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Zitierhinweis
Kubiska, Irene: Rezension über: Elisabeth Fritz-Hilscher / Helmut
Kretschmer (Hg.), Wien Musikgeschichte. Von der Prähistorie bis
zur Gegenwart, Wien: LIT, 2011, in: Mitteilungen des Instituts für
Österreichische Geschichtsforschung, 121 (2013), 1, S. 161-163,
http://recensio.net/r/1dc6f067e76445e3baf7aefc41e817e2
First published: Mitteilungen des Instituts für Österreichische
Geschichtsforschung, 121 (2013), 1
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Literaturberichte
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Rahmen auch immer) wäre deshalb zu wünschen: weniger Kunst, mehr Politik; weniger Objektbeschreibung, mehr Bildwirkungsanalyse; weniger Fokussierung auf Wirkungsabsichten,
mehr auf die Performance von Bildern als „Schlagbilder“ (Aby Warburg). Denn auch beim
(politischen) Bild besteht nicht nur eine „Differenz zwischen dem Sachverhalt, den es zur Anschauung bringt, und dem gattungsspezifischen Eigenleben bildmedialer Vermittlung“ (I. 9),
vielmehr kennzeichnet die Wirkung von Bildern gerade in der Moderne eine Dynamik, die
Gattungsgrenzen zu sprengen vermag. Und oft erweisen sich gerade jene Formen der Visualisierung als analytisch reizvoller, die nicht durch Obrigkeiten gesteuert wurden und deshalb als
Ausdruck von Herrscherpropaganda lesbar sind. Dennoch setzen das HPI insgesamt und vor
allem auch einzelne Artikel Maßstäbe hinsichtlich der Vielfalt und der Originalität von Traditionen und Deutungen zur politischen Ikonographie, die künftige Veröffentlichungen erst einmal erreichen müssen.
Innsbruck
Harriet Rudolph
Wien Musikgeschichte. Von der Prähistorie bis zur Gegenwart, hg. von Elisabeth
Fritz-Hilscher–Helmut Kretschmer. (Geschichte der Stadt Wien 7.) LIT, Wien
2011. 743 S., 2 Karten.
Nachdem 2006 der erste Teil des Werkes „Wien Musikgeschichte“ mit dem inhaltlichen
Fokus auf „Volksmusik und Wienerlied“ erschienen ist, liegt seit kurzem auch der zweite Teil
vor, der sich nun den „klassischen“ Bereichen der Wiener Musikgeschichte widmet. Das Werk
stellt den jüngsten, siebten Band in der Reihe der Geschichte der Stadt Wien dar, die vom
gleichnamigen Verein herausgegeben wird. Das Ziel der insgesamt acht Autoren (in chronologischer Reihenfolge: Martin Czernin, Elisabeth Fritz-Hilscher, Herbert Seifert, Martin Eybl,
Hartmut Krones, Christian Glanz, Helmut Kretschmer und Clemens Höslinger) bestand
darin, dem Leser auf knapp 750 Seiten das Wiener Musikleben „in großen Linien und unter
unterschiedlichen Aspekten“ (S. 5) im langen Zeitraum von der Urgeschichte bis zur Gegenwart aufzuzeigen. Alle acht Autoren, die als Kenner der Wiener Musikgeschichte gelten dürfen, demonstrierten in ihren Kapiteln große Fachkenntnis und bewiesen „Mut zur Lücke“,
was angesichts des großen Themas und des langen Untersuchungszeitraums unumgänglich
ist.
Im Unterschied zum ersten Teil der Musikgeschichte, die sich mit dem Musikleben „der
breiten Masse“ beschäftigte, steht im nun vorliegenden zweiten Teil die „sogenannte Oberschichte“ (S. 5) im Zentrum des Interesses. Wer nun konkret dieser „sogenannten Oberschichte“ angehörte, wird von den Autoren leider nicht näher erläutert. Eine Skizze dieser beiden
Gruppen wäre jedoch umso wichtiger gewesen, als eine soziale Abgrenzung den Grund für die
Teilung in zwei Bände darstellt. Gerade weil es in vielen Musikbereichen zu einer „regen
Durchmischung“ (S. 5) kam, wäre eine Antwort auf die Frage, wo für die Autoren die breite
Masse endet und die Oberschicht beginnt, von großem Interesse gewesen.
Insgesamt weist das Werk einen deutlichen Handbuchcharakter auf. Dieser zeigt sich primär im streng chronologischen Aufbau und in der starken Strukturiertheit des Textes in zahlreiche, oft recht kurze Kapitel. Aus diesen speist sich das umfangreiche Inhaltsverzeichnis, das
dem Leser die Orientierung im Text erleichtert. Ein ebenso wichtiges Service für den Leser stellt
das umfangreiche Register (Register I: Personen, Vereine, Institutionen, Register II: Topographie) und die Hervorhebung wichtiger Personen- und Ortsnamen durch Kapitälchen dar. All
diese Elemente machen den Band zu einem sehr informativen und benutzerfreundlichen Nachschlagewerk.
Das Grundgerüst des Werkes bildet eine klassisch-historische Epocheneinteilung (Prähistorie, Römerzeit, Mittelalter, Frühneuzeit, Barock etc.), die jedoch weder diskutiert noch begründet wird. Für den Leser bleibt daher die Frage offen, ob diese Periodisierung auch für die
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Rezensionen
Musikgeschichte überzeugt. Der Aufbau der einzelnen Kapitel folgt stets demselben Schema:
Zu Beginn steht ein historischer Überblick, der den Kontext für die darauffolgenden Ausführungen bietet. Diese Einbettung des Musiklebens in das allgemeine Geschehen stellt zugleich
die Stärke und die Schwäche des Werkes dar: Prinzipiell ist dieser Blick über den Tellerrand der
Disziplin ein Zugeständnis an den breit konzipierten Leserkreis. Dennoch erweist sich die Kontextualisierung manchmal als zu wenig fokussiert: So könnte man sich bei der Lektüre fragen,
was die Eröffnung der Wiener Südosttangente 1978 oder die Einführung der Mehrwertsteuer
1972 (S. 382) mit der Wiener Musikgeschichte zu tun haben. Eine Konzentration auf den
kulturpolitischen Kontext wäre hier vermutlich aufschlussreicher gewesen. Im Anschluss an
den historischen Überblick folgen in jedem Kapitel die Ausführungen zum Musikgeschehen,
wobei meist zuerst die kirchliche und dann die weltliche Musik behandelt werden. Den Autoren ist es dabei gut gelungen, auf die engen Verschränkungen von Musik, Gesang und Tanz
jeder Epoche hinzuweisen. Am Ende jedes Kapitels werden verschiedene Aspekte der Musikproduktion und -verbreitung behandelt, wie etwa der Instrumentenbau, der Musikunterricht,
die Musiktheorie, die Musikpublizistik oder das Verlagswesen und der Musikdruck. Da diese
Aspekte das eigentliche Musikgeschehen ihrer jeweiligen Epoche oft erst ermöglichten, zumindest aber stark prägten, ist ihre gesonderte Behandlung sehr zu begrüßen. Die Autoren bieten
damit ihren Lesern wichtige und erklärende Zusatzinformationen, die sonst nur mühsam über
teils veraltete, manchmal politisch gefärbte und jedenfalls weit verstreute Literatur fassbar
wäre.
Die ersten zwei Kapitel zur Prähistorie und Römerzeit sind – quellenbedingt – recht kurz.
Da für diese frühe Zeit kaum konkrete Belege über das Musikleben im Raum Wiens vorhanden
sind, rekurriert der Autor Martin Czernin auf allgemeine (archäologische) Kenntnisse über das
damalige Musikleben und diskutiert deren Gültigkeit für den Wiener Raum. Mit der Zunahme
der Quellen ab dem Mittelalter wird die Darstellung ausführlicher. Czernin bemüht sich um
eine ausgewogene Behandlung der kirchlichen wie weltlichen Musik. Hier wäre auch die Thematisierung bestimmter Aspekte, wie etwa die Musik der Feste und des Kirchenjahres wünschenswert gewesen.
Die Kapitel zu Frühneuzeit und Barock weisen eine starke Konzentration auf das Musikleben der sozialen Elite auf. Hier kommt den verschiedenen Hofkapellen deutliches Übergewicht zu, während das Stadtbürgertum und die Kirche nur am Rande thematisiert werden. Erst
ab dem Kapitel zum 19. Jahrhundert wird der Rolle des Bürgertums als „Träger eines sich neu
konstituierenden […] Musiklebens“ (S. 286) verstärkt Rechnung getragen. Elisabeth Fritz-Hilscher beschreibt hier sehr lebendig den grundlegenden Wandel des damaligen Musiklebens.
Die darauffolgende Darstellung des Musikgeschehens im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert durch Hartmut Krones ist ein Gewinn für das Werk, da dieses bisher an keinem Ort
eine so fundierte und aktuelle Schilderung gefunden hat. Positiv zu erwähnen ist auch hier die
betont breite Sicht auf das Musikgeschehen, die auch nicht auf die Aktivitäten zahlreicher
(Arbeiter-)Gesangsvereine, Chöre, Ensembles und Musikgesellschaften vergisst.
Die letzten drei Kapitel zur Unterhaltungsmusik in Wien, zur Musiktopographie und zur
Bedeutung der Interpreten sorgen schließlich für einen stimmigen Abschluss des Werkes. Alle
drei Kapitel sind epochenübergreifend angelegt und behandeln ihre jeweiligen Aspekte mit
mehr Tiefe: Christian Glanz behandelt in seinem Kapitel zur Unterhaltungsmusik in Wien
im 19. und 20. Jahrhundert neben dem Walzer und der Operette auch Militärmusik, zivile
Blasmusik, Cabaret, Jazz und Austropop. Im folgenden Kapitel zur Musiktopographie bringt
Helmut Kretschmer eine profunde Beschreibung der bedeutsamsten Aufführungs- und Wirkungsstätten in Wien sowie eine Liste der wichtigsten Musikergedenkstätten und verzeichnet
diese auf zwei Karten (S. 594 und 596). Der Autor liefert auch die genauen Adressangaben der
(teils nicht mehr vorhandenen) Spiel- und Grabstätten, weshalb sich dieser Abschnitt auch sehr
als Führer für einen informativen Spaziergang durch die „Musikstadt Wien“ eignet. Im letzten
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Kapitel würdigt Clemens Höslinger schließlich die Interpreten (etwa die Sänger und andere
reproduzierende Künstler) und weist auf ihre zentrale Rolle bei der Verbreitung von Musikstücken hin. Er stößt den Leser damit auf einen Aspekt des Musiklebens, der in vielen bisherigen
Musikdarstellungen zu Unrecht im Dunkeln geblieben ist.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass dieses Handbuch eine große Forschungslücke füllt.
Die acht Autoren erhoben den Anspruch, die Wiener Musikgeschichte von der Prähistorie bis
zur Gegenwart, wissenschaftlich präzise und trotzdem lesbar, kritisch und frei von Kitsch und
Klischees zwischen zwei Buchdeckel zu bringen. Das Ziel bestand darin, „Vielfalt darzustellen
und das Augenmerk des Lesers auch auf Bereiche zu lenken, die in den gängigen Musikgeschichtsdarstellungen von Wien bislang wenig bzw. nicht beachtet wurden“. Den Autoren
ist es trotz mancher „Hindernisse und Verzögerungen“ (S. 5) letztlich doch gelungen, dieses
hochgesteckte Ziel zu erreichen.
Wien
Irene Kubiska
Slovakia in history, hg. von Mikuláš Teich–Dušan Kováč–Martin D. Brown.
Cambridge University Press, Cambridge 2011. 413 S.
Das Buch ist das Pendant zum von Mikuláš Teich, Emeritus Fellow am Robinson College,
Cambridge, und Honorarprofessor der TU Wien, 1998 herausgegebenen „Bohemia in history“. Der Anspruch, eine neue Sicht auf die historische Entwicklung in der Slowakei in geraffter Form zu präsentieren, ist keine geringe Herausforderung. Er wird aber durch ein durchdachtes Konzept eingelöst, in dem Schlüsselentwicklungen bzw. -ereignisse („accounts of key
moments and themes“, S. 370) in den Mittelpunkt der 21 chronologisch angeordneten Kapitel
gestellt werden, die vom Großmährischen Reich und dem Fürstentum Neutra bis zur samtenen
Revolution von 1989 und der Entstehung der Slowakischen Republik 1992/1993 führen. Diese werden von einer interessanten Einleitung von Dušan Kováč und einem exzellenten und
bedachten Schlusswort von Mikuláš Teich, das auch höchst interessante autobiographische
Hinweise enthält, umrahmt. Kováč diskutiert mit Umsicht historiographische Zugriffe auf die
slowakische Geschichte (S. 9–13), die sowohl national als auch territorial verstanden wird
(S. 2–7). Er geht auf Fragen zur Ausbildung unterschiedlicher nationaler Identitäten in der
Slowakei bzw. der Vielschichtigkeit des slowakischen Nationalverständnisses ein, die im Buch
wieder aufgegriffen werden. Dass die Rolle der Geschichtswissenschaft in der Slowakei nicht
ganz unkontroversiell ist, belegen Diskussionen zum Verhältnis von Geschichte und Gesellschaft, beispielsweise am 14. Slowakischen Historikerkongress oder in aktuellen Fachzeitschriften (vgl. etwa die Studie von Peter Švorc im Historický časopis 29, 4, 2011). Im Schlusskapitel
führt Mikuláš Teich die Fäden zusammen, erläutert schwerpunktmäßig die kommunistische
Periode, die Rolle des Jahres 1968 (S. 382f.) und die Vorgeschichte der Staatstrennung, wirft
aber auch im Buch sonst vernachlässigte Aspekte auf, etwa die Frage der verzögerten Industrialisierung und die wichtige Rolle des Bergbaus für die langfristige Wirtschaftsentwicklung
in der Slowakei (S. 374–376).
Die Periode vor 1918 wird anhand von Aufsätzen zum Fürstentum Neutra (Ján Steinhübel), zur Ausbildung der Aristokratie (Ján Lukačka) und der Städte (Vladimír Segeš) im
Mittelalter, zu Renaissance und Humanismus (Eva Frimmová), Reformation und Gegenreformation (Viliam Čičaj) und zur Aufklärung (Eva Kowalská) behandelt. Neben dem 20. Jahrhundert bilden die Anfänge der slowakischen Nation während der Aufklärung (Eva Kowalská)
sowie ihre Einordnung in zeitgenössische Strömungen des Panslawismus (L’udovít Haraksim)
und in die politisch-nationalen Rahmenbedingungen der ungarischen Reichshälfte im 19. Jahrhundert (Dušan Kováč) einen weiteren Schwerpunkt, der sich in der Auseinandersetzung mit
dem Verhältnis zwischen Tschechen und Slowaken im 20. Jahrhundert weiter durch das Buch
zieht. Mit Blick auf die Kritik des tschechischen Zentralismus nach 1948 in anderen Beiträgen
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