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Aktive Sicherheit durch Kreuzungsassistenz Erkennung von Gefahrensituationen, Auswahl von Warnstrategien und Ableitung von Sensoranforderungen Intersection Assistance for Active Traffic Safety Collision Detection, Warning Strategies and Sensor Requirements Dipl.-Ing. M. Mages, Prof. Dr. rer. nat. H. Winner, Darmstadt, TU Darmstadt, Dipl.-Ing. M. Hopstock, München, BMW Group Forschung und Technik Kurzfassung Eine der Hauptunfallursachen insbesondere im innerstädtischen Straßenverkehr ist das Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern an Kreuzungen und Einmündungen. Bisher existiert im Fahrzeug kein Seriensystem zur aktiven Vermeidung dieser Unfalltypen. Inhalt dieses Papers ist ein aus Top-Down-Überlegungen abgeleiteter Ansatz zur Unfall vermeidenden Assistenz beim Einbiegen und Kreuzen. Der Fokus des vorgestellten Assistenzansatzes liegt auf der Identifikation und Bewertung der Kollisionsgefahr, um falls erforderlich geeignete Gegenmaßnahmen zu veranlassen. Für Verkehrssituationen, in denen eine reine Fahrerwarnung nachweislich nicht ausreicht, um eine bevorstehende Kollision im Kreuzungsbereich zu vermeiden, wird die Warnstrategie um zusätzliche Eingriffsmöglichkeiten erweitert. Die prototypische Umsetzung der beschriebenen Funktionen mit Hilfe von RapidPrototyping-Entwicklungstools erlaubt die Untersuchung des Kreuzungsassistenten in Probandenversuchen in einem dynamischen Fahrsimulator. Die Ergebnisse diese Studie werden vorgestellt. Ausgehend von für die beschriebenen Assistenzfunktionen notwendigen Informationen wird zudem ein Ausblick auf die zur Umsetzung im Fahrzeug erforderliche Sensorausrüstung gegeben. Abstract One of the major causes of car-accidents in urban traffic is driver failure at intersections. To increase driver safety in and approaching intersections, a driving assistance function, which supports the driver while turning into/crossing an intersection, was developed using a top down-method. Substantial aspects of this paper are the definition of criteria for an early identification of potentially dangerous situations due to probable traffic violations and an adequate warning strategy. Therefore driver behaviour in and approaching junctions was analysed. For intersection situations in which common warning functions are insufficient, the use of additional intervention measures is discussed. Using a rapid prototyping system, the introduced assistance functions were implemented in a driving simulator environment for end user file testing. This paper presents major results of this study. The Knowledge about all information required by the implemented intersection assistance system is used to derive requirements for applicable sensors and communication standards. 1 Einführung Das Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern an Kreuzungen ist eine der Hauptunfallursachen insbesondere im innerstädtischen Straßenverkehr. So ereigneten sich im Jahr 2006 etwa 23 % aller Unfälle mit Personenschaden und 12 % aller Unfälle mit Todesfolge beim Einbiegen/Kreuzen [1]. Abbildung 1: Anzahl der Unfälle mit Personenschaden für unterschiedliche Unfalltypen [1] Für andere häufig auftretende Unfalltypen (siehe Abbildung 1) werden bereits Assistenzsysteme eingesetzt (bspws. DSC/ESP zur Vermeidung von Fahrunfällen, Bremsassistent und ACC gegen Unfälle im Längsverkehr). Zur Vermeidung von Unfällen mit dem Querverkehr existiert hingegen derzeit kein Seriensystem im Fahrzeug. Mögliche Gründe hierfür sind die vergleichsweise komplexe Situation im Kreuzungsbereich [2], für die eine Entscheidung über die Notwendigkeit aktiver Unfallvermeidungsmaßnahmen zu treffen ist, und die besonderen Herausforderungen an die zu verwendende Sensorik [3]. Für eine Bewertung des Potentials eines Assistenzsystems zur Vermeidung von Unfällen beim Kreuzen und Abbiegen in Kreuzungen wurde im Rahmen des integrierten EU-Projektes PReVENT, Teilprojekt INTERSAFE, ein gemeinsames Forschungsprojekt vom Fachgebiets Fahrzeugtechnik der TU Darmstadt (FZD) mit der BMW Group Forschung und Technik durchgeführt. 2 Untersuchungsmethodik Der hier vorgestellte Ansatz zur unfallvermeidenden Assistenz basiert auf der Top-DownVorgehensweise (Abbildung 2). Er unterliegt somit im Unterschied zu anderen aktuellen Forschungsansätzen zum Thema Kreuzungsassistenz (bspw. [4] oder [5]) zunächst keinen Beschränkungen durch die Leistungsfähigkeit einzelner Sensoren oder Technologien. Die Anforderungen an das kreuzungsspezifische Fahrerassistenzsystem leiten sich allein aus funktionalen Notwendigkeiten ab. Erst später folgen aus den für dieses System erforderlichen Informationen die Anforderungen an die zur Realisierung im Fahrzeug benötigte Sensorik. Abbildung 2: Überblick der Untersuchungsmethodik Die Grundlage zur Bestimmung geeigneter Assistenzfunktionen bildet eine Analyse besonders kritischer, also sowohl häufiger als auch schwerer Unfalltypen im Kreuzungsbereich. Hierfür wird auf die Unfalldatenbank GIDAS (German In-Depth Accident Studies) zurückgegriffen, die etwa 2000 detailliert codierte Unfälle des Unfalltyps „Einbiegen/Kreuzen“ umfasst (Stand: Mitte 2006). Anforderungen an geeignete Assistenzmaßnahmen ergeben sich aus einer Analyse des Fahrerverhaltens für Verkehrssituationen, die den ausgewählten Unfallschwerpunkten entsprechen. Verwendet wurden die Messdaten einer im Rahmen des INVENT-Projektes durchgeführten Studie zum Verhalten von Fahrern in unterschiedlichen Verkehrssituationen im Kreuzungsbereich [6]. Diese Studie umfasst Versuche mit 31 Probanden an 33 verschiedenen Kreuzungen. Auf Basis einer eigenen Auswertung der aufgezeichneten Daten und anhand von spezifischen Vorversuchen im Fahrsimulator ergeben sich sowohl geeignete Warnstrategien als auch Möglichkeiten zur Erkennung potentieller Gefahrensituationen. Die Verwendung von Rapid-Prototyping-Entwicklungstools ermöglicht die Umsetzung eines auf diesen Erkenntnissen basierenden fahr- und erlebbaren Kreuzungsassistenten. Eine Absicherung der Funktion sowie eine Untersuchung der Akzeptanz erfolgten in Probandenversuchen im dynamischen Fahrsimulator der BMW Group. Anhand der für die beschriebenen Funktionen erforderlichen Sensordaten werden Anforderungen an zukünftige, geeignete Umfeldsensoren sowie Kommunikationstechnologien abgeleitet. 3 Erkennung von Gefahrensituationen Ein wesentliches Element in der Entwicklung von parallelen, den Fahrer unterstützenden Assistenzsystemen ist die Kenntnis, wann ein Eingriff des überwachenden Systems hilfreich oder erforderlich ist und vom Fahrer als nicht störend empfunden wird. Für Kollisionsschutzsysteme umfasst dies eine frühzeitige Identifikation und Bewertung potentiell bevorstehender Kollisionen. Der Entscheidungsprozess, ob ein Systemeingriff auszuführen ist, wird für den Fall des Einbiegens/ Kreuzens in zwei Teilaufgaben unterteilt. Bestandteil der ersten Teilaufgabe ist eine Bewertung, ob bei Einfahrt oder Durchquerung der Kreuzung eine Kollision mit dem Querverkehr droht, falls keine intervenierenden Maßnahmen (selbständig durch den Fahrer oder unterstützt durch ein Assistenzsystem) eingeleitet werden. Grundlage dieser Bewertung ist ein Ansatz zur Berechnung der Kollisionswahrscheinlichkeit. Dieser vergleicht prädizierte Trajektorien des eigenen Fahrzeugs sowie vorfahrtsberechtigter Fahrzeuge im Querverkehr. Die Prognose der Fahrzeugbewegungen beruht auf einem auf Basis einer Fahrerverhaltensanalyse erstellten, kreuzungsspezifischen Fahrermodell für typisches Verhalten von Verkehrsteilnehmern bei der Annäherung sowie beim Durchfahren der Kreuzung. Die Verwendung dieses „normalen“ Fahrerverhaltens erscheint berechtigt, da eine Einzelfallanalyse der Unfalldaten zeigt, dass das Fahrerverhalten der Unfallbeteiligten nur bei einer geringen Anzahl der betrachteten Unfälle von typischen Situationen abweicht (bspw. durch Überholen parkender Fahrzeuge oder durch deutlich überhöhte Geschwindigkeit). Basierend auf mehreren charakteristischen Punkten der vorliegenden Kreuzungsgeometrie wird für Ego- und Fremdfahrzeuge je eine typische Trajektorie einschließlich des zugehörigen Geschwindigkeitsverlaufs bestimmt. Ein Vergleich dieser Zeiten erlaubt nun einen Rückschluss auf die Kollisionswahrscheinlichkeit beider Fahrzeuge. Die zweite Teilaufgabe ist die Erkennung ausbleibender Fahrerreaktionen auf die bevorstehende Gefahrensituation. Beschränken sich die gewählten Maßnahmen zur Unfallvermeidung auf Warnelemente und verzichten auf einen aktiven Bremseingriff, so muss diese Erkennung zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Fahrer einen bevorstehenden Unfall (unter Berücksichtigung der Reaktionszeit) noch durch eine Bremsung vermeiden kann. Dabei darf ein entsprechendes System aus Gründen der Akzeptanz nicht durch unnötig ausgelöste Warnungen stören. Dieser Zielkonflikt ist allgemein als Warndilemma bekannt (vergleiche bspw. [2] oder [7]). Zur Bestimmung des spätestmöglichen Warnpunktes wird der Anhalteweg sA vereinfachend in Reaktionsphase und Bremsphase unterteilt. Während der Reaktionsphase bewegt sich das Fahrzeug mit konstanter Geschwindigkeit. Nach Ablauf der Reaktionszeit erfolgt die Reaktion des Fahrers auf die Warnung in Form einer Bremsung mit konstanter Verzögerung. Es wird von einer Reaktionszeit tR von 1 s und einer Verzögerung aB von 8 m/s² ausgegangen. Für den Anhalteweg gilt demnach v0 2 1 + v0 * t R sA = 2a b Abbildung 3 stellt qualitativ einen Vergleich zwischen spätestmöglichem Warn- und Bremspunkt dar. Zusätzlich ist das typische Anhalteverhalten wartepflichtiger Fahrer an einer exemplarischen Vorfahrt-Achten-Kreuzung für eher vorsichtige und für sportliche Fahrer aufgetragen. Abbildung 3: Vergleich von Fahrerverhalten und spätestmöglichem Warnpunkt Ein Kriterium zur Erkennung ausbleibender Interventionsmaßnahmen des Fahrers muss sich demnach zwischen der Kurve des sportlichen Fahrers und der Kurve des Anhaltewegs bewegen, soll ein Eindringen in die Kreuzung auf Basis einer reinen Fahrer-Warnung vermieden werden. In Abbildung 3 ist ersichtlich, dass der Abstand zwischen beiden Kurven mit verringerter Fahrzeuggeschwindigkeit abnimmt und dass die Kurven knapp unterhalb von 30 km/h schneiden. In diesem Bereich würde eine zum spätestmöglichen Warnzeitpunkt ausgegebene Warnung einen Teil der selbständig anhaltenden Fahrer unnötig warnen. Kritisch ist dieser Zusammenhang insbesondere für Einbiegevorgänge, da diese (abhängig von der Kreuzungsgeometrie) aufgrund des bevorstehenden Fahrtrichtungswechsels meist bei verringerter Fahrgeschwindigkeit erfolgen. Eine alleinige Warnung des Fahrers ist daher für Einbiege-Situationen häufig nicht möglich, es werden zusätzliche Eingriffsmöglichkeiten erforderlich. 4 Warn- und Eingriffsstrategie Wie bereits dargestellt, sind der Verwendung einer alleinigen Fahrerwarnung durch die erwartete Akzeptanz des Fahrers Grenzen gesetzt. Dies wirkt sich insbesondere im Bereich geringer Geschwindigkeiten (unterhalb von etwa 25 km/h) einschränkend auf die zur Verfügung stehende Warnstrategie aus, da hier der tatsächliche Bremsweg einen immer kleineren Anteil des Anhaltewegs einnimmt. Der mögliche Einsatzbereich eines warnenden Kreuzungsassistenzsystems lässt sich durch Verwendung einer autonom aktivierten Anbremsung konstanter Verzögerung auf Szenarien geringer Geschwindigkeiten ausweiten. Ergebnis dieser Anbremsung ist eine Verkürzung des Anhaltewegs, da bereits während der Reaktionsphase die Geschwindigkeit des Fahrzeugs reduziert wird. Unter Verwendung einer Anbremsung mit konstanter Verzögerung aAnbrems während der Reaktionszeit des Fahrers ergibt sich für den Anhalteweg des Fahrzeugs: sA = 1 (v − ( a 0 2 Anbrems * tR ) ) 2 ab ( + ( v0 * t R ) − 1 a Anbrems * t R 2 2 ) Die Verschiebung des spätestmöglichen Warnpunktes ist in Abbildung 4 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Verwendung einer Anbremsung die Mindestgeschwindigkeit zur rechtzeitigen Erkennung eines ausbleibenden Fahrereingriffs reduziert. Für eine Anbremsung mit 2 m/s² ist eine Warnung somit bis zu einer Mindestgeschwindigkeit von etwa 13 km/h möglich. Abbildung 4: Auswirkung einer aktiven Anbremsung auf den spätestmöglichen Warnpunkt Zur Unterstützung des Fahrers beim Einbiegen-/Kreuzen werden im Falle einer bevorstehenden Kollision situationsadaptiv unterschiedliche Informations- und Warnstufen aktiviert, die den Fahrer aktiv in der vorliegenden Gefahrensituation unterstützen: Besonders bei höheren Geschwindigkeiten können potentielle Gefahrensituationen bereits in einer frühen Phase der Annäherung an die Kreuzung erkannt werden. Somit steht vergleichsweise viel Zeit für eine Fahrerreaktion zur Verfügung. In dieser Situation wird dem Fahrer im Head-Up-Display (HUD) ein visueller Hinweis als informierende Vor-Warnung auf die bevorstehende Situation gegeben. Bleibt eine Reaktion des Fahrers auf die Vorwarnung aus oder wird die Gefahrensituation bspw. bei geringeren Fahrgeschwindigkeiten oder aufgrund veränderter Rahmen- bedingungen erst später erkannt, so wird eine Akutwarnung ausgegeben. Diese besteht aus einem visuellen Hinweis im HUD sowie einer akustischen Warnung ergänzt um die beschriebene Anbremsung. Fährt das direkt an der Kreuzung stehende Fahrzeug aus dem Stillstand an, so kann ein Einfahren in die Kreuzung durch eine Warnung nicht vermieden werden, da keine Zeit für eine Fahrerreaktion zur Verfügung steht. Für diesen Fall wird das Fahrzeug bei Fahrpedalbetätigung am Anfahren gehindert, um eine Kollision mit dem Querverkehr zu vermeiden. Für Unfälle mit dem Querverkehr besteht prinzipiell die Möglichkeit der räumlichen und der zeitlichen Kollisionsvermeidung. Ein Zusammenstoß mit dem Querverkehr kann bspw. durch eine gezielte Variation der Geschwindigkeit des eigenen Fahrzeugs vermieden werden, da die Kollisionspartner den Schnittpunkt ihrer Trajektorien durch diesen Eingriff zu unterschiedlichen Zeiten durchfahren. Kollisionsvermeidung stellten Umgebungserkennung und jedoch Derartige Maßnahmen erhebliche Situationsbewertung, um zur zeitlichen Zusatzanforderungen die Entstehung an neuer Gefahrensituationen auszuschließen. Für die gesamte Systemauslegung des vorgestellen Kreuzungsassistenten werden daher sämtliche Eingriffe deaktiviert, sobald ein Eintritt in die Kollisionszone (Einfahrt in die Kreuzung) nicht mehr vermeidbar ist. Das System ist somit ausschließlich auf die räumliche Vermeidung bevorstehender Kollisionen ausgerichtet. 5 Validierung Um die Top-Down abgeleiteten Assistenzfunktionen unabhängig von der erforderlichen Sensorik zu validieren, eignet sich die Verwendung von Simulationsmethoden. Dies ermöglicht zudem die gefahrlose Untersuchung kritischer Verkehrssituationen im Kreuzungsbereich unter reproduzierbaren Bedingungen. Neben einer Absicherung der Systemfunktionalität mit aufgezeichneten Fahrdaten erfolgte eine Untersuchung des vorgestellten Kreuzungsassistenten in Probandenversuchen im dynamischen Fahrsimulator der BMW Group (siehe Abbildung 5). Abbildung 5: Der dynamische Fahrsimulator der BMW Group [8] In einer vom WIVW (Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften) durchgeführten Probandenstudie wurde von 13 Probanden im Alter von 27 und 58 Jahren ein insgesamt ca. 3 Stunden andauerndes Versuchsprogramm absolviert [9]. Für die Versuche wurde ein Testszenario mit Kreuzungen einfacher Geometrie (rechtwinklig, nur ein Fahrstreifen je Fahrtrichtung) generiert. Insgesamt wurden neben Trainingsfahrten zum Kennenlernen der Systemfunktionalität 13 unterschiedliche Verkehrssituationen beim Einbiegen/Kreuzen mit vorfahrtsberechtigtem Querverkehr simuliert. Die Resonanz auf das umgesetzte Kreuzungsassistenzsystem fiel dabei überwiegend positiv aus. Die Systemeingriffe wurden zu etwa 80% als angemessen beurteilt. Der überwiegende Teil der Probanden empfand die einzelnen Eingriffsstufen jeweils als hilfreich oder als sehr hilfreich (auf einer sechsstufigen Skala von gefährlich über sehr störend, störend, mittel und hilfreich bis sehr hilfreich). Besonders positiv wurde die umgesetzte Haltefunktion aus dem Stillstand bewertet, 11 von 13 Probenden empfanden sie als sehr hilfreich. Insgesamt wurde der Wunsch „Ich möchte ein solches System in meinem Fahrzeug“ (bezogen auf das Gesamtsystem Einbiege-/ Kreuzen-Assistenz mit allen umgesetzten Warn- und Eingriffsstufen) auf einer sechsstufigen Skala von gar nicht bis sehr stark von acht von 11 Probanden mit stark/sehr stark angegeben. In zwei der 13 Kreuzungssituationen wurden durch gezielt angesteuertes Verhalten einzelner Fahrzeuge im Querverkehr kritische Verkehrssituationen generiert. In diesen Situationen kam es zu insgesamt 11 Systemeingriffen, nur in einer Situation kam es nach Ausbleiben einer Warnung zur Kollision. Aufgrund der geringen Zahl von Probanden und untersuchter Verkehrssituationen ist eine statistisch abgesicherte Aussage über die Wirksamkeit des Systems und das tatsächliche Unfallvermeidungspotential anhand dieser Versuchsergebnisse dennoch nicht möglich. 6 Anforderungen an die Sensorik Die Umsetzung der beschriebenen Kreuzungsassistenzfunktionen im Fahrzeug ist mit Informationsanforderungen verbunden, die teilweise deutlich über die Möglichkeiten aktuell in der Serie verfügbarer Sensoren hinausgehen. Die erforderlichen Signale umfassen unter anderem Informationen über Art, Geometrie und Vorfahrtsregelung der vorliegenden Kreuzung sowie über Position und Fahrzustand des eigenen und fremder Fahrzeuge im Querverkehr. Die erforderlichen Genauigkeiten der letztgenannten Daten hängen dabei vor allem von den adressierten Unfallszenarien und der gewählten Eingriffsstrategie ab. Abbildung 5: Einfluss der Fahrzeuggeschwindigkeit auf tolerierte Datenungenauigkeiten für Geschwindigkeit und Kreuzungsabstand Dabei steigen die Geschwindigkeitsdaten Anforderungen mit an geringer die Genauigkeit werdender von Positions- Fahrzeuggeschwindigkeit. und Unter Berücksichtigung des Fahrerverhaltens verringert sich bei langsamer Fahrt der zur Verfügung stehende Toleranzbereich, wie in Abbildung 5 beispielhaft dargestellt. In der bereits eingeführten Darstellung von spätestmöglichem Warnpunkt und Fahrerverhalten sind exemplarische Ungenauigkeiten für Geschwindigkeit und Position (Abstand zur Kreuzung) des eigenen Fahrzeugs aufgetragen. Zusätzlich ergibt sich ein Einfluss der Datenungenauigkeiten auf die berechnete Kollisionswahrscheinlichkeit. Ungenaue Fahrzustandsdaten von Ego- und insbesondere Fremdfahrzeug beeinflussen unter anderem die prädizierten Zeiten, zu denen die Fahrzeuge den Schnittpunkt ihrer Trajektorien in der Kreuzung erreichen. Ein Kriterium zur Bewertung dieses Einflusses leitet sich aus eigenen Simulatorversuchen ab, in denen die Akzeptanz des Fahrers für Warnungen in unterschiedlich kritischen Kreuzen-Situationen analysiert wurde. Für tempomatgesteuerte Anfahrten an eine Kreuzung erfolgte als Reaktion auf gezielt angesteuerten, vorfahrtsberechtigten Querverkehr eine Warnung des Fahrers mit anschließender Vollbremsung (diese Bremsung wurde im Versuch durch eine autonome Verzögerung dargestellt, um reproduzierbare Anhaltevorgänge zu gewährleisten). Die Ansteuerung des Querverkehrs ermöglicht dabei, den zeitlichen Abstand zwischen eigenem und fremdem Fahrzeug, der sich beim Durchfahren der Kreuzung unter Beibehaltung der Geschwindigkeit ergeben hätte, systematisch zu variieren. Im Anschluss wurde per Befragung die Akzeptanz der Probanden für eine Warnung in der jeweils vorliegenden Situation ermittelt. Als Ergebnis ergab sich, dass eine Warnung bei einer zeitlichen Differenz zwischen den Fahrzeugen von +/- 1 s von 80 % der Fahrer als angemessen bewertet wird. Tabelle 1: Ungenauigkeit des prädizierten, zeitlichen Abstands für verschiedene Systemausprägungen und Geschwindigkeiten vEgo vQV ∆(∆t) ∆(∆t) On-Board GPS + C2C ∆(∆t) DGPS + C2C 30 km/h 50 km/h 1,20 s 1,40 s 0,28 s 50 km/h 50 km/h 0,73 s 1,02 s 0,21 s 50 km/h 70 km/h 0,73 s 0,89 s 0,18 s 70 km/h 100 km/h 0,52 s 0,63 s 0,14 s Tabelle 1 stellt den Einfluss der Ungenauigkeiten dreier exemplarisch betrachteter Systemausprägungen auf diesen zeitlichen Abstand für unterschiedliche Geschwindigkeiten dar. Die ausgewählten Systemausprägungen umfassen ein reines On-Board-System auf Basis von GPS (mit einer nach [10] repräsentativen Genauigkeit von 10 m) und einem exemplarisch ausgewählten, scannenden Laser-Sensor, ein Kommunikations- und GPSbasiertes System sowie ein System auf Basis von DGPS und Kommunikation (für die angenommenen Genauigkeiten der Kommunikationslösung siehe [5]). Es ist zu erkennen, dass ein auf GPS und On-Board-Sensorik basiertes System oberhalb einer Geschwindigkeit von etwa 40 km/h für das Ego-Fahrzeug eine zufriedenstellende Genauigkeit bei der Berechnung der Kollisionswahrscheinlichkeit bietet. Vielversprechend erscheinen Lösungen unter Verwendung von DGPS, welche aufgrund der deutlich höheren Positionsgenauigkeit sowohl für die Nutzung von Kommunikation als auch für die Verwendung künftiger Umfeldsensoren bis zu einer Mindestgeschwindigkeit deutlich unterhalb von 30 km/h akzeptable Genauigkeiten der zeitlichen Abstands zwischen den Fahrzeugen liefern. Der Vorteil kommunikationsbasierter Kreuzungsassistenz liegt demnach vor allem in der Möglichkeit, unabhängig von einer möglichen Sichtbehinderung bereits in einer frühen Annäherungsphase Informationen über den Querverkehr zu liefern, während die verfügbaren Daten bei der Verwendung von On-Board-Sensorik stark von eventueller Sichtbehinderung an der Kreuzung abhängig und somit eventuell eine Einschränkung der Funktion auf ein Anfahren aus dem Fahrzeugstillstand erforderlich ist. 7 Ausblick Der exemplarisch umgesetzte Einbiegen-/Kreuzen-Assistent demonstriert, dass die aktive Vermeidung von Unfällen mit dem Querverkehr grundsätzlich möglich ist und dass entsprechende Warn- und Eingriffsstrategien vom Fahrer akzeptiert werden. Die abgeleiteten Sensoranforderungen zeigen, verglichen mit der Leistung aktuell im Fahrzeug verfügbarer Sensoren, die hohen Ansprüche eines Kreuzungsassistenten an die Umgebungserfassung auf. Für die Umsetzung eines derartigen Systems im realen Fahrzeug ist neben neuartigen Sensoren eine Erweiterung der Fahrerverhaltensprädiktion für bisher nicht beachtete Kreuzungstypen erforderlich. Zur Untersuchung des Einflusses einzelner Kreuzungsparameter auf das Fahrerverhalten wird derzeit eine ergänzende Fahrerverhaltensanalyse durchgeführt, die Probandenversuche in einem eigenen, mit einer DGPS-gestützten Inertialplattform ausgerüsteten Versuchsträger sowie die Beobachtung des Verhaltens von Fahrzeugen während der Annäherung an unterschiedliche Kreuzungen durch eine mobile Radar-Messtechnik umfasst. Literatur [1] Statistisches Bundesamt: Verkehr – Verkehrsunfälle 2006; Fachserie 8 / Reihe 7, Wiesbaden, 2007 [2] Meitinger, Karl-Heinz et. al.: Systematische Top-Down-Entwicklung von Kreuzungsassistenzsystemen, VDI-Berichte Nr. 1864, 2004 [3] DaimlerChrysler Hightech Report 2/2005 – Kreuzungsassistenz, 2005 [4] Benmimoun, Ahmed et. al.: Specification and Assessment of Different Intersection Assistance Concepts Based on Inter-Vehicle-Communication and Roadside-VehicleCommunication, Tagungsbeitrag zum 12th World Congress on Intelligent Transport Systems, Institut für Kraftfahrwesen Aachen, Aachen, 2005 [5] Klanner, Felix et. al.: ConnectedDrive – Vorausschauende Kreuzungsassistenz, Tagungsbeitrag zum 15. Aachener Kolloquium „Fahrzeug- und Motorentechnik“, BMW Group Forschung und Technik, München, 2006 [6] Vollrath, Mark et. al.: Normalverhalten, Beanspruchung und kritische Situationen bei Kreuzungsfahrten, Endbericht, DLR, Institut für Verkehrsführung und Fahrzeugsteuerung, Braunschweig, 2004 [7] Kosch, Timo et. al.: Entwicklung von Kreuzungsassistenzsystemen und Funktionalitätserweiterungen durch den Einsatz von Kommunikationstechnologien, Beitrag zur Tagung „Aktive Sicherheit durch Fahrerassistenz“, BMW Group Forschung und Technik, München, 2006 [8] http://www.7-forum.com/news/2006/fahrerassistenzsysteme/bmw_usability_lab.php [9] Gradenegger, Barbara et. al.: Untersuchung des Linksabbiegeassistenten, des Querverkehrsassistenten, des Ampelassistenten und des potentiellen Nutzens eines Workload-Management-Systems, Abschlussbericht, Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften, Würzburg, 2006 [10] Mansfeld, Werner: Satellitenortung und Navigation – Grundlagen und Anwendung globaler Satellitennavigationssysteme, 2. Auflage, Wiesbaden: Vieweg, 2004