stärker angezogen („Die Ärzte verdienen zuviel“), die KVen geschleift („Monopolisten abschaffen“), die Selbstverwaltung geschwächt („Können sich nicht einigen“) und die Ärzte als Pharma-abhängige Lakaien diffamiert. Jetzt sind die privaten Krankenversicherungen dran. Es wird Zeit, diese Strategie zu durchkreuzen. Der erste Schritt ist, sie zu entlarven. häb 5/08 17