Das bedingte Übernahmeangebot
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Das bedingte Übernahmeangebot
Das bedingte Übernahmeangebot DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Rechtswissenschaft vorgelegt von Thomas Reutter aus Deutschland Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Jean-Nicolas Druey und Prof. Dr. Christian Meier-Schatz Dissertation Nr. 2597 Schulthess Juristische Medien AG, Zürich 2002 Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen. St. Gallen, den 11. Dezember 2001 Der Rektor: Prof. Dr. Peter Gomez Die gleiche Arbeit ist bei Schulthess Juristische Medien AG, Zürich, erschienen als Band 214 der Reihe „Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht“ ii Denise und meinen Eltern Condicio est libertas iuris qua facultate potestas est alcuius non solvendae rei Nach Ulpian iii Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2001 als Dissertation durch die Universität St. Gallen angenommen. Der Stand von Literatur und Judikatur wurde in dieser Arbeit bis Ende 2001 verfolgt, wenn auch einzelne kurz vor Ende 2001 erschienene Publikationen oder Entscheide nicht mehr voll berücksichtigt werden konnten. Es ist mir ein Anliegen, allen zu danken, die beim Gelingen dieser Arbeit mitgewirkt haben. Herr Prof. Dr. Jean Nicolas Druey als Referent und Herr Prof. Dr. Christian Meier- Schatz als Korreferent haben diese Arbeit mit grossem Interesse und viel Umsicht begleitet. Dafür möchte ich Ihnen herzlich danken. Beim Abfassen der Arbeit wurde ich von zahlreichen Personen in der einen oder anderen Form unterstützt. Für wertvolle Hinweise, kritische Durchsicht oder technischen Beistand danke ich Andreas Daepp, Roger Groner, Marion Haag, Isabella Kamp, Stefan Reutter, Daniel Thaler, Lucien Valloni und Manuela Würmli. Herrn Prof. Dr. Peter Forstmoser bin ich wegen der speditiven und unbürokratischen Aufnahme der vorliegenden Dissertation in diese Schriftenreihe zu Dank verpflichtet. Ein Dankeschön geht auch an Herrn Benon Eugster für die professionelle Betreuung der Drucklegung dieser Arbeit. Eine grosse Motivation für den Schlussspurt an dieser Arbeit stellte die Geburt unseres Sohnes Lucas dar. Damit hat auch er seinen Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit geleistet. Den grössten Dank schulde ich schliesslich meiner Frau Denise und meinen Eltern Irmgard und Wolfgang Reutter. Meinen Eltern danke ich für die immerwährende Unterstützung und Ermöglichung meiner (mittlerweile) zahlreichen Studien. Meiner Frau Denise schliesslich möchte ich danken für all das, was Sie für mich und diese Publikation selbstlos und „unbedingt“ getan hat. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Volketswil, Februar 2002 iv Thomas Reutter Inhaltsübersicht § 1 Grundlagen .............................................................................................................. 1 A. Terminologisches................................................................................................. 1 B. Das Phänomen ..................................................................................................... 2 C. Das regulatorische Umfeld .................................................................................. 7 D. Zuständigkeiten und Verfahren ......................................................................... 16 E. Internationale Abgrenzungen............................................................................. 22 § 2 Vertragsschluss mittels bedingtem öffentlichem Kaufangebot............................. 38 A. Das Kaufangebot aus vertragsrechtlicher Sicht................................................. 38 B. Das Kaufangebot aus kapitalmarktrechtlicher Sicht.......................................... 49 C. Das "bedingte" öffentliche Kaufangebot und seine Bedeutung ........................ 56 D. Beweggründe für die bedingte Ausgestaltung von Kaufangeboten .................. 83 § 3 Die Rechtslage beim bedingten Kaufangebot ....................................................... 92 A. Überblick über ausländische Regelungen.......................................................... 92 B. Die rechtlichen Grundlagen in der Schweiz ...................................................... 95 C. Die Rechtslage beim suspensiv bedingten öffentlichen Angebot ................... 104 D. Die Rechtslage beim resolutiv bedingten öffentlichen Kaufangebot .............. 133 E. Der „Widerruf“ nach Art. 16 UEV .................................................................. 134 F. Der Verzicht auf Bedingungen ........................................................................ 139 G. Bedingte Angebotsänderung............................................................................ 141 § 4 Die Zulässigkeit von Bedingungen beim öffentlichen Kaufangebot im allgemeinen ................................................................................................................. 143 A. Der Grundsatz der Bedingungsfreundlichkeit ................................................. 143 B. Allgemeine Einschränkungen .......................................................................... 144 C. Einschränkungen durch BEHG........................................................................ 155 D. Die (Un-)Zulässigkeit von Bedingungen gemäss Art. 13 UEV ...................... 161 E. Die Beschränkung auf “aufschiebende“ Bedingungen insbesondere.............. 163 v F. “Keine massgebliche Beeinflussung durch Anbieter” insbesondere............... 172 G. Kasuistik .......................................................................................................... 180 H. Fazit ................................................................................................................. 203 § 5 Die Zulässigkeit von Bedingungen beim Pflichtangebot .................................... 206 A. Anwendbarkeit von Art. 32 BEHV-EBK ........................................................ 206 B. Die Spezialnorm von Art. 32 BEHV-EBK...................................................... 211 C. Die behördliche Bewilligung insbesondere ..................................................... 215 D. Erwerb von nicht stimmberechtigten Beteiligungspapieren............................ 219 E. Die Sicherung der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft ................. 221 F. Der “wichtige Grund” im allgemeinen ............................................................ 226 G. Verfahrensfragen ............................................................................................. 228 § 6 Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen............................................................. 230 A. Übersicht .......................................................................................................... 230 B. Zuständige Organe und deren Praxis............................................................... 230 C. Untersagung und Rücktrittsrecht nach Art. 26 BEHG .................................... 233 D. Nichtigkeit des Angebotes oder der Bedingung .............................................. 242 E. Weitere Sanktionen nach BEHG und Verwaltungsrecht................................. 259 F. Strafrechtliche Sanktionen............................................................................... 262 G. Folgerungen ..................................................................................................... 265 § 7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse................................................... 266 vi Inhaltsverzeichnis § 1 Grundlagen .............................................................................................................. 1 A. Terminologisches................................................................................................. 1 B. Das Phänomen ..................................................................................................... 2 I. Einführung........................................................................................................ 2 II. Klassifizierungen.............................................................................................. 3 1. Freundliche und feindliche Angebote.............................................................. 3 2. Voll- und Teilangebote .................................................................................... 4 3. Bar- und Umtauschangebote............................................................................ 5 4. Pflichtangebot und freiwilliges Angebot ......................................................... 6 C. Das regulatorische Umfeld .................................................................................. 7 I. Das regulatorische Umfeld in Europa.............................................................. 7 1. Der Richtlinienvorschlag von 1990 ................................................................. 7 2. Der revidierte Richtlinienvorschlag von 1996................................................. 8 II. Das regulatorische Umfeld in der Schweiz.................................................... 10 1. Die Anfänge mit dem Übernahmekodex ....................................................... 10 2. Die Regelung im Börsengesetz ...................................................................... 11 3. Zielsetzungen der gesetzlichen Übernahmeregelung..................................... 12 4. Rechtsnatur der Übernahmeregeln des BEHG .............................................. 14 D. Zuständigkeiten und Verfahren ......................................................................... 16 I. Die Übernahmekommission........................................................................... 16 II. Übernahmekammer der Eidgenössischen Bankenkommission ..................... 18 III. Zivilgerichte ................................................................................................... 18 IV. Schiedsgerichte?............................................................................................. 20 V. Exkurs: Die Prüfstelle .................................................................................... 21 E. Internationale Abgrenzungen............................................................................. 22 I. Internationaler Sachverhalt und Übernahmestatut......................................... 22 II. Die Zuständigkeit schweizerischer Aufsichtsbehörden ................................. 24 III. Die Zuständigkeit schweizerischer Zivilgerichte........................................... 26 1. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen............................................ 26 a. Allgemeines................................................................................................ 26 b. Im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens ............................ 27 c. Nach schweizerischem IPRG ..................................................................... 29 2. Gerichtsstand bei Fehlen einer Prorogation................................................... 30 vii a. Zuständigkeit bei Anwendung des Lugano Übereinkommens .................. 30 b. Zuständigkeit bei Anwendbarkeit IPRG .................................................... 34 IV. Das auf öffentliche Kaufangebote anwendbare Recht................................... 35 1. Die Anwendbarkeit des BEHG im internationalen Verhältnis...................... 35 2. Das anwendbare Recht gemäss IPRG............................................................ 35 § 2 Vertragsschluss mittels bedingtem öffentlichem Kaufangebot............................. 38 A. Das Kaufangebot aus vertragsrechtlicher Sicht................................................. 38 I. Besonderheiten des Vertrags(-schlusses)....................................................... 38 II. Kaufangebot und Allgemeine Geschäftsbedingungen................................... 40 III. Der Antrag zum Vertragsschluss ................................................................... 42 IV. Annahmeerklärung und Vertragsschluss ....................................................... 43 1. Praktische Ausgestaltung ............................................................................... 43 2. Die Rolle der vermittelnden Finanzinstitute .................................................. 44 3. Folgerung ....................................................................................................... 48 V. Der Vollzug.................................................................................................... 48 B. Das Kaufangebot aus kapitalmarktrechtlicher Sicht.......................................... 49 I. Das Börsengesetz als kapitalmarktrechtlicher Erlass .................................... 49 II. Die Legaldefinition in Art. 2 lit. e BEHG...................................................... 50 III. Das „Angebot“ im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG .......................................... 51 IV. Die Öffentlichkeit des Angebots.................................................................... 53 V. Ein Phänomen des „Börsenvertragsrechts“.................................................... 54 C. Das "bedingte" öffentliche Kaufangebot und seine Bedeutung ........................ 56 I. Bedingungen: Begriff und Arten.................................................................... 56 1. Begriff ............................................................................................................ 56 2. Suspensive vs. resolutive Bedingungen......................................................... 59 3. Potestative vs. kasuelle Bedingungen ............................................................ 60 4. Positive und negative Bedingungen............................................................... 63 5. Ausdrückliche und stillschweigende Bedingungen ....................................... 63 6. Einseitig begünstigende und „ausgewogene“ Bedingungen.......................... 64 II. Bedingte Rechtsgeschäfte im allgemeinen .................................................... 64 1. Der bedingte Vertrag...................................................................................... 64 2. Die bedingte Forderung und die bedingte Verpflichtung .............................. 65 3. Andere bedingte Rechtsgeschäfte insbesondere Gestaltungsrechte .............. 67 III. Der bedingte Antrag zum Vertragsschluss?................................................... 68 viii 1. Der Antrag zum Vertragsschluss ................................................................... 68 2. Existenz des bedingten Antrages? ................................................................. 71 a. Das Problem ............................................................................................... 71 b. Existenz verwandter Institute ..................................................................... 72 c. Das Schrifttum zum bedingten Antrag....................................................... 73 3. Wesen und Bedeutung des bedingten Antrages............................................. 75 4. Folgerung ....................................................................................................... 79 IV. Die bedingte Einladung zur Offertstellung? .................................................. 80 1. Die invitatio ad offerendum ........................................................................... 80 2. Unterscheidung zum bedingten Antrag ......................................................... 81 3. „Bedingte“ Einladung zur Offertstellung: Auslegungsfragen und rechtliche Bedeutung ......................................................................................... 81 V. Ergebnis.......................................................................................................... 82 D. Beweggründe für die bedingte Ausgestaltung von Kaufangeboten .................. 83 I. Sicherung des Erwerbsvorganges .................................................................. 83 1. Ausreichende Mindestzahl an Annahmen ..................................................... 83 2. Abschaffung von Übertragungsbeschränkungen ........................................... 85 3. Neuwahl des Verwaltungsrates...................................................................... 86 4. Absicherung gegen Verbote und Erfordernis von Bewilligungen................. 87 5. Sicherung der Angebotsfinanzierung............................................................. 88 II. Vermeidung der Verschlechterung der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft...................................................................................................... 89 III. Vermeidung durch Informationsdefizite verursachter Risiken...................... 90 IV. Weitere Gründe (Kasuistik) ........................................................................... 91 § 3 Die Rechtslage beim bedingten Kaufangebot ....................................................... 92 A. Überblick über ausländische Regelungen.......................................................... 92 I. Die Situation im Vereinigten Königreich ...................................................... 92 II. Die Situation in Deutschland ......................................................................... 93 III. Die Situation in Italien ................................................................................... 94 IV. Die Situation in den USA............................................................................... 94 B. Die rechtlichen Grundlagen in der Schweiz ...................................................... 95 I. Die Bestimmungen des BEHG und dessen Verordnungen............................ 95 1. Anwendbare Normen ..................................................................................... 95 2. Zielsetzungen ................................................................................................. 97 II. Verhältnis zu den Normen des Obligationenrechts ....................................... 98 ix III. Aufschiebende und auflösende Bedingungen nach Art 13 UEV................... 99 1. Terminologisches ........................................................................................... 99 2. Konsequenzen .............................................................................................. 102 IV. Potestative und kasuelle Bedingungen nach Art. 13 Abs. 1 UEV ............... 103 C. Die Rechtslage beim suspensiv bedingten öffentlichen Angebot ................... 104 I. Was ist wie bedingt? .................................................................................... 104 II. Rechtslage vor Abgabe des Angebotes........................................................ 104 1. Ohne bzw. vor Voranmeldung ..................................................................... 104 2. Nach Voranmeldung .................................................................................... 106 a. Die Voranmeldung nach Art. 7 UEV ....................................................... 106 b. Hinweis auf Bedingungen des Angebotes................................................ 108 c. Anwendbarkeit von Art. 13 UEV............................................................. 109 d. Bedingungen der Voranmeldung?............................................................ 110 III. Das Angebot im Schwebezustand................................................................ 110 1. Vor und ohne Annahmeerklärung................................................................ 110 2. Nach Annahmeerklärung ............................................................................. 112 a. Allgemeines.............................................................................................. 112 b. Behandlung des bedingten Rechtes.......................................................... 113 c. Rechte und Pflichten in der Schwebezeit ................................................. 115 d. Nutzen und Gefahr ................................................................................... 117 e. Ende der Schwebezeit .............................................................................. 118 3. Allgemeine Verhaltenspflichten nach Art. 13 Abs. 1 UEV......................... 119 a. Motiv und Geltungsbereich ...................................................................... 119 b. Entstehung und Inhalt............................................................................... 120 c. Zumutbarkeit der Massnahmen ................................................................ 121 IV. Rechtslage bei Bedingungseintritt ............................................................... 122 1. Vor und ohne Annahmeerklärung................................................................ 122 2. Nach Annahmeerklärung ............................................................................. 122 3. Wann ist eine Bedingung als erfüllt anzusehen? ......................................... 123 4. Verlängerung des Angebotes oder Erstreckung des Vollzugs..................... 125 V. Rechtslage bei Bedingungsausfall ............................................................... 126 1. Wann ist eine Bedingung ausgefallen? ........................................................ 126 2. Rechtslage vor und nach Annahmeerklärung .............................................. 128 VI. Verletzung von Verhaltenspflichten durch den Bieter................................. 129 1. Verhinderung des Bedingungseintritts durch Bieter.................................... 129 2. Rechtsfolgen nach BEHG und UEV? .......................................................... 129 3. Anwendbarkeit von Art. 156 OR? ............................................................... 130 4. Schadenersatz nach Art. 97 OR ................................................................... 132 x D. Die Rechtslage beim resolutiv bedingten öffentlichen Kaufangebot .............. 133 E. Der „Widerruf“ nach Art. 16 UEV .................................................................. 134 I. Regelungsgehalt ........................................................................................... 134 II. Bedeutung des „Widerrufs“ in Art. 16 UEV................................................ 135 III. Zulässigkeit des Widerrufs........................................................................... 136 IV. Anwendbarkeit auf das Pflichtangebot ........................................................ 138 V. Der Widerruf bei konkurrierenden Angeboten ............................................ 139 F. Der Verzicht auf Bedingungen ........................................................................ 139 I. Wesen........................................................................................................... 139 II. Zulässigkeit .................................................................................................. 140 G. Bedingte Angebotsänderung............................................................................ 141 § 4 Die Zulässigkeit von Bedingungen beim öffentlichen Kaufangebot im allgemeinen ................................................................................................................. 143 A. Der Grundsatz der Bedingungsfreundlichkeit ................................................. 143 B. Allgemeine Einschränkungen .......................................................................... 144 I. Einschränkungen aus Art 19 Abs. 2 OR ...................................................... 144 II. Art 157 OR als Verbotsnorm ....................................................................... 144 III. Einschränkungen aus Treu und Glauben ..................................................... 147 IV. Die unmögliche Bedingung ......................................................................... 149 V. Die „ewige“ Bedingung ............................................................................... 152 VI. Bedingungsfeindlichkeit gewisser Rechtsgeschäfte .................................... 154 VII. Folgerungen.................................................................................................. 155 C. Einschränkungen durch BEHG........................................................................ 155 I. Keine expliziten Einschränkungen im BEHG ............................................. 155 II. Immanente Einschränkungen aufgrund des Gesetzeszwecks? .................... 156 1. Bedeutung .................................................................................................... 156 2. Verletzung des Transparenzgebotes ............................................................ 156 3. Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes ................................................. 158 4. Verletzung des Lauterkeitsgebotes .............................................................. 160 D. Die (Un-)Zulässigkeit von Bedingungen gemäss Art. 13 UEV ...................... 161 I. Regelungsgehalt ........................................................................................... 161 II. Vergleich mit Entwurf ................................................................................. 162 xi E. Die Beschränkung auf “aufschiebende“ Bedingungen insbesondere.............. 163 I. Das Begriffspaar aufschiebend/auflösend.................................................... 163 II. Sinn einer Einschränkung auf aufschiebende Bedingungen........................ 164 III. Zulassung auflösender Bedingungen als Ausnahme.................................... 165 IV. Folgerungen.................................................................................................. 169 V. Verfahrensfragen.......................................................................................... 172 F. “Keine massgebliche Beeinflussung durch Anbieter” insbesondere............... 172 I. Motive der Regelung.................................................................................... 172 II. Die von der Regelung erfassten Personen.................................................... 173 III. Beschränkung auf kasuelle Bedingungen? .................................................. 175 IV. Unzulässigkeit rein potestativer Bedingungen............................................. 176 V. Un-/Zulässigkeit gemischter Bedingungen.................................................. 176 VI. Beeinflussung durch Verzicht des Bieters? ................................................. 177 VII. Beeinflussung durch Ermessen des Bieters ................................................. 178 VIII. Unzulässigkeit der Einladung zur Offertstellung ..................................... 179 G. Kasuistik .......................................................................................................... 180 I. Mindeststimmzahl (Minimum Limen) als Bedingung................................. 180 II. Maximalstimmzahl (Maximum Limen -Teilangebot) ................................. 182 III. Zustimmung von Gesellschaftsorganen der Zielgesellschaft ...................... 183 1. Beschlüsse der Generalversammlung .......................................................... 183 a. Beschlüsse des Verwaltungsrates............................................................. 187 IV. Zustimmung von Gesellschaftsorganen des Bieters als Bedingung ............ 190 V. Zustimmung von Behörden.......................................................................... 192 VI. Ausschluss von Veränderungen oder Behinderungen bei Übernahme........ 196 VII. Einhaltung von vertraglichen Zusicherungen als Bedingung ...................... 198 VIII. Abwesenheit von Abwehrmassnahmen als Bedingung ........................... 199 IX. Gültigkeit von Bedingungen als Bedingung ................................................ 202 X. Strukturierung des Angebotspreises als Bedingung .................................... 203 H. Fazit ................................................................................................................. 203 § 5 Die Zulässigkeit von Bedingungen beim Pflichtangebot .................................... 206 A. Anwendbarkeit von Art. 32 BEHV-EBK ........................................................ 206 I. xii Vorliegen einer Angebotspflicht als Voraussetzung.................................... 206 II. Zeitpunkt der Anwendbarkeit von Art. 32 BEHV-EBK.............................. 209 B. Die Spezialnorm von Art. 32 BEHV-EBK...................................................... 211 I. Überblick und Verhältnis zur Übernahmeverordnung................................. 211 II. Regelungsgehalt und Vergleich mit Art. 13 UEV ...................................... 212 III. Änderungen gegenüber dem Entwurf .......................................................... 213 C. Die behördliche Bewilligung insbesondere ..................................................... 215 I. Allgemeines.................................................................................................. 215 II. Bewilligung und deren Erforderlichkeit für Erwerb .................................... 217 D. Erwerb von nicht stimmberechtigten Beteiligungspapieren............................ 219 I. Fehlendes Stimmrecht als Natur der Beteiligungspapiere ........................... 219 II. Fehlendes Stimmrecht aufgrund Stimmrechtsbeschränkungen ................... 219 E. Die Sicherung der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft ................. 221 I. Sicherung der wirtschaftlichen Substanz und Verteidigungsmassnahmen.. 221 II. Bedeutung der "wirtschaftlichen Substanz"................................................. 224 III. Was bedeutet "konkret bezeichnet"?............................................................ 225 F. Der “wichtige Grund” im allgemeinen ............................................................ 226 G. Verfahrensfragen ............................................................................................. 228 I. Ausnahmebewilligung (Art. 35 BEHV-EBK) ............................................. 228 II. Einsprache der Angebotsempfänger? .......................................................... 229 § 6 Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen............................................................. 230 A. Übersicht .......................................................................................................... 230 B. Zuständige Organe und deren Praxis............................................................... 230 I. Übernahmekommission und EBK ............................................................... 230 II. Zivilgerichte ................................................................................................. 232 C. Untersagung und Rücktrittsrecht nach Art. 26 BEHG .................................... 233 I. Die „Untersagung“ als Akt der Aufsichtsbehörden ..................................... 233 II. Untersagung und Rücktrittsrecht der Veräusserer ....................................... 234 III. Untersagung des Angebotes bei unzulässigen Bedingungen? ..................... 236 IV. Untersagung von Bedingungen (Anordnung der Übernahme)? .................. 238 V. Folgerungen.................................................................................................. 240 D. Nichtigkeit des Angebotes oder der Bedingung .............................................. 242 xiii I. Überblick...................................................................................................... 242 II. Ganznichtigkeit nach Art. 157 OR?............................................................. 242 III. Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit nach Art. 20 OR?...................................... 244 1. Allgemeines ................................................................................................. 244 2. Anwendbarkeit auf unzulässige Bedingungen............................................. 245 3. Anwendbarkeit bei Verstössen gegen BEHG? ............................................ 247 4. Analoge Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR? ............................................ 249 5. Folgerung ..................................................................................................... 251 IV. Ergebnis: Teilnichtigkeit aufgrund Normzweck.......................................... 252 V. Ansprüche aus unzulässigen Bedingungen .................................................. 255 1. Empfehlung oder Verfügung als Anspruchsvoraussetzung? ....................... 255 2. Vertragliche Ansprüche ............................................................................... 255 3. Ansprüche aus Culpa in contrahendo .......................................................... 256 4. Prospekthaftpflicht ....................................................................................... 257 E. Weitere Sanktionen nach BEHG und Verwaltungsrecht................................. 259 I. Ersatzvornahme nach Art. 35 Abs. 4 BEHG ............................................... 259 II. Publikation gemäss Art. 35 Abs. 5 BEHG................................................... 260 III. Suspendierung des Stimmrechts nach Art. 32 Abs. 7 BEHG? .................... 261 F. Strafrechtliche Sanktionen............................................................................... 262 I. Keine besonderen Bestimmungen im BEHG .............................................. 262 II. Art. 292 StGB............................................................................................... 263 III. Insidertatbestand?......................................................................................... 263 IV. Kursmanipulation......................................................................................... 264 G. Folgerungen ..................................................................................................... 265 § 7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse................................................... 266 xiv Abkürzungsverzeichnis a.A. anderer Ansicht Abl Amtsblatt Abs. Absatz ABV Aktionärbindungsvertrag AG Aktiengesellschaft; im Zusammenhang mit Zitaten: Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen (Köln) AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AGBG Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9. Dezember 1976 (Deutschland) AGVE Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide (Aarau) AJP Aktuelle Juristische Praxis (St. Gallen) al. alinea allg. allgemein a.M. anderer Meinung AmtlBull Amtliches stenographisches Bulletin der Bundesversammlung Art. Artikel AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage BankG Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 17. Mai 1972 BaWe Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (Deutschland) BBl Bundesblatt BEHG Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. März 1995 BEHV Verordnung über die Börsen und den Effektenhandel vom 2. Dezemxv ber 1996 BEHV-EBK Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission über die Börsen und den Effektenhandel vom 25. Juni 1997 BGB Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich vom 18. August 1896 BGE Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung (Lausanne) BGer Bundesgericht Botschaft Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel vom 24. Februar 1993 (BBl 1993 I 1369ff.), zit. nach Separatdruck bzw. beziehungsweise c.i.c. culpa in contrahendo CONSOB Commissione Nazionale per le Società e la Borsa (Italien) d.h. das heisst Diss. Dissertation E Entwurf E. Erwägung E-BEHG Entwurf zu einem Börsengesetz vom 24. Februar 1993, BBl 1993 I 1369 EBK Eidgenössische Bankenkommission EMRK Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 etc. et cetera EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof (Luxemburg) evtl. eventuell FESCO Forum of European Securities Commissions xvi FN Fussnote Frz. Französisch FS Festschrift gl. M. Gleicher Meinung GV Generalversammlung Hrsg. Herausgeber i.d.R. in der Regel IPRG Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987 i.S. in Sachen KG Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen vom 6. Oktober 1995 KR Kotierungsreglement lit. litera LugÜ (Lugano) Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 m.E. meines Erachtens m.w.H. mit weiteren Hinweisen N Note NR Nationalrat OGer Obergericht OR Bundesgesetz über das Obligationenrecht vom 30. März 1911 bzw. 18. Dezember 1936 OPA Offres Publiques d’Achat Rz. Randziffer SchKG Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April xvii 1889 bzw. vom 16. Dezember 1994 SEC Securities Exchange Commission (USA) SJZ Schweizerische Juristenzeitung (Zürich) Slg. Sammlung SPR Scheizerisches Privatrecht (Basel) SR Systematische Sammlung des Bundesrechtes SSHW Schweizerische Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht (Zürich) ST Der Schweizer Treuhänder (Zürich) StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StR Ständerat SWX SWX Swiss Exchange (Schweizer Börse) SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zürich) UEK Übernahmekommission UEV Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote vom 21. Juli 1997 usw. und so weiter u.U. unter Umständen UWG Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb vom 19. Dezember 1986 Vb Vorbemerkungen vgl. vergleiche VVG Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908 WuR Wirtschaft und Recht (Zürich) ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Köln) ZBJV Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins (Bern) xviii ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Frankfurt a. M.) ZSR Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Basel) ZR Blätter für Zürcherische Rechtsprechung (Zürich) ZWR Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung (Sion) xix Literaturverzeichnis AMSTUTZ MARC / VOGT NEDIM PETER / WANG MARKUS, in: Honsell / Vogt / Schnyder (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Internationales Privatrecht, Basel und Frankfurt a. M. 1996, Art. 112-113 IPRG, Art. 116-118 IPRG ASSMANN HEINZ-DIETER, Verhaltensregeln für freiwillige öffentliche Übernahmeangebote, AG 40 (1995) 563 ff. ASSMANN HEINZ-DIETER / BOZENHART FRIEDRICH, Übernahmeangebote als Regelungsproblem zwischen gesellschaftsrechtlichen Normen und zivilrechtlich begründeten Verhaltensgeboten, in Assmann / Basualda / Bozenhardt / Peltzer (Hrsg.), Übernahmeangebote, ZGR Sonderheft 9, Berlin/New York 1990 S. 1ff. ASSMANN HEINZ-DIETER / HIRSCH ALAIN, Der Entwurf eines schweizerischen Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel, AG 1993 S. 410ff. 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Ausserdem entspricht die Verwendung von „Bieter“ der Terminologie in Deutschland2 und Österreich3 und ist zudem näher am englischen „Bidder“. Im obligationenrechtlichen Kontext wird die das Angebot abgebende Person ausserdem als Erwerber oder – bei Vorliegen eines Kaufvertrages - als Käufer bezeichnet. Die Adressaten des Angebotes werden – wie in Art. 2 lit. e BEHG vorgesehen – als Inhaber von Beteiligungspapieren bezeichnet. Alternativ werden sie auch Empfänger (des Angebotes) oder Adressaten genannt oder gar als Veräusserer bzw. Verkäufer tituliert, wenn die entsprechenden Voraussetzungen aus vertragsrechtlicher Sicht gegeben sind. Sind die Beteiligungspapiere, was meist vorkommt, Aktien, so ist auch von „Aktionären“ die Rede. Die Adressaten des Angebotes sind Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft. Die übrige Terminologie entspricht den im BEHG und dessen Verordnungen oder im Obligationenrecht verwendeten Ausdrücken, soweit Abweichungen nicht im Text dargelegt werden. Es sei bereits jetzt vorweggenommen, dass die Bezeichnungen der Börsengesetzgebung oft nur scheinbar mit denjenigen des Obligationenrechts übereinstimmen. Ein Beispiel dafür sind die aufschiebenden und auflösenden Bedingungen nach Art. 13 UEV. 1 2 3 Vgl. Art. 40a OR. Vgl. die "Begriffsbestimmungen"des deutschen Übernahmekodexes in der Fassung vom 1. Januar 1998 (www.kodex.de) und in § 2 (4) des deutschen Übernahmegesetzes. Vgl. § 1 Ziff. 3 des österreichischen Übernahmegesetzes (www.takeover.at). B. Das Phänomen I. Einführung Das öffentliche Kaufangebot ist eine der Techniken zur Übernahme eines Unternehmens mittels Erwerb von Beteiligungspapieren an der das Unternehmen betreibenden Gesellschaft („Unternehmensträger“), wobei der Erwerb durch eine „öffentliche“ Aufforderung an die Beteiligungsinhaber zum Verkauf ihrer Bestände in die Wege geleitet wird4. Im Gegensatz zu einem Kauf der vom Unternehmensträger gehaltenen Aktiven zielt diese Technik auf den direkten Erwerb von Beteiligungspapieren an der betreffenden Gesellschaft. Dabei kann mittelbar, durch den Erwerb von Beteiligungspapieren am Unternehmensträger, in der Regel einer juristischen Person, ein Einfluss oder gar die Kontrolle über das entsprechende Unternehmen erlangt werden. Durch dieses Vorgehen der direkten Aufforderung an die Inhaber der Beteiligungspapiere kann auch der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft als Vertragspartner des Zusammenschlusses ausgeschaltet und dessen Rolle bei einer Übernahme minimiert werden5. In der Regel wird dabei die aus dem Eigentum an der Mehrzahl der Beteiligungspapiere fliessende Kontrolle über das betreffende Unternehmen angestrebt, aber auch der Erwerb eines Minderheitspakets an den Beteiligungspapieren einer Gesellschaft kann durchaus vorkommen. Man kann den Erwerb von Beteiligungspapieren auch durch einen (einfachen) Kauf- oder anderen Erwerbsvertrag zwischen einem verkaufsbereiten Anteilseigner eines Unternehmens und einem Käufer regeln. Das relativ aufwendige Verfahren des öffentlichen Übernahmeangebotes wird jedoch dort angewendet werden, wo die zu übernehmende Gesellschaft von einer Vielzahl von Anteilseignern gehalten wird und/oder wo die Anteilseigner dem Kaufinteressenten nicht bekannt sind. In diesen Fällen ist der Kaufinteressent entweder gezwungen oder es kann ökonomisch für ihn lohnender sein, sich mittels standardisierten Vertragsklauseln öffentlich an die Anteilseigner der zu übernehmenden Gesellschaft zu wenden, um ihnen die Abnahme ihrer Anteile zu gewissen Konditionen anzubieten. Bei kotierten Gesellschaften, d.h. Gesellschaften deren Anteile zum Handel an einer Börse zugelassen sind6, sind die Anteilseigner naturgemäss stark gestreut7, 4 5 6 Vgl. statt vieler BERNET S. 5ff. m.w.H.; FREI S. 10ff. mit Wiedergabe zahlreicher weiterer Umschreibungen in der Lehre. Weitere Hinweise finden sich in den Bemerkungen zur Legaldefinition hinten § 2 B II. Vgl. MEIER-SCHATZ, Unternehmenszusammenschlüsse, S. 19; STRAZZER S. 3; BERNET S. 6. Kotierung und Zulassung zum Handel werden vorliegend, technisch für SWX Belange nicht ganz korrekt, aber angesichts des Helvetismus „Kotierung“ durchaus vertretbar, synonym verwendet. 2 was natürlich nicht ausschliesst, dass es einzelne dominierende Grossaktionäre geben kann. Ein Interessent für eine Übernahme einer kotierten Gesellschaft ist daher, zumindest wenn er den Erwerb aller kotierten Beteiligungspapiere anstrebt, mit einer Vielzahl von Eignern konfrontiert, die ihm regelmässig nicht bekannt sind. Es liegt daher nahe, dass die Technik des öffentlichen Übernahmeangebotes besonders beim Erwerb von kotierten Gesellschaften zur Anwendung gelangt8. Diese Art des Erwerbs bringt es mit sich, dass der Bieter mit den meist sehr vielen und dispersen Anteilseignern der Zielgesellschaft nicht in Vertragsverhandlungen tritt, sondern die Konditionen des Kauf - (oder Tausch-)vertrages einseitig festlegt und dann (in der Regel) öffentlich zugänglich macht. II. Klassifizierungen 1. Freundliche und feindliche Angebote Eine oft gemachte Unterscheidung ist diejenige in freundliche und feindliche (oder „unfreundliche“) Übernahmeangebote. Dabei wird auf das Verhalten der Zielgesellschaft gegenüber einem Angebot abgestellt. Von einer freundlichen Übernahme spricht man in der Literatur, wenn diese im Einverständnis mit dem Verwaltungsrat der Zielgesellschaft erfolgt9. Bei einem freundlichen Übernahmeangebot finden im allgemeinen Sondierungsgespräche zwischen dem späteren Anbieter und dem Verwaltungsrat bzw. dem Management der Zielgesellschaft statt. Dabei wird der spätere Anbieter versuchen, sich die Gunst des Verwaltungsrates bzw. dessen Verzicht auf Abwehrmassnahmen durch gewisse Zusagen oder Versprechen für die Zeit nach oder während der Übernahme zu sichern. Geht der Verwaltungsrat solche Vereinbarungen mit einem Anbieter ein, besteht die Gefahr, dass er seine eigenen Interessen an der Realisierung seiner Absprachen mit dem Anbieter gegenüber der Wahrung der Interessen der Aktionäre an einem fairen bzw. möglichst hohen Preis in den Vordergrund stellt. Der Verwaltungsrat steht damit vor einem Interessenkonflikt und kann seine Stellungnahme unter Umständen nicht als „ehrlicher Makler“ der Aktionäre abgeben. Es besteht die latente Gefahr einer Benachteiligung der Aktionärsinteressen. Von einem unfreundlichen oder feindlichen Übernahmeangebot wird demgegenüber gesprochen, wenn die entsprechende Offerte gegen den Willen des Verwaltungsrates bzw. des Managements erfolgt. Auch bei unfreundlichen 7 8 9 3 Das Kotierungsreglement der SWX sieht in Art. 17 Abs. 2 grundsätzlich eine Mindeststreuung von 25% des kotierten Valors vor. Allerdings kann von dieser Schwelle nach unten abgewichen werden, wenn auch sonst ein marktmässiger Handel gewährleistet wird. Dies muss allerdings nicht immer der Fall sein, vgl. BERNET S. 7 m.w.H. sowie die Legaldefinition in Art. 2 lit. e BEHG. Statt vieler BERNET, S. 13f; FREI, S.19; WATTER, Unternehmensübernahmen, § 4 N 106ff.; TSCHÄNI, Unternehmensübernahmen, § 4 N 20ff.; § 11 N 7ff.; BRASCHLER S. 7f.; KUY S. 5. Übernahmeangeboten besteht, in einem gar noch grösseren Ausmass, eine Gefahr der Benachteiligung der Aktionärsinteressen. Da der Verwaltungsrat und mit ihm das Management nach einer erfolgreichen Übernahme mit seiner Abwahl bzw. Ablösung rechnen muss oder zumindest um seine bisherigen Pfründe oder seine Unabhängigkeit fürchtet, wird er danach trachten, den Erfolg des entsprechenden Übernahmeangebotes zu vereiteln. Der Verwaltungsrat wird unter Umständen versucht sein, Abwehrmassnahmen gegen ein unfreundliches Übernahmeangebot zu ergreifen, obwohl das Angebot durchaus im Interesse der Aktionäre ist. Beispiele feindlicher Übernahmeangebote aus der jüngsten Vergangenheit sind die Angebote der Stancroft für die Intersport PSC Holding AG, der Gebrüder Model für Axantis Holding AG, der Tsufa für Big Star, der Hansa für die ENR der Multipapiers für Baumgartner sowie das Angebot der Incentive Investment AG für Sulzer10. 2. Voll- und Teilangebote Diese Unterscheidung kann sich entweder nach dem Umfang11 der von einem bestimmten Angebot umfassten Beteiligungspapiere oder aber nach dem vom Anbieter beabsichtigten Umfang der von ihm nach durchgeführtem Angebot gehaltenen Titel richten. FREI folgt dem ersten Unterscheidungskriterium wenn er feststellt: „Von einem Vollübernahmeangebot ist also zu sprechen, wenn für sämtliche Beteiligungspapiere - auch für solche ohne Stimmrecht - ein Angebot gemacht wird“12. Vorzuziehen ist die Definition von TSCHÄNI, wonach von Vollangeboten dann gesprochen werden sollte, wenn der Anbieter alle Titel der Zielgesellschaft, auch solche ohne Stimmrecht, erwerben will13 und auch ein entsprechendes Angebot macht. Teilangebote sind demgegenüber Angebote, bei denen der Anbieter nicht alle ausstehenden Beteiligungspapiere erwerben will und daher sein Angebot auf eine bestimmte Prozentzahl oder eine Kategorie der noch nicht von ihm gehaltenen Papiere beschränkt14. 10 11 12 13 14 Vgl. dazu TSCHÄNI, Erster Bundesgerichtsentscheid zum börsengesetzlichen Übernahmerecht, SZW 2001, S. 298 mit Hinweisen auf die entsprechenden Empfehlungen der UEK (und Verfügungen der EBK). Verstanden als Relation der vom Angebot erfassten Beteiligungspapiere zur Gesamtzahl Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft. FREI, S. 20. In aller Regel wird ein so definiertes Vollübernahmeangebot aber nicht vorkommen, da der Anbieter zumindest eine minimale Anzahl von Beteiligungspapieren bereits besitzt, wenn er ein öffentliches Kaufangebot lanciert. Zudem wären Angebote auf die restlichen ausstehenden Titel nach erfolgtem Auskauf eines Grossaktionärs nach dieser Terminologie nie „Vollangebote“, obwohl der Erwerb aller ausstehenden Titel beabsichtigt ist. TSCHÄNI, Übernahmenagebote, AJP 1994 S. 308 (Hervorhebung durch den Verfasser); so auch BERNET S 14. Problematisch ist die Begriffsbestimmung von STRAZZER, wonach ein Teilangebot immer dann vorliegt, wenn sich das Übernahmeangebot nicht auf sämtliche ausstehenden Beteiligungspapiere der Gesellschaft bezieht (STRAZZER, S. 20, so auch FREI S. 20); ähnlich VON DER CRONE, Unternehmensübernahmen, S. 172: "Teilangebote erstrecken sich nur auf einen prozentualen Anteil der Betei4 Das Teilangebot kann darin liegen, dass das Angebot auf ein oder mehrere Kategorien von Beteiligungspapieren, wie zum Beispiel Namenaktien, Stimmrechtsaktien, kotierte Beteiligungspapiere unter Ausschluss der anderen Kategorien usw. beschränkt wird (qualitative Beschränkung). Die Beschränkung kann aber auch rein numerisch in einer Beschränkung auf eine absolute oder relative (gemessen am Gesamtkapital; z.B. Prozentzahl) Zahl von Beteiligungspapieren liegen (quantitative Beschränkung)15. Kombinationen beider Arten von Beschränkungen sind natürlich ebenfalls denkbar. Bei gewissen, vor allem quantitativen, Teilangeboten besteht ohne entsprechende Regelung des Bieterverhaltens die Gefahr, dass einem kleineren Angebot (gemäss Festlegung des Anbieters) eine im allgemeinen höhere Nachfrage der verkaufswilligen Titelinhaber gegenübersteht und der Anbieter nur die ihm zeitlich früher angedienten Beteiligungspapiere abnimmt. Dadurch entsteht ein äusserst problematischer Abgabedruck auf die Inhaber von Beteiligungspapieren16. Dieser Abgabedruck liegt jedoch bei einem Teilangebot nicht begriffsnotwendig vor. So kann bei einer Beschränkung des Angebots auf kotierte Beteiligungspapiere (Teilangebot mit qualitativer Beschränkung) beispielsweise kein vergleichbarer Abgabedruck wie bei einer Beschränkung auf eine Zahl gewisser Beteiligungspapiere erzeugt werden. 3. Bar- und Umtauschangebote Öffentliche Übernahmeangebote können ferner danach unterschieden werden, wie die Angebotsempfänger für die Hingabe ihrer Beteiligungspapiere entgolten werden. Die Gegenleistung an die veräusserungswilligen Inhaber von Beteiligungspapieren kann entweder in Geld oder in Sachen erfolgen, wobei natürlich bei der letzteren Form (forma specifica) Wertpapiere im Vordergrund stehen. Erfolgt die Gegenleistung des Anbieters in Geld, d.h. mittels Banküberweisung auf ein Konto des veräusserungswilligen Inhabers von Beteiligungspapieren, spricht man von einem Barangebot17. Das Angebot zielt somit auf den Abschluss eines Vertrages ab, der die Hingabe von Wertpapieren (Sachen) oder Wertrechte (Forderungen) gegen Geld zum Gegenstand hat. Das zwischen Anbieter und Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft begründete Rechtsverhältnis ist daher als Kaufvertrag zu qualifizieren. Die verkaufswilligen Beteiligungsinhaber sind sich bei einem Barangebot grundsätzlich im klaren darüber, wie die von ihnen zu erwartende Gegenleistung zu bewerten ist, wird sie doch in „Geld“ festgelegt. Dabei spielt es nach der hier vertretenen Ansicht keine Rolle, ob das 15 16 17 5 ligungspapiere der Zielgesellschaft." Vorzuziehen ist die Präzisierung, wonach ein Teilangebot nicht alle vom Anbieter noch nicht gehaltenen Beteiligungspapiere erfasst. Die Unterscheidung wurde bereits von FREI, S. 20f. vorgenommen; vgl. auch BERNET S. 14. Grundlegend dazu VON DER CRONE, Kontrolltransaktionen, S. 40ff. Vgl. statt vieler BERNET S. 18 m.w.H.; FREI S. 22f. m.w.H. Entgelt in Landes- oder Fremdwährung ausgedrückt bzw. bezahlt wird. Das Barangebot weist daher für den Beteiligungsinhaber den Vorteil der Einfachheit und Klarheit auf. Für den Anbieter bedeutet die Bezahlung eines Barangebotes die Bereitstellung der benötigten liquiden Mittel entweder aus existierenden Beständen des Anbieters oder mittels Aufnahme von zusätzlichem Kapital bei Banken oder auf dem Kapitalmarkt. Bei einem Umtauschangebot erfolgt die Gegenleistung des Anbieters durch Bereitstellung von Wertpapieren bzw. Wertrechten18. Dogmatisch handelt es sich dabei um Sachen oder Forderungen. Werden Wertpapiere durch den Anbieter erworben, indem er Wertpapiere an die veräusserungswilligen Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft hingibt, kann das so begründete Vertragsverhältnis auch als Tausch qualifiziert werden. Als Entgelt kommen bei einem Umtauschangebot nicht nur Eigenkapitalpapiere („Beteiligungspapiere“) in Betracht, sondern (theoretisch) auch reine Fremdkapitalpapiere wie Anleihen usw19. Im Gegensatz zu einem Barangebot ist die Bewertbarkeit der dem veräusserungswilligen Inhaber von Beteiligungspapieren in Aussicht gestellten Gegenleistung bei einem Umtauschangebot schwerer vorzunehmen20. 4. Pflichtangebot und freiwilliges Angebot Grosse Bedeutung kommt der Unterscheidung zwischen freiwilligen und Pflichtangeboten zu. Verschiedene Rechtsordnungen stellen für den Fall eines Überschreitens einer bestimmten Prozentzahl der Stimmrechte an einer kotierten Gesellschaft eine Verpflichtung an die Adresse des betreffenden Anteilseigners auf, alle bzw. alle kotierten Beteiligungspapiere der entsprechenden Gesellschaft zu erwerben21. Da das Angebot an die restlichen Aktionäre bzw. Anteilseigner rechtlich zwingend vorgesehen ist und mit Sanktionen für den Fall der Nichtbefolgung gerechnet werden muss, wird in diesen Fällen von einem sogenannten Pflichtangebot gesprochen22. Gleichwertige und ebenfalls gebräuchliche Ausdrücke sind Zwangsangebot und obligatorisches Angebot. 18 19 20 21 22 Rechtlich wohl zulässig, aber praktisch kaum denkbar ist, dass andere fungible und stückelbare „Sachen“ oder Forderungen, wie zum Beispiel Edelmetalle oder Rohstoffe („commodities“) als Entgelt angeboten werden. Da eine Vielzahl solcher Titel bei einem öffentlichen Kaufangebot als Entgelt hingegeben werden muss, werden diese Titel standardisiert und als zum massenweisen Handel geeignet ausgestaltet und dürften somit als Effekten im Sinne von Art. 2 lit. a BEHG bzw. Art. 4 BEHV zu qualifizieren sein. Daher sieht Art. 24 UEV auch zusätzliche Angaben im Fall von Tauschangeboten vor (vgl. BERNET, S. 19 m.w.H.). Vgl. KÖPFLI S. 220ff.; VON DER CRONE/FRAUENFELDER, Die Angebotspflicht im Entwurf zur 13. Richtlinie und in ausgewählten europäischen Staaten, in FS Roger Zäch, Zürich 1999 S. 489ff. Vgl. dazu die Ausführungen und Hinweise in § 5. 6 C. Das regulatorische Umfeld I. Das regulatorische Umfeld in Europa23 1. Der Richtlinienvorschlag von 1990 Nachdem sich in einzelnen Mitgliedstaaten, namentlich im Vereinigten Königreich, schon seit geraumer Zeit24 eine Normierung von Übernahmeangeboten etabliert hatte, hat auch die Europäische Union25 einen Regelungsbedarf in dieser Hinsicht ausgemacht. Die Europäische Kommission hat am 14. September 1990 einen geänderten Vorschlag für eine 13. Richtlinie auf dem Gebiete des Gesellschaftsrechtes über Übernahmeangebote verabschiedet26. Der Vorschlag war dazu angelegt, einen gesamteuropäischen Standard in Sachen Transparenz und Verhaltenspflichten bei Übernahmeangeboten festlegen27. Der Richtlinienvorschlag von 1990 wollte eine Angebotspflicht bei Überschreiten der Schwelle von 331/3 Prozent der Stimmrechte einer börsennotierten Gesellschaft einführen28. Der Vorschlag wurde, nicht zuletzt wegen der vorgesehenen Angebotspflicht und des hohen Detaillierungsgrades der Vorschriften, kritisch aufgenommen. Die Diskussionen im Rat wurden ausgesetzt, als sich im Jahre 1991 abzeichnete, dass der Vorschlag nicht mehrheitsfähig war. Aus juristischer Sicht bleibt der Richtlinienvorschlag von 1990 jedoch weiterhin interessant. Zum einen sind die darin enthaltenen Ideen und Grundsätze auch in die schweizerische Übernahmegesetzgebung eingeflossen29, zum anderen können in dieser relativ ausführlichen Modellgesetzgebung auch gedankliche Anleihen für andere Übernahmeregelungen, namentlich die schweizerische, gemacht werden. Der Richtlinienvorschlag von 1990 enthielt – im Gegensatz zu der Nachfolgeregelung – auch einige relevante Bestimmungen zum hier interessierenden 23 24 25 26 27 28 29 7 Auf die Regelungen einzelner EU Länder wird erst im Rahmen der Diskussion der Regelung von Bedingungen eingegangen (§ 3 A). Der britische City Code on Mergers and Takeovers wurde im Jahre 1968 in Kraft gesetzt. Damals wurde die EU allerdings noch als EG oder Europäische Gemeinschaft bezeichnet. Abl. Nr. C 240 vom 26. September 1990, S. 7-30 (90/C 240/09). Bereits im Jahre 1989 wurde ein Vorschlag veröffentlicht, der allerdings kurz darauf wieder überarbeitet wurde. Vgl. dazu (Auswahl) GRUNEWALD, Der geänderte Vorschlag einer 13. EG-Richtlinie betreffend Übernahmeangebote, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1991, S. 1361ff.; MEIER-SCHATZ, Übernahmeangebote nach EG-Recht im Vergleich mit der Situation in der Schweiz, ST 1992 S. 623ff.; TSCHÄNI, Öffentliche Übernahmeangebote im Börsengesetz und im EG-Recht, AJP 1994 S. 316ff.; ASSMANN/BOZENHARDT, S. 1ff. mit detaillierter Diskussion der einzelnen Bestimmungen des RL-Entwurfs. Art. 4 des 1990 EU-RL-Vorschlages. Die Mitgliedstaaten hätten nach dieser Bestimmung den Schwellenwert auf höchstens 331/3 Prozent festlegen können. Erstaunlicherweise enthielt der Richtlinienvorschlag von 1990 keine Preisvorschriften zum Schutze der Minderheitsaktionäre (vgl. FREI, S. 83; KÖPFLI S. 85f.). Vgl. ASSMANN/HIRSCH, AG 38 (1993) S. 412. Thema der Bedingungen, an die der Bieter sein Angebot knüpfen kann. So regelte Art. 13 des Vorschlages die Rücknahme bzw. den Widerruf eines Angebotes durch den Bieter. Art. 15 enthielt Bestimmungen über die gewillkürte Änderung des Angebotes, dessen „automatische“ Änderung durch Anpassung des Angebotspreises war in Art. 16 des Vorschlages verankert. Aus rechtsvergleichender Sicht sind insbesondere die Regelungen in Art. 13 Abs. 1 aufschlussreich. Darin sind verschiedene Umstände aufgezählt, welche einen Widerruf des Angebotes durch den Bieter rechtfertigen. Zwar ist die in Art. 13 des Richtlinienvorschlages vorgesehene „Rücknahme“ als vom Gesetz vorgesehene Ausstiegsmöglichkeit des Bieters nicht mit einem gewillkürten Ausstieg durch Bedingungen zu verwechseln, doch kann diese Regelung durchaus auch für Bedingungen fruchtbar gemacht werden. 2. Der revidierte Richtlinienvorschlag von 1996 Die Kommission legte 1996 einen revidierten Richtlinienvorschlag vor, der getreu dem Subsidiaritätsprinzip weit weniger detailliert ausfiel und im besten Falle den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Union auf dem Gebiete der Übernahmeangebote darstellte30.Eine Angebotspflicht war darin nicht mehr vorgeschrieben; die Mitgliedstaaten konnten den Minderheitenschutz bei Übernahmeangeboten gemäss diesem Vorschlag auch durch „gleichwertige Massnahmen“ sicherstellen31. Ausserdem enthielt der auch umfangmässig zurückgestutzte neue Richtlinienvorschlag sehr allgemein gehaltene Regeln betreffend die Schaffung eines Aufsichtsorgans, die Grundsätze der Durchführung des Angebotes32, die Information der Adressaten33 sowie die Pflichten der Zielgesellschaft34. Regelungen über die zulässigen Bedingungen oder die Rücknahme des Angebotes waren in der revidierten Richtlinie nicht mehr enthalten. Immerhin schrieb Art. 9 den Mitgliedstaaten unter anderem vor, die Verfahrensfragen der Rücknahme oder Nichtigkeit des Angebotes35 sowie der Änderung des Angebotes36 zu regeln. 30 31 32 33 34 35 36 Geänderter Richtlinienvorschlag vom 7. Februar 1996, Abl.Nr. C162 vom 6. Juni 1996 S. 5ff.; COM 95 655 endg. (Dokument 595PC0655; abrufbar unter www.europa.eu.int/eur-lex/). Vgl. dazu PETER, Revidierter Vorschlag für eine 13. gesellschaftsrechtliche EU-Richtlinie über Übernahmeangebote, SZW 1996, S. 177ff. Art. 3 (1) des 1996 EU RL-Vorschlages. Vgl. dazu VON DER CRONE/FRAUENFELDER, S.489ff. Art. 5 des 1996 EU RL-Vorschlages. Art. 6 des 1996 EU RL-Vorschlges. Art. 6 Ziff. 2 sieht die Erstellung und Bekanntmachung eines „Prospektes“ („Angebotsunterlage“) durch den Bieter vor. Art. 6 Ziff. 3 enthält im Vergleich zu den übrigen Bestimmungen des 1996 EU-RL Vorschlages relativ detaillierte Bestimmungen betreffend den Inhalt der „Angebotsunterlage“. Auch Art. 7 des 1996 EU-RL Vorschlages will die gleichberechtigte Information der Adressaten des Angebotes sicherstellen. Vgl. Art. 8 des 1996 EU RL-Vorschlages. Nach dessen Buchstabe a) „hat sich das Leitungs- oder Verwaltungsorgan jeder Handlung zu enthalten, durch die das Angebot vereitelt würde, es sei denn, die Hauptversammlung hat dazu ihre Zustimmung erteilt“. Diese Verpflichtung gilt vom Erhalt der „Mitteilung über das Angebot“ an (vgl. Art. 8 Bst. a). Art. 9 Bst. a) des 1996 EU – RL Vorschlages. Art. 9 Bst. b) des 1996 EU – RL Vorschlages. 8 Art. 6 Ziff. 3 schreibt ausserdem vor, dass alle Bedingungen, an die ein Angebot gebunden ist, in der „Angebotsunterlage“ offenzulegen sind. Das europäische Parlament billigte den Entwurf am 25. bzw. 26. Juni 1997, aber schlug noch weitere Änderungen vor, worauf die Kommission am 10. November 1997 einen revidierten Vorschlag vorlegte37. Dieser Vorschlag wurde 1998 und 1999 im Rat intensiv und kontrovers diskutiert. Nachdem Querelen zwischen Spanien und dem Vereinigten Königreich beseitigt worden waren, gelang es dem Rat, am 9. Juni 2000 eine gemeinsame Position hinsichtlich der Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Richtlinie über Übernahmeangebote einzunehmen38. Es wurde erwartet, dass die Richtlinie im ersten Halbjahr 2001 vom Ministerrat und dem Parlament verabschiedet würde. Allerdings lehnte das Europäische Parlament die vorgeschlagenen Richtlinie am 4. Juli 2001 überraschend ab, d.h. erreichte bei einem Patt von 273:273 Stimmen (22 Enthaltungen) nicht die erforderliche Mehrheit39. Damit wurden 12 Jahre Verhandlungen und Arbeit zunichte gemacht. Die vorgeschlagene Richtlinie kam daher über das Entwurfstadium nicht hinaus. Sie wäre dann anwendbar gewesen, wenn die nach dem Recht eines Mitgliedstaates inkorporierte Gesellschaft Wertpapiere40 ausgegeben hat, die an einem geregelten Markt in einem oder mehreren Mitgliedstaaten zum Handel zugelassen sind41. In Art. 2 lit. (a) wurde klargestellt, dass das Übernahmeangebot einem Kontrollerwerb folgen oder einen solchen zum Ziel haben müsse. Damit wären gewisse Teilangebote sowie Rückkaufsangebote nicht unter die Richtlinie gefallen. Art. 5 der Richtlinie sah wieder ein Pflichtangebot vor42, von dem nur temporäre übergangsrechtliche Erleichtungen, aber keine eigentlichen Ausnahmen vorgesehen waren43. Art. 6 regelte die Informationen, die ein Bieter 37 38 39 40 41 42 9 COM 1997 (565) endg. Dok. (597PC0565; vgl. www.europa.eu.int/eur-lex). Interinstitutional File: 1995/0341 (COD) (8129/00). Abgedruckt in AG 2000 S. 296ff. Als Begründung wurden vor allem genannt, dass sich die vorgeschlagene Richtlinie zu wenig an das Prinzip der Subsidiarität halte, dass die Regelung über Verteidungsmassnahmen der Zielgesellschaft zu wenig Raum lasse und dass der Arbeitnehmerschutz ungenügend sei. Der Wortlaut der Bestimmung würde an sich im Gegensatz zum schweizerischen Recht auch Schuldpapiere umfassen (vgl. auch die englische Fassung, wo von „securities“ die Rede ist). Art. 1 der Richtlinie. Vgl. auch Art. 3 der Richtlinie mit Regelung der Zuständigkeit bei Auseinanderfallen von Sitz und Kotierung, wonach der Kotierung der Vorrang zukommen soll. Die im Entwurf des deutschen Übernahmegesetzes getroffene Regelung sieht dennoch deutsche Regelungszuständigkeit bei Sitz in Deutschland, aber Kotierung in einem anderen Staat vor (vgl. die Definition der Zielgesellschaft in § 2 (3) sowie die Definition des organisierten Marktes in § 2 (7) des Übernahmegesetzes. Nach letzterer Bestimmung gilt dies allerdings nur bei einer Kotierung in der EU oder im EWR). Die Mitgliedstaaten hätten danach einen bestimmten Prozentsatz der Stimmrechte festlegen sollen, bei dem sie die Kontrolle als erlangt ansehen. In der englischen Fassung hiess es: „Where a natural person or legal entity who, as a result of his own acquisition or the acquisition by persons acting in concert with him, holds securities of a company referred to in Article 1 (1) which, added to any existing holdings and the holdings of persons acting in concert with him, directly or indirectly give him a specified percentage of voting rights in that company, conferring on him the control of that company, Member States shall ensure that rules are in force which oblige this person to make a bid as a means to protect the minority shareholders of that company. This bid shall be addressed to all holders of securities for all their holdings at an equitable price.” hätte bereitstellen sollen. Nach Art. 6 (3) lit. (g) musste der Bieter unter anderem alle Bedingungen offenlegen, denen ein Angebot unterworfen ist. Es fanden sich in der Richtlinie jedoch keine Vorschriften an die Mitgliedstaaten über die Ausgestaltung solcher Bedingungen44. II. Das regulatorische Umfeld in der Schweiz 1. Die Anfänge mit dem Übernahmekodex Aus verschiedenen Gründen wurde das Phänomen des öffentlichen Kauf- oder Übernahmeangebotes in der Schweiz als regelungsbedürftig empfunden. Oft gelang es Bietern, durch Ausgestaltung ihrer Angebote einen grossen Abgabedruck auszuüben und gleichzeitig für die Angebotsadressaten kaum entscheidungsrelevante Informationen bereitzustellen. Der auf den Adressaten eines Angebotes lastende Abgabedruck verbunden mit ungenügender Information wurde als unbillig erachtet. Ebenso wurde bemängelt, dass sich die Publikumsaktionäre beim Verkauf des Mehrheitspaketes mit einem unter Umständen unliebsamen neuen Mehrheitsaktionär abfinden müssten. Zudem wurde beanstandet, dass die Minderheitsaktionäre sich oft mit einem geringeren Verkaufspreis als der Mehrheitsaktionär zufrieden geben müssten45. Schon im Jahre 1989 rief daher die damalige Vereinigung der Schweizer Börsen den sogenannten Übernahmekodex ins Leben46. Dieser Kodex stellte kein gesetzliches Regelwerk dar, sondern basierte auf der Selbstregulierung der Marktteilnehmer nach dem Vorbild des britischen City Code on Takeovers and Mergers. Der Kodex sollte die Lauterkeit, Transparenz und Gleichbehandlung bei öffentlichen Übernahmeangeboten sicherstellen. Der Kommission für Regulierungsfragen oblag es, über die Einhaltung der Bestimmungen des Kodex zu wachen, ohne jedoch ein Instrumentarium an obrigkeitlichen Zwangsmassnahmen zur Verfügung zu haben47. Der Übernahmekodex schärfte das Bewusstsein für die Belange der Anleger bei Übernahmen von kotierten Unternehmen und leistete so einen wichtigen Schritt in Richtung Investorenschutz. Die Kommission für Regulierungsfragen hat zudem zahlreiche, zum Teil noch heute wegweisende Entscheide gefällt. Dennoch 43 44 45 46 47 Insbesondere waren keine Ausnahmen bei bloss temporärem Überschreiten eines Schwellenwertes vorgesehen. Auch Bedingungen, denen ein Pflichtangebot unterworfen werden kann, wurden nicht erwähnt. Der Motor der europäischen Rechtsentwicklung könnte sich in Zukunft noch mehr auf das Forum of European Securities Commissions, kurz FESCO (www.europefesco.org) genannt, verschieben. Als fachkompetente Behörde und Verläuferin einer (möglichen) europäischen SEC dürfte sie sich als Wegbereiterin der Rechtsvereinheitlichung im Bereich des Börsenrechts etablieren. Eingehend zur Regelungsbedürftigkeit öffentlicher Übernahmeangebote und Kontrolltransaktionen, VON DER CRONE, Kontrolltransaktionen, S. 29ff. Eingehend dazu STRAZZER, S. 95-188. Vgl. BERNET S. 37 m.w.H. zu diesem inzwischen rechtsgeschichtlichen Phänomen. 10 wurde die Einhaltung des Kodex manchmal bewusst missachtet48 und seine Unzulänglichkeiten traten offen zutage49. Die Ansicht setzte sich durch, dass der Bereich der öffentlichen Übernahmeangebote gesetzlich normiert werden sollte50. Trotz der genannten Mängel haben sich der Kodex sowie die Praxis der Kommission für Regulierungsfragen sowohl für die Gesetzgebungsbestrebungen als auch für die heutige, auf gesetzlichen Pfeilern ruhende Praxis der Übernahmekommission als äusserst hilfreich erwiesen. 2. Die Regelung im Börsengesetz Erste Bestrebungen zur gesetzlichen Regelung von Übernahmeangeboten in der Schweiz gehen auf das Jahr 1988 zurück51. Eine im Juni 1990 durch das Eidgenössische Finanzdepartement eingesetzte Expertengruppe unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Alain Hirsch52 stellte bereits im März 1991 Bestimmungen zur Regelungen öffentlicher Kaufangebote im Rahmen des Entwurfes für ein Gesetz über die Börsen und den Effektenhandel vor. Lange Zeit war jedoch unklar, in welcher Form bzw. welchem Erlass diese Übernahmetechnik geregelt werden sollte53. Schliesslich wurden die Grundzüge der Bestimmungen über öffentlichen Kaufangebote im fünften Abschnitt des Bundesgesetzes über die Börsen- und den Effektenhandel54 (BEHG oder Börsengesetz) in den Artikeln 22 - 33 normiert. Weitere Detailbestimmungen finden sich in den zahlreichen Nebenerlassen des BEHG. Die vom Bundesrat erlassene Börsenverordnung55 (BEHV) enthält in den Art. 54 und 55 Bestimmungen über die Kraftloserklärung von Beteiligungspapieren, d.h. der "Enteignung" von verbleibenden Publikumsaktionären nach einem öffentlichen Kaufangebot56. Die von der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) erlassene Börsenverordnung57 (BEHV-EBK) regelt die Zwangs- bzw. Pflichtangebote in den Artikeln 24 - 43 (4. Kapitel). Die von der 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 11 Das prominenteste Beispiel einer solchen Missachtung dürfte der Fall Holderbank im Jahre 1997 gewesen sein (Holderbank Financière Glarus AG / Société Suisse de Ciment Portland SA; vgl. SZW 1998 S. 248 und 251f.). Vgl. Zur Kritik am Übernahmekodex HIRSCH, The Swiss Takeover Board, SZW Sondernummer 1997, S. 71. Vgl. Bericht Börsenwesen S. 58; BERNET S 57ff. und TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Vb Art. 22 BEHG N 1; Zum Regelungsbedarf generell VON DER CRONE, Kontrolltransaktionen, S. 40ff. Das Eidgenössische Finanzdepartement setzte eine Studiengruppe zur Prüfung der Regulierung schweizerischer Effektenbörsen ein und der damalige Ständerat Kaspar Villiger reichte einen parlamentarischen Vorstoss mit einem vorgeschlagenen Wortlaut zur Regelung von Übernahmeangeboten im Obligationenrecht ein (eingehend dazu FREI, S. 167ff.; BERNET S. 61ff.; vgl. auch die BOTSCHAFT S. 4ff.). Prof. Alain Hirsch (Genf) wurde nach Inkrafttreten des übernahmerechtlichen Teils des Börsengesetzes zum ersten Präsidenten der Übernahmekommission ernannt. Vgl. BOTSCHAFT, Ziff. 146, S. 12 und Ziff. 164, S. 21f.; ferner BÖCKLI, BJM 1998, S. 228 insbesondere FN 17. SR 954.1; Ausführlich zur Entstehungsgeschichte FREI, S.167ff.; BERNET, S. 61ff. SR 954.11. Heute meist als sogenannter "squeeze out" (wörtl. „Ausquetschung“) bezeichnet. SR 954.193. Kommission für öffentliche Kaufangebote (Übernahmekommission), einer bundesrechtlichen Spezialbehörde, erlassene Übernahmeverordung58 ist zur Gänze dem Phänomen der in Art. 2 lit. e BEHG definierten Kauf- bzw. Übernahmeangebote gewidmet. 3. Zielsetzungen der gesetzlichen Übernahmeregelung Das Börsengesetz regelt gemäss dessen Art. 1 die Voraussetzung für die Errichtung und den Betrieb von Börsen sowie für den gewerbsmässigen Handel mit Effekten, um für den Anleger Transparenz und Gleichbehandlung sicherzustellen. Es schafft zudem den Rahmen, um die Funktionsfähigkeit der Effektenmärkte zu gewährleisten59. Das BEHG ist somit grundsätzlich dem Schutz des Anlegers60 und dem Funktionsschutz der Effektenmärkte verpflichtet61. Auffällig ist jedoch, dass die in Art. 1 BEHG statuierte Zielsetzung der gesetzlichen Normierung nicht auf die öffentlichen Kaufangebote zugeschnitten ist62. Die „Voraussetzungen für die Errichtung und den Betrieb“ von Börsen und Effektenhandel haben nur insoweit etwas mit der Übernahmeregelung gemein, als eine Kategorie von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft eines öffentlichen Kaufangebotes an einer Börse kotiert sein muss. Auch die Funktionsfähigkeit der Effektenmärkte beschlägt nur indirekt den Regelungsbereich der öffentlichen Kaufangebote, werden diese doch nur selten über einen „Effektenmarkt“ bzw. eine Börse abgewickelt63. Der Botschaft des Bundesrates ist zu entnehmen, dass die Übernahmeregelung darauf abzielt, transparente und faire Konditionen für öffentliche Kaufangebote zu schaffen64. Ferner sollen bei einem Kaufangebot die wichtigsten Regeln der Lauterkeit, insbesondere das Prinzip der Gleichbehandlung, eingehalten werden65. Die Lauterkeit wird in Art. 28 lit. c BEHG als Zielsetzung für die Übernahmeregelung explizit erwähnt, indem die Übernahmekommission darin ermächtig wird, entsprechende Regeln aufzustellen66. Die Übernahmekommission hat gestützt auf Art. 28 lit. c in Verbindung mit Art. 1 BEHG in der Übernahmeverordnung (UEV) eine bereichsspezifische Zweckregelung getroffen. Nach de- 58 59 60 61 62 63 64 65 66 SR 954.195. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte des Zweckartikels (Art. 1 BEHG) BERNET, S 74ff. Vgl. statt vieler WATTER, Basler Kommentar, Art. 1 BEHG N 9. Ein Teil der Lehre will jedoch den Anlegerschutz lediglich als Vertrauenskollektivschutz verstanden wissen (KÜNG/HUBER/KUSTER, Kommentar BEHG, Zürich 1998, Art. 1 N 10). Vgl. dazu § 2 B I. So auch BERNET S. 74. Allerdings wird oft eine zweite Handelslinie errichtet, über die die bereits angedienten Aktien verkauft werden können. BOTSCHAFT Ziff. 164 S. 21. Ibidem. Vgl. HIRSCH, OPA, S. 40: „Pour les OPA, le principe de loyauté est expressément prévu à l’article 28 lettre c LBVM.“. 12 ren Art. 1 regelt die Übernahmeverordnung, wie die Lauterkeit und die Transparenz von öffentlichen Kaufangeboten sowie die Gleichbehandlung der Anleger sichergestellt werden können. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere der Hinweis auf die Lauterkeit von Angeboten. Dieses Element der Zielsetzung ist im Vergleich zu Transparenz und Gleichbehandlung sehr normativ geprägt. Die Zielsetzung der Lauterkeit geht nach der hier vertretenen Ansicht über die Gebote der Transparenz und der Gleichbehandlung hinaus und hat eigenständige Bedeutung67. Weder die Transparenz noch die Gleichbehandlung können sicherstellen, dass ein willkürlicher „Ausstieg“68 des Bieters von seinem Angebot oder eine vertraglich vorbehaltene negative Vertragsänderung69 verhindert wird oder dass das Angebot innert nützlicher Frist abgewickelt wird70. Durch das Gebot der Lauterkeit fliessen Erwägungen der „Vertragsgerechtigkeit“71 in den Übernahmevorgang mit ein72. Obwohl in Art. 1 UEV nicht ausdrücklich erwähnt, wird auch die Funktionsfähigkeit des Unternehmenskontrollmarktes73 als Zielsetzung der börsengesetzlichen Übernahmeregelung genannt74. Diese Zielsetzung findet allerdings keine explizite Erwähnung in den Materialien75. Das Ziel der Funktionsfähigkeit der Unternehmenskontrollmärkte sollte denn auch nicht überbewertet werden76. Es ging dem Gesetzgeber in den Worten der EBK lediglich darum, nicht ein „Übernahmeverhinderungsgesetz“ zu erlassen77. Die Kaufangebotsregelung sollte Übernahmen weder fördern noch verhindern78. Immerhin dürfte die Zielsetzung der Funktionsfähigkeit der Unternehmenskontrollmärkte für die Restriktion von Abwehrmassnahmen der Zielgesellschaft eine gewisse Bedeutung haben. Für die 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 13 Vgl. BÖCKLI, BJM 1998, S. 245f., der „Rechtseinhaltung und Fairness“ neben Transparenz und Gleichbehandlung als Grundregeln für den Bieter aufführt; gl.M. wohl auch HIRSCH, OPA, S. 40f.; Zweifelnd aber letztlich (pointiert) indifferent MEIER-SCHATZ, AJP 1998, S. 54. MEIER-SCHATZ erwägt immerhin das Lauterkeitsziel als Basis für gewisse Spezialregeln in der UEV anzusehen, namentlich die Regeln über die Bedingungen (Art. 13 UEV) und den Widerruf (Art. 16 UEV). A.A. offenbar FREI, der Gleichbehandlung und Lauterkeit gleichsetzt (FREI, S. 189). Vgl. Art. 13 und 16 UEV. Vgl. Art. 15 UEV. Vgl. Art. 9 Abs. 1 UEV und Art. 14 Abs. 6 UEV. Wie hier BÖCKLI, BJM 1998 S. 245f,, der allerdings anstatt des hehren und „alterthümlichen“ Begriffs der Vertragsgerechtigkeit das Wort Fairness verwendet. Vgl. § 4 C. II. und die dort erwähnte neuere Praxis der Übernahmekommission. Damit soll ein wirksamer und störungsfreier Wettbewerb um unternehmerische Kontrolle sichergestellt werden. VON DER CRONE, Offenlegung, S. 45f.; BERNET, S. 79; Art. 1 BEHG spricht nur von der Funktionsfähigkeit der Effektenmärkte als Regelungsziel. Wenn auch aller Voraussicht nach eine hohe positive Korrelation zwischen der Funktionsfähigkeit der Effektenmärkte und der Funktionsfähigkeit des Unternehmenskontrollmarktes besteht, so dürfen diese beiden „Fähigkeiten“ dennoch nicht miteinander verwechselt werden. So auch BERNET S. 79. So wird dieses Regelungsziel zum Beispiel bei MEIER-SCHATZ und KÖPFLI in Ausführungen zum Zweck der Übernahmeregelung nicht erwähnt (vgl. MEIER-SCHATZ, AJP 1998 S. 54; KÖPFLI S. 28f.). Vgl. die Erläuterungen zum Entwurf der Börsenverordnung der EBK vom 4. März 1996, S. 19. Vgl. BERNET S. 79 mit Hinweisen auf die Materialien; vgl. auch HIRSCH, OPA, S. 40. Verhaltens- und Offenlegungspflichten des Bieters, die auch volkswirtschaftlich erwünschte Übernahmen tendenziell verteuern und damit eher erschweren, dürfte diese Zielsetzung hingegen kaum von Relevanz sein79. 4. Rechtsnatur der Übernahmeregeln des BEHG Das BEHG zeichnet sich aus durch Disparität der Regelungsmaterie80. Es dürfte unbestritten sein, dass die Regelung der Bewilligungsvoraussetzungen für Börsen und Effektenhändler im BEHG als Gewerbepolizeirecht sowohl funktional wie auch formell öffentliches Recht darstellen81. Doch bereits die Verhaltensregeln für Effektenhändler, welche in Art. 11 BEHG niedergelegt sind, werden als Normen mit sowohl öffentlich-rechtlichem wie auch privatrechtlichem Charakter (sogenannte „Doppelnormen“) oder gar als reines Privatrecht im funktionellen Sinn qualifiziert82. Diese Hybride finden sich auch im Regelungsbereich der Übernahmeangebote. So wird insbesondere die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots nach Art. 32 BEHG als Doppelnorm bezeichnet83. Umstritten ist jedoch, ob die privatrechtlichen84 oder die öffentlich-rechtlichen85 Elemente dieser Norm überwiegen. Wie verhält es sich mit der Regelung öffentlicher Kaufangebote ausserhalb der Pflicht- oder Zwangsangebote? Verschiedene Kriterien können zur Abgrenzung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht verwendet werden86. Nach der hier am ehesten in Frage kommenden Interessentheorie liegt immer dann öffentliches Recht vor, wenn öffentliche Interessen betroffen sind. Dieser Ansatz ist relativ 79 80 81 82 83 84 85 86 Bei FREI finden sich z.B. zahlreiche BEHG-Bestimmungen, welche sich auf die Prinzipien der Transparenz und der Gleichbehandlung zurückführen lassen, aber keine die auf der Funktionsfähigkeit der Unternehmenskontrollmärkte beruht (FREI S. 188f.). Pointiert dazu MEIER-SCHATZ, AJP 1998 S. 49: „Die Schweiz verfügt damit (in dieser Form) über ein Unikat eines kapitalmarktrechtlichen Mischtopfes, der nunmehr unter dem (fast irreführenden) Rezepttitel „Börsengesetz“ vor sich hinkocht.“ BOTSCHAFT, Ziff. 13, S. 9; BÖCKLI, BJM 1998, S. 230. Vgl. ROTH, Effektenhändler, in MEIER-SCHATZ (Hrsg.), Das neue Börsengesetz der Schweiz, Bern/Stuttgart/Wien 1996, S. 74 mit einer Übersicht über die Lehrmeinungen; HERTIG/SCHUPPISSER, Basler Kommentar, Art. 11 BEHG N 8. VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 44ff; In diesem Sinne auch BÖCKLI, BJM 1998, S. 258/259; KÖPFLI, S. 277. VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 46, der den Minderheitsaktionären bei Vorliegen einer Angebotspflicht ein vor dem Zivilrichter klagbares Recht auf Unterbreitung einer Offerte (Abgabe einer Willenserklärung) einräumen will.; gl. M. KÖPFLI S. 276. BÖCKLI befürwortet dezidiert den öffentlichrechtlichen Charakter des mit der Angebotspflicht verbundenen Kontrahierungszwangs, den er als mit der aktienrechtlichen Mitgliedschaft völlig inkommensurabel bezeichnet. BÖCKLI lehnt ein klagbares Recht des Aktionärs auf Abgabe einer Offerte denn auch ab (BÖCKLI, BJM 1998, S.259/260); Zustimmend HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 59. In der Rechtswissenschaft wird unterschieden zwischen der Subordinations-, Interessen- und Funktionstheorie (vgl. dazu HÄFELIN/MÜLLER, N 208ff). Die Subordinationstheorie scheidet vorliegend aus, da sich nicht ein hoheitlich handelnder „Träger des Imperiums“ und ein Individuum, sondern lediglich (private) Individuen gegenüberstehen. 14 konturlos, lässt sich doch auch für die meisten Bereiche des Privatrechts – jedenfalls dort wo es um „Vertragsgerechtigkeit“ und den Schutz der schwächeren Partei geht87- ein „öffentliches Interesse“ anführen, ohne dass diese Bereiche deswegen als zum öffentlichen Recht zugehörig erachtet werden. Im Gegensatz zu weiten Teilen des Privatrechts und im Einklang mit Normen öffentlichen Rechts sind die übernahmerechtlichen Bestimmungen des BEHG meist zwingender, d.h. nicht dispositiver Natur. Allerdings sind die Rechtsfolgen bei einem Verstoss gegen eine solche zwingende Norm atypisch. Eine Nichtgenehmigung führt nicht etwa zur Nichtigkeit des Angebotes, sondern begründet nach Art. 26 BEHG lediglich ein Rücktrittsrecht des Veräusserers88. Die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden (Übernahmekommission und EBK) zur Beurteilung der Gesetzmässigkeit ist wiederum ein Indiz für die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben. Die Entscheidung dieser Behörden stellt jedoch lediglich eine Genehmigung oder Nicht-Genehmigung der vom Bieter vorgesehenen Vertragskonditionen dar. Dieser Vorgang ist vergleichbar, mit der Genehmigung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Versicherungen durch das zuständige Bundesamt89. Die Tatsache, dass genehmigt werden muss, stellt sicherlich einen aufsichtsrechtlichen Eingriff und somit öffentliches Recht dar. Vorschriften bezüglich Form und Inhalt von AGB oder des Vertragsschlusses ganz allgemein sind in ihrer Ausprägung als Genehmigungsvoraussetzung öffentliches Recht. In ihrer Ausprägung als Einschränkung der Vertragsfreiheit und somit in ihrer Wirkung auf die Vertragsgestaltung zwischen den Parteien jedoch (zumindest funktionell) privates Recht90. So gesehen sind die Bestimmungen über öffentliche Übernahmeangebote im Verhältnis zwischen Bieter und Adressat des Angebotes privatrechtliches und spezialgesetzliches Sondervertrags(schluss)recht91. 87 88 89 90 91 15 Z.B. im Mietrecht oder im Arbeitsrecht. Auch die obligationenrechtlichen Bestimmungen als Ausfluss des Äquivalenzprinzips (z.B. Art. 21 OR) könnten nach Interessentheorie als öffentliches Recht angesehen werden. Nach Art. 26 BEHG können die "Verkäufer" von Verträgen zurücktreten oder bereits abgewickelte Verkäufe rückgängig machen, wenn diese auf der Grundlage eines untersagten Angebotes abgeschlossen oder getätigt worden sind. Vgl. dazu die Ausführungen hinten § 6 C. GUHL/KOLLER S. 112, der von einer „präventiven Verwaltungskontrolle“ spricht. So wohl auch TSCHÄNI/OERTLE, welche bei Art. 26 BEHG internationales Privatrecht zur Anwendung kommen lassen wollen und sich somit indirekt für den Privatrechtscharakter (zumindest) dieser Norm aussprechen (TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 7). Vgl. zum Doppelcharakter der Normen des BEHG aus Sicht des IPR, VOSER S. 214 (basierend auf dem Vorentwurf). Vgl. Auch Art. 40aff. OR, welche zwar nicht spezialgesetzlich geregelt sind, aber ebenfalls Sondervertragsschlussrecht darstellen. Spezialgesetzlich geregelt ist beispielsweise der Vertragsschluss beim Versicherungsvertrag (vgl. Art. 1ff. VVG). D. Zuständigkeiten und Verfahren I. Die Übernahmekommission In Art. 23 BEHG findet sich die gesetzliche Grundlage für die Übernahmekommission92. Diese Kommission wird durch die EBK "bestellt" und setzt sich aus sachverständigen Vertretern der Effektenhändler, der kotierten Gesellschaften und der Anleger zusammen. Gemäss Art. 23 Abs. 2 BEHG überprüft die UEK die "Einhaltung der Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote im Einzelfall"93. Sie kann dazu von Anbieter und Zielgesellschaft Auskünfte und Unterlagen einfordern94 und von diesen Parteien auch Gebühren erheben95. Sie soll hingegen gemäss Art. 60 Abs. 4 UEV im Sinne der Verfahrensbeschleunigung grundsätzlich weder Zeugen einvernehmen, noch Gutachten einholen. Die Übernahmekommission ist eine unabhängige96 eidgenössische Spezialbehörde97. Sie kann bei einer zu beurteilenden Übernahme nicht Verfügungen erlassen oder Zwangsmittel einsetzen, sondern beschränkt sich auf den Erlass sogenannter "Empfehlungen"98. Die Empfehlungen der UEK stellen eine einseitige99, unverbindliche100, aber nach neuerer Ansicht de facto doch „quasi-verbindliche“101 Verhaltensanweisung an die Parteien dar, in denen sie sich zur Vereinbarkeit eines Angebotes mit dem Börsengesetz und dessen Verordnungen äussert. Gemäss Art. 4 UEV kann die Übernahmekommission „in besonderen Fällen Ausnahmen von einzelnen Bestimmungen“ der Übernahmeverordnung gewähren. Die Praxis 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 Eine gute Darstellung der Aufsichtsbehörden im Bereich öffentlicher Übernahmeangebote, deren Kompetenzen und Entscheidungen findet sich bereits bei KÖPFLI S. 255ff. und TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 23 BEHG N 1-29 (Übernahmekommission), womit vorliegend lediglich eine knappe Wiedergabe angezeigt ist. Zu den Gesuchen und Stellungnahmen an die Übernahmekommission im Bereich der Angebotspflicht vgl. KÖPFLI, S. 257f. Art. 23 Abs. 3 BEHG und Art. 59 Abs. 2 UEV. Art. 23 Abs. 5 und Art. 62 UEV. Gegenüber der EBK ist die UEK nicht weisungsgebunden. Vgl. dazu VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 57 FN 70, der sogar ein Unterordnungsverhältnis ablehnt, und daraus die Berechtigung der UEK herleitet, Verordnungen der EBK akzessorisch zu überprüfen. Vgl. Zum Ganzen SENN, Die Übernahmekommission nach Börsengesetz: Entstehung, Rechtsnatur, Organisation, Ausblick, AJP 1997, S. 1177ff.; HIRSCH, The Swiss Takeover Board, SZW Sondernummer 1997, S. 71ff. ; TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 23 BEHG N 1ff. mit kritischen Bemerkungen zur Unabhängigkeit der Mitglieder der UEK. Zu den Auskünften (Art. 57 UEV) oder Stellungnahmen (Art. 32 Abs. 1 BEHV-EBK) der Übernahmekommission vgl. KÖPFLI S. 285ff. Sie begründen namentlich keinen verwaltungsrechtlichen Vertrag (TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 23 BEHG N 26). SENN, AJP 1997, S. 1183. Vgl. Auch TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 23 BEHG N 14 – 15; Eingehend zur „Verhaltensanweisung“ als Untersagung hinten § 6 C. Vgl. VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 60 und KÖPFLI S. 271, der dies mit dem verwaltungsrechtlichen Vertrauensprinzip begründet. Die „Quasi-verbindlichkeit“ dürfte auch darin zu sehen sein, dass bei Nichteinhaltung der Empfehlungen eine Fortführung des Verfahrens sichergestellt ist und dies – bei gleicher Beurteilung durch die EBK – zu Sanktionen führen kann. 16 geht über diesen vergleichsweise engen Rahmen von Ausnahmen hinaus und lässt grosszügig Freistellungen von allen übernahmerechtlichen Bestimmungen zu, auch von den Bestimmungen des BEHG102. Werden die Empfehlungen abgelehnt103 oder missachtet, so meldet die UEK dies der Eidgenössischen Bankenkommission, welche befugt ist, in der Sache Verfügungen zu erlassen104. Da mit Bezug auf das Recht zur Erhebung von Gebühren in Art. 23 Abs. 5 BEHG nur die Anbieterin und die Zielgesellschaft erwähnt werden, scheint das Börsengesetz davon auszugehen, dass Individuen als Inhaber von Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft ihre Rechte nicht mittels Anrufen der UEK durchsetzen können. Auch Art. 53 der Übernahmeverordnung erwähnt nur den Anbieter und die mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnden Personen sowie die Zielgesellschaft als Parteien im Verfahren vor der Übernahmekommission. In Art. 54 UEV ist jedoch die Möglichkeit der Intervention weiterer Personen vorgesehen. Danach kann am Verfahren teilnehmen und Einwendungen vorbringen, wer ein „direktes berechtigtes Interesse“ geltend macht. Dazu gehören die in Art. 38 UEV erwähnten Personen mit qualifizierter Beteiligung an der Zielgesellschaft105. Aber auch die übrigen Aktionäre bzw. Inhaber von Beteiligungspapieren dürften an der Einhaltung der Bestimmungen der Übernahmeverordnung ein direktes berechtigtes Interesse haben106 , diesen sollte gestattet sein, einen gemeinsamen Vertreter vor der UEK zu benennen. Gemäss Art. 54 Abs. 3 können diese dem Verfahren beigetretenen Personen (Intervenienten) sich grundsätzlich nur schriftlich und gestützt auf öffentlich zugängliche Dokumente vernehmen lassen107. Die Übernahmekommission hat somit zwar zur Aufgabe, die Rechte der Gesamtheit der Verkäufer von Beteiligungspapieren zu schützen, soll aber nicht die individuellen Rechtsansprüche dieser Personen gegenüber dem Bieter oder der Zielgesellschaft beurteilen. Diese Aufgabe bleibt den Gerichten vorbehalten. 102 103 104 105 106 107 17 So z.B. beim Rückkauf eigener Aktien. Diese Praxis wurde von der Übernahmekammer der EBK im Entscheid Pharma Vision 2000 AG, BK Vision AG und Stillhalter Vision AG vom 4. März 1998 eingeleitet. Eine Ablehnung hat gemäss Art. 5 Abs. 1 UEV schriftlich innert fünf Börsentagen seit Zugang der Empfehlung zu erfolgen, ansonsten eine Empfehlung als genehmigt gilt. Art. 23 Abs. 4 BEHG. Art. 54 Abs. 2 UEV; vgl. z.B. die Empfehlung der UEK vom 6. Juni 2000 in Sachen Unaxis Holding AG / Esec Holding AG Bst. F. Ebenso SENN, Übernahmekommission, S. 1183, welche den Kreis der Intervenienten sogar auf Betriebsräte, Gewerkschaften und weitere Interessengruppen ausdehnen will, was m.E. abzulehnen ist. Vgl. Dazu TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 23 BEHG N 20, welche durch diese Beschränkung der Rechte Dritter eine Förderung der Zusammenarbeit zwischen Parteien und UEK erwarten. II. Übernahmekammer der Eidgenössischen Bankenkommission Im 6. Abschnitt des Börsengesetzes108 wird die Eidgenössische Bankenkommission als Aufsichtsbehörde für den gesamten im Börsengesetz geregelten Rechtsbereich festgelegt109. Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) hat für die Beurteilung von öffentlichen Kaufangeboten gemäss Art. 4-6 ihres Reglementes eine Übernahmekammer geschaffen. Die Übernahmekammer besteht aus dem Präsidenten bzw. der Präsidentin der EBK und zwei weiteren, von der EBK ernannten Mitgliedern. Die Übernahmekammer entscheidet in den in Art. 23 Abs. 4 BEHG vorgesehenen Fällen110, d.h. bei Ablehnung oder Missachtung von Empfehlungen der Übernahmekommission. Ferner entscheidet die Übernahmekammer der EBK, wenn sie selbst einen Entscheid fällen will111 oder die Übernahmekommission sie um eine Entscheidung ersucht112. Die Übernahmekammer der EBK entscheidet mit voller Kognitionsbefugnis in Rechts- und Tatfragen113. Sie kann die Empfehlung der UEK stützen, diese ganz oder teilweise aufheben oder einen Entscheid anderen Inhalts fällen114. Sie erlässt eine Verfügung und kann verwaltungsrechtliche Sanktionen zwecks Durchsetzung der Vorschriften der börsengesetzlichen Übernahmeregelung einsetzen. Die Entscheidungen der Übernahmekammer der EBK können mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden115. III. Zivilgerichte Angesichts der relativ umfassenden Zuständigkeit von UEK und EBK fragt es sich, ob den Zivilgerichten im Bereich der öffentlichen Kaufangebote ausser der explizit in Art. 33 BEHG vorgesehenen Zuständigkeit beim sogenannten „squeeze out“ noch Kompetenzen zur Rechtsprechung verbleiben. Die Aufgaben der genannten Behörden liegen bei der Einhaltung von gewissen Prinzipien der Fairness im Interesse der Anleger und eines funktionierenden Kapitalmarktes. Die 108 109 110 111 112 113 114 115 Art. 34-36 BEHG. Zum Werdegang und den Gründen der heutigen Aufsichtsordnung BERNET, S. 120f insbesondere FN 461. Art. 5 Abs. 1 EBK-Regl. Die EBK hat dies z.B. in Sachen LVMH Moët Hennessy Luis Vuitton SA / Tag Heuer International SA mit Verfügung vom 30. September 1999 sowie in Sachen Unaxis Holding AG / Esec Holding AG mit Verfügung vom 23. Juni 2000 getan. Art. 35 Abs. 3 lit. a. und c. BEHV-EBK. Vgl. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar BEHG, Art. 23 N 26. Vgl. die Verfügung der Übernahmekammer der EBK vom 30. September 1999 in Sachen LVMH Moët Hennessy Luis Vuitton / TAG Heuer International SA E. 1 b). Art. 39 BEHG. Das Bundesgericht muss sowohl eine behauptete Verletzung von Bundesrecht, als auch eine (behauptete) falsche Tatsachenfeststellung der EBK überprüfen (vgl. Art. 104 lit. a und lit. b OG), andernfalls entspräche das Verfahren nicht den Anforderungen von Art. 6 EMRK. Der Beschwerde dürfte jedoch nur in seltenen Fällen aufschiebende Wirkung zukommen (vgl. dazu POLEDNA, Basler Kommentar, Art. 39 BEHG N 12). 18 UEK und die Übernahmekammer befinden über die Zulässigkeit eines Angebotes, und entscheiden damit allenfalls indirekt bzw. vorfrageweise über individuelle Rechte oder Pflichten, sprechen damit aber nicht direkt individuelle Ansprüche zu. So werden weder UEK noch EBK über Ansprüche von Verkäufern von Beteiligungspapieren aus einer Rückabwicklung des Kaufes, Schadenersatz wegen Täuschung oder Klage auf Zahlung des Kaufpreises entscheiden. Dafür bleiben die Zivilgerichte zuständig116. In der Praxis wird daher jeweils eine Gerichtstandsklausel in den Angebotsprospekt aufgenommen. Exemplifiziert wird die Zuständigkeit der Zivilgerichte auch durch Art. 26 BEHG117. Nach dieser Bestimmung können die Verkäufer von Beteiligungspapieren unter anderem von Verträgen zurücktreten, wenn diese auf der Grundlage eines untersagten Angebots abgeschlossen worden sind. Die Willenserklärung des Verkäufers und nicht die Untersagung des Angebotes118 löst die Rückabwicklung des Vertrages aus, welche bei Weigerung des Bieters gerichtlich durchgesetzt werden muss119. Auch Art. 32 Abs. 7 BEHG behält für die Suspendierung des Stimmrechtes bei Missachtung der Angebotspflicht die Zuständigkeit des Zivilrichters vor120. Der Zivilrichter ist an die Auffassung der Übernahmekommission oder der Übernahmekammer der EBK nicht gebunden, da weder die UEK noch die EBK als Gericht im Sinne von Art. 6 EMRK angesehen werden können121. Der Richter kann also über die Zulässigkeit eines Angebotes, dessen Widerrufs etc. durch diese Behörden aufgrund eigener Sachverhaltsfeststellung und rechtlicher Würdigung urteilen, doch wird er nicht ohne Not von der Auffassung der sachkompetenten Behörde abweichen. Es wäre zu begrüssen, wenn der Zivilrichter – soweit im Rahmen der anwendbaren Prozessordnung zulässig - eine Stellungnahme der Übernahmekommission einholen würde, wenn er zivilrechtliche Ansprüche mit übernahmerechtlichen Vorfragen zu beurteilen hat. 116 117 118 119 120 121 19 Vgl. BRÜGGER/DUBS, SZW 2000, S. 73; Vgl. auch VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 46f.; KÖPFLI S. 258f. zur Frage der gerichtlichen Durchsetzung der Angebotspflicht. Zur Frage der internationalen Zuständigkeit und der Zulässigkeit von Gerichtstandsklauseln im Angebot vgl. hinten § 1 E. III. Vgl. auch die Detailbestimmung in Art. 6 UEV. Die Untersagung des Angebotes bedeutet daher nicht eo ipso die Nichtigkeit des Angebotes. Vgl. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 8 mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte. Gleicher Meinung offenbar TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. BEHG 26 N 7. Dazu ausführlich VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 47f. sowie KÖPFLI S. 282ff. Diese Suspendierung kann durch einen Aktionär, die Zielgesellschaft oder die Aufsichtsbehörde (nach VON DER CRONE handelt die Aufsichtsbehörde hierbei in Prozessstandschaft) beantragt werden. KÖPFLI, S. 275; a.A. HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 N 60. Vgl. dazu auch die Diskussion um die Vereinbarkeit des Takeover Panel mit dem britischen Human Rights Act (der Art. 6 EMRK ins nationale Recht übernimmt) im Guardian vom 4. Dezember 2000, Special Report: Human Rights in the UK). IV. Schiedsgerichte? Anstatt ein staatliches Gericht für die Beurteilung von Streitfragen aus einem öffentlichen Kaufangebot zu wählen, könnte es für die Parteien unter Umständen vorteilhafter sein, ein Schiedsgericht Streitfragen aus einem öffentlichen Kaufangebot beurteilen zu lassen. Selbstverständlich kann damit nicht die Zuständigkeit der schweizerischen Aufsichtsbehörden derogiert werden. Es fragt sich jedoch, ob der Bieter mittels entsprechender Ausgestaltung des Angebotsprospektes die staatlichen Zivilgerichte zugunsten von Schiedsgerichten ausschalten kann. Sofern ein internationaler Sachverhalt vorliegt122, ist für die Frage der Schiedsfähigkeit Art. 177 IPRG zu beachten. Danach kann jeder vermögensrechtliche Anspruch Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein123. Die Schiedsgerichtspraxis legt den Terminus extensiv aus124, womit praktisch alle Streitigkeiten im Rahmen von öffentlichen Kaufangeboten darunter fallen dürften. Die Beschränkungen der Prorogation sowie die zwingenden Gerichtsstände des OR und des IPRG sind, selbst wenn sie im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit zu beachten wären125, für den vorliegenden Regelungsbereich nicht von Relevanz. Damit kann festgehalten werden, dass ein Bieter im Rahmen eines öffentlichen Kaufangebotes Streitigkeiten aus diesem Angebot bzw. dem daraus entstehenden Vertrag der Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes unterstellen kann126. Zum praktisch gleichen Ergebnis gelangt man im übrigen auch bei Anwendbarkeit des Konkordates127. Ob es aus Sicht des Bieters zweckmässig ist, eine Schiedsklausel in den Angebotsprospekt aufzunehmen, ist eine andere Frage. Angesichts der Publizität des Angebotes und allfälligem Unbehagen seitens der Adressaten gegenüber ei- 122 123 124 125 126 127 Gemäss Art. 176 IPRG ist das der Schiedgerichtsbarkeit gewidmete 12. Kapitel des IPRG anwendbar, sofern beim Abschluss der Schiedsvereinbarung wenigstens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Schweiz hatte und ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz bestimmt wurde. Bei einem öffentlichen Kaufangebot bedeutet dies, dass das 12. Kapitel des IPRG nicht nur dann anwendbar ist, wenn der Bieter im Ausland domiziliert ist, sondern bereits dann, wenn unter den Inhabern von Beteiligungspapieren Personen mit Wohnsitz im Ausland zu finden sind. Dies ist praktisch immer der Fall. Ferner dürfen die Parteien die Anwendbarkeit des IPRG gemäss Art. 176 Abs. 2 IPRG nicht zugunsten der kantonalen Bestimmungen über die Schiedsgerichtsbarkeit ausgeschlossen haben, was vorliegend kaum von Relevanz ist. Zum Begriff VISCHER, Kommentar IPRG, Art. 177 N 1-9; BRINER, Kommentar IPRG, Art. 177 N 10; DUTOIT, Commentaire, Art. 177 N 2; LALIVE/POUDRET/RAYMOND, Art. 177 N 2, wonach es sich mehr um ein wirtschaftliches, denn um ein juristisches Kriterium handle. Vgl. DUTOIT (Art. 177 N 2) und LALIVE/POUDRET/RAYMOND (Art. 177 N2):“ ..toute cause qui présente un intérêt pécuniare, direct ou indirect, pour l’une au moins des parties“. So auch BRINER, Kommentar IPRG, Art. 177 N 11 mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte des Art. 177 IPRG. Ablehnend BRINER, Art. 177 N 12; Ebenso, soweit nicht ordre public widrig VISCHER, Art. 177 N 15 unter Hinweis auf BUCHER und BGE 118 II 357; LALIVE/POUDRET/RAYMOND, Art. 177 N 3. Es muss allerdings eine gültige Schiedsvereinbarung vorliegen (vgl. Art. 178 Abs. 1 IPRG). Art 5 des Konkordates sieht die Schiedsfähigkeit eines jeden Anspruchs vor, der der freien Verfügung der Parteien unterliegt. Vorbehalten bleiben, hier nicht interessierende, zwingende Zuständigkeiten staatlicher Gerichte (RÜEDE/HADENFELDT, S 48ff.). 20 nem Schiedsgericht, dürfte ein Bieter in dieser Hinsicht eher Zurückhaltung üben. V. Exkurs: Die Prüfstelle Erleichtert wird die Tätigkeit der Übernahmekommission dadurch, dass eine sogenannte Prüfstelle vor Veröffentlichung des Angebotes die Einhaltung der Bestimmungen des Börsengesetzes und dessen Verordnungen überprüfen muss128. Als Prüfstellen kommen von der Aufsichtsbehörde (EBK) anerkannte Revisionsstellen und Effektenhändler mit entsprechender Bewilligung in Betracht129. Die Prüfstellen müssen, von der von gewissen fachlichen Voraussetzungen abhängigen Anerkennung der bankengesetzlichen Revisionsstellen einmal abgesehen, keinen qualitativen Erfordernissen genügen130. Vor Veröffentlichung des Angebotes untersucht die Prüfstelle namentlich, ob der Angebotsprospekt vollständig und wahr ist, ob die Empfänger des Angebotes gleich behandelt werden und ob der Bieter grundsätzlich in der Lage ist, den Kauf der Beteiligungspapiere zu finanzieren131. Nach Veröffentlichung des Angebotes prüft die Prüfstelle, ob die gesetzlichen Bestimmungen (Meldung von Transaktionen, Veröffentlichung der Ergebnisse, ordnungsgemässe Abwicklung etc.) eingehalten wurden und erstellt einen Schlussbericht zuhanden der Übernahmekommission132. Die Prüfstelle soll demnach das Angebot auf seine Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Bestimmungen prüfen. Andere Dokumente von rechtlicher Bedeutung, wie zum Beispiel der Bericht des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft, sind nicht Bestandteil der Prüfung durch die Prüfstelle133. Der Beizug einer Prüfstelle ist bei der Durchführung eines Übernahmeangebotes zwingend vorgeschrieben. Die Prüfstelle hat vorwiegend beratende Funktion gegenüber ihrem Auftraggeber, doch soll sie gegenüber dem Bieter unabhängig sein134. Ihr Verhältnis zum Bieter sowie zu den anderen bei einem Übernahme- 128 129 130 131 132 133 134 21 Art. 25 BEHG. Art. 25 Abs. 1 BEHG und Art. 25 UEV. Vgl. Dazu TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 25 BEHG N 3 mit Hinweisen auf die Beweggründe für das Absehen von fachlichen Anforderungen. Angesichts des bei Übernahmeangeboten faktisch notwendigen Beizugs von Rechtsberatern und der Prüfung durch die Übernahmekommission, stellt sich die Frage, ob die Prüfstelle wirklich notwendig ist oder lediglich im Bestreben auf zusätzliche Einnahmequellen gewisser Kreise geschaffen wurde. Immerhin kann argumentiert werden, der Beizug einer Prüfstelle erleichtere die Aufgaben der Aufsichtsbehörde. Art. 26 UEV. Art. 27 UEV. Empfehlung der UEK vom 15.1.1999 in Sachen Deutsche Post/Danzas E.4.2. An die Unabhängigkeit der Prüfstelle werden keine hohen Anforderungen gestellt. So ist es zulässig, dass die den Bieter bei der Übernahme beratende Bank (oder Revisionsstelle) auch als Prüfstelle fungiert (vgl. die Empfehlung der UEK in Sachen Tsufa AG/Big Star Holding AG vom 7. April 2000 E. 5). Mit der Notwendigkeit einer Prüfstelle wollte der Gesetzgeber (vgl. BERICHT EXPERTENGRUPPE, Ziff. 352.3, S. 72ff. ; BOTSCHAFT Ziff. 25.3, S. 45) lediglich sicherstellen, dass der Bieter professio- angebot beteiligten Parteien ist privatrechtlicher Natur135. Wenngleich ihre Prüfungstätigkeit die Übernahmekommission unterstützt, kann sie als amica offerentis136 ohne Entscheidungsgewalt nicht eine neutrale, behördliche oder richterliche Prüfungsbehörde ersetzen. E. Internationale Abgrenzungen I. Internationaler Sachverhalt und Übernahmestatut Bei einem öffentlichen Kaufangebot kann ein internationaler Sachverhalt in verschiedensten Konstellationen auftreten. Aus der Perspektive einer in der Schweiz domizilierten Gesellschaft liegt sicher dann ein internationaler Sachverhalt vor, wenn der Bieter seinen Sitz im Ausland hat bzw. nach ausländischem Recht inkorporiert ist. Die weit schwierigere Frage stellt sich jedoch bezüglich des Sitzes der Adressaten des Angebotes. Nicht nur bei Börsenkotierung im Ausland, sondern selbst bei einer an der SWX kotierten schweizerischen Gesellschaft werden zahlreiche Inhaber von Beteiligungspapieren ihren Sitz bzw. Wohnsitz im Ausland haben. Bei jedem Übernahmeangebot, das einen Adressaten mit Sitz im Ausland involviert, liegt grundsätzlich ein internationaler Bezug vor. Fraglich ist allerdings, ob die Kollisionsnormen des jeweiligen Staates diesen internationalen Bezug als genügend relevant erachten, um ihn internationalprivatrechtlich zu regeln und dabei allenfalls von der Anwendbarkeit inländischen Rechts abzusehen. Dies hängt zum einen von der Rechtsordnung des betreffenden Staates ab, zum anderen aber auch von der anzuknüpfenden Rechtsfrage. Ob die Regelungszuständigkeit schweizerischer Aufsichtsbehörden bei Übernahme einer schweizerischen Gesellschaft mit teilweise im Ausland wohnhaften Aktionären durch eine andere schweizerische Gesellschaft gegeben ist oder ein schweizerischer Aktionär einer schweizerischen Gesellschaft den französischen Bieter in der Schweiz augrund einer Vertragsanfechtung wegen Irrtums einklagen kann, ist nicht dasselbe. Dies ergibt sich auch aus Überlegungen zur Rechts- und Gerichtsstandswahl. Klar dürfte sein, dass weder die Zuständigkeit schweizerischer Aufsichtsbehörden, noch deren Anwendbarkeit schweizerischen Rechts von den Parteien derogiert werden können137. Eine derart rigide einseitige Zuständigkeits- und Sachnormordnung dürfte sich aber kaum auf zivilrechtliche Auseinandersetzungen zwischen Bieter und Inhaber von Beteiligungspapieren übertragen lassen. 135 136 137 nell beraten wird, wofür der Beizug von fachlich versierten Wirtschaftsanwälten allerdings die beste Gewähr bietet. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 7. Sie handelt damit nicht als „amica curiae“ für die UEK oder andere Behörden oder Gerichte, auch wenn sie deren Aufgaben unter Umständen erleichtert. Vgl. dazu die Ausführungen in der nachfolgenden Ziffer. 22 Man hat es hier mit einer "Spaltung des Übernahmestatuts"138 zu tun: Die Überlagerung von Aufsichtsrecht und Privatrecht im Bereich der Übernahmeangebote sorgt nicht nur für unterschiedliche urteilende Behörden, sondern bringt - zumindest in der Schweiz - auch eine unterschiedliche kollisionsrechtliche Anknüpfung mit sich. Die Spaltung des Übernahmestatutes, d.h. die unterschiedlichen Kollisionsnormen für öffentliche Kaufangebote ergeben sich nach hier vertretener Ansicht nicht primär aus der von BRÜGGER/DUBS vorgenommenen Einteilung in Übernahmeangebots139-, Übernahmegesellschafts140- und Übernahmevertragsstatut141, sondern aus der Doppelnatur gewisser Rechtsnormen des Börsengesetzes. Ein und dieselbe Norm kann sowohl für die aufsichtsrechtlich zu genehmigende Zulässigkeit eines Angebotes, wie auch für die Ausgestaltung von Individualansprüchen der Beteiligten von Bedeutung sein142. Sofern sie als Norm des Aufsichtsrechts angewandt wird, was bei Verfahren vor UEK und EBK durchwegs der Fall sein wird, erübrigt sich der „Rückgriff“ auf Kollisionsnormen des internationalen Privatrechts143, welche aufgrund Art. 18 IPRG ohnehin wieder auf nationales Sachrecht (rück-)verweisen würden. Man kann die aufsichtsrechtliche Norm in diesem Falle als „Grenznorm“ oder „einseitige Kollisionsnorm“ auffassen. Sofern die Norm in ihrer Ausprägung als funktionales Privatrecht angerufen wird, was in der Regel vor Zivilgerichten der Fall sein wird, sind die Kollisionsnormen des IPRG für das Übernahmestatut anwendbar. Auch die Regeln über die Ausgestaltung des Übernahmeangebots und dessen Ablauf144 können in die- 138 139 140 141 142 143 144 23 Eine Spaltung des Übernahmestatuts wurde bereits von BRÜGGER/DUBS in SZW 2000, S. 74ff. propagiert und von MEIER-SCHATZ/GASSER in SZW 2000 S. 122 dezidiert abgelehnt. Wie nachfolgend ausgeführt, wird hier insofern ersterer Meinung gefolgt, als eine Spaltung des Übernahmestatuts befürwortet wird. Mit der zweiten Meinung hat der hier vorliegende Ansatz gemein, dass er eine Spaltung in Übernahmevertrags- und Übernahmeangebotsstatut ablehnt. Nach BRÜGGER/DUBS ist dieses Statut mit dem ablauftechnischen Vorgang des öffentlichen Kaufangebotes und mit dessen transaktionstechnischer Zulässigkeit befasst, wobei diese Fragen auch materiellrechtlichen Gehalt aufweisen können (z.B. die Regelung über die Bedingungen) (BRÜGGER/DUBS, SZW 2000 S. 77). Es handle sich dabei um Normen mit öffentlich-rechtlichem Charakter, welche nicht dem klassischen Privatrecht angehören (BRÜGGER/DUBS, SZW 2000 S. 75). Das Übernahmegesellschaftsstatut weist keine relevanten Berührungspunkte mit der in dieser Arbeit geschilderten Problematik auf und wird daher in den folgenden Bemerkungen ausgeklammert. Nach den Autoren ist die Reichweite (Regelungsumfang) dieses primär durch Rechtswahl bestimmten Statuts auf wenige Rechtsfragen begrenzt und erstreckt sich insbesondere auf Konsensfragen (BRÜGGER/DUBS, SZW 2000 S. 76). Ein Beispiel dafür sind die Gegenstand dieser Arbeit bildenden Bedingungen (vgl. dazu § 3). In diesem Sinne wohl auch MEIER-SCHATZ/GASSER, SZW 2000 S. 123. Viele dieser Normen weisen zudem „materiellen“ Gehalt auf. Vgl. zum Beispiel Art. 9 Abs. 1 UEV (Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots nach Voranmeldung), Art. 14 Abs. 6 UEV (Abwicklung innert 10 Börsentagen nach Ende der Nachfrist). Und auch die von BRÜGGER/DUBS als Verfahrensfragen bezeichneten Regeln normieren den gültigen Vertragsschluss, was durchaus auch als „materielle“ Frage bezeichnet werden kann. ser Hinsicht als funktionales Privatrecht angesehen werden145. Bei Vorliegen einer Zivilklage ist aber eine Aufspaltung in Übernahmevertrags- und Übernahmeangebotsstatut nicht empfehlenswert. Es darf für die Anküpfung keine Rolle spielen, ob die Rechtsgrundlage eines Anspruchs im BEHG146 oder im OR147 zu finden ist. Oft wird ein Kläger ohnehin Ansprüche aus beiden Rechtsgrundlagen kumulativ oder alternativ anrufen. II. Die Zuständigkeit schweizerischer Aufsichtsbehörden Beim internationalen Kapitalmarkt(aufsichts-)recht geht es in erster Linie um die Zuordnung von Regelungszuständigkeiten an Rechtsordnungen und Behörden148. In diesem öffentlich-rechtlich geprägten Umfeld sind vor allem einseitige Kollisions- und Grenznormen zu finden149. Dies sind Bestimmungen, die sich lediglich mit dem Anwendungsbereich der eigenen nationalen Rechtsordnung auseinandersetzen und - im Gegensatz etwa zum schweizerischen IPRG - sich zur Anwendung ausländischen Rechts nicht äussern150. Mit diesen einseitigen Kollisionsregeln verbunden ist die Tatsache, dass inländische Behörden sich grundsätzlich nur dann als zuständig erachten, wenn inländisches Aufsichtsrecht angewendet werden soll151. Man spricht in diesem Fall von Gleichlauf von forum und ius. Die Zuständigkeit von UEK und EBK folgt - aufgrund des geschilderten Gleichlaufs von forum und ius - der Anwendbarkeit des BEHG. Immer dann, wenn die UEK die Bestimmungen des BEHG über öffentliche Kaufangebote für anwendbar erachtet, wird sie Empfehlungen abgeben152. Die Anwendbarkeit der Übernahmeregelung des BEHG ist bereits in der Legaldefinition des "öffentlichen Kaufangebotes" in Art. 2 lit. e BEHG geregelt und wird in Art. 22 BEHG beim Geltungsbereich der Regeln über öffentliche Kaufangebote wiederholt. 145 146 147 148 149 150 151 152 Vgl. dazu die spezialgesetzliche Regelung im Versicherungsvertragsgesetz sowie die obligationenrechtliche Regelung des Vertragsschlusses in Art. 3ff. OR und das besondere „Vertragsschlussrecht“ in Art. 40aff. OR. Z.B. eine Verletzung der Mitwirkungspflicht für den Eintritt von Bedingungen nach Art. 13 Abs. 1 UEV. Z.B. die Fiktion des Eintritts der Bedingung bei deren Vereitelung durch eine Partei. SCHNYDER, Internationales Kapitalmarktrecht - Fragestellung, Regelungskonflikte, Koordination, ZSR 1996 (NF 115) I S. 152. SCHNYDER, S. 153; vgl. auch BRÜGGER/DUBS, SZW 2000 S. 77. Statt vieler SCHWANDER, N 132. SCHNYDER, S. 156; Vgl. dazu schon vor Inkrafttreten des BEHG SCHNYDER, Kollisionsrechtliche Fragen zu (grenzüberschreitenden) Übernahmen, in Kolloquium: Erwerb von Beteiligungen am Beispiel der öffentlichen Übernahmeangebote, Lausanne 1990 S. 627-629. Die inländischen Marktaufsichtsbehörden sind nach diesem Autor zur Durchführung eines Verfahrens zuständig, wenn sich „tatsächliche“ Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Vorschriften eines einschlägigen (Schutz-)Gesetzes anwendbar sind. Vgl. auch E. 3 (d) der Verfügung der EBK vom 30. September 1999 in Sachen LVHM Moët Hennessy Luis Vuitton / TAG Heuer International SA. 24 Danach sind die Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote anwendbar, wenn die Zielgesellschaft, d.h. die Gesellschaft auf deren Beteiligungspapiere sich ein Angebot bezieht, „schweizerisch“ ist und ihre Beteiligungspapiere mindestens teilweise an einer Börse in der Schweiz kotiert sind153. Um zu ermitteln, ob eine Gesellschaft "schweizerisch" ist, kann in erster Linie darauf abgestellt werden, ob die Zielgesellschaft nach schweizerischem Recht inkorporiert ist und damit ihren Sitz in der Schweiz hat154. Falls der rechtliche Sitz der in der Schweiz kotierten Zielgesellschaft sich im Ausland befindet, ihre Tätigkeit jedoch vorwiegend von der Schweiz aus geleitet wird, soll nach dem Entscheid der EBK in Sachen LVMH / TAG Heuer das Börsengesetz ebenfalls anwendbar und die schweizerischen Aufsichtsbehörden somit zuständig sein155. Die Zielgesellschaft muss ausserdem Beteiligungspapiere an einer Börse in der Schweiz kotiert haben. Die unter dem Börsengesetz vorgesehenen Aufsichtsorgane sind somit nicht zuständig, wenn eine schweizerische oder ausländische Gesellschaft oder Privatperson ein öffentliches Kaufangebot für Beteiligungspapiere einer Gesellschaft unterbreitet, welche nicht als schweizerisch im Sinne der Praxis der EBK angesehen wird oder nicht an einer Schweizer Börse kotiert ist156. Sie sind hingegen zuständig, wenn eine nach Schweizer Recht inkorporierte und hierzulande kotierte Gesellschaft157 bzw. deren Beteiligungspapiere Gegenstand eines Angebotes eines ausländischen Bieters ist. Im öffentlichen Recht, zu dem auch das Kapitalmarktaufsichtrecht gehört, gilt grundsätzlich das Territorialitätsprinzip. Danach kann öffentliches Recht nur auf dem Territorium desjenigen Staates Wirkungen entfalten, der es erlassen hat158. 153 154 155 156 157 158 25 Nach den Ausführungen von BRÜGGER/DUBS geht die EBK in der Verfügung vom 30. September 1999 in Sachen LVHM Moët Hennessy Luis Vuitton / TAG Heuer International SA davon aus, dass es sich bei Art. Art. 22 und Art. 2 lit. e BEHG um implizite lois d‘application immédiate im Sinne von Art. 18 IPRG handelt. Die Autoren berufen sich auf VOSER, wonach eine loi d’application immédiate als Sachnorm mit einer einseitigen, auf sie bezogenen Kollisionsnorm, durch die der Erlassgeber die Anwendung des inländischen Rechts sicherstellt, zu begreifen ist (BRÜGGER/DUBS, SZW 2000 S. 78). TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 22 BEHG N 6; KÜNG/HUBER/KUSTER, Kommentar BEHG, Art. 22 N 9; BERNET S. 110; NOBEL, Finanzmarktrecht, S. 527; MEIER-SCHATZ/GASSER, AJP 2000 S. 125f. mit eingehender Begründung. Entscheid der Übernahmekammer der EBK vom 30. September 1999 in Sachen LVHM Moët Hennessy Luis Vuitton / TAG Heuer International SA; vgl. dazu BRÜGGER/DUBS, Zum internationalen Anwendungsbereich der Übernahmeordnung, SZW 2000 S. 69ff. sowie MEIER-SCHATZ/GASSER, Zum räumlichen Anwendungsbereich der Übernahmeregeln-eine Kurzreplik, SZW 2000 S. 121ff. vor allem S. 125f. mit Kritik am Entscheid der EBK. Nach Art. 4 Abs. 2 (b) der geplanten (aber vorläufig gescheiterten) EU-Richtlinie sollte der Kotierung gegenüber dem Sitz der Vorrang zukommen: „If the securities of the offeree company are not admitted to trading on a regulated market in the Member State in which the company has its registered office, the authority competent for supervising the bid shall be that of the Member State on whose regulated market the securities of the company are admitted to trading”. Genaugenommen sind natürlich immer nur die Beteiligungspapiere der entsprechenden Gesellschaft kotiert. SCHAAD, Basler Kommentar, Art. 38 BEHG N 3; vgl. Auch WATTER/MALACRIDA, S. 139. Ein ausländischer Bieter, der die Bestimmungen des BEHG missachtet, könnte daher z.B. mangels Niederlassung in der Schweiz hierzulande nicht mit verwaltungsrechtlichen Sanktionen belegt werden. Die schweizerischen Behörden wären auf ausländische Amtshilfe gestützt auf Art. 38 BEHG angewiesen, deren Ergebnis angesichts der unterschiedlichen, z.T. auch (noch) fehlenden gesetzlichen Regelungen im europäischen Ausland sowie der unklaren Rechtslage bezüglich der Sanktionen in der Schweiz159 selbst höchst ungewiss wäre. III. Die Zuständigkeit schweizerischer Zivilgerichte 1. Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen a. Allgemeines Die Zuständigkeit der Übernahmekommission und der Übernahmekammer der EBK hat nicht zur Folge, dass Übernahmeangebote bzw. die dadurch begründeten Verträge der Beurteilung durch die Zivilgerichte entzogen wären. Zivilrechtliche Fragen wie beispielsweise Streitigkeiten um Zahlung des Kaufpreises, Anfechtung wegen Irrtums usw. bleiben nach wie vor den Zivilgerichten vorbehalten160. In der Praxis werden denn auch die Angebotsprospekte regelmässig mit Gerichtstandsklauseln versehen. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Klauseln bei Anwendbarkeit des BEHG überhaupt gültig vereinbart werden können und wenn ja, ob diese inhaltlich durch den Bieter beliebig festgelegt werden dürfen. Stünde das Festlegen des zuständigen Gerichtes im Belieben des Offerenten, könnte beispielsweise der ausländische Geschäftssitz des Bieters als Gerichtsstand bestimmt werden, womit den im Regelfall mehrheitlich in der Schweiz domizilierten Anlegern schweizerischer Gesellschaften ein schweizerischer Gerichtsstand entzogen würde. Im BEHG selbst finden sich keine Bestimmungen zur Frage des Gerichtsstandes bei Übernahmeangeboten. Es ist daher von den allgemeinen Regeln auszugehen. Bei Inlandsachverhalten sind diese im Bundesgesetz über den Gerichtsstand (GestG)161, bei Auslandsachverhalten im Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG) sowie im Lugano159 160 161 Vgl. § 6 C. Vgl. § I D.III. Gemäss Art. 9 des Gerichtsstandsgesetzes (GstG) kann für einen bestehenden oder einen künftigen Rechtsstreit über Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis eine Gerichtstandsvereinbarung getroffen werden, sofern das Gerichtsstandsgesetz keinen zwingenden Gerichtsstand dafür vorsieht. Bei Kauf-und Tauschverträgen sieht dieses Gesetz keinen zwingenden Gerichtsstand vor. Eine etwaige Sonderregelung für öffentliche Kaufangebote ist im Gerichtsstandsgesetz nicht enthalten. Der Bieter kann somit sein Angebot durch entsprechende Anmerkung im Angebotsprospekt mit einer Gerichtsstandsklausel ausstatten. Im nationalen Verhältnis, d.h. bei einem Angebot eines inländischen Bieters für eine inländische Gesellschaft kann und wird der Bieter auch einen inländischen Gerichtsstand wählen, so dass sich für die (schweizerischen) Angebotsadressaten die unbequeme Frage einer Klageeinreichung im Ausland nicht stellt. 26 Übereinkommen (LugÜ) verankert. Nur auf letztere soll nachfolgend eingegangen werden. b. Im Anwendungsbereich des LuganoÜbereinkommens Das LugÜ regelt die Frage der Zulässigkeit von Gerichtstandsvereinbaruneng in Art. 17. Diese Bestimmung ist ratione personae bereits dann anwendbar, wenn eine der Parteien ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat162. Ein grosser Teil der Lehre hält sogar dafür, Art. 17 LugÜ auch auf solche Auslandfälle anzuwenden, wo kein Zuständigkeitsbezug zu einem anderen Vertragsstaat besteht163. Vorausgesetzt die in Art. 17 LugÜ festgelegten Formerfordernisse seien erfüllt, können mit Ausnahme der in Art. 16 LugÜ verankerten "ausschliesslichen Zuständigkeiten" und im Rahmen der in Art. 1 LugÜ164 geregelten sachlichen Anwendbarkeitsvoraussetzungen des Übereinkommens beliebige Rechtsverhältnisse einer Gerichtstandsvereinbarung unterstellt werden. Zu prüfen ist daher, ob das Lugano-Übereinkommen auf öffentliche Kaufangebote ratione materiae überhaupt anwendbar ist und ob diese Kaufangebote nicht von einer ausschliesslichen Bestimmung des Art. 16 LugÜ erfasst werden. Gemäss Art. 1 Abs. 2 LugÜ sind "verwaltungsrechtliche Angelegenheiten" vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen. Der Ausnahmekatalog von Abs. 2 ist indessen restriktiv zu handhaben165. Es ist daher davon auszugehen, dass eine vor Zivilgerichten ausgetragene Streitigkeit zwischen zwei oder mehreren privaten Parteien aus einem Vertrag nicht als verwaltungsrechtliche Angelegenheit betrachtet wird, auch wenn gewisse Verwaltungsbehörden (wie UEK und EBK) über Fragen der Zulässigkeit der gewählten Vertrags-(schluss)bestimmungen zwingend zu entscheiden haben. Zu unterscheiden sind allerdings privatrechtliche Streitigkeiten aus einem Übernahmevertrag, in denen Privaten Rechte verbindlich zugesprochen oder aberkannt werden und die aufsichtsrechtlichen bzw. wirtschaftspolizeilichen Funktionen, welche von der Übernahmekommission und der EBK wahrgenommen werden. Wären UEK und 162 Umstritten ist indessen, in welchem Zeitpunkt (Abschluss der Vereinbarung oder Klageerhebung) diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (vgl. für eine Übersicht über den Meinungsstreit GEIMER/SCHÜTZE, Art. 17 N 25-28) und KROPHOLLER, Art. 17 N 11. 163 KROPHOLLER, Art. 17 N 4 -9 mit einer Übersicht über den Stand der Lehrmeinungen. 164 Danach findet das LugÜ grundsätzlich nur in Zivil- und Handelssachen, nicht aber in Steuer, Zollsowie anderen verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten Anwendung. Ausgenommen sind ebenfalls Fragen des Personenstandes sowie der Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie der Schiedsgerichtsbarkeit nebst weiteren hier nicht relevanten Rechtsbereichen (vgl. Art. 1 LugÜ ). Der Begriff der Zivil- und Handelssache wird konventionsautonom ausgelegt (vgl. zum Ganzen die Botschaft vom 21. Februar 1990, S. 18ff.). 165 Vgl. GEIMER/SCHÜTZE, Art. 1 N 38 m.w.H. auf EuGH 6.3.1980 Rs 120/79 - de Cavel/de Cavel, Slg. 1980, 731, welcher eine Unterhaltssache betraf. 27 EBK Sondergerichte166, welche über Ansprüche aus Übernahmeverträgen befinden, wäre das Lugano Übereinkommen wohl anwendbar. Diese Behörden handeln jedoch im Gegensatz zu Gerichten unabhängig von allfälligen Streitigkeiten zwischen den Parteien als „Hüter“ der Lauterkeit und des Funktionsschutzes bei Übernahmen und sind somit „verwaltungsrechtlich“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LugÜ tätig167. Im Verfahren vor UEK, EBK und vor dem Bundesgericht als höherer Instanz ist das LugÜ demnach trotz Irrelevanz der Art der Gerichtsbarkeit gemäss Art. 1 LugÜ nicht anwendbar. Es stellt sich jedoch immer noch die Frage, ob die Gerichtsstandsbestimmung des Lugano-Übereinkommens auf den vor Zivilgerichten auszutragenden Streitigkeiten aus Übernahmeverträgen anwendbar ist. Gemäss Art. 16 Ziff. 2 LugÜ ist eine zwingende ("ausschliessliche") Zuständigkeit am Sitz der Gesellschaft für gesellschaftsrechtliche Klagen vorgesehen. Diese Bestimmung ist jedoch beschränkt auf Streitigkeiten betreffend "die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Beschlüsse ihrer Organe"168. Laut Botschaft zum Lugano-Übereinkommen sind Verantwortlichkeitsklagen sowie "Klagen zugunsten von Minderheiten" vom Anwendungsbereich dieser zwingenden Bestimmung ausgenommen169. Im Bereich der öffentlichen Kaufangebote dürfte damit unbestritten sein, dass Streitigkeiten zwischen den Inhabern von Beteiligungspapieren einer Zielgesellschaft und dem Bieter nicht gesellschaftsrechtlicher Natur sind und somit auch nicht unter die Bestimmung von Art. 16 Ziff. 2 LugÜ fallen. Aber auch bei Auseinandersetzungen zwischen diesen Inhabern und der Zielgesellschaft wird man, sofern nicht Organbeschlüsse angefochten werden sollen, ebenfalls von der Anwendbarkeit von Art. 16 Abs. 2 absehen müssen170171. Im Rahmen der genannten Einschränkungen ist das Lugano-Übereinkommen daher auf die vor den Zivilgerichten ausgetragenen Streitigkeiten über ein öffentliches Kaufangebot nach Art. 2 lit. e BEHG anwendbar172. Zu beachten ist allerdings, dass die von Art. 17 LugÜ aufgestellten Formvorschriften eingehalten werden. Dafür dürfte es genügen, wenn die jeweils vom Bieter formulierte 166 167 168 169 170 171 172 Wie zum Beispiel Handels-, Arbeits- oder Mietgerichte. Nach der Praxis des EuGH ist massgebend, ob ein Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse besteht (vgl. KROPHOLLER, Art. 1 N 6ff. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH). Art. 16 Ziff. 2 LugÜ. Botschaft zum LugÜ vom 21. Februar 1990, S. 43/44; ferner SCHWANDER, Gerichtszuständigkeiten, S.90. Demgegenüber könnten Streitigkeiten zwischen Angebotsadressaten und der Zielgesellschaft wegen unzulässiger Abwehrmassnahmen unter Umständen als „gesellschaftsrechtlich“ angesehen werden. Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs des LugÜ ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 Ziff. 1 des Übereinkommens. Danach ist das LugÜ auf die Fragen der Rechts- und Handlungsfähigkeit von Personen nicht anwendbar. Insbesondere können nationale Prorogationsbeschränkungen der Anwendbarkeit von Art. 17 des Lugano-Übereinkommens nicht entgegengehalten werden (KROPHOLLER, Art. 17 N 19). 28 "Annahme- und Abtretungserklärung" durch die Inhaber der Beteiligungspapiere ausgefüllt wird173, welche auf die Bedingungen des Angebotsprospektes verweist174. Das Fehlen von zwingenden Gerichtsständen im Bereich der öffentlichen Kaufangebote unter dem Lugano-Übereinkommen bedeutet, dass der Bieter trotz Anwendbarkeit des BEHG einen ausländischen Gerichtstand für Streitigkeiten aufgrund seines Angebotes vorsehen kann175. Die Inhaber von Beteiligungspapieren sind bei einem Kaufangebot mit ausländischem Gerichtsstand einem gewissen Risiko ausgesetzt . Da der Bieter dem verwaltungsrechtlichen Zugriff der Schweizer Aufsichtsbehörden entzogen ist, müssen die in der Regel mehrheitlich schweizerischen Anleger hierzulande kotierter Gesellschaften z.B. zur Durchsetzung einer vertraglichen Rückabwicklung eine Klage vor dem ausländischen Richter einleiten. Damit besteht auch die Gefahr, dass die Bestimmungen des BEHG für nicht anwendbar erachtet werden176. c. Nach schweizerischem IPRG Art. 5 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) sieht vor, dass die Vereinbarung eines Gerichtstandes "für einen bestehenden oder zukünftigen Rechtsstreit über vermögensrechtliche Ansprüche aus einem bestimmten Rechtsverhältnis" zulässig ist. Der Terminus „vermögensrechtliche Ansprüche“ umfasst ganz allgemein geldwerte oder vermögenswerte Ansprüche im Gegensatz zu Statusfragen177. In gewissen, nicht sehr zahlreichen Fällen schreibt jedoch das IPRG selbst Ausnahmen zu dem in Art. 5 statuierten Grundsatz fest. So ist zum Beispiel bei öffentlicher Ausgabe von Beteiligungspapieren und von Anleihen zwingend das schweizerische Gericht am sogenannten Ausgabeort zuständig178. Diese Zuständigkeit kann durch eine Gerichtstandsvereinbarung nicht ausgeschlossen werden179. Diese, wie auch die anderen in der Literatur genannten Ausnahmen sind jedoch nach der hier vertretenen Ansicht nicht auf Streitigkeiten aus angeblich falschen Angaben in Prospekten im Rahmen eines öffentlichen 173 174 175 176 177 178 179 29 Die Unterschrift der Parteien ist zur Wahrung der Formerfordernisse von Art. 17 Abs. 1 lit. a LugÜ nicht erforderlich (GEIMER/SCHÜTZE, Art. 17 N 105 m.w.H.). Es ist namentlich kein ausdrücklicher Hinweis auf die Gerichtsstandsklausel erforderlich (vgl. EuGH 14.12.1976 Rs. 24/76, Estasis Salotti/Rüwa, Slg. 1976, 183; GEIMER/SCHÜTZE 17 N 86; KROPHOLLER, Art. 17 N 35). Offenbar gleicher Meinung TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 7. Zum Beispiel mit der Begründung, dass ausländisches öffentliches Recht keine Anwendung finde oder dass, falls die BEHG-Regelung als privatrechtlich qualifiziert wird, keine Rechtswahl zugunsten schweizerischen Rechtes stattgefunden habe und die Kollisionsregeln des entsprechenden Staats auf eine andere als die schweizerische Rechtsordung verweisen würden (vgl. auch den Hinweis bei TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 7). VOLKEN, IPRG Kommentar, Art. 5 N 11. Art. 151 Abs. 3 IPRG. Ibidem. Übernahmeangebotes anwendbar180. Eine prorogatio fori im Bereich der öffentlichen Kaufangebote ist daher auch bei Anwendbarkeit des BEHG zulässig und kann zur Zuständigkeit ausländischer Gerichte führen. 2. Gerichtsstand bei Fehlen einer Prorogation a. Zuständigkeit bei Anwendung des Lugano Übereinkommens Im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens gibt es für einen Kläger aus einem mittels einem öffentlichen Kaufangebot zustande gekommenen Vertrag bei Fehlen einer Gerichtswahl grundsätzlich zwei Anknüpfungspunkte zur Eruierung eines zuständigen Gerichts. Zum einen, und dies erscheint als selbstverständlich, kann er eine Klage einleiten bei den Gerichten des Staates, in denen der Beklagte seinen Wohnsitz181 hat182. Wäre dies der einzige Gerichtsstand, müssten Schweizerische Inhaber von Beteiligungspapieren einen ausländischen Bieter vor ausländischen Gerichten auf Bezahlung des Kaufpreises einklagen. Das Lugano-Übereinkommen bietet dem Kläger jedoch noch eine zweite Möglichkeit. Art. 5 Ziff. 1 LugÜ begründet bei Streitigkeiten aus Verträgen eine Zuständigkeit „vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“. Die in Art. 5 Ziff. 1 LugÜ gebrauchte Wendung „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ wird konventionsautonom ausgelegt183. Nach überwiegender Lehrmeinung fallen auch Ansprüche aus culpa in contrahendo unter Art. 5 Ziff. 1 LugÜ184, jedenfalls soweit es um die im übernahmerechtlichen Kontext relevanten Aspekte der Vertragsabschlussförderung und der Aufklärung geht185. Massgebend ist nach der Rechtsprechung des EuGH 180 181 182 183 184 185 Bei einem öffentlichen Kaufangebot werden keine Beteiligungspapiere ausgegeben, sondern „aus dem Markt genommen“. Dennoch könnte man sich fragen, ob nicht der in Art. 151 Abs. 3 zum Ausdruck kommende Schutzgedanke eine Analogie zum Angebotsprospekt bei Unternehmensübernahmen rechtfertigt. Dies ist m.E. abzulehnen, da der Inhaber von Beteiligungspapieren bei einem Verkauf seine Position liquidiert, d.h. Geld oder eine (in aller Regel) leicht liquidierbare Effekte erhält, während der Käufer von Beteiligungspapieren ein womöglich wertloses Finanzinstrument in der Hand hält. Der Schutz des Anlegers muss daher im Falle des Verkaufs von Effekten weniger ausgeprägt sein als im Falle des Kaufes. Ausserdem sollte Art. 151 Abs. 3 nicht extensiv interpretiert werden, da es im eurointernationalen Verhältnis einen vergleichbaren nationalen Vorbehalt ohnehin nicht mehr gibt (für enge Auslegung auch VON PLANTA, IPRG Kommentar, Art. 151 N 9). Der Begriff des Wohnsitzes oder Sitzes wird nicht vertragsautonom ausgelegt, sondern muss gemäss Art. 52 LugÜ nach der lex fori des angerufenen Gerichtes bestimmt werden. Art. 2 LugÜ. Vorausgesetzt ist gemäss dieser Bestimmung, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat des Lugano Übereinkommens hat. Vgl. statt vieler KROPHOLLER, Art. 5 N 5 m.w.H.; Vogel N 451ff.; vgl. auch BGE 122 III 45. DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Vol. III, Bern 1998 N 4531, BROGGINI, Zuständigkeit am Ort der Vertragserfüllung, St. Gallen 1990 S. 125; eingehend dazu und differenzierend VALLONI, S. 197ff. mit einer Übersicht über den Stand der Lehrmeinungen. Gl.M. mit Bezug auf Art. 112 IPRG AMSTUTZ/VOGT/WANG, Kommentar IPRG, Art. 112 N 5. Vgl. VALLONI S. 199 unter Verwendung der von JOACHIM FRICK ausgearbeiteten Fallgruppen. 30 der Erfüllungsort der eingeklagten Leistung186. Leider hat sich der EuGH bis heute nicht zu einer vertragsautonomen Auslegung dieses Begriffes durchringen können, sondern verweist auf die lex causae187. Das befasste Gericht hat somit das anwendbare Recht nach seinem Kollisionsrecht zu bestimmen und den Erfüllungsort - jedenfalls dann, wenn zwischen den Parteien keine Erfüllungsortvereinbarung getroffen worden ist188, nach dem so bestimmten Recht zu ermitteln189. Ein mit einer Klage konfrontiertes Schweizer Gericht hätte somit zuerst das anwendbare Recht nach dem IPRG zu eruieren. Bei Fehlen einer Rechtswahl und mangels Anwendbarkeit des Wiener Kaufrechtes190 untersteht der Vertrag gemäss Art. 117 Abs. 1 IPRG dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt. Abs. 2 dieses Artikels stellt die Vermutung auf, dass der engste Zusammenhang mit dem Staat besteht, in dem jene Partei, welche die charakteristische Leistung erbringen soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder – wenn der Vertrag im Rahmen der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Partei geschlossen wurde – in dem sich ihre Niederlassung befindet. Bei Veräusserungsverträgen wie zum Beispiel dem Kauf ist diese charakteristische Leistung gemäss Art. 117 Abs. lit. a IPRG die Leistung des Veräusserers191. Bei einer Klage von (mehreren) Verkäufern von Beteiligungspapieren einer kotierten Schwei186 187 188 189 190 191 31 Nicht etwa der Erfüllungsort für die vertragscharakteristische Leistung. VALLONI, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Lugano- und Brüsseler Übereinkommen, Zürich 1998, S. 227ff. mit zahlreichen Beispielen; GEIMER/SCHÜTZE (1997), Art. 5 N 55-58; Wird Schadenersatz wegen Vertragsverletzung geltend gemacht, ist der Erfüllungsort der ursprünglichen, (angeblich) nicht erfüllten Hauptverpflichtung massgebend (vgl. GEIMER/SCHÜTZE, Art. 5 N 59 m.H. auf die Rechtsprechung des EuGH. Diese Autoren bezeichnen die vom EuGH getroffene Kriterienwahl als Abstellen auf die „primäre Hauptpflicht“); DONZALLAZ, N 4568: L’obligation qui „sert de base pour l’action en justice“; vgl. EuGH 6.10.1976 in S. De Bloos/Bouyer, Rs 14/76. Vgl. dazu WALTER, S. 178 m.H. auf den EuGH Entscheid vom 6.10.1976 i.S. Tessili/Dunlop, Rs 12/76, Slg. 1976, 1473, bestätigt in EuGH vom 28.9.1999 i.S. GIE Groupe Concorde et al. / Kapitän des Schiffes Suhadiwarno Panjan et. al.; Rs C-440/97; KROPHOLLER (1996), Art. 5 N 16; GEIMER / SCHÜTZE (1997), Art. 5 N 63ff.; DONZALLAZ N 4664ff. Für ein solche Vereinbarung über den Erfüllungsort sind die Formvorschriften von Art. 17 LugÜ (Prorogation) nicht einzuhalten (vgl. EuGH 17.1.1980 i.S. Zelger/Salinitri, Rs 56/97, Slg. 1980, 89). Diese Rechtsprechung wurde allerdings in EuGH 20.2.1997 i.S. Mainschiffahrts-Genossenschaft e.G./Les Gravières Rhénanes SARL (Rs 106/95, EuZW 1997, S. 211) dahingehend relativiert, dass keine Umgehung der Vorschriften von Art. 17 LugÜ durch Vereinbarung eines (fiktiven) Erfüllungsorts vorgenommen werden dürfe. Vgl. auch BGE 122 III 43ff.; BGE 122 III 298ff. Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (SR 0.221.221.1; WKR). Gemäss Art. 1 Abs. 2 IPRG wäre dieses Übereinkommen vorrangig anwendbar. Gemäss dessen Art. 2 lit. D liegt der Kauf von Wertpapieren jedoch ausserhalb des Anwendungsbereichs des Wiener Kaufrechtes. Der Kauf von Beteiligungspapieren untersteht nicht dem Haager Übereinkommen vom 15. Juni 1955, auf das in Art. 118 IPRG für den Kauf beweglicher körperlicher Sachen verwiesen wird. Art. 1 Abs. 2 dieses Abkommens schliesst nämlich Käufverträge über Wertpapiere vom Anwendungsbereich ratione materiae aus. Daraus dürfte zu folgern sein, dass das in Art. 3 Abs. 3 dieses Übereinkommens vorgesehene Börsenstatut (Anwendbarkeit des Rechts des Landes, in dem sich die Börse befindet) nicht auf Wertpapierbörsen anwendbar ist. Ohnehin kann ein Übernahmeangebot nicht als Börsengeschäft im Sinne dieser Bestimmung betrachtet werden. zer Gesellschaft gegen den ausländischen Bieter auf Zahlung des Kaufpreises wäre daher der gewöhnliche Aufenthalt der klagenden Verkäufer entscheidend. Der Staat, in dem diese Verkäufer ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, lässt sich jedoch in den allermeisten Fällen nicht einheitlich festlegen, da die Investoren in Beteiligungspapiere, welche an einer Schweizer Börse gehandelt werden, im allgemeinen in mehreren verschiedenen Ländern zu lokalisieren sind192. Zur Lösung dieser Problematik könnte man verschiedene Kriterien heranziehen. Entweder könnte man auf das Recht des Staates abstellen, in dem die meisten Verkäufer oder die meisten Kläger ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder aber man könnte sich für das Recht jenes Staates entscheiden, in dem die Verkäufer oder darunter befindlichen Kläger mit den grössten Positionen an Beteiligungspapieren ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Alternativ und noch willkürlicher könnte man diejenige Rechtsordnung als massgebend erachten, in der der erste Kläger (so er feststellbar ist) seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Allen diesen Varianten haftet jedoch ein mehr oder minder grosses Mass an Willkür an. Sie stellen keine überzeugenden Lösungsansätze dar. Es ist daher zu erwägen, für die Anknüpfung auf den engsten Zusammenhang gemäss Art. 117 Abs. 1 abzustellen193. Dies rechtfertigt sich umso mehr, als Art. 117 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 lit. a auch bei Vorliegen eines Tauschvertrages194 zu keiner Lösung führt, da es bei diesem Vertragstypus in der Regel keine „charakteristische Leistung“ gibt195. Der engste Zusammenhang bzw. der „lien le plus étroit“ besteht bei einem öffentlichen Kaufangebot für Beteiligungspapiere von in der Schweiz kotierten schweizerischen Gesellschaften196 in den allermeisten Fällen mit der schweizerischen Rechtsordnung. Nicht nur wird der Bieter sein Angebot an den schweizerischen Rechtsvorschriften ausrichten, sondern er wird auch zur Vertragsabwicklung die Dienste schweizerischer Erfüllungsgehilfen (Banken und Effektenhändler) beanspruchen und hiesige Abwicklungstechniken 192 Dieser Lösungsansatz würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Zersplitterung des Übernahmevertragsstatutes führen (vgl. BRÜGGER/DUBS, SZW 2000, S. 76). 193 Gemäss überwiegender Lehre ist bei der Anknüpfung nach Art. 117 IPRG zunächst auf die charakteristische Leistung abzustellen. Erst in einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob mit einer anderen Rechtsordnung ein noch engerer Zusammenhang besteht (SCHWANDER, Einführung in das Internationale Privatrecht, Bd. II, Besonderer Teil, St. Gallen/Lachen 1997, S. 237 N 506; AMSTUTZ/VOGT/WANG, Basler Kommentar IPRG, Basel 1995, Art. 117 N 11 und 12 mit Diskussion der abweichenden Lehrmeinung HEINI’s.; KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, Art. 117 N 43). Wie hier im übernahmerechtlichen Kontext BRÜGGER/DUBS, SZW 2000 S. 76, die allerdings dem dieser Aussage unterworfenen „Übernahmevertragsstatut“ einen sehr engen Anwendungsbereich zuerkennen. 194 D.h. eines öffentlichen Angebotes zum Umtausch der Beteiligungspapiere in andere Effekten oder Sachwerte. 195 KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, IPRG-Kommentar, Zürich 1993, Art. 117 N 52; DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, Basel/Frankfurt 1997, Art. 117 N 11;Vgl. Auch SCHWANDER, N 512, der für eine individualisierte Lösung eintritt; Kritisch AMSTUTZ/VOGT/WANG, Art. 117 N 26. Gleicher Meinung im übernahmerechtlichen Kontext SCHNYDER, Übernahmen, S. 633. 196 Nur dann ist das BEHG gemäss Art. 2 lit. e anwendbar. 32 und –vorschriften197 einhalten müssen198. Es ist daher gerechtfertigt, bei Vorliegen eines öffentlichen Kaufangebotes auf eine in der Schweiz kotierte schweizerische Gesellschaft und bei Fehlen einer Rechtswahl von der Anwendbarkeit schweizerischen Rechtes auszugehen. Kommt man somit zur Anwendbarkeit schweizerischen Rechts, so wird der Erfüllungsort grundsätzlich199 gemäss schweizerischem Obligationenrecht bestimmt. Für die eingeklagte Kaufpreiszahlung würde dies bedeuten, dass gemäss Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR der Wohnsitz der Gläubiger der Kaufpreiszahlung, also der Wohnsitz der verkaufenden Aktionäre, massgebend ist. Nun stellt sich auch hier das Problem, dass vorliegend mehrere unterschiedliche Gläubiger in mehreren unterschiedlichen Ländern domiziliert sind. Ausserdem ist ohnehin vor der Anwendung dispositiver gesetzlicher Regelungen über den Erfüllungsort zu prüfen, ob die Parteien nicht eine Vereinbarung über den Erfüllungsort getroffen haben200. In der Tat werden bei öffentlichen Kaufangeboten für schweizerische Zielgesellschaften im Angebotsprospekt zumeist gewisse Banken oder Effektenhändler in der Schweiz als Annahme- Zahl- oder Umtauschstellen bezeichnet. Bei Annahme des Angebotes wird dies Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung über einen Erfüllungsort. Die Zahlstelle und nicht der Wohnsitz des Gläubigers ist daher als Erfüllungsort anzusehen. Damit befindet sich der Erfüllungsort in der Schweiz und die schweizerischen Gerichte am Sitz einer dieser Zahlstellen sind gemäss Art. 5 Ziff. 1 LugÜ bei Fehlen einer Prorogation zuständig201. Da der Erfüllungsort nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht zu ermitteln ist, welches wiederum von den Kollisionsregeln der lex fori bestimmen wird, kann selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein ausländisches Gericht nicht zum Ergebnis der Zuständigkeit schweizerischer Gerichte gelangt. Sofern das ausländische Urteil nicht mit dem BEHG zu vereinbaren ist, könnte dem ausländischen Entscheid womöglich die Anerkennung und Vollstreckung in der Schweiz gestützt auf Art. 17 IPRG versagt werden. 197 198 199 200 201 33 Auch die Beteiligungspapiere von in der Schweiz kotierten Gesellschaften lassen sich zumindest buchhalterisch in der zentralen Sammelverwahrungsstelle in der Schweiz lokalisieren. Vgl. dazu den grundlegenden Beitrag von SCHNYDER: Kollisionsrechtliche Fragen zu (grenzüberschreitenden) Übernahmen. Dieser Autor erwähnt (anstatt der charakteristischen Leistung) folgende Anknüpfungen: (1) Sitz der Gesellschaft, deren Anteile zur Übernahme stehen; (2) Ort, an dem die Übernahmeofferte erfolgt; (3) Ort der Börse, an der die Aktien kotiert wurden (zumeist auch Ort der Offerte); und (4) Sitz der Nomineebanken, bei denen Anteile einzureichen sind (vgl. auch VISCHER, Kolloquium, S. 657). Vorbehalten bleibt die Anwendbarkeit von Staatsverträgen wie dem Wiener Kaufrecht, vgl. BGE 122 III 46 und VALLONI S. 259 m.w.H. VALLONI S. 272, WALTER S. 179. Je nach Zahlstelle können auch hier noch unterschiedliche Gerichtsstände auftreten, wenn auch verglichen mit dem Wohnsitz des Gläubigers als Kriterium weit weniger. Angesichts der Individualität der jeweiligen Ansprüche könnte ein später angerufenes Gericht seine Zuständigkeit nicht wegen Rechtshängigkeit verneinen. Fraglich ist, ob Verfahren vor unterschiedlichen Gerichten vereinigt werden könnten, was zur Vermeidung widersprechender Urteile und aus prozessökonomischen Gründen zu befürworten ist. b. Zuständigkeit bei Anwendbarkeit IPRG Wenn die beklagte Partei ihren Wohnsitz bzw. Sitz nicht in einem Vertragsstaat des Lugano Übereinkommens hat202, entscheidet das internationale Zivilprozessrecht des mit der entsprechenden Klage befassten Gerichtes über die Zuständigkeit. In der Schweiz wiederholt Art. 112 Abs. 1 IPRG für Klagen aus Vertrag den bereits im Rahmen des LugÜ vorgesehenen Grundsatz des „actor sequitur forum rei“, stipuliert also einen Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten203. Die in Art. 112 IPRG erwähnten Klagen aus Vertrag umfassen grundsätzlich auch solche aus culpa in contrahendo204. Bei Fehlen einer Prorogation kann der Kläger bei einer Streitigkeit aus einem öffentlichen Kaufangebot daher am schweizerischen Wohnsitz oder Sitz der beklagten Partei Klage einleiten. Dies gilt zum Beispiel für einen Inhaber von Beteiligungspapieren mit Wohnsitz im Ausland, der einen schweizerischen Bieter einklagen möchte. Für den Kläger vorteilhafter wäre jedoch ein Gerichtsstand an seinem Wohnsitz bzw. Sitz oder zumindest in seinem Wohnsitzstaat. Diesem Anliegen kommt Art. 113 IPRG entgegen und stipuliert alternativ zum allgemeinen Gerichtsstand nach Art. 112 IPRG eine Zuständigkeit des schweizerischen Gerichtes am Erfüllungsort205. Es geht auch hier nicht um den Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung, sondern um jenen der eingeklagten bzw. strittigen Leistung206207. Eine Erfüllungsortvereinbarung wird – Rechtsmissbrauch vorbehalten - anerkannt208. Hat die Zahlung des Kaufpreises aus dem Übernahmeangebot in der Schweiz zu erfolgen, so kann der Verkäufer von Beteiligungspapieren sein Recht auf Zahlung hierzulande durchsetzen. Allerdings gilt auch hier, dass der Zahlungsort, so er sich lokalisieren lässt, durchaus an den Standorten von mehreren verschiedenen Finanzinstituten sein kann. Damit besteht die Gefahr unterschiedlicher Gerichtsstände und widersprechender Urteile, falls die Inhaber von Beteiligungspapieren an verschiedenen Erfüllungsorten klagen. Die später ange- 202 203 204 205 206 207 208 Zu den Ausnahmen von diesen (Nicht-)anwendbarkeitsvoraussetzungen SCHWANDER, Gerichtszuständigkeiten, S. 61ff. Bei Fehlen eines solchen stellt Art. 112 Abs. 1 IPRG alternativ auf den Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes ab. Für Klagen aufgrund der Tätigkeit einer Niederlassung in der Schweiz sind überdies die Gerichte am Ort der Niederlassung zuständig (Art. 112 Abs. 2 IPRG). Die Begriffe Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt und Niederlassung werden in Art. 20 Abs. 1 IPRG näher umschrieben. Ablehnend für Erhaltungs- und Obhutspflichten, AMSTUTZ/VOGT/WANG, Art. 112 N 5; FRICK, S. 157; BRANDENBERG BRANDL, S. 327 m.w.H. Diese Pflichten werden im übernahmerechtlichen Kontext – im Gegensatz etwa zu den vertragsähnlichen (und von Art. 112 IPRG erfassten) Aufklärungsoder „Vertragsabschlussförderungspflichten“ aber von untergeordneter Bedeutung sein. Die sich unter Art. 113 IPRG betreffend Anknüpfung und Auslegung des Begriffs „Erfüllungsort“ ergebenden Rechtsfragen sind mit den bereits unter Ziff. 5 Ziff. 1 LugÜ diskutierten vergleichbar, weshalb sich eine detaillierte Wiedergabe der Problematiken erübrigt. BRANDENBERG BRANDL, S. 272; KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, IPRG Kommentar, Art. 113 N 17; AMSTUTZ/VOGT/WANG, Art. 113 N 7 m.w.H. Umstritten ist, ob die Qualifikation des Erfüllungsortes lege fori oder lege causae vorzunehmen ist (vgl. AMSTUTZ/VOGT/WANG, Art. 113 N 13 mit einer Übersicht über das Schrifttum). Vgl. dazu AMSTUTZ/VOGT/WANG, Art. 113 N 15; BRANDENBERG BRANDL, S. 274. 34 rufenen Gerichte könnten wohl mangels Identität der Parteien nicht auf Litispendenz erkennen und ihre Zuständigkeit so ablehnen. Ausserdem ist bei gegebener schweizerischer Zuständigkeit nach IPRG die Vollstreckung des hierzulande ergangenen Urteils im Ausland noch ungewiss. IV. Das auf öffentliche Kaufangebote anwendbare Recht 1. Die Anwendbarkeit des BEHG im internationalen Verhältnis Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des BEHG im internationalen Verhältnis ergeben sich aus dem in Art. 22 BEHG festgelegten Geltungsbereich der Übernahmeregelung, der auch Eingang in die „Definition“ des öffentlichen Kaufangebotes in Art. 2 lit. e BEHG gefunden hat. Dieser internationale Anwendungsbereich der schweizerischen Übernahmeregeln fällt mit der bereits erörterten internationalen Zuständigkeit schweizerischer Aufsichtsbehörden zusammen, auf die hier verwiesen werden kann209. Wenn ein öffentliches Angebot im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG vorliegt, bedeutet dies jedoch nicht, dass schweizerische Zivilgerichte automatisch zuständig sind. Die Zuständigkeit der Gerichte richtet sich, wie erörtert, weiterhin nach dem IPRG bzw. dem Lugano-Übereinkommen. Ebensowenig wenden die nach IPRG oder LugÜ zuständigen schweizerischen oder ausländischen Gerichte bei Vorliegen eines öffentlichen Kaufangebotes nach Art. 2 lit. e BEHG eo ipso schweizerisches Recht an210. Es ist daher anhand der anwendbaren Kollisionsregeln zu prüfen, welches Recht anwendbar ist. 2. Das anwendbare Recht gemäss IPRG Unter der Annahme der Zuständigkeit schweizerischer Gerichte richtet sich das auf Streitigkeiten aus einem öffentlichen Kaufangebot anwendbare Recht nach dem durch das Schweizerische IPRG bezeichneten Vertragsstatut. Falls es nicht zur Unterbreitung eines Angebotes und somit nicht zum Vertragsschluss kommt, kann das Statut der culpa in contrahendo relevant sein211. In Sonderfällen, auf die jedoch hier nicht näher eingetreten wird, kann auch das Deliktsstatut eine Rolle spielen. Gemäss Art. 116 Abs. 1 IPRG untersteht der Vertrag grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht. Bei Fehlen einer Rechtswahl kommt Art. 117 209 210 211 35 Vgl. § 1 E II. Es handelt sich mit anderen Worten bei Art. 2 lit. e BEHG nicht um eine spezialgesetzliche Kollisionsnorm wie beispielsweise Art. 101b und 101c VVG. Grundlegend dazu JOACHIM FRICK, Culpa in contrahendo - Eine rechtsvergleichende und kollisionsrechtliche Studie, Diss. Zürich 1992. IPRG zur Anwendung, der auf die charakteristische Leistung bzw. den engsten Zusammenhang abstellt. Auch diese Problematik wurde bereits im Rahmen der Eruierung des anwendbaren Rechtes für die Bestimmung des Erfüllungsortes nach Art. 5 Ziff. 1 LugÜ erörtert212. An dieser Stelle soll daher nur noch auf die Rechtswahl (professio iuris) gemäss Art. 116 IPRG eingegangen werden soll. Die Zulässigkeit der Rechtswahl beurteilt sich nach der lex fori213. Bei Zuständigkeit eines schweizerischen Gerichtes ist Art. 116 IPRG anwendbar, wonach der Vertrag grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht untersteht. Dieser liberale Grundsatz erfährt Einschränkungen zum Schutz von schwächeren Vertragsparteien214, bei Unvereinbarkeit des gewählten ausländischen Rechtes mit dem schweizerischen Ordre Public215, bei Vorliegen von zwingend anwendbaren öffentlich-rechtlichen Normen gemäss Art. 18 IPRG (lois d’application immédiate) sowie bei ausländischen Eingriffsnormen gemäss Art. 19 IPRG 216. Zu prüfen ist daher, ob das BEHG unmittelbare Geltung im Sinne einer loi d’application immédiate nach Art. 18 IPRG217 beansprucht. Die von Art. 18 IPRG ins Auge gefassten Normen weisen eine besondere Beziehung zur staatlichen Ordnung auf und verlangen daher zu deren Durchsetzung auch Geltung bei Tatbeständen, die bei Anwendung der „normalen“ Kollisionsnormen ausländischem Recht unterstünden218. Als Beispiele für solche Normen nennt VISCHER neben Bestimmungen im Bereich des Grundstückserwerbs durch Ausländer, des Mieter- und Arbeitnehmerschutzes, des Strafrechts sowie der Versicherungsaufsicht auch die Regelung des Kartellrechtes219. VOSER erwähnt ausserdem das Anlagefondsgesetz sowie das damals allerdings erst im Vorentwurf vorliegende Börsengesetz220. Dieses beabsichtigt, einen wirksamen Anlegerschutz durch Transparenz, Gleichbehandlung und Lauterkeit beim Übernahmeangebot zu gewährleisten221. Diese öffentlichen Interessen machen auch vor der Durchsetzung von Individualansprüchen nicht Halt. Diese rechtspolitischen Ziele rechtfertigen meines Erachtens eine Anerkennung der Übernahmeregelung des Börsengesetzes als einer loi d’application immédiate im Sinne von Art. 18 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 Vgl. vorne § 1 E III / 2 a. AMSTUTZ/VOGT/WANG, Basler Kommentar, Art. 116 IPRG N 25; KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, Kommentar IPRG, Art. 116 N 36 und N 6. Zum Beispiel in Art. 120 Abs. 3 betreffend Konsumentenverträge. Art. 17 IPRG. AMSTUTZ/VOGT/WANG, Basler Kommentar, Art. 116 IPRG N 29. Vgl. dazu VOSER, Die Theorie der lois d’application immédiate im internationalen Privatrecht, Untersuchung zur zwingenden Anwendung von Bestimmungen schweizerischen Rechts gemäss Art. 18 IPRG, Basel/Frankfurt a.M. 1993. VISCHER, IPRG-Kommentar, Art. 18 N 2. VISCHER, IPRG Kommentar, Art. 18 N 12. Vgl. VOSER S. 214f. Vgl. § 1 C II.3. 36 IPRG222. Damit haben zumindest die schweizerischen Gerichte auch bei Wahl ausländischen Rechts das BEHG zu beachten223. Will man eine mögliche Aufspaltung des Übernahmestatutes vermeiden, muss sich die loi d’application immédiate nicht nur auf die Bestimmungen des BEHG, sondern auch auf die ergänzend anwendbaren obligationenrechtlichen Normen beziehen224. 222 223 224 37 Vgl. dazu auch Ziff. 294.41 der Botschaft zu Art. 156 IPRG (Art. 151 E-IPRG): "Die Haftung aus der öffentlichen Ausgabe von Beteiligungspapieren und Anleihen mittels Prospekten, Zirkularen und ähnlichen Kundgebungen richtet sich primär nach dem Gesellschaftsstatut. Im Interesse der Personen, die auf Grund solcher öffentlicher Kundgebungen Beteiligungspapiere erwerben oder Anleihen zeichnen, soll allerdings alternativ auch das Recht des Staates angerufen werden können, in dem die Ausgabe erfolgt ist (Art. 151). Diese alternative Anknüpfung rechtfertigt sich schon aus der Natur der Schutz- und Publizitätsvorschriften des Ausgabestaates, welchen oft Ordre-public-Charakter zukommt." (Hervorhebung durch Verfasser); vgl. ferner SCHNYDER, Übernahmen, S. 637.; VOSER, S. 125; vgl. auch BRÜGGER/DUBS, SZW 2000 S. 78: „Es gilt allgemein als anerkannt, dass Normen des Kapitalmarktrechts, inbesondere des Börsenrechts, der Anknüpfungsmethode von Art. 18 IPRG unterliegen können und insofern einen Anwendungsfall von Normen mit loi d’application immédiateCharakter darstellen können“. Vgl. VOSER S. 258 mit zahlreichen weiteren Hinweisen (u.a. auf die Resolution des Institut de Droit international). Betrachtet man die subsidär auf das öffentliche Kaufangebot anwendbaren Bestimmungen des Obligationenrechtes nicht als zu dem mit „loi d’application immédiate“-Gewalt ausgestatteten börsengesetzlichen Übernahmestatut, kommt es zu der von BRÜGGER/DUBS dargestellten Spaltung in Übernahmevertrags- und Übernahmeangebotsstatut (BRÜGGER/DUBS, SZW 2000 S. 75). Dies könnte angesichts der Lückenhaftigkeit des Börsenvertragsrechts im BEHG (vgl. § 3 und 4 hinten) zu sehr unbefriedigenden Ergebnissen führen. § 2 Vertragsschluss mittels bedingtem öffentlichem Kaufangebot A. Das Kaufangebot aus vertragsrechtlicher Sicht I. Besonderheiten des Vertrags(-schlusses) Ein öffentliches Kaufangebot bezweckt fast immer den Abschluss eines Veräusserungsvertrages225 über Aktien oder andere Beteiligungspapiere226. Aus diesem Grund wird das Kaufangebot vertragstechnisch im allgemeinen als Antrag zum Vertragsschluss ausgestaltet, der durch Akzept des Inhabers von Beteiligungspapieren angenommen werden kann. Der Bieter unterbreitet seinen Antrag zum Vertragsschluss einer grossen oder gar sehr grossen Anzahl von Personen, die durch ihre Rechte an Beteiligungspapieren einer Gesellschaft bestimmt werden. Er verwendet dabei gleichlautende, von ihm verfasste Vertragskonditionen. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Angebotsadressaten beschränken sich auf die Festlegung der Anzahl von ihnen zu veräussernden Beteiligungspapieren. Diese 225 226 Es handelt sich dabei in aller Regel um Kauf oder Tauschverträge. Denkbar sind aber auch Verträge, welche von vornherein keine permanente Verschiebung von Eigentumsrechten nach sich ziehen und daher nicht als Veräusserungsverträge bezeichnet werden können (z.B. Darlehensverträge; REUTTER AJP 1999, S. 1097 ). Ein öffentliches Kaufangebot bezweckt den Abschluss mehrerer Veräusserungsverträge, also von vollkommen zweiseitigen Rechtsgeschäften zwischen dem Bieter einerseits und mehreren Inhabern von Beteiligungspapieren andererseits. Die in Art. 8 OR geregelte Auslobung besteht demgegenüber in einem einseitigen, öffentlichen Versprechen zugunsten unbestimmter Personen, durch das sich der Versprechende bei Vornahme einer gewissen Leistung zu einer Belohnung verpflichtet (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 1041; KOLLER N 1700: "Aussetzung einer Belohnung für die Vornahme einer Leistung durch öffentliche Bekanntmachung”). Nach der heute überwiegenden Versprechens- bzw. Pollizitationstheorie (Vgl. die Übersicht bei SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 8 OR N 12) stellt die Auslobung keinen Antrag zum Vertragsschluss dar, sondern ist ein selbständiges, einseitiges Rechtsgeschäft, das durch Erbringung der auslobungsgemäss entrichteten Leistung bedingt ist. Im Unterschied zu einem Veräusserungsvertrag wird durch die Belohnung bei der Auslobung im allgemeinen nicht die Eigentumsverschaffung an einer Sache entgolten (z.B. der Wert des verlorenen Hundes), sondern die entsprechende Dienstleistung (z.B. das Finden des Hundes). Nach Art. 8 Abs. 2 OR kann der Auslobende zudem jederzeit von seinem Versprechen Abstand nehmen (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 8 N 18; KOLLER N 1712), hat allerdings demjenigen, der auf Grund der Auskündigung in guten Treuen Aufwendungen gemacht hat, bis höchstens zum Betrag der ausgesetzten Belohnung Ersatz zu leisten, sofern der Auslobende dieser Person nicht beweist, dass ihr die Leistung nicht gelungen wäre. Das Widerrufsrecht des Auslobenden, der nach herrschender Ansicht fehlende Vertragscharakter, wie auch die Tatsache, dass mit der Auslobung das Erbringen einer Dienstleistung und nicht die Eigentumsverschaffung entgolten werden soll, sprechen somit gegen eine Qualifizierung eines öffentlichen Kaufangebotes als Auslobung im Sinne von Art. 8 OR. 38 Umstände führen zur Frage, ob öffentliche Kaufangebote allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen und somit auch wie diese auszulegen sind227. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass wichtige Elemente des Vertrages im Angebot des Bieters nicht definiert sind. Wo der Bieter keinen Zugang zum Aktienregister der Zielgesellschaft hat228 oder wo es kein solches gibt, kennt er die Angebotsadressaten und damit seine Vertragspartner nicht einmal. Diese sind dann lediglich der depotführenden Bank bekannt229, welche für den veräussernden Inhaber von Beteiligungspapieren gegenüber dem Bieter auftritt. Es fragt sich somit, wie dieser Umstand den Vertragsnexus zwischen Veräusserer, Bank und Bieter beeinflusst. Kann es unter diesen Umständen ein direktes Kontrahieren zwischen Bieter und Angebotsadressaten geben? Welche Rolle kommt den Banken oder generell den Finanzinstituten bei der Abwicklung der Übernahmetransaktion zu230? Besondere Implikationen bringt das öffentliche Kaufangebot auch für die Veräusserer, die mit dem Bieter einen – bis auf die Identität der Parteien und die Anzahl Beteiligungspapiere – identischen Vertrag abschliessen. Rechtlich gesehen ist jeder Vertrag grundsätzlich unabhängig und separat zu behandeln. Inwieweit soll dieser Grundsatz angesichts der Probleme kollektiven Handelns auf seiten der veräussernden Inhaber von Beteiligungspapieren aufrechterhalten werden? Es ist offensichtlich, dass sich die Angebotsadressaten, die sich in der Regel nicht kennen, bei einem Angebot Problemen der Kommunikation und Koordination ausgesetzt sind, was deren Position tendenziell schwächt. Im Gegensatz beispielsweise zur Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen wurden für die Adressaten eines Kaufangebotes keine „governance“ Regeln gesetzlich festgelegt231. Im Hinblick auf das den Veräusserern nach Art. 26 BEHG zustehende Rücktrittsrecht, dessen individuelle Geltendmachung problematisch ist, wären solche „governance“ Regeln durchaus denkbar gewesen. Auch prozessual hätten die Probleme kollektiven Handelns gemindert werden können232. Eine Durchbrechung des Grundsatzes der getrennten rechtlichen Behandlung separater Verträ227 228 229 230 231 232 39 Vgl. II. hinten. Selbst wo der Bieter Zugang zum Aktienregister hat, wird er angesichts der hohen Dispobestände schweizerischer Publikumsgesellschaften eine grosse Zahl von Aktionären nicht kennen. Dies gilt nicht für die Heimverwahrer von Inhaberaktien, welche dem Bankensystem im Prinzip nicht bekannt sind. Vgl. III. hinten. Die Gläubiger von Anleihensobligationen bilden nach Art. 1157 OR von Gesetzes wegen eine Gläubigergemeinschaft, welche nach Art. 1158 OR einen Vertreter bestellen und gemäss Art. 1164 OR Versammlungen abhalten kann. Der Grund für das Fehlen einer vergleichbaren Regelung bei öffentlichen Kaufangeboten ist wohl in der kurzfristigen Natur der „Gemeinschaft“ von Angebotsadressaten und an dem tendenziell geringeren Schädigungspotential für den Investor bei Verkauf (nicht aber bei Tausch) eines Wertpapiers im Vergleich zu einem Kauf zu suchen. Zum Beispiel durch das in der Schweiz eher unpopuläre Institut der Sammelklage. Immerhin wird durch die Existenz von Aufsichtsbehörden und deren Kompetenzen das Ungleichgewicht zwischen Bieter und Angebotsadressaten etwas nivelliert. Allerdings bleiben wichtige Fragen der Beurteilung durch UEK und EBK entzogen. ge kann gleichwohl mangels gesetzlicher Grundlage nicht vorgenommen werden. Dies bedeutet unter anderem, dass Gestaltungsrechte wie das Rücktrittsrecht oder die Vertragsanfechtung aufgrund von Willensmängeln immer individuell geltend gemacht werden müssen. Immerhin kann man sich fragen, ob als Kompensation für die Probleme kollektiven Handelns auf Seiten der Adressaten eine subjektivierte Auslegung des Kaufangebotes Platz greifen sollte. Dies ist m.E. abzulehnen, da die Gebote der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung233 eine möglichst einheitliche Behandlung aller aus dem Kaufangebot entstandenen Veräusserungsverträge verlangen. II. Kaufangebot und Allgemeine Geschäftsbedingungen Gegenüber einem herkömmlichen Vertragsschluss zwischen zwei oder mehreren Kontrahenten weist ein Vertragsschluss durch öffentliches Kaufangebot einige Besonderheiten auf, die vor allem dadurch begründet sind, dass der Bieter einer Vielzahl von Gegenparteien gegenübersteht. Ein individuelles Kontrahieren ist damit in aller Regel verunmöglicht; ebenso eine Absprache oder Koordination auf Seiten der Empfänger des Angebotes. Damit weist ein Vertragsschluss mittels öffentlichem Kaufangebot Ähnlichkeiten mit dem Kontrahieren unter Benutzung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)234 auf235. Doch sind auch die Unterschiede nicht zu übersehen. In zeitlicher Hinsicht ist anzumerken, dass das öffentliche Kaufangebot in der Regel allen Adressaten gleichzeitig unterbreitet wird, während der klassische Vertragsabschluss mittels AGB (z.B. bei Abschluss von Versicherungsverträgen oder Eröffnung von Bankkonten) im Laufe der Zeit immer wieder stattfindet. Während also das Kaufangebot grundsätzlich ein auf der Zeitachse einmaliges Ereignis darstellt, ist der herkömmliche Vertragsabschluss mittels AGB repetitiv236. Noch wichtiger als die „Einmaligkeit“ oder „Mehrmaligkeit“ in zeitlicher Hinsicht erscheint die Tatsache, dass es beim Vertragsschluss mit AGB noch eine, wenn auch in der Regel wenig umfangreiche, individuelle Vereinbarung gibt237, welche auf die AGB verweist, 233 234 235 236 237 Vgl. Art. 1 BEHG und Art. 1 UEV. Den nachfolgenden Bemerkungen ist das Begriffsverständnis von § 1 Abs. 1 des deutschen AGBG vorausgesetzt. Nach dieser Norm sind allgemeine Geschäftsbedingungen „alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äusserlich gesonderten Bestandteil des Vertrages bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat.“ Für einen Überblick über die kaum mehr zu bewältigende Literatur zum Thema der AGB siehe GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 1116-1117a. „Die AGB erfüllen so eine allgemein positiv bewertete „Rationalisierungsfunktion“: Sind – wie etwa im Bank- oder Versicherungswesen, aber auch in anderen Bereichen der „Daseinsvorsorge“ – massenhaft, von der Interessenlage der Parteien aus betrachtet weitgehend identische, repetitive Verträge zu schliessen, so wäre es ausserordentlich misslich, wenn von Fall zu Fall jeder Vertragsschluss immer wieder neu ausformuliert werden müsste..“, KRAMER, Berner Kommentar, Art. 1 N 177. Vgl. dazu KRAMER, Berner Kommentar, Art. 1 N 176. 40 während diese individuelle Vereinbarung beim öffentlichen Kaufangebot fehlt. Da Preis bzw. Umtauschverhältnis und Kaufobjekt bereits im Angebotsprospekt spezifiziert sind238, bedarf es zur „Individualisierung“ lediglich noch der Anzahl von Beteiligungspapieren, welche deren Inhaber zu veräussern bereit ist. Diese Zahl wird in der Regel in der Annahmeerklärung des Inhabers von Beteiligungspapieren festgelegt239. Somit werden auch bei einem öffentlichen Kaufangebot vorformulierte und standardisierte Vertragsklauseln zum Vertragsbestandteil gemacht. Es gibt zwar keine, von beiden Parteien unterzeichnete individuelle Vereinbarung, welche auf den Angebotsprospekt verweist. Doch nimmt die ebenso vom Bieter bzw. dessen Beratern vorformulierte und vom Adressaten zu unterzeichnende Annahmeerklärung auf den Angebotsprospekt Bezug. Nach dem in diesen Annahmeerklärungen regelmässig verwendeten Sprachgebrauch soll der Empfänger des Angebotes darin die Annahme des Angebotes zu den im „Angebotsprospekt dargelegten Bedingungen und Voraussetzungen“240 erklären. Dem Empfänger wird so – von der Spezifizierung der Anzahl Beteiligungspapiere einmal abgesehen – jede vertragliche Gestaltungsmöglichkeit genommen. Andererseits ist auch einzuräumen, dass die Klauseln betreffend die Gestaltung des mittels Kaufangebot abzuschliessenden Vertrages in der Regel wenig umfangreich241 und – jedenfalls im Vergleich zu einem Versicherungsvertrag - wenig kompliziert sind, geht es doch „lediglich“ um eine Veräusserung von Beteiligungspapieren. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Gestaltungsspielraum hier nicht sehr gross ist. Allerdings sollte dies grundsätzlich kein Argument gegen die Anwendung der Regeln über die allgemeinen Geschäftsbedingungen sein242. Ausschlaggebend ist, dass eine Partei, der Bieter, der anderen Partei (Inhaber von Beteiligungspapieren) bei Abschluss eines Vertrages, Konditionen stellt, die für eine Vielzahl243 von Verträgen 238 239 240 241 242 243 41 Es wird hier vom Normalfall ausgegangen, wo der Bieter einen Preis kundtut und nicht lediglich eine unspezifizierte Einladung zur Offertstellung ohne Preisangabe abgibt. Im Normalfall ist die Zahl der Kauf- bzw. Tauschobjekte daher erst im Akzept, nicht aber in der Offerte enthalten und man kann sich daher fragen, ob bezüglich dieser Anzahl zwischen dem Bieter und dem betreffenden Veräusserer ein Konsens zustande gekommen ist. Dies ist zu bejahen, denn der Bieter räumt den Adressaten des Angebotes in dieser Hinsicht eine Spezifizierungsbefugnis ein, mit dem klar kundgegebenen Willen, – ausser bei Vorliegen eines Teilangebotes –möglichst alle Beteiligungspapiere zu erwerben. Vgl. zum Beispiel die Annahmerklärung im Fall Synthes-Stratec, Inc. / StratecHolding AG. Der Terminus „Bedingungen“ dürfte hier in einem untechnischen Sinne mit der Bedeutung von Vertragskonditionen zu verstehen sein. Ein Grossteil des Inhalts eines Angebotsprospektes betrifft nicht den eigentlichen Vertragsinhalt, stellen also keine Willenserklärungen dar, sondern übermitteln Informationen zur Entscheidfindung für die potentiellen Veräusserer. Immerhin sind auch diese Informationen (z.B. Angaben über den Bieter) vertragsrechtlich nicht irrelevant, können doch darin unter Umständen Zusicherungen erblickt werden. Selbstverständlich sind sie auch auch für die Frage von Belang, ob der Bieter seinen Aufklärungspflichten nachgekommen ist. § 1 Abs. 1 des deutschen AGBG stipuliert zum Beispiel, dass es gleichgültig sei, welchen Umfang die vorformulierten Vertragsbedingungen haben und welche Form der Vertrag hat. Eine in der Lehre vertretene Meinung verlangt eine „unbestimmte Vielzahl künftiger Verträge“ (vgl. SCHULER, Über Grund und Grenzen der Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Diss. Bern vorformuliert sind244 und mit der jeweiligen Vertragspartei nicht individuell ausgehandelt werden. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die in öffentlichen Kaufangeboten regelmässig245 gestellten Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen qualifiziert werden können246. Die für AGB aufgestellten (Auslegungs-)Regeln können daher grundsätzlich auch bei öffentlichen Kaufangeboten angewendet werden. Dies gilt unter der Annahme schweizerischen Rechts insbesondere für die Unklarheiten247- und die Ungewöhnlichkeitsregel, aber auch für Art. 8 UWG betreffend missbräuchliche Geschäftsbedingungen248. III. Der Antrag zum Vertragsschluss Der Antrag zum Vertragsschluss geht in der Regel vom Bieter aus, der mittels Angebotsprospekt die Inhaber von Beteiligungspapieren zur Veräusserung ihrer Bestände auffordert. In der Praxis werden praktisch ausnahmslos Finanzinstitute eingeschaltet, welche für die Feinverteilung des Angebotsprospektes und der vom Bieter normalerweise verwendeten Formulare besorgt sind. Auf diesen Formularen können die Inhaber von Beteiligungspapieren ihre Annahme des Angebotes erklären und gegebenenfalls ihre Beteiligungspapiere auch gleich abtreten249. Der Bieter und die veräussernden Inhaber von Beteiligungspapieren treten somit nicht in direkten Kontakt zueinander. Das Angebot ist in aller Regel genügend bestimmt250 und kann von den Adressaten durch ein einfaches Ja bzw. durch Ausfüllen der Annahmeerklärung angenommen werden251. 244 245 246 247 248 249 250 251 1978, S. 15). Ob diese Vielzahl jedoch bestimmt oder unbestimmt ist, kann für die Anwendbarkeit der Regeln über die AGB keine Rolle spielen. Es macht für die Anwendbarkeit der Auslegungsregeln der AGB keinen Unterschied, ob eine Krankenkasse einen einjährigen Mitgliederstopp verhängt und ihren bestehenden Mitgliedern neue Verträge mit vorformulierten Klauseln zustellt (bestimmte Vielzahl) oder ob sie dies nach Ablauf des Mitgliederstopps gegenüber neuen und zukünftigen Mitgliedern tut bzw. zu tun gedenkt (unbestimmte Vielzahl). Vgl. noch einmal die Legaldefinition in § 1 Abs. 1 des deutschen AGBG. Wie bereits erwähnt kann ein öffentliches Kaufangebot auch lediglich informell durch Einladung zur Offertstellung abgegeben werden. Vgl. SCHLUEP, S. 207: „Der aufgrund einer öffentlichen Übernahmeofferte abgeschlossene Vertrag ist allerdings als Massenvertrag zu qualifizieren, da sein Inhalt einseitig vom Raider festgesetzt wird.“ Für das deutsche Recht befürwortend ASSMANN/BOZENHART, S. 84 m.w.H. Vgl. SCHLUEP, S. 207. Art. 8 UWG möchte die Verwendung missbräuchlicher AGB sanktionieren (ausführlich dazu GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 1151 m.w.H.). Diese Formulare werden daher "Annahme- und Abtretungserklärungen" genannt. Die "Erklärung" im rechtlichen Sinne geht zwar vom veräussernden Inhaber der Beteiligungspapiere aus, doch werden die "Erklärungen", verstanden als Formulare, vom Bieter abgefasst. Insbesondere im Angebotsprospekt. In der Annahmeerklärung wird meist lediglich noch die Anzahl der Beteiligungspapiere durch den Veräusserer eingefügt. Siehe § 2 C. III. 42 Der Bieter möchte in den meisten Fällen nicht schrankenlos an sein Angebot gebunden sein. Dies kommt zum Beispiel dann vor, wenn die von ihm angestrebte Mindestzahl von Personen, die sein Angebot annehmen, nach Ablauf der Angebotsfrist nicht erreicht wird oder wenn er nicht alle ihm angedienten Beteiligungspapiere erwerben will252. Der Bieter wird in diesen Fällen sein Angebot „bedingt“ ausgestalten, d.h. ein „bedingtes Angebot“ abgeben. Es stellt sich dann insbesondere die Frage, ob der Antrag zum Vertragsschluss selbst in dem Sinne bedingt ist, dass er bis zum Eintritt der Bedingung keine Wirkung entfaltet, oder aber ob trotz des bedingten Angebotes ein (freilich bedingter) Veräusserungsvertrag zustande gekommen ist. Diese Thematik wird nachfolgend in § 2 C erörtert. Denkbar ist auch, dass der Antrag zum Vertragsschluss vom Inhaber der Beteiligungspapiere ausgeht. Zuvor muss allerdings eine entsprechende Einladung zur Offertstellung bzw. ein „Antrag ohne Verbindlichkeit“ im Sinne von Art. 7 OR vom Bieter ausgegangen sein, damit überhaupt ein öffentliches Kaufangebot im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG vorliegen kann. Während beim bedingten Angebot ein „mit Einschränkungen verbindliches Angebot“ vorliegt, ist bei einem Antrag ohne Verbindlichkeit bzw. einer Einladung zur Offertstellung gar keine Bindung des Antragstellers gegeben. Der Bieter behält sich dabei die Verbindlichkeit des Vertrages durch Abgabe seiner Willensäusserung ausdrücklich vor. In diesem „zweistufigen Vertragsschluss“ kann auch eine von der Willkür des Bieters abhängige Bedingung gesehen werden (Wollensbedingung) 253. Ob diese Vorgehensweise unter dem BEHG überhaupt zulässig ist, wird daher in § 4 F unter Rückgriff auf die Bedingungsverbote des BEHG bzw. seiner Verordnungen zu prüfen sein. IV. Annahmeerklärung und Vertragsschluss 1. Praktische Ausgestaltung Die Annahmeerklärung erfolgt in der Regel durch den Inhaber der Beteiligungspapiere auf einem vom Bieter oder dessen Beratern verfassten Formular. Dieses Formular wird von den Banken auf deren interne Systeme übertragen und in dieser Form denjenigen Personen zugestellt, welche in ihren Depots Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft halten254. Mit der Annahmeerklärung sollte auch der 252 253 254 43 Wenn also der Bieter lediglich ein Teilangebot abgeben möchte. Siehe § 2 C IV. Wurden physische Wertpapiere ausgestellt und werden diese nicht in Zentralverwahrung (SIS Sega Intersettle AG), also z.B. zuhause aufbewahrt, kann selbstverständlich nicht so verfahren werden. Bei einer freundlichen Übernahme kann, wenn die zu erwerbenden Beteiligungspapiere Namenaktien sind, auf das Aktienregister der Zielgesellschaft zurückgegriffen werden. Den Heimverwahrern kann so eine Annahmeerklärung zugestellt werden. Bei Inhaberaktien ist der Bieter, wenn die Titel nicht im Bankdepot aufbewahrt sind, auf den öffentlichen Aufruf über die Medien angewiesen. Angebotsprospekt zugestellt werden255. Den Adressaten des Angebotes geht die Willenserklärung des Bieters, ob nun als „Antrag“ ausgestaltet oder nicht, spätestens mit Eintreffen des Formulars "Annahmeerklärung" ebenfalls zu256. Die Annahmeerklärung ist in der Regel bei der Depotbank des Inhabers der Beteiligungspapiere einzureichen. Das vorgedruckte Formular verlangt von den Adressaten eine Erklärung, dass sie das Angebot zu den im Prospekt dargelegten Bedingungen und Voraussetzungen annehmen. Die Empfänger spezifizieren die Anzahl der Beteiligungspapiere, die sie veräussern möchten und ermächtigen die Bank oder die Zielgesellschaft, die Beteiligungspapiere zu übertragen, soweit eine solche generelle Ermächtigung nicht schon vorlag257. Die Annahmeerklärung wird an die Depotbank zurückgesandt. Diese informiert den Bieter via die federführende Bank über die Anzahl der angedienten Aktien, wobei sie die Identität der Veräusserer aufgrund des Bankgeheimnisses grundsätzlich zu wahren hat258. 2. Die Rolle der vermittelnden Finanzinstitute Der Einbezug von Banken und Effektenhändlern als "Katalysatoren" des Vertragsschlusses bei einem öffentlichen Übernahmeangebot wirft verschiedene Rechtsfragen auf. Zunächst ist zu klären, welche Rolle diesen Instituten in rechtlicher Hinsicht zukommt: Handeln sie als Vertreter oder Boten des Bieters oder sind sie gar Vertragsparteien des durch Übernahmeangebot begründeten Veräusserungsvertrages? Die Finanzinstitute handeln zumindest dann als Vertragsparteien, wenn Eigenbestände veräussert werden oder wenn sie als indirekter Stellvertreter im Rahmen einer Verkaufskommission zwischen Depotkunde und Finanzinstitut auftreten. Angesichts der Unkenntnis des Bieters über die Identität der meisten seiner Vertragsparteien kann man sich fragen, ob dieser 255 256 257 258 Bei längeren Angebotsprospekten wird in der Bankenpraxis wegen hoher Kosten mitunter auf diese Zustellung verzichtet. Sog. Empfangstheorie: Als entscheidend gilt der Zeitpunkt des "Eintreffens" bzw. des "Zugehens" der Willenserklärung beim Erklärungsempfänger (KOLLER, N. 262 S. 55; MERZ, Vertrag, N 199 S. 108; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 196ff. m.w.H.). Das schweizerische Obligationenrecht hat sich für diese "Theorie", im Gegensatz zur "Vernehmungs-" und der "Äusserungstheorie", im Sinne einer gerechten Risikoverteilung zwischen Antragsteller und Angebotsempfänger entschieden. Als positivrechtliche Ausprägungen dieser Theorie können Art. 3 Abs. 2, Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 OR erwähnt werden. Zu den Vollzugshandlungen siehe § 2 V. In der Praxis übermitteln die depotführenden Banken dem Bieter auf einem Meldeformular, wie viele Beteiligungspapiere angedient wurden, ohne dabei die Identität der Veräusserer offenzulegen. Immerhin wird von den Banken in der Regel die Bestätigung verlangt, dass es sich bei den Veräusserern nicht um „U.S. Persons“ handelt. Auch bei Kenntnis des Aktienregisters seitens des Bieters darf die Bank die Veräusserer gegenüber dem Bieter nicht offenlegen, da dadurch die Tatsache einer Bankbeziehung zwischen Veräusserer und Bank kundgetan würde. 44 letztere Fall bei Abwicklung259 eines Übernahmeangebots nicht immer vorliegt. In einem solchen Fall bestünde keine direkte vertragliche Bindung zwischen dem Bieter und den Inhabern von Beteiligungspapieren. Letztere würden an ihre Depotbank veräussern und diese veräussert in eigenem Namen aber auf Rechnung der Inhaber von Beteiligungspapieren an den Bieter. Gegen eine solche Auffassung spricht die Tatsache, dass Veräusserer und Bieter auf der „Annahme- und Abtretungserklärung“ namentlich als Vertragsparteien identifiziert werden260. Dagegen kann ferner angeführt werden, dass die Angebotsadressaten ihre Rechte bei Fehlen einer direkten vertraglichen Bindung zum Bieter nicht selbständig einklagen könnten, was kaum der Willensmeinung der Parteien entspricht. Im Normalfall treten die abwickelnden Finanzinstitute, von der federführenden Bank als Berater des Bieters abgesehen, also nicht als dessen Vertragsparteien261 auf. Ihre Beteiligung an der Transaktion beschränkt sich dann auf die Rolle eines Vertreters oder eines Boten. "Der Vertreter gibt eine Erklärung mit Wirkung für den Vertretenen ab (aktive Vertretung) oder nimmt eine Erklärung mit Wirkung für den Vertretenen entgegen (passive Vertretung); der Bote hat demgegenüber nur die Funktion, eine Erklärung zu übermitteln, sei es für den Erklärenden (Erklärungsbote) oder für den Erklärungsempfänger (Empfangsbote)."262 Sowohl der Zugang des Antrags zum Vertragsschluss als auch der Annahmeerklärung ist unter diesen Kriterien zu beurteilen. Soweit die Finanzinstitute lediglich die vom Bieter abgefassten und diesen als Partei identifizierenden Antrag263 den Inhabern von Beteiligungspapieren überbringen, handeln sie als dessen Boten. Dies ist die traditionelle Rolle dieser Institute beim Zugang der Willenserklärung des Bieters. Anders sieht es hingegen bei der Übermittlung der Annahmeerklärung aus. Die depotführenden Banken sammeln die Akzepterklärungen der zu ihnen in einer Kundenbeziehung stehenden Veräusserer. Die von den Veräusserern unterzeichnete Annahmeerklärung verbleibt im allgemeinen bei den Banken. Sie sieht in der Regel keine Ermächtigung an das Finanzinstitut vor, die Annahme im Namen des Veräusserers zu erklären. Vielmehr ist die Annahme auf dem vom Bieter erhaltenen Formular bereits erklärt worden. Diese Anhaltspunkte sprechen für eine Rolle des Finanzinstitutes als Bote. Allerdings beschränkt sich die Rolle der Bank auch nicht auf ein reines Weiterleiten des Akzeptes, wie dies für die 259 260 261 262 263 45 Die nachfolgenden Hinweise auf „Abwicklung“ und „abwickelnden Finanzinstituten“ beziehen sich auf die Rolle der Finanzinstitute als Intermediäre des Vertragsschlusses aus dem Übernahmeangebot, nicht auf den Vollzug dieses Vertrages. In der Praxis verwenden allerdings einige Banken aus technischen Gründen eigene Formulare. In diesen Fällen kann – je nach Ausgestaltung des Formulars – durchaus eine indirekte Stellvertretung gegeben sein. Jedenfalls nicht als Vertragsparteien von durch das öffentliche Kaufangebot begründeten Veräusserungsverträgen. KOLLER, N 1471 S. 339; vgl. auch VON THUR / PETER S. 350f. In der Regel in Form einer „Annahme- und Abtretungserklärung“. Botenschaft üblich ist. Die Bank bzw. das Finanzinstitut gibt vielmehr eine neue Erklärung darüber ab, wieviele Beteiligungspapiere angedient worden sind. Wie erwähnt, legt sie auch die Identität der Akzeptierenden in dieser Mitteilung nicht offen. Allerdings stellt diese neue Erklärung eine reine Wissenserklärung darüber dar, wie viele Personen den Antrag des Bieters angenommen haben. Das Verhältnis der abwickelnden Finanzinstitute zu den Angebotsadressaten kann aufgrund der genannten Indizien weder als Botenschaft noch als Vertretung identifiziert werden. Es ist daher ratsam, sich dem Verhältnis zwischen den Finanzinstituten und dem Bieter zuzuwenden. Aus diesem Verhältnis können womöglich auch Rückschlüsse auf die Beziehung zwischen den beim Übernahmeangebot involvierten Finanzinstituten und den veräussernden Inhabern von Beteiligungspapieren gewonnen werden. Die abwickelnden Banken und Effektenhändler handeln entweder als passive Vertreter oder als Empfangsboten des Bieters bei Mitteilung und Zugang der Annahmeerklärung der Angebotsadressaten264. Die Abgrenzung zwischen passivem Vertreter und Empfangsbote ist schwierig zu beurteilen265. Sowohl der passive Vertreter wie auch der Empfangsbote nehmen eine Erklärung lediglich entgegen, ohne selbst ein solche abzugeben266. Nach der hier vertretenen Ansicht kann die Unterscheidung zwischen passivem Vertreter und Empfangsbote nur darin liegen, dass bei Zugang zum Vertreter der Vertrag zur Perfektion gelangt, während dies beim Eintreffen in der Sphäre des Boten in der Regel noch nicht der Fall ist267. Ob ein Vertrag mit Zugang des Akzeptes bei der Depotbank des Inhabers von Beteiligungspapieren zustande kommt, ob also Vertretung oder Botenschaft vorliegt, ist durch Auslegung des Antrages des Bieters in Anwendung des Vertrauensprinzips zu ermitteln268. Auch das „Innenverhältnis“, im konkreten Fall das 264 265 266 267 268 Es wird aufgrund der vorangehenden Ausführungen davon ausgegangen, dass die Finanzinstitute nicht selbst als Veräusserer bei einem Übernahmeangebot auftreten. So auch KOLLER, N 1473, S. 340. Die Unterscheidung von ZÄCH bezieht sich nur auf die einfachere Abgrenzung von aktiver Vertretung und Erklärungsbotenschaft: "Theoretisch ist die Unterscheidung einfach: der Vertreter gibt eine eigene Erklärung ab, der Bote überbringt eine solche des Geschäftsherrn" (ZÄCH, Berner Kommentar, Vb zu Art. 32-40 OR N 17). KOLLER, N 1480; ZÄCH, Vb zu Art. 32-40 OR N 21 m.w.H; Ein Teil der Lehre ist freilich gegenteiliger Ansicht. Namentlich GAUCH/SCHLUEP/SCHMID vertreten die These, dass eine Willenserklärung grundsätzlich bereits dann wirksam wird, wenn ein Empfangsbote diese vernimmt (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 203; vgl. auch SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Art. 1 OR N 412). Vertritt man diese Ansicht, dann ist m.E. die ohnehin fragwürdige Unterscheidung zwischen Empfangsbote und passivem Vertreter noch unklarer (a.M. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, N 203 in fine). Praktische Relevanz hat die Streitfrage wohl für die Zulässigkeit eines Widerrufs nach Art. 9 OR und für den Eintritt der Vertragswirkungen (insbesondere auch der im OR ex lege vorgesehenen Recht im Schwebezustand von Bedingungen, vgl. Art. 151ff. OR) in zeitlicher Hinsicht. ZÄCH erwähnt ebenfalls das Vertrauensprinzip, spricht demgegenüber vom Verhalten der Mittelsperson gegenüber Dritten als massgebliches Kriterium (ZÄCH, Berner Kommentar, Vb zu Art. 32-40 OR N 17; ebenso OSER/SCHÖNENBERGER, Vb zu Art. 32-40 OR N 9). Dies erklärt sich wohl damit, dass 46 Verhältnis zwischen dem vermittelnden Finanzinstitut, der federführenden Bank und dem Bieter, spielt bei der Beurteilung eine Rolle269. Vor diesem Hintergrund ist wiederum festzuhalten, dass die "Annahme- und Abtretungserklärung", welche vom Bieter an potentielle Veräusserer mithilfe der Finanzinstitute zugestellt wird, in der Regel nicht an den Bieter zurückgesandt wird, sondern bei den vermittelnden Banken verbleibt. Die Inhaber der Beteiligungspapiere geben ihr Akzept gegenüber den vermittelnden Finanzinstituten bzw. den Depotbanken ab. Der Bieter kennt also die Identität der Veräusserer der Beteiligungspapiere nicht270. Das Akzept gilt nach der Anschauung des Verkehrs in dem Zeitpunkt als beim Bieter eingetroffen, in dem es in der vorgesehenen Form der Bank abgegeben wird271. Diese Anhaltspunkte scheinen eher gegen die Qualifikation der Depotbanken als Boten und - horribile dictu - für eine Einstufung als Vertreter des Bieters zu sprechen. SCHLUEP kommt hingegen in seinem wegweisenden Beitrag zur Dogmatik des Vertragsschlusses mittels Übernahmeangebot zum Schluss, dass die abwickelnden Finanzinstitute lediglich als Empfangsboten des Bieters handeln272. Diese Ansicht lässt sich m.E. jedoch nicht mit der Praxis vereinbaren, wonach das Akzept der Adressaten nicht an den Bieter weitergeleitet wird. Hingegen passt die Rolle als Vertreter des Bieters auch ins Bild der für das Verhältnis zwischen Angebotsadressat und Finanzinstitut konstatierten Praxis, wonach die Mitteilung des Finanzinstitutes an den Bieter eine neue Erklärung, und zwar eine Wissenserklärung, darstellt. Es handelt sich dabei lediglich um eine Mitteilung des Vertreters, die den Vertretenen konkret über den Eingang der Akzepte und allgemein über die Tätigkeit des Vertreters orientiert. Aus dem Gesagten folgt, dass die abwickelnden Banken bei Zustellung des Antrags als Boten und bei Entgegennahme des Akzeptes als passive Vertreter des Bieters handeln. Die Banken handeln hingegen bei Abwicklung der Übernahmetransaktion weder als Vertreter noch als Boten der veräussernden Inhaber von Beteiligungspapieren. Trotz der relativ delikaten Rolle eines Vertreters des Bieters erscheint die Gefahr einer Schädigung der Angebotsadressaten als Kunden des Finanzinstitutes wegen möglicher Interessenkonflikte als gering. Zum einen liegt keine eigentliche Doppelvertretung vor, zum anderen gibt es einen festgelegten Preis und klar definierte Spielregeln. 269 270 271 272 47 die Autoren lediglich die aktive Vertretung vor dem Hintergrund zur Abgrenzung gegenüber der Erklärungsbotenschaft beleuchten. ZÄCH, Vb zu Art. 32-40 OR N 17; OSER/SCHÖNENBERGER, Vb zu Art. 32-40 OR N 8: "Das die Vermittlung veranlassende Kausalverhältnis kann einen Anhaltspunkt für die Beurteilung bieten..". Nicht zuletzt aus Gründen des Bankgeheimnisses soll eine Offenlegung der Identität der Inhaber von Beteiligungspapieren vermieden werden. SCHLUEP, S. 207. Vgl. SCHLUEP, S. 207: “Beauftragt [der Bieter] Banken mit der Abwicklung der Transaktion und wird dies in der Offerte erwähnt (was regelmässig zutrifft), so sind diese als Empfangsboten des Kaufwilligen zu qualifizieren.“ 3. Folgerung Da die Banken als passive Vertreter des Bieters handeln, findet ein Vertragsschluss zwischen Bieter und Angebotsadressat mit Eingang der Annahmeerklärung bei der Depotbank des Angebotsadressaten statt273. Selbst bei Qualifikation als Empfangsbote würde nach einem gewichtigen Teil der Lehre mit Eingang des Akzeptes bei der Bank des Adressaten der Vertrag zur Perfektion gelangen274. Der Eingang des Akzeptes bei der Bank ist daher schuldrechtlich von grosser Bedeutung. Man kann davon ausgehen, dass damit der Vertragsschluss mittels öffentlichem Übernahmeangebot zur Perfektion gelangt ist. V. Der Vollzug Der Vollzug bzw. die Erfüllung des Vertrages bedeuten auf Seite des Bieters die Zahlung des Kaufpreises (Kauf) bzw. die Lieferung der als Gegenleistung angebotenen Wertpapiere (Tausch). Auf Seite des Angebotsempfängers wird der Vertrag durch Abtretung bzw. Übertragung und anschliessender Umbuchung der Beteiligungspapiere erfüllt. In den meisten Fällen werden die Inhaber der Namenaktien schon eine Einmalermächtigung unterzeichnet haben, d.h. eine Zession des Inhabers der Beteiligungspapiere wurde bereits einmal „auf Vorrat“ abgeben und muss nun nicht mehr erfolgen. Wurde noch keine derartige Ermächtigung gegeben, wird die Zielgesellschaft oder allenfalls die betreffende Bank auf den Annahmeerklärungen mit der Zession bzw. dem Indossament im Namen des Empfängers des Angebotes ermächtigt275. Das den Angebotsadressaten zugestellte Formular wird daher auch „Annahme- und Abtretungserklärung“ genannt. Bei Inhaberaktien, welche in der Regel entweder in Sammelverwahrung hinterlegt oder durch Globalurkunde verbrieft sind, erfolgt die Übertragung im allgemeinen durch Besitzanweisung276 Mit dem Ausfüllen und der Unterzeichnung der Annahmeerklärung hat der Inhaber von Beteiligungspapieren seine Vertragspflichten bereits erfüllt. Die Übertragung der Beteiligungspapiere ist damit aber noch nicht erfolgt, die vertragliche Pflicht des Angebotsempfängers noch nicht vollzogen, denn die mit der Übertragung gemäss Annahmeerklärung betraute Bank hat damit zuzuwarten, 273 274 275 276 Vgl. die in Fussnote 265 zitierte Literatur. Ibidem. Es kann daher eine Kettenzession zwischen Inhaber von Beteiligungspapieren, Bank und Bieter vorliegen. Diese Intermediation der Bank beim Vollzug bedeutet freilich nicht, dass auch der vertragliche Nexus diese drei Parteien involviert. Auch bei feindlichen Angeboten muss die Zielgesellschaft die Zession bzw. den Willen eines andienenden Inhabers von Beteiligungspapieren anerkennen. Hier stellen sich aber unter Umständen heikle Fragen der Interessenskonfliktregelung. Vgl. ZOBL, Internationale Übertragung und Verwahrung von Wertpapieren (aus schweizerischer Sicht), SZW 2001 S. 108. 48 bis alle Bedingungen des Angebotes eingetreten sind. Obwohl dies in den vom Bieter abgefassten Annahme- und Abtretungserklärungen nicht erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass eine durch Unterzeichnung dieser Erklärung begründete Zession oder Übertragung von Beteiligungspapieren ebenfalls bedingt erfolgt, sofern das Angebot des Bieters an noch nicht erfüllte Bedingungen geknüpft ist277. Erst der Eintritt aller vom Bieter gesetzten Bedingungen (und der Eingang der vom Bieter geschuldeten Gegenleistung) machen die Zession zur unbedingten. Folglich kann der Bieter frühestens mit Eintritt aller Bedingungen des Angebotes zum Forderungsberechtigten und Aktionär werden278. Das Interesse der veräussernden Depotkunden gebietet zudem, eine Ausbuchung der vom Bieter gekauften Bestände erst vorzunehmen, wenn die entsprechende Gutschrift oder die zu überweisenden Titel eingetroffen sind. Die Finanzinstitute stellen so eine Zug-um-Zug Abwicklung des Übernahmeangebotes sicher und übernehmen damit eine wichtige Scharnierfunktion, ähnlich derjenigen eines Escrow Agent. Sie sorgen für die Überweisung des vom Bieter erhaltenen Entgeltes auf die Konten bzw. Depots der das Angebot annehmenden Kunden. Sie sorgen für die Übertragung der Beteiligungspapiere auf den Bieter. Beim Vollzug des Veräusserungsvertrages handeln sie daher als Erfüllungsgehilfen für Bieter und Inhaber von Beteiligungspapieren. B. Das Kaufangebot aus kapitalmarktrechtlicher Sicht I. Das Börsengesetz als kapitalmarktrechtlicher Erlass Der schillernde und populäre Begriff des Kapitalmarktrechts umfasst nach gängiger Lehrmeinung die Gesamtheit der Grundsätze und Normen, die sich mit dem öffentlichen Vertrieb und Umlauf von Unternehmensbeteiligungen und verbrieften bzw. öffentlich registrierten Geldforderungsmitteln (fungiblen Kapitalmarktpapieren) befassen279. Dieser Aussage wird meist auch, die allerdings nicht begriffsimmanente, Zielsetzung jeder entwickelten Kapitalmarktregelung beige- 277 278 279 49 Eine Verfügung aufgrund einer bedingten Verpflichtung ist vermutungsweise ihrerseits bedingt (BUCHER, S. 510; von THUR/ESCHER S. 265; VON BÜREN S. 191, der dies mit der (freilich umstrittenen) Kausalität der Zession begründet; STAEHELIN, S. 25, der diese Vermutung auch für abstrakte Verfügungen gelten lassen will. So wohl auch BUCHER, der die Zession als abstraktes Geschäft ansieht (S. 554ff) und SPIRIG, Zürcher Kommentar, Art. 164 N 107, der sich allerdings nicht direkt zur Frage äussert. A.A. wohl ENGEL, der die bedingte Abtretung aus theoretischen Gründen ablehnt (ENGEL, S. 573). Dabei wird der Normalfall einer Suspensivbedingung vorausgesetzt. Ob der Offerent gegenüber der Gesellschaft als Aktionär (mit Stimmrecht) anerkannt wird, hängt freilich auch von allfälligen Eintragungsbeschränkungen für das Aktienregister der Zielgesellschaft ab. HOPT, Kapitalmarktrecht, S. 112; so auch SCHLUEP, Prolegomena, S. 9; ähnlich WEBER, Entwicklungen, S. 277f.; KÖPFLI S. 8; vgl. auch DAENIKER, Anlegerschutz, S. 12. fügt: Die Gewährleistung des Schutzes der Kapitalanleger280 und der Funktionsschutz281 von Kapitalmarkt und Wirtschaft282. Die Übernahmeregelung des Börsengesetzes knüpft in Art. 2 lit. e BEHG an die Kotierung von Beteiligungspapieren an einer Börse an. Die entsprechenden Beteiligungspapiere müssen daher fungibel sein und eine gewisse Streuung im Anlagepublikum aufweisen283. Eine öffentliche Ankündigung zum Kauf solcher Beteiligungspapiere ist daher der erste Schritt einer kapitalmarktrechtlichen Transaktion im beschriebenen Sinne284, bei der typische kapitalmarktrechtliche Schutzanliegen der Anleger und der „Öffentlichkeit“ bestehen, denen mit vertragsrechtlichen Ansätzen nur ungenügend beizukommen ist285. Es sind diese Schutzanliegen, welche es dem Gesetzgeber erlauben, ins obligationenrechtlich weitgehend freie Spiel zwischen Bieter und Angebotsadressaten einzudringen286. II. Die Legaldefinition in Art. 2 lit. e BEHG Das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (BEHG) regelt unter anderem auch öffentliche Angebote zum Erwerb von Aktien und anderen Beteiligungspapieren. Es verwendet dabei den Begriff „Kaufangebot“287 anstelle des früher gebräuchlichen „Übernahmeangebot“. Das BEHG enthält eine Legaldefinition bzw. Begriffsumschreibung des „öffentlichen Kaufangebotes“ in Art. 2 lit. e BEHG288. Es handelt sich dabei um „Angebote zum Kauf oder gegen Tausch 280 281 282 283 284 285 286 287 288 Der Anlegerschutz wird mit dem Transparenz- und dem Gleichbehandlungsgebot konkretisiert (vgl. WATTER, Basler Kommentar, Art. 1 BEHG N 10-13 m.w.H). Vgl. zur Bedeutung des Funktionsschutzes die interessanten Ausführungen in der Botschaft Ziff. 152 S. 14. Darin wird – etwa im Sinne der amerikanischen „Disclosure“ und „Antifraud“ Tradition vom Vertrauen der Anleger als Aspekt des Funktionsschutzes gesprochen. In der Literatur wird der Funktionsschutz allerdings meist auf das Bestreben nach Allokationseffizienz der investierten Mittel, Effizienz der Abwicklung von Kapitalmarkttransaktionen und freiem Marktzugang der Kapitalmarktakteure beschränkt (vgl. WEBER, AJP 1994 S. 277). Allokationseffizienz dürfte aber vor allem durch die vertrauensbildende und den Anleger bis zu einem gewissen Grad schützende Transparenz erreicht werden. Anlegerschutz und Funktionsschutz weisen somit Überschneidungsflächen auf. Vergleiche die in den vorngehenden Fussnoten zitierten Autoren a.a.O. Auf diese Zielsetzungen lassen sich auch die Postulate der Lauterkeit, Transparenz und Gleichbehandlung der Anleger in Art. 1 UEV zurückführen. Sie können dann grundsätzlich von jedem (solventen) Anleger über die Börse erworben werden. Gemäss Definition in Art. 2 lit. e BEHG wird sogar ein Angebot auf nicht kotierte Titel einer kotierten Gesellschaft als dem BEHG unterstellt und damit als kapitalmarktrechtliche Transaktion angesehen. Vgl. die Hinweise in § 2 A I und zu den Zielsetzungen der Übernahmeregelung § 1 C II. 3., sowie nachfolgend § 2 B V. zum „Börsenvertragsrecht“. Vgl. auch Botschaft Ziff. 164 S. 21f.; VON DER CRONE, Kontrolltransaktionen, S. 40ff.; BERNET S. 32ff. m.w.H. zum früheren Regelungsdefizit bezüglich Anbieterverhalten; SCHLUEP, Kolloquium, S. 205ff.; TSCHÄNI, Unternehmensübernahmen, §4 N 22ff.; WATTER, Unternehmensübernahmen, § 16 N 28. Vgl. dazu die Botschaft Ziff. 15 S. 13ff. Der Ausdruck „Kaufangebot“ ist freilich insofern ungenau, als nicht alle durch das in Art. 2 lit. e BEHG beschriebene Phänomen begründeten Verträge Käufe sind. Gegenüber dem Terminus „Übernahmeangebot“ weist er allerdings insofern den Vorteil auf, dass er – unter Art. 2 lit. e BEHG folgerichtig - nicht auf die Übernahme der Kontrolle einer Gesellschaft hindeutet. Vgl. auch Art. 22 Abs. 1 BEHG. 50 von Aktien, Partizipations- oder Genussscheinen oder von anderen Beteiligungspapieren (Beteiligungspapiere), die sich öffentlich an Inhaber von Aktien oder anderer Beteiligungspapiere von den schweizerischen Gesellschaften richten, deren Beteiligungspapiere mindestens teilweise an einer Börse in der Schweiz kotiert sind.“ Es fällt dabei auf, dass dieser Wortlaut zwar eine Eingrenzung im internationalen Verhältnis289 sowie bezüglich der Zielgesellschaften und den Angebotsobjekten statuiert, aber keine eigentliche Definition öffentlicher Kaufangebote aufstellt290. Die Legaldefinition des „öffentlichen Kaufangebotes“ in Art. 2 lit. e BEHG legt fest, dass es sich bei den mittels eines Angebotes zu erwerbenden Objekten um Aktien, Partizipations- oder Genussscheine oder andere Beteiligungspapiere handelt. Diese Titel werden gesamthaft als „Beteiligungspapiere“ bezeichnet. In Art. 2 der Übernahmeverordnung (UEV) sollen die in Art. 2 lit. e BEHG enthaltenen Vorgaben konkretisiert werden. Danach sind Beteiligungspapiere „Aktien, Partizipationsscheine und Genussscheine sowie Wandelrechte und Erwerbsrechte auf Beteiligungspapiere (nachfolgend „Optionsrechte“)“. Das gemeinsame Merkmal dieser „Beteiligungspapiere“ ist die Eigenkapitalbezogenheit der entsprechenden Titel291. Nach der Legaldefinition ist nicht erforderlich, dass jene Beteiligungspapiere, die Gegenstand des Angebotes sind, an einer Börse in der Schweiz kotiert sind. Es reicht für die Anwendung der Regeln über die öffentlichen Kaufangebote aus, wenn die Zielgesellschaft eine Kategorie von Beteiligungspapieren an einer Börse292 in der Schweiz kotiert hat293. Im Gegensatz zu gewissen ausländischen Regelungen setzt die Legaldefinition nach Art. 2 lit. e BEHG auch keine Übernahme der Kontrolle einer Gesellschaft voraus294. III. Das „Angebot“ im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG Mit einem "Angebot" (frz. offre) möchte der Bieter den Abschluss eines Vertrages erreichen, um gewisse Beteiligungspapiere erwerben zu können. Bevor an eine Untersuchung der Frage von Wesen und Bedeutung des bedingten Angebotes gedacht werden kann, muss geklärt werden, wie der kapitalmarktrechtliche Terminus „Angebot“ in Art. 2 lit. e nach obligationenrechtlicher Dogmatik zu deuten ist. Zur Debatte stehen eine weite und eine enge Auslegung. Eine weite 289 290 291 292 293 294 51 Vgl. dazu § 1 E II und IV. So auch MEIER-SCHATZ, Öffentliche Kaufangebote, S. 112; BERNET S. 109. Vgl. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 2 lit. e BEHG N 3; REUTTER, AJP 1999 S. 1094 m.w.H. Vgl. dazu REUTTER, AJP 1999 S. 1094f. Vgl. MEIER-SCHATZ S. 113 m.w.H. Damit findet die Regelung keine Anwendbarkeit auf schweizerische Gesellschaften, die im Ausland kotiert sind (TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 2 lit. e BEHG N 8). Diese relativ enge Regelung steht im Gegensatz zu § 1 und § 2 (3) und (7) des deutschen Übernahmegesetzes, dessen Anwendbarkeit auch bei Kotierung in der EU oder im EWR gegeben ist. MEIER-SCHATZ, Öffentliche Kaufangebote, S. 114; DAENIKER S. 181; vgl. auch BERNET S. 108. Auslegung umfasst alle Aufforderungen an Inhaber von Beteiligungspapieren, einschliesslich Einladungen zur Offertstellung. Wie andernorts dargelegt, führt eine teleologische Auslegung des Begriffes „Angebot“ in Art. 2 lit. e BEHG zu einer „extensiven“ Begriffsdefinition295. Diese Definition des Terminus „Angebot“ umfasst neben dem Antrag bzw. der Offerte im Sinne des Allgemeinen Teils des OR grundsätzlich auch sogenannte Einladungen zur Offertstellung einschliesslich nicht verbindlicher "Anträge" im Sinne von Art. 7 OR (welche keine Anträge im Rechtssinne darstellen). Dies entspricht auch im wesentlichen der Praxis der ehemaligen Regulierungskommission296 und der vorherrschenden Meinung im Schrifttum297. Diese auf kapitalmarktrechtlichen Erwägungen beruhende Schlussfolgerung wird treffend von HIRSCH beschrieben298: “L’expression „offre“ doit certainement s’entendre de manière large. En particulier, constituerait également une offre l’opération visant à solliciter des offres de la part de tous les actionnaires, pour pouvoir les „accepter“ ensuite. Il s’agirait d’une difference purement formelle, importante pour la formation du contrat en droit des obligations, mais non détermintante pour l’application du droit boursier.” Trotz dieser weiten Begriffsauslegung wird nicht jede öffentliche Ankündigung oder Pressemitteilung einer Absichtsäusserung zur Übernahme von Beteiligungspapieren ein öffentliches Kaufangebot im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG darstellen. Verlangt ist vielmehr eine genügend konkrete Aufforderung299, die bei den Inhabern von Beteiligungspapieren normalerweise die Abgabe von „Annahmeerklärungen“300 auslösen würde bzw. auf eine solche Folge ausgerichtet ist301. Wo beispielsweise die Generalversammlung des Bieters erst noch über die Unterbreitung eines Angebots beschliessen muss, liegt auch bei öffentlicher Ankündigung des Vorhabens und dessen Unterbreitung an der GV noch kein öf- 295 296 297 298 299 300 301 Vgl. REUTTER, AJP 1999 S. 1100ff. Entscheid der Regulierungskommission in Sachen Holderbank Financière Glarus AG / Société Suisse de Ciment Portland SA, SZW 1998 S. 248 und 251f. insbesondere S. 252. HIRSCH, OPA, S. 49; vor Erlass des BEHG WATTER, Unternehmensübernahmen, N 624, S. 293; STRAZZER, S. 1 (unter Hinweis auf SCHLUEP). a.A. soweit ersichtlich nur TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 2 lit. e BEHG N 2, welche auf Art. 3 OR verweisen; allenfalls auch BERNET, der vom Angebot als "besonderer Form der Antragstellung für den Abschluss eines Kauf- oder Tauschvertrages“ spricht (BERNET, S. 5). Andere Autoren äussern sich nicht zum Problem (vgl. die Übersicht bei FREI, S. 11f.) oder verwenden „Angebot“ auch als definiens (wie beispielsweise auch die Legaldefinition in Art. 2 lit. e BEHG). HIRSCH, OPA, S. 49. Vgl. die Bezeichnung im City Code als „announcement of a firm intention to make an offer“in Rule 2.5. In Form eines Akzeptes oder eines Antrages zum Vertragsschluss. Da das Vorliegen eines Angebots in der Regel vor Reaktion der Angebotsempfänger abgeklärt werden muss, ist auf deren zu erwartende Reaktion abzustellen. Vgl. dazu die Definition von „proxy solicitation“ in Rule 14a-1 zum amerikanischen Securities Exchange Act. Interessant ist 14a-1 (l)(iii): „The furnishing of a form of proxy or other communication to security holders reasonably calculated to result in the procurement… of a proxy” (Hervorhebung durch Verfasser). 52 fentliches Kaufangebot vor302. Allerdings kann das Vorliegen einer Voranmeldung des Angebots im Sinne von Art. 7ff. UEV für die Qualifikation als Angebot im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG nicht ausschlaggebend sein. Problematisch ist daher die Aussage, dass mangels Voranmeldung aus börsenrechtlicher Sicht keine verbindliche Verpflichtung hinsichtlich eines Angebots bestehe303. Dies mag insofern zutreffen als aufsichtsrechtlich auf seiten der UEK oder der EBK, wenn überhaupt, erst nach Voranmeldung und der damit verbundenen Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots304 eine Handhabe gegen einen widerspenstigen Bieter besteht305. Dies sollte aber nicht dazu führen, dass die vom BEHG für öffentliche Kaufangebote vorgesehen Rechtsfolgen hinsichtlich der Beschränkungen der Rücknahme (Widerruf, Bedingungen) bei allfälligen Zivilklagen der Angebotsadressaten nur bei Vorliegen einer Voranmeldung oder eines „richtigen“ Angebots mit Prospekt eintreten. Wäre dem so, könnte der Schutz des BEHG durch Ausgestaltung des Angebots als Einladung zur Offertstellung wie beispielsweise im Fall Holderbank306 allzu leicht aus den Angeln gehoben werden. Eine solche Reduktion des Anwendungsbereichs von Art. 2 lit. e liesse sich teleologisch nicht begründen307. IV. Die Öffentlichkeit des Angebots Um die Anwendbarkeit der Übernahmeregeln auszulösen, muss ein Angebot nach Art. 2 lit. e BEHG ausserdem „öffentlich“ sein. Es fragt sich, ob dabei auf die Art der Verbreitung des Angebots oder auf den Kreis der Adressaten abzustellen sei. Die gesetzgeberischen Ziele des Übernahmeregelung308 gebieten eine Interpretation, die ungeachtet der vom Bieter gewählten Verbreitungsart, auf den Effekt bzw. Berührungsradius eines Angebots abstellt. Es soll mit anderen Worten immer dann ein Angebot öffentlich sein, wenn eine gewisse Mindestzahl von Inhabern gewisser Beteiligungspapiere von einem Angebot betroffen ist. Auf diese Weise lässt sich sicherstellen, dass der vom Gesetzgeber bei Übernahmen von Publikumsgesellschaften dem Investor zugedachte Schutzeffekt realisiert wird. In diese Richtung zielten bereits die von der ehemaligen Regulierungskommission ergangenen Empfehlungen in Sachen Rentenanstalt aus dem Jahr 1997309 sowie in Sachen Luftseilbahn Wangs-Pizol AG im Jahre 1990310. Die Übernahmekommission hat dies nun in ihrer Empfehlung vom 11. August 2000 302 303 304 305 306 307 308 309 310 53 Empfehlung der UEK in Sachen Axantis vom 8. Dezember 2000; Vgl. Ziff. Auch Rule 2.4. des City Code betreffend „announcement of a possible offer“. Empfehlung der UEK vom 8. Dezember in Sachen Axantis E. 1. Vgl. Art. 9 Abs. 1 UEV. Vgl. dazu § 6 B. Vgl. den Entscheid der Regulierungskommission in Sachen Holderbank Financière Glarus AG / Société Suisse de Ciment Portland SA, SZW 1998 S. 248 und 251f. Vgl. dazu REUTTER, AJP 1999 S.1100ff. Vgl. dazu vorn § 1 C. II. 3. Vgl. SZW 1998 S. 248, 249 und 252; dazu REUTTER, AJP 1999 S.1098. SZW 1990 S. 208. in Sachen Fairplay International Sports GmBH / Intersport PSC Holding AG klargestellt311. Würde man stattdessen auf die Art der Verbreitung eines Angebotes abstellen, könnten die Bestimmungen des BEHG und dessen Verordnungen allzu leicht umgangen werden. Immerhin ist die Verbreitungsart für die Qualifikation als „öffentliches Angebot“ und damit für die Unterstellung unter das BEHG nicht irrelevant: Liegt eine für jedermann wahrnehmbare Verbreitungsart vor312, so wird man - vorausgesetzt die übrigen Erfordernisse sind erfüllt - vom Vorliegen eines öffentlichen Kaufangebotes im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG ausgehen können, sofern sich nicht ganz klar ergibt, dass die entsprechende Aufforderung sich nur an einzelne, bestimmte Adressaten richtet. Als massgebendes Kriterium der "Öffentlichkeit" muss daher die Grösse des Adressatenkreises angesehen werden313. V. Ein Phänomen des „Börsenvertragsrechts“ Das Vorliegen eines öffentlichen Kaufangebotes im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG führt zur Anwendbarkeit eines spezifischen Satzes von Regeln. Diese Regeln verlangen vom Bieter vor allem genau spezifizierte Angaben in Form eines Angebotsprospekts314 und dessen Prüfung315, statuieren aber weitere Offenlegungspflichten hinsichtlich getätigter Transaktionen316 und Ergebnis des Angebotsannahmeverfahrens317. Bei Vorliegen eines öffentlichen Kaufangebotes bestehen ferner Anforderungen an die Dauer der Annahme- und Abwicklungsfristen318 sowie die Änderung319 und „Rücknahme“ des Angebotes durch Widerruf320 oder Bedingungen321. Ausserdem bestehen beim freiwilligen322 und vor allem beim Pflichtangebot323 Anforderungen an dessen inhaltliche Ausgestaltung. Obwohl die Börsengesetzgebung nur das „Angebot“ normiert, führt die Unterstellung unter das BEHG zur Anwendung eines besonderen Satzes von Regeln über 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 Empfehlung der UEK vom 11. August 2000 i.S. Fairplay International Sports GmBH / Intersport PSC Holding AG E. 1. Vgl. die Beispiele bei TAISCH, S. 275. Empfehlung der UEK vom 11. August 2000 i.S. Fairplay International Sports GmBH / Intersport PSC Holding AG E. 1 m.w.H. Dazu ausführlich REUTTER, AJP 1999 S. 1096ff. m.w.H. und Erwägungen zur Festlegung der Grösse des Adressatenkreises, ab der von der Öffentlichkeit eines Angebotes gesprochen werden kann. Vgl. Art. 17ff. UEV. Der Angebotsprospekt enthält alle Informationen, die notwendig sind, damit die Empfänger des Angebotes ihre Entscheidung in Kenntnis der Sachlage treffen können (Art. 17 Abs. 1 UEV). Art. 25ff. UEV. Art. 37ff. UEV. Art. 43ff. UEV. Art. 14 UEV. Art. 15 UEV. Art. 16 UEV. Art. 13 UEV. Zum Beispiel betreffend die Zulässigkeit von Bedingungen in Art. 13 UEV. Zum Beispiel Art. 37ff. BEHV-EBK betreffend Angebotspreis. 54 den Vertragsschluss, dessen Verbindlichkeit, aber auch dessen Abwicklung. Diese Anknüpfung am Angebot und damit am Bieter ist notwendig, da er den Inhalt des Veräusserungsvertrages einseitig festlegen kann. Damit das Bieterverhalten jedoch von der Rechtsfolgenregelung des Börsengesetzes umfasst wird, darf die Unterscheidung zwischen einem „Antrag zum Vertragsschluss“ im Sinne von Art. 3 OR und einer Einladung zur Offertstellung keine Rolle spielen. Wie gesehen ist es für die Subsumption unter Art. 2 lit. e BEHG irrelevant, ob das Angebot schuldrechtlich in Form eines Antrags zum Vertragsschluss oder einer Einladung zur Offertstellung gekleidet ist. Für die Unterstellung irrelevant ist ferner auch die juristische Qualifikation des durch das Angebot des Bieters bezweckten Vertrages als Kauf, Tausch etc324. Diese klassischen obligationenrechtlichen Qualifikationen mit ihren jeweiligen Rechtsfolgen spielen für das Kapitalmarktrecht keine Rolle325. Die vom Börsengesetz begründete Dichotomie fusst stattdessen auf der Unterscheidung zwischen kapitalmarktrechtlichen und nicht kapitalmarktrechtlichen (Veräusserungs-)Verträgen über Beteiligungspapiere bzw. den Aufforderungen zu deren Abschluss. Damit werden gewisse schuldrechtliche Erscheinungsformen im Bereich des Kapitalmarktrechtes einer besonderen, vom Obligationenrecht abweichenden Rechtsfolge zugewiesen. In Anlehnung an den inzwischen populär gewordenen Begriff des Börsengesellschaftsrechts kann man diese Erscheinungsformen und deren Rechtsfolgen als „Börsenvertragsrecht“ bezeichnen. Das Börsenvertragsrecht versucht, die seitens der Angebotsadressaten bei einem öffentlichen Kaufangebot bestehenden Nachteile fehlender Koordination, mangelnder Information, der Übermacht des Bieters und daraus resultierend, dem einseitigen „Diktat“ der Vertragskonditionen, entgegenzuwirken. Wie gesehen geschieht dies in erster Linie durch Informationspflichten und Sicherstellung eines die Gleichberechtigung der Adressaten gewährleistenden Vertragsabschlussverfahrens. Hinzu kommen Bestimmungen, die den Bieter davon abhalten sollen, von einer einmal gemachten, rechtserheblichen Ankündigung („Angebot“ oder Voranmeldung desselben) wieder abzurücken. Dazu gehören die aus der Optik der Vertragsrechtsdogmatik äusserst interessanten Institute der Voranmeldung326 und des Widerrufs327, vor allem aber auch die Regelung der Bedingungen eines öffentlichen Kaufangebotes. 324 Für die Ausgestaltung des Angebots sind allerdings bei Tauschangeboten gewisse Sondervorschriften zu beachten (vgl. Art. 24 UEV). 325 Vgl. HIRSCH, OPA, S. 49. 326 Art. 7 UEV ff. 327 Art. 16 UEV. 55 C. Das "bedingte" öffentliche Kaufangebot und seine Bedeutung I. Bedingungen: Begriff und Arten 1. Begriff Die Bedingung ist ein wichtiges Institut der Privatautonomie. "Die Bedingung ermöglicht es dem Rechtssubjekt, die Wirkungen seines Willens den verschiedenen Gestaltungen der Zukunft anzupassen, deren Möglichkeiten er voraussieht, und Motive, welche an und für sich irrelevant sind, zur Geltung zu bringen"328. Im Unterschied zum allgemeinen Sprachgebrauch kommt dem Terminus „Bedingung“ in der Rechtswissenschaft eine ganz bestimmte, relativ eng umschriebene Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um ein Rechtsinstitut zur Steuerung der „Wirksamkeit“ von Rechtsgeschäften, welches in den Grundzügen in Art. 151ff. OR festgelegt ist. Art. 151 Abs. 1 OR lautet wie folgt: „Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit von einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen“329. Eine Bedingung im Rechtssinn liegt nach den in der Lehre gängigen Definitionen dann vor, wenn die Wirksamkeit eines Vertrages oder eines Rechtsgeschäftes vom Eintritt einer ungewissen Tatsache abhängig ist330. Der Ausdruck „Bedingung“ bezeichnet dabei einerseits die Modalität des Rechtsgeschäftes, aber auch die in Bezug genommene ungewisse Tatsache331. Die Lehre ist sich darin einig, dass nicht nur Verträge oder einzelne daraus entstehende Forderungen332, 328 329 330 331 332 VON THUR/ESCHER, § 84 S. 255; Durch Vereinbarung einer Potestativbedingung kann ausserdem die Handlungsweise der Gegenpartei beeinflusst werden, ohne dass seitens der Gegenpartei eine Verpflichtung zu einem solchen Handeln begründet würde (vgl. GUHL/KOLLER § 9 N 3; BUCHER S. 505). Diese Bestimmung bezieht sich auf die aufschiebende (suspensive) Bedingung, während die auflösende (resolutive) Bedingung in Art. 154 OR geregelt ist. Art. 154 OR lautet wie folgt: „Ein Vertrag, dessen Auflösung vom Eintritte einer Bedingung abhängig gemacht worden ist, verliert seine Wirksamkeit in dem Zeitpunkte, wo die Bedingung in Erfüllung geht.“ Vgl. EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 1 („Wirksamkeit“), KELLER/SCHÖBI S. 103; diese Autoren erwähnen auch das Element „zukünftig“ in ihrer Definition (siehe nachfolgende Bemerkungen); GAUCH/SCHLUEP/REY N 4083, welche jedoch nur den (bedingten) Vertrag als Sonderform des (bedingten) Rechtsgeschäftes erwähnen („Verbindlichkeit“); BUCHER S. 507 („Wirksamkeit“); PETER S. 11 („Verbindlichkeit“); MERZ, SPR, S. 148, der von „Eintritt oder Hinfall der Wirksamkeit eines Schuldverhältnisses“ spricht. Eingehend dazu schon STIEFEL, Über den Begriff der Bedingung im schweizerischen Zivilrecht, Diss. 1918, S. 47ff. und 60ff. Dazu BUCHER, S. 506 mit Beispielen zur Unterscheidung zwischen der (bedingten) Wirksamkeit des ganzen Vertrages und (bedingter) Wirksamkeit einer Vertragsforderung und Hinweisen zur Genese des Wortlautes von Art. 151 OR, welcher im Gegensatz zu Art. 171 aOR von "Vertrag" anstelle von "Verbindlichkeit" spricht. Auch für Art. 151 OR war ursprünglich das Wort „Rechtsgeschäft“ vorgesehen, wurde dann aber wegen Übersetzungsproblemen ins Französische durch „Vertrag“ ersetzt, was 56 sondern ganz allgemein „Rechtsgeschäfte333 “ mit Bedingungen versehen werden können 334. Nicht nur Verpflichtungsgeschäfte, auch Verfügungsgeschäfte können bedingt abgeschlossen werden. So können beispielsweise Forderungen bedingt abgetreten oder erlassen werden335. Einzelne Autoren wollen sich nicht einmal auf Vertrag oder Rechtsgeschäft als bedingtem Rechtsinstitut festlegen, sondern sprechen lediglich von der Abhängigmachung eines Rechtserfolges von einem ungewissen Umstand336 oder von einem „événement futur et incertain dont dépend un effet juridique“337338. Einig ist sich die Lehre darin, dass der Wortlaut von Art. 151 OR insofern ungenau ist, als auch bei einem aufschiebend bedingten Vertrag schon ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien besteht, der Vertrag also zustande gekommen und insoweit verbindlich ist339. Die Verbindlichkeit äussert sich darin, dass keine der Parteien das bedingte Geschäft wider den Willen der anderen Partei umstossen kann340. Die Parteien können nicht einfach von ihren Willenserklärungen Abstand nehmen. Die volle Wirkung des Rechtsgeschäftes hängt nur noch von der Erfüllung der Bedingung ab. Nach VON THUR/ESCHER entsteht aus einem bedingten Schuldversprechen zwar ein Schuldverhältnis, aber noch keine Forderung und daher "weder ein Anspruch des Gläubigers, noch eine Verpflichtung des Schuldners"341. Richtig ist, dass der Gläubiger (noch) keinen Anspruch auf Erfüllung des bedingt Geschuldeten hat. Der bedingt Verpflichtete darf jedoch gemäss Art. 152 Abs. 1 OR nichts vornehmen, was die gehörige Erfüllung seiner Verbindlichkeit hindern könnte. Er hat die Pflicht, alles zu unterlassen, was bei 333 334 335 336 337 338 339 340 341 57 jedoch nicht den Ausschluss der Bedingtheit anderer Rechtsgeschäfte bedeuten sollte (vgl. STIEFEL S. 45 mit Hinweis auf die Materialien). Vgl. insbesondere diejenigen Autoren, die in ihrer Definition der Bedingung nur den Vertrag erwähnen wie z.B. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4109 mit zahlreichen Beispielen; BUCHER S. 506, der die Bedingtheit von Verfügungen erwähnt; vgl. § 158 des deutschen BGB, der im Gegensatz zu Art. 151 OR explizit von der Bedingtheit des Rechtsgeschäftes handelt. VON THUR/ESCHER, § 84 S. 261; KELLER/SCHÖBI, S. 103; PETER, S. 203; GUTMANS, Die Regel der „Erfüllungs- bzw. Nichterfüllungsfunktion“ im Recht der Bedingung (Art. 156 OR), Diss. Basel 1995, S. 8 FN 18. Eingehend dazu und mit weiteren Hinweisen STAEHELIN, Bedingte Verfügungen, Diss. Basel 1993; VON THUR/ESCHER § 84 S. 261; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4109; EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 OR N 4; grundsätzlich ablehnend ENGEL S. 853. OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 3. Darunter ist auch die Auflösung einer rechtlichen Beziehung zu verstehen. Durch den Einfluss auf den „Rechtserfolg“ oder die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften unterscheidet sich die Bedingung auch von der im Erbrecht häufig anzutreffenden Auflage (vgl. BUCHER S. 509). ENGEL S. 846 (265 I.A.). GUHL/KOLLER § 9 N 2; ENGEL S. 846 (265 I.A.); EHRAT, Basler Kommentar, Art. 151 N 3; Nach BUCHER S. 520 ist ein suspensiv bedingter Vertrag zwar "verbindlich", aber nicht "wirksam“; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4126 sprechen von einem (bereits begründeten) „Rechtsverhältnis“; MERZ, SPR, S. 148 FN 2. PETER S. 284; vgl. VON THUR/ESCHER, § 84 S. 264, wo gesagt wird, dass keine Partei die Erfüllung der Bedingung (Erfolg) durch Rücknahme ihres Willens vereiteln könne. Die Aussage gilt allerdings strenggenommen nicht bei der (reinen) Potestativbedingung; vgl. dazu schon BUCK, S. 9. VON THUR/ESCHER, § 84 S. 264. Eintritt der Bedingung die Erfüllung hindern könnte, aber auch die positive Pflicht, seine Leistungsbereitschaft zu erhalten342. Diese Pflichten stellen auf seiten des bedingt Berechtigten unbedingte und durchsetzbare Ansprüche dar343. Dem bedingt Berechtigten steht daher ein Sicherungsanspruch zu, der Unterlassungs-, aber auch Leistungskomponenten umfasst und gerichtlich - vor allem mittels Verhängung von Sicherungsmassnahmen gemäss Art. 152 Abs. 2 OR durchgesetzt werden kann. Die Tatsache bzw. Bedingung, von der die Verbindlichkeit des Vertrages abhängt, ist ungewiss. Bei Abschluss des Rechtsgeschäftes steht für die Parteien nicht fest, ob die Tatsache eintreten wird. Dadurch unterscheidet sich die Bedingung von der Befristung344. Die überwiegende Lehrmeinung in der Schweiz verlangt zudem, dass die das Geschäft „bedingende“ Tatsache nicht nur subjektiv (d.h. für die Parteien) ungewiss ist, sondern auch objektiv bei Abschluss des Geschäftes nicht feststellbar ist345. Dies ist in der Regel nur für zukünftige Ereignisse der Fall. Daher muss das Ereignis bzw. die Tatsache, an das die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes geknüpft wird, gemäss herrschender Lehre in der Zukunft liegen346. Danach handelt es sich nicht um eigentliche Bedingungen im Rechtssinne, wenn die Parteien verabreden, dass die Wirksamkeit eines Vertrages von einer in der Vergangenheit oder der Gegenwart liegenden Tatsache (condicio in praeteritum vel praesens relata) abhängen soll347. Die Bedingungen werden von den Parteien stipuliert. Darin liegt der Unterschied zwischen den Bedingungen im Sinne von Art. 151 OR und den sogenannten 342 343 344 345 346 347 BUCHER S. 511. Der bedingt Verpflichtete hat nicht nur keine Veräusserung oder Zerstörung einer bedingt verkauften Sache vorzunehmen, sondern auch für gehörige Konservierung und Verwahrung zu sorgen (BUCHER, S. 511 unter Hinweis auf § 160 BGB). Schadenersatz nach Art. 97 OR kann aber erst nach Eintritt (oder Ausfall) der Bedingung geltend gemacht werden, vgl. PETER S. 306 FN 11; a.M. MERZ, SPR, S. 159. Vgl. EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 13; BUCHER S. 508/509; ENGEL S. 847. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4086; KELLER/SCHÖBI S. 103; EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151157 N 8; BUCHER S. 507; vgl. hierzu PETER S. 198 FN 15 m.w.H. auf den Stand der Literatur; a.M. BGE 122 III 15, wonach ein Vertrag bedingt ist, „wenn seine Wirksamkeit oder einzelne seiner Wirkungen von einer nach den Vorstellungen der Parteien ungewissen Tatsache abhängen,..“ (Hervorhebung durch Verfasser); MERZ, SPR, S. 149. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4086; GUHL/KOLLER § 9 N 2; EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151157 N 13; ENGEL S. 846; KELLER/SCHÖBI, Allg. Lehren des Vertragsrechtes, 3. Aufl. Bd 1, Basel/Frankfurt 1988 S. 103/104; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, Vb. zu Art. 151-157 N 8, wonach eine Ungewissheit objektiv nicht bestehen kann, wenn die bedingende Tatsache in der Vergangenheit oder der Gegenwart liegt; a.M. soweit ersichtlich nur MERZ, SPR, S. 149. VON THUR/ESCHER, § 84 S. 258/259; KELLER/SCHÖBI, S. 86; Im gleichen Sinne auch BUCHER, S. 507; GUTMANS, S. 9, der bei vergangenen oder gegenwärtigen Tatsachen nicht von Bedingungen, sondern von „Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes“ spricht; ebenso SCHWENZER N 11.02; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4086; Eingehend zum Stand der Lehrmeinungen und differenzierend PETER, Das bedingte Geschäft, S. 197ff. Dieser Autor hält dafür, die Regeln über die Bedingungen bei vergangenen und zukünftigen Tatsachen (als Voraussetzung der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes) zumindest analog anzuwenden. Soweit ersichtlich steht in der Schweiz nur MERZ, SPR, S. 149, auf dem Standpunkt, auch gegenwärtige und vergangene Ereignisse könnten Bedingungen im Sinne von Art. 151ff. sein. 58 Rechtsbedingungen (condiciones iuris). Die Rechtsbedingungen stellen vom Gesetz oder richterlicher Praxis verlangte Voraussetzungen zur Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Rechtsgeschäft dar348. Als Beispiel kann die Mängelrüge nach Art. 201 OR für die Geltendmachung der Mängelrechte aus einem Kaufvertrag genannt werden349. 2. Suspensive vs. resolutive Bedingungen Eine suspensive oder aufschiebende Bedingung liegt vor, wenn vom Eintritt oder Ausbleiben des bedingenden Ereignisses der Eintritt der Wirksamkeit eines Geschäftes abhängig gemacht wird350. Diese Art von Bedingung steht auch Art. 151 OR zu Gevatter, wo die „Verbindlichkeit“ eines Vertrags vom Eintritt einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird. Ob die Wirksamkeit durch den Eintritt („positive Bedingung“) oder das Ausbleiben („negative Bedingung“) ausgelöst wird, spielt hingegen keine Rolle. Auflösend oder resolutiv ist demgegenüber eine Bedingung, von der die Aufhebung oder Beendigung eines Geschäfts abhängig gemacht wird (Art. 154 OR). Bei der resolutiven Bedingung wird das Geschäft bzw. der Vertrag bereits mit dem Abschluss wirksam, fällt aber danach bei Eintritt - oder Ausfall, wenn eine „negative Bedingung“ verabredet wurde – des ungewissen Ereignisses dahin. Jede ungewisse zukünftige Tatsache kann mit einem Rechtsgeschäft sowohl als aufschiebende wie auch als auflösende Bedingung verbunden werden351. Ob eine Resolutiv- oder eine Suspensivbedingung vorliegt, muss durch Auslegung ermittelt werden. Dem Grundsatz in dubio mitius folgend wird man im Zweifel auf die für den Schuldner weniger einschneidende Suspensivbedingung erkennen352. 348 349 350 351 352 59 Ähnlich BUCHER, der von Voraussetzung für die Vertragsgültigkeit oder Vertragspflicht spricht, welche direkt aus dem Gesetz folgen (S. 508) und EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 12; Umfassender ENGEL S. 848. BUCHER S. 508. Vgl. BUCHER, wonach dabei „der Vertrag erst durch den Eintritt des noch ungewissen Ereignisses wirksam wird“ (BUCHER, S. 507). Anzumerken ist, dass es bei einer aufschiebenden Bedingung um den Eintritt der Wirksamkeit des Geschäftes, nicht jedoch unbedingt um den Eintritt des Ereignisses geht (dieses kann auch ausfallen);. Nach MERZ „entfaltet das suspensiv bedingte Geschäft sein volle Rechtswirkung erst mit dem Eintritt (bzw. der Kenntnis) der ungewissen Tatsache“ (MERZ, SPR, S. 153; auch hier gilt die für BUCHER gemachte Anmerkung); GAUCH/SCHLUEP/REY N 4092. Nach diesen Autoren ist eine Bedingung suspensiv, wenn von ihr die „Verbindlichkeit“ des Geschäftes abhängig gemacht wird. Anzufügen ist hier, dass auch bei der Resolutivbedingung eine Abhängigkeit, d.h. ein kausaler Nexus zwischen Bedingung und „Verbindlichkeit“ besteht. Der Unterschied besteht nicht in der Abhängigkeit als solche, sondern im Eintritt oder Wegfall der „Wirksamkeit“; EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 6, spricht vom „Eintritt der gewollten Rechtswirkung“. Diese kann jedoch m.E. auch in einer Beendigung des Rechtsverhältnisses liegen. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4096; BUCHER S. 507/508. Nachweise bei GAUCH/SCHLUEP/REY N 4098; EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 21; VON THUR/ESCHER S. 257. 3. Potestative vs. kasuelle Bedingungen Im Gegensatz zum Tandem Resolutiv-/Suspensivbedingung, erfahren die gegensätzlichen Begriffspaare potestative/kasuelle Bedingung im OR keine gesonderte Behandlung, werden aber von der Lehre regelmässig (zumindest) für klassifikatorische Zwecke unterschieden353. Bei der Unterscheidung zwischen potestativen und kasuellen Bedingungen ist die Frage der Beeinflussbarkeit des Bedingungseintritts massgebendes Unterscheidungskriterium354. Hängt der zur Bedingung erhobene Umstand vom Willensentschluss und einer entsprechenden Handlung (oder Unterlassung) eines der Beteiligten ab, liegt eine Potestativbedingung vor355. Eine Erweiterung hinsichtlich des Personenkreises und eine Einschränkung hinsichtlich der Kundgabe des Willensentschlusses (keine „Handlung“ bzw. Willensbetätigung erforderlich) nehmen GAUCH/SCHLUEP/REY vor: „Potestative Bedingungen (Willensbedingungen) sind Bedingungen, deren Eintritt oder Nichteinritt vom Willen einer Vertragspartei oder eines (in der Regel irgendwie am Geschäft beteiligten) Dritten abhängig ist“.356 Diese Ausdehnung auf Dritte, d.h. nicht am Rechtsgeschäft Beteiligte ist jedoch abzulehnen357 und wird, soweit ersichtlich, in der Schweizerischen Lehre auch von niemandem sonst vorgenommen. Potestativbedingungen werden auch Willensbedingungen358, oder willkürliche Bedingungen359 genannt. Bei einer potestativen Bedin- 353 354 355 356 357 358 359 Nach EHRAT hat die Unterscheidung zwischen potestativen und kasuellen Bedingungen keine rechtliche, sondern lediglich deskripitive Bedeutung (EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 8). EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 OR N 8. Vgl. MERZ, SPR, S. 154, der jedoch diese Abhängigkeit als ausschliesslich („Hängt…einzig vom Willensentschluss und einer entsprechenden Handlung…“ [Hervorhebung durch Verfasser]) versteht ; GUTMANS, S. 12; ähnlich GUHL/KOLLER § 9 N 15: „Eine potestative Bedingung ist vorhanden, wenn die Erfüllung einer Bedingung in einer Handlung des Gläubigers oder des Schuldners, also einer Vertragspartei, besteht“. Diese Autoren erwähnen jedoch das Willenselement nicht, sondern verweisen auf eine tatsächliche Handlung; Ebenso VON THUR/ESCHER S. 257; ENGEL unterscheidet zwischen relativen und absoluten (= Wollens-) Bedingungen, für diesen Autor ist eine Bedingung potestativ, „s’il est au pouvoir de l’une des parties de la faire naître ou de l’empêcher“, stellt also den Willensakt in den Vordergrund (ENGEL, S. 851); ähnlich VON BÜREN S. 190 und KELLER/SCHÖBI S. 105; BUCHER stellt darauf ab, ob der Eintritt der Bedingung von einer Partei beeinflusst werden kann oder nicht (BUCHER S. 507); ebenso EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 8; Vgl. für das deutsche Recht WOLF, wonach bei der Potestativbedingung „ein willensbestimmtes Tun oder Unterlassen eines Geschäftspartners“ zur Bedingung erhoben wird ( KOHLHAMMER/WOLF, Vor § 158 N 23). GAUCH/SCHLUEP/REY N 4099 (Hervorhebung durch Verfasser). Die Autoren führen das noch auf dem alten Aktienrecht (Art. 686 Abs. 1 aOR) beruhende Beispiel des Übergangs der Mitgliedschaft in einer AG unter der Bedingung der Zustimmung der „Verwaltung“ an. Für das deutsche Recht ausdrücklich WOLF: „Wird das willensbestimmte Verhalten eines Dritten zur Bedingung erhoben, so liegt keine Potestativ-, sondern eine Zufallsbedingung vor“, KOHLHAMMER/WOLF, Vor § 158 BGB N 24; Münchener Kommentar/WESTERMANN § 158 N 20; vgl. auch BGE 122 III 15. „..Willenserklärung einer der am Vertrag beteiligten Partei..“. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4099; SCHWENZER N 11.07. Um eine saubere Abgrenzung der Wollensbedingung (siehe nachfolgende Ausführungen) zu ermöglichen, sollte dieser Terminus nicht verwendet werden. VON THUR/ESCHER S. 257. 60 gung kann der Bedingungseintritt oder –ausfall also (jedenfalls bis zu einem gewissen Grad) von mindestens einer der Parteien beeinflusst werden. Als kasuell oder zufällig werden demgegenüber Bedingungen bezeichnet, die dem Willen der Parteien360 bzw. der Beeinflussung durch die Parteien361 entzogen sind. Bei der Unterscheidung zwischen potestativen und kasuellen Bedingungen gibt es jedoch keine scharfe Abgrenzung. Bei den meisten Fällen von Bedingungen spielen – mit je nach Fall unterschiedlicher Gewichtung - sowohl Elemente mit, die von den Parteien (oder einer davon) beeinflussbar sind und solche, die dem Einflussbereich der Parteien entzogen sind. Bedingungen, die beide Elemente aufweisen, werden oft „gemischte Bedingungen“ genannt362. Es ist jedoch nicht möglich, eine klare Abgrenzung zwischen den genannten Arten von Bedingungen vorzunehmen363. Als besondere Form der Potestativbedingungen können die Wollensbedingungen, manchmal auch „reine Wollensbedingungen“ genannt, betrachtet werden364. Durch diesen Terminus werden diejenigen Fälle erfasst, in denen die blosse Willenserklärung – ich lasse das Geschäft gelten, oder aber, ich lasse es nicht gelten365 – zur Bedingung erhoben wird366. Sie haben die Funktion, dem Begünstigten eine einseitige Berechtigung zur Inkraftsetzung des Vertrages nach Überlegungszeit zu verschaffen367. Bei der Wollensbedingung wird es zum Teil 360 361 362 363 364 365 366 367 61 Vgl. ENGEL: „La condition casuelle dépend du hasard et échappe au pouvoir du créancier ou du débiteur“ (ENGEL S. 851); SCHWENZER N 11.07; ähnlich GAUCH/SCHLUEP/REY, die aber den Willensentschluss Dritter ausgeklammert haben wollen (GAUCH/SCHLUEP/REY N 4101). EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 8; BUCHER S. 507. Vgl. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4103: „..Bedingungen, deren Eintritt sowohl vom Willen einer Partei als auch von „anderen Umständen“ abhängig ist“; EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 8. Dies würde eine Festlegung bzw. Quantifizierung voraussetzen, wonach eine Bedingung bei einem gewissen Grad an Beeinflussbarkeit als „gemischt“ und bei einem gewissen, höheren Grad als „potestativ“ anzusehen sei. Abgesehen von den Schwierigkeiten einer damit verbundenen Messbarkeit wären die Grade bzw. Grenzwerte in höchstem Masse arbiträr. Hinzu kommt, dass ein und dieselbe Bedingung je nach den Umständen eher potestativ oder eher kasuell sein kann. Die Bedingung „wenn Du Dich verheiratest“ ist, gegenüber einem von seiner Lebenspartnerin schon lange bedrängten Mann ausgesprochen, „potestativ“, gegenüber einem nicht liierten und wenig umschwärmten Junggesellen geäussert, zumindest „gemischt“. Vgl. dazu BGE 122 III 15 m.w.H. Lateinisch oft mit „volo, si volam“ oder „condicio si volam“ bzw. „condicio si voluero“ umschrieben. MERZ, SPR, S. 154; implizit auch GAUCH/SCHLUEP/REY N 4099, welche von „Genehmigung“ sprechen; ungenau EHRAT, wonach es bei einer Wollensbedingung einzig auf eine Willenserklärung der berechtigten Partei ankomme (EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 OR N 8); ähnlich VON THUR/ESCHER S. 257. Entscheidend ist, dass sich die Willenserklärung auf die Verbindlichkeit des „bedingten“ Rechtsgeschäftes bezieht. Wird eine Willenserklärung gegenüber Dritten zur Bedingung erhoben, liegt keine Wollensbedingung vor; vgl. BGE 122 III 15 : „Die Geltung eines solchen Vertrages hängt von der blossen, später erfolgenden Willenserklärung einer der am Vertrag beteiligten Partei ab, ihn gelten zu lassen.“; Für Deutschland, KOHLHAMMER/WOLF, Vor § 158 N 25; STAUDINGER/BORK, Vb zu §§ 158ff N 16; Bisweilen wird auch von einer „reinen Wollensbedingung“ gesprochen, so z.B. ERMAN/HEFERMEHL, Vor § 158 N 12; KOHLHAMMER/WOLF, Vor § 158 N 16. als sachgerechter empfunden, von einem zweistufigen Vertragsschluss auszugehen368. Erst die entsprechende Willenserklärung des Bedingungsberechtigten bringt den Vertrag zur Perfektion. Vor dieser Erklärung besteht nach dieser Lehrmeinung noch kein Vertrag, auch kein bedingter369. Der Unterscheidung zwischen potestativen und kasuellen Bedingungen kommt für die Frage der Zulässigkeit von Bedingungen beim Kaufangebot grosse Bedeutung zu. Kommt ihr ausserhalb der übernahmerechtlichen Bedingungsregeln mehr als klassifikatorische Bedeutung zu? Dies wird zum Teil explizit verneint370, zum Teil bejaht371. Immerhin kann man sich fragen, inwieweit das Unterlassungsgebot gegenüber dem bedingt Verpflichteten gemäss Art. 152 auch für Potestativbedingungen gilt. Nach dieser Bestimmung darf der bedingt Verpflichtete nichts vornehmen, was die gehörige Erfüllung seiner Verbindlichkeit hindern könnte. Nach wohl einhelliger Ansicht im Schrifttum ist Art. 152 auch auf Potestativbedingungen anwendbar372. Auch die Erfüllungs- bzw. Nichterfüllungsfiktion nach Art. 156 OR ist auf Potestativbedingungen anwendbar. Sonst könnte beispielsweise bei einem Kauf auf Probe373 der Käufer den Vertrag nach seinem Belieben scheitern lassen, indem er die Genehmigung verweigert oder der Auftraggeber könnte die Bedingung des Mäklerlohnes ausfallen lassen374, indem er den vom Mäkler vermittelten Vertrag nicht abschliesst. Nach überwiegender Ansicht der Lehre375 und der Rechtsprechung376 ist aber Art. 156 – mit 368 369 370 371 372 373 374 375 GUHL/KOLLER § 9 N 16; Nach diesen Autoren ist bei einem Kauf auf Probe erst in der Wollenserklärung der eigentliche Abschlussakt des Vertrages zu erblicken. GUHL/KOLLER § 9 N 16; VON THUR/ESCHER S. 258; In Deutschland ERMAN/HEFERMEHL, Vor § 158 N 12; KOHLHAMMER/WOLF, Vor § 158 N 28; vgl. dazu schon die Kontroverse zwischen WINDSCHEID/KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechtes, 1. Band, 9. Aufl., Frankfurt a.M. 1906 § 93 S. 483 und DERNBURG, Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preussens, 1.Band, Halle a.S. 1902, § 152 S. 452. EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-158 N 8. GUTMANS S. 14. EHRAT, Basler Kommentar, Art. 152 N 3; VON THUR/ESCHER, § 85 S. 265/266; OSER/SCHÖNENBERGER, Art. 152 N 6; Es wird jedoch von diesen Autoren anerkannt, dass in einer Zuwiderhandlung des bedingt Verpflichteten der Ausdruck des Willens liegen kann, die Bedingung zum Ausfall zu bringen (OSER/SCHÖNENBERGER, ibidem). Art. 223 OR. Art. 413 Abs. 1 OR. Eingehend dazu und befürwortend GUTMANS S. 140ff. und S. 175ff. mit zahlreichen Hinweisen auf die schweizerische und deutsche Rechtsprechung; Der Autor unterscheidet zwischen der Verhinderung des Eintritts der Potestativbedingung durch den Entscheidungsberechtigten und der Verhinderung durch die Gegenseite des Entscheidungsberechtigten. Während in der Verhinderung des Bedingungseintritts durch die Gegenseite bereits ein treuwidriges Verhalten liegt, braucht es bei der Verhinderung durch den Entscheidigungsberechtigten qualifizierende Merkmale (venire contra factum proprium etc.), ansonsten keine treuwidrige Bedingungsvereitelung im Sinne von Art. 156 OR vorliegt (GUTMANS S. 254/255); BUCHER wird vom BGer als Gegner der Anwendbarkeit von Art. 156 OR auf Potestativbedingungen zitiert (BGE 117 II 280), unterscheidet sich aber in der Sache kaum von GUTMANS (BUCHER S. 513 § 28 III/1). Während BUCHER Art. 156 OR bei Verhinderung durch den Entscheidungsberechtigten nicht anwenden will (wohl weil für ihn die sedes materiae des Verbots widersprüchlichen Verhaltens in Art. 2 ZGB zu finden ist), erblickt GUTMANS das Verbot wider62 Differenzierungen - auch auf Potestativbedingungen anwendbar377. Nach hier vertretener Ansicht besteht jedoch insofern ein Unterschied zwischen den genannten Arten von Bedingungen als Art. 157 OR nur auf Potestativbedingungen anwendbar ist378. Ausserdem kommt bei Wollensbedingungen (reinen Potestativbedingungen) im Gegensatz zu den übrigen Bedingungen nach hier vertretener Auffassung vor „Genehmigung“ des Offerenten noch kein Vertragsschluss zustande379. 4. Positive und negative Bedingungen Diese Unterscheidung stellt darauf ab, ob der Eintritt oder Nichteintritt eines Ereignisses zur Bedingung gemacht wird380. Die positive oder affirmative Bedingung wird verwirklicht, indem ein bestimmtes Ereignis bzw. eine bestimmte Tatsache eintritt. Die negative Bedingung wird demgegenüber realisiert, wenn die betreffende Tatsache oder das betreffende Ereignis ausbleibt. Die negative Bedingung bezieht sich somit auf den status quo, d.h. das Fortbestehen des beim Abschluss des Rechtsgeschäfts herrschenden Zustands381. Anders ausgedrückt liegt eine positive Bedingung dann vor, wenn sich das ungewisse zukünftige Ereignis (für die Wirksamkeit oder Auflösung des Geschäftes) verwirklichen muss, eine negative ist demgegenüber dann gegeben, wenn sich das ungewisse zukünftige Ereignis nicht verwirklichen darf382. Die Unterscheidung in positive und negative Bedingungen hat nur klassifikatorischen bzw. deskriptiven Gehalt383. 5. Ausdrückliche und stillschweigende Bedingungen Obwohl Bedingungen in der Regel ausdrücklich stipuliert sind, kann eine Bedingung auch stillschweigend begründet werden. So kann sich aus den Umständen beim Vertragsschluss ergeben, dass beide Parteien ein künftiges Ereignis als ungewiss ansahen und sie die vertraglichen Leistungen oder die Wirkungen eines Rechtsgeschäftes davon abhängig machen wollten384. Die stillschweigende sprüchlichen Verhaltens in Art. 156 OR; befürwortend und nicht differenzierend EHRAT, Basler Kommentar, Art. 156 N 3. 376 BGE 117 II 280 E. 5c nicht differenzierend. 377 Aus sprachlogischer Sicht muss man sich allerdings fragen, ob Art. 156 auf (rein) kasuelle Bedingungen überhaupt anwendbar sein kann. Wenn die Parteien den Bedingungseintritt nicht beeinflussen können, die Bedingung also „kasuell“ ist, dann kann der Eintritt dieser Bedingung von einer der Parteien auch nicht verhindert werden. 378 Vgl. § 4 B II. 379 Vgl. die weiter oben gemachten Hinweise. 380 KELLER/SCHÖBI S. 105; VON THUR/ESCHER S. 257; BUCHER S. 507. 381 VON THUR/ESCHER S. 257; ENGEL S. 851. 382 GAUCH/SCHLUEP/REY N 4105/4106. 383 EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 10; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4107. 384 Vgl. GUHL/KOLLER § 9 N 5; BGE 66 I 313 verlangt, dass der Bedingungswille beider Parteien irgendwie zum Ausdruck kommt; vgl. auch BGE 48 II 372 („beidseitig die Vertragsmeinung dahin ge63 Bedingung erweist sich in der Rechtsprechung oft als Rechtsbehelf zur Auflösung von Verträgen, wo eine Anfechtung aufgrund Irrtums oder anderer Willensmängel nicht möglich ist385. Nicht verwunderlich ist daher, dass es sich bei den in der Rechtsprechung vorgekommenen Fällen von stillschweigenden Bedingungen regelmässig um Resolutivbedingungen handelt386. 6. Einseitig begünstigende und „ausgewogene“ Bedingungen Nicht selten wird eine Bedingung nur zugunsten einer der Vertragsparteien stipuliert. In einem solchen Fall kann die begünstigte Partei den Vollzug des Geschäftes auch verlangen bzw. sich auf dessen Verbindlichkeit berufen, wenn die entsprechende Bedingung nicht eingetreten ist. So war in BGE 95 II 523ff. ein Grundstückkauf unter der Bedingung abgeschlossen worden, dass eine Baubewilligung erteilt wird. Wird diese verweigert, kann sich der Käufer nach KOLLER dennoch auf die Verbindlichkeit des Vertrages berufen, wenn die entsprechende Bedingung nur zu seinen Gunsten stipuliert worden war387. Diese Regel kann bei öffentlichen Kaufangeboten allenfalls von Bedeutung sein, da die meisten Bedingungen den Bieter einseitig begünstigen, indem sie ihm bei Auftreten für ihn negativer Tatsachen die vom Veräusserer der Beteiligungspapiere gewollte Abwicklung der Übernahme verhindern. II. Bedingte Rechtsgeschäfte im allgemeinen 1. Der bedingte Vertrag388 Der bedingte Vertrag ist das am häufigsten vorkommende bedingte Rechtsgeschäft. Bei der Regelung der Bedingungen in Art. 151 OR wird sogar ausschliesslich vom Vertrag – und nicht etwa allgemein vom Rechtsgeschäft - als bedingtem Rechtsinstrument gesprochen. Auch die Lehre hat in aller Regel den 385 386 387 388 gangen sei“). In Anwendung des Vertrauensprinzips wird man jedoch vom Erfordernis des „beidseitigen Bedingungswillens“ abrücken können. Es genügt, dass die eine Partei nach Treu und Glauben aus den Umständen erkennen musste, dass die andere Partei einen rechtlichen „Erfolg“ von einem ungewissen (zukünftigen) Ereignis abhängig macht. Insbesondere dann, wenn man eine Irrtumsanfechtung wegen Eintritt oder Nichteintritt eines bestimmten Umstandes nach Vertragsabschluss (künftiger Sachverhalt) nicht zulässt (eingehend dazu mit Übersicht über die Praxis des BGer und den Stand der Lehre GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 795ff.). BGE 71 II 255ff: Rückgabe des geschenkten Familienschmuckes bei Scheidung der Ehe; BGE 66 I 299ff.: Rückzahlung der vom Bund einem Beamten bezahlten Einkaufssumme für die Altersvorsorge bei Ausscheiden aus dem Staatsdienst nach nur einem Jahr; BGE 48 II 366ff.: Auflösung eines Stromliefervertrages nach Abbrennen der Fabrik des Bezügers (verweigert). GUHL/KOLLER § 9 N 17. Die folgenden Ausführungen sind auf suspensive und positive Bedingungen zugeschnitten, sofern nichts anderes stipuliert wird. 64 bedingten Vertrag „vor Augen“ oder zumindest „im Hinterkopf“, wenn die Bedingungen im Rechtssinne erörtert werden. Der bedingte Vertrag ist gesetzlich explizit vorgesehen und daher ohne weiteres zulässig. Auch der bedingte Vertrag ist ein Vertrag. Der Vertrag existiert also, bedingt sind lediglich gewisse Vertragsleistungen389, meist sind es die primären Vertragspflichten. Nicht nur ein resolutiv bedingter, sondern auch ein suspensiv bedingter Vertrag begründet ein Schuldverhältnis und entfaltet gewisse Wirkungen. Zwar ist der Vollzug bzw. die Erfüllung des suspensiv bedingten Vertrages gehemmt, dennoch kann die aus dem Vertrag entstehende "Anwartschaft" bzw. die bedingte Forderung Gegenstand des Rechtsverkehrs sein. Sie kann namentlich im Konkurs eingegeben, durch Klage festgestellt oder durch Arrest oder kantonale Rechtsbehelfe gesichert sowie vererbt und übertragen werden390. Mit Eintritt der Bedingung wird dieser Schwebezustand beendet und der bedingte Vertrag wird zu einem unbedingten. Die Leistungspflicht beider Parteien entsteht, der Vertrag wird „wirksam“. 2. Die bedingte Forderung und die bedingte Verpflichtung Bei einem bedingten synallagmatischen Vertrag sind grundsätzlich beide Vertragsleistungen bedingt, da beide in einem Austausch- bzw. Abhängigkeitsverhältnis stehen391. So sind beim Kauf sowohl die Leistung des Verkäufers (Lieferung der Sache und Eigentumsverschaffung) als auch jene des Käufers (Zahlung des Kaufpreises) bedingt. Der Verkäufer hat eine bedingte Forderung auf den Kaufpreis und eine bedingte Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung an der vereinbarten Sache. Der Käufer hat eine bedingte Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises und eine bedingte Forderung auf Lieferung der Sache. Mit Eintritt (oder Ausfall) der Bedingung, z.B. der Genehmigung durch eine Behörde, werden beide Vertragsleistungen zu unbedingten. Ähnliches gilt allgemein für Verträge, welche Leistungen in Aussicht stellen, „wenn“ oder „falls“ oder „sofern“ die andere Vertragspartei ihrerseits eine Leistung erbracht hat392 oder ein Ereig- 389 390 391 392 65 Auch bei einem bedingten Vertrag gibt es grundsätzlich unbedingte Vertragsleistungen, z.B. die Unterlassungspflicht des bedingt Verpflichteten nach Art. 152 Abs. 1 OR. Vgl. dazu hinten § 3 C III. 2. Bei Schenkung besteht grundsätzlich nur für eine Partei eine Forderung und nur für die andere Partei eine Verpflichtung. Bei einer bedingten Schenkung ist dies grundsätzlich nicht anders. Wenn jedoch die Bedingung sich als Gegenleistung zur „Schenkung“ manifestiert, liegt oft keine Schenkung, sondern ein synallagmatischer Vertrag vor. Ein (nach freilich umstrittener Meinung) nicht vertragliches Beispiel sind Auslobung und Preisausschreiben nach Art. 8 OR: „Die Besonderheit der einseitigen Verpflichtung [der Auslobung] besteht darin, dass sie suspensiv bedingt ist, d.h. nur beim Erbringen der in der Auslobung umschriebenen Leistung wirksam wird“ (BUCHER, Basler Kommentar, Art. 8 N 14). nis eingetreten ist393. Beim Mäklervertrag ist der Mäklerlohn bedingt durch den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Auftraggeber und dem Dritten394. Dieser Vertragstypus untersteht einer doppelten Bedingung. Einerseits ist er im Machtbereich des Mäklers dadurch bedingt, dass der Mäkler überhaupt für den Auftraggeber tätig wird, denn dazu besteht – abweichende Vereinbarung vorbehalten – keine Pflicht395. Andererseits besteht - im Machtbereich des Auftraggebers aber auch des Dritten – die Bedingung des Abschlusses eines Vertrages. Auch die oft genannten Beispiele von Belohnungen für den Fall der Heirat oder des Bestehens einer Prüfung können hier erwähnt werden. Wie bei der Mäkelei sind derartige Abreden in der Regel dahingehend zu verstehen, dass keine Pflicht der „bedingungsbelasteten“ Partei (und daher auch kein klagbares Recht der Gegenpartei) besteht, auf den Eintritt der genannten Bedingungen hinzuarbeiten396. Dem entsprechend besteht vor Eintritt der Bedingungen grundsätzlich auch kein Anspruch auf Belohnung. Eine Erfüllungsklage vor Bedingungseintritt ist daher ausgeschlossen. Es ist auch denkbar, dass nur eine Vertragsleistung und somit nur die Forderung oder nur die Verpflichtung derselben Partei aus einem Vertrag bedingt ist („Einseitige Bedingtheit“). Als Beispiel wird häufig der Versicherungsvertrag angeführt. Dieser ist zwar unbedingt, doch ist die Leistung des Versicherers – im Gegensatz zu derjenigen des Versicherungsnehmers - von einem ungewissen künftigen Ereignis abhängig. Die primäre Vertragspflicht des Versicherungsnehmers zur Zahlung der Versicherungsprämie ist daher unbedingt397. Dem Versicherer steht daher auch eine unbedingte, klagbare Forderung auf Zahlung dieser Prämie 393 394 395 396 397 Vgl. zum Beispiel den Spielvertrag (Art. 513 OR).“C’est un contrat par lequel les parties, sans cause économique, se promettent réciproquement et sous une condition contraire une prestation déterminée – somme d’argent, objet en nature – de telle sorte qu’il y a nécessairement un gagnant et un perdant, désignés par l’accomplissement ou la défaillance de la condition“ (BGE 77 II 47). Art. 413 OR. Man spricht daher von der Erfolgsbedingtheit des Mäklerlohns. AMMANN, Basler Kommentar, Art. 412 OR N 7. Es muss dabei nicht in jedem Fall ein Vertrag vorliegen. Auch eine sogenannte pollicitatio, ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem eine Leistung für die Vornahme einer Handlung versprochen wird (als Beispiel ist jedenfalls nach h.L. die Auslobung nach Art. 8 OR anzusehen; vgl. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 8 N 12), ist möglich. Nach KOLLER gilt dies auch für den Fall, wo A dem B schreibt: „Wenn Sie meinen verlorengegangenen Hund zurückbringen, werde ich Ihnen Fr. 200.- geben.“ Es handle sich dabei zwar nicht um eine Auslobung, dennoch sollte auf eine Annahmeerklärung verzichtet werden, da der versprechende direkt die gewünschte Leistung und nicht eine Annahmeerklärung erwarte (KOLLER, N 1738 und 1739). Nach KOLLER ergeben sich hinsichtlich der Rechtslage kaum Unterschiede zur Auslobung (KOLLER N 1737). Im einen wie im anderen Fall besteht jedoch – anderslautende Abrede vorbehalten - keine Verpflichtung des Adressaten, die Leistung zu erbringen, jedoch eine (durch Vornahme der Leistung durch den Adressaten) bedingte Pflicht des „Versprechenden“, die Belohnung zu erbringen (vgl. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 8 N 23 ff.). Während zum Beispiel die emptio rei speratae ein bedingtes Geschäft ist, liegt bei der emptio spei ein unbedingtes vor. In Anlehnung an die emptio spei (Hoffnungskauf) könnte man den Versicherungsvertrag als emptio securitatis bezeichnen. 66 zu. Die primäre Vertragspflicht des Versicherers zur Zahlung einer Summe Geldes bei Schadenseintritt ist dagegen bedingt398. Auch dort, wo eine Pflicht zum Tätigwerden, ein Honorar aber nur im Erfolgsfall geschuldet ist, kann man von einer „einseitigen Bedingtheit“ sprechen. Selbstverständlich können auch nicht primäre Vertragsleistungen bedingt sein. Die Vereinbarung einer Konventionalstrafe für den Fall des Vertragsbruchs einer der Parteien stellt eine bedingte Verpflichtung und eine bedingte Forderung – je nach Ausgestaltung – nur einer der Parteien oder beider Parteien dar399. Von den bedingten Leistungspflichten und Forderungen zu unterscheiden sind die Fälle, wo lediglich der Vertragsinhalt näher spezifiziert werden soll. Zum Beispiel erklärt jemand gegenüber einem Autohändler, er wolle das Auto nur kaufen, wenn es weniger als drei Jahre alt ist und weniger als CHF 30‘000.- kostet. Hier liegt eine Ausgestaltung des Vertragsinhalts durch entsprechendes Abfassen des Antrages400 bzw. eine Voraussetzung für den Vertragsschluss vor; es handelt sich nicht um eine bedingte Leistungspflicht oder Forderung. Eine Abgrenzung ist aber insbesondere auch vorzunehmen gegenüber dem bedingten Antrag401. 3. Andere bedingte Rechtsgeschäfte insbesondere Gestaltungsrechte Der Grundsatz der Bedingungsfreundlichkeit des Privatrechts bringt es mit sich, dass auch ausserhalb des Vertragsrechts bedingte Rechtsgeschäfte vorkommen können. So anerkennt namentlich das Erbrecht in Art. 482 Abs. 1 ZGB die Bedingungen für Verfügungen des Erblassers. Im Mobiliarsachenrecht kennt man den bedingten Eigentumsübergang mittels Eigentumsvorbehalt402 und sogar im Immobiliarsachenrecht sind Bedingungen in freilich eng begrenztem Rahmen anerkannt403. Auch Verfügungsgeschäfte können nach überwiegender Lehrmeinung404 und der Rechtsprechung405 grundsätzlich bedingt ausgestaltet werden. 398 399 400 401 402 403 404 67 Vgl. BUCHER S. 506. Sieht man jedoch die „Absicherung vor Risiken“ als Vertragspflicht, so wird man auch die Leistung des Versicherers als unbedingt einstufen. Die Konventionalstrafe ist ein aufschiebend bedingtes Leistungsversprechen. Nach GAUCH/SCHLUEP/REY besteht die Bedingung in der nicht richtigen Erfüllung bei Fälligkeit (GAUCH/SCHLUEP/REY N 3918). Oder allenfalls der Einladung zur Offertstellung. Vgl. nachfolgend § 3 B. IV. Art, 715 ZGB; Auf die kontrovers diskutierte Frage, ob es sich dabei um eine suspensive oder um eine resolutive Bedingung handelt, wird hier nicht eingegangen; Ausführlich dazu STAEHELIN S. 58ff. Insbesondere resolutiv bedingte Dienstbarkeiten werden in gewissen Fällen von den Grundbuchämtern bzw. den Gerichten anerkannt. Vgl. dazu BGE 106 II 329ff. (Durch Wiederverheiratung des Berechtigten auflösend bedingtes Wohnrecht) und BGE 115 II 213ff. Für einen ausführlichen Überblick über den Stand der Lehre siehe PETER S. 204 FN 42 und STAEHELIN passim. Bei einigen Rechtsinstituten überwiegt jedoch das Interesse an einer klaren Rechtslage gegenüber dem Bedürfnis an Flexibilität von Rechtsgeschäften mittels Bedingungen, da mit dieser Flexibilität immer auch eine rechtliche Unsicherheit verbunden ist. Diese sogenannten bedingungsfeindlichen Rechtsgeschäfte können nicht wirksam unter einer Bedingung abgeschlossen werden. Bedingungsfeindlich sind zum Beispiel zahlreiche Geschäfte des Familien- und Erbrechtes sowie die meisten sachenrechtlichen Verfügungen406. Als bedingungsfeindlich bezeichnen Doktrin und Praxis407 ferner auch die sogenannten Gestaltungsgeschäfte wie Kündigung, Rücktritt, Verrechnung und die Vertragsanfechtung bei Willensmängeln, wobei einschränkend beizufügen ist, dass dies nur so lange gilt, als durch die fragliche Bedingung eine für den Adressaten unzumutbare Unsicherheit der Rechtslage geschaffen wird408. III. Der bedingte Antrag zum Vertragsschluss? 1. Der Antrag zum Vertragsschluss Ein Vertrag wird begründet durch gegenseitige, übereinstimmende Willensäusserungen der Kontrahenten409. Der Vertragsschluss setzt also voraus, dass diese übereinstimmenden Willensäusserungen ausgetauscht werden, wobei jeder Erklärende zugleich Empfänger der anderen Erklärung ist410. Sofern diese Erklärungen zeitlich verschieden erfolgen, wird die erste „Antrag“ oder „Offerte“, die zweite „Annahme“ oder „Akzept“ genannt. Der Antrag zum Vertragsschluss ist also eine (empfangsbedürftige) Willenserklärung411412, mit der der Abschluss eines Vertrages begründet werden soll. Der Antrag zum Vertragsschluss zeichnet sich ferner dadurch aus, dass darin der endgültige Rechtsfolgewille des Antrag- 405 406 407 408 409 410 411 412 Vgl. BGE 84 II 364 für die bedingte Zession. Eingehend dazu BOVAY, Acte translatif de propriété et condition, Diss. Lausanne 1938; PIOTET, La réalisation d’une peut-elle avoir un „effet réel“, ZSR 1988 I 359ff. Das Bundesgericht hat in BGE 108 II 104 betreffend die Anfechtung eines Vertrages wegen eines Willensmangels eine bedingte Anfechtungserklärung in einem obiter dictum für unzulässig erklärt. Daraus zu schliessen, dieser Entscheid befürworte eine strikte Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsgeschäften (GAUCH/SCHLUEP/REY N 4117) erscheint zu wenig differenziert. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4117; BUCHER, S. 510; Auch nach KOLLER gilt die Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten nur "in der Regel" (GUHL/KOLLER § 9 N 11). Gemäss einem Entscheid des Obergerichtes Aarau ist eine bedingte Kündigung jedenfalls dann zulässig, wenn die Erfüllung der Bedingung vom Willen des Kündigungsempfängers abhängig ist (Entscheid vom 2.11.1984, abgedruckt in SJZ 1986, S. 29); für generelle Bedingungsfeindlichkeit bei Gestaltungsgeschäften EHRAT, Vb zu Art. 151-157 N 5; VON THUR/ESCHER S. 262; KELLER/SCHÖBI S. 106. Art. 1 Abs. 1 OR. Statt vieler SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, Art. OR N 74; KOLLER N 436. Zum Begriff vgl. KRAMER, Berner Kommentar, Art. 1 N 3ff.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 168ff. Nach GAUCH/SCHLUEP/SCHMID stellt die Willenserklärung sogar den Kerntatbestand eines Rechtsgeschäftes dar (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 167); vgl. auch KOLLER N 133; ENGEL, S. 194. 68 stellers geäussert wird413. Der Antrag muss ferner so beschaffen sein, dass ein Akzept zum Vertragschluss führt, d.h. er muss annahmefähig sein414. In der Doktrin werden über diese Feststellungen hinausgehend jedoch unterschiedliche Auffassungen zur Rechtsnatur des Antrags vertreten. Nach einer Lehrmeinung handelt es sich dabei um ein einseitiges Rechtsgeschäft415, nach anderer Ansicht um einen blossen Bestandteil des Vertrages ohne Rechtsgeschäftscharakter416. Die in der Lehre vertretenen Ansichten zur Rechtsnatur des Antrages werden nachfolgend „(ex-)kursorisch“ geschildert um anschliessend zu untersuchen, ob die Kontroverse um den Rechtsgeschäftscharakter von Offerten bzw. Anträgen zum Vertragsschluss von Bedeutung für das Wesen und die Zulässigkeit eines bedingten Antrags ist. KOLLER bezeichnet diejenigen Willensäusserungen einer Privatperson als Rechtsgeschäfte, die auf die Erzielung eines erlaubten wirtschaftlichen Erfolges gerichtet sind und die nach der objektiven Rechtsordnung die Begründung oder Aufhebung eines Rechts zur Folge haben417. Vor diesem Hintergrund lehnt er die Qualifizierung des Antrages als einseitiges Rechtsgeschäft ab, da der Antrag nicht auf die Einräumung einer besonderen Rechtsstellung abziele, sondern auf den Vertragsschluss selbst. Das Annahmerecht sei lediglich Nebenprodukt und gesetzliche Folge des auf den Vertragsschluss gerichteten Rechtsfolgewillens418. In die gleiche Richtung zielt SCHMIDLIN. Nach diesem Autor ist die gegenseitige übereinstimmende Willensäusserung der Parteien nichts anderes als „die Vereinigung mehrerer Willen zu einem einzigen, ganzen, ungeteilten Willen, der das eine Rechtsgeschäft des Vertrages bewirkt“419. Antrag und Annahme seien daher für sich genommen nur Willenserklärungen, die im Austausch den einen Vertrag erzeugten420. SCHMIDLIN lehnt es daher ab, den Antrag als selbständiges, ein Ge413 414 415 416 417 418 419 420 69 KOLLER N 438; MERZ, Vertrag, S. 107. Statt vieler KOLLER N 466. Dies schliesst mit ein, dass der Antrag alle subjektiv und objektiv wesentlichen Punkte umfasst. Nach Ansicht Kollers impliziert der Ausdruck „Rechtsfolgewille“ bereits, dass der Antragsteller alle subjektiv wesentlichen Punkte in den Antrag aufgenommen hat (KOLLER N 441). Z.B. MERZ, Vertrag, N 192; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, Art. 3 N 9. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Vb zu Art. 3-10 OR, N 28ff.; KOLLER, OR AT, N 443. GUHL/KOLLER § 12 N 2; anders neuerdings KOLLER: „Das Rechtsgeschäft lässt sich somit als Tatbestand definieren, der aus einer oder mehreren auf den Eintritt von Rechtsfolgen gerichteten Willensäusserungen besteht, die von der Rechtsordung als Grund für den Eintritt der gewollten Rechtsfolgen anerkannt werden“ (KOLLER N 133; vgl. schon die praktisch gleichlautende Definition von STIEFEL S. 3); vgl. auch die leicht abweichende Definition von GAUCH/SCHLUEP/SCHMID: „Rechtsgeschäft ist eine private (nicht hoheitliche) Willenserklärung, die darauf gerichtet ist, - allein oder mit anderen Tatbestandselementen – eine dem erklärten Willen entsprechende Rechtsfolge eintreten zu lassen“ (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 119); vgl. auch BUCHER S. 40; KELLER/SCHÖBI S. 8. KOLLER N 444. KOLLER hält die Unterscheidung bzw. Qualifizierung des Antrags aber für nicht praxisrelevant, da die Rechtsordung keine Regeln kenne, „welche zwar für einseitige Rechtsgeschäfte, nicht aber für einseitige Willenserklärungen ohne Rechtsgeschäftscharakter Geltung hätten“ (KOLLER N 445). SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Vb zu Art. 3-10 N 28. Ibidem. staltungsrecht einräumendes Rechtsgeschäft anzusehen421. Nach VON BÜREN verschafft der Antrag dem Gegner ein Gestaltungsrecht des Inhaltes, den Vertrag durch konkordante Gegenerklärung zum Schluss zu bringen422. Damit steht VON BÜREN wohl implizit auf Seiten derer, die den Rechtsgeschäftscharakter des Antrages bejahen. Nach KRAMER ruft auch die Offerte für sich Rechtswirkungen hervor, zwar keine Verpflichtung zur Leistung, aber doch den rechtlichen Zustand der Bindung. Dieser Autor ordnet die Offerte bzw. den Antrag daher den einseitigen Rechtsgeschäften zu423. JÄGGI sieht in der Offerte ein durch die Annahme bedingtes Rechtsgeschäft und wertet das Verhalten des Offerenten als Bedingungsvereitelung424. SCHLUEP, der sich im spezifisch übernahmerechtlichen Kontext äussert, spricht von einem durch die Offerte entstehenden, rechtsbegründenden Gestaltungsrecht der Aktionäre der Zielgesellschaft425. Es trifft zwar zu, dass die Doktrin bei den Rechtsinstituten, die mit Bedingungen versehen werden können, meist nur „Rechtsgeschäfte“ oder gar nur „Verträge“ erwähnt. Dennoch kann der „Rechtsgeschäftscharakter“ eines Instituts für die Frage, ob dieses Institut mit Bedingungen versehen werden kann, nicht ausschlaggebend sein. Die Subsumtion der Offerte unter den Begriff „Rechtsgeschäft“ ist angesichts der Vielzahl umfasster Rechtsinstitute wenig aussagekräftig und lediglich von klassifikatorischer Bedeutung426. Ohnehin sollten aus dem Begriff bzw. der Qualifizierung als „Rechtsgeschäft“ oder „einseitiges Rechtsgeschäft“ keine rechtlichen Folgen hergeleitet werden; dies wäre Begriffsjurisprudenz in Reinstform427. Der Schluss „Der Antrag kann mit Bedingungen versehen werden, weil er ein Rechtsgeschäft ist“ wäre demnach unzulässig. Es wird daher davon abgesehen, aufgrund der Rechtsnatur des Antrages als „Rechtsgeschäft“ oder als sonstiges Institut Rückschlüsse auf die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit des bedingten Antrages oder auf andere Rechtsfolgen zu ziehen. Eine Qualifizierung der Rechtsnatur des Antrages als einseitiges Rechtsgeschäft oder als Bestandteil des Vertrages ohne Rechtsgeschäftscharakter erweist sich daher als nicht notwendig. 421 422 423 424 425 426 427 SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Vb zu Art. 3-10 N 29. VON BÜREN, S. 123. KRAMER, Berner Kommentar, Allg. Einleitung, S. 65 N 123. SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Art. 3 N 43. SCHLUEP, S. 203. Vgl. KOLLER N 445. Vgl. etwa BUCHER, der einräumt, dass die in der Schweiz (im Gegensatz zur gesetzlichen Regelung im deutschen BGB) von der Lehre oder Praxis geschaffenen Regeln über Rechtsgeschäfte nicht einheitlich seien (BUCHER S. 41 FN 45). 70 2. Existenz des bedingten Antrages? a. Das Problem Im Hinblick auf die Praxis der Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten ist sicherlich zunächst die grundsätzliche Feststellung zu machen, dass jeder Antrag im Prinzip „bedingt“ ist. Der Antrag zum Vertragsschluss steht unter der Bedingung der Annahme durch den oder die Adressaten428. Bleibt diese aus oder weicht die Erklärung des Adressaten vom Antrag ab (Dissens), so verliert der Antrag seine Verbindlichkeit. Diese Bedingtheit liegt in der Natur der Sache und entzieht sich den Gestaltungsmöglichkeiten des Antragstellers. Die Frage der Zulässigkeit eines bedingten Antrages zum Vertragsschluss geht jedoch über diese elementare Feststellung hinaus und beschlägt die Möglichkeit des Antragstellers, die Wirksamkeit seines Antrages von ungewissen (zukünftigen) Ereignissen abhängig zu machen. Bei der Untersuchung dieser Frage ist davon auszugehen, dass der Antrag aufgrund des Prinzips der Vertragsfreiheit429 grundsätzlich bedingt ausgestaltet werden kann. Zudem gilt der Grundsatz, dass die inhaltliche Ausgestaltung des Antrages ganz in den Händen des Antragstellers liegt430. Dem Antragsteller ist es freigestellt, die Wirksamkeit der Annahme von der Einhaltung einer bestimmten Form oder von sonstigen Voraussetzungen abhängig zu machen431. Da allerdings ein bedingter Antrag für den Antragsempfänger erhebliche Ungewissheit mit sich bringen kann ist sodann zu klären, ob das Gebot der Rechtssicherheit, das Wesen des Antrags mit dem damit erklärten Rechtsfolgewillen oder andere rechtliche Prinzipien die Bedingtheit des Antrags gleichwohl ausschliessen. In dieser ersten Annäherung an die Problematik wird der Stand der Lehre in Bezug auf die Existenz eines „bedingten Antrages“ oder einzelner verwandter Erscheinungsformen wiedergegeben. Es sei vorweggenommen, dass die nachfolgend wiedergegebenen Lehrmeinungen nicht klar herausarbeiten, was bei einem bedingten Angebot eigentlich bedingt ist. Nach einer Untersuchung dieser letzteren Frage wird daher auf diese Lehrmeinungen zurückzukommen sein. 428 429 430 431 71 Auch als Angebotsempfänger oder Oblaten bezeichnet. Zum Begriff GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 612ff.; KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 N 17-89; Mangels Vorliegen eines Vertrages könnte man argumentieren, dass die „Vertragsfreiheit“ als Ausfluss der Privatautonomie für die Begründung der Zulässigkeit eines bedingten Antrages nicht herangezogen werden kann. Die Vertragsfreiheit beschlägt jedoch schon das Stadium der Vertragsanbahnung, ansonsten wären die Abschlussfreiheit und die Partnerwahlfreiheit als Aspekte der Vertragsfreiheit weitgehend Makulatur. Vgl. dazu auch KRAMER, der die freie Entscheidung über die Abgabe eines Vertragsantrages als Teilaspekt der Abschlussfreiheit versteht (KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 N 43). Bemerkenswert ist BUCHER, der die grundsätzliche Zulässigkeit von bedingten Willenserklärung offenbar als Ausfluss der Privatautonomie erachtet (BUCHER S. 77). KOLLER N 448; einzuräumen ist, dass strittig sein kann, ob das Anfügen von Bedingungen zum „Inhalt“ des Antrages gehört. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 439. b. Existenz verwandter Institute Im Schrifttum anerkannt und zulässig ist ein Antrag mit Widerrufsvorbehalt432, der die Bindungswirkung nicht ausschliesst, sondern lediglich widerrufbar macht433. Die Zulässigkeit des Widerrufsvorbehaltes fusst gemäss SCHMIDLIN auf der dispositiven Natur der Bindungswirkung434. Doch kann der Antrag nur solange widerrufen werden als keine wirksame Annahme erfolgt ist435. Die Bindungswirkung des Antrags erlischt mit Kundgabe des Widerrufs. Der widerrufbare Antrag ist somit nach Ansicht von KOLLER ein bedingt verbindlicher oder kurz bedingter Antrag436437. Zulässig ist auch der befristete Antrag438. Der Antragsteller bleibt bis zum Ablauf der von ihm selbst gesetzten Frist an den Antrag gebunden. Eine nach Ablauf der Frist erfolgte Annahmeerklärung bringt den Vertrag nicht zur Perfektion, sondern stellt lediglich eine neue Offerte dar. Die Befristung bewirkt daher den Wegfall der Bindungswirkung439. Ein befristeter Antrag wird in der Regel den Zeitpunkt des Ablaufs der Bindungswirkung genau festlegen440. Möglich ist aber auch, dass eine wenig präzise Befristung gewählt wird, bei der sich der Ablauf der Bindungswirkung nicht exakt feststellen lässt441. Der Antragsteller kann die Bindungswirkung der Offerte also, wie erwähnt, mittels Befristung oder Widerruf ausfallen lassen. Der Widerruf ist allerdings 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 Davon zu unterscheiden ist der Widerruf des Antrages nach Art. 9 OR, welcher vor Zugang bzw. Kenntnisnahme durch den Oblaten auch ohne entsprechenden Vorbehalt möglich ist. In diesem Sinne begründet Art. 9 OR ein „gesetzliches“ Widerrufsrecht. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 7 N 13; KOLLER N 466. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 7 N 13. Die Lehre hält den Widerruf sogar nur bis zum Zugang des Antrages für zulässig: SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 7 N 13 und Vb zu Art. 3-10 N 35; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 423; BECKER, Berner Kommentar, Art 7 N 5; SCHWENZER N 27.25; BUCHER, Basler Kommentar, Art. 3 N 5, der die Versendung der Annahmeerklärung für relevant hält; In Deutschland wird diese Ansicht von der Lehre z.T. abglehnt und für ein Widerrufsrecht auch nach Zugang der Annahmeerklärung plädiert, ERMAN/HEFERMEHL, § 145 N 15; vorsichtig befürwortend STAUDINGER/BORK § 145 grundsätzlich ablehnend KOHLHAMMER/WOLF § 145 N 10. Die unterschiedlichen Auffassungen drehen sich jedoch mehr um die Terminologie als um Sachfragen, denn auch in der Schweiz wird ein „Widerruf“ nach Vertragsschluss in Form eines einseitigen Rücktrittsrechts anerkannt. KOLLER N 466. Ein besonderes Widerrufsrecht ist ferner in Artikel 40b OR für die „Haustürgeschäfte und ähnliche Verträge“ verankert. Wie sich aus Art. 40e OR ergibt, kann der Antragsteller bei diesen Geschäften innert einer bestimmten Frist auch nach Zugang der Annahmeerklärung und somit nach Vertragsschluss seinen Antrag widerrufen (vgl. KOLLER N 504; GONZENBACH, Basler Kommentar, Art. 40b N 11; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 476). Art. 3 Abs. 1 OR lautet wie folgt: „Wer einem anderen den Antrag zum Abschlusse eines Vertrages stellt und für die Annahme eine Frist setzt, bleibt bis zu deren Ablauf an den Antrag gebunden“. Vgl. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 3 N 85; KOLLER N 482. Z.B. durch Wendungen wie „bis zum 15. Oktober“ oder „innert 24 Stunden“ oder „drei Tage nach Zugang“ etc. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 3 N 75 mit Beispielen. Der Antrag kann grundsätzlich nach Belieben des Antragstellers befristet werden (vgl. BUCHER S. 130). 72 nach schweizerischer Auffassung grundsätzlich nur bis zum Zugang des Antrags möglich442. Ein einseitiger „Widerruf“ nach Vertragsschluss ist jedoch sehr wohl möglich, muss aber als vertragliches Rücktrittsrecht gewertet werden und setzt Konsens voraus443. Es ist also möglich, auch nach erfolgter Annahme einen Vertrag nach Belieben des (früheren) Antragstellers unwirksam zu machen. Auch bei den sogenannten Haustürgeschäften444 kann ein Antrag nach Eintreffen der Annahmeerklärung noch widerrufen werden445, bringt also für den Oblaten446 eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich, welche jedoch von der Rechtsordnung toleriert wird, weil diese Befugnis einem Sozialschutzgedanken447 entspringt, der vom Gesetzgeber höher gewertet wurde als das Interesse des Oblaten an klaren Rechtsverhältnissen448. c. Das Schrifttum zum bedingten Antrag Das Schrifttum steht – soweit ersichtlich – einhellig auf dem Standpunkt, dass ein bedingter, d.h. bedingt verbindlicher Antrag zulässig sei. Nach SCHMIDLIN kann die Verbindlichkeit einer Offerte zum Vertragsschluss auch von objektiven Bedingungen abhängig gemacht werden. Mit ihnen gebe der Offerent zu verstehen, er halte sich an sein Angebot nur solange gebunden, als die genannten Bedingungen bestehen bzw. bis sie eingetreten sind449. SCHMIDLIN bezeichnet dieses Phänomen in der Überschrift als bedingt verbindlichen Antrag450. Dieser Autor geht daher von der Zulässigkeit bzw. Möglichkeit des Anfügens von Bedingungen an einen Antrag zum Vertragsschluss aus. BUCHER teilt diese Ansicht 442 443 444 445 446 447 448 449 450 73 SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Vb zu Art. 3-10 OR N 35; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 423; BUCHER, Basler Kommentar, Art. 3 N 5 will den Widerruf immerhin bis zur Versendung der Annahmeerklärung zulassen; Vgl. auch die oben angeführte Literatur. Vgl. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art.7 N 17; STAUDINGER/BORK § 145 N 32. Art. 40aff. OR. Art. 40b i.V.m. Art. 40e Abs. 2 OR. Im Unterschied zum soeben geschilderten vertraglichen „Widerruf“, handelt es sich hier um ein gesetzliches Widerrufsrecht nach Vertragsschluss. Art. 40a bezeichnet diesen als Anbieter. Im Gegensatz zum Bieter bei Übernahmeangeboten ist der Anbieter ein Verkäufer und nicht ein Käufer. Im konkreten Fall dem Konsumentenschutz. Die Befristung des Antrages steht zwar weitgehend im Belieben des Antragstellers, doch besteht für den Oblaten keine Rechtsunsicherheit bezüglich des Zustandekommens des Vertrages. Bei der Befristung ist der Antrag bis zu einem gewissen, späteren Zeitpunkt verbindlich, kann also vom Oblaten bis zum Hinfall der Bindungswirkung ohne weiteres angenommen werden. Sowohl beim Widerrufsvorbehalt wie auch bei der Befristung des Antrages bestehen für den Oblaten daher nach schweizerischem Recht klare Verhältnisse. Hat der Antragsempfänger von einer Offerte einmal Kenntnis erhalten, kann er den Vertrag im allgemeinen durch seine Willenserklärung zustande bringen, muss aber bei Haustürgeschäften und insbesondere bei Vereinbarung eines einseitigen Rücktrittsrechts damit rechnen, dass der Vertrag nachträglich dennoch unwirksam wird. Im einen Fall ist dies durch den Sozialschutz, im anderen Fall durch die Vertragsfreiheit zu rechtfertigen. Während also beim Zustandekommen des Vertrages für den Oblaten klare Rechtsverhältnisse herrschen, erlaubt die Rechtsordnung eine nachträgliche – von beiden Parteien durch Austausch übereinstimmender Willenserklärungen stipulierte – Rechtsunsicherheit durch einseitiges Aufheben des Vertrages. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 7 N 15. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, S. 315. und sagt: “Die Gültigkeit der Offerte kann auch an eine Bedingung geknüpft werden“451. Auch OSER/SCHÖNENBERGER erwähnen die Möglichkeit der bedingten Antragstellung: „Neben den unverbindlichen Offerten kann es auch solche unter bestimmten Bedingungen, insbesondere mit beschränkter Haftung geben452“. Auch die deutsche Lehre spricht sich für die Zulässigkeit des bedingten Antrages zum Vertragsschluss aus. Namentlich BORK tritt für die Zulässigkeit eines bedingten Antrags ein. Der Antragende könne bestimmen, dass die Gebundenheit an das Angebot mit einer bestimmten Bedingung enden soll453. Dabei könne diese Bedingung von beliebigen objektiven Umständen abhängig gemacht werden. Auch nach KRAMER kann die Bindung des Antragenden im Wege der Bedingung von beliebigen objektiven Umständen abhängig gemacht werden, ohne dass dies am Antragscharakter etwas ändern würde454. Andere Autoren sprechen nicht explizit von der Möglichkeit eines bedingten Antrages. Bei Klauseln wie „solange der Vorrat“ reicht, wird der Wegfall der Bindungswirkung anstatt mit einem bedingten Antrag mit einer analogen Anwendung der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage dogmatisch begründet455. Die deutsche Lehre anerkennt jedoch (bei entsprechender Abrede) ein den Eingang des Akzeptes überdauerndes Widerrufsrecht des Antragstellers, welches vom vertraglichen Rücktrittsrecht zu unterscheiden ist. In diesem Widerruf kann man auch eine potestative Bedingung des Antrages erblicken. Gewisse der zitierten Autoren gehen teils explizit, andere wohl implizit von der zunächst bestehenden und nachträglich (bei Bedingungseintritt) wegfallenden „Bindungswirkung“ des Antrages aus. Ihre Aussagen betreffend die Zulässigkeit des bedingten Antrages beziehen sich somit auf einen gewissermassen „resolutiv bedingten Antrag“: Der Antrag behält in dieser Ausgestaltung zunächst seine (ihm per definitionem zustehende) Annahmefähigkeit; diese Annahmefähigkeit fällt bei Eintritt der Bedingung nachträglich dahin, womit der Antrag „ausser Kraft gesetzt wird“ 456. Nicht erwähnt wird demgegenüber die umgekehrte Mög- 451 452 453 454 455 456 BUCHER, § 10 V 1b S. 130, vgl. auch S. 77, wo dieser Autor die Bedingtheit von Willenserklärungen grundsätzlich befürwortet; ähnlich BECKER, der eine bedingte Ablehnung der Verbindlichkeit im Ausdruck „Zwischenverkäufer vorbehalten“ erblickt (BECKER, Berner Kommentar, Bern 1941, Art. 8 N 2). OSER/SCHÖNENBERGER, Art. 7 N 14. Die Autoren nennen als Beispiel die Lieferung einer Ware „solange Vorrat“. STAUDINGER/BORK, § 145 N 29; vgl. schon STAUDINGER/DILCHER in der Vorauflage (12.Aufl.) § 145 N 18: „Ebenso kann die Gebundenheit mit dem Eintritt einer im Antrag vorgesehenen Bedingung enden. Die Bindung des Antragenden kann bedingungsweise von beliebigen objektiven Umständen abhängig gemacht werden“. KRAMER, Münchener Kommentar, § 145 N 7a. KOHLHAMMER/WOLF, § 145 N 11. Nach BORK hat der Eintritt der auflösenden Bedingung beim Antrag zum Vertragsschluss zur Folge, dass die Annahmefähigkeit des Antrages ohne weiteres, insbesondere ohne vorherigen Widerruf des Anbietenden, entfällt (STAUDINGER/BORK, § 145 N 29). 74 lichkeit des aufgeschobenen „Inkrafttretens“ des Antrages bei Eintritt einer Bedingung. Im einen wie im anderen Fall scheint jedoch nach Ansicht einiger Lehrmeinungen die Bindungswirkung des Antrages bzw. dessen Annahmefähigkeit bedingt zu sein. Die meisten Autoren äussern sich jedoch nicht explizit zur Frage, was die Bedingtheit der Bindungswirkung bei einem Antrag bedeutet. Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass Einigkeit über die Existenz eines bedingten Antrages besteht, dass aber andererseits nicht klar thematisiert wird, was ein bedingter Antrag zum Vertragsschluss überhaupt sein soll. 3. Wesen und Bedeutung des bedingten Antrages Dogmatisch kann ein bedingter Antrag auf verschiedene Weise interpretiert werden. Nach der einen Auffassung fehlt es bis zum Eintritt457 der Bedingung an der Verbindlichkeit der „Willenserklärung“ zum Vertragsschluss. Der „Antrag“ ist bis zum Eintritt der Bedingung nicht annahmefähig und stellt somit auch keinen Antrag im Rechtssinne dar, zu dessen Wesen die Annahmefähigkeit gehört458. Eine Annahmeerklärung könnte demnach mangels verbindlicher Offerte vor Eintritt der Bedingung noch keinen Vertrag459 zustande bringen460. Tritt die Bedingung jedoch ein, so erwächst der Vertrag ipso iure in Kraft, wird verbindlich, wie wenn der Antrag ein unbedingter gewesen wäre. Es bedarf also im Gegensatz zu einer Einladung zur Offertstellung keines Akzeptes mehr. Der Unterschied zu einem bedingten Vertrag liegt darin, dass bei einem bedingten Antrag bis zum Eintritt der Bedingung jegliche Vertragswirkung ausbleibt. Da die Bindungswirkung des Antrages erst mit dem Eintritt der Bedingung entsteht, könnte der Antragsteller strenggenommen seinen „Antrag“ auch bis zum Eintritt widerrufen. Zur Korrektur dieses Missstandes müsste man das Verbot des Rechtsmissbrauches heranziehen. Nach dieser dogmatischen Auffassung wären auch materielle Vertragswirkungen irgendwelcher Art bei einem „suspensiv bedingten Antrag“ ausgeschlossen, d.h. die Art. 151ff. OR und insbesondere die Verhaltenspflichten des bedingt Verpflichteten nach Art. 152 OR wären nicht anwendbar. Eine andere dogmatische Auffassung könnte zum Schluss führen, es sei trotz eines lediglich bedingt verbindlichen Antrages ein Vertrag zustande gekommen, da ein Austausch gegenseitig übereinstimmender Willensäusserungen vorliege. Die Parteien seien aber übereingekommen, die „Wirksamkeit“ des Vertrages erst 457 458 459 460 75 Es sei noch einmal erwähnt, dass auch der Ausfall der Bedingung, je nach Formulierung, die Wirksamkeit des bedingten Geschäftes herbeiführen kann. KOLLER N 466. Verstanden als Austausch übereinstimmender Willenserklärungen, die darauf gerichtet sind, eine dem übereinstimmend erklärten Willen entsprechende Rechtsfolge herbeizuführen (vgl. KOLLER N 203). „Die Vertragserklärungen führen nach Art. 1 nur dann zur Vertragsperfektion, wenn ihnen der endgültige Geltungswille (das „sic volo sic iubeo“) des Erklärenden, sein „Vertragsernst“ (..) entnommen werden kann“ (KRAMER, Berner Kommentar, Art. 1 N 167). bei Vorliegen einer Bedingung eintreten zu lassen. Bis zu diesem Zeitpunkt erachten sich die Parteien aber in dem Sinne als „gebunden“ als der Antragsteller nicht nach Belieben, sondern nur bei Ausbleiben der Bedingung von seiner Erklärung Abstand nehmen kann. Der Vertrag ist – um mit BUCHER zu sprechen – verbindlich, aber nicht wirksam461. In formeller Hinsicht ist somit ein Vertrag zustande gekommen, in materieller Hinsicht ist er jedoch noch nicht wirksam. Mit anderen Worten sind die Parteien an ihre Erklärungen gebunden (Bindungswirkung), doch tritt die von den Parteien beabsichtigte Umgestaltung der Rechtslage (Gestaltungswirkung) noch nicht ein462. Worin unterscheidet sich dieses Verständnis des bedingten Antrages vom bedingten Vertrag? Bei beiden Gestaltungsformen liegt (noch) keine erzwingbare Verpflichtung zur Erfüllung der vereinbarten Leistungen vor, solange die entsprechende Bedingung nicht eingetreten ist. Sowohl beim bedingten Antrag nach Eingang des Akzeptes wie auch beim bedingten Vertrag liegt nach diesem Verständnis eine vertragliche Bindung der Art vor, dass – vorbehaltlich des Ausfalls der Bedingung – keine Partei von ihren Erklärungen mehr Abstand nehmen kann. Der so verstandene bedingte Antrag unterscheidet sich bei den Rechtsfolgen nicht vom bedingten Vertrag. Während also bei der ersten Interpretation bis zum Eintritt der Bedingung ein vertragliches „Nichts“ vorliegt, besteht bei der zweiten Auslegung eine Bindungswirkung bzw. liegt in formeller Hinsicht bereits ein Vertragsschluss vor. Der Unterschied in diesen beiden Interpretationen widerspiegelt auch die unterschiedlichen Auffassungen zur Rechtsnatur des Antrages. Während der Antrag bei der ersten Variante als einseitiges Rechtsgeschäft angesehen werden kann, das bis zum Eintritt der Bedingung keine Wirkung entfaltet, wird er bei einer Interpretation als „bedingter Vertrag“ als (untrennbarer) Bestandteil des Vertrages angesehen. Im ersten Fall bezieht sich die Bedingtheit auf die Bindungswirkung der Offerte, im zweiten Fall auf die Gestaltungswirkung des Vertrages. Die hier geschilderte Problematik geht auf ein alte Streitfrage zurück, die allerdings seit den modernen Vertragsrechtskodifizierungen an Brisanz eingebüsst hat und in den heutigen Lehrbüchern kaum mehr beachtet wird. Es geht um die Frage, was durch eine bedingte Willenserklärung bedingt werde463. Es ist das Verdienst 461 462 463 Vgl. BUCHER § 28 II/1a S. 510. Vgl. Zur Unterscheidung Bindungswirkung-Gestaltungswirkung KOLLER N 215; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 10 N 8ff.; BUCHER S. 137 § 10 VII/1. Die Darstellung der hierzu geäusserten Meinungen und ihrer Vertreter würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Immerhin sei erwähnt, dass die Meinung vertreten wurde, der Wille selbst sei bedingt oder zumindest durch die bedingte Willenserklärung selbst beschränkt , während eine andere Ansicht dahin ging, der Wille sei bei einer bedingten Willenserklärung zwar nicht bedingt, wohl aber sei das Rechtsgeschäft in seiner Existenz bedingt. Beiden Theorien ist gemeinsam, dass das Rechtsgeschäft als bedingt existent angesehen wird. STIEFEL und die (damals) neuere Lehre vertraten demgegenüber die Ansicht, dass nur die Wirkung eines Rechtsgeschäftes durch eine bedingte Willenserklärung bedingt sein könne, nicht aber dessen Existenz (vgl. zum ganzen STIEFEL S. 51ff.). 76 von GOTTFRIED STIEFEL464, diese Streitfrage für das Schweizerische Recht überzeugend dargelegt und beantwortet zu haben: „In der bedingten Willenserklärung wird der unbedingte Wille geäussert, dass die in ihr als gewollt bezeichnete Rechtswirkung von einem ungewissen Umstande abhängig sein sollte. Diese Willenserklärung allein oder im Verein mit anderen konstitutiven Tatsachen, seien es rein reale Momente (..) oder eine behördliche Mitwirkung, erfüllen den Tatbestand des Rechtsgeschäftes als der Ursache der Rechtswirkung. ..Die Wirkung wird aber erst dann herbeigeführt, wenn der ungewisse Umstand eintritt, der durch die bedingte Willenserklärung als Bedingung in die rechtliche Kausalkette eingegliedert, dem somit die Funktion einer ergänzenden Tatsache erteilt worden ist. Bedingt ist folglich weder der Wille, als ein psychisches Ereignis, noch die Existenz des Rechtsgeschäfts, als eines bestimmt umgrenzten Komplexes konstitutiver Tatsachen, dessen Vollständigkeit die Voraussetzung dafür ist, dass der als Bedingung gesetzte äussere Umstand die rechtliche Bedeutung einer ergänzenden Tatsache erlange; sondern bedingt ist im bedingten Rechtsgeschäft allein die Wirkung.“465 Nicht der erklärte Wille ist daher bei einem Antrag zum Vertragsschluss als bedingt anzusehen, sondern die Wirkung des Antrages. Die im Antrag geäusserte Willenserklärung ist unbedingt, bedingt ist lediglich die „Wirkung“, d.h. die intendierte Umgestaltung der Rechtslage durch Begründung und/oder Aufhebung von Rechten und Pflichten466. Damit ist zugleich gesagt, dass nach Zugang einer übereinstimmenden Willenserklärung (Akzept) nicht der Vertragsschluss als solcher bedingt ist, sondern die durch den Vertrag zu begründende Umgestaltung der Rechtslage. 464 465 466 77 GOTTFRIED STIEFEL, Über den Begriff der Bedingung im schweizerischen Zivilrecht, Diss. Zürich 1918, S. 51ff. STIEFEL S. 54/55; vgl. dazu bereits WINDSCHEID/KIPP: „Das von der Bedingung abhängige ist nicht die Existenz des Willens, sondern die Existenz der durch denselben zu erzielenden Wirkung, nicht das Wollen, sondern das Gewollte“ (BERNHARD WINDSCHEID, Lehrbuch des Pandektenrechtes, 1. Band, 9. Aufl., bearbeitet von THEODOR KIPP (2. Aufl. der Neubearbeitung), Frankfurt a.M. 1906, S. 452 FN 3a mit Hinweisen auf den Meinungsstreit; vgl. auch ENDEMANN:“Nicht bedingt ist das Wollen selbst; denn das ist eine Thatsache, die entweder da ist oder fehlt, die aber sich selbst nicht wieder an ein äusseres Ereignis derart binden kann, dass erst durch dieses der rechtsgeschäftliche Wille entstehen soll.“ (ENDEMANN, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 7. Aufl., 1. Band, Berlin 1900, § 76 S. 324). Vgl. dazu den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29.1.1926 (ZR 26 (1927) Nr. 15): „Das für den Begriff der Bedingung wesentliche Element, dass die Abhängigmachung des Rechtserfolges auf dem Willen der Parteien beruht, ….“ (ZR 26 S. 29). Dieses Ergebnis ist sachgerecht. Es begründet ein vertragliches Band zwischen den Parteien schon vor Eintritt der Bedingung. Damit wird einerseits eine willkürliche Abkehr des Antragstellers von seiner Erklärung verhindert und andererseits eine vertragliche Grundlage für Schadenersatz bei Verletzung von Verhaltenspflichten geschaffen. Zudem sind die Art. 151ff. OR insbesondere Art. 152 (Verhaltenspflichten des bedingt Verpflichteten und Rechte des bedingt Berechtigten) und 156 (Erfüllungsfiktion bei treuwidrigem Verhindern des Bedingungseintritts) anwendbar, sofern keine gegenteilige Vereinbarung der Parteien ausdrücklich oder stillschweigend stattgefunden hat. Es besteht mit anderen Worten ein vertraglicher und somit qua dispositives Recht gesetzlicher Schutz des Antragsempfängers. Der Rückgriff auf die culpa in contrahendo oder Generalklauseln wie das Rechtsmissbrauchsverbot erweist sich als nicht notwendig. Die Befürwortung der anderen Ansicht würde bedeuten, vom Dogma des Vertragsschlusses als Austausch übereinstimmender Willenserklärungen abzurükken, was Art. 1 Abs. 1 OR verbietet. Wäre die Bindungswirkung des Antrags selbst in dem Sinne bedingt, dass die Annahmefähigkeit erst mit Eintritt der Bedingung entstünde467, könnte ein gleichlautendes, also die Bedingung gutheissendes, Akzept keinen Vertragsschluss bewirken. Der bedingte Antrag kann demnach die Annahmefähigkeit nicht vom Wesen des Antrags abspalten. Dasselbe gilt für den Wegfall der Annahmefähigkeit bei Eintritt einer Bedingung. Ein Akzept bewirkt einen Vertragsschluss zur Durchführung von Rechtshandlungen, die aber nach dem Willen der Parteien bei Ausfall der Bedingung ohne gegenseitige Verpflichtungen wieder aufgehoben werden sollen468. Für den Fall des Ausfalls der Bedingung haben die Parteien gegenseitig geäussert, keinen Rechtsfolgewillen zu haben. Nach Eintritt der Bedingung fehlt es sowohl dem „Antrag“ wie auch der „Annahme“ an einer gewollten Umgestaltung der Rechtslage, weshalb nicht mehr von einem Vertragsschluss gesprochen werden kann469. Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass eine Unterscheidung in „suspensiv bedingte Anträge“, d.h. Anträge, die erst mit Eintritt einer Bedingung bindend bzw. annahmefähig werden, und „resolutiv bedingte Anträge“, d.h. Anträge, deren Bindungswirkung bzw. Annahmefähigkeit mit Eintritt der Bedingung entfällt, nicht vorgenommen werden kann. Bedingt ist nur die Umgestaltung der Rechtslage, nicht der Vertragsschluss. Daher kann das Begriffspaar suspensiv/resolutiv sich nur auf die Umgestaltung der Rechtslage beziehen. Soll die Rechtslage vorläufig im Status quo belassen werden, kann von einem suspensiv bedingten 467 468 469 Die Bindungswirkung wäre damit gewissermassen „suspensiv bedingt“. Ausgenommen sind Fälle der Vereitelung des Bedingungseintritts und vergleichbare Tatbestände. Immerhin könnte man argumentieren, auch die Absicht, sich nicht zu binden, sei eine vertragsbegründende Willensäusserung. Damit wären aber alle Fälle bewusster Nichtbindung „Verträge“. Es kommt daher für die Frage des Vorliegens eines Vertrages bzw. allgemein bei Willenserklärungen auf die intendierte Umgestaltung der Rechtslage an, was mit „Rechtsfolgewillen“ umschrieben wird (vgl. statt vieler KOLLER N 130, 146ff.). 78 Antrag gesprochen werden, immer aber im Wissen darum, dass damit der Vertragsschluss selbst nicht bedingt ist. Soll die Rechtslage sofort umgestaltet werden, kann von einem resolutiv bedingten Antrag gesprochen werden, welcher bei Akzept – einen resolutiv bedingten Vertrag begründet. Es darf daher heute als anerkannt gelten, dass sich die Bedingung auf den Eintritt oder Fortbestand von Rechtswirkungen bezieht, dass der rechtsgeschäftliche Wille als solcher den allgemeinen Regeln über die Willenserklärungen entsprechen muss und dass die Parteien daher auch beim bedingten Rechtsgeschäft mit Vertragsschluss an das Rechtsgeschäft gebunden sind und es nicht mehr einseitig lösen können470. Wenn also gesagt wird, dass die „Offerte bzw. die einzelnen Offerten nur wirksam werden, wenn die näher umschriebene Anzahl von Titeln übertragen wird“471, so bedeutet dies nicht, dass bei Akzept eines Inhabers von Beteiligungspapieren kein Vertrag zustande gekommen ist472. Denn bedingt ist, wie erwähnt, nicht die Willenserklärung, sondern alleine deren Wirkungen. Nach erfolgtem Akzept kann daher ein bedingter Antrag nicht von einem bedingten Vertrag unterschieden werden473. 4. Folgerung Ein bedingter Antrag ist aufgrund des Prinzips der Privatautonomie zulässig und wird von der Lehre in der Schweiz und Deutschland anerkannt. Bedingt ist bei einem bedingten Antrag jedoch weder der erklärte Wille bzw. – sollte man Offerten als Rechtsgeschäfte qualifizieren – die Existenz des Rechtsgeschäftes, sondern die Wirkungen bzw. der rechtliche Erfolg des erklärten Willens. Ein Austausch übereinstimmender Willenserklärungen, i.e. ein Vertrag, kommt daher auch bei einem bedingten Antrag zustande. Ein bedingter Antrag stellt daher nach Zugang der Annahmeerklärung immer auch einen bedingten Vertrag dar. Was die Parteien allerdings im Einzelfall mit einer „Bedingung“ im Zusammenhang mit einem Antrag zum Vertragsschluss gemeint haben, kann strittig sein und muss durch Auslegung ermittelt werden. Möglich sind drei verschiedene Konstellationen: 1. Es liegt gar keine Offerte vor, sondern lediglich eine Einladung zur Offertstellung474. 2. Es liegt ein „bedingter Antrag“, d.h. ein unbeding- 470 471 472 473 474 79 STAUDINGER/BORK, Vb zu §§158ff N 6. SCHLUEP, S. 203. A.A. TSCHÄNI/IFFLAND, Ausarbeitung eines öffentlichen Übernahmeangebotes, Seminarunterlagen zur EIZ-Tagung „Mergers & Acquisitions“ vom 6.11.2001, S. 24. Anders offenbar SCHLUEP (S. 203 FN 22), der auf VON THUR/PETER verweist, wo es an der zitierten Stelle heisst, die bedingte Offerte sei von der Offerte zum Abschluss eines bedingten Vertrages zu unterscheiden (VON THUR/PETER S. 183 in fine und FN 183). Die Aussage „Ich werde einen Vertrag abschliessen, wenn ich das erwartete Geld erhalte“ kann zum Beispiel so ausgelegt werden, dass der Erklärende keine verbindliche Offerte abgeben will, bevor er nicht das Geld erhalten hat. Eine andere, weniger wahrscheinliche Auslegung könnte hingegen sein, dass der Erklärende bereits eine Offerte für einen bedingten Vertrag abgegeben hat. Dasselbe gilt für ter Antrag zum Abschluss eines bedingten Vertrages vor (bzw. einzelne Vertragspflichten sind bedingt) 3. Es liegt ein unbedingter Antrag zum Abschluss eines unbedingten Vertrages vor, wobei der Vertragsinhalt spezifiziert werden soll475. IV. Die bedingte Einladung zur Offertstellung? 1. Die invitatio ad offerendum Von einer invitatio ad offerendum (Einladung zur Offertstellung) spricht man, wenn jemand selbst noch keinen Antrag abgeben will, sondern den anderen oder mehrere andere Personen zur Abgabe eines Antrages auffordert476. Im Gegensatz zu einem Antrag nach Art. 3 OR fehlt es bei der Einladung zur Offertstellung an der Bindungswirkung. Wer zur Abgabe von Angeboten auffordert, will sich selbst die Freiheit vorbehalten, daraufhin eingegange Angebote anzunehmen oder abzulehnen477. Seine Erklärung hat nur den Sinn, den potentiellen Vertragspartner über das eigene Leistungsangebot zu informieren, Vertragsbereitschaft zu signalisieren und die Grenzen abzustecken, innerhalb deren der Gegner mit dem Zustandekommen eines Vertrages rechnen kann478. Als Beispiel einer Einladung zur Offertstellung kann der „Antrag ohne Verbindlichkeit“ nach Art. 7 OR genannt werden479. Nach Art. 7 Abs. 2 OR stellt die Versendung von Tarifen, Preislisten etc. noch keinen per definitionem verbindlichen Antrag zum Vertragsschluss dar. Entsprechendes gilt für Prospekte, Inserate, Werbespots etc.480. Mit einem entsprechenden Versand wird lediglich ein grundsätzliches Interesse an einem Vertragsschluss kundgetan und an den Empfänger eine Aufforderung zur Abgabe eines Antrages gerichtet. Allerdings ist die invitatio ad offerendum im OR nicht als besondere Rechtsfigur erwähnt oder geregelt481, was nicht bedeutet, dass sie rechtlich unwirksam ist. Die Einladung zur Offertstellung begründet Pflichten zur Rücksichtnahme482 oder gar Auskunftspflichten des zur Offertstellung Einladenden483. Von Bedeutung kann die Einladung zur Offertstel- 475 476 477 478 479 480 481 482 483 die Aussage „Ich kaufe das Auto, wenn ich das Geld erhalte“, mit dem Unterschied, dass die Auslegung als (bindende) Offerte hier wohl eher dem Willen des Erklärenden entspricht. Beispiel: „Ich kaufe das Auto, wenn ich es für CHF 10‘000.- haben kann“. STAUDINGER/BORK, § 145 N 3. SCHWENZER N 28.08. STAUDINGER/BORK § 145 N 3. Statt vieler KOLLER N 452. Vgl. die Beispiele bei SCHWENZER N 28.10. Dieselbe Aussage beansprucht auch für das deutsche BGB Gültigkeit. KOLLER N 454. Vgl. auch VON THUR/PETER, S. 183. Nach diesen Autoren kann die grundlose Weigerung einen Vertrag nach erfolgter Auskündigung (NB: gemeint ist die Zusendung von Preislisten etc.) abzuschliessen, einen Verstoss gegen Treu und Glauben darstellen und unter Umständen Schadenersatzansprüche der Konkurrenten nach UWG und allenfalls des Vertragspartners in spe nach Art. 41 Abs. 2 OR auslösen. 80 lung auch für die Auslegung des danach begründeten Vertrages sein484. Wichtig erscheint auch der Hinweis, dass eine Einladung zur Offertstellung die Anwendbarkeit von Art. 6 OR auslöst, d.h. ein Vertrag durch Stillschweigen des Invitanten auf die eingegangene Offerte zustande kommt, wenn der „Antragsteller“ nicht unverzüglich widerspricht485. 2. Unterscheidung zum bedingten Antrag Von einem „bedingten Antrag“ unterscheidet sich die invitatio dadurch, dass die „Annahme“ des Erklärungsempfängers in jedem Fall noch keinen Vertrag zur Entstehung bringen kann, da keine Rechtswirkung, auch keine bedingte, beabsichtigt ist. Wer die Wirkungen seiner Erklärung für den Eintritt eines bestimmten Umstandes („bedingt“) will486, der bindet sich, wer die Wirkungen seiner Erklärung seinem Gutdünken vorbehalten will, bindet sich nicht. Im ersten Fall spielt der Automatismus des Bedingungseintritts, im zweiten Fall bedarf es noch einer Willenserklärung. Die Bindung an die Offerte wird auch ausgeschlossen durch einen Genehmigungsvorbehalt des „Antragstellers“. Wird ein solcher Vorbehalt stipuliert – ich lasse das Geschäft gelten, oder aber, ich lasse es nicht gelten – kann man auch von einer Wollensbedingung sprechen487. Die Einladung zur Offertstellung stellt – im Gegensatz zu einer Offerte – daher gar keine Willenserklärung dar488. Der Unterschied liegt also in der Gebundenheit, nicht in der Bestimmtheit der Äusserung des Erklärers. Auch eine Einladung zur Offertstellung kann bereits sehr detaillierte Bestimmungen enthalten, ohne dass der „Antragsteller“ den Willen hat (bereits jetzt) die Rechtslage umzugestalten. 3. „Bedingte“ Einladung zur Offertstellung: Auslegungsfragen und rechtliche Bedeutung Welche rechtliche Bedeutung hat eine bedingte Einladung zur Offertstellung? Man wird davon ausgehen können, dass eine bedingte invitatio nicht bedeutet, der Invitant mache seine Einladung zur Offertstellung von gewissen Bedingungen abhängig, d.h. er lädt nur zur Offertstellung ein, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Rechtlich wäre eine solche Erklärung bedeutungslos und praktisch ist sie nicht relevant. Sie widerspräche auch dem oben erläuterten Prinzip, wonach nicht die Erklärung, sondern die intendierte Umgestaltung der Rechtslage bedingt ist. Die Meinung der die Erklärung abgebenden Partei wird vielmehr da- 484 485 486 487 488 81 VON THUR/PETER, S. 183. KOLLER N 454; ebenso VON THUR/PETER, S. 187; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Art. 7 N 6; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 422; vgl. auch BUCHER § 10/V S. 132. Wie bereits andernorts erwähnt, ist nicht das Wollen bedingt, sondern das Gewollte bzw. die gewollte Rechtswirkung. Vgl. dazu § 2 C I.3. m.w.H. STAUDINGER/BORK § 145 N 30. hin gehen, eine (nicht bedingte) Einladung zur Offertstellung abzugeben, die aber den Inhalt übermittelt, entweder einen Vertrag nur unter bestimmten "Bedingungen"489 überhaupt abschliessen zu wollen, oder aber ihn nur unter bestimmten Bedingungen wirksam werden zu lassen. Falls also die Erklärung abgebende Partei einen Vertrag nur abschliessen will, wenn der Preis unter einen bestimmten Wert zu liegen kommt oder gewisse Zusicherungen abgegeben werden, soll der Vertragsinhalt konkretisiert werden, nicht aber ein bedingtes Rechtsgeschäft abgeschlossen werden. Sofern der Adressat eine diesen „Bedingungen“ entsprechende Offerte abgibt, wird der Erklärende und Oblat – so stellt er es zumindest in Aussicht – einen diesen Konditionen entsprechenden, unbedingten Vertrag abschliessen. Deutet der Erklärende hingegen an, dass er die in Aussicht gestellte Änderung der Rechtslage von ungewissen Tatsachen abhängig machen möchte, sollen Bedingungen gemäss Art. 151ff. OR zum Vertragsbestandteil gemacht werden. Der abzuschliessende Vertrag soll nur nach Massgabe dieser ungewissen Tatsachen wirksam sein. Geht der Adressat der Erklärung auf diese Bedingungen ein, d.h. macht er sie zum Bestandteil seiner Offerte, wird der Erklärende –ohne dass er hierzu verpflichtet wäre – in aller Regel durch Akzept einen bedingten Vertrag zustande bringen. Im einen wie im anderen Fall ist die vom Erklärenden abgegebene Einladung zur Offertstellung jedoch „unbedingt“. Eine Einladung zur Offertstellung eines Bieters, welche Bedingungen enthält, hat nur insoweit rechtliche Bedeutung als die Bedingungen in die Offerte des Inhabers von Beteiligungspapieren, d.h. in dessen Annahmeerklärung einfliessen. Erst das Akzept des Bieters bringt den Vertrag zustande. Da der Bieter keine verbindliche (nicht einmal eine bedingte) Offerte abgegeben hat, könnte er sein Akzept verweigern, auch wenn der Inhaber von Beteiligungspapieren seinen in der invitatio abgesteckten Vertragsinhalt inklusive der Bedingungen der Wirksamkeit in seine Offerte aufgenommen hat. Der Bieter kann den Antrag zum Vertragsschluss prüfen und – vorbehaltlich eines Rechtsmissbrauches – seine Genehmigung jederzeit verweigern. Im Ergebnis läuft daher die Einladung zur Offertstellung darauf hinaus, dass der Bieter einen Vertragsinhalt unterbreitet, seine Zustimmung zum Vertragsschluss und somit die Verbindlichkeit des Vertrages seinem Gutdünken vorbehalten will. V. Ergebnis Um ein Verständnis davon zu gewinnen, was ein bedingtes Übernahmeangebot rechtlich darstellt, war die vorangehende schuldrechtsdogmatische Abklärung nötig. Für den praktisch wichtigsten Fall des Übernahmeangebots als Antrag zum Vertragschluss hat sich dabei ergeben, dass nicht der Antrag selbst, sondern alleine die damit intendierte Umgestaltung der Rechtslage bedingt sein kann. 489 Terminologisch korrekt müsste man in diesem Fall von Voraussetzungen sprechen. 82 Dies bedeutet auch, dass ein bedingter Antrag nach Eingang der Annahmeerklärung nicht mehr von einem bedingten Vertrag unterschieden werden kann. In Angebotsprospekten ist oft zu lesen, das Angebot komme nicht zustande, wenn eine (aufschiebende) Bedingung wie beispielsweise eine Minimum Limen Bedingung nicht eintrete oder bzw. komme erst zustande, wenn diese Bedingung eintrete490. Verwendet man anstelle von „Angebot“ das Wort „Antrag“, wird klar, weshalb diese Aussage mit Vorsicht zu geniessen ist. Sie insinuiert, dass bis zum Eintritt der Bedingung gar kein Antrag zum Vertragsschluss vorliegen soll und somit auch durch eine Annahmeerklärung auch kein Vertrag entstehen kann491. Sie deutet also darauf hin, dass die Existenz der Willenserklärung und nicht etwa deren Wirkungen bedingt sein soll. Diese These wurde bereits vorne492 ausführlich diskutiert und verworfen. Bedingt ist allein die Wirkung der Willenserklärung. Ein (bedingter) Vertrag kommt somit auch bei einem „bedingten Antrag“ zustande493. D. Beweggründe für die bedingte Ausgestaltung von Kaufangeboten I. Sicherung des Erwerbsvorganges 1. Ausreichende Mindestzahl an Annahmen Bei Unternehmensübernahmen mittels Übernahmeangebot ist dem Bieter in aller Regel daran gelegen, nach durchgeführtem Übernahmeangebot die Kontrolle über die Zielgesellschaft auszuüben. Darüber hinaus trachtet der Bieter danach, nach Abschluss des Übernahmeangebots über einen möglichst grossen Anteil an Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft zu verfügen, damit er einerseits auch allfällige qualifizierte Quoren der Beschlussfassung gemäss Art. 704 OR erfüllen kann oder allenfalls gar einen „squeeze-out“, d.h. eine Kraftloserklärung der 490 491 492 493 83 Dieselbe Ausdrucksweise findet sich auch in den Erläuterungen zum Übernahmekodex in Bst. B.a. zu Ziff. 3.2. Auch das Begriffspaar aufschiebend/auflösend in Art. 13 UEV gründet wohl noch auf diesem Verständnis. Vgl. auch Art. 45 UEV, der ebenfalls vom Zustandekommen des Angebotes spricht. Vgl. dazu TSCHÄNI/IFFLAND S. 24: „ Sie werden als aufschiebend bezeichnet, weil der Vertragsabschluss zwischen Anbieter und Empfängern des Angebotes bis zum Zeitpunkt aufgeschoben ist, da die Bedingung erfüllt ist.“ [Hervorhebung durch Verfasser] Vgl. vorne § 3 B. IV. Die Aussage, das Angebot komme nicht zustande, bedeutet daher, die „Übernahme“ komme nicht zustande. Der Begriff „Angebot“ hat hier nicht die Bedeutung von „Antrag“. Allerdings bedeutet die Aussage: „Das Angebot kommt zustande“ nicht automatisch auch den Erfolg der „Übernahme“. Es wird damit lediglich festgestellt, dass die vom Bieter verlangte Mindestschwelle von annehmenden „Beteiligungspapieren“ erreicht ist. restlichen Beteiligungspapiere gemäss Art. 33 BEHG494 durchführen kann. Der Bieter möchte „sein Angebot“, d.h. die Rechtswirkung der zahlreichen von ihm unterbreiteten Offerten, nur für den Fall, dass ein hoher Anteil bzw. eine bestimmte Mindestschwelle der Beteiligungspapiere an der Zielgesellschaft in sein „Eigentum“ übergeht. Er wird also eine "Minimum limen" Bedingung in sein Angebot aufnehmen. Dies ist eine Bedingung wonach das "Angebot" nur zustande kommt, wenn eine bestimmte, von ihm festgelegte Prozentzahl der Beteiligungspapiere oder der Stimmen dem Bieter durch die Inhaber der Beteiligungspapiere angedient wurde. So hat beispielsweise die Deutsche Post International B.V. („DPI“) in ihrem Angebot für die Danzas Holding AG folgenden Wortlaut aufgenommen: Das Kaufangebot ist an folgende Bedingungen geknüpft: a) Innerhalb der gegebenenfalls verlängerten Angebotsfrist werden der DPI unter Einschluss der bereits von der DPI gehaltenen Namenaktien Danzas mehr als 80% der zu diesem Zeitpunkt ausgegebenen Namenaktien Danzas angedient (ohne Berücksichtigung der eigenen Aktien der Danzas). Die DPI behält sich das Recht vor, das Kaufangebot auch dann als zustande gekommen zu erklären, wenn diese Bedingung a) nicht erfüllt ist. Die Bedingung, wonach das „Angebot nur dann als zustande gekommen“ gilt, wenn mindestens 80% der Aktien bzw. Stimmrechte angedient werden findet sich z.B. auch in den Prospekten für das Angebot von Kuoni Holdings plc auf die Namenaktien A und B der Kuoni Holding Reisen AG495 oder der SynthesStratec, Inc. für die Namenaktien B der Stratec Holding AG496. Im Angebot der New ABB Ltd. Für die Namenaktien und Inhaberaktien der ABB AG wurde eine Schwelle von 90% festgelegt497. Im Angebot der Heineken Internationaal Beheer 494 495 496 497 Art. 33 Abs. 1 BEHG lautet wie folgt: „Verfügt der Anbieter nach Ablauf der Angebotsfrist über mehr als 98 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft, so kann er binnen einer Frist von drei Monaten vom Richter verlangen, die restlichen Beteiligungspapiere für kraftlos zu erklären. Der Anbieter muss zu diesem Zweck gegen die Gesellschaft Klage erheben. Die restlichen Aktionäre können dem Verfahren beitreten.“ Ziff. B 6/a) des Angebotes. Die Kuoni Holdings Plc behält sich jedoch vor, die Mindestlimite von 80% auf mindestens 662/3 % herabzusetzen. Falls diese Bedingung nicht bis zum Ablauf der allenfalls verlängerten Angebotsfrist erfüllt ist oder auf deren Einhaltung verzichtet worden ist, kann der Verwaltungsrat der Kuoni Holdings Plc (i) das Angebot (allenfalls unter Aufschub des Vollzugs) als zustande gekommen erklären oder (ii) die Angebotsfrist verlängern (gemäss den gesetzlichen Vorgaben) oder (iii) das Angebot als nicht zustande gekommen erklären. Vgl. Ziff. 3 Abs. 4 der Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 i.S. SYNTHES-STRATEC, Inc. / STRATEC Holding AG. Ziff.B 6/a) des Angebotsprospektes: „Innerhalb der Angebotsfrist werden der New ABB Ltd Aktien angedient, die mehr als 90% der Stimmrechte und mehr als 90% des Aktienkapitals der ABB AG repräsentieren, einschliesslich der von ABB AG gehaltenen Titel.“ Der Hinweis auf die „allenfalls 84 B.V. („HIB“) für die sich noch im Publikum befindlichen Inhaberaktien, Namenaktien und PS der Brauerei Haldengut AG wurde eine Bedingung stipuliert, wonach die Schwelle von 98% der Stimmrechte nach Ablauf der allenfalls verlängerten Angebotsfrist erreicht sein soll498. Die gleiche Schwelle wurde im Umtauschangebot der Zürich Allied AG für die Namenaktien der „Zürich Versicherungs-Gesellschaft“ festgesetzt499. Ob der Bieter in der Festsetzung dieser Schwellen vollkommen frei ist, oder ob er gewisse rechtliche Vorgaben zu beachten hat, wird unter anderem Gegenstand der nachfolgenden Untersuchungen sein500. 2. Abschaffung von Übertragungsbeschränkungen Das Zustandekommen der Übernahme kann jedoch nicht nur in dem den Erwerbsvorgang betreffenden Risiko einer ungenügenden Anzahl von Annahmeerklärungen liegen. Eine effektive Kontrolle kann trotz Erwerbs der Mehrheit stimmberechtigter Aktien durch gesellschaftsrechtliche Übertragungsbeschränkungen (Vinkulierung) wie z.B. eine statutarische Stimmrechtsbeschränkung501 verhindert werden. Zur Abschaffung dieser Schutzvorkehrungen ist die Einberufung einer (meist ausserordentlichen) Generalversammlung notwendig. Der Bieter möchte sich gegen einen für ihn ungünstigen Ausgang der Abstimmung an der Generalversammlung absichern. Er wird daher eine Bedingung in den Angebotsprospekt aufnehmen, wonach die bei der Zielgesellschaft bestehende statutarische Stimmrechtsbeschränkung etc. aufgehoben wird, andernfalls er an sein Angebot nicht „gebunden“ sein will. Wie die oben erwähnte Minimum Limen Bedingung auch dann anzutreffen ist, wenn lediglich eine konzernrechtliche Umstrukturierung vorgenommen wird502 oder die verbleibenden Minderheitsaktionäre ausgekauft werden503, kann auch eine Bedingung betreffend Abschaffung 498 499 500 501 502 503 85 verlängerte Angebotsfrist“ fehlt hier angesichts der Befugnis des Verwaltungsrates der New ABB Ltd, diese Frist zu verlängern, mit gutem Grund. Vgl. Ziff. 6 der Empfehlung der UEK vom 18. Mai 1999 i.S. Heineken Internationaal Beheer B.V./Brauerei Haldengut. Ziff A 6/a) des Angebotsprospektes: „Innerhalb der Angebotsfrist werden der Zurich Allied AG mehr als 98% der ausstehenden Namenaktien Zürich angedient, …., wobei der Verwaltungsrat der Zürich Allied AG diese Limite auf 90% + 1 Aktie oder - mit Zustimmung der Verwaltungsräte der Zürich und der B.A.T. – minimal 67% herabsetzen kann.“ Vgl. unten § 4 G. I. Die rechtliche Grundlage für diese Stimmrechtsbegrenzung (bzw. Verweigerung der Anerkennung als Vollaktionär) findet sich in Art. 685d Abs. 1 OR: „Bei börsenkotierten Namenaktien kann die Gesellschaft einen Erwerber als Aktionär nur ablehnen, wenn die Statuten eine prozentmässige Begrenzung der Namenaktien vorsehen, für die ein Erwerber als Aktionär anerkannt werden muss und diese Begrenzung überschritten wird.“ vgl. den Fall New ABB Ltd / ABB AG (Angebotsprospekt vom 26.3.1999 und Empfehlung der UEK desselben Datums). Vgl. den Fall Heineken Internationaal Beheer B.V. / Brauerei Haldengut AG (Angebotsprospekt vom 31. Mai 1999 und Empfehlung der UEK vom 18. Mai 1999). von Stimmrechtsbeschränkungen nicht nur bei einem Kontrollwechsel vorkommen. Ein Beispiel für die Abschaffung von Übertragungsbeschränkungen als Bedingung bietet das Angebot von Kuoni Holdings Plc für die Namenaktien der Kuoni Reisen Holding AG: Das Umtauschangebot für die Kuoni Reisen Holding AG ist an folgende Bedingungen geknüpft: a)…. b)Beschlussfassung der Aktionäre der Kuoni Holding AG anlässlich der ordentlichen Generalversammlung vom 11. Mai 1999 (..) über folgende Traktanden (diese Beschlüsse unterliegen der Voraussetzung, dass der Zusammenschluss zustande kommt): (i) …. (ii) Annahme des Antrages des Verwaltungsrates der Kuoni Reisen Holding AG zur Aufhebung von Art. 4, Art. 5 Abs. 4 und 5 und von Art. 11 Abs. 2 und 3 der Statuten der Kuoni Reisen AG (zwecks Aufhebung der Stimmrechtsbegrenzung von je 3%). Eine vergleichbare Bedingung findet sich auch im Angebotsprospekt der Deutschen Post International B.V. für die Namenaktien der Danzas Holding AG504. Bereits die Regulierungskommission hatte sich im Fall Preussag AG / Elco Looser Holding AG mit einer ähnlichen Bedingung auseinandergesetzt505. Die Sicherung der Kontrolle über die Zielgesellschaft zielt auf die Beseitigung möglicher Verteidigungsmassnahmen ab, welche den Erwerb als solchen beeinträchtigen. Es gibt aber auch Verteidigungsmassnahmen, welche zwar nicht den Erwerbsvorgang selbst erschweren, aber die Zielgesellschaft unattraktiv machen. Diese werden nachfolgend gesondert behandelt. 3. Neuwahl des Verwaltungsrates In der Praxis recht häufig ist die Bedingung anzutreffen, wonach die Generalversammlung der Zielgesellschaft gewisse vom Bieter verlangte Mutationen im Verwaltungsrat beschliessen muss oder die Statutenklausel betreffend Amtsdauer der Verwaltungsräte abgeändert werden muss506. Wenn die Generalversamm504 505 506 Vgl. Ziff. A 5/b) des Angebotsprospektes. In der Empfehlung der UEK vom 15. Januar 1999 wird dies allerdings nicht erwähnt. Vgl. SZW 1997 S. 113. Vgl. zum Beispiel die Bedingung im Angebotsprospekt der Incentive für die Aktionäre der Sulzer vom 30. März 2001: „Die Sulzer GV hat (i) § 20 der Sulzer Statuten so angepasst, dass der Verwal86 lung während der Angebotsfrist stattfindet ist allerdings der Erfolg des Angebots selbst bei Annahme der vom Bieter verlangten Mutationen im Verwaltungsrat noch ungewiss. Daher wird zum Teil vorgesehen, dass die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates sowie die Rücktritte der bisherigen Mitglieder bedingt erfolgen507. 4. Absicherung gegen Verbote und Erfordernis von Bewilligungen Verbote betreffen einerseits die nachfolgend aufgeführten Genehmigungen und Bewilligungen einer Übernahme durch staatliche Behörden, aber auch gerichtliche Verfügungen auf Veranlassung Privater, welche das Übernahmeangebot oder allfällige konnexe Transaktionen zu Fall bringen oder zumindest erschweren können. Der Bieter hat ein Interesse, sich gegen solche Verbote mittels Bedingungen abzusichern508. Problematisch sind aber auch – und vor allem – jene Fälle, wo zwar kein Verbot ausgesprochen wird, aber Bussen, Auflagen etc. ausgesprochen werden; auch gegen diese möchte sich der Bieter absichern. So wurde zum Beispiel eine entsprechende Bedingung im Fall New ABB Ltd. / ABB AG509 wie auch im Fall Synthes – Stratec, Inc. / Stratec Holding AG in den Angebotsprospekt aufgenommen510. Letztere betraf jedoch nicht nur den Vollzug des Übernahmeangebotes, sondern auch die Eigentümerstellung an den Beteiligungen der Tochtergesellschaften. Verschiedene Gesetze sehen bei einem Wechsel der Beherrschungs- oder Beteiligungsverhältnisse einer Gesellschaft vor, dass eine Behörde dazu Stellung zu 507 508 509 510 87 tungsrat neu aus mindestens drei und höchstens fünf Verwaltungsräten besteht, (ii) die amtierenden Verwaltungsräte abgewählt (soweit sie nicht ihren Rücktritt erklärt haben) und (iii) mindestens drei von InCentive vorgeschlagene neue Verwaltungsräte gewählt sind“. Sehen die Statuten gestaffelte Wahl der Verwaltungsräte vor („staggered board“), muss auch die entsprechende Statutenbestimmung bei verlangter gesamter Neuwahl geändert werden. Vgl. z.B. die Bedingung im Angebotsprospekt der Compass für die Aktionäre der Selecta vom 26. März 2001: „Um die Wiederherstellung des Status quo ante sicherzustellen, falls das Angebot nicht in jeder Hinsicht unbedingt wird, hat Compass sich damit einverstanden erklärt, dass (i) die Rücktritte der [Verwaltungsräte] sowie (ii) die obengenannten Beschlüsse der Generalversammlung unter dem Vorbehalt stehen, dass sämtliche aufschiebende und auflösende Bedingungen des Angebots entweder erfüllt wurden oder darauf verzichtet wurde. Compass wird die Bedingungen b) und c) als erfüllt betrachten, falls die obengenannten Rücktritte unter diesem Vorbehalt erfolgt sind und die vorstehend genannten Beschlüsse der Generalversammlung unter diesem Vorbehalt gefasst wurden“. Ob der Übernahmevertrag durch solche Verbote im Einzelfall nicht widerrechtlich oder unmöglich wird und somit ohnehin keine Verpflichtung seitens des Bieters entsteht, bleibe dahingestellt. „Das Umtauschangebot der ABB AG wird nach Ansicht der New ABB Ltd vor der Ankündigung des Vollzuges weder teilweise noch gänzlich verunmöglicht oder erheblich behindert aufgrund allfälliger Gesetzesbestimmungen, Gerichtsurteile, Handlungen öffentlicher Behörden oder ähnlicher sich der Kontrolle der New ABB Ltd. entziehenden Umstände, die sich in der Schweiz, in Schweden oder in einem anderen Land ereignen oder ereignen können.“ Durch die Wendung „nach Ansicht der New ABB Ltd“ wird klar, dass sich der Bieter bei der Beurteilung, welche Handlung als behindernd einzustufen sei, einen Ermessensspielraum offenlassen möchte. A 9(b) des Angebotsprospektes (vorzugsweise) in der englischen Fassung. nehmen hat und mit hoheitlicher Verfügungsgewalt Genehmigungen dieses Rechtsüberganges gewähren oder nach Massgabe mehr oder weniger genau umschriebener Voraussetzungen auch verweigern kann. Aus Sicht des Bieters stellt diese Genehmigungs- bzw. Ablehnungsbefugnis ein Risiko des Erwerbs der Anteile dar511, gegen das er sich begreiflicherweise mittels Bedingungen absichern möchte512. Im Vordergrund stehen Bedingungen betreffend Genehmigungen durch Wettbewerbsbehörden im In- und Ausland513, aber auch betreffend andere behördliche Bewilligungen aufgrund von Spezialgesetzen514 sind möglich. Ein legitimes Interesse an einer Absicherung besteht aber nicht nur dort, wo feststeht, dass eine Genehmigung bzw. Bewilligung erforderlich ist, sondern auch dort, wo ex ante noch nicht klar feststellbar ist, ob eine Transaktion genehmigungs- bzw. bewilligungspflichtig ist. Auch dort besteht das Risiko einer Untersagung. Nicht nur eine Untersagung, auch eine Genehmigung durch die zuständige Behörde kann schwerwiegende Nachteile für den Bieter nach sich ziehen, wenn sie unter Auflagen erfolgt. Auch für diesen Fall hat der Bieter ein Interesse an einer Absicherung mittels Bedingung und selbstredend auch an der Einräumung eines ihm zustehenden Ermessensspielraumes zur Beurteilung, ob eine Bedingung eingetreten (ausgefallen) ist oder nicht515. 5. Sicherung der Angebotsfinanzierung Falls der Bieter bei Unterbreitung des Angebots die Finanzierung desselben noch nicht restlos sichergestellt hat, ist er an einer entsprechenden Bedingung für die Wirksamkeit seines Angebotes interessiert. Falls der Bieter die Angebotsadressaten mit eigenen Aktien entgelten möchte, muss er unter Umständen erst eine Kapitalerhöhung zur Schaffung neuer Aktien durchführen. Die entsprechenden Beschlüsse der Generalversammlung können diesfalls als Bedingung des Ange511 512 513 514 515 Diese Tatbestandsgruppe könnte daher auch unter „Sicherung des Zustandekommens der Übernahme“ aufgeführt werden, doch soll ihr angesichts der grossen praktischen Bedeutung separate Behandlung zuteil werden. Zwar wird bei einer Nicht-Genehmigung oder Untersagung der Übernahme die Verpflichtung zur Zahlung (bzw. Lieferung der Tausch-Aktien) in der Regel hinfällig, doch schützt dies den Bieter nicht vor möglichen Schadenersatzansprüchen. Ausserdem waren in diesem Fall die zumeist grossen Aufwendungen für die geplante Übernahme umsonst. Vgl. die spezifische Bedingung bei Deutsche Post International B.V. / Danzas Holding AG: „Die zuständigen in- und ausländischen Wettbewerbsbehörden (Schweiz, Europäische Union und USA) erteilen alle für die Übernahme der Danzas durch die DPI erforderlichen Bewilligungen und/oder Freistellungsbescheinigungen“ (A 5/c.des Angebotsprospektes) und bei New ABB Ltd. / ABB AG : „Die zuständigen schweizerischen und ausländischen Kartellbehörden (unter anderem die Schweizerische Wettbewerbskommission, die Europäische Kommission und die US-Federal Trade Commission) haben die notwendigen Bewilligungen und/oder Bescheinigungen für die Einrichtung der neuen Organisationsstruktur erteilt und alle unter den anwendbaren Kartellgesetzen geltenden Fristen sind verstrichen, ohne dass die entsprechenden Behörden irgendwelche Massnahmen ergriffen haben.“ (B 6/c. des Angebotsprospektes). Zum Beispiel aufgrund des Bankengesetzes, des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG), des Börsenund Effektenhandelsgesetzes (BEHG) oder des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG). Vgl. dazu hinten § 4 F. VII. 88 botes ausgestaltet werden516. Auch das Gelingen einer Finanzierung aus Fremdmitteln kann grundsätzlich als Bedingung angefügt werden. Art. 20 UEV verlangt allerdings, dass die Prüfstelle im Angebotsprospekt bestätigt, dass die Mittel zur Finanzierung verfügbar sind. Ob unter diesen Umständen solche Bedingungen noch zulässig sind, wird nachfolgend ebenfalls zu untersuchen sein. II. Vermeidung der Verschlechterung der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft Bei einem unfreundlichen Übernahmeangebot möchte sich der Bieter dagegen absichern, dass die Zielgesellschaft Handlungen vornimmt, die ihren Wert für den Bieter schmälern. Diese Gefahr ist allerdings seit Inkrafttreten des BEHG weniger akut, da die möglichen Verteidigungsmassnahmen des Verwaltungsrates stark eingeschränkt wurden. Dennoch kann der Bieter ein Interesse haben, sein Angebot davon abhängig zu machen, dass keine Verteidigungshandlung der Zielgesellschaft oder mit ihr verbundener Personen vorgenommen werden517. Darüber hinaus gehend kann der Bieter sich ganz generell gegen negative Vorkommnisse mit Bezug auf den Wert des zu kaufenden Unternehmens absichern wollen. Er kann zum Beispiel Interesse an einer Bedingung haben, welche den Vollzug des Angebotes davon abhängig macht, dass keine wesentliche negative Veränderung der finanziellen Situation der Zielgesellschaft eintritt518, dass gewisse Schlüsselpersonen im Management der Zielgesellschaft verbleiben oder dass gewisse Konzessionen, Lizenzen oder Verträge erlangt bzw. nicht gekündigt oder widerrufen werden. Dazu gehört auch die Zusicherung von Steuerbehörden, die ihr zur Beurteilung vorgelegte Transaktion, in deren Rahmen das Kaufangebot abgegeben wird, steuerlich im Sinne des Bieters zu würdigen (sogenanntes „Tax Ruling“)519. Eine Absicherung gegen negative wirtschaftliche Auswirkungen im Umfeld oder innerhalb der Zielgesellschaft weist sehr viele verschiedene einzelne Aspekte auf520. Dementsprechend vielfältig sind auch die 516 517 518 519 520 89 Art. 20 Abs. 2 UEV betrifft diesen Fall, i.e. das Anbieten von Wertpapieren, die noch nicht verfügbar sind. Diese Bestimmung verlangt, dass der Bieter im Angebotsprospekt bestätigt, dass alle für die Beschaffung der zum Tausch anzubietenden Titel notwendigen Massnahmen getroffen worden sind. Die Finanzierung als Bedingung hat seit der Zulässigkeit des genehmigten Kapitals allerdings an Bedeutung verloren. Vgl. dazu hinten § 5 E. In der heute zur lingua franca der Kapitalmarkttransaktionen avancierten englischen Sprache wäre dies die Bedingung des „no material adverse change“. Vgl. dazu den Fall Synthes-Stratec Inc./Stratec Holding AG: „There shall not have occurred from the date of the Combination Agreement a Material Adverse Effect on RM-STRATEC-Beteiligungen AG or the STRATEC Group taken as a whole, or on SYNTHES taken as a whole“ (A.9/e (ii) des Angebotsprospektes). Nach dieser Feststellung wird im Angebotsprospekt definiert, was als Material Adverse Effect zu gelten hat. Diese Art der Bedingung wird nicht in der Fallgruppe der Genehmigungen des Erwerbsvorganges aufgeführt, da in der Regel keine solche erforderlich, sondern lediglich zur Vermeidung der Verschlechterung der wirtschaftlichen Substanz ratsam ist. Vgl. dazu auch TSCHÄNI/OERTLE, Art. 28 N 10 unter Hinweis auf den Fall Zurich Allied AG / Zürich. Vom Versuch einer abschliessenden Aufzählung wird daher an dieser Stelle abgesehen. Bedingungen, derer sich der Käufer bei einer gewöhnlichen Unternehmensübernahme mittels Aktienkauf bedienen kann. Ob sich auch der Bieter bei einem öffentlichen Kaufangebot solche Bedingungen zunutze machen kann, ist unter anderem Gegenstand der Ausführungen im nachfolgenden § 4. III. Vermeidung durch Informationsdefizite verursachter Risiken Der Übernehmer weist gegenüber dem Management der Zielgesellschaft Informationsdefizite auf. Sein Kenntnisstand bezüglich der Kaufobjekte (Beteiligungspapiere) ist weit weniger ausgeprägt. Wo der Veräusserer der Beteiligungspapiere zugleich den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft stellt, können im entsprechenden Aktienkaufvertrag Zusicherungen des Veräusserers eingebaut werden, welche bei Unrichtigkeit bzw. Verletzung Schadenersatzansprüche des Käufers begründen. Oft wird auch zusätzlich vereinbart, dass eine Verletzung dieser Zusicherungen vor Vollzug zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt oder dass der Vertrag automatisch aufgelöst werden soll. Es kann auch vorkommen, dass der Käufer (erst) nach Abschluss eines Aktienkaufvertrages eine Untersuchung der zu erwerbenden Gesellschaft in betriebswirtschaftlicher, finanzieller und rechtlicher Hinsicht vornehmen kann (Due Diligence Prüfung) und dann anstrebt, bei einem negativen Ergebnis dieser Prüfung nicht gebunden zu sein. Wenig wahrscheinlich ist hingegen, dass der Bieter die Durchführung einer Due Diligence Prüfung selbst zur Bedingung eines Angebots erhebt. Die Kosten einer Angebotsvorbereitung und Initiierung wären kaum zu rechtfertigen, wenn der Übernahmeentscheid noch derart unreif ist521. Bei einem Übernahmeangebot stellen sich hinsichtlich der Informationsdisparität ähnliche Probleme wie beim Kauf eines privat gehaltenen Aktienpakets, doch müssen andere Lösungen gefunden werden, da namentlich der Schutz durch allfällige Gewährleistungen und Zusicherungen der (regelmässig mehreren hundert bzw. mehreren tausend) Verkäufer de facto verunmöglicht ist522. Der Bieter könnte also versucht sein, nach Erlangung eines ausreichenden Kenntnisstandes durch Besetzung der Managementpositionen nach der Übernahme vom Angebot 521 522 Zum Recht eines konkurrierenden Anbieters auf Durchführung einer Due Diligence Untersuchung vgl. die Verfügung der Übernahmekammer der EBK vom 19. September 2000 in S. Intersport PSC Holding AG / Stancroft Trust Limited sowie die Empfehlungen der UEK vom 7. August 2000 und 11. August in derselben Angelegenheit. Steht die Offerte in einem Zusammenhang mit einem Fusions- oder „Zusammenschlussvertrag“ kann das Angebot an die Publikumsaktionäre jedoch auf diesen Vertrag bzw. die dort gemachten Zusicherungen Bezug nehmen. Vgl. dazu wiederum den Fall Synthes – Stratec Inc. / Stratec Holding AG oder den Fall Zurich Allied AG / Zürich: „Alle für den Vollzug des Zusammenschlussvertrages vom 22. Dezember 1997 zwischen der Zürich und dem Finanzdienstleistungsbereich der B.A.T notwendigen Bedingungen sind erfüllt oder auf deren Einhaltung ist mit Wirkung für dieses Umtauschangebot verzichtet worden (..).(A.6/b des Angebotsprospektes)“. 90 zurückzutreten bzw. durch Stipulierung einer Resolutivbedingung nicht mehr an das Angebot gebunden zu sein523. IV. Weitere Gründe (Kasuistik) Ist mit dem Übernahmeangebot ein anderes Übernahmeangebot oder eine andere komplexe Transaktion verbunden, besteht ein innerer Zusammenhang zwischen den Transaktionen, der, wenn durchschnitten, kein sinnvolles Ganzes mehr ergibt. Die eine Transaktion ist mit anderen Worten vom Erfolg der anderen Transaktion abhängig524. In diesem Fall kann der Bieter ein sehr grosses Interesse daran haben, den Erfolg bzw. Vollzug der einen Transaktion mit einer Bedingung an den Erfolg der anderen Transaktion zu knüpfen. Bei einer anderen komplexen Übernahme wurde auch die Kotierung der im Rahmen des Tauschangebotes neu ausgegebenen Aktien als Bedingung des Angebotes ausgestaltet525. Der Bieter wollte damit die Handelbarkeit der neu ausgegebenen Wertpapiere und damit die Qualität des von ihm angebotenen Entgeltes sicherstellen, was auch als Vorgang zur Erleichterung des Erwerbs angesehen werden kann. Gerade auch die feindlichen Übernahmeangebote der jüngsten Vergangenheit haben gezeigt, dass der Ausgestaltung von Bedingungen im Rahmen öffentlicher Kaufangebote kaum Grenzen gesetzt sind. Darauf wird in § 4 G zurückzukommen sein. Dennoch kann man feststellen, dass sich die allermeisten dieser Bedingungen auf die Beweggründe der Sicherung des Erwerbsvorgangs und der Erhaltung der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft zurückführen lassen. 523 524 525 91 Die jüngere Wirtschaftsgeschichte kennt einige Beispiele, wo ein Rücktritt von einer Übernahme für die Aktionäre und wohl auch für die übernehmende Gesellschaft weniger dornenvoll gewesen wäre als die Fortführung des Zusammenschlusses (z.B. BMW/Rover oder Daimler-Benz/Chrysler). Vgl. dazu das Angebot von Kuoni Holdings Plc für die Aktien der Kuoni Reisen Holding AG, welches vom Angebot der Kuoni Holdings Plc für die Beteiligungspapiere der First Choice Plc abhängig war. Die entsprechende Bedingung im Prospekt für die Aktien der Kuoni Reisen AG lautete wie folgt: „Das öffentliche Angebot für First Choice Holidays PLC ist in jeder Hinsicht bedingungslos geworden oder für bedingungslos erklärt worden, mit Ausnahme derjenigen Bedingungen, die verlangen, dass das Umtauschangebot für Kuoni Reisen Holding AG in jeder Hinsicht bedingungslos geworden sei.“ (B. 6/d. des Angebotsprospektes) Synthes-Stratec Inc. /Stratec Holding AG: „Die Schweizer Börse SWX muss die Kotierung der Stammaktien definitiv bewilligt haben, und diese Kotierung muss spätestens einen Werktag nach dem Vollzugstermin wirksam werden“ (A.9/d des Angebotsprospekts). Vgl. die Empfehlung der UEK vom 26.3.1999 E. 3. § 3 Die Rechtslage beim bedingten Kaufangebot A. Überblick über ausländische Regelungen I. Die Situation im Vereinigten Königreich Bereits im Jahre 1968 wurde im Vereinigten Königreich ein spezifisch für Übernahmeangebote zuständiges, auf dem Prinzip der Selbstregulierung basierendes Gremium in Form des Takeover Panel etabliert526. Im selben Jahr wurde auch der nicht-staatliche City Code on Takeovers and Mergers in Kraft gesetzt, welcher für die weitere Rechtsentwicklung in Europa vorbildhaft sein sollte527. Der seither mehrmals geänderte City Code zerfällt in 10 „General Principles“ und zahlreiche „Rules“. Er enthält auch Bestimmungen über die Bedingungen eines Übernahmeangebotes528. In Rule 13 wird ein grundsätzliches Verbot von so genannten „subjective conditions“ ausgesprochen: „An offer must not normally be subject to conditions which depend solely on subjective judgements by the directors of the offeror or the fulfilment of which is in their hands“. Die Regelung ist somit sehr ähnlich wie Art. 13 der schweizerischen Übernahmeverordnung (UEV). Spezialregelungen finden sich ferner in Rule 10 und Rule 9.3 für „acceptance conditions“ betreffend die Prozentzahl an Annahmeerklärungen. Es finden sich in diesen Bestimmungen sowie in den dazugehörigen „Notes“ detaillierte Normen, wann eine Bedingung bezüglich (Mindest-)Annahmeschwelle eingetreten ist und welche Beteiligungsrechte für die Berechnung des Schwellenwertes relevant sind529. Die Praxis des City Code in Bezug auf Bedingungen kann zweifelsohne wertvolle Quervergleiche bei der Analyse der schweizerischen Regelung liefern. Auf die Regeln des City Code wird daher in diesem Zusammenhang zurückzukommen sein. 526 527 528 529 Bereits im Jahre 1959 wurde nach der publizitätsträchtigen Übernahmeschlacht um British Aluminium auf Verlangen der Bank of England die „City Working Party“ eingesetzt, die „good business practice“ bei Übernahmen untersuchen sollte (vgl. zur Entstehungsgeschichte des City Code BEGG Ziff. 9.79). Für eine Übersicht vgl. ALISTAIR DEFRIEZ, The Takeover Panel, in MAURICE BUTTON/SARAH BOLTON (Hrsg.), Practioner`s Guide to the City Code on Takeovers and Mergers, 1998 Edition, S. 1ff. Der City Code ist mittlerweile auch auf dem Internet erhältlich (www.thetakeoverpanel.org.uk). Ein Abdruck des City Code findet sich bei SCHUSTER/ZSCHOCKE, Übernahmerecht, Frankfurt 1996. Allerdings wurde der Code seither wieder revidiert. Der City Code inklusive Appendix und Notes kann beim Takeover Panel bestellt werden. Vgl. PEARSON S. 104ff.; STEDMAN S. 207ff.; BEGG Ziff. 9.93. 92 II. Die Situation in Deutschland Auch Deutschland hat mit einem auf dem Prinzip der Selbstregulierung basierenden Übernahmekodex530 seit dessen Inkraftsetzung im Jahre 1995 nicht derart überzeugende Erfahrungen gemacht, dass sich eine gesetzliche Regelung der Materie erübrigt hätte531. Die deutsche Bundesregierung hat daher am 29. Juni 2000 einen Entwurf für ein Übernahmegesetz vorgelegt, der nach intensiven Beratungen und einigen Änderungen am 11. Juli 2001 vom Bundeskabinett gebilligt wurde und am 1. Januar 2002 in Kraft trat. Das Übernahmegesetz unterscheidet zwischen gewöhnlichen Angeboten und Übernahmeangeboten und unterstellt letztere zusätzlichen Regeln. Nach § 29 Abs. 1 sind Übernahmeangebote nur Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle gerichtet sind, wobei „Kontrolle“ gemäss Absatz 2 als das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft definiert ist. Bei Überschreiten dieser Schwelle sieht § 35 auch die Abgabe eines Pflichtangebotes vor. Der Bieter hat seine Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes nach § 10 des Gesetzes unverzüglich zu veröffentlichen532. Nach dieser Veröffentlichung hat der Bieter eine sogenannte „Angebotsunterlage“533 zu erstellen und zu publizieren, deren Inhalt in § 10 des Gesetzes vorgeschrieben ist. § 31 Abs. 4 und 5 sehen bei Übernahmeangeboten nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage eine der schweizerischen „best price rule“ vergleichbare Regelung vor, welche erstaunlicherweise nicht schon ab Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes gilt. § 31 Abs. 3 schränkt die Möglichkeit der Gegenleistung in Wertpapieren in gewissen Fällen vorgängiger Barkäufe des Bieters ein. Das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BaWe) bzw. dessen Übernahmerat übt die Aufsicht über öffentliche Übernahmeangebote aus. In § 18 des Übernahmegesetzes werden die Bedingungen des Angebots geregelt. Diese Norm verbietet Bedingungen, deren Eintritt der Bieter oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen ausschliesslich selbst herbeiführen können. Aus § 25 ist zu schliessen, dass Entscheidungen der Gesellschafterversammlung des Bieters nicht als solche unzulässige Bedingung gelten. Absatz 2 ergänzt diesen Grundsatz mit der unnötigen Feststellung, dass ein Übernahmeangebot unter dem Vorbehalt des Rücktritts unzulässig ist. In dieselbe Kerbe haut § 17 des 530 531 532 533 93 Vgl. dazu GEORG F. THOMA, Der neue Übernahmekodex der Börsensachverständigenkommission, ZIP 17 (1996) S. 1725ff. Zu oft wurde der Kodex nicht eingehalten. Ausserdem führte der Übernahmekampf um Mannesmann der deutschen Öffentlichkeit vor Augen, dass eine gesetzliche Regelung von Übernahmen durchaus wünschbar ist. Vgl. auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Übernahmegesetzes vom 29. Juni 2000 S. 62. Diese „Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebotes“ genannte Publikation entspricht ungefähr der Voranmeldung unter Schweizer Recht. Allerdings ist sie im Gegensatz zur Voranmeldung obligatorisch, doch muss innert 4 Wochen seit dieser Veröffentlichung eine Angebotsunterlage beim Bundesaufsichtsamt eingereicht werden (§ 14 des Übernahmegesetzes). Diese entspricht dem schweizerischen Prospekt. Übernahmegesetzes, der die öffentliche Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum) für unzulässig erklärt. Diese Regelungen des deutschen Übernahmegesetzes sind auch für die Rechtslage in der Schweiz von Interesse, da sie die neuesten Entwicklungen widerspiegeln und von Erläuterungen des Gesetzgebers begleitet sind. Daher wird bei der Diskussion schweizerischer Rechtsfragen auf die deutsche Regelung zurückzukommen sein. III. Die Situation in Italien Die Grundlagen der Übernahmeregelung in Italien finden sich im „Testo unico“, dem Dekret vom 24. Februar 1998534, welches ein umfassendes Finanzmarktgesetz, noch umfangreicher als das schweizerische Börsengesetz, darstellt. Die Grundzüge der Übernahmeregelung inklusive einer Angebotspflicht sind in den Art. 102 - 112 des Dekretes geregelt. Die Detailbestimmungen wurden von der italienischen Finanzmarktaufsichtsbehörde Commissione Nazionale per le Società è la Borsa (Consob) in einer Verordnung geregelt535. Nach Art. 102 des Dekretes ist ein öffentliches Kaufangebot unwiderruflich; eine gegenteilige Bestimmung ist ungültig536. In Art. 40 der Verordnung wird ferner bestimmt, dass Bedingungen ungültig seien, die vom alleinigen Willen des Bieters abhängen537. Die Verordnung enthält, soweit ersichtlich, keine weiteren Bestimmungen im Zusammenhang mit Bedingungen, die an das Angebot geknüpft werden können. IV. Die Situation in den USA Die Offenlegungspflichten des Bieters bei einem öffentlichen Übernahmeangebot sowie gewisse materielle Verhaltenspflichten desselben sind in den USA auf Bundesebene geregelt, während beispielsweise die Verhaltenspflichten des Leitungsgremiums der Zielgesellschaft als zumeist gesellschaftsrechtliches Problem vor allem im Recht der Gliedstaaten zu suchen sind538. Die Rechtsgrundlagen für Übernahmeangebote („tender offers“) 539 sind in Section 14(d) und Section 14 (e) 534 535 536 537 538 539 Decreto Legislativo 24 febbraio 1998: „Testo Unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria ai sensi degli articoli 8 e 21 della legge 5 febbraio 1996, no 52”; abrufbar auf www.consob.it. “Regolamento recante le norme di attuazione del decreto legislativo 24 febbraio 1998, no 58 in materia di emittenti (adottato dalla Consob con delibera 11971 del 14 maggio 1999 e successivamente modificato con delibera 12475 del 6 aprile 2000)”. Art. 102 Abs. 1 bestimmt: „L’ offerta è irrevocabile. Ogni clausola contraria è nulla.” Art. 40 Abs. 1 der Verordnung lautet wie folgt: „L’efficacia dell’offerta non può essere sottoposta a condizioni il cui verificarsi dipende dalla mera volontà dell’offerente”. Interessant im Hinblick auf die vorangehende Diskussion der Bedingtheit des Antrages zum Vertragsschluss ist hier die Betonung der Wirkungen der Offerte, nicht der Offerte selbst. Vgl. COX/HILLMAN/LANGEVOORT S. 865; STEINBERG S. 318f. Der Securities Exchange Act (wie auch der Securities Act) enthält keine Definition des in den USA für Übernahmeangebote verwendeten Ausdrucks „tender offer“ (dessen Bedeutung in Grossbritannien im übrigen nicht dieselbe ist). Diese Definition bleibt den Gerichten vorbehalten. 94 des Securities Exchange Act540 zu finden. Section 14(d)(1) des Securities Exchange Act bzw. die gestützt darauf von der Securities Exchange Commission (SEC) erlassene Rule 14d-3 verlangt für die meisten Übernahmeangebote die Eingabe eines Tender Offer Statement mit dem sogenannten Schedule TO541 bei der SEC. Art und Inhalt der den Angebotsadressaten mitzuteilenden Informationen sind in Rule 14d-6 geregelt, welche wiederum zum grossen Teil die bereits der SEC mitzuteilenden Angaben aufzählt. Section 14(e) und die gestützt darauf erlassenen Rules verbieten gewisse unlautere Verhaltensweisen („antifraud provisions“) im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten542. Hervorhebung verdient die ebenfalls im Jahr 2000 geschaffene Rule 14e-8, welche die Ankündigung einer Übernahmeofferte ohne Absicht der Durchführung innert nützlicher Frist oder ohne vernünftige Überzeugung der Finanzierbarkeit des Unterfangens als unlauter erklärt. Trotz dieser ausufernden Regulierungsflut wird dem Bieterverhalten hinsichtlich des hier interessierenden Bereichs der Bedingungen durch die U.S. Börsengesetzgebung kein wirklicher Riegel geschoben. Im Gegensatz zur Haltung in Europa, wird die Bedingungsfreiheit des Bieters in den Vereinigten Staaten offenbar nicht als Problem empfunden. B. Die rechtlichen Grundlagen in der Schweiz I. Die Bestimmungen des BEHG und dessen Verordnungen 1. Anwendbare Normen Das Börsengesetz selbst enthält mit Ausnahme von Art. 27 Abs. 2 BEHG543 keine materiellen Regeln über Bedingungen im Sinne von Art. 151ff. OR, an die ein 540 541 542 543 95 Eingeführt durch den Williams Act im Jahre 1968; vgl. dazu STEINBERG S. 303. Dieses ersetzt und vereinfacht das zuvor verwendete Schedule 14a-1 seit Anfang 2000. Schedule TO verweist für die gegenüber der SEC offenzulegenden Informationen auf Regulation M-A, welche wiederum Bestandteil der allgemeinen, integrierten „line-item disclosure checklist“ der Regulation SK ist (1000 series). Item 4 von Schedule TO verlangt die Offenlegung der „terms of the transaction“ und verweist dabei auf Item 1004(a) der Regulation M-A. Diese Norm verlangt in Ziff. 1 für „tender offers“ unter anderem die Offenlegung der Anzahl und Art der zu erwerbenden Beteiligungspapiere, Art und Betrag des angebotenen Entgelts, das Ablaufdatum etc. Es findet sich hingegen kein ausdrücklicher Hinweis auf Bedingungen des öffentlichen Übernahmeangebotes. Vgl. zum ganzen SEC Release 33-7760; 34-42055; IC-24107; File No. S7-28-98 RIN 3235-AG84 (www.sec.gov/rules/final/ dann Dok. 33-7760htm wählen). Rule 14e-1 beispielsweise regelt unter anderem ablauftechnische Erfordernisse wie beispielsweise die Mindestdauer des Angebots dadurch, dass davon abweichende Verhaltensweisen als „fraudulent, deceptive or manipulative“ angesehen werden. Von Bedeutung ist beispielsweise Rule 14e-3, welche in Ergänzung zu Rule 10b-5 den Insiderhandel im Rahmen von Übernahmeangeboten sanktioniert. Diese Bestimmung verlangt eine Verlängerung der Angebotsfrist sofern die „Bedingungen des Angebotes erfüllt“ werden, damit auch diejenigen Angebotsempfänger noch annehmen können, die dies öffentliches Kaufangebot geknüpft werden kann. In Art. 28 b. BEHG und Art. 28 lit. e. BEHG finden sich jedoch Delegationsnormen zum Erlass der entsprechenden Bestimmungen durch die Übernahmekommission. Die UEK hat mit dem Erlass von Art. 13 UEV und Art. 16 UEV von diesen Kompetenzen Gebrauch gemacht. Art. 13 UEV regelt die „Bedingungen des Angebotes“ und Art. 16 UEV betrifft den „Widerruf eines Angebotes“. Abs. 1 von Art. 13 statuiert sowohl eine Zulässigkeitsnorm als auch eine Verhaltensnorm, d.h. regelt sowohl, welche Bedingungen der Bieter seinem Angebot anfügen kann, als auch, welchen Verhaltenspflichten er unterliegt. Nach dieser Norm darf das Angebot grundsätzlich nur an „aufschiebende Bedingungen geknüpft werden, deren Eintritt der Anbieter selbst nicht massgeblich beeinflussen kann“. Abs. 2 dieses Artikels regelt, wann eine (aufschiebende) Bedingung erfüllt sein muss und Abs. 3 erwähnt die nicht erstaunende Tatsache, dass der Bieter sich den Verzicht auf gewisse Bedingungen vorbehalten könne. Abs. 4 legt fest, dass das Angebot „mit dem Einverständnis der Übernahmekommission“ auch an „auflösende Bedingungen“ geknüpft werden kann. Art. 16 UEV regelt den Widerruf eines Angebotes und bestimmt, dass dieser nur zulässig sei, wenn sich der Bieter dies durch eine oder mehrere Bedingungen nach Art. 13 im Angebot vorbehalten habe. Für obligatorische Angebote gelten Spezialregeln bezüglich der zulässigen Bedingungen. Die Eidgenössische Bankenkommission hat solche Spezialregeln gestützt auf Art. 32 Abs. 6 BEHG erlassen. Diese Norm äussert sich jedoch nur zu „Bestimmungen über die Angebotspflicht“, welche durch die Aufsichtsbehörde zu erlassen sind und erwähnt keine Bedingungen. Könnte der Bieter jedoch beliebige Bedingungen an sein obligatorisches Angebot anfügen, wäre die Angebotspflicht weitgehend ausgehöhlt. Die Zulässigkeit der Regelung der Bedingungen durch die EBK ergibt sich daher aus der Kompetenz zur Regelung der Angebotspflicht. Die EBK hat diese Kompetenz in Art. 32 ihrer Börsenverordnung wahrgenommen. Darin wird einerseits stipuliert, dass die Übernahmekommission auf Gesuch zum Bestehen einer Angebotspflicht Stellung nimmt544 und andererseits wird geregelt, welche Gründe die Zulässigkeit von Bedingungen beim Pflichtangebot rechtfertigen. Die börsengesetzliche Regelung der Übernahmeangebote befasst sich im hier relevanten Sachbereich somit primär mit der Zulässigkeit von Bedingungen. Es findet sich jedoch auch eine Bestimmung über die Verhaltenspflicht des Bieters als bedingt Verpflichtetem545. Die Rechtsfolgen einer unzulässigen Bedingung sind nicht direkt in den börsengesetzlichen Erlassen geregelt. Ob allenfalls Art. 26 BEHG, der den Verkäufern der Beteiligungspapiere ein Rücktrittsrecht bei einem „untersagten Angebot“ gewährt, hier fruchtbar gemacht werden kann, 544 545 bis dahin noch nicht gemacht haben. Sie gilt indessen auch bei unbedingten Angeboten und wurde durch die UEK mit Einführung einer Nachfrist umgesetzt (vgl. dazu § 3 C IV 4). Art. 32 Abs. 1 BEHV-EBK. Art. 13 Abs. 1 2. Satz UEV. 96 wird noch zu erörtern sein546. Die Rechtsfolgen einer Vereitelung des Eintritts der Bedingung durch den Bieter sind ebenfalls nicht direkt geregelt. Da die Regelung der Bedingungen in der Übernahmeverordnung und in der Börsenverordnung der EBK schwergewichtig die Frage der Zulässigkeit betrifft, wird dieser Themenkomplex in zwei separaten Kapiteln behandelt547 und in den nachfolgenden Ausführungen ausgeklammert. 2. Zielsetzungen Wie bereits beim Übernahmekodex erachteten auch die Urheber des Börsengesetzes eine Regelung der Bedingungen beim Übernahmeangebot für notwendig. Dieser Eingriff in die Vertragsfreiheit wird mit dem Postulat der Lauterkeit von Übernahmeangeboten begründet548. Nach dem Willen der Autoren der Botschaft verlangen die Lauterkeitsregeln, dass ein Angebot nur in Ausnahmefällen zurückgenommen werden kann549. Als Beispiele werden der Fall von Abwehrmassnahmen seitens der Zielgesellschaft und das Vorliegen eines konkurrierenden Angebots erwähnt550. Weitere Einblicke in die Motive der Regelung von Bedingungen des Übernahmeangebotes sind der Botschaft und den anderen Materialien, soweit ersichtlich, allerdings nicht zu entnehmen. In der Literatur wird als Rechtfertigung der Regelung vorgebracht, der Bieter dürfe nicht missbräuchlich den Eintritt der von ihm selbst gesetzten Bedingung verhindern551. Diese Zielsetzung ist an sich einleuchtend, doch dürfte sie durch Art. 156 OR bereits erreicht werden, wonach eine Bedingung als erfüllt gilt, wenn sie von der anderen Partei wider Treu und Glauben vereitelt worden ist. Ausserdem dürfte es angesichts der hohen Kosten eines Übernahmeangebotes552 und negativer Publizität kaum vorkommen, dass ein Anbieter den Eintritt einer von ihm gesetzten Bedingung zu vereiteln sucht. Dennoch scheint die Regelung der Bedingungen in der Über- 546 547 548 549 550 551 552 97 Vgl. hinten § 6 C. Kapitel 5 behandelt die Zulässigkeit von Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten im allgemeinen, während sich Kapitel 6 der speziellen Bedingungsregelung für öffentliche Kaufangebote widmet. Vgl. Botschaft S. 46 Ziff. 25.5., vgl. Auch Ziff. 25. 2 mit Erwähnung der Unzulässigkeit vom Bieter beeinflussbarer Bedingungen. Dass die Bedingungsregelung der Lauterkeit von Übernahmeangeboten dient, ergibt sich im übrigen schon aus der Übernahmeverordnung selbst. Art. 12 UEV über die Pflichten der mit dem Bieter zusammenwirkenden Personen statuiert, dass diese die Regeln über die Lauterkeit einhalten müssten und verweist dabei auf Art. 13 UEV betreffend zulässige Bedingungen (Vgl. auch VON DER CRONE, ZBJV 1997, S. 86, wonach die Regeln des Übernahmekodexes über Gestaltung und Lauterkeit öffentlicher Kaufangebote auf Gesetzesstufe überführt werden (Hervorhebung durch Verfasser); MEIER-SCHATZ, AJP 1998 S. 54; BERNET S. 186). Ibidem. Ibidem. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 28 BEHG N 8. Diese Kosten wurden durch die Anforderungen des BEHG (Prospekt, Prüfstelle etc.) zweifelsohne noch gesteigert. Insofern sorgt bereits der Kostendruck für eine gewisse Selektion seriöser Anbieter von solchen, die unlautere Praktiken und Bedingungen für einen Ausstieg aus dem Angebot benutzen. nahmeverordnung von einem Misstrauen gegenüber dem Bieter auszugehen, indem sie beispielsweise von ihm massgeblich beeinflussbare Bedingungen verbietet553 oder den Widerruf des Angebots stark einschränkt554. Es scheint, dass die Tatsache einer Regelung der Bedingungen daher lediglich einem diffusen Unbehagen gegenüber der Übermacht des Bieters angesichts der Probleme kollektiven Handelns der Angebotsempfänger entspringt. Ob ein solches Unbehagen gerechtfertigt ist und welche Zielsetzung mit dem erwähnten Eingriff in die Vertragsfreiheit verfolgt wird, ist jedoch nicht von vornherein ersichtlich. Es bleibt der nachfolgenden Untersuchung vorbehalten, diese Zielsetzungen für die jeweiligen einschlägigen Bestimmungen über die Bedingungen des Angebotes zu eruieren. II. Verhältnis zu den Normen des Obligationenrechts Das Börsengesetz und dessen Verordnungen regeln den Vertragsschluss mittels Übernahmeangebot. So wird beispielsweise festgelegt, wie lange ein Antrag zum Vertragsschluss angenommen werden kann555 oder unter welchen Voraussetzungen ein Antrag zum Vertragsschluss widerrufen556 oder abgeändert557 werden kann. Ähnlich wie das Versicherungsvertragsgesetz stipulieren das Börsengesetz und vor allem die Übernahmeverordnung ein Sondervertragsschlussrecht558. Ohne Zweifel sind sowohl die einschlägigen Bestimmungen des Börsengesetzes wie auch jene der Übernahmeverordnung in dieser Hinsicht als leges speciales gegenüber dem Obligationenrecht einzustufen. Beide Erlasse sind nach dem Obligationenrecht in Kraft getreten und stellen somit auch leges posteriores gegenüber dem OR dar. Während das BEHG als Bundesgesetz auf derselben Stufe der Normenhierarchie wie das OR anzusiedeln ist, ist die UEV eine "lex inferior", ein auf niederer Hierarchiestufe erlassenes "Gesetz". Nach den allgemeinen Grundsätzen geht das BEHG als lex specialis und lex posterior dem OR im Falle einer Normenkollision grundsätzlich vor559. Die Übernahmeverordnung ist gegenüber dem Obligationenrecht eine lex inferior. In diesem Fall soll die höherrangige Norm der widersprechenden tieferrangigen grundsätzlich vorgehen bzw. diese "ausser Kraft setzen"560. Da die UEV jedoch auf dem BEHG, einer mit dem OR gleichrangigen Normgruppe, beruht, und zudem eine lex specialis et posterior gegenüber dem Obligationenrecht darstellt, kann man wohl auch im Einzelfall 553 554 555 556 557 558 559 560 Art. 13 Abs. 1 UEV. Art. 16 UEV. Art. 14 UEV. Art. 16 UEV. Art. 15 UEV. Art. 1ff. VVG (SR 221.229.1). Vgl. dazu FORSTMOSER/SCHLUEP, Einführung in das Recht, Bd. I, 2. Auflage, Bern 1998 § 13 N 127ff.; RIEMER, Rechtskollisionen bei innerstaatlichem Recht, in: MEIER/SIEHR (Hrsg.), Rechtskollisionen, FS für ANTON HEINI, Zürich 1995, S. 31//318. FORSTMOSER/SCHLUEP, § 13 N 130; RIEMER S. 317. 98 und gestützt auf die ratio legis die gegenteilige Ansicht vertreten, um die Anwendbarkeit der börsenrechtlichen Übernahmebestimmungen bei Konflikten mit Bestimmungen des OR zu retten561. Das Problem wird allerdings dadurch entschärft, dass die Übernahmeverordnung zwingende Spezialbestimmungen enthält, während die Regelung der Bedingungen im Obligationenrecht, wie die meisten Normen dieses Erlasses, weitgehend dispositives Recht darstellen. In der Tat wird in den nachfolgenden Ausführungen kaum von Normkollisionen zwischen BEHG-gestützten Normen und Bestimmungen des Obligationenrechtes die Rede sein. Viel wichtiger ist die Frage, inwiefern die Bestimmungen des OR die zumeist lückenhafte Regelung in Börsengesetz, Übernahmeverordnung und Börsenverordnung der EBK zu ergänzen vermögen. Dieses Problem kann allerdings nicht einheitlich beantwortet werden und wird im folgenden denn auch für jede Fragestellung gesondert zu untersuchen sein. III. Aufschiebende und auflösende Bedingungen nach Art 13 UEV 1. Terminologisches Art. 13 der Übernahmeverordnung nimmt die (scheinbar) aus dem Obligationenrecht bekannte Unterscheidung zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen vor. Es sei jedoch vorweggenommen, dass die Terminologie des Art. 13 UEV von der „bedingungsrechtlichen“ Terminologie562 des Obligationenrechts grundverschieden ist. Zur Begründung dieses Umstandes ist zunächst Art. 13 UEV näher zu betrachten. Der erste Satz von Art. 13 Abs. 1 UEV stellt die zentrale Norm dar: „Das Angebot darf grundsätzlich nur an aufschiebende Bedingungen geknüpft werden, deren Eintritt der Anbieter selbst nicht massgeblich beeinflussen kann“563. Durch diese Wortwahl wird allerdings (noch) nicht klar, welche Bedeutung dem Terminus „aufschiebend“ zukommt. Art. 13 Abs. 2 bestimmt, dass bei Ablauf des Angebots klar festgestellt werden muss, ob die Bedingungen erfüllt sind. Komplementiert wird die Terminologie durch Art. 13 Abs. 4 UEV, der die auflösenden Bedingungen zum Gegenstand hat. Dieser Ab- 561 562 563 99 Allerdings soll hier nicht einem generellen Vorrang von späterem bzw. "speziellerem" Verordnungsrecht gegenüber dem OR das Wort geredet werden. Es ist bedenklich, wenn mittels Verordnungen Eingriffe in die vom Obligationenrecht, wie auch von der Verfassung garantierte Vertragsfreiheit vorgenommen werden, ohne die Grundzüge von Eingriffen in einem Gesetz im formellen Sinn zu regeln. Der Ausdruck stammt von GAUCH/SCHLUEP/REY N 4091. Vgl. dazu auch Ziff. 3.2 des ehemaligen (schweizerischen) Übernahmekodexes: “Das Angebot darf nur an Bedingungen geknüpft werden, die der Anbieter nicht selbst beeinflussen kann. Dazu gehört insbesondere das Zustandekommen der Übernahme eines Prozentsatztes der Gesamtheit der zu erwerbenden Titel oder bei vinkulierten Namenaktien die Bedingung, dass die für die Eintragung des Anbieters ins Aktienregister notwendigen Beschlüsse gefasst werden.“ satz legt fest, dass das Angebot mit dem Einverständnis der Übernahmekommission auch an auflösende Bedingungen geknüpft werden kann, über deren Ausfall564 erst nach Ablauf des Angebotes Klarheit bestehen wird565. Die ratio legis von Art. 13 UEV getroffenen Unterscheidung zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen wurde in den Empfehlungen der UEK klar hervorgehoben. In Bezug auf die Zulässigkeit einer Minimum limen Bedingung566 führte sie aus: „The Takeover Board permits this condition to be drafted as a condition precedent only. As a condition subsequent the purpose of the additional acceptance period could not be adequately fulfilled. The investor must be in a position to make an informed decision to tender his shares during the additional acceptance period upon expiry of the offer period and receipt of the interim result. The additional acceptance period allows the investor to re-evaluate his position when after the first offer period the offer has become unconditional as to the acceptance level.“567 Nicht nur hinsichtlich der unterschiedlichen Terminologie568 interessant ist auch die Empfehlung in Sachen Zurich Allied AG / Zurich vom 12.6.1998: „Under Art. 13 TOO, an offer may in principle be made subject exclusively to suspensive conditions (i.e. to conditions which must be fulfilled before the close of the offer period). An offer may be made subject to resolutory conditions (i.e. to conditions which may be fulfilled once the first acceptance period has expired) only with the approval of the Takeover Board. The purpose of this rule is to allow the recipients of the offer to make an informed decision during the additional acceptance period provided for by Art. 14.5 TOO. Consequently, the Board will approve resolutory conditions only if the advantages 564 565 566 567 568 Auch der Eintritt, nicht nur der Ausfall einer Bedingung, kann die Auflösung des Rechtsverhältnisses zur Folge haben. Hervorhebung hinzugefügt. Der Zusammenhang mit Art. 13 Abs. 1 und die nachfolgend erwähnten Entscheide Synthes-Stratec Inc. / Stratec Holding AG sowie Zurich Allied AG / Zürich machen klar, dass der Nebensatz „über deren Ausfall erst nach Ablauf des Angebotes Klarheit bestehen wird“ als Definition der auflösenden Bedingung gemeint ist und nicht als Eingrenzung derselben. Es war eine Annahmequote (acceptance level) von 80% als Bedingung des Angebotes stipuliert worden. Empfehlung der UEK vom 26.3.1999 in Sachen Synthes-StratecInc. / Stratec Holding AG E.3. Die „aufschiebende“ Bedingung nach Art. 13 wird als „suspensive“ statt „condition precedent“ bezeichnet. 100 of such conditions for the offeror outweigh its disadvantages for the recipients of the offer and for the offeree.“569 Daraus erhellt, dass als aufschiebende Bedingungen im Sinne von Art. 13 Abs. 1 UEV solche Bedingungen gemeint sind, deren Ausfall oder Eintritt sich vor Ablauf der Angebotsfrist realisiert und dies (spätestens) unmittelbar nach deren Ablauf 570– dies ist wohl der Sinn des Wortes „bei“ in Art. 13 Abs. 2 - festgestellt werden kann571. Die Unterscheidung zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen beruht damit auf einem rein zeitlichen Element572. Dabei ist jedoch noch nichts darüber ausgesagt, ob bei Eintritt oder Ausfall der Bedingung die Wirksamkeit des Geschäftes eintreten oder ausfallen solle, was gemäss obligationenrechtlicher Terminologie das Kriterium der Unterscheidung zwischen Suspensiv- und Resolutivbedingung darstellt573. Eine auflösende Bedingung im Sinne von Art. 13 UEV kann daher durchaus eine Suspensivbedingung sein574. Legt der Bieter im Angebot fest, dass die Erfüllung seiner Pflichten aus dem Kaufvertrag575 erst mit behördlicher Genehmigung wirksam werden soll, liegt eine Suspensivbedingung vor, auch wenn diese Genehmigung erst nach Ablauf der Angebotsfrist erteilt wird576. In der Regel ist es sogar so - dies mag zwar paradox klingen - dass jede auflösende Bedingung nach Art. 13 Abs. 4 UEV eine 569 570 571 572 573 574 575 576 E. III. der Empfehlung vom 12. Juni 1998 in Sachen Zurich Allied AG / Zürich. D.h. bei Anzeige des Zwischenergebnisses (vgl. Art. 44 UEV). So schon die Erläuterungen zum Übernahmekodex: „Grundsätzlich sind Bedingungen, die vor Ablauf der ersten Angebotsfrist erfüllt werden, aufschiebende Bedingungen. Das Angebot kommt nur dann zustande, wenn die Bedingungen erfüllt sind“ (Erläuterungen zu Ziff. 3.2 /B.a.). Vor oder nach Ablauf der Angebotsfrist. In den Erläuterungen zum Kodex wird zwar davon gesprochen, das Angebot komme nur dann zustande, wenn die (aufschiebenden) Bedingungen erfüllt werden. Nach Ablauf der Angebotsfrist (auflösende Bedingungen) werde das Angebot demgegenüber widerrufen, wenn die Bedingungen nicht erfüllt werden (Ziff. 3.2. B. a. und c.). Die aufschiebende Bedingung bedeutet wie gesehen nicht, dass bis zum Ablauf der Angebotsfrist kein Vertrag zustande kommen kann. Das Angebot verstanden als Antrag an die Inhaber von Beteiligungspapieren kommt also immer zustande. Die hier gemeinte aufschiebende Bedingung bedeutet jedoch, dass der Vertrag aufgehoben wird (gegenüber denjenigen, die eine Annahmeerklärung abgegeben haben) oder dass der Antrag zum Vertragsschluss unwirksam wird (gegenüber denjenigen, die keine Annahmeerklärung abgegeben haben). Wollte man dem Angebot die Wirkung als Antrag vor Eintritt der aufschiebenden Bedingung die Wirkung versagen, hiesse dies die Bedingtheit des Willens oder der Willenserklärung als solche anzunehmen und nicht die Bedingtheit der gewollten Rechtswirkung (vgl. dazu vorn § 2 C III. 3.). Vgl. vorn § 2 C I.2. Hingegen ist aus praktischen Erwägungen kaum zu erwarten, dass eine aufschiebende Bedingung nach Art. 13 Abs. 1 eine Resolutivbedingung im Sinne der vertragsrechtlichen Terminologie darstellt. Immerhin wäre denkbar, dass eine Annahmeerklärung „on line“ zur sofortigen Übertragung des Rechts am Beteiligungspapier und Gutschrift des Kaufpreises führt, bevor die Angebotsfrist abgelaufen ist. Eine Bedingung, wonach bis Ablauf der Angebotsfrist 80% der Stimmen angedient worden sein müssen, wäre dann zwar aufschiebend im Sinne von Art. 13 Abs. 1, gleichzeitig aber resolutiv. Allerdings wird diese Vorgehensweise wegen des Aufwandes der Rückabwicklung und kartellrechtlicher Vollzugsverbote kaum vorkommen. Dies gilt im übrigen auch für die Pflichten der Verkäufer. D.h. also im Sinne von Art. 13 Abs. 4 UEV auflösend bedingt ist. 101 Suspensivbedingung nach obligationenrechtlicher Terminologie darstellt, denn Resolutivbedingungen im Sinne von Art. 154 OR werden bei einem öffentlichen Kaufangebot praktisch nicht vorkommen. Der Bieter müsste bei einem Kauf bereits vor Eintritt der Bedingungen den Kaufpreis entrichten und die Verkäufer ihre Beteiligungspapiere übertragen, was sich im nachhinein als unnütz herausstellen könnte und rückabgewickelt577 werden müsste. Das Begriffspaar aufschiebend/auflösend ist somit im Übernahmerecht nicht identisch mit demjenigen des allgemeinen Teils des OR. Um einen Begriffswirrwarr zu vermeiden, wird nachfolgend immer von „aufschiebend“ bzw. „auflösend“ gesprochen, wenn es um die Unterscheidung nach Art. 13 UEV geht, von „suspensiv“ bzw. „resolutiv“ wird demgegenüber die Rede sein, wenn es um die Dichotomie nach klassischem obligationenrechtlichem Muster geht. 2. Konsequenzen Die soeben erwähnte unterschiedliche Semantik gleichlautender Begriffe hat auch Bedeutung für die Rechtslage. Während das schuldrechtliche Begriffspaar resolutiv/suspensiv unterschiedliche Rechtsfolgen beschreibt ohne sich über die Zulässigkeit einer Bedingung zu äussern, bezieht sich das übernahmerechtliche Tandem aufschiebend/auflösend grundsätzlich auf die Zulässigkeit von Bedingungen, ohne die Rechtsfolgen zu erwähnen. Die Rechtslage bei einer aufschiebenden Bedingung im Verhältnis zwischen Bieter und Veräusserer, der sein Akzept abgegeben hat, ist verschieden von derjenigen zwischen Bieter und einem nicht annahmebereiten Inhaber von Beteiligungspapieren. Im ersten Fall liegt bereits ein Vertragsverhältnis vor, im zweiten hingegen nicht. Im ersten Fall kann zudem vereinbart sein, dass die Vertragspflichten bereits voll wirksam werden (Resolutivbedingung) oder dass dies erst bei Erfüllung der Bedingung der Fall sein soll und dass bis zu diesem Zeitpunkt lediglich ein Schwebezustand eintritt. Im zweiten Fall ist dies mangels Konsens nicht möglich. Für die Beschreibung der Rechtslage bei Vertragsschluss mittels bedingtem öffentlichem Kaufangebot ist die in Art. 13 UEV vorgenommene, auf die Frage der Zulässigkeit von Bedingungen ausgerichtete, Abgrenzung zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen daher kein taugliches Einteilungskriterium. 577 Es handelt sich dabei nach GAUCH/SCHLUEP/REY um ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis, was Auswirkungen auf die Verjährung hat (GAUCH/SCHLUEP/REY N 4138). Allerdings ist dieser Befund dogmatisch nur schwer mit dem Dahinfallen des Vertrages und dem Erlöschen der bedingten Forderungen bei Eintritt der Bedingung in Einklang zu bringen (vgl. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4137). Auch der von GAUCH/SCHLUEP/REY erwähnte Rückfall des übertragenen Rechtes ohne Rückzession dürfte mit einem vertraglichen Rückabwicklungsverhältnis nur schwer in Einklang zu bringen sein. Für dingliche Wirkung ausdrücklich MERZ, SPR, S. 163; GUHL/KOLLER § 9 N 32; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 154 N 6; vgl. auch BUCHER § 28 III./ 2.b), S. 514, der Rückzession und Rückübertragung für nicht erforderlich hält; ebenso VON THUR/ESCHER S. 275f.; anders und wie GAUCH/SCHLUEP/REY PIOTET, ZSR 1988 I, S. 368ff. 102 IV. Potestative und kasuelle Bedingungen nach Art. 13 Abs. 1 UEV Art. 13 UEV nimmt neben der erwähnten Unterscheidung zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen noch eine weitere Klassifizierung vor. Der erste Absatz dieses Artikels lautet wie folgt: Das Angebot darf grundsätzlich nur an aufschiebende Bedingungen geknüpft werden, deren Eintritt der Anbieter selbst nicht massgeblich beeinflussen kann. Falls der Anbieter aufgrund der Art der aufschiebenden Bedingungen einen Beitrag zu deren Eintritt zu leisten hat, muss der Anbieter alle ihm zumutbaren Massnahmen ergreifen, damit die Bedingungen eintreten. Die erwähnte Norm unterscheidet zwischen Bedingungen, deren Eintritt der Anbieter selbst nicht massgeblich beeinflussen kann und - von dieser Bestimmung jedoch nicht ausdrücklich erwähnt - solchen, die er selbst massgeblich beeinflussen kann. Wie erinnerlich ist die Beeinflussbarkeit des Eintritts einer Bedingung durch eine (oder mehrere) Parteien das Kriterium der Unterscheidung zwischen potestativen und kasuellen Bedingungen578. Die aus dem Schuldrecht vertraute Terminologie kann hier also ohne weiteres übernommen werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Unterscheidung alles andere als exakt ist. Diesen Vorbehalt vor Augen kann man sagen, dass Art. 13 Abs. 1 UEV eine Unterscheidung in potestative und kasuelle Bedingungen vornimmt. Der erste Satz von Art. 13 Abs. 1 will nur die kasuellen, also nicht durch den Bieter massgeblich beeinflussbaren Bedingungen zulassen. Die Unschärfe der gemachten Unterscheidung wird jedoch sofort durch den zweiten Satz des ersten Absatzes von Art. 13 UEV in Erinnerung gerufen. Wie man annehmen muss, betrifft dieser die nach dem ersten Satz zulässigen kasuellen Bedingungen, dennoch statuiert er eine Pflicht zur Einflussnahme des Bieters auf den Eintritt der Bedingung. Dies erscheint auf den ersten Blick zwar widersprüchlich, doch widerspiegelt es die Tatsache, dass nur ganz wenige Bedingungen „rein potestativ“ oder „rein kasuell“ sind, sondern meist beeinflussbare und nicht beeinflussbare Elemente nebeneinander vorliegen („gemischte Bedingungen“). So kann der Bieter beispielsweise bei der kasuellen Bedingung der Genehmigung einer Behörde mehr oder weniger unternehmen, um deren Zustimmung zu erlangen und so die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmung beeinflussen. Wie bereits aufschiebend/auflösend beschlägt auch der Gegensatz potestativ/kasuell grundsätzlich die Frage der Zulässigkeit von Bedingungen. Dies wird dem ersten Satz des oben wiedergegebenen Texts ersichtlich. Der zweite Satz ist demgegenüber von anderer Natur. Er statuiert eine positive Verhaltenspflicht des 578 Vgl. vorne § 2 C I.3. 103 Bieters während der Pendenz der Bedingung. Diese Bestimmung und ihr Verhältnis zu Art. 152 OR werden bereits bei Schilderung der Rechtslage beim Vertragsschluss mittels bedingtem öffentlichen Kaufangebot zu erörtern sein, während die Frage der Unzulässigkeit potestativer Bedingungen erst im Anschluss daran diskutiert werden wird. C. Die Rechtslage beim suspensiv bedingten öffentlichen Angebot579 I. Was ist wie bedingt? Wie bereits andernorts erwähnt, ist das öffentliche Kaufangebot nach Art. 2 lit. e BEHG nicht in jedem Fall mit einem bedingten oder unbedingten Antrag nach Art. 3 OR gleichzusetzen580. Denkbar ist auch, dass der Bieter lediglich - anstatt eines Antrages - eine Einladung zur Offertstellung an die Inhaber von Beteiligungspapieren abgibt. Es handelt sich dabei jedoch zweifellos um einen Sonderfall, der nachfolgend separat erörtert wird581. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher auf den Regelfall, wo ein bedingtes Angebot zugleich einen bedingten Antrag zum Vertragsschluss im Sinne der obligationenrechtlichen Terminologie darstellt. Den nachfolgenden Ausführungen liegt zudem das Verständnis einer Suspensivbedingung im Sinne der obligationenrechtlichen Terminologie und nicht der Unterscheidung von Art. 13 UEV zugrunde. Es wird ausserdem von einer positiven Bedingung ausgegangen, d.h. bei Eintritt der Bedingung wird das Rechtsgeschäft wirksam. Ebenfalls vorausgesetzt wird das in § 2 C erarbeitete Verständnis der dogmatischen Grundlagen der Bedingtheit eines Angebots. II. Rechtslage vor Abgabe des Angebotes 1. Ohne bzw. vor Voranmeldung Gibt es bereits vor Abgabe eines Angebotes bzw. einer Voranmeldung eines Angebotes durch den (künftigen) Bieter eine rechtliche relevante Beziehung zu den 579 580 581 Es sei noch einmal in Erinnerung gerufen, dass der Ausdruck "suspensiv" nachfolgend im Sinne der obligationenrechtlichen Terminologie bei Bedingungen verwendet wird. Ferner wird in den nachfolgenden Ausführungen von der Zulässigkeit der Bedingungen ausgegangen, sofern nichts anderes ausdrücklich erwähnt wird. Vgl. vorne § 2 B. Vgl. hinten § 4 F und insbesondere Ziff. VIII, wo die Zulässigkeit eines öffentlichen Kaufangebotes in Form einer Einladung zur Offertstellung untersucht wird. Die Bedeutung einer bedingten Einladung zur Offertstellung wurde bereits erörtert (vgl. vorn § 2 C IV.). 104 Inhabern von Beteiligungspapieren einer „Zielgesellschaft“? Dies kann höchstens dann der Fall sein, wenn der prospektive Bieter durch sein Verhalten bzw. dasjenige seiner Organe einen Tatbestand geschaffen hat, an den Rechtsfolgen geknüpft werden. Sicherlich ist ein solcher Tatbestand gegeben, wenn der Erwerb von Beteiligungspapieren von einem oder mehreren grösseren Gesellschaftern ein Pflichtangebot im Sinne von Art. 32 BEHG auslöst582. Neben diesem gesetzlichen Kontrahierungszwang werden mangels Vorliegen eines öffentlichen Kaufangebotes bzw. eines Vertrages mit den Inhabern der Beteiligungspapiere grundsätzlich keine Rechte und Pflichten eines potentiellen Bieters gegenüber diesen Personen begründet583. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. Insbesondere bei Vorliegen eines deliktischen Handelns oder bei Schaffung und Verletzung eines vertrauensbegründenden Tatbestandes (culpa in contrahendo oder Vertrauenshaftung) können Abweichungen gerechtfertigt sein. Dabei steht die letztere Möglichkeit als Grundlage für rechtliche Beziehungen zwischen einem Bieter in spe und Inhabern von Beteiligungspapieren im Vordergrund. Nach BGE 116 II 698 (E. 3) beruht die Haftung für culpa in contrahendo (c.i.c.) allerdings auf der Überlegung, dass sich die Parteien während der Vertragsverhandlungen nach Treu und Glauben zu verhalten haben und „setzt mithin begriffsnotwendig die Führung von Vertragsverhandlungen voraus“. Vertragsverhandlungen liegen bei einem öffentlichen Kaufangebot aber gerade nicht vor, was nach der zitierten Aussage des Bundesgerichtes die Anwendbarkeit der Grundsätze der c.i.c. auf das hier erörterte vorvertragliche Stadium ausschlössen. Mit Recht wurde diese Ansicht aber im Schrifttum verworfen584. Durch die Anerkennung einer allgemeinen „Vertrauenshaftung“ in BGE 120 II 331ff. („Swissair Fall“) ist diese Streitfrage aber inzwischen wohl obsolet geworden585. Eine solche Vertrauenshaftung oder erweiterte culpa in contrahendo586 kann somit grundsätzlich auch bei Kundgaben an Beteiligungsinhaber vorliegen. Voraussetzung ist allerdings, dass seitens des Bieters ein vertrauensbegründendes Verhalten vorgelegen hat587. Ein solches Verhalten kann durchaus bereits in der "Vorankündigung" eines Angebotes, d.h. einer öffentlich nicht in Form einer Voranmeldung kundgegebenen Absicht, ein öffentliches Kaufangebot unterbreiten zu wollen588, erblickt werden. Allerdings 582 583 584 585 586 587 588 Vgl. dazu hinten § 5 A. Es wird davon ausgegangen, dass Bieter und Zielgesellschaft nicht identisch sind. Es liegt m.a.W. kein Rückkauf eigener Aktien vor. STRAZZER S. 121; für Deutschland ASSMANN/BOZENHARDT S. 75ff. Vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 982c m.w.H. Man kann hier durchaus noch von c.i.c. Haftung sprechen, da es um eine Haftung im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss geht („contrahere“). Statt vieler KOLLER N 1755 m.w.H.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 965. Vgl. dazu die Ausführungen der Übernahmekammer der EBK in Sachen Fall Unaxis Holding AG / Esec Holding AG in ihrer Verfügung vom 23. Juni 2000: "Mit der Einräumung der Option durch [Esec Aktionär] an die Unaxis im November 1999 wurde dem Publikum klar kommuniziert, dass die Unaxis bei der Ausübung der Option dem Publikum ein Angebot unterbreiten werde. (…).Damit erfolgte zwar keine Voranmeldung eines Angebotes im Sinne von Art. 7 UEV-UEK; als Vorankündi- 105 kann man wohl kaum den Standpunkt vertreten, dieses Verhalten begründe – im Gegensatz etwa zur Abgabe einer Voranmeldung - ein berechtigtes Vertrauen auf Abgabe eines Angebotes. Hingegen kann man vom Bieter erwarten, dass seine Ankündigung seiner tatsächlichen Absichten entsprechend „ernsthaft“ gemeint ist und nach Treu und Glauben das angekündigte Projekt weiterverfolgt. Eine Ankündigung eines Übernahmeangebotes in der Absicht, den Kurs des betreffenden Beteiligungspapiers in die Höhe zu treiben, dürfte daher das berechtigte Vertrauen der Inhaber von Beteiligungspapieren enttäuschen und kann daher z.B. bei einem nachfolgenden Kurssturz Haftungsansprüche hinsichtlich Ersatz des Vertrauensschadens aus c.i.c. oder Vertrauenshaftung auslösen589. Das positive Vertragsinteresse, d.h. die gemäss Ankündigung zu erzielende Prämie kann aber unter diesen Gesichtspunkten nicht ersetzt werden590. Dies kann nach der hier vertretenen Ansicht nur dann der Fall sein, wenn die Ankündigung des Bieters die Intensität eines „öffentlichen Kaufangebots“ im Sinne von Art. 2 lit. e BEHG annimmt591, also genügend konkret abgefasst ist, um Akzepte oder Anträge zum Vertragsschluss seitens der Inhaber von Beteiligungspapieren auslöst. Nur dann kann meines Erachtens von einer rechtlich erheblichen „Sonderverbindung“ gesprochen werden, die den Ersatz des positiven Vertragsinteresses rechtfertigt. Die vorliegende Problematik betrifft dann gewisse, konkrete abgefasste Einladungen zur Offertstellung592. Da diese auch als Wollensbedingungen593 gedeutet werden können, setzt deren Beurteilung im Hinblick auf eine mögliche culpa in contrahendo Haftung jedoch eine Beurteilung der Zulässigkeit von Bedingungen voraus. Auf die Diskussion dieser Frage wird daher später zurückzukommen sein594. 2. Nach Voranmeldung a. Die Voranmeldung nach Art. 7 UEV Nach Art. 7 Abs. 1 UEV kann der Anbieter ein Angebot vor der Veröffentlichung eines Angebotsprospektes voranmelden. Die Voranmeldung muss einem 589 590 591 592 593 594 gung war sie aber eine klare Absichtserklärung an die Aktionäre." Vgl. auch die Empfehlung der UEK vom 8. Dezember 2000 in Sachen Axantis Holding AG E.1 und die Bemerkungen in § 2 B III. Zum Beispiel für jemanden, der die Aktie im Vertrauen auf die Ankündigung und den damit verbundenen Kursanstieg gekauft hat. Allerdings dürfte hier schon Art. 41 OR als Anspruchsgrundlage dienen, da das genannte Verhalten sehr wahrscheinlich eine Schutznorm verletzt (Straftatbestand der Kursmanipulation). Vgl. BGE 105 II 83 E.3 und die in Fussnote 601 gemachten Bemerkungen. Vgl. vorn § 2 B III. Bei Vorliegen eines Antrags im Sinne von Art. 3 OR kann ein Vertrag durch die Adressaten herbeigeführt werden, womit sich das Problem der c.i.c. Haftung nicht stellt. Die Voranmeldung wird nachfolgend separat erörtert, da Art. 9 UEV eine gesonderte Anspruchsgrundlage bildet. Vgl. zum Begriff 2 C I 3. Vgl. § 6 D IV. 3. 106 elektronischen Börseninformationsmedium zugestellt werden und ist ausserdem in zwei oder mehreren Tageszeitungen in deutscher und französischer Sprache zu veröffentlichen595. Die Voranmeldung ermöglicht es dem Bieter, die Märkte über das bevorstehende Angebot zu orientieren, dabei die Ausnützung von Insiderkenntnissen zu unterbinden und dennoch über genügend Zeit zu verfügen, um den Angebotsprospekt auszuarbeiten bzw. die Transaktion zu gestalten596 und deren wichtigsten Parameter, den Preis, zu fixieren597. Innert der erstreckbaren Frist von 6 Wochen598 hat der Bieter sodann ein Angebot zu veröffentlichen, das den Konditionen der Voranmeldung entspricht (Art. 9 UEV). Es erstaunt daher nicht, dass die Voranmeldung gemäss den Erläuterungen der Übernahmekommission den Bieter bereits rechtlich bindet599. Die Voranmeldung ist somit gewissermassen ein „Vorantrag“ zum Vertragsschluss. Dessen Rechtsnatur sowie die Grundlage und Umfang eines allfälligen Schadenersatzes sind nicht restlos geklärt. Immerhin kann gesagt werden, dass die Voranmeldung selbst grundsätzlich (noch) nicht annahmefähig ist, weshalb sie auch noch keinen Antrag zum Vertragsschluss darstellt600. Sie begründet indessen nach Art. 9 UEV eine Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes601. Die Voranmeldung hat nach Art. 7 UEV 595 596 597 598 599 600 Art. 8 UEV. TSCHÄNI/OERTLE, Art. 28 N 2; vgl. auch VON DER CRONE, Unternehmensübernahmen, S. 161: "Informiert der Erwerber frühzeitig, riskiert er, beim anschliessenden Pflichtangebot einen höheren Preis bezahlen zu müssen, da der Börsenkurs infolge einer Ankündigung ansteigen könnte. Die Möglichkeit einer Voranmeldung soll diesen Zielkonflikt lösen." Dies gilt jedenfalls dann, wenn das nachfolgende Angebot (bei Vollzug) ein Pflichtangebot auslösen würde und damit die Mindestpreisregeln bei Pflichtangeboten anwendbar sind (vgl. Art. 9 Abs. 3 lit. a. UEV i.V.m. Art. 10 Abs. 5 2. Satz UEV). Sind diese Regeln nicht anwendbar, weil die Zielgesellschaft beispielsweise über ein Opting out verfügt oder der Bieter bereits bei Abgabe des Angebots die die Angebotspflicht auslösende Schwelle überschritten hat, erübrigt sich eine Voranmeldung zwecks Fixation des Angebotspreises. Um preistreibenden Gerüchten entgegenzuwirken und Insiderhandel abzuklemmen, kann sie dennoch nützlich sein. Die Frist beginnt und die Voranmeldung wird wirksam mit der Verbreitung der Voranmeldung in den elektronischen Medien (Art. 9 Abs. 3 UEV; Empfehlung der UEK in Sachen IMG Fondation de Placements Immobiliers / Société Immobilière Genevoise vom 5.5.1999; TSCHÄNI/OERTLE, Art. 28 N 4). Sollen die rechtlichen Wirkungen der Voranmeldung allerdings bereits am Tag der Publikation eintreten, muss diese vor Handelsbeginn erfolgen (Empfehlung der UEK vom 21. Juni 1999 i.S. Usego Hofer Curti AG; Empfehlung der UEK vom 24. August 2000 i.S. Stancroft Trust / Intersport PSC Holding AG; vgl. auch IFFLAND/VAISY, SZW 2000 S. 134f.). Erläuterungen zum Entwurf der Übernahmekommission vom 22.2.1996 N 18 S. 33 unter Hinweis auf Art. 10 des Entwurfes. Dieser entspricht im wesentlichen dem heutigen Artikel 9 UEV, dessen 1. Absatz die Verpflichtung des Bieters zur Veröffentlichung eines Angebotes mit den Konditionen der Voranmeldung innert grundsätzlich 6 Wochen nach Publikation der Voranmeldung statuiert. Eine Schadenersatzpflicht des Bieters bei Nichtbeachten dieser Verpflichtung ist in der geltenden Verordnung im Unterschied zur Fassung des Entwurfes nicht mehr enthalten. Vgl. auch TSCHÄNI/OERTLE, Art. 28 N 4: „Daher kommt der Voranmeldung im Grunde genommen bereits verbindliche Wirkung zu."; so auch VON DER CRONE, Unternehmensübernahmen, S. 163. Dieser Autor befürwortet einen direkten privatrechtlichen Anspruch der Aktionäre der Zielgesellschaft auf Unterbreitung eines Angebotes. Die Annahmefähigkeit gehört zum Wesen des Antrages, vgl. KOLLER N 466; Es fehlt der endgültige Geltungswille (das „sic volo sic iubeo“) des Erklärenden (vgl. KRAMER, Berner Kommentar, Art. 1 N 167). 107 bereits weitgehende Fixationswirkungen. So ist bereits der Angebotspreis zu nennen, dessen Änderung zulasten der Angebotsadressaten nur in eng abgestecktem Rahmen möglich ist602. Das Datum der Voranmeldung ist ferner entscheidend für die Mindestpreisregeln603, für die Meldepflicht von Transaktionen604 und für die Zulässigkeit von Abwehrmassnahmen der Zielgesellschaft605. b. Hinweis auf Bedingungen des Angebotes Nach Art. 7 Abs. 2 lit. f. UEV, muss die Voranmeldung bereits „allfällige Bedingungen des Angebotes“ enthalten und innert grundsätzlich sechs Wochen nach dieser Voranmeldung muss, wie bereits erwähnt, ein Angebot veröffentlicht werden, „das den Konditionen der Voranmeldung entspricht“606. Es stellt dabei namentlich die Frage, ob „allfällige Bedingungen“ mit „alle Bedingungen“ gleichzusetzen ist oder ob der Bieter im Angebot „neue“ Bedingungen aufstellen kann. Die Problematik soll an praktischen Erwägungen verdeutlicht werden. Es ist möglich, dass zwischen Voranmeldung und Angebot eine „Due Diligence Review“ stattfindet607 und dadurch wesentliche neue Erkenntnisse zutage gefördert werden, z.B. dass eine gewisse Tätigkeit der Zielgesellschaft einer Bewilligung bedarf und diese nicht vorhanden ist. Wenn ein nachträgliches Anbringen von Bedingungen nicht möglich ist, müsste die Voranmeldung in diesem Fall 601 602 603 604 605 606 607 Fraglich ist, wie diese dogmatisch zu erfassen ist. Handelt es sich dabei gewissermassen um das einseitige Korrelat zum Vorvertrag (vgl. die „promesse de contracter“, wie der Vorvertrag im französischen genannt wird, was (zu Unrecht) auf ein einseitiges Rechtsgeschäft hindeutet), ein einseitiges Versprechen, dessen Rechtsfolgen in Anlehnung an die Auslobung zu regeln wären? Dann wäre ein Widerruf unter Erstattung des negativen Vertragsinteresses vor Veröffentlichung des Angebotes möglich (vgl. BUCHER, Berner Kommentar, Art. 8 N 31ff.; KOLLER N 1717). Man kann allerdings in Art. 9 UEV auch eine gesetzliche Kontrahierungspflicht erblicken, welche zu einer gewillkürten Erklärung (Voranmeldung) hinzutritt und eine einklagbare Pflicht auf Abgabe einer Willenserklärung (Angebot) begründet (vgl. VON DER CRONE, Unternehmensübernahmen, S.163). Schliesslich kann Art. 9 Abs. 1 UEV als im positiven Recht geregelte Haftung für culpa in contrahendo verstanden werden. Unterbreitet der Bieter kein Angebot, so entsteht zwar kein Vertrag, doch haftet der Bieter nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo. Diese Lösung erscheint als die flexibelste, erlaubt sie doch einerseits dem Verschulden des Bieters Rechnung zu tragen, und es kann in Abweichung von den allgemeinen Regeln (Ersatz des Vertrauensschadens; vgl. BGE 105 II 81 E. 3, wo der nicht ganz deckungsgleiche Begriff des negativen Vertragsinteresses gebraucht wird; KOLLER N 1779) auch das positive „Vertrags“interesse ersetzt werden, da Art. 9 UEV das Interesse der Inhaber von Beteiligungspapieren am Zustandekommen eines Vertrages schützt. Ein Anspruch der Inhaber von Beteiligungspapieren auf Durchführung des Angebots ist aber m.E. abzulehnen. Fraglich ist auch, welche Rechtsbehelfe der UEK und der EBK bei Missachtung dieser „Angebotspflicht“ nach Art. 9 UEV zustehen. Wie auch immer man diese Fragen entscheiden wird, Art. 9 Abs. 1 UEV wird schwerlich als blosse Ordnungsvorschrift bezeichnet werden können. Art. 9 Abs. 2 UEV. Vgl. Art. 10 Abs. 5 UEV. Art. 31 BEHG. Vgl. Art. 9 Abs. 3 UEV. Art. 9 Abs. 1 UEV. Vgl. dazu auch die Empfehlung vom 11. April 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E.6 hinsichtlich vorbehaltenen, geringfügiger Änderungen zwischen Voranmeldung und Prospekt (in casu des Angebotspreises). So explizit Art. 9 Abs. 2 UEV. 108 alle denkbaren Bedingungen enthalten, was gegenüber den späteren Angebotsempfängern falsche Signale aussenden würde. Dies könnte nur vermieden werden durch Durchführung einer „Due Diligence Review“ ohne bzw. vor Ankündigung einer Voranmeldung, was sowohl Insiderhandel als auch Kursphantasien beflügeln könnte und daher nicht immer erwünscht ist. Eine starr gehandhabte Fixation der zulässigen Bedingungen weist daher sowohl für den Bieter als auch für die Empfänger Nachteile auf, doch würde das Anfügen von beliebigen zusätzlichen Bedingungen im Angebot im Vergleich zur Voranmeldung das geweckte Vertrauen der Investoren enttäuschen. Aus diesem Grunde muss ein nachträgliches Anfügen von (neuen) Bedingungen grundsätzlich unzulässig sein. Es kann vom Bieter erwartet werden, dass er Unwägbarkeiten aus fehlender Information oder anderen Gründen dadurch Rechnung trägt, dass er bereits in der Voranmeldung entsprechende Bedingungen anbringt. Zulässig ist es freilich, die in der Voranmeldung gemachten Bedingungen im Angebot zu präzisieren. So war beispielsweise im Fall Creinvest / Altin die nachträgliche Präzisierung einer Bedingung, wonach sich der Verwaltungsrat ausschliesslich608 aus den in der Voranmeldung genannten Personen zusammensetze, als zulässig erachtet worden609. Selbst die Umwandlung einer – von der Übernahmekommission – als unzulässig eingestuften Bedingung in der Voranmeldung in eine als zulässig angesehene Bedingung im Angebotsprospekt ist gemäss der Empfehlung in Sachen Baumgartner Papiers zulässig.610 Ein weiterer Vorteil für den Bieter, insbesondere bei unfreundlichen Übernahmeangeboten, ist schliesslich in der Tatsache zu erblicken, dass er in der Voranmeldung noch nicht zu präzisieren braucht, ob die Bedingungen aufschiebend oder auflösend sein sollen611. c. Anwendbarkeit von Art. 13 UEV Ist Art. 13 UEV bereits bei der Voranmeldung anwendbar? Dies ist zu bejahen für die nach Art. 7 Abs. lit. f. UEV in der Voranmeldung zu nennenden Bedingungen des Angebotes. Wie die Wendung in der Verordnung bereits zum Ausdruck bringt, handelt es sich um eine Mitteilung über die Bedingungen, an die das Angebot (und nicht die Voranmeldung) geknüpft werden soll. Für die Frage der Zulässigkeit dieser Bedingungen muss aber bereits Art. 13 Abs. 1 UEV anwendbar sein. Auch die nach Art. 13 Abs. 1 statuierte Mitwirkungspflicht des Bieters muss bereits ab dem Zeitpunkt der Voranmeldung gelten, wenn sie ihren Sinn behalten soll612. In negativer Hinsicht darf der Bieter bereits jetzt nichts un- 608 609 610 611 612 D.h. es durften keine weiteren Verwaltungsratsmitglieder mehr dazugewählt werden. Vgl. die Empfehlung vom 13. Juli 2001 in Sachen Creinvest / Altin E.5. Vgl. die Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 8. Vgl. die Empfehlung vom 19. März 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E.4.2, 5.2. Gerade im Zeitraum zwischen Voranmeldung und Angebot werden oft Bewilligungen einzuholen versucht, deren Gewährung eine Bedingung des Angebotes darstellt (vgl. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar Art. 28 BEHG N 2). 109 ternehmen, was seiner Mitwirkungspflicht zum Eintritt der Bedingung zuwiderlaufen könnte. Diese Pflicht ergibt sich allerdings nicht aus dem nachfolgend erörterten Art. 152 OR, der einen Vertragsschluss voraussetzt613, sondern aus Art. 13 UEV. d. Bedingungen der Voranmeldung? Eine andere Frage ist, ob die Wirkungen der Voranmeldung selbst in dem Sinne bedingt sein können, als die Abgabe eines Angebots bei Eintritt ungewisser künftiger Ereignisse entfallen soll. Wäre dem Bieter die Festlegung dieser Bedingungen freigestellt, verlöre die in Art. 9 Abs. 1 UEV verankerte Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes nach der Voranmeldung ihren Sinn. Andererseits kann diese Pflicht auch nicht ohne Einschränkungen gelten. Selbstredend entfällt eine Verpflichtung zur Unterbreitung einer Offerte nach Art. 9 Abs. 1 UEV, wenn bereits vor Abgabe des Angebotes feststeht, dass die in der Voranmeldung genannten Bedingungen nicht eintreten werden. Auch eine Schadenersatzpflicht des Bieters muss dann folgerichtig entfallen614. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Generalversammlung der Zielgesellschaft die vom Bieter zur Bedingung erhobene Streichung der Stimmrechtsbeschränkung ablehnt. Für den Dispens von der Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes sollten m.E. die Grundsätze von Art. 16 UEV für den Widerruf eines Angebotes analog anwendbar sein. Ein Absehen von der Unterbreitung eines Angebotes ist grundsätzlich nur dort möglich, wo sich der Bieter dies durch (zulässige) Bedingungen nach Art. 13 UEV für das Angebot vorbehalten hat. Diese in der Voranmeldung erwähnten Bedingungen sind dann nicht nur für Widerruf (durch Willenserklärung) oder Dahinfallen (durch Bedingungsausfall) des Angebotes, sondern bereits für die Abgabe des Angebotes relevant. Insofern ist die Verpflichtung zur Unterbreitung eines Angebotes durch Voranmeldung nach Art. 9 Abs. 1 UEV zu relativieren. III. Das Angebot im Schwebezustand 1. Vor und ohne Annahmeerklärung Mit Veröffentlichung des Angebots und Abgabe eines Antrags hat der Bieter den entscheidenden Schritt zur vertraglichen Bindung unternommen. Zwar kann das 613 614 Vgl. Ziff. III. 1. hinten. In der Empfehlung vom 19. März 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG war die Übernahmekommission freilich anderer Ansicht. Sie befürwortete eine Anwendbarkeit von Art. 152 OR bereits nach der Voranmeldung und vor dem eigentlichen Antrag zum Vertragsschluss. Konnte der Bieter dies voraussehen bzw. hätte der den Ausfall voraussehen müssen oder hat er seine Mitwirkungspflicht zum Eintritt der Bedingung verletzt, kann allenfalls dennoch ein Haftungstatbestand gegeben sein. 110 Angebot nach Art. 14 Abs. 1 UEV in der Regel erst nach Ablauf einer Karenzfrist von 10 Börsentagen angenommen werden, doch gewährt die Übernahmekommission bei vorgängiger Prüfung nach Massgabe von Art. 14 Abs. 2 UEV generell Ausnahmen von dieser Regel. Auch bei Abgabe eines „bedingten“ Antrags ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien für den Vertragsschluss erforderlich615. Hat der Inhaber von Beteiligungspapieren die Annahmeerklärung unbeantwortet gelassen oder noch nicht unterzeichnet und versandt, so fehlt es am Zustandekommen eines Vertrages. Damit liegt weder der Abschluss eines Vertrages vor, noch ist die Bedingung eingetreten. Es liegt lediglich ein Antrag zum Vertragsschluss mittels öffentlichem Kaufangebot vor. Bis zum Ablauf der Annahmefrist616 bleibt der Bieter damit an seinen Antrag gebunden. Er darf ihn nur aus den in Art. 16 UEV genannten Gründen widerrufen. Nach Art. 13 Abs. 1 UEV besteht zudem bereits eine gesetzliche Mitwirkungspflicht des Bieters hinsichtlich des Eintritts der Bedingung617. Im Obligationenrecht wird dieser Zustand nicht explizit geregelt. Es liegt ja mangels Akzept auch noch gar keine Obligation vor. Art. 152 OR geht vom Vorliegen eines (bedingten) Vertrages aus, wie sich aus dem Zusammenhang mit Art. 151 OR ergibt, wo vom „Vertrag“ die Rede ist. Ist die Regelung von Art. 152 OR analog anwendbar, wenn zwar ein Antrag zum Vertragsschluss abgegeben wurde, aber noch kein Vertrag zustande gekommen ist? Art. 152 Abs. 1 verbietet dem bedingt Verpflichteten die Vornahme von Handlungen während der Schwebezeit, welche die gehörige Erfüllung der Verbindlichkeit hindern könnten. Wer eine solche Handlung vornimmt, widerspricht dem im Antrag zum Vertragsschluss erweckten Vertrauen, seine Leistung gehörig zu erfüllen. Er würde damit auch faktisch einen unzulässigen Widerruf seines Antrages bewirken. Allerdings ist dieses Verhalten für die Gegenpartei so lange irrelevant, als sie keine Annahmeerklärung abgegeben hat. Geht der Oblat nicht auf die Offerte ein, kann der Antragsteller mit den zum Kauf oder Tausch angebotenen Objekten nach seinem Gutdünken verfahren. Daher ist eine Haftung, aber auch ein Anspruch auf Unterlassung der Angebotsadressaten gestützt auf Art. 152 OR erst möglich, wenn ein Vertrag zustande gekommen und die Bedingung eingetreten ist618. Immerhin dürfte es aber angezeigt sein, die in Art. 152 OR dem Bieter als bedingt Verpflichteten auferlegten Verhaltensregeln als Obliegenheiten619 anzusehen, solange noch kein Akzept erfolgt ist. Will der Bieter bei einem bedingten Angebot eine Schlechterstellung bzw. Schadenersatzpflicht vermeiden, muss er 615 616 617 618 619 PETER S. 207/208. Nach Art. 14 Abs. 4 UEV kann diese Frist maximal 40 Börsentage betragen. Vgl. Ziff. 3 hinten. Anderer Ansicht ist offenbar die Übernahmekommission, die Art. 152 OR bereits bei Vorliegen einer Voranmeldung anwenden will (Empfehlung vom 19. März 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E. 7.2). Zum Begriff vgl. KOLLER N 96ff. 111 also die – selbstverständlich erscheinende - Regel befolgen, nichts vorzunehmen, was die gehörige Erfüllung seiner Verbindlichkeit hindern könnte. 2. Nach Annahmeerklärung a. Allgemeines Mit Eintreffen der Annahmeerklärung bei der Depotbank des Inhabers von Beteiligungspapieren ist der Vertrag zur Veräusserung der Beteiligungspapiere zwischen dem Bieter und dem betreffenden Inhaber zustande gekommen620. Hier hat eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung stattgefunden. Zwar wurde ein Vertrag begründet, die Parteien haben jedoch die durch den Vertrag zu gestaltende Rechtslage vom Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängig gemacht, das noch nicht eingetreten ist. Ob es überhaupt eintreten wird, ob die Vertragspflichten jemals zu „unbedingten“ werden, ist noch ungewiss. Es muss aber mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass die Bedingung eintritt und die Forderung des Gläubigers (bzw. die Schuld des Schuldners) geltend gemacht und durchgesetzt werden kann621. Bis zum Eintritt oder Ausfall der Bedingung ist der Vertrag somit in einem „Schwebezustand“ (Pendenz)622. Die Rechtsstellung des Gläubigers während dieses Schwebezustandes wird oft als Anwartschaft bezeichnet. Dieser Ausdruck wird jedoch im Schrifttum zum Teil als missverständlich kritisiert623 und soll nachfolgend daher nicht verwendet werden. Während der Pendenz gestaltet sich das Rechtsverhältnis beim öffentlichen Kaufangebot wie folgt: Dem Inhaber von Beteiligungspapieren steht eine bedingte Forderung auf Zahlung des Kaufpreises oder auf Übertragung von Wertpapieren zu624. Der Bieter hat eine bedingte Forderung auf Übertragung bzw. Abtretung der Gegenstand des Angebots bildenden Beteiligungspapiere. Im Obligationenrecht wurden für die Rechtslage während der Schwebezeit gewisse Regeln herausgebildet, die grundsätzlich auch auf bedingte öffentliche Kaufangebote anwendbar sind. Diese Regeln finden sich teilweise im Gesetz, meist aber werden sie aus dem Wesen der Bedingung abgeleitet. 620 621 622 623 624 Vgl. vorn § 2 A IV.; damit tritt die Bindungswirkung des Vertrages ein. Die bedingte Forderung ist daher (selbstverständlich) nicht fällig. Sie ist jedoch grundsätzlich auch nicht erfüllbar. „Der Schuldner ist zu einer solchen Vorausleistung gegen den Willen des Gläubigers nicht befugt, weil er ihm eine unter Umständen lästige Rückgabepflicht nicht aufdrängen darf“ (VON THUR/ESCHER S. 265). Abweichende Parteivereinbarungen bleiben vorbehalten. Vgl. dazu bereits HANS BUCK, Zur Lehre vom suspensiven Schwebezustand insbesondere bei bedingtem Vermächtnis, Diss. Zürich 1931. MERZ, SPR, S. 158; GUHL/KOLLER § 9 N 19. Je nachdem, ob es sich um ein Kauf- oder ein Tauschangebot handelt. 112 b. Behandlung des bedingten Rechtes Das Wesen der Bedingung bringt es mit sich, dass die vertraglichen Pflichten625 vor Eintritt der Bedingung noch nicht durchgesetzt bzw. eingeklagt werden können. Auch eine Verrechnung einer bedingten Forderung mit einer unbedingten oder bedingten anderen Forderung ist nach Ansicht des Schrifttums nicht möglich626. Allerdings kann die bedingte Forderung mittels entsprechender Klage gerichtlich festgestellt werden627. Ausserdem ist die bedingte Forderung bereits Gegenstand des Rechtsverkehrs628. Sie kann z.B. verpfändet629, abgetreten630 oder vererbt631 werden oder rechtsgeschäftlich durch Bestellung von Pfändern, Bürgschaften etc. gesichert werden632. Diese Regeln haben ohne weiteres auch bei einem durch öffentliches Kaufangebot begründeten Vertrag Gültigkeit. Sie sind allerdings zumeist von geringer praktischer Relevanz. So wird eine Feststellungsklage nur dort angehoben werden, wo noch längere Zeit mit der Ungewissheit des Eintritts der Bedingung gelebt werden muss und die Gegenpartei die bedingte Berechtigung bestreitet. Dies ist bei einem öffentlichen Kaufangebot praktisch nie der Fall633. Auch eine Besicherung des bedingten Anspruchs aus einem Übernahmeangebot wird im Rechtsalltag kaum je vorkommen. Hingegen ist ein Ableben des Inhabers der Beteiligungspapiere vor Eintritt der Bedingung sehr wohl möglich. Der bedingte 625 626 627 628 629 630 631 632 633 Gemeint sind hier die oben genannten primären Leistungspflichten. Allfällige sekundäre unbedingte Vertragspflichten (Schutzpflichten etc.) können m.E. trotz Bedingung bereits bestehen. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4135; BUCHER § 28 II /1a. S. 510; MERZ, SPR, S. 158; VON THUR/ESCHER S. 264. Immerhin kann man sich fragen, ob in Anlehnung an die bedingte Abtretung aufgrund eines bedingten Vertrages eine Verrechnungserklärung aufgrund einer bedingten Forderung nicht auch als bedingte Verfügung aufgefasst werden kann (vgl. BUCHER § 28 II/1.b. S. 511 zum bedingten Schulderlass). BUCHER § 28 II /1.a S. 510; GUHL/KOLLER § 9 N 20; MERZ, SPR, S. 158; EHRAT, Art. 151 N3 und 152 N 6; VON THUR/ESCHER S. 264; Voraussetzung für diese Feststellungsklage ist freilich ein Rechtsschutzinteresse. Prägnant dazu OSER / SCHÖNENBERGER, Art. 152 N 2: „Die bedingte Berechtigung vererbt sich, kann abgetreten, erlassen, noviert, durch Bürgschaft, Pfandrecht, Grundbuchvormerk usw. gesichert, im Konkurs und im Nachlass eingegeben (SchkG 210), gepfändet und verarrestiert werden (264, 305 desselben Gesetzes), erzeugt eine Klage auf Feststellung usw.“ Unklar war, wann der Lauf der Verjährung (oder allenfalls Verwirkung) bei der bedingten Forderung beginnt (Hinweise bei SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. 1, Bern 1975 § 39). Nach BGE 122 II 10ff. ist nun bei reinen Potestativbedingungen (Wollensbedingungen) Art. 130 Abs. 2 OR analog anwendbar. Eine nach Belieben auszuübende Gestaltungserklärung beginnt daher mit Vertragsschluss zu verjähren (BGE 122 II 17 E. 5). GUHL/KOLLER § 9 N 20; PETER S.274. BGE 41 II 132ff. insbesondere E.2.; VON BÜREN S. 190; EHRAT Art. 151 N 8 („veräusserbar“); Freilich gelten auch die allgemeinen Grundsätze der Abtretbarkeit von Forderungen. Diese kann durch Gesetz oder Vertrag (pactum de non cedendo ) ausgeschlossen sein. GUHL/KOLLER § 9 N 20; EHRAT, Art. 151 N 8; VON BÜREN S. 190; eingehend PETER S. 275ff. VON THUR/ESCHER S. 264; ausführlich dazu PETER S. 285ff. Bei den Realsicherheit kommen Schuldbrief und Gült, die eine unbedingte Pfandforderung bewirken, im Gegensatz zur Grundpfandverschreibung kaum in Frage (PETER S. 287-292). Vgl. dazu die Anforderungen der Übernahmekommission in § 3 C.VI, § 3 C. IV.4. und § 4 B.V. 113 Anspruch geht dann als Bestandteil des erblasserischen Vermögens ex lege auf seine Erben über. Der annehmende Adressat des Angebotes kann seinen bedingten Anspruch auf den Kaufpreis634 bereits verpfänden oder abtreten. Davon zu unterscheiden ist die Abtretung der auf den Bieter zu übertragenden Beteiligungspapiere. Nur für letztere gilt Art. 152 Abs. 3 OR, wonach Verfügungen während der Schwebezeit, wenn die Bedingung eintritt, insoweit hinfällig sind, „als sie deren Wirkung beeinträchtigen“. Soweit der Angebotsadressat also bereits eine Annahme- und Abtretungserklärung des Bieters ausgefüllt hat, bleibt eine zeitlich spätere, widersprechende Verfügung über die Beteiligungspapiere ungültig, wenn die Bedingungen eingetreten sind und das Übernahmeangebot durchgeführt wird635. Gleiches würde für widersprechende Zwischenverfügungen durch den Bieter gelten. Mangels (unbedingter) Verpflichtung kann das Geleistete vor Eintritt der Bedingung nach den Grundsätzen über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückverlangt werden (Art. 62ff. OR)636. Voraussetzung ist dabei, dass sich der Leistende über seine Schuldpflicht, also in casu vor allem über den fehlenden Eintritt der Bedingung, im Irrtum befunden hat637. Auch dieser Grundsatz dürfte in praxi nicht von Relevanz sein. Geht man davon aus, dass sich die Leistung des Inhabers der Beteiligungspapiere in der Unterzeichnung der Annahme- und Abtretungserklärung erschöpft, so trifft es zwar zu, dass er seine Leistung vor Eintritt der Bedingung erbringt. Allerdings dürfte er kaum je einem Irrtum unterlegen haben, da die Bedingungen des Angebotes regelmässig klar offengelegt werden. Ausserdem ist davon auszugehen, dass das durch Unterzeichnung der Annahmeerklärung bewirkte Verfügungsgeschäft (suspensiv) bedingt erfolgt ist638. Ein Rückgriff auf die Art. 62ff. OR dürfte sich daher ohnehin erübrigen. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die bedingte Forderung im Konkurs des Schuldners gemäss Art. 210 SchKG wie eine unbedingte im vollen Betrag eingegeben werden kann639. Das entsprechende Konkursbetreffnis wird jedoch erst ausbezahlt, wenn die Bedingung eingetreten ist. Nach Art. 264 Abs. 634 635 636 637 638 639 Bei Tauschangeboten wäre dies der Anspruch auf Lieferung der als Entgelt angebotenen Titel. Vgl. BUCHER § 28 II. / 1b , S. 511 insbesondere FN 31 mit Klarstellung, dass es sich bei Art. 152 Abs. 3 um die Verletzung einer vorangehenden bedingten Verfügung handle, nicht etwa um die Verletzung einer bedingten Verpflichtung; vgl. auch EHRAT, Basler Kommentar, Art. 152 N 9 und 10 m.w.H.; VON THUR/ESCHER S. 267f.; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4132; PETER S. 353; MERZ, SPR, S. 159. BUCHER § 28 II. / 1a, S. 510. Art. 63 Abs. 1 OR, vgl. GUHL/KOLLER § 9 N 19; VON THUR/ESCHER S. 264. BUCHER § 28 II /1a, S. 510; VON THUR/ESCHER S. 265. BUCHER § 28 II. / 1a, S. 510; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 151 N 8; MERZ, SPR, S. 158; GUHL/KOLLER § 9 N 20; VON THUR/ESCHER S. 264; SCHWOB, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel 1998, Art. 210 N 3. Hängt indessen die Erfüllung der Suspensivbedingung ausschliesslich von einer Handlung oder Unterlassung des Schuldners ab, kann die betreffende Forderung gar nicht kolloziert werden, denn der Schuldner darf sein Vermögen nach Konkurseröffnung nicht mehr verändern (vgl. SCHWOB, Art. 210 N 3 m.w.H.). 114 3 SchkG wird dieser Anteil bis zum Eintritt der Bedingung bei einer Depositenanstalt hinterlegt. Wenn feststeht, dass die Bedingung nicht eintritt, wird der Anteil dann an die Konkursmasse zur Nachverteilung unter die Gläubiger zurückgegeben640. Die suspensive bedingte Forderung kann selbstverständlich auch gepfändet werden641. Auch dieser Umstand dürfte bei öffentlichen Kaufangeboten kaum je zum Tragen kommen. c. Rechte und Pflichten in der Schwebezeit Die gegenseitigen Rechte und Pflichten während des Schwebezustandes sind in Art. 152 OR geregelt. Nach dem ersten Absatz dieser Bestimmung darf der bedingt Verpflichtete nichts vornehmen, „was die gehörige Erfüllung seiner Verbindlichkeit hindern könnte“. Es geht hier also um die Erfüllung der vertraglichen Leistung, welche nicht vereitelt werden soll, nicht etwa um eine Pflicht zur Erfüllung der Bedingung642. Der „Schuldner“ hat die Pflicht, seine Leistungsbereitschaft und insbesondere das bedingt Geschuldete für den Fall des Bedingungseintritts zu erhalten643. Er darf zum Beispiel durch tatsächliches Handeln die bedingt geschuldete Sache nicht vernichten oder beschädigen und hat die zur Erhaltung der Sache notwendigen Massregeln zu treffen644. Aber auch durch rechtliches Handeln wie zum Beispiel Veräusserung oder Verpfändung des bedingt verkauften Objektes darf er die Erfüllung seiner bei Eintritt der Bedingung geschuldeten Leistung nicht vereiteln645. Verletzt er diese Pflicht, so wird er schadenersatzpflichtig nach den Grundsätzen von Art. 97 OR646. Allerdings entsteht ein Schaden und somit auch ein Ersatzanspruch nach der hier vertretenen Ansicht in der Regel erst dann, wenn die Bedingung eingetreten ist, d.h. die be- 640 641 642 643 644 645 646 VON THUR/ESCHER S. 264; Eine bedingte Forderung ist auch im Konkurs nicht verrechenbar, wohl aber kann ein pactum de compensando abgeschlossen werden (vgl. STÄUBLI/DUBACHER, SchKGKommentar, Art. 213 N 14; die Autoren halten die Verrechnung mit einer resolutiv bedingten Forderung des Gemeinschuldners jedoch für zulässig; so wohl auch EHRAT, Basler Kommentar, Art. 151 N 8). PETER S. 337 mit zahlreichen Hinweisen in FN 52 insbesondere auf BGE vom 13.9.1907 und OGer ZH vom 18.6.1907 (ZR 7 (1908) Nr. 9 S. 16 (18)). Diesen Umstand scheint die Übernahmekommission in der Empfehlung vom 19. März 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E. 7.2 zu verkennen, wo sie Art. 152 OR in Zusammenhang mit einer (vorgeworfenen Möglichkeit der) Vereitelung des Bedingungseintritts verwendet hat. Eine Auseinandersetzung mit Art. 156 OR wäre hier wohl lohnender gewesen. Vgl. dazu auch BUCK S. 49 mit zahlreichen Beispielen von Unterlassungs- aber auch Tätigkeitspflichten des bedingt Verpflichteten beim bedingten Vermächtnis. VON THUR/ESCHER S. 265; vgl. auch BUCHER § 28 II / 1a. S. 511. Vgl. VON THUR/ESCHER S. 265. PETER S. 304-306; Sofern die Erfüllung der Verbindlichkeit ohne Verschulden des bedingt Verpflichteten unmöglich geworden ist, liegt nach Art. 119 OR kein Haftungstatbestand vor (vgl. PETER S. 305); ferner GAUCH/SCHLUEP/REY N 4129; KELLER/SCHÖBI S. 107. 115 dingte Verpflichtung zur unbedingten geworden ist647. Art. 152 Abs. 1 ist dispositiver Natur und kann somit durch die Parteien ausgeschlossen werden648. Den Pflichten des Schuldners hinsichtlich Erhaltung seiner Leistungsbereitschaft während der Pendenz entsprechen die Rechte des Gläubigers. Zwar entsteht das Recht, Schadenersatz wegen Verletzung dieser Pflichten zu verlangen, erst mit Eintritt der Bedingung. Doch muss der bedingt Berechtigte während der Schwebezeit dem Treiben des Schuldners nicht tatenlos zusehen, da er durch Art. 152 Abs. 2 OR geschützt wird. Er ist befugt, bei Gefährdung seiner Rechte dieselben Sicherungsmassregeln zu verlangen, wie wenn seine Forderung eine unbedingte wäre. Als solche Sicherungsmassregeln kommen sowohl Verfügungsverbote, Beschlagnahmung usw. nach kantonalem Recht649 wie auch bundesrechtliche Rechtsbehelfe in Frage. Bei letzteren stehen der Arrest nach Art. 271 SchKG650 sowie die Betreibung auf Sicherheitsleistung651 im Vordergrund. Die Fälligkeit der Forderung ist für eine Massnahme nach Art. 152 Abs. 2 OR nicht notwendig652. Dennoch dürfte die Bedeutung dieser Regeln für öffentliche Kaufangebote wiederum gering bleiben. Gemäss Art. 20 Abs. 1 UEV muss die Prüfstelle bestätigen, dass die Mittel zur Finanzierung des Übernahmeangebots verfügbar 647 648 649 650 651 652 Ausführlich dazu und gleicher Meinung PETER S. 305 m.w.H. und Diskussion des Urteils des Luzerner Obergerichtes vom 18. September 1957 (ZBJV 94 (1958) S. 34); ebenso KELLER/SCHÖBI S. 107 („schadenersatzpflichtig, sofern der Vertrag durch Eintritt der Bedingung alsdann wirksam wird“) und wohl auch GUHL/KOLLER § 9 N 20; BUCK S. 57ff.; a.M. MERZ , SPR, S. 159; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4129 („sofort fälliger Anspruch“) sowie die Übernahmekommission in der Empfehlung vom 19. März 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E. 7.2 („sofort fälliger Schadenersatzanspruch“). VON THUR/ESCHER S. 266; BUCK S. 46. Es handelt sich dabei um kantonale Massnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wie z.B. Befehle oder Verbote nach § 223 Ziff. 1 ZPO ZH oder „Massnahmen, welche den Beklagten an der Verfügung über bestimmte Gegenstände hindern“ nach Ziff. 2 dieser Bestimmung. Diese Massnahmen dürfen allerdings nicht auf einen verkappten Arrest zur Sicherung einer Geldforderung hinauslaufen (vgl. z.B. BGE 85 II 196; 86 II 295). Die (bedingte) Forderung auf Kaufpreiszahlung des Inhabers von Beteiligungspapieren dürfte daher nicht mit kantonalen Rechtsbehelfen zu sichern sein. Hingegen können die bei einem Tausch durch den Bieter zu liefernden Titel grundsätzlich Gegenstand einer vorsorglichen Massnahme nach kantonalem Recht bilden. Allerdings dürfte die von Art. 152 Abs. 2 geforderte Gefährdung der Rechte zum einen selten gegeben und zum anderen nicht leicht glaubhaft zu machen sein. Wenn bei Tauschangeboten noch nicht alle zum Tausch angebotenen Titel geschaffen worden sind, hat der Bieter zu bestätigen, dass alle für die Beschaffung der Titel notwendigen Massnahmen getroffen worden sind. Ob vor diesem Hintergrund noch eine Gefährdung von Gläubigerrechten glaubhaft gemacht werden kann, erscheint fraglich. Zumindest wird man auf deutliche Anzeichen warten müssen, die darauf hindeuten, dass der Bieter seinen Versprechen möglicherweise nicht nachkommen kann. VON THUR/ESCHER S. 264; MERZ, SPR, S. 159; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4130; BUCHER, § 28 II/1a S. 511; VON BÜREN S. 190 mit Übersicht über Rechtsbehelfe; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 152 N 8. Vgl. PETER S. 314-318. Vgl. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4130: „Mit dieser Fiktion soll dem bedingt Berechtigten bei gegebenen übrigen Voraussetzungen insbesondere auch Arrestnahme auf Vermögenswerte des Verpflichteten (SchKG 271ff.) ermöglicht werden, obschon SchKG 271 Abs. 1 dafür grundsätzlich Fälligkeit der Forderung verlangt (..)“. 116 sind, was die von Art. 152 Abs. 2 OR verlangte Glaubhaftmachung der Gefährdung von Gläubigerrechten bei einem Barangebot stark erschwert. Die explizite Regelung einer Erhaltungspflicht des bedingt Verpflichteten in Art. 152 Abs. 1 OR lässt die Frage aufkommen, ob mit Vertragsschluss trotz pendenter Bedingung bereits andere vertragliche Nebenpflichten entstanden sind. Solche Pflichten sind zum Beispiel Obhuts-, Schutzpflichten oder Mitteilungspflichten653. Sie können durch Vereinbarung der Parteien oder durch das Gesetz vorgesehen sein. Meist ist dies jedoch nicht der Fall und die vertraglichen Nebenpflichten müssen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben in Art. 2 ZGB hergeleitet werden654. Im Fall der öffentlichen Kaufangebote besteht jedoch eine relativ detaillierte Regelung solcher Nebenpflichten. So muss der Bieter nach Art. 44 UEV bei einem bedingten Angebot im Zwischenergebnis655 angeben, ob die Bedingungen des Angebotes erfüllt sind. Damit wird eine Mitteilungspflicht als Nebenpflicht des Bieters statuiert. Ferner auferlegt Art. 13 Abs. 1 dem Bieter eine Mitwirkungspflicht hinsichtlich des Eintritts der Bedingungen, welche nachfolgend separat untersucht wird656. Es gilt während der Schwebezeit allgemein der Grundsatz, dass die Parteien zu einem Verhalten nach Treu und Glauben verpflichtet sind und nichts vornehmen dürfen, was die Position der anderen Partei beeinträchtigen dürfte657. d. Nutzen und Gefahr Nach Art. 185 Abs. 3 OR gehen Nutzen und Gefahr des Kaufobjektes bei einem suspensiv bedingten Kaufvertrag658 erst mit dem Eintritt der Bedingung auf den Käufer über. Art. 153 OR bestimmt jedoch, dass der Gläubiger, dem die versprochene Sache vor Eintritt der Bedingung übergeben worden ist, den inzwischen bezogenen Nutzen behalten kann und geht insoweit Art. 185 Abs. 3 OR vor659. Als "Nutzen" im Sinne dieser Bestimmung werden auch die Früchte bzw. Erträgnisse der übergebenen „Sache“ angesehen660. Geht man davon aus, dass die vom Angebotsadressaten unterzeichnete Annahme- und Abtretungserklärung (Zession) als „Übergabe der Sache“ angesehen werden kann, stünden nach Ab- 653 654 655 656 657 658 659 660 Vgl. GUHL/KOLLER § 2 N 25; KOLLER N 85ff.; MERZ, SPR VI/1, S. 64ff. Ausführlich dazu WALTER, Vertrauenshaftung im Umfeld des Vertrages, ZBJV 1996, S. 273ff. insbesondere 279f. GUHL/KOLLER § 2 N 25ff.; MERZ, SPR VI/1, S. 66; KOLLER N 86. Das Ergebnis betreffend die Anzahl Annahmeerklärungen nach Ablauf der Angebotsfrist und vor der Nachfrist. Vgl. Ziff. 3 hinten. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4127; GUHL/KOLLER § 9 N 2. Im Gegensatz zum resolutiv bedingten Kauf, vgl. GUHL/KOLLER § N 25/30. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4134; VON THUR/ESCHER S. 274; BUCHER § 28 III / 2a S. 514; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 153 N 2 und 3. BUCHER §28 III 2./a.bb.; EHRAT, Art. 153 N 2: "Der Begriff des Nutzens umfasst nicht nur die natürlichen, sondern auch die bürgerlichen Früchte (Zinsen) und alle weiteren geldwerten Vorteile der Benutzung."; Von THUR/ESCHER S. 274 ("natürliche und bürgerliche Früchte"). 117 gabe der Annahmeerklärung und vor Bedingungseintritt gutgeschriebene Dividenden und andere Anrechte aus den zu übertragenden Beteiligungspapieren grundsätzlich dem Bieter zu. Allerdings ist die Abtretung der Rechte an den Beteiligungspapieren bei einem (aufschiebend) bedingtem Verpflichtungsgeschäft vermutungsweise ebenfalls (aufschiebend) bedingt661. Dieser praxisnahen Ansicht folgend, verbleibt das suspensiv bedingt abgetretene Recht beim Verfügenden und kann während schwebender Bedingung nicht geltend gemacht werden662. Daher verbleiben auch Dividenden und andere aus den Beteiligungspapieren entstehende Rechte während der Schwebezeit beim Veräusserer. Die genannte Problematik betrifft indes nur den Nutzen am „Kaufobjekt“. Für die Gefahrtragung bleibt es bei der Regelung von Art. 185 Abs. 3 OR, auch wenn das Kaufobjekt vor Eintritt der Bedingung dem Käufer übergeben wird663. Die für Kaufangebote praktisch kaum relevante Gefahr des zufälligen Untergangs des Kaufobjektes geht somit erst bei Bedingungseintritt über. e. Ende der Schwebezeit Die Schwebezeit mit der hier beschriebenen Rechtslage kann aus Gründen der Rechtssicherheit nicht auf unbestimmte Dauer bestehen; sie muss ein Ende finden. Dies bedeutet, dass über Eintritt oder Ausfall von Bedingungen nach Ablauf einer gewissen Zeit Gewissheit bestehen muss. Fehlt die Vereinbarung eines Termins, bis zu dem die vereinbarte Bedingung eingetreten bzw. definitiv ausgefallen sein muss, so ist durch Auslegung beziehungsweise Ergänzung des Vertrages ein angemessener Zeitraum festzulegen, nach dessen Ablauf der Schwebezustand ein definitives Ende findet664. Da Kaufangebote auf die Durchführung einer Transaktion ausgerichtet sind, wird die Schwebezeit nie allzu lange andauern und die Anwendung der genannten Grundsätze kaum je vonnöten sein. Art. 14 Abs. 6 UEV verlangt zudem, dass das Angebot in der Regel innert 10 Börsentagen seit dem Ende der Nachfrist abgewickelt werden muss. Ausserdem wird bei Bedingungen öffentlicher Kaufangebote regelmässig eine Befristung vereinbart, zumal auch die Übernahmekommission den Bieter zu einer Befristung anhält665. Eine Befristung bedeutet entweder, dass die nicht eingetretene 661 662 663 664 665 BUCHER § 28 II./1a, S. 510 „In vorweggenommener Erfüllung getroffene Verfügungen (..) müssen ihrerseits als bedingt erachtet werden.“; VON BÜREN S. 191; vgl. VON THUR/ESCHER S. 265: „So wird bei bedingtem Kauf und sofortiger Übergabe der Sache in der Regel bedingte Übertragung des Eigentums gewollt sein.“; STAEHELIN S. 25. BUCHER, § 28 II./1b, S. 511; GUHL/KOLLER § 9 N 21: „ Bei aufschiebend bedingten Verfügungen bleibt der Verfügende Rechtsträger.“; STAEHELIN S. 25. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4134; VON THUR/ESCHER S. 274 FN 26; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 153 N 4. EHRAT, Vb zu Art. 151-157 N 19 m.H. auf BGE 95 II 527 ff. E. 2f. und BGE 72 II 35 ff. E. 2.; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4136; VON THUR/ESCHER S. 271. Empfehlung der UEK vom 15. Dezember 2000 in Sachen Ems Chemie Holding AG / Axantis Holding AG E. 2, wo die UEK eine Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Nachfrist für angemessen bzw. zulässig hielt und die Abwicklungsfrist von Art. 14 Abs. 6 UEV entsprechend verlängerte (Vgl. auch 118 Bedingung mit Erreichen des Termins automatisch als ausgefallen gilt oder dass der Bieter sich verpflichtet, bei Erreichen des Termins ohne Eintritt der Bedingung das Angebot zu widerrufen666. 3. Allgemeine Verhaltenspflichten nach Art. 13 Abs. 1 UEV a. Motiv und Geltungsbereich Das Eintreffen der Annahmeerklärungen erfolgt bei einem öffentlichen Kaufangebot zeitlich unterschiedlich. Es kann somit mit gewissen Inhabern von Beteiligungspapieren schon ein Vertrag vor Ablauf der Angebotsfrist zustande kommen, mit andern erst während der Nachfrist und mit gewissen Inhabern womöglich gar nie. Nach Art. 152 OR würden daher die Verhaltenspflichten des bedingt verpflichteten Bieters gegenüber den akzeptierenden Inhabern in Kraft gesetzt, gegenüber den anderen hingegen nicht667. Die Verhaltenspflichten des Bieters hinsichtlich des Eintritts der Bedingung können jedoch nicht aufgespalten werden. Daher statuiert Art. 13 Abs. 1 2. Satz UEV eine Verhaltenspflicht des Bieters, welche unabhängig vom Eintreffen der Annahmeerklärungen gegenüber den Empfängern des Angebotes Gültigkeit beansprucht668. In zeitlicher Hinsicht entsteht diese Verpflichtung mit Abgabe des Angebotes669, bei Voranmeldung mit Publikation der Voranmeldung, und dauert bis zum Eintritt bzw. Ausfall der entsprechenden ungewissen Tatsache. Die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verhaltenspflicht des Bieters werden nachfolgend separat erörtert670. Die Verhaltenspflicht nach Art. 13 Abs. 1 UEV gilt gemäss Wortlaut nur für aufschiebende Bedingungen. Der Bieter soll jedoch nicht davon profitieren können, wenn die Übernahmekommission es gestattet, dass eine Bedingung erst nach „Ablauf des Angebotes“ (also eine auflösende Bedingung) eintritt. Die Mitwirkungspflicht muss daher auch für auflösende Bedingungen gelten671. Es 666 667 668 669 670 671 die Empfehlung in Sachen Unaxis Holding AG /Esec Holding AG vom 3. Juli 2000 E. 3.2, wo eine Frist von 4 Monaten gewährt wurde). Im einen Fall besteht also eine Wirkung eo ipso, während im anderen Fall eine Erklärung des Bieters zu erfolgen hat. Vgl. dazu die Ausführungen zum Widerruf (§ 3 E) und zum Ausfall der Bedingung (§ 3 C.V.). Immerhin kann aber gesagt werden, die entsprechende Verhaltensregel des Bieters sei vor Eintreffen des Akzeptes eine Obliegenheit. Dieser Satz lautet wie folgt: „Falls der Anbieter aufgrund der Art der aufschiebenden Bedingungen einen Beitrag zu deren Eintritt zu leisten hat, muss der Anbieter alle ihm zumutbaren Massnahmen ergreifen, damit die Bedingungen eintreten.“ Vgl. dazu § 2 B. III. Vgl. hinten § 3 C VI. Der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 UEV müsste dazu nicht geändert werden, könnte man doch die „aufschiebende Bedingung“ im Sinne des Obligationenrechts („suspensive Bedingung“) auffassen. Art 13 UEV gilt zwar auch für resolutive Bedingungen im Sinne des OR, allerdings werden diese bei einem 119 wäre nicht einzusehen, wieso eine Mitwirkungspflicht bestünde, wenn der Entscheid einer Wettbewerbsbehörde („Bedingung“) vor Ablauf der Angebotsfrist ergeht, nicht aber, wenn dies erst nach deren Ablauf der Fall wäre. Die Verhaltenspflicht nach Art. 13 Abs. 1 UEV gilt somit grundsätzlich für alle Bedingungen. Die vom Bieter selbst massgeblich beeinflussbaren Bedingungen sind jedoch nicht zulässig und unterliegen einer separaten Rechtsfolge, weshalb auf sie hier nicht näher einzutreten ist672. b. Entstehung und Inhalt Die Verhaltenspflicht des Bieters aktualisiert sich, wenn er „aufgrund der Art der aufschiebenden Bedingung einen Beitrag zu deren Eintritt zu leisten hat“. Eine Rechtspflicht entsteht also immer dann, wenn ein tatsächliches oder rechtliches Handeln des Bieters condicio sine qua non für die Verwirklichung der zur Bedingung erhobenen ungewissen Tatsache ist. Der Ausdruck „zu leisten hat“ deutet auf die Notwendigkeit des Beitrages des Bieters zur Erfüllung der Bedingung hin673. Wenn zwar der Beitrag des Bieters nicht unbedingt notwendig ist, aber den Eintritt der Bedingung dennoch erleichtert oder beschleunigt, sollte wegen Schwierigkeiten einer Abgrenzung ex ante zwischen notwendigem und bloss nützlichem Handeln eine Mitwirkungspflicht des Bieters auch in diesen Fällen bejaht werden. Die Verhaltenspflicht des Bieters nach Art. 13 UEV erlischt, wenn das Angebot bedingungslos geworden ist oder wenn feststeht, dass eine zur Bedingung erhobenen Tatsache sich nicht realisiert und das Angebot bzw. der bereits abgeschlossene Veräusserungsvertrag hinfällig geworden ist. Sie endet somit mit Ende der Schwebezeit der Bedingung(en). Der Inhalt der Verhaltenspflicht des Bieters nach Art. 13 Abs. 1 UEV besteht darin, dass der Anbieter „alle ihm zumutbaren Massnahmen“ ergreifen muss, damit die Bedingungen eintreten. Dem Bieter wird damit zum einen eine Zielvorgabe vermittelt: der Eintritt der Bedingung674. Zum anderen wird ihm vorgegeben, wie dieses Ziel erreicht werden soll: durch Ergreifen aller zumutbaren Massnahmen. Art. 13 Abs. 1 UEV statuiert somit eine Pflicht des Bieters, aktiv auf den Eintritt der Bedingung hinzuarbeiten. Wie das Bundesgericht festgestellt hat, ist eine solche Mitwirkungspflicht im Obligationenrecht grundsätzlich nicht vorgesehen: 672 673 674 öffentlichen Kaufangebot kaum vorkommen. „Ehrlicher“ wäre es aber, Art. 13 Abs. 1 UEV analog auf auflösende Bedingungen anzuwenden. Vgl. dazu § 4 F hinten. Die Wendung „zu leisten hat“ darf nicht etwa im Sinne einer Rechtspflicht verstanden werden. Ansonsten würde die in Art. 13 Abs. 1 statuierte Verhaltenspflicht zur Leerformel verkommen („Er ist verpflichtet, wenn er verpflichtet ist“). Klarer ist die französische Version: „Lorsque la nature des conditions suspensives impose que…“ Freilich kann es je nach Ausgestaltung der Bedingung (positive/negative) auch der Ausfall der Bedingung sein, der Ziel des Verhaltens des Bieters sein soll. 120 “En effet, sauf stipulation contraire, le contractant n’a pas l’obligation de favoriser l’avènement de la condition (Staudinger/Dilcher, n. 1 § 162 BGB); la bonne foi n’éxige pas qu’il sacrifie ses propres intérêts à cette fin (Von Thur/Escher, Allg. Teil OR, p. 273; Secrétan, op.cit. p. 361).“675 Allerdings dürfte diese Feststellung des Bundesgerichts zu pauschal ausgefallen sein. Sie ist denn auch nicht unwidersprochen geblieben676. So kann auch der Grundsatz von Treu und Glauben im Einzelfall – neben einer vertraglichen und gesetzlichen Grundlage – eine Mitwirkungspflicht beim Bedingungseintritt begründen677. Es ist aber angesichts der unsicheren Rechtslage im Obligationenrecht zu begrüssen, dass eine explizite Mitwirkungspflicht des Bieters Eingang in den Verordnungstext der Übernahmekommission gefunden hat. c. Zumutbarkeit der Massnahmen Die Intensität dieser Pflicht wird mit dem Wort „zumutbar“ umschrieben. Der Bieter muss alle ihm zumutbaren Massnahmen ergreifen. TSCHÄNI/OERTLE verweisen auf weitere Fundstellen des Begriffes „zumutbar“ im Obligationenrecht (bzw. der relevanten Praxis und Lehre dazu) insbesondere im Miet- und Arbeitsrecht und wollen diese – trotz zugegebener Uneinheitlichkeit – als Orientierungshilfe verwenden678. In der französischen Version von Art. 13 UEV ist allerdings davon die Rede, dass der Bieter „toutes les mesures raisonnables“ zu ergreifen habe. Man sollte sich daher nicht zu sehr an das Wort „zumutbar“ klammern und dessen Bedeutung in anderen Normen erforschen, sondern eine eigenständige, der Übernahmesituation angepasste, Konkretisierung der Intensität dieser Verhaltenspflicht vornehmen. Dabei ist mit TSCHÄNI/OERTLE davon auszugehen, dass die Anforderungen an den Bieter bezüglich Mitwirkungspflicht hoch sind679. Die Adressaten des Angebotes haben zum Teil durch Ausfüllen der Annahme- und Abtretungserklärung schon verfügt, bevor die Bedingung eingetreten ist und bedürfen daher besonderen Schutzes. Zudem kann der Bieter sein Verhalten durch entsprechende Ausgestaltung der oder Verknüpfung mit Bedingungen selbst steuern. Daher wird man vom Bieter verlangen können, dass er den zum Eintritt der Bedingungen erforderlichen Aufwand an den Interessen der Angebotsadressaten ausrichtet und im Einzelfall auch eine – aus seiner Sicht – unökonomische Anstrengung unternimmt. Angesichts der Verschiedenartigkeit 675 676 677 678 679 BGE vom 16.11.1987 (SJ 1988 S. 159); vgl. BGE vom 17.5.1994 (SJZ 91 (1995) S. 157). Vgl. GUTMANS S. 120/121, der mehrere Fallkonstellationen unterscheidet. GUTMANS S. 118ff. mit zahlreichen Beispielen aus der deutschen Rechtsprechung; vgl. auch KOLLER N 1788 mit Kommentar zu ZWR 20 (1986) S. 225ff. (Rechtsbedingung). TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 28 BEHG N 8 mit Hinweis auf Art. 257f., 259b, 260, 264, 266g und 337 OR sowie Art. 18 und 119 OR. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 28 N 8. 121 der betroffenen Bedingungen sollte man allerdings mit der Festlegung von generellen Kriterien zurückhaltend sein. IV. Rechtslage bei Bedingungseintritt 1. Vor und ohne Annahmeerklärung Wenn die Bedingung eintritt und keine weiteren Bedingungen mehr pendent sind, wird der bedingte Antrag zu einem unbedingten. An der Bindungswirkung des Antrages ändert sich dadurch indessen nichts; der Vertragsschluss wird also nicht tangiert. Allerdings wird der Bieter im Fall des Eintritts der gestellten Bedingung680, also zum Beispiel des Eintreffens einer ausreichenden Zahl an Annahmeerklärungen, eine Nachfrist setzen, während der der vom Bieter gestellte Antrag erneut angenommen werden kann681. Der Eintritt der Bedingung hat jedoch keine Auswirkungen auf die Annahmefähigkeit des Antrages. Denn bedingt ist, wie erwähnt, die Wirkung des Antrages, die intendierte Umgestaltung der Rechtslage, und nicht dessen Bindungswirkung bzw. Annahmefähigkeit. Der Antrag ist auch bei Eintritt der Bedingung immer noch in der vom Bieter gesetzten Frist bzw. Nachfrist annehmbar. Bei Ablauf dieser Fristen verliert er jedoch seine Annahmefähigkeit. Das Eintreffen der Annahmeerklärung innert Frist bewirkt sowohl vor als auch nach Bedingungseintritt das Zustandekommen eines Vertrages. 2. Nach Annahmeerklärung Nach Eintreffen der Annahmeerklärung beim Bieter bzw. dessen Vertretern ist ein Veräusserungsvertrag zwischen dem Bieter und den Inhabern von Beteiligungspapieren zustande gekommen, dessen Hauptleistungen mangels Eintritt eines gemeinsam definierten Umstandes noch nicht gefordert werden können. Bei Eintritt aller Bedingungen wird nun der Vertrag ipso iure „wirksam“682, ohne dass es einer Erklärung einer der Parteien oder irgend eines Wissens- oder Willensaktes bedürfte683. Der Vertrag hat die Wirkungen eines unbedingt geschlos680 681 682 683 Sofern die Bedingung vor Ablauf der Annahmefrist eintritt, sie also „aufschiebend“ im Sinne von Art. 13 UEV ist. Gemäss Art. 27 Abs. 2 BEHG soll eine Angebotsverlängerung generell bei Bedingungseintritt ausgelöst werden (vgl. aber Ziff. 4 hinten). Vgl. aber die Ausführungen zum Widerruf in § 3 E hinten. Vgl. BUCHER: "Diese Wirkung tritt von selbst (ipso iure) ein und hängt nicht vom Wissen der Parteien oder einem in diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Willen ab, denn der rechtsgeschäftlich massgebende Wille wurde bereits bei Abschluss des bedingten Geschäftes geäussert" (BUCHER, § 28 III.2/a. S. 513); vgl. schon den praktischen identischen Passus bei VON THUR/ESCHER S. 274; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 151 N 9: „ohne weiteres Zutun der Parteien“; GUHL/KOLLER § 9 N 22: „von selbst“; MERZ, SPR, S. 159, der darauf hinweist, dass auch die Potestativbedingung hierzu keine Ausnahme sei. 122 senen Vertrages. Die vertraglichen Leistungen werden, sofern fällig, grundsätzlich durchsetzbar und können auch gegen den Willen der anderen Partei eingeklagt und vollstreckt werden684. Der Bieter hat Anspruch auf Übertragung der veräusserten Beteiligungspapiere und der Veräusserer kann die Gutschrift des Kaufpreises oder die Übertragung zum Tausch angebotener Wertschriften geltend machen. Gemäss Art. 152 Abs. 2 OR soll für die "Wirkungen" des unbedingten Geschäftes - derjenige Zeitpunkt massgebend sein, in dem die Bedingung in Erfüllung geht, sofern nicht auf eine andere Absicht der Parteien geschlossen werden muss. Es gilt somit der Grundsatz der Nichtrückwirkung. Zinsen, Dividenden und andere Früchte verbleiben daher grundsätzlich bei den veräussernden Inhabern von Wertpapieren, wenn sie nach Vertragsabschluss aber vor Bedingungseintritt fällig geworden sind685. Wie bereits erwähnt kann der Gläubiger in Abweichung davon nach Art 153 Abs. 1 OR zwar den "inzwischen bezogenen Nutzen" behalten, wenn ihm die versprochene Sache vor Eintritt der Bedingung übergeben worden ist, doch dürfte diese Rechtsfolge wie gesehen aufgrund der lediglich (suspensiv) bedingten Abtretung der Rechte an den Beteiligungspapieren gerade nicht eintreten686. 3. Wann ist eine Bedingung als erfüllt anzusehen? Den Eintritt oder Ausfall einer Suspensivbedingung – bei ansonsten unbestrittenermassen bedingten Vertrag - hat diejenige Partei zu beweisen, die daraus Ansprüche geltend macht687. Daraus wird man schliessen können, dass der klagende Gläubiger den Eintritt der Suspensivbedingung zu beweisen hat688. Die Erfüllung der Bedingung ist als rechtsbegründende Tatsache grundsätzlich von den Inhabern der Beteiligungspapiere zu beweisen, wenn sie daraus Rechte wie beispielsweise die Zahlung des Kaufpreises ableiten wollen. Verlangt der Bieter hingegen die Übertragung der Aktien, hat er den Eintritt der Bedingung zu beweisen. Wann eine Suspensivbedingung als erfüllt anzusehen ist, lässt sich aber nur im Einzelfall nach dem Willen der Parteien und aufgrund der näheren vertraglichen Umschreibung der ungewissen Tatsache bestimmen689. Da beim Übernahmeangebot der Bieter die Bedingungen stipuliert und der betreffende Prospekt allge684 685 686 687 688 689 Vorausgesetzt ist freilich, dass die Natur des Anspruches einer Durchsetzung realiter nicht entgegen steht. Vgl. BUCHER § 28 III 2/a. bb. ("..nur fordern, was ihm seit Bedingungseintritt zusteht."); EHRAT, Art. 151 OR N 10 mit dem Hinweis, dass der Zinsenlauf erst mit Erfüllung der Bedingung beginne und Verzug vor Eintritt der Bedingung begrifflich nicht möglich sei. Vgl. vorn § 3 C III 2d. BUCHER, § 28 III / 1, S. 513; VON THUR/ESCHER S. 271. GUHL/KOLLER § 9 N 14; VON THUR/ESCHER S. 271 und wohl auch BUCHER § 28 III/1a S. 513; a.A. EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 20; Vgl. dazu auch die nachfolgenden Ausführungen in Ziff. V. 1. GUHL/KOLLER § 9 N 22. 123 meine Geschäftsbedingungen enthält, wird man eine Unklarheit der Formulierung bezüglich des Bedingungseintritts zulasten des Bieters auslegen müssen (interpretatio contra stipulatorem). Wenn der Bieter unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet oder sich einen gewissen Ermessensspielraum zugesteht, in dem er das Zustandekommen des Angebotes seiner Erklärung vorbehält, wird man diesen Spielraum respektieren müssen, soweit sich dieses Ermessen in einem engen, klar abgesteckten Rahmen abspielt und kein Missbrauch vorliegt. Wenn zum Beispiel die Genehmigung bzw. Freistellung des Übernahmevorhabens „ohne wesentliche Auflagen oder Bedingungen“ durch eine Wettbewerbsbehörde zur Bedingung erhoben wird, kann man dem Bieter ein gewisses Ermessen bei der Beurteilung der Frage, ob eine „wesentliche Auflage oder Bedingung“ vorliegt, kaum absprechen690. Schwierig zu beantworten ist jedoch die Frage, wo dieses Ermessen seine Grenzen findet, oder mit anderen Worten, wann eine Überschreitung oder ein Missbrauch des Ermessens auf seiten des Bieters vorliegt und was die entsprechenden Rechtsfolgen sind. Auf Aspekte dieser Problematik wird daher später zurückzukommen sein691. Der Eintritt der Bedingung hat bis zum Ablauf der vom Bieter gesetzten Frist zu erfolgen, falls er, was praktisch immer der Fall ist, eine Befristung der Bedingungen seines Angebots vorgenommen hat. Hat der Bieter eine Bedingung als aufschiebend bezeichnet, wird in der Regel eine Befristung in dem Sinne vorliegen, dass die Bedingung bis am Ende der – allenfalls verlängerten – Angebotsfrist eingetreten sein muss692, ansonsten sie als ausgefallen gilt oder vom Bieter als ausgefallen zu erklären ist. Auf das Problem der Befristung durch die Kennzeichnung von Bedingungen als aufschiebend oder auflösend wird jedoch im Zusammenhang mit dem Ausfall der Bedingung noch einzugehen sein693. An dieser Stelle sei lediglich festgehalten, dass die Bedingung grundsätzlich innert der vom Bieter gesetzten Frist einzutreten hat, es sei denn, der Bieter habe gültig eine Verlängerungsoption stipuliert. 690 691 692 693 Die Übernahmekommission neigt allerdings der Ansicht zu, dass derart unbestimmte Begriffe problematisch seien und fordert klare, in Zahlen ausgedrückte Schwellenwerte dafür, was der Bieter als „wesentlich“ usw. ansieht (vgl. § 4 F. hinten). Vgl. § 4 F hinten. Oft ist indessen ein Wortlaut in den Angebotsprospekten zu finden, wonach gewisse Bedingungen nach Ablauf der allenfalls verlängerten Angebotsfrist als auflösend zu gelten hätten. In diesem Fall liegt keine Terminierung auf Ablauf der Angebotsfrist vor. Vgl. Ziff. V. hinten. 124 4. Verlängerung des Angebotes oder Erstreckung des Vollzugs Nach Art. 27 Abs. 2 BEHG muss der Bieter die Angebotsfrist für diejenigen Inhaber von Aktien und anderen Beteiligungspapieren verlängern, die bisher das Angebot nicht angenommen haben, wenn die Bedingungen des Angebotes erfüllt sind. Wie aus der Botschaft zum Börsengesetz hervorgeht, sollte damit den zunächst opponierenden Adressaten ein Zurückkommen auf Ihre Entscheidung ermöglicht werden, wenn der Erfolg (das „Zustandekommen“) des Angebots feststeht694. Dies deutet darauf hin, dass mit der in Art. 27 Abs. 2 BEHG erwähnten Bedingung eine aufschiebende Bedingung oder konkret eine Minimum Limen bzw. Mindestschwellenbedingung gemeint ist. Auch die Konkretisierung dieser Bestimmung durch die Übernahmekommission in Art. 14 Abs. 5 UEV und Art. 45 UEV legt diesen Schluss nahe, da vom „Zustandekommen“ des Angebotes die Rede ist, welches wiederum bei Ablauf der Angebotsfrist bekannt ist695. Daraus wiederum lässt sich ableiten, dass die Verlängerung des Angebotes aufgrund Art. 27 Abs. 2 BEHG grundsätzlich nicht für auflösende Bedingungen vorgesehen ist, d.h. für Bedingungen, die sich erst nach Ablauf der Angebotsfrist konkretisieren. Der Bieter sollte daher nicht bei einer nach Ablauf der Nachfrist eintretenden Bedingung zu einer erneuten Nachfrist gezwungen sein696. Wie bereits erwähnt, wurde Art. 27 Abs. 2 BEHG in der Übernahmeverordnung konkretisiert697. Nach Art. 14 Abs. 4 UEV kann ein Angebot höchstens 40 Börsentage offen bleiben; bei kürzeren Angebotsfristen kann sich der Bieter im Prospekt eine Verlängerung bis auf 40 Börsentage vorbehalten. Auch eine Verlängerung über 40 Börsentage ist mit Einverständnis der Übernahmekommission 694 695 696 697 Botschaft Ziff. 25.4 S. 45 zu Art. 25 E-BEHG: „Gemäss Absatz 2 muss die Angebotsfrist immer dann verlängert werden, wenn das Angebot erfolgreich ist, d.h., wenn die Bedingungen, denen es unterstellt wurde, erfüllt sind. Mit dieser Regelung wird die freie Willensäusserung der Aktionäre sichergestellt. Sie können sich in einer ersten Phase gegen das Angebot aussprechen, wenn nach ihrer Auffassung eine bedeutende Beteiligung des Anbieters der Zielgesellschaft schaden würde. In einer zweiten Phase, wenn das Angebot dennoch zustandekommt, müssen sie die Möglichkeit haben, es anzunehmen und davon zu profitieren.“ Art. 45 UEV regelt die Nachfrist bei „Zustandekommen“ des Angebotes. Wie aus dem Zusammenhang mit Art. 43 UEV hervorgeht, ist damit das Erreichen der vom Bieter gesetzten Mindestschwelle bei Ablauf der Angebotsfrist gemeint (Vgl. auch Art. 14 Abs. 4 und 5 UEV). Allerdings ist auch bei einem unbedingten Angebot eine Nachfrist einzuräumen (Art. 14 Abs. 5 UEV). Es kann vom Bieter auch nicht erwartet werden, mit der Nachfrist bis zum Eintritt der Bedingung zuzuwarten. Dies dürfte auch kaum zulässig sein, wenn die Nachfrist ab Datum der Veröffentlichung des endgültigen Zwischenergebnisses zu laufen beginnt (Art. 45 Abs. 2 UEV; TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 27 BEHG N 4), welches seinerseits spätestens vier Börsentage nach Ablauf des Angebotes publiziert werden muss (Art. 43 Abs. 2 UEV). Insofern kann man sich fragen, ob Art. 27 Abs. 2 BEHG überhaupt noch eine eigenständige Bedeutung zukommt. 125 möglich698. Eine zusätzliche gesetzliche Verlängerung stellt die Nachfrist nach Art. 14 Abs. 5 UEV dar. Danach muss bei „Zustandekommen“ des Angebots, d.h. bei Eintritt der Minimum Limen Bedingung oder bei entsprechendem Verzicht des Bieters699, während 10 Börsentagen nach Veröffentlichung des Zwischenergebnisses das Recht zur nachträglichen Annahme eingeräumt werden. Diese Nachfrist tritt somit von Gesetzes wegen zu einer allfälligen Verlängerung der Angebotsfrist hinzu. Wie soeben geschildert muss der Bieter bei Zustandekommen des Angebots eine Nachfrist gewähren. Bei einer Befristung der Bedingung mit entsprechender Verlängerungsoption kann der Bieter die Angebotsfrist - im soeben abgesteckten Rahmen – verlängern. Eine Verlängerung der Angebotsfrist bis zum Eintritt aller – somit per definitionem zu aufschiebenden mutierten - Bedingungen ist indessen weder zulässig noch praktikabel. Der Bieter wird viel mehr bei (ex ante) als auflösend ausgestalteteten Bedingungen den Termin für den Vollzug hinausschieben wollen. Der Vollzug bzw. die Abwicklung der Vertragsleistungen hat zwar nach Art. 14 Abs. 6 UEV grundsätzlich innert 10 Börsentagen nach Ende der Nachfrist zu erfolgen, doch gewährt die Übernahmekommission bei entsprechender Befristung auflösender Bedingungen grosszügig Ausnahmen von dieser Bestimmung700. V. Rechtslage bei Bedingungsausfall 1. Wann ist eine Bedingung ausgefallen? Eine Bedingung ist ausgefallen, wenn feststeht, dass sie nicht (innert Frist) eingetreten ist701. Auch hier gelten die oben zum Eintritt der Bedingung gemachten Ausführungen mutatis mutandis702. Wie gesehen, sind die Auffassungen über die Beweislast indessen nicht einheitlich. Zu unterscheiden ist zwischen dem Beweis hinsichtlich der Frage, ob ein unbedingter oder ein bedingter Vertrag vorliegt und hinsichtlich der Frage, ob die Bedingung eingetreten oder ausgefallen ist. 698 699 700 701 702 Nach Art. 4 UEV kann die Übernahmekommission „in besonderen Fällen Ausnahmen von einzelnen Bestimmungen dieser Verordnung gewähren“. In Angebotsprospekten ist ein entsprechender Verlängerungsvorbehalt mit Zustimmung der Übernahmekommission häufig anzutreffen. Es wird hier von einem bedingten Angebot ausgegangen. Nach Art. 14 Abs. 5 UEV gibt es indessen auch bei einem unbedingten Angebot eine Nachfrist. Vgl. zum Beispiel § 4 B V. hinten. MERZ, SPR, S. 161; Bei negativer Umschreibung der Bedingung (z.B. „Vertrag gilt, falls Behörde ihn nicht untersagt“) bedeutet „Ausfall“ der Bedingung natürlich deren Eintritt (vgl. GUHL/KOLLER § 9 N 26). Wie bereits mehrfach erwähnt, wird dieser Fall der sprachlichen Vereinfachung halber nicht jedesmal aufgeführt. Insbesondere betreffend die Grundsätze der Auslegung. 126 Bei erster Frage ist nach der heute wohl herrschenden Einwendungstheorie703 diejenige Partei beweispflichtig, die das Vorhandensein einer (Suspensiv)Bedingung, d.h. die rechtshindernde Tatsache behauptet. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Vertragsschluss unbestritten oder vom Kläger bewiesen worden ist. Bei der zweiten Frage hingegen ist unbestritten oder erwiesen, dass eine Bedingung stipuliert wurde; es geht nur noch um die Frage, ob diese ausgefallen oder eingetreten ist. Dabei wird nicht der Schuldner den Ausfall704, sondern der Gläubiger den Eintritt der Bedingung zu beweisen haben705. Klagen also die Inhaber von Beteiligungspapieren (Gläubiger) den Kaufpreis ein, werden sie den Eintritt der Bedingung zu beweisen haben706. Der Bieter trägt demgegenüber die Beweislast bei einer Klage auf Übereignung bzw. Zession der Beteiligungspapiere. In der Regel ist bei öffentlichen Kaufangeboten mittels Befristung vorgesehen, dass der Eintritt oder der Ausfall der Bedingung sich innert einer bestimmten Frist entscheiden soll707. Wird beispielsweise eine Bedingung als „aufschiebend“ bezeichnet, kann man darin eine Befristung auf Ende der Angebotsfrist sehen. Die entsprechende Bedingung müsste sich dann vor Ablauf der – allenfalls verlängerten – Angebotsfrist realisieren. Ist dies nicht der Fall, so wird man dies abhängig vom konkreten Wortlaut als Ausfall der Bedingung zu deuten haben. Handelt es sich um eine mit einem Widerruf im Sinne von Art. 16 UEV verknüpfte Bedingung, wäre der Bieter an sich verpflichtet, das Angebot zu widerrufen. Er kann indessen, wenn er sich dies nach Art. 13 Abs. 3 UEV vorbehalten hat, auch auf die Bedingung verzichten und so die Unwirksamkeit des Kaufbzw. Tauschvertrages verhindern708. Falls sich der Bieter die „Umwandlung“ einer aufschiebenden Bedingung in eine auflösende vorbehalten hat, ist ein solcher Verzicht nicht nötig. Der Ablauf der Angebotsfrist ohne Eintritt der Bedingung bedeutet dann nicht automatisch den Ausfall der Bedingung, es liegt (noch) kein Fall des Widerrufs vor, womit auch das Recht auf „Verzicht“ nicht zu aktualisieren ist. 703 704 705 706 707 708 Für die Einwendungstheorie: MERZ, SPR, S. 162; GUHL/KOLLER § 9 N 14; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 151 N 14. Zur Unterscheidung zur sogenannten Leugnungstheorie vgl. MERZ, SPR, S. 161/162; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 151 N 13. Grundsätzlich gilt: Negativa non sunt probanda; vgl. aber EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 20 unter Hinweis auf BECKER, Vb zu Art. 151 N 28. GUHL/KOLLER § 9 N 14; in diesem Sinne wohl auch BUCHER § 28 III /1.a S. 513 und VON THUR/ESCHER S. 271. Den Bieter trifft aber aufgrund einer analogen Anwendung von Art. 13 UEV eine Mitwirkungspflicht betreffend die Feststellung der Tatsache des Bedingungseintritts. Dies wird z.T. auch von der UEK verlangt. Vgl. dazu die Ausführungen hinten § 4 B V. Geht man von einer eo ipso Wirkung des Bedingungsausfalls aus, so würde der „Verzicht“ dogmatisch eine „Wiederauferstehungsbefugnis“ bezüglich des Vertrages darstellen. Besser dürfte es hingegen sein, in den praktisch häufigen Fällen, wo Widerrufs- und Verzichtsmöglichkeit miteinander gekoppelt sind, von einer – wenn auch bezüglich des Inhalts beschränkten – Gestaltungswirkung dieser Erklärungen auszugehen und keine eo ipso Wirkung des Bedingungseintritts anzunehmen. Zur Dogmatik des Widerrufs und des Verzichts vgl. §3 E und F hinten. 127 2. Rechtslage vor und nach Annahmeerklärung Falls innert der vom Bieter gesetzten Angebotsfrist gar keine Annahmeerklärung erfolgt, besteht mangels Konsens gar kein Vertrag. Der Ausfall der Bedingung hat dann keine weitere Wirkung auf das Verhältnis zwischen Bieter und Angebotsempfänger. Falls eine Annahmeerklärung innert der Angebotsfrist erfolgt, die Bedingung aber ausgefallen bzw. nicht oder nicht innert Befristung eingetreten ist, kommt ebenfalls kein Vertrag zustande. Bei Ausfall der Bedingung soll sowohl nach dem Willen des Antragstellers wie auch nach demjenigen des Annehmenden die Rechtslage beim status quo ante belassen werden. Die Parteien streben keine gegenseitige Verpflichtung und Berechtigung, keine Umgestaltung der Rechtslage mehr an. Es fehlt ihnen am Rechtsfolgewillen, weshalb ihre Erklärungen, obwohl gleichlautend, keinen Vertrag zustande bringen vermögen709. Falls Antrag und Annahme bereits ausgetauscht wurden, besteht ein Vertragsverhältnis710. Der Ausfall der Bedingung bewirkt dann die oft erwähnte, aber kaum umschriebene „Unwirksamkeit“ des Vertrages711. Nach KOLLER äussern sich die Folgen des Nichteintretens einer Bedingung und der diesem Nichteintritt gleichgestellten Tatbestände dann darin, dass „das Schuldverhältnis dahinfällt und dass sich die Parteien so gegenüberstehen, als ob dieses Schuldverhältnis zwischen ihnen niemals bestanden hätte“712. Dieser Aussage kann man sich zwar im Grundsatz anschliessen713. Die Wendung „niemals bestanden hätte“ bedeutet aber, dass ein Schadenersatz aus Verletzung vertraglicher Nebenpflichten wie Aufklärungs- und Schutzpflichten nicht möglich sein soll, obwohl zwischen den Parteien vom Zugang der Annahmeerklärung bis zum Ausfall der Bedingung ein Vertragsverhältnis bestanden hat. Eine solche Rechtsfolge wäre aber insbesondere dann nicht angebracht, wenn eine Pflicht einer Partei bestanden hat, auf den Eintritt der Bedingung hinzuwirken, und diese Pflicht verletzt wird. In diesen Fällen kann es die Rechtsordnung nicht einfach so halten, wie wenn ein Schuldverhältnis niemals bestanden hätte714. 709 710 711 712 713 714 Vgl. § 2 C.III. 3. Dies ist vergleichbar mit einer „agree to disagree“ Situation. Ibidem. Vgl. z.B. BGE 95 II 528. GUHL/KOLLER § 9 N 28; vgl. auch GAUCH/SCHLUEP/REY N 4125: „Wird nach Abschluss des Geschäftes gewiss, dass die Bedingung sich nicht mehr verwirklichen kann (Ausfall der Bedingung....), ist es so zu halten, als wären sich die Parteien nie gegenübergestanden, als hätte somit auch nie ein rechtliches Band zwischen ihnen bestanden (...). Bei dieser Ausgangslage hat die eine Partei zurückzuerstatten, was sie von der anderen im Hinblick auf den Eintritt der Bedingung erhalten hat (Art. 153 Abs. 2 OR). Es handelt sich dabei um einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung im Sinne von Art. 62ff. OR (EHRAT, Basler Kommentar, Art. 153 OR N 6). Vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen. 128 VI. Verletzung von Verhaltenspflichten durch den Bieter 1. Verhinderung des Bedingungseintritts durch Bieter Der Bedingungseintritt kann vom Bieter auf verschiedene Weise beeinträchtigt werden. Einerseits ist denkbar, dass er durch aktives Handeln den Eintritt der Bedingung zu vereiteln sucht, andererseits ist eine Vereitelung bzw. Nichtförderung des Bedingungseintritts auch durch blosses Unterlassen möglich. Vorausgesetzt ist dabei immer, dass der Bieter auf Eintritt bzw. Nichteintritt der Bedingungen einen gewisse Einflussmöglichkeit besitzt. Dies ist sicherlich dann der Fall, wenn der Bieter gemäss Art. 13 UEV "aufgrund der Art der aufschiebenden Bedingungen einen Beitrag zu deren Eintritt zu leisten hat"715. Falls der Bieter diesen Beitrag unterlässt, verletzt er die in dieser Bestimmung statuierte positive Leistungspflicht. Als Beispiel sei der Fall erwähnt, dass ein Bieter sich nicht um die erforderlichen staatlichen Genehmigungen für den Vollzug der Übernahme kümmert. Er verletzt dadurch seine Pflicht zur Mitwirkung nach Art. 13 UEV. Als Beispiel für eine Verhinderung des Bedingungseintritts durch aktives Handeln des Bieters kann die Einflussnahme auf staatliche Entscheidungsträger bei erforderlichen Genehmigungen erwähnt werden. Art. 13 UEV ist dahingehend zu verstehen, dass der Bieter nicht nur alles zum Bedingungseintritt zu leisten hat, sondern auch alle den Eintritt der Bedingung möglicherweise vereitelnden Handlungen zu unterlassen hat716. Zugegebenermassen wird jedoch der Fall, wo der Bieter das von ihm initiierte Übernahmevorhaben durch Vereitelung des Bedingungseintritts zu „sabottieren“ versucht, nur selten auftreten. Unerheblich ist im übrigen, ob der Bieter den Eintritt einer potestativen oder kasuellen Bedingung verhindert hat. Sofern man natürlich die kasuelle Bedingung als "jeglicher Einflussnahme durch den Bieter entzogen" versteht, ist die Verhinderung des Bedingungseintritts durch den Bieter per definitionem nicht möglich. Allerdings ist kaum je eine bei einem Übernahmeangebot angebrachte Bedingung in diesem Sinne "kasuell"717. Zumeist ist auch bei vorwiegend drittbestimmtem Bedingungseintritt eine Beeinflussung durch den Bieter möglich, wie zum Beispiel im oben geschilderten Fall der behördlichen Genehmigung. 2. Rechtsfolgen nach BEHG und UEV? Der Fall einer Verhinderung des Eintritts der Bedingung oder der Verletzung der Mitwirkungspflicht zu deren Eintritt wird im BEHG und seinen Verordnungen nicht explizit geregelt. Das Angebot kann zwar bei Verstoss gegen die Bestimmungen des BEHG und seiner Verordnungen durch die Aufsichtsbehörde „un715 716 717 Vgl. dazu die Ausführungen vorn § 3 C. III 3. Diese Pflicht ergibt sich im übrigen auch bereits aus Art. 2 ZGB. Vgl. dazu die Begriffsbestimmungen vorn § 2 C I 3. 129 tersagt“ werden, was gemäss Art. 26 BEHG ein Rücktrittsrecht der Veräusserer begründet718. Diese Sanktion ist jedoch für den erwähnten Tatbestand wenig sinnvoll. Fällt die Bedingung als Resultat der Massnahmen oder Unterlassungen des Bieters aus, wird der Vertrag aufgehoben bzw. kann nicht mehr in Kraft treten, womit eine „Untersagung des Angebotes“ und ein „Rücktrittsrecht“ keine Daseinsberechtigung mehr haben. Im Falle der Verletzung der Mitwirkungspflicht nach Art. 13 UEV oder sonstiger treuwidriger Vereitelung des Bedingungseintritts durch den Bieter kommen die erwähnten Rechtsfolgen den Interessen der Empfänger ohnehin nicht entgegen. Denn das Interesse der Angebotsadressaten719 richtet sich auf die Erfüllung des durch das Angebot begründeten Vertrages und Realisation der in der Regel gewährten Prämie. Aus dem Gesagten drängt sich der Schluss auf, dass das BEHG und seine Verordnungen die Frage der Rechtsfolge einer Verletzung von Verhaltenspflichten hinsichtlich des Eintritts von Bedingungen nicht oder zumindest nicht adäquat regelt und daher lückenhaft ist. 3. Anwendbarkeit von Art. 156 OR? Angesichts der fehlenden Regelung im Börsengesetz stellt sich die Frage, ob die Folgen der Vereitelung eines Bedingungseintritts oder der Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Erfüllungsfiktion nach Art. 156 OR komplementiert und so komplettiert werden können. Wenn eine Partei den Eintritt der Bedingung wider Treu und Glauben verhindert hat, gilt die entsprechende Bedingung nach Art. 156 OR als erfüllt. Diese Bestimmung ist eine Ausprägung des allgemeinen Prinzips des Rechtsmissbrauchsverbotes720. Der Bedingungseintritt wird in diesem Fall durch die in Art. 156 OR stipulierte Vermutung fingiert721. Die Art. 156 anrufende Partei hat das treuwidrige Verhalten des Bieters und den Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und dem Ausfall der Bedingung nachzuweisen722. Problematisch kann der Nachweis des Kausalzusammenhangs dann werden, wenn der Bieter behauptet, die Bedingung sei auch bei seiner gehörigen Mitwirkung ausgefallen. Die Anwendbarkeit von Art. 156 OR setzt hingegen nicht voraus, dass die Partei, die wider Treu und Glauben den 718 719 720 721 722 Vgl. zur Problematik dieser Rechtsfolge hinten § 6 C. Jedenfalls derer, die das Angebot angenommen haben. Bei Ablehnung des Angebotes durch die Adressaten, d.h. bei Nichterreichen des (zulässigen) Minimum Limen, stellt sich das geschilderte Problem gar nicht. MERZ, SPR, S. 164. Es geht um den Grundsatz, dass niemand aus seinem eigenen unredlichen Verhalten einen Vorteil ziehen soll: Nemo auditur turpitudinem propriam allegans. Vgl. dazu allgemein ALEXANDER GUTMANS, Die Regel der „Erfüllungs- bzw. Nichterfüllungsfiktion“ im Recht der Bedingung (Art. 156 OR), Diss. Basel 1995. EHRAT, Basler Kommentar, Art. 156 N 5. 130 Eintritt einer aufschiebenden Bedingung verhindert, in dieser Absicht handelt723. Eine Schädigungsabsicht oder ein irgendwie gearteter Vorsatz ist daher nicht nachzuweisen. Die Anwendung von Art. 156 OR ist auch bei Potestativbedingungen nicht ausgeschlossen, vor allem dann, wenn der bezüglich des Schicksals der Bedingung Entscheidungsberechtigte die ihm zustehende Entschlussfreiheit missbraucht hat724. Art. 156 OR kann somit auch dann anwendbar sein, wenn eine Verpflichtung zur Mitwirkung hinsichtlich des Eintritts der Bedingung besteht, wie sie in Art. 13 UEV begründet wird, diese Verpflichtung treuwidrig verletzt wird und dies den Ausfall der Bedingung zur Folge hat. In einem solchen Fall würde die Bedingung aufgrund von Art. 156 OR dennoch als eingetreten betrachtet725. Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, die gesetzliche Fiktion nach Art. 156 sei für den Berechtigten vorteilhafter als beispielsweise ein Schadenersatzanspruch nach Art. 97ff. OR oder 41ff. OR, da er den Nachweis eines Schadens nicht zu erbringen hätte726. Nach der hier vertretenen Ansicht wird ein Anspruch auf Schadenersatz durch Art. 156 OR nicht ausgeschlossen. Art. 156 OR schreibt nicht eine Erfüllung des Vertrages realiter vor, sondern fingiert lediglich die Erfüllung der Bedingung, womit die Ansprüche aus dem Vertrag zu unbedingten werden. Falls die Erfüllung des Vertrages durch Vereitelung des Bedingungseintritts unmöglich geworden ist, kann ohnehin keine Realerfüllung mehr verlangt werden. Die berechtigte Partei kann dann dank der Fiktion von Art. 156 OR Schadenersatzansprüche aus Art. 97ff. OR geltend machen727. 723 724 725 726 727 BGE 109 II 22 mit zahlreichen Hinweisen; BUCHER § 28 III/1.a), S. 513 FN 40; SCHWENZER N 13.06; EHRAT, Art. 156 N 6; vgl. auch BGE 113 II 36 E. 2b. Eingehend dazu unter Berufung auf das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens und der Vertrauenshaftung GUTMANS, S. 143ff. und S. 227; vgl. BGE 113 II 35f. und SCHWENZER N 13.05; a.A. BUCHER §28 III / 1.a), S. 513 FN 40: "Die Anwendung dieser Regel beschränkt sich damit auf kasuelle Bedingungen und Potestativbedingungen, deren Eintritt vom Gegner des den Bedingungseintritt primär Beeinflussenden verhindert wird". Wie GUTMANS darlegt, führen die Rechtsfolgen von Art. 156 OR aber nicht in jedem Fall zu einem angemessenen Ergebnis (GUTMANS S. 220). Die von ihm aufgeführten Beispiele betreffen den Kauf mit Genehmigungsvorbehalt, wobei die Genehmigung durch die Gegenpartei vereitelt wird. In diesen Fällen von reinen Potestativbedingungen kann aber auch von einem zweistufigen Vertragsschluss ausgegangen werden, so dass bis zur Genehmigung keine vertragliche Bindung vorliegt und sich die Inadäquanz der Rechtsfolgen von Art. 156 OR wieder relativiert. EHRAT, Basler Kommentar, Art. 156 N 9 unter Hinweis auf VON THUR/ESCHER S. 273, die allerdings nur Schadenersatz aufgrund von Art. 41 Abs. 2 erwähnen. Skeptisch GUTMANS S. 220 mit Beispielen, wo die Anwendbarkeit von Art. 156 OR zu unbefriedigenden Ergebnissen führt; nach GAUCH/SCHLUEP/SCHMID können andere Folgen angemessener sein (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 4150). In der bundesgerichtlichen Praxis ist, soweit ersichtlich, allerdings noch kein derartiger Fall vorgekommen. Doch hätten beispielsweise die Kläger in BGE 113 II 31ff. anstatt Realerfüllung durch Verlängerung des Mietverhältnisses aufgrund einer vereitelten „Verlängerungsoption“ auch Schadenersatz verlangen können bzw. müssen, wenn eine Verlängerung nicht mehr möglich gewesen wäre. Die spärliche Gerichtspraxis mag auch der Grund sein, weshalb sich das Schrifttum, soweit ersichtlich, nicht explizit zum Verhältnis von Art. 97 und Art. 156 OR äussert. 131 Wie erwähnt bedeutet die Anwendung von Art. 156 OR nicht, dass das Angebot trotz Nicht-eintritt einer vom Bieter als erforderlich bezeichneten Bedingung vollzogen werden müsste. Diese Rechtsfolge hätte unüberbrückbare Widersprüche zur Folge. Wenn der Bieter beispielsweise durch mangelhafte Gesuchsabfassung die Untersagung des Zusammenschlusses durch Wettbewerbsbehörden (mit-)verursacht, kann eine Durchführung des Angebotes gestützt auf Art. 156 OR nicht ernstlich verlangt werden. Allgemein kann gesagt werden, dass die meisten vom Bieter stipulierten Bedingungen bei deren Ausfall bzw. Nichteintritt den Vollzug des Übernahmeangebotes entweder objektiv oder subjektiv verunmöglichen. Eine Verpflichtung zur Realerfüllung kann in diesen Fällen nicht durchgesetzt werden. Das Interesse der Inhaber von Beteiligungspapieren richtet sich in diesem Fall auf die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen. Um diese jedoch geltend zu machen, müssten sie die Kausalität zwischen der Handlung des Bieters und dem Ausfall der Bedingungen nachweisen können. Dieser Nachweis wird im Normalfall nur schwer zu erbringen sein. 4. Schadenersatz nach Art. 97 OR Bei Nichteintritt bzw. Ausfall der Bedingung können die Inhaber von Beteiligungspapieren die vom Bieter in der Regel in Aussicht gestellt Prämie728 nicht realisieren. Ausserdem erleiden sie durch die geplatzten Übernahmephantasien oft Kursverluste. Ihnen ist daran gelegen, für den entgangenen Gewinn wie auch für die eingetretenen Kursverluste entschädigt zu werden. Um zu klären, ob den Inhabern von Beteiligungspapieren allenfalls Schadenersatzansprüche nach Art. 97 OR zustehen, ist zunächst das Vorliegen einer Vertragsverletzung zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist selbstverständlich ein gültiger Vertragsschluss. Dies bedeutet, dass sich nur diejenigen Inhaber von Beteiligungspapieren überhaupt auf Art. 97 OR stützen könne, welche innert der allenfalls verlängerten Angebotsfrist eine Annahmeerklärung abgegeben haben. Eine "Verletzung" des mittels Übernahmeangebot angebahnten Kauf- oder Tauschvertrages liegt bei Unterlassung oder Verhinderung des Bedingungseintritts durch den Bieter nur dann vor, wenn eine entsprechende Pflicht des Bieters besteht, auf den Eintritt hinzuwirken bzw. keine für den Eintritt der Bedingung nachteiligen Massnahmen zu ergreifen. Diese Pflicht kann sich aus dem Übernahmevertrag oder auch aus Treu und Glauben ergeben729. Sie ergibt sich zudem bei jedem dem BEHG unterstehenden Angebot nach Art. 13 UEV730731. Verletzt der Bieter die in Art. 13 728 729 730 Differenz zwischen dem Angebotspreis für die Beteiligungspapiere und dem Börsenkurs der Beteiligungspapiere im Zeitpunkt der Publikation des Angebotes bzw. der Voranmeldung. Vgl. vorn § 4 C III. 3. Damit ist zugleich gesagt, dass Art. 13 UEV eine sogenannte Doppelnorm darstellt. Sie begründet nicht nur Pflichten im öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Bieter und den Aufsichtsbehörden, sondern wird - jedenfalls soweit das BEHG anwendbar ist - auch Bestandteil der zwischen Bieter und Angebotsadressat abgeschlossenen Vertrages und weist somit auch eine privatrechtliche Komponente auf. 132 UEV statuierten Mitwirkungspflichten oder daraus abzuleitenden Integritätsoder Unterlassungspflichten, so verletzt er damit auch den Übernahmevertrag. Allerdings wird der Bieter nur dann schadenersatzpflichtig, wenn die Angebotsadressaten nachweisen können, dass der Ausfall der Bedingung durch diese Vertragsverletzung verursacht worden ist732. Falls dieser Kausalzusammenhang gegeben ist, wird der Vertrag bei Ausfall der Bedingung nicht einfach aufgehoben, sondern aufgrund der Fiktion von Art. 156 OR als wirksam bzw. unbedingt gültig angesehen. Die Angebotsadressaten können dann bei vom Bieter zu vertretener Unmöglichkeit der Vertragserfüllung Schadenersatz nach Art. 97 OR verlangen oder nach den Regeln des Verzugs (Art. 102ff. OR) vorgehen. D. Die Rechtslage beim resolutiv bedingten öffentlichen Kaufangebot Das resolutiv bedingte Geschäft wird bereits bei Vertragsschluss wirksam733. Diese "Wirksamkeit" bedeutet, dass die vertraglichen Hauptpflichten sofort gefordert werden können bzw. geleistet werden müssen734. Bei einem öffentlichen Kaufangebot würde dies bedeuten, dass die Angebotsempfänger ihre Beteiligungspapiere nach Akzept übereignen müssen735 und der Bieter den Kaufpreis zu entrichten bzw. die als Entgelt offerierten Effekten zu übertragen hat. Der Kaufresp. Tauschvertrag würde somit bereits vollzogen, aber bei Eintritt der Bedingung wieder aufgehoben736. 731 732 733 734 735 736 Vgl. zur Rechtsnatur der übernahmerechtlichen Bestimmungen des Börsengesetzes § 1 C II. 4. Dieser Nachweis kann insbesondere dann schwierig sein, wenn der Nichteintritt der Bedingung nicht monokausal stattgefunden hat, was wohl relativ häufig der Fall sein wird. BUCHER, § 28 II / 2., S. 512; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4137; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 154 N 5; Von THUR/ESCHER S. 257 und S. 269; vgl. auch GUHL/KOLLER § 9 N 29 und MERZ, SPR, S. 162, wonach das Rechtsverhältnis vor Eintritt der Bedingung „weitgehend wie ein unbedingtes“ zu behandeln sei. So wohl auch BUCHER, § 28 II / 2., S. 512; VON THUR/ESCHER S. 269; GUHL/KOLLER § 9 N 30; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 154 N 5; MERZ, SPR, S. 162. Die Inhaber der Beteiligungspapiere unterzeichnen in der Regel eine sogenannte "Annahme- und Abtretungserklärung". In dieser Erklärung, verbunden mit der Unterzeichnung derselben, kann bereits eine Zession der Beteiligungspapiere erblickt werden. Daher könnte man die Auffassung vertreten, die dem Angebot angefügten Bedingungen seien resolutiv und der Übernahmevertrag sei bereits wirksam. Allerdings handelt es sich nach der hier vertretenen Ansicht um aufschiebend bedingte Zessionen bzw. Übertragungen, bei denen das Recht am Beteiligungspapier beim Abtretenden verbleibt (vgl. GUHL/KOLLER § 9 N 21; BUCHER § 28 II./1.b, S. 511; VON THUR/ESCHER S. 266). Ausserdem erfolgt die Gutschrift des Kaufpreises oder Überweisung der als Entgelt erhaltenen Beteiligungspapiere, d.h. die vertragliche Gegenleistung noch nicht zu diesem Zeitpunkt und kann auch (noch) nicht eingeklagt werden. All dies spricht gegen die resolutive Natur des bedingten Übernahmevertrages. Vgl. MERZ, SPR, S. 163: „Mit dem Eintritt einer Resolutivbedingung verliert das bedingte Schuldverhältnis (Miete, Arbeitsvertrag) seine Wirksamkeit, erlischt die bedingt begründete Einzelobligation (..). Diese Rechtsfolge tritt von Gesetzes wegen und mit dinglicher Wirkung ein, ohne dass es einer Willensäusserung der Parteien bedürfte, ja sogar ohne ihr Wissen (Art. 154 OR).“ Vgl. auch BUCHER § 28 III./ 2.b), S. 514; VON THUR/ESCHER S. 275f.; EHRAT, Basler Kommentar, Art. 154 N 133 Eine auflösende Bedingung im Sinne von Art. 13 Abs. 4 der Übernahmeverordnung zeichnet sich demgegenüber dadurch aus, dass der Bedingungseintritt erst nach Ablauf der Angebotsfrist stattfindet. Wie bereits andernorts dargelegt, dient die von Art. 13 UEV gemachte Unterscheidung zwischen auflösenden und aufschiebenden Bedingungen primär der Frage der Zulässigkeit einer Bedingung737, hat daneben zwar noch eine gewisse Bedeutung für die Befristung von Bedingungen, aber dichotomisiert die Rechtslage nicht grundlegend und wurde daher auch nicht als primäres Einteilungskriterium verwendet. Diese Ehre blieb den Resolutivbedingungen im Sinne obligationenrechtlicher Terminologie vorbehalten. Vertragsrechtlich werden aber auch die auflösenden Bedingungen im Sinne von Art. 13 Abs. 4 praktisch immer als Suspensivbedingungen im Sinne von Art. 151 OR ausgestaltet738. In der Tat ist es weder für den Bieter noch für die Inhaber von Beteiligungspapieren sinnvoll, den Übernahmevertrag zu vollziehen, wenn ungewiss ist, ob der Austausch der Leistungen in kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht werden muss. Ausserdem ist ein Vollzug vor kartellrechtlicher Genehmigung, d.h. vor Eintritt der Bedingung, nach dem Wettbewerbsrecht der meisten Staaten untersagt. Der Resolutivbedingung kommt beim öffentlichen Kaufangebot daher praktisch keine Bedeutung zu. Es ist lediglich von theoretischem Interesse, was sich auch angesichts der vereinfachten Abwicklungsmöglichkeiten im Wertschriftengeschäft in Zukunft kaum ändern wird. Die Beschreibung der Rechtslage des resolutiv bedingten Kaufangebotes kann sich daher auf die oben gemachten Ausführungen beschränken739. E. Der „Widerruf“ nach Art. 16 UEV I. Regelungsgehalt Während Art. 28 lit. c. BEHG die UEK ermächtigt, Bestimmungen über „die Bedingungen, denen ein Angebot unterworfen werden kann“, zu erlassen, findet sich die gesetzliche Grundlage für Normen betreffend Widerruf eines Angebotes in Art. 28 lit. e. BEHG. Danach kann die Übernahmekommission inter alia zusätzliche Bestimmungen über „ …die Bedingungen des Widerrufs und der Abänderungen des Angebots sowie die Rücktrittsfrist für den Verkäufer“ erlassen. Sie hat dies in Art. 16 UEV wie folgt getan: 737 738 739 6; GUHL/KOLLER § 9 N 32; GAUCH/SCHLUEP/REY N 4137, die allerdings in N 4138 von einem vertraglichen Rückabwicklungsverhältnis sprechen; ebenso PIOTET, ZSR 1988 I, S. 368ff. Vgl. vorn § 3 B III. A.A. offenbar TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 28 BEHG N 18, welche auf Art. 154 OR verweisen. Diese Autoren gehen aber offenbar von der identischen Bedeutung einer Resolutivbedingung im Sinne von Art. 154 OR und einer auflösenden Bedingung im Sinne von Art. 13 Abs. 4 UEV aus, was nach der hier vertretenen Ansicht nicht der Fall ist. Es sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt, dass die resolutiven Bedingungen im Sinne des OR und die auflösenden Bedingungen im Sinne von Art. 13 Abs. 4 UEV strikte auseinanderzuhalten zu sind. 134 Art. 16 Widerruf eines Angebotes (Art. 28 Bst. e BEHG) Ein bereits veröffentlichtes Angebot kann widerrufen werden, wenn der Anbieter sich diese Möglichkeit ausdrücklich durch eine oder mehrere Bedingungen nach Art. 13 im Angebot vorbehalten hat. Art. 16 UEV realisiert eine nicht unproblematische Kombination zweier gegensätzlicher Institute, der Willenserklärung in Form des Widerrufs und der ipso iure wirkenden740 Auflösung des Vertrages durch Ausfall741 der Bedingung. Falls der Widerruf nach Art. 16 UEV noch rechtsgestaltende Wirkung haben soll, kann die mit ihm verbundene Bedingung nicht ipso iure wirksam sein. Falls die Bedingung umgekehrt ipso iure wirksam ist, kommt einer späteren „Willenserklärung“ in Form eines Widerrufs keine Gestaltungswirkung mehr zu. Die Materialien legen den Schluss nahe, dass sich die Schöpfer von Art. 16 UEV dieser rechtsdogmatischen Problematik nicht bewusst waren. In den Erläuterungen zur Übernahmeverordnung ist vielmehr vom praktischen Nutzen des Widerrufs die Rede. Dabei wird klargestellt, dass sich der Bieter im Fall eines unfreundlichen Übernahmeangebotes den Widerruf vorbehalten kann, falls die Zielgesellschaft Abwehrmassnahmen ergreift742. Ferner wird erläutert, weshalb im Gegensatz zum Kodex kein „gesetzliches“ Rücktrittsrecht im Fall von Abwehrmassnahmen vorgesehen ist743. Weitere Einblicke sind den Erläuterungen der UEK nicht zu entnehmen. II. Bedeutung des „Widerrufs“ in Art. 16 UEV Der Terminus „Widerruf“ wird in der Regel im Zusammenhang mit der Rücknahme des Antrages zum Vertragsschluss verwendet. Ein Widerruf in diesem Sinn ist nach Auffassung der Lehre solange zulässig als keine wirksame Annahme erfolgt ist744. Diese relativ enge Auslegung in zeitlicher Hinsicht wird jedoch dem Widerruf nach Art. 16 UEV nicht gerecht. Es ist offensichtlich, dass ein Widerruf im Sinne dieser Bestimmung auch nach Abgabe und Empfang der Annahmeerklärung noch zulässig sein muss745, ansonsten wäre Art. 16 UEV 740 741 742 743 744 745 Der Vertrag wird ohne Wissen und Willen der Parteien aufgelöst (vgl. dazu § 3 IV.2). Oder allenfalls Eintritt bei entsprechender Formulierung der Bedingung. Erläuterungen der Übernahmekommission vom 22. Februar 1996 zum Entwurf der Verordnung über öffentliche Kaufangebote, S. 47 Rz 74 (zu Art. 45 E-UEV, der inhaltlich Art. 16 UEV entspricht). Ibidem. Nach Ansicht der UEK ist es einerseits Sache des Bieters, eine klare und präzise Bedingung in das Angebot aufzunehmen, andererseits ist es schwierig, eine allgemeine Definition von „Abwehrmassnahmen“ aufzustellen. Vgl. dazu die Ausführungen vorn § 2 C III.2. Wie bereits in § 2 C III.2. erwähnt, wird bei Haustürgeschäften nach Art. 40e OR ein Widerruf auch nach Vertragsschluss anerkannt. Besser wäre es freilich, hier von einem gesetzlichen Rücktrittsrecht zu sprechen. 135 weitgehend sinnlos746. Ein „Widerruf“ nach Vertragsschluss stellt jedoch nichts anderes als ein einseitiges vertragliches Rücktrittsrecht dar. Der Antragsteller behält sich die Abgabe einer rechtsgestaltenden Willenserklärung vor, wodurch der Vertrag aufgelöst werden kann. Dieses einseitige Rücktrittsrecht nach Ermessen des Antragstellers kann als Wollensbedingung nicht unbedenklich sein. Dem Bieter würde es erlauben, willkürlich bei jedem Sinneswandel oder jeder Änderung der Umstände auf seine bereits veröffentlichte Willenserklärung zurückzukommen747. Die Gesetz- und Verordnungsgeber hielten dies in Befürchtung unseriöser Angebote748 für nicht wünschenswert. Art. 16 UEV stellt daher für die Ausgestaltung des Widerrufs- bzw. Rücktrittsrecht des Bieters klare Grenzen auf. III. Zulässigkeit des Widerrufs Der Widerruf bzw. die „Rücknahme“ des Angebotes749 durch entsprechende Erklärung des Bieters ist nur dann gestattet, wenn sich der Bieter diese Möglichkeit durch eine oder mehrere Bedingungen nach Art. 13 UEV ausdrücklich vorbehalten hat. Der Vorbehalt hat „ausdrücklich“ zu erfolgen, weshalb eine entsprechende Publikation im Prospekt und gegebenenfalls in der Voranmeldung notwendig, aber auch hinreichend ist. Bedeutender als die formellen Voraussetzungen an einen gültigen Widerruf eines Angebotes sind jedoch die dafür notwendigen inhaltlichen Anforderungen. In dieser Hinsicht verweist Art. 16 UEV auf die Regelung über die Zulässigkeit der Bedingungen in Art. 13 UEV. Art. 13 UEV wiederum statuiert den Grundsatz, dass das Angebot prinzipiell nur an „aufschiebende“ Bedingungen geknüpft werden dürfe, welche der Bieter nicht selbst massgeblich beeinflussen könne750. Der Widerruf eines Angebotes entspringt indessen dem Willensentschluss des Bieters und ist daher sehr wohl ein Umstand, der von ihm zu beeinflussen ist. Allerdings soll diese Beeinflussbarkeit durch den Verweis auf Art. 13 UEV gerade verringert werden. Eine Regelung zulässiger Bedingungen für öffentliche Kaufangebote wäre weitgehend sinnlos, wenn der Bieter nach Abgabe des Angebotes nach seinem Belieben über dessen Durchführung oder Rückzug entscheiden könnte. Art. 16 UEV bezweckt daher, das Ermessen des Bieters über die Durchführung des Angebotes so gering 746 747 748 749 750 Interessant ist, dass Art. 16 UEV vom Widerruf des Angebots spricht, also eine einheitliche Behandlung des Phänomens „Angebot“ trotz Vorliegen einer Vielzahl vertraglicher Beziehungen vorsieht. Diese im übernahmerechtlichen Kontext oft anzutreffende Einheitsfiktion spricht ebenfalls für die Zulässigkeit des Widerrufs nach Eingang des Akzeptes. Vgl. auch BERNET S. 191. Vgl. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 28 BEHG N 18. Gemeint sind immer die einzelnen Anträge bzw. Willenserklärungen gegenüber den Angebotsempfängern. Art. 13 Abs. 1 (1. Satz) UEV. 136 wie möglich zu halten und den Vollzug des Angebotes von objektivierten, nachvollziehbaren und interessengerechten Kriterien abhängig zu machen. Der Entscheid des Bieters über Widerruf oder Durchführung des Angebotes ist aufgrund von Art. 16 UEV weitgehend fremdbestimmt. Ein Widerruf kommt nur dann in Frage, wenn eine nach Art. 13 UEV zulässige, vom Bieter gestellte Bedingung nicht eingetreten ist. Damit werden die Fälle des zulässigen Widerrufs durch die Übernahmeverordnung geregelt und von der Übernahmekommission sanktioniert. Das Ermessen des Bieters ist relativ weitgehend751 ausgeschaltet. Insofern kann man sich fragen, ob der Widerruf nach Art. 16 UEV überhaupt eine Willenserklärung, und nicht lediglich eine Wissenserklärung darstellt. In letzterem Fall obläge es dem Bieter dann nur noch, die Tatsache des Bedingungsausfalls oder –eintritts der Öffentlichkeit kundzutun. Der eingangs erwähnte Widerspruch zwischen gestaltender Willenserklärung und eo ipso Wirkung des Bedingungsausfalls in Art. 16 UEV tritt hier wieder offen zutage. Der Widerspruch ist wohl so zu lösen, dass man dem Terminus „Widerruf“ in grammatikalischer Auslegung seine Bedeutung als gestaltende Willenserklärung zuerkennt und den in Art. 16 UEV erwähnten Bedingungen eo ipso Wirkung aberkennt. Auch teleologische Erwägungen sprechen für diese Lösung. Art. 16 UEV sollte wohl kaum die blosse Kundgabe des Bedingungsausfalls durch den Bieter regeln, sondern festlegen, unter welchen Voraussetzungen der Bieter von seinem Angebot wieder Abstand nehmen kann. Dabei war es wohl kaum die Absicht, die Wirkung dieser Abstandserklärung an sich zu beseitigen. Mit anderen Worten sollte die Widerrufserklärung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässig752, aber dennoch wirksam sein753. Eine andere Auslegung dürfte die ohnehin schwächliche Existenzberechtigung von Art. 16 UEV754 noch mehr gefährden. 751 752 753 754 Namentlich bei der Auslegung der von Bieter gesetzten Bedingungen wird man ihm jedoch ein Ermessensspielraum verbleiben. Allerdings geht die Übernahmekommission dazu über, mittels verbindlicher Schwellenwerte dieses Ermessen weitgehend auszuschalten, was sicherlich hinsichtlich Transparenz zu begrüssen ist, aber angesichts der Auslegung contra stipulatorem für die Angebotsempfänger nicht immer vorteilhaft sein muss. Allerdings ist einzuräumen, dass diese Auslegung grundsätzlich gerichtlich (und nicht durch die UEK) geltend zu machen ist, wobei sich dem Angebotsempfänger erhebliche Hindernisse in den Weg stellen. Einschränkungen der Zulässigkeit ergeben sich im übrigen auch aus dem Wesen des „Widerrufs“ als Gestaltungserklärung. So darf der Widerruf selbst grundsätzlich nicht bedingt oder widerruflich sein. Allerdings bestehen nach richtiger Ansicht Ausnahmen von diesem Grundsatz, wenn beim Erklärungsempfänger keine ungebührliche Unsicherheit über die Rechtslage besteht (vgl. § 2 C II. 3.). Auch ein Vergleich mit dem nachfolgend erwähnten „gesetzlichen“ Widerruf nach Art. 51 UEV legt diesen Schluss nahe. Bei dieser Bestimmung dürfte klar sein, dass das Vorliegen eines konkurrierenden Angebots lediglich die Voraussetzung für das Widerrufsrecht schafft, das Recht selbst aber noch ausgeübt werden muss. Man kann sich fragen, ob Art. 16 UEV überhaupt nötig ist, wenn bereits Art. 13 Abs. 1 UEV massgeblich beeinflussbare Bedingungen verbietet. Ein einseitiges Rücktrittsrecht durch „Widerruf“ ist eine solche massgeblich beeinflussbare Bedingung (reine Potestativbedingung). Das Institut des Wi- 137 Die Qualifikation des Widerrufs als Willenserklärung bedeutet aber, dass der Bieter nebst einem gewissen Ermessen in der Würdigung des Eintritts oder Ausfalls der entsprechenden Bedingungen, auch den Zeitpunkt der Eintritts der Wirkungen seiner Erklärung (Unwirksamkeit des Angebots) in der Hand hat. Um hier Missbräuche, namentlich das Ausnützen von Insiderinformationen oder eine Umgehung der Regeln über Zulässigkeit von Bedingungen, zu vermeiden, muss die Widerrufserklärung zeitnah erfolgen, d.h. der zeitliche Abstand zwischen Bekanntwerden des Ausfalls und Widerruf muss so kurz wie nur möglich sein. Der Bieter darf somit das Angebot nur widerrufen, wenn eine von ihm gesetzte, zulässige Bedingung ausgefallen ist. Ein Widerruf trotz Eintritt aller vom Bieter für den Vollzug des Angebotes gemachten Bedingungen wäre nicht statthaft. Da Art. 16 UEV als funktional privatrechtliche Norm nach der hier vertretenen Auffassung direkte Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen Bieter und Angebotsadressaten hat755, wäre ein solcher Widerruf bzw. Rücktritt vom Vertrag obligationenrechtlich unbeachtlich. Die Inhaber von Beteiligungspapieren könnten gegen den Bieter auf Bezahlung des Kaufpreises bzw. Übereignung der zum Tausch angebotenen Effekten klagen. IV. Anwendbarkeit auf das Pflichtangebot Die Börsenverordnung der EBK, welche die obligatorischen Angebote nach Art. 32 BEHG regelt, enthält keine Art. 16 UEV vergleichbare Bestimmung. Der Widerruf eines Pflichtangebotes ist in den börsengesetzlichen Erlassen gar nicht ausdrücklich geregelt. Daraus könnte geschlossen werden, dass mangels einer Bestimmung in der BEHV-EBK als lex specialis die allgemeinen Regeln über das öffentliche Kaufangebot nach der Übernahmeverordnung anwendbar seien. Da die Börsenverordnung der EBK jedoch ein eigenständiges Regime für die Zulässigkeit der Bedingungen beim Pflichtangebot aufstellt, ist eine direkte Anwendbarkeit von Art. 16 UEV wegen des Verweises auf Art. 13 UEV nicht möglich. Es ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb Art. 16 UEV nicht analog auch bei Pflichtangeboten anwendbar sein kann. Die Bestimmung ist allerdings insofern anzupassen, als der Verweis auf Art. 13 UEV durch einen Verweis auf Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK ergänzt756 wird. Ein Widerruf bzw. Rücktritt ist beim Pflichtangebot somit nur statthaft, wenn sich der Bieter dies durch Anfügen einer nach BEHV-EBK zulässigen Bedingung ausdrücklich vorbehalten hat. 755 756 derrufs ist allerdings insofern nützlich, als eine gewisse Flexibilität (Willenserklärung nach Ermessensentscheid) in die ansonsten harsche „eo ipso Welt“ der Bedingungen eingeführt wird. Vgl. vorn § 1 C II.4. Der Verweis auf Art. 13 UEV wird dadurch nicht aufgehoben, da Art. 13 UEV grundsätzlich auch bei Pflichtangeboten anwendbar ist. 138 V. Der Widerruf bei konkurrierenden Angeboten In Art. 51 UEV wird festgelegt, dass ein vorangehendes Angebot bei Abgabe eines konkurrierenden Angebotes widerrufen oder geändert werden kann757. Da dieser Widerruf nach Art. 51 UEV nur wenige Berührungspunkte mit der Regelung der Bedingungen aufweist, wird er hier lediglich kursorisch erwähnt. Es handelt sich bei dem in Art. 51 UEV geregelten Institut um ein gesetzliches, nicht ein vertraglich ausbedungenes Widerrufs- bzw. Rücktrittsrecht. Um wirksam zu sein, ist der Widerruf spätestens am fünften Börsentag vor Ablauf der – allenfalls durch das konkurrierende Angebot verlängerten758 - Angebotsfrist veröffentlicht werden759. Eine weitere Einschränkung ergibt sich daraus, dass Art. 51 UEV nach Ansicht der Übernahmekommission implizit verlangt, dass das konkurrierende Angebot für die Angebotsadressaten vorteilhafter sein muss als das vorangehende760. Eine Rücknahme des Angebots kann demnach nicht auf Art. 51 UEV gestützt werden, wenn das konkurrierende Angebot, was kaum vorkommen wird, für die Adressaten weniger vorteilhaft ist. Auch die Inhaber von Beteiligungspapieren können in Abweichung von vertragsrechtlichen Prinzipien ihre Annahmeerklärungen bis zum Ablauf des vorangehenden Angebotes widerrufen761. Der Grund liegt darin, dass die Angebotsempfänger bei konkurrierenden Angeboten in der Lage sein sollten, frei entscheiden zu können, welches Angebot sie letzlich annehmen wollen762. Die detaillierten Regelungen von Art. 47 bis Art. 51 UEV dienen der Sicherstellung dieses Ziels. F. Der Verzicht auf Bedingungen I. Wesen Der Verzicht auf Bedingungen ist gewissermassen das inverse Korrelat zum Widerruf nach Art. 16 UEV. Während der Widerruf gestützt auf den Ausfall einer Bedingung den Vertrag bzw. das Angebot aufhebt, bewirkt der Verzicht auf die 757 758 759 760 761 762 Vgl. schon die Botschaft S. 48 Ziff. 25.7; TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 30 BEHG N 11 m.w.H.; DAENIKER S. 205; BERNET S. 308f.; vgl. auch MEIER-SCHATZ, Öffentliche Kaufangebote, S. 122. Nach Art. 50 Abs. 1 wird die Angebotsfrist eines vorangehenden Angebots durch den späteren Ablauf der Angebotsfrist eines konkurrierenden Angebots bis zu dessen Ablauf verlängert. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 30 BEHG N 11; Der Verordnungstext selbst spricht lediglich von „ändern“ oder „widerrufen“. Um wirksam zu sein, müssen diese Handlungen jedoch öffentlich kundgegeben werden. Empfehlung der UEK vom 8. Dezember 2000 in Sachen Model / Axantis Holding AG. Art. 50 Abs. 2 UEV. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 30 BEHG N 1 und 3; BERNET S. 309; Vgl. auch MEIER-SCHATZ, Kaufangebote, S. 122 und die Botschaft S. 48 Ziff. 25.7. Vgl. Art. 30 Abs. 1 BEHG. 139 Bedingung die volle Wirksamkeit (Unbedingtheit) des zwischen den Angebotsadressaten und dem Bieter allenfalls schon abgeschlossenen Veräusserungsvertrages763. Dieser Verzicht des Bieters ist in Art. 13 Abs. 3 UEV vorgesehen. Diese Bestimmung statuiert kurz und prägnant, dass der Bieter sich im Angebot vorbehalten könne, auf gewisse Bedingungen zu verzichten. Der Ausdruck „Verzicht“ deutet auf die Aufgabe eines Rechtes hin. Gemeint ist damit wohl, dass der Bieter erklärt, von dem ihm angesichts des (möglichen) Ausfalls einer Bedingungen zustehenden Recht auf Unverbindlicherklärung („Widerruf“) keinen Gebrauch machen zu wollen. Diese Aussage steht allerdings unter der bei Widerruf diskutierten Prämisse der Wirkung des Ausfalls der „Bedingung“ erst durch entsprechende Willenserklärung (also nicht eo ipso)764. Denkbar ist aber auch, den „Verzicht“ lediglich als einseitige, beschränkte Vertragsänderungsbefugnis des Bieters anzusehen. Die letztere Auffassung wird gestützt durch die explizite Erwähnung der „Aufhebung von Bedingungen“ als zulässige Angebotsänderung in Art. 15 UEV. Im einen wie im anderen Fall wird der „Verzicht“ jedoch als Gestaltungserklärung aufgefasst, womit er grundsätzlich als unwiderruflich und bedingungsfeindlich zu gelten hat765. II. Zulässigkeit Der Verzicht auf Bedingungen ist nach Art. 13 Abs. 3 UEV nur zulässig, wenn sich der Bieter dies im Angebot vorbehalten hat. Im Schrifttum wird gar gefordert, der Bieter müsse sich das Verzichtsrecht ausdrücklich im Angebotsprospekt vorbehalten766. Angesichts der Tatsache, dass es beim Verzicht in den meisten Fällen darum geht, einen von den Inhabern von Beteiligungspapieren bereits angenommenen und damit gewollten Vertrag durchzuführen, erstaunt dies ein wenig. In der Tat liegt ein Verzicht auf Bedingungen im allgemeinen im Interesse der Mehrheit der Angebotsadressaten, da sie meist eine Prämie realisieren können. Eine Unterlassung des Angebots könnte mangels Konkurrenzofferte wegen fehlender „Übernahmephantasien“ auch zu Kurseinbussen führen. Angesichts dieses Umstände stellt sich die Frage, ob Gutes nicht auch intransparent getan werden kann, d.h. ob auch ohne entsprechenden Vorbehalt „im Angebot“ ein Verzicht auf Bedingungen erklärt werden kann. Geht man davon aus, dass die meisten Bedingungen einseitig zugunsten des Bieters abgefasst sind, indem sie 763 764 765 766 Dies gilt natürlich nur, soweit nicht noch andere Bedingungen pendent sind. Auch hier stellt sich die beim Widerruf geschilderte Problematik der Vereinbarkeit von eo ipso Wirkung des Bedingungsausfalls und Willenserklärung mutatis mutandis. Geht man von eo ipso Wirkung des Bedingungsausfalls aus, so würde der Verzicht nach Art. 13 Abs. 3 ein „Wiederaufleben“ eines u.U. bereits aufgehobenen Vertrages bedeuten. -Vgl. vorn § 2 C II.3. zur (grundsätzlichen) Bedingungsfeindlichkeit von Gestaltungsrechten. Im vorliegenden Fall kommt erschwerend hinzu, dass der „Widerruf“ des Verzichts nach Art. 13 Abs. 4 die Inhaber von Beteiligungspapieren in der Regel schlechter stellt, womit allenfalls Art. 15 UEV betreffend die Anforderungen an eine zulässige Angebotsänderung verletzt sein könnte. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 28 BEHG N 9. 140 ihm bei Erschwernissen einen Ausstieg aus seiner Übernahme erlauben, ihn also einseitig begünstigen, so kann nach KOLLER die durch die Bedingung begünstigte Partei den Vollzug des Geschäftes im Obligationenrecht auch verlangen, falls die Bedingung nicht eintritt767. In Anbetracht dessen könnte dann vom Erfordernis des ausdrücklichen Vorbehalts für einen Verzicht dann abgewichen werden, wenn die Bedingung nur zugunsten des Bieters stipuliert worden ist und der Verzicht für die Anleger vorteilhaft ist, was bei Durchführung des Angebots in der Regel der Fall ist768. Dieser Befund wird bestätigt durch Art. 15 UEV769, der davon ausgeht, dass eine „Aufhebung von Bedingungen“ durch den Bieter sich generell zugunsten der Empfänger auswirkt. In der Praxis der Übernahmekommission ist allerdings die Zulässigkeit eines „Verzichts“ auf eine Bedingung von geringer Relevanz. Dennoch ist Art. 13 Abs. 3 UEV von einiger Bedeutung. Dies ergibt sich daraus, dass die UEK die Zulässigkeit gewisser Bedingungen danach beurteilt, ob die Wahrscheinlichkeit von deren Eintreten so gering ist, dass das Angebot nur durch einen „Verzicht“ des Bieters auf diese Bedingung zustande kommen kann770. G. Bedingte Angebotsänderung Nach Art. 15 Abs. 1 UEV darf ein veröffentlichtes Kaufangebot geändert werden, wenn sich dies gesamthaft gesehen zugunsten der Angebotsempfänger auswirkt. Als Beispiele werden in dieser Bestimmung die Erhöhung des Angebotspreises oder die Aufhebung von Bedingungen genannt. Obligationenrechtlich handelt es sich dabei im Prinzip um einen neuen Antrag zum Vertragsschluss, sofern sich der Bieter keine einseitige Vertragsänderungsbefugnis im Angebot ausbedungen hat. Man kann sich allerdings fragen, ob nicht Art. 15 Abs. 1 UEV eine gesetzliche Vertrags- bzw. „Antrags“änderungsbefugnis des Bieters statuiert. Dies würde Unklarheiten betreffend der Bindung der Angebotsadressaten an ihr schon abgegebenes Akzept beseitigen, indem die Bindung nach wie vor bestünde, aber nicht zu den ursprünglichen Angebotskonditionen, sondern zu denjenigen nach Angebotsänderung. Auch für die technische Abwicklung der Übernahme wäre dies von Vorteil. Ungeachtet dieser eher dogma- 767 768 769 770 GUHL/KOLLER § 9 N 17; vgl. BGE 95 II 522f. E 5, wonach ein solcher Verzicht auf die Bedingung einem Kaufsrecht gleichkomme. Im konkreten Fall lehnte das Bundesgericht ein solches Recht allerdings ab. Allerdings ist ein solches „Recht auf Verzicht der Bedingung“ oder auf „Verbindlicherklärung trotz Bedingungsausfalls“ bei fehlender vertraglicher Vereinbarung schuldrechtsdogmatisch nicht zu begründen. Es kann aber aus Art. 15 Abs. 1 UEV (vgl. nachfolgende Fussnote) als „gesetzliches“ Vertragsänderungsrecht hergeleitet werden. Art. 15 Abs. 1 UEV lautet wie folgt: “Ein veröffentlichtes Angebot kann nur geändert werden, wenn sich dies gesamthaft gesehen zugunsten der Empfänger auswirkt (z.B. Erhöhung des Angebotspreises, Aufhebung von Bedingungen)“. Vgl. hinten § 4 F VI. 141 tischen Problematik, deren vertiefte Erörterung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, kann sich das praktische Problem stellen, dass der Bieter eine an sich zulässige Verbesserung des Angebotes mit Bedingungen verknüpft. So kann er beispielsweise versucht sein, eine Angebotserhöhung mit dem Zugang zu Informationen über die Zielgesellschaft zu verknüpfen771. Strenggenommen handelt es sich dabei nach den gängigen Definitionen allerdings nicht um eine Bedingung, da hier nicht die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer unbestimmten Tatsache abhängt772. Es geht mit anderen Worten nicht um einen ungerechtfertigten Ausstieg des Bieters, weshalb solche „Bedingungen“ unter erleichterten Voraussetzungen zulässig und nach der hier vertretenen Auffassung nicht durch Art. 13 UEV erfasst sind. Es gelten indessen die in § 4 nachfolgend erörterten obligationenrechtlichen sowie die allgemeinen börsenrechtlichen Grundsätze über die Zulässigkeit von Bedingungen analog. Diese erleichterten Voraussetzung führen m.E. zur Zulässigkeit von bedingten Angebotsänderungen, wonach der Verwaltungsrat dem Bieter beispielsweise Zugang zu Informationen („Due Diligence“) zu gewähren oder eine Eintragung im Aktienregister vorzunehmen hat773. In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass die entsprechende „Bedingung“ bis zum Ablauf des Angebotes eingetreten sein muss, ansonsten die Vertragsänderung nicht mehr wirksam wird774. 771 772 773 774 Der umgekehrte Fall der bedingten Angebotspreisherabsetzung dürfte schon aufgrund Art. 15 Abs. 1 UEV nicht zulässig sein. Vor Unterbreitung des Angebots ist jedoch eine solche (sachlich gerechtfertigte) Herabsetzung aufgrund einer Due Diligence Untersuchung möglich, auch wenn bereits eine Voranmeldung publiziert wurde (vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. a UEV). Die konkrete Ausgestaltung dieser Anpassung und der vom Bieter verlangte Nachweis an die „sachliche Rechtfertigung“ sind sind jedoch zur Zeit noch unklar. Vgl. vorn § 2 C. I. 1. Es ist hier lediglich ein Parameter des Vertrages, der „bedingt“ ist. Vgl. dazu § 4 G. III. 2. mit Hinweisen zu den Schranken der Zulässigkeit von Bedingungen, die mit dem Handeln des Verwaltungsrates verknüpft sind. Vgl. Art. 15 Abs. 3 UEV. Art. 15 Abs. 4 UEV sieht eine Angebotsverlängerung vor, wenn eine Änderung weniger als 10 Börsentage vor Ablauf der Angebotsfrist veröffentlicht wird. 142 § 4 Die Zulässigkeit von Bedingungen beim öffentlichen Kaufangebot im allgemeinen A. Der Grundsatz der Bedingungsfreundlichkeit Das Schweizerische Obligationenrecht steht unter dem Grundsatz der Privatautonomie bzw. der Vertragsfreiheit. Einen Ausfluss dieser Vertragsfreiheit stellen die sogenannte Typenfreiheit und die Inhaltsfreiheit dar. Dies bedeutet zum einen, dass die Parteien bei der Ausgestaltung ihrer Rechtsgeschäfte nicht auf einen geschlossenen Kreis zulässiger Geschäfte beschränkt sind, sondern grundsätzliche Wahl- und Gestaltungsfreiheit haben, zum anderen können die Parteien den Inhalt des Vertrages beliebig bestimmen775. Angewandt auf den Regelungsbereich der Bedingungen bedeutet der Grundsatz der Vertragsfreiheit bzw. Privatautonomie die grundsätzliche Bedingungsfreundlichkeit zumindest der schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte776. Dies bedeutet, dass Verträge, aber auch einseitige Rechtsgeschäfte im Bereich des Schuldrechtes von Bedingungen abhängig gemacht werden können777. Damit kann auch der Antrag zum Vertragsschluss selbst, ungeachtet dessen rechtlicher Qualifikation778, mit Bedingungen versehen werden. Dies gilt grundsätzlich auch für den Antrag zum Vertragschluss im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebotes. Das Prinzip der Bedingungsfreundlichkeit muss allerdings zahlreiche Ausnahmen erdulden. Namentlich das Postulat der Rechtssicherheit, aber auch andere Erwägungen, machen Bedingungen in gewissen Fällen unzulässig779. Diese Ausnahmen ergeben sich zum einen aus Regeln des Obligationenrechts und beanspruchen daher für alle vertragsrechtlichen Geschäfte Gültigkeit, also auch für Verträge aufgrund öffentlicher Kaufangebote. Die Bestimmungen des Börsengesetzes bzw. seiner Verordnungen stellen zum andern ein Spezialregime für die Zulässigkeit von Bedingungen auf, das im Anschluss an die allgemeinen Regeln über die Zulässigkeit von Bedingungen dargestellt wird. 775 776 777 778 779 Statt vieler SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allg. Teil, Bern 1998 N. 26.19. Vorausgesetzt ist freilich, dass der Vertrag keinen widerrechtlichen oder unsittlichen Inhalt aufweist. GUTMANS, S. 14. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4109; BUCHER, S. 78. Vgl. dazu § 2 C III.1. Auf die Zulässigkeit von bedingten Rechtsgeschäften ausserhalb des Obligationenrechtes (Familienrecht, Sachenrecht etc.) wird nachfolgend nicht mehr eingegangen. Vgl. dazu den kurzen Überblick in § 2 C II 3. 143 B. Allgemeine Einschränkungen I. Einschränkungen aus Art 19 Abs. 2 OR Art. 19 OR stipuliert das Prinzip der Inhaltsfreiheit von Verträgen, legt aber gleichzeitig die Schranken dieses Prinzips in Abs. 2 fest. Danach sind von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Vereinbarungen nur zulässig, wenn das Gesetz nicht eine „unabänderliche Vorschrift aufstellt oder die Abweichung nicht einen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten oder gegen das Recht der Persönlichkeit in sich schliesst“. Die Rechtsfolgen eines Verstosses gegen die so definierten Schranken der Inhaltsfreiheit sind in Art. 20 OR festgelegt. Diese Rechtsfolgen und deren Anwendbarkeit auf öffentliche Kaufangebote werden jedoch erst in § 6 zu erörtern sein. Es geht hier lediglich um den zulässigen Inhalt von vertraglichen Vereinbarungen im allgemeinen und von Bedingungen im besonderen. Art. 19 OR ist zwar direkt nur auf Verträge anwendbar, doch kommt diese Bestimmung (analog) auch auf einseitige Rechtsgeschäfte zur Anwendbarkeit780. Damit ist Art 19 OR ungeachtet der strittigen Rechtsnatur des Antrages781 zum Vertragsschluss grundsätzlich auch auf öffentliche Kaufangebote anwendbar. Die Generalnorm von Art. 19 OR verweist jedoch für die Einschränkung der inhaltlichen Ausgestaltungsfreiheit auf die zwingenden gesetzlichen Vorschriften sowie die öffentliche Ordnung, schränkt also die Bedingungsfreiheit nicht selbst ein. Die Schranken der Zulässigkeit von Bedingungen sind demnach in anderen privat- und öffentlich-rechtlichen Normen zu suchen. Solche Normen können durchaus auch im Gesellschaftsrecht zu finden sein. Damit hätte es im Fall Multipapiers / Baumgartner wohl keines Rückgriffs auf den börsenrechtlichen Grundsatz der Lauterkeit bedurft, um zur „Widerrechtlichkeit“ einer die Statuten der Zielgesellschaft (nach Ansicht der Übernahmekommission) verletzenden Bedingung zu gelangen782. II. Art 157 OR als Verbotsnorm Art. 157 OR betrifft den Fall, wo ein widerrechtliches oder unsittliches Verhalten zur Bedingung eines Anspruchs gemacht wird. Verpönt sind nach dieser Bestimmung Bedingungen, die mit der öffentlichen Rechtsordnung wegen ihres Inhaltes oder ihres Zweckes in Widerspruch stehen, indem sie eine der öffentlichen 780 781 782 KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 OR, N 9. Der Antrag wird entweder als einseitiges Rechtsgeschäft oder als Bestandteil des Vertrages ohne Rechtsgeschäftscharakter angesehen (vgl. hinten § 2 C III. 1.). Vgl. die Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 2. 144 Rechtsordnung widersprechende Handlung befördern sollen783. Dabei ist nicht die Bedingung allein zu würdigen, sondern auch die Verbindung, welche sie mit dem bedingt Versprochenen eingeht784. Genannt wird oft das Beispiel, dass eine Belohnung versprochen wird, wenn der Vertragspartner jemanden tötet785. Dieser Fall zeigt anschaulich die Problematik des Anwendungsbereichs von Art. 157 OR. Bei einem synallagmatischen Vertrag ist jede Leistung im Prinzip durch die Erfüllung der Gegenleistung bedingt, doch wird die Widerrechtlichkeit einer solchen Vertragsleistung bereits durch Art. 19/20 OR sanktioniert. Wo also die verpönte „Bedingung“ sich gemäss Auslegung des Parteiwillens als Gegenleistung zur Leistung des Vertragsgegners manifestiert, bleibt für die Anwendbarkeit von Art. 157 OR kein Raum mehr786. Nicht überraschend ist ein Teil der Lehre daher der Ansicht, dass der Regelungsgehalt von Art. 157 OR bereits durch Art. 20 OR abgedeckt sei787. Die überwiegende Lehrmeinung ist jedoch anderer Ansicht. Sie hält Art. 157 zwar für einen Ausfluss von Art. 20 OR, doch gehe Art. 157 OR über den Regelungsgehalt von Art. 20 OR hinaus, indem nicht ein widerrechtlicher Inhalt eines Rechtsverhältnisses verlangt sei, sondern die indirekte Beförderung eines widerrechtlichen Verhaltens bereits genüge788. Gemäss dem Wortlaut von Art. 157 OR sind von dieser Bestimmung jene Bedingungen erfasst, die in der Absicht beigefügt worden sind, eine widerrechtliche oder unsittliche Handlung zu befördern789. Es erscheint fraglich, inwiefern eine Bedingung eine widerrechtliche oder unsittliche Handlung zu „befördern“ imstande ist. Es ist vielmehr das Versprechen einer Belohnung für den Fall des 783 784 785 786 787 788 789 BECKER, Berner Kommentar Art. 157 N 2. Als häufigsten Anwendungsfall von Art. 157 OR nennt dieser Autor den Fall des Versprechens einer Vermögensleistung unter der Bedingung, dass ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten stattfinde. SCHWENZER nennt als Beispiel das Versprechen einer Schenkung, falls der Beschenkte eine Straftat begeht (SCHWENZER N 11.12). VON BÜREN, S. 195. KELLER / SCHÖBI, Bd. 1, S. 106. Dies dürfte gerade auch bei den oft zitierten Beispielen bedingter Schenkungen in aller Regel der Fall sein. So ist ein „Schenkungsversprechen unter der Bedingung, dass der Vertragspartner ein Verlöbnis bricht“ (vgl. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4120) wohl kein Schenkungsversprechen, sondern synallagmatischer Vertrag mit dem Verlöbnisbruch als vertraglicher Gegenleistung; vgl. auch BECKER, Berner Kommentar (1917), Art. 157 N 3 in fine. PETER, S. 218: „Auch die Bedingung selbst kann widerrechtlich oder unsittlich sein; der allfällige Anspruch ist dann ebenfalls nichtig, was Art. 157 OR, dem Art. 20 OR folgend, für das Bedingungsrecht wiederholt.“ Was Art. 157 OR sagt, ergebe sich bereits aus Art. 20 OR (FN 93). GAUCH/SCHLUEP/REY N 4120: „Art. 157 will (ergänzend) eine Umgehung der (Nichtigkeits-) Norm [Anm. Der Verfassers: gemeint ist Art. 20 OR] verhindern: auch der blosse Anreiz zur Begehung der verpönten Handlung wird vermieden, in dem das in Aussicht gestellte (an sich nicht widerrechtliche oder unsittliche) bedingte Leistungsversprechen (wie z.B. das bedingte Schenkungsversprechen) direkt für nichtig (und damit für nicht durchsetzbar) erklärt wird..“; OSER / SCHÖNENBERGER, Art. 157 N 1; ähnlich ENGEL, S. 853 („exprime la même idée que CO 20, mais en élargit la portée..“) und wohl auch EHRAT, Basler Kommentar, Art. 157 N 1. Vgl. die französische Version („..la condition stipulée a pour objet de provoquer soit un acte, soit une omission illicite ou contraire aux moeurs, ..“) und die italienische Fassung („La condizione diretta allo scopo di promuovere un atto od una ommissione illecita o contraria ai buoni costumi..“) von Art. 157 OR. 145 Bedingungseintritts790, d.h. die Durchführung einer widerrechtlichen oder unsittlichen Handlung oder Unterlassung, welche den Eintritt dieser Bedingung und somit die Handlung oder Unterlassung zu befördern vermag. Dies vorausgesetzt kann auch gesagt werden, dass widerrechtliche Handlungen Dritter, d.h. nicht am Vertrag Beteiligter, von Art. 157 OR nicht erfasst sind. Ihre Handlungsweise wird grundsätzlich durch die Vereinbarung oder Stipulierung einer Bedingung zwischen anderen Personen nicht beeinflusst791, wird also durch Versprechen einer Leistung zwischen anderen Vertragsparteien für den Fall des Bedingungseintritts nicht „gefördert“792. Dies bedeutet aber auch, dass sich Art. 157 OR nur auf Potestativbedingungen bezieht, solche Bedingungen also, welche – zumindest bis zu einem gewissen Grad – im Machtbereich derjenigen Vertragspartei sind, welcher eine Belohnung in Aussicht gestellt wurde793. Anwendungsbereich und Rechtsfolgen von Art 157 OR erscheinen aufgrund der oben gemachten Aussagen als noch nicht restlos geklärt. Das deutsche BGB kennt keine vergleichbare Bestimmung. Immerhin wird man aus dem Gesagten den Schluss ziehen können, dass nicht die bedingt versprochene Leistung, sondern die Bedingung an sich widerrechtlich sein muss. Ansonsten wäre eine separate Regelung in Art. 157 OR nicht sinnvoll gewesen. Ausserdem bezieht sich die Bedingung auf eine widerrechtliche oder unsittliche Handlung oder Unterlassung, welche durch eine der Vertragsparteien vorgenommen werden soll. Damit ist zugleich gesagt, dass es bei Art. 157 OR um eine Potestativbedingung geht und der „Bedingungsbelastete“ eine solche missbilligte Handlung vornehmen soll. Art. 157 OR dürfte auch auf den Antrag zum Vertragsschluss und somit grundsätzlich auch auf das öffentliche Kaufangebot anwendbar sein794. Es ist allerdings 790 791 792 793 794 Auch das Inaussichtstellen eines Übels für den Fall des Bedingungsausfalls ist denkbar. Ausnahmen sind denkbar beim Vertrag zugunsten Dritter oder bei Konstellationen, in denen ein Dritter ein rein faktisches (als Freund) oder rechtliches Interesse (z.B. als Bürge) daran hat, dass eine Vertragspartei eine Belohnung erhält. Dies bedeutet auch, dass Art. 157 OR nicht auf Fälle anwendbar ist, die das Wohlverhalten des Verwaltungsrates (z.B. durch Eintragung im Aktienregister oder Gewährung von Informationen) zur Bedingung erheben. Es besteht hier keine Verknüpfung zwischen einer Begünstigung und dem Bedingungseintritt. Anders wäre es zum Beispiel, wenn einem Verwaltungsrat, der zugleich Aktionär ist, für den Fall der positiven Stellungnahme im Bericht des Verwaltungsrates eine über dem zulässigen Maximum liegende Prämie zukommen würde. Vgl. BECKER, Berner Kommentar (1917), Art. 157 N 3: „Widerrechtlich ist nur eine Bedingung, die eine widerrechtliche Handlung befördern soll, nicht auch jene, die nur objektiv darauf Rücksicht nimmt, ob ein Delikt, an dem der Versprechensempfänger nicht beteiligt ist, werde begangen werden. In letzterem Falle liegt eine kasuelle Bedingung vor: so bei der Garantie, die jemand dafür übernimmt, dass ein Angestellter keine Veruntreuungen begehen werde.“ Dem Wortlaut von Art. 157 OR lässt sich keine Einschränkung auf bedingte Verträge entnehmen. Die Systematik und insbesondere die Erwähnung des Wortes „Vertrag“ und „Vertragsschliessende“ in Art. 151, 154 und 155 OR deuten demgegenüber darauf hin, dass der Gesetzgeber wohl in erster Linie an den bedingten Vertrag gedacht haben dürfte. Allerdings ist der Sinn der Norm verallgemeinerungsfähig und, wie gesehen, sind auch Art. 19/20 OR nicht nur auf Verträge, sondern auch auf einseitige Rechtsgeschäfte anwendbar794. Dies muss auch für Art. 157 OR gelten. Ausserdem ist nicht 146 kaum anzunehmen, dass ein Bieter öffentlich die Inhaber von Beteiligungspapieren zur Vornahme einer unerlaubten Handlung „verführt“, indem er eine Leistung verspricht. Die umgekehrte Konstellation ist noch weniger denkbar. Bei öffentlichen Kaufangeboten besteht ein anderes Gefahrenpotential als jenes der „Förderung“ einer widerrechtlichen oder unsittlichen Handlung der Gegenpartei. Es geht vielmehr um das Ausnützen der Bedingungsfreiheit durch den Stipulator, den Antragsteller, der einer Vielzahl von Gegenparteien gegenübersteht und die Konditionen des abzuschliessenden Vertrages diktieren kann. Es geht mit anderen Worten mehr um Bekämpfung der Übervorteilung als um Abwendung sonstigen unsittlichen Verhaltens. Vor diesem Hintergrund kann nicht erstaunen, dass Art. 157 OR bei öffentlichen Kaufangeboten praktisch keine Bedeutung zukommt. III. Einschränkungen aus Treu und Glauben Auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben lassen sich gewisse Einschränkungen in Bezug auf die Zulässigkeit von Bedingungen ableiten. Wenn zum Beispiel bei Abgabe des Antrages zum Vertragsschluss der Offerent der anderen Partei kundtut, dass ihm ein gewisser Umstand nicht als derart wichtig erscheint, dass er eine condicio sine qua non für Vertragsschluss oder –erfüllung darstellt, so wird bei der anderen Partei ein gewisses Vertrauen auf einen betreffend den Umstand unbedingten Vertrag begründet. So kann auch durch öffentliche Äusserungen von Vertretern des Bieters ein Vertrauenstatbestand geschaffen werden, welcher bei den Inhabern von Beteiligungspapieren die begründete Erwartung auf ein generell oder betreffend einen bestimmten Umstand unbedingtes Angebot auslöst, das durch den Bieter im später unterbreiteten Angebotsprospekt enttäuscht wird. Nur in den seltensten Fällen wird jedoch diese Abkehr des Bieters vom ursprünglichen Standpunkt als venire contra factum proprium bzw. widersprüchliches Verhalten zu „ahnden“ sein795. Ein solcher Tatbestand ist nur gegeben, wenn auf seiten der Inhaber von Beteiligungspapieren schutzwürdiges Vertrauen erweckt wurde796. Die Inhaber von Beteiligungspapieren dürfen nicht 795 796 einzusehen, weshalb Art. 157 OR erst bei Vorliegen eines Vertrages, also nach Eingang eines Akzeptes, anzuwenden sein sollte und nicht schon die Antragstellung erfasst. Die rechtliche „Sonderverbindung“ hat im genannten Beispiel noch nicht die Stufe der rechtsgeschäftlichen Bindung durch einen Vertrag erreicht (vgl. BAUMANN, Zürcher Kommentar, Art. 2 ZGB N 101, der in solchen Fällen die Anwendbarkeit der Regel in dubio contra stipulatorem propagiert; vgl. auch MERZ, Berner Kommentar, Art. 2 ZGB N 401). Vgl. BGE 115 II 338: „Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz der Gebundenheit an das eigene Handeln (..). Setzt sich jemand zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, ist darin nur dann ein Verstoss gegen Treu und Glauben zu erblicken, wenn das frühere Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen begründet hat, welches durch die neuen Handlungen enttäuscht wurde (…). Ist eine Rechtslage unklar oder zweifelhaft, so widerspricht es nicht Treu und Glauben, wenn jemand widersprüchliche Positionen einnimmt, um seine Rechte unabhängig vom Ausgang einzelner Rechtsstandpunkte optimal zu wahren (..).“ 147 grenzenlos und blind in die Konstanz der Haltung des Bieters vertrauen797. Im Einzelfall wird aufgrund der Intensität der vertrauenerweckenden Äusserung des Bieters, dem Interesse des Bieters an der Anknüpfung einer Bedingung und dem Interesse der Adressaten an einem unbedingten Angebot im Sinne einer Allokation von Risiken abzuwägen sein798. Einen Verstoss gegen Treu und Glauben wird man demgegenüber annehmen können, wenn der Bieter sich dadurch eine sichere Ausstiegsmöglichkeit offenhalten will, dass er eine unmögliche Bedingung799 im Wissen um deren (objektiver) Unmöglichkeit mit seinem Angebot verknüpft800. Allerdings ergibt sich dies nicht ipso facto, da diese Ausgestaltung im Prinzip einer Wollensbedingung801 gleichkommt, welche an sich zulässig ist. Zur Begründung müsste man daher wohl Argumente des Anlegerschutzes herbeiziehen, womit eine Herleitung unter dem börsenrechtlichen Prinzip der Lauterkeit wohl geeigneter erscheint. Auch die Regel von Art. 156 OR beruht auf dem Grundsatz von Treu und Glauben. Nach dieser Bestimmung gilt eine Bedingung als erfüllt, wenn ihr Eintritt von einer Partei wieder Treu und Glauben verhindert worden ist. Diese Regel stellt allerdings keine Einschränkungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Bedingungen auf, sondern betrifft die Verhaltenspflichten hinsichtlich des Bedingungseintritts und wurde in diesem Zusammenhang bereits erörtert802. Sicherlich käme dem Grundsatz von Treu und Glauben bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung der Übernahmeangebote als genereller Rechtsregel zur Ableitung konkreter Verhaltenspflichten grössere Bedeutung zu. Die Tatsache, dass die übernahmerechtliche Gesetzgebung selbst Bestimmungen über die Bedingungen aufstellt und zudem einen eigenständigen Grundsatz der Lauterkeit stipuliert, erübrigt einen Rückgriff auf das allgemeine Prinzip von Treu und Glau- 797 798 799 800 801 802 Vgl. BAUMANN, Zürcher Kommentar, Art. 2 ZGB N 101. Mit Unsicherheiten behaftet wäre im übrigen der Rechtsschutz bei Vorliegen widersprüchlichen Verhaltens. Ein Anspruch auf Realerfüllung (Unterbreiten eines Angebotes ohne die strittige Bedingung) dürfte schon am Fehlen einer vertraglichen Verbindung (im Zeitpunkt der Abgabe der Äusserung über ein unbedingtes Angebot) scheitern. Ausserdem hat das Bundesgericht für den Sonderfall der Berufung auf Formmangel befunden, dass das sich aus dem Rechtsmissbrauchsverbot grundsätzlich kein Anspruch auf Erfüllung ergeben kann (BGE 115 II 338; vgl. aber die in § 3 C VI. 2 erörterte Literatur zu Art. 156 OR). Bei der Geltendmachung von Schadenersatz aufgrund einer Vertrauenshaftung als Anspruchsgrundlage ergeben sich ebenfalls zahlreiche Hürden (vgl. dazu § 3 C II.). Im hier erörterten Spezialfall kommt erschwerend hinzu, dass die Inhaber der Beteiligungspapiere sich bei Akzept des Angebotes mit Bedingung kaum mehr auf eine Vertrauenshaftung wegen enttäuschten Vertrauens in ein Angebot ohne diese Bedingung berufen können. Vgl. dazu die in Ziff. IV. folgenden Ausführungen. Strenggenommen handelt es sich dann nicht mehr um eine Bedingung, wenn man die Bedingung als Verknüpfung eines Rechtserfolges mit einer objektiv ungewissen Tatsache auffasst. Schwieriger zu entscheiden sind demgegenüber diejenigen Fälle, wo der Bedingungseintritt nicht gerade unmöglich, aber doch wenig wahrscheinlich ist. Vgl. dazu § 2 C. I. 3 vorn. Vgl. § 3 C VI.3. 148 ben, auch wenn eine progressive Rechtsprechung damit möglicherweise vergleichbare Ergebnisse erzielen könnte. IV. Die unmögliche Bedingung Das Bedingungsverbot in Art. 157 OR erwähnt nur widerrechtliche und unsittliche, nicht aber unmögliche Bedingungen803. Unmögliche Bedingungen804, d.h. Bedingungen, von den bei Vertragsschluss (objektiv) feststeht, dass sie nicht eintreten oder erfüllt werden können805, bedürfen jedoch ebenfalls einer Regelung. Gerade im Zusammenhang mit öffentlichen Kaufangeboten besteht die Gefahr, dass der Bieter sich durch Anfügen unmöglicher Bedingungen die Möglichkeit des Ausstiegs aus seinem Angebot offenhält. Nach GAUCH/SCHLUEP/REY ist im Fall unmöglicher Bedingungen die erbrechtliche806 Bestimmung von Art. 482 Abs. 3 ZGB807 analog anzuwenden: „Bedingungen, die schon beim Vertragsschluss objektiv unmöglich waren, werden als nicht vorhanden betrachtet. Sie führen als Suspensivbedingungen dazu, dass das unmöglich bedingte Geschäft nicht zustande kommt, es sei denn, die Parteien hätten das Geschäft auch ohne Bedingung abgeschlossen..“. Inkonsequent ist die Folgerung, die die Autoren aus der Anwendbarkeit von Art. 482 Abs. 3 ZGB ziehen: Nach dieser Bestimmung werden unsinnige oder vexatorische Verfügungen als nicht vorhanden betrachtet, d.h. die Verfügung gilt unbedingt und unbelastet808. Würde man daher Art. 482 Abs. 3 ZGB auf unmögliche Bedingungen anwenden, wäre der Vertrag durch Austausch übereinstimmender Willenserklärungen ohne die unmögliche Bedingung in jedem Fall gültig zustande gekommen, ungeachtet eines allenfalls anders gerichteten Parteiwillens. Die von GAUCH/SCHLUEP/REY geschilderte Rechtsfolge (Unwirksamkeit des suspensiv bedingten Geschäftes, sofern die Parteien das Geschäft nicht auch ohne unmög- 803 804 805 806 807 808 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4121; dies steht im Gegensatz zur allgemeinen Regel in Art. 20 OR. Die unmöglichen Bedingungen sind nicht zu verwechseln mit den unmöglichen Vertragsleistungen, welche beim unmöglichen Vertragsinhalt im Sinne von Art. 20 OR primär gemeint sind. Vgl. KOLLER N 850 m.w.H. Wird die Bedingung erst nachträglich unmöglich, liegt keine unmögliche Bedingung, sondern Ausfall der Bedingung vor (GAUCH/SCHLUEP/REY N 4121; vgl. ESCHER, Zürcher Kommentar, Art. 482 ZGB N 34). Es mag einigermassen erstaunen, dass in einer Abhandlung über öffentliche Übernahmeangebote erbrechtliche Bestimmungen diskutiert werden, doch spricht dies für die Vielschichtigkeit der Problematik und die Flexibilität schweizerischen Rechts. Die Bestimmung von Art. 482 ZGB stammt aus dem Erbrecht und gestattet dem Erblasser, seinen Verfügungen Bedingungen anzufügen. Nach Absatz 2 machen unsittliche oder rechtswidrige Bedingungen die Verfügung ungültig. Sind sie lediglich für andere Personen lästig oder unsinnig, werden sie nach Absatz 3 als nicht vorhanden betrachtet. ESCHER, Zürcher Kommentar, Art. 482 ZGB N 36. 149 liche Bedingung geschlossen hätten) lässt sich daher m.E. nicht auf Art. 482 Abs. 3 ZGB stützen809. Etwas ausführlicher ist die Argumentation des von GAUCH/SCHLUEP/REY zitierten ESCHER in der Kommentierung zu Art. 482 ZGB. Nach diesem Autor liegt eine unmögliche Bedingung dann vor, wenn der Eintritt der Tatsache, auf welche die Bedingung gestellt ist, unmöglich ist810. Da der Eintritt der Tatsache dann nicht mehr ungewiss sei, handle es sich bei der unmöglichen Bedingung gar nicht um eine Bedingung im Rechtssinne. Eine absolut unmögliche Suspensivbedingung mache demnach das Rechtsgeschäft ungültig, bei einer resolutiven Bedingung werde es als unbedingt behandelt811. Dies entspricht der in Art. 482 Abs. 2 ZGB812 für unsittliche oder rechtswidrige Bedingungen bei letztwilligen Verfügungen vorgesehenen Rechtsfolge813. ESCHER gibt zu bedenken, dass eine unmögliche Bedingung auch lediglich „unsinnig“ sein könne, womit sie nach Art. 482 Abs. 3 als nicht existent zu betrachten sei und das suspensive Rechtsgeschäft somit gültig wäre814. Sowohl ESCHER als auch GAUCH/SCHLUEP/REY kommen somit zu einem ähnlichen Ergebnis: Für beide Autoren ist Art. 482 ZGB die – analog anzuwendende - Rechtsgrundlage zur Behandlung unmöglicher Bedingungen. Bei den Rechtsfolgen ist für beide Autoren bei unmöglicher Bedingung entweder das gesamte Rechtsgeschäft ungültig815, oder aber es ist lediglich die Bedingung ungültig und das Rechtsgeschäft gilt ohne diese ungültige Bedingung. Während ESCHER aber das Rechtsgeschäft als bedingungslos offenbar nur aufrechterhalten will, wenn die Bedingung auch als „unsinnig“ oder „lästig“ im Sinne von Art. 482 Abs. 3 ZGB angesehen werden kann, sprechen sich GAUCH/SCHLUEP/REY auch für die Gültigkeit des Geschäftes ohne unmögliche Bedingung aus, wenn dies dem (mutmasslichen) Parteiwillen entspricht. Wenn auch gewisse Unterschiede in der Behandlung der Rechtsfolgen bestehen, so sind sich sowohl ESCHER als auch GAUCH/SCHLUEP/REY darin einig, dass Art. 809 810 811 812 813 814 815 Vgl. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4121: „ZGB 482 Abs. 3 ist analog anzuwenden: Bedingungen, die schon beim Vertragsschluss objektiv unmöglich waren, werden als nicht vorhanden betrachtet. Sie führen als Suspensivbedingungen dazu, dass das unmögliche Geschäft nicht zustande kommt, es sei denn, die Parteien hätten das Geschäft auch ohne Bedingung abgeschlossen (..); dagegen sind unter einer unmöglichen Resolutivbedingung stehende Geschäfte (unbedingt) gültig (...)“. Vgl. dazu die nachstehenden Bemerkungen von ESCHER zu Art. 482 Abs. 2 (auf den sich die Folgerung von GAUCH/SCHLUEP/REY stützen könnte) und Art. 482 Abs. 3 ZGB. ESCHER, Zürcher Kommentar, Art. 482 ZGB N 34. Ibidem; vgl. auch BECKER, Berner Kommentar (1917), Vb zu Art. 151-157 OR N 12: „..;bei der unmöglichen Suspensivbedingung besteht überhaupt keine Verpflichtung.“ Art. 482 Abs. 2 lautet wie folgt: „Unsittliche oder rechtswidrige Auflagen und Bedingungen machen die Verfügung ungültig“. Vgl. PETER S. 225; Die Ungültigkeit muss allerdings mittels Klage angestrengt werden (Ungültigkeitsklage nach Art. 519 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). So auch PETER S. 226, der diesem Fall allerdings keine Häufigkeit attestiert. Nicht zu vergessen ist allerdings, dass der Begriff der „Ungültigkeit“ im Erbrecht nicht mit „Nichtigkeit“ verwechselt werden darf. Eine „ungültige“ Verfügung wird erst auf erhobene Ungültigkeitsklage beseitigt (vgl. ESCHER, Zürcher Kommentar, Art. 482 N 30). 150 482 ZGB mangels spezifischer Regelung im OR analog auf unmögliche Bedingungen im Vertragsrecht anzuwenden ist. So wünschenswert die Rechtsfolge von Art. 482 Abs. 3 ZGB sein mag, der enge Anwendungsbereich auf „unsinnige“ und „lästige“ Bedingungen sowie die erbrechtliche Grundlage lassen Zweifel an der „Richtigkeit“ einer Anwendung dieser Bestimmung auf den Vertragsschluss im allgemeinen und auf Übernahmeangebote im speziellen aufkommen816. Namentlich die bei den typischerweise einseitigen Rechtsgeschäften von Todes wegen angewandte Auslegung nach dem Willensprinzip817, die fehlende Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens818, der Grundsatz des favor testamenti819 , die Formstrenge sowie die spezifischen Rechtsfolgen820 lassen eine analoge Anwendung erbrechtlicher Bestimmungen als wenig geeignet erscheinen821. Hinzu kommt, dass eine analoge Anwendung von Art. 482 Abs. 3 auch den zweiten Absatz dieses Artikels nicht ausser Acht lassen kann, der den Grundsatz der Ungültigkeit der (gesamten) Verfügung statuiert. Als „natürliche“ Alternative böten sich die Bestimmungen von Art. 19 und 20 OR zur analogen Anwendung an822. Im Gegensatz zu Art. 482 ZGB sind diese Bestimmungen auf den Vertrag als zweiseitiges Rechtsgeschäft zugeschnitten. In Anlehnung an Art. 20 Abs. 2 OR823 kann der Vertrag mit unmöglicher Bedingung so nach dem hypothetischen Parteiwillen824 und den methodischen Ansätzen der Teilnichtigkeit sowie der modifizierten Teilnichtigkeit beurteilt werden. 816 817 818 819 820 821 822 823 824 Ebenso VON BÜREN S. 195f.: „Der eine Aufrechterhaltung der letztwilligen Verfügung anstrebende ZGB Art. 482 III ist eine singuläre, nicht auf Geschäfte unter Lebenden zu übertragende Bestimmung. A.A. EHRAT, Art. 157 N 2 mit Hinweis auf die Meinung von GAUCH/SCHLUEP/REY. DRUEY, Erbrecht, §12 N 4ff. m.w.H.; ESCHER, Zürcher Kommentar, Einleitung zum 14. Titel, N 14. Die Frage ist allerdings umstritten. Vgl. DRUEY, Erbrecht, §12 N 15 mit einer Übersicht über den Stand der Lehre und Judikatur. DRUEY, Erbrecht, § 12 N 22 m.w.H.; ESCHER, Zürcher Kommentar, Einleitung zum 14. Titel, N 16. Allerdings ist unklar, ob dieser Grundsatz über das allgemeine Prinzip des favor negotii hinausgeht. „Ungültig“ ist eine widerrechtliche Verfügung zum Beispiel nur auf erhobene Ungültigkeitsklage (vgl. Art. 519 ZGB). Ebenso VON BÜREN, S. 195f.; vgl. dazu auch WESTERMANN zur Rechtslage in Deutschland: „Fraglich ist aber, was gelten soll, wenn eine Zuwendung (…) an eine sittenwidrige aufschiebende Bedingung geknüpft wird. Hier einfach die Bedingung zu ignorieren, stellt nicht nur eine Korrektur des Vereinbarten oder Erklärten dar, sondern die Aufrechterhaltung eines Rechtsgeschäftes, das in dieser Gestalt gegen sich gelten lassen niemand gezwungen werden kann. Das erscheint nur im Erbrecht tragbar, bei entgeltlichen Geschäften unter Lebenden sind dagegen die Kriterien des § 139 [entspricht dem schweizerischen Art 20 Abs. 2 OR] sachgerechter.“ Aus dem Zusammenhang ist zu schliessen, dass das Gesagte auch für die Rechtsfolgen unmöglicher Bedingungen Geltung beansprucht (Münchner Kommentar/WESTERMANN § 158 N 46). Namentlich PETER befürwortet eine analoge Anwendung von Art. 20 OR auf unmögliche Bedingungen (PETER S. 218 FN 93). Vgl. BUCHER, S. 509 und insbesondere FN 22. Der Autor bezieht sich jedoch nicht auf unmögliche Bedingungen, sondern auf bedingungsfeindliche Geschäfte. Gl.M. EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 OR N 16. Dieser Autor äussert sich an der zitierten Stelle nicht spezifisch zu unmöglichen Bedingungen, sondern ganz allgemein zur Ungültigkeit von Bedingungen. Vgl. HUGUENIN JACOBS, Basler Kommentar, Art. 19/20 OR N 65; 151 Eine übermässige Minimum Limen Bedingung (z.B. Annahmeschwelle von 99%) könnte unter Anwendung dieser Grundsätze auf das zulässige („mögliche“) Mass herabgesetzt werden. Bei analoger Anwendung von Art. 482 ZGB wäre diese übermässige Bedingung entweder unbeachtlich (analog Art. 482 Abs. 3 ZGB) oder aber das Angebot wäre als ganzes ungültig (analog Art. 482 Abs. 2 ZGB). Ob dieser Ansatz bei unmöglichen Bedingungen verwendet werden sollte, muss alllerdings hier offen bleiben. Bei der Diskussion der Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen wird jedoch auf diese Problematik zurückzukommen sein825. An dieser Stelle müssen folgende Feststellungen genügen. Erstens sind die unmöglichen Bedingungen von der Rechtsordnung „verpönt“ bzw. wird deren Anfügung sanktioniert, was als „Unzulässigkeit“ angesehen werden kann. Die obligationenrechtlichen Rechtsfolgen unmöglicher Bedingungen sind zweites unklar. Freilich ist diese Unklarheit der Rechtsfolgen auch bei den in der Übernahmeverordnung geregelten Bedingungen gegeben, was die Übernahmekommission nicht daran hindert, diese anzuwenden. Schwerer wiegt hingegen die Tatsache, dass drittens die obligationenrechtliche Regelung der Unmöglichkeit von Bedingungen diejenigen Fälle nicht zu erfassen vermag, wo der Bedingungseintritt zwar nicht unmöglich, aber doch wenig wahrscheinlich ist. Die Übernahmekommission beschreitet viertens zwecks Analyse der Zulässigkeit unmöglicher Bedingungen einen anderen Weg: Die unmögliche oder unerfüllbare Bedingung wird von der Übernahmekommission – ohne auf obligationenrechtliche Bestimmungen und Grundsätze einzugehen - mit einem Kunstgriff unter die Bedingungsregelung der Übernahmeverordnung subsumiert. Eine unerfüllbare Bedingung hat nach Auffassung der UEK die gleichen Wirkungen wie eine nicht zulässige Potestativbedingung, da das Angebot nur durch Verzicht des Bieters auf diese (unerfüllbare) Bedingung zustande kommen kann826. V. Die „ewige“ Bedingung Bereits erörtert wurde das Problem der unbestimmten bzw. nicht festgelegten Zeitdauer bis zum Eintritt oder Ausfall der Bedingung, d.h. wann die Schwebezeit endet827. An anderer Stelle diskutiert wird auch die Frage der Zulässigkeit auflösender Bedingungen, also von Bedingungen, die sich erst nach Ablauf des Angebotes realisieren. An dieser Stelle wird demgegenüber der Frage nachgegangen, ob der Bieter – ungeachtet der Beschränkungen durch Art. 13 Abs. 4 825 826 827 Vgl. § 6 D III. Vgl. unten § 4 F VI. Im Gegensatz zur Potestativbedingung kann der Bedingungseintritt bei der unmöglichen Bedingung vom Bieter nicht beeinflusst werden. Eine Subsumtion unter Art. 13 Abs. 1 UEV (Unzulässig sind e contrario Bedingungen, deren Eintritt der Anbieter selbst massgeblich beeinflussen kann) ist daher fragwürdig. Es ist nicht die Bedingung, die beeinflussbar ist, sondern das Zustandekommen des Vertrages. Vgl. vorn § 3 C V. 152 UEV bezüglich auflösender Bedingungen - in der Festlegung der Zeitdauer bis zum Eintritt oder Ausfall der Bedingung Einschränkungen unterworfen ist. Das Verbot einer übermässig langen vertraglichen Bindung ergibt sich bereits aus Art. 27 ZGB in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 OR828. Eine Verletzung des zeitlichen Übermassverbots bewirkt im allgemeinen nicht die Unwirksamkeit der Bindung, sondern lediglich eine Herabsetzung der Bindungsdauer auf das zulässige Mass829. Dies muss mutatis mutandis auch für die bedingte Verpflichtung gelten. Während bei Fehlen einer spezifischen zeitlichen Begrenzung der Bedingung eine Ersatzregel aufgrund der Umstände, der Natur des Vertrages und dessen normaler Abwicklung830 zu suchen ist, muss bei übermässig langer Schwebezeit dem Parteiwillen an dieser langen Schwebezeit entsprechend Rechnung getragen werden831. Angewendet auf öffentliche Kaufangebote bedeutet dies, dass Bedingungen mit überlanger Schwebezeit nicht ohne weiteres unzulässig sind, sondern lediglich auf das „zulässige Mass“ herabzusetzen sind. Das Problem „ewiger Bedingungen“ kann zwar somit grundsätzlich mit obligationenrechtlichen „Mitteln“ angepackt werden, es fehlen allerdings klare Kriterien für die Festlegung einer zulässigen Maximaldauer der Schwebezeit, was angesichts der Verschiedenheit von Verträgen und Sachverhaltskonstellationen nicht erstaunt. Ein öffentliches Kaufangebot ist transaktionsorientiert, begründet keinen Dauervertrag und kann daher unmöglich während langer Zeit in der Schwebe bleiben. Die Übernahmeverordnung sieht daher weitere Einschränkungen in Bezug auf die Schwebezeit von Bedingungen vor. Nach Art. 14 Abs. 6 UEV müssten die Bedingungen des Angebotes grundsätzlich einen Eintritt oder Ausfall vor Ablauf von 10 Tagen seit Ende der Nachfrist vorsehen bzw. erwarten lassen. Die Übernahmekommission hat für solche Bedingungen eine flexible Haltung angenommen832. Sie gewährt grosszügige Verlängerungen der Abwicklungsfrist, wenn die Erfüllung der auflösenden Bedingung innerhalb einer angemessenen vom Anbieter zu definierenden Zeitspanne erfolgt833. Diese flexible Haltung ist zu begrüssen, denn die Dauer einer notwendigen kartellrechtlichen Untersuchung des 828 829 830 831 832 833 BGE 114 II 161. BGE 117 II 275; ferner BGE 114 II 161; BGE 107 II 216; KRAMER, Berner Kommentar, Art.19-20 N 382. BGE 72 II 37. In BGE 107 II 216ff. weigerte sich das Bundesgericht, anstatt der übermässigen Vertragsdauer eine dispositive Gesetzesregel analog anzuwenden. Stattdessen untersuchte es, welche Vertragsdauer die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Nichtigkeit der Vereinbarung bekannt gewesen wäre (S. 218). Es schloss aus der versuchten Vereinbarung eines ewigen Vertrages, dass die Parteien an einer langen Vertragsbindung interessiert gewesen seien (S. 219). Vgl. auch VON DER CRONE, Unternehmensübernahmen, S. 171. Empfehlung der UEK vom 15. Dezember 2000 in Sachen Ems Chemie Holding AG / Axantis Holding AG E. 2, wo die UEK eine Frist von sechs Monaten nach Ablauf der Nachfrist für angemessen bzw. zulässig hielt und die Abwicklungsfrist von Art. 14 Abs. 6 UEV entsprechend verlängerte (Vgl. auch die Empfehlung in Sachen Unaxis Holding AG /Esec Holding AG vom 3. Juli 2000 E. 3.2, wo eine Frist von 4 Monaten gewährt wurde). 153 Übernahmevorhabens kann vom Bieter selten entscheidend beeinflusst werden. Ein Insistieren auf der kurzen Frist von Art. 14 Abs. 6 UEV würde auch den Interessen der Angebotsadressaten nicht gerecht, da ihnen in den allermeisten Fällen die Durchführung des Angebots und die Realisierung einer Prämie gelegen ist. Die gesetzliche Regelung schafft damit die notwendige Flexibilität, um auf die Unwägbarkeiten des Übernahmeprozederes im Einzelfall eingehen zu können. Dennoch lässt sich feststellen, dass die genannten Bestimmungen der Übernahmeverordnung darauf angelegt sind, innert nützlicher Frist klare Rechtsverhältnisse bei einem öffentlichen Kaufangebot zu schaffen, denn dies liegt im Interesse aller Beteiligten, vor allem aber demjenigen der Angebotsempfänger834. Diese Bestimmungen können daher durchaus als Ausprägung eines Beschleunigungsgebotes angesehen werden. Ein solches Gebot lässt sich – jedenfalls nach der hier vertretenen Ansicht - auch aus dem Grundsatz der Lauterkeit835 herleiten. Es besagt, dass der Bieter alles Zumutbare zu unternehmen hat, um das Angebot nach Unterbreitung rasch abzuwickeln, alle für die Abwicklung nicht notwendigen, verzögernden Handlungen zu unterlassen hat sowie eine Befristung des Bedingungseintritts bzw. – ausfalls vorzunehmen hat836. Dieses Gebot der Beschleunigung ist auch für die Zulässigkeit von Bedingungen in zeitlicher Hinsicht von Relevanz. Zu beurteilen ist diese Zulässigkeit ex ante anlässlich der Unterbreitung eines Angebotes, spätere Verzögerungen können eine einmal ausgesprochene Zulässigkeit nicht beeinflussen, doch gilt die Bedingung als ausgefallen, wenn sie nicht innert der vom Bieter gesetzten Frist eingetreten ist837. VI. Bedingungsfeindlichkeit gewisser Rechtsgeschäfte Es wurde bereits erwähnt, dass ein Antrag zum Vertragsschluss grundsätzlich gültig mit Bedingungen versehen werden kann838. Bei einem Vertrag ist dies selbstverständlich. Auch Abtretungen von Forderungen können, wie bereits erörtert, bedingt erfolgen. Damit sind die für öffentliche Kaufangebote relevanten Rechtsgeschäfte grundsätzlich nicht bedingungsfeindlich. Die Bedingungsfeindlichkeit von Rechtsgeschäften schränkt die Zulässigkeit von Bedingungen bei 834 835 836 837 838 Vgl. TSCHÄNI/OERTLE unter Hinweis auf die Maximaldauer eines öffentlichen Angebotes gemäss Art. 14 Abs. 4 UEV. Vgl. Art. 28 lit. c. BEHG und Art. 1 UEV. Vgl. dazu § 3 C IV. 4./ V. sowie § 4 E. Mit Einverständnis der UEK dürfte dann dennoch eine Verschiebung der Frist für den Bedingungseintritt möglich sein, sofern sich der Bieter dies vorbehalten hat und ein Eintritt als wahrscheinlich erscheint. In begründeten Ausnahmefällen wird man dem Bieter auch ohne entsprechenden Vorbehalt eine Verschiebung zugestehen, wenn dies klar im Interesse der Angebotsadressaten ist. Eine entsprechende Befugnis muss dann als gesetzliche Erstreckungsbefugnis verstanden werden. Vgl. zur Befristung mittels Bezeichnung als „aufschiebende“ Bedingung § 4 E. Es ist allerdings im vor Augen zu halten, was die Bedingtheit des Antrages bedeutet (vgl. dazu 2 C III.). 154 öffentlichen Kaufangeboten daher nicht ein. Allerdings kann dieses Kriterium, wie bereits erwähnt, beim Widerruf nach Art. 16 UEV sowie bei einem Verzicht auf Bedingungen im Sinne von Art. 13 Abs. 3 UEV eine Rolle spielen839. VII. Folgerungen Bereits ohne spezifische Regelung der Zulässigkeit von Bedingungen bei Übernahmeangeboten wird der gestalterische Freiraum des Bieters durch die Regelung des Obligationenrechts sowie allgemeine privatrechtliche Grundsätze eingeschränkt. Diese allgemeinen Einschränkungen sind zwar für die Zulässigkeit von Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten von geringer praktischer Relevanz, doch wären bei entsprechender Anwendung durch die Übernahmekommission oder Gerichte für gewisse Fälle illegitimer Bedingungen entsprechende Rechtsgrundlagen vorhanden. Freilich würde deren Anwendung zur Beurteilung der Zulässigkeit von Bedingungen bei Übernahmeangeboten eine progressive und mutige Rechtsprechung der zuständigen Organe voraussetzen. Aber selbst in diesem Fall würde das eigentliche Problem, das Machtgefälle zwischen dem Bieter und der dispersen Schar von Angebotsempfängern, durch die allgemeinen Einschränkungen nur unzureichend angepackt. Die Bestimmungen und Grundsätze des Obligationenrechts können daher „Vertragsgerechtigkeit“ oder „Lauterkeit“ bei Bedingungen eines öffentlichen Kaufangebotes nicht in Missbräuche ausschliessender Weise sicherstellen. C. Einschränkungen durch BEHG I. Keine expliziten Einschränkungen im BEHG In den einschlägigen Artikeln 22-32 des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel finden sich keine Bestimmungen, welche sich direkt zur Frage der Zulässigkeit gewisser Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten äussern. Im Börsengesetz werden die Bedingungen, mit Ausnahme des hier nicht relevanten Artikels 27 Abs. 2 BEHG840, nur in der Delegationsnorm des Art. 28 erwähnt. In Art. 28 lit. b. wird die Übernahmekommission ermächtigt, zusätzliche Bestimmungen zu erlassen „über die Bedingungen, denen ein Angebot unterworfen werden kann“. Gemäss Art. 28 lit. e. BEHG darf die UEK zudem legiferieren über die „Angebotsfrist und deren Verlängerung, die Bedingungen des 839 840 Vgl. § 3 E und F vorn. Diese Bestimmung sieht eine Verlängerung des Angebotes bei Erfüllung der Bedingung vor. Die Umsetzung der UEK in Art. 14 Abs. 5 UEV macht jedoch klar, dass diese Verlängerung (Nachfrist von 10 Börsentagen) auch bei einem unbedingten Angebot gilt, was allerdings dann meist wenig sinnvoll ist. 155 Widerrufs und der Abänderungen des Angebots sowie die „Rücktrittsfrist für den Verkäufer“. Das BEHG enthält somit keine expliziten Einschränkungen betreffend die Zulässigkeit von Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten. II. Immanente Einschränkungen aufgrund des Gesetzeszwecks? 1. Bedeutung Wie gesehen stellt das Börsengesetz selbst keine Bestimmungen über die Zulässigkeit von Bedingungen beim öffentlichen Kaufangebot auf. Dieser Umstand alleine kann jedoch nicht zum Schluss führen, das BEHG äussere sich über die Zulässigkeit von Bedingungen nicht. Denkbar ist, dass das BEHG implizit, insbesondere durch seinen Regelungszweck, gewisse Bedingungen für öffentliche Kaufangebote als unzulässig erscheinen lässt. Namentlich die gesetzgeberischen Ziele der Transparenz und der Gleichbehandlung für den Anleger können eine solche Rechtsfolge auslösen. Bedingungen, welche den Grundsätzen der Transparenz oder der Gleichbehandlung widersprechen, sind daher auch dann unzulässig, wenn sie nicht direkt unter die einschlägige Zulässigkeitsnorm von Art. 13 UEV subsumiert werden können. Dieser Befund soll nachfolgend anhand einiger Beispiele illustriert werden. 2. Verletzung des Transparenzgebotes Das in Art. 1 BEHG841 und Art. 1 UEV verankerte Transparenzgebot842 dient sowohl dem Schutz der Anleger als auch der (informatorischen) Effizienz der Effektenmärkte843. Damit soll sichergestellt werden, dass die Empfänger des Angebotes ihre Entscheidung in Kenntnis aller relevanter Umstände treffen können844. Das Anfügen von Bedingungen, die der Bieter nicht ausdrücklich in den Prospekt oder die Voranmeldung aufgenommen hat, verletzt das vom BEHG aufgestellte Transparenzgebot. Obwohl dies in der Übernahmeverordnung nicht ausdrücklich geregelt ist845, müssen daher alle Bedingungen, an die der Bieter die 841 842 843 844 845 In Art. 5 Abs. 3 BEHG finden sich überdies Anforderungen an die Börse zur Sicherstellung der Transparenz des Effektenhandels (insbesondere auch im Hinblick auf ein Opting out oder Opting up dieser Gesellschaften; vgl. dazu VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 53). Vgl. dazu DRUEY, Meldepflicht, S. 37ff., wo Problematik und Relativität der Transparenz als Auslegungshilfe oder „legislatorischem Leithammel“ (MEIER-SCHATZ) dargelegt werden. Vgl. die Botschaft zum BEHG Ziff. 152 S. 14; WATTER, Basler Kommentar, Art. 1 BEHG N 11 (vgl. auch § 1 C II 3). Vgl. Art. 17 UEV. Auszugehen ist dabei von einem sachkundigen Anleger, der wirtschaftliche Zusammenhänge erkennt und mit Fachausdrücken vertraut ist (Empfehlung der UEK vom 19. März 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E.1.2). Immerhin könnte man argumentieren, Art. 13 Abs. 2 UEV stipuliere ein Transparenzgebot für Bedingungen. Der Wortlaut „Bei Ablauf des Angebotes muss klar festgestellt werden, ob die Bedingungen 156 Durchführung seines Angebotes knüpft, im Angebotsprospekt offengelegt werden846. Bei Fehlen von Bedingungen im Angebotsprospekt werden diese Bedingungen freilich kaum je Bestandteil des zwischen dem Bieter und den Inhabern von Beteiligungspapieren mittels öffentlichem Kaufangebot abgeschlossenen Vertrages. Der Bieter wird so in den meisten Fällen bereits nach allgemeinem Vertragsrecht nicht an seinen Bedingungen festhalten können. Und selbst wenn obligationenrechtlich ein Konsens zwischen Bieter und einzelnen Angebotsempfängern hinsichtlich nicht im Angebot enthaltener Bedingungen eingetreten ist, liegt nach der hier vertretenen Ansicht eine Verletzung börsengesetzlicher Vorschriften vor847. Die entsprechende Bedingung wäre unzulässig848849. Dies gilt noch im stärkeren Mass für stillschweigende Bedingungen, d.h. Bedingungen welche dem Kontrahieren zwischen Bieter und Inhaber von Beteiligungspapieren aufgrund der Umstände implizit zugrunde gelegt werden. Auch solche „selbstverständlichen“ Bedingungen sind in den Prospekt aufzunehmen, ansonsten der Grundsatz der Transparenz nicht eingehalten wurde. Wie soll man demgegenüber Fälle beurteilen, in denen eine Bedingung zwar in den Angebotsprospekt aufgenommen wurde, der Bieter sich jedoch – in Absprache mit der Zielgesellschaft und/oder deren Hauptaktionär – auf einen anderen Wortlaut einer Bedingung geeinigt hat. So soll zum Beispiel im Angebotsprospekt eine Genehmigung der Übernahme durch Wettbewerbsbehörden ohne jeglichen Vorbehalt erfolgen, während im Innenverhältnis mit der Zielgesellschaft vereinbart wird, auch bei Auflage seitens der Wettbewerbsbehörden bis zu einem bestimmten Schwellenwert auf die Einhaltung der Bedingung zu verzichten. 846 847 848 849 erfüllt sind“ müsste dann allerdings gedanklich in „muss klar festgestellt werden können“ ergänzt werden. Die Übernahmekommission scheint diese Ergänzung in der Tat vorzunehmen, wenn sie in der Empfehlung vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA (E. 3.2.a) von Anforderungen an zulässige Bedingungen spricht: „[La condition] doit être formulée de façon suffisamment précise pour que sa réalisation puisse être „clairement établie à l’échéance de l’offre“, ...“. [Hervorhebung durch Verfasser] Im zweiten Abschnitt des 4. Kapitels der Übernahmeverordnung wird der Inhalt des Angebotsprospektes vorgeschrieben. Nirgends wird dort die Aufnahme der vom Bieter angebrachten Bedingungen in den Angebotsprospekt verlangt (vgl. demgegenüber Art. 6 Abs. 3(g) des abgelehnten EURichtlinienentwurfs). Immerhin wird man eine Pflicht auf Veröffentlichung der Bedingungen im Angebotsprospekt aus der Generalklausel von Art. 17 UEV ableiten können. Nach dieser Bestimmung hat der Angebotsprospekt alle Informationen zu enthalten, die notwendig sind, damit die Empfänger des Angebotes ihr Entscheidung in Kenntnis der Sachlage treffen können. Ausserdem ist die Offenlegung der Bedingungen bei der Voranmeldung explizit vorgesehen (Art. 7 Abs. 2 lit. f. UEV), womit eine abweichende Regelung im Prospekt nicht zu rechtfertigen wäre. Ähnlich VON DER CRONE zur Unzulässigkeit eines bedingten Opting out gestützt auf das Transparenzgebot von Art. 5 Abs. 3 BEHG (VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 53). Bedingungen, welche lediglich den Medien oder einem bestimmten Kreis von Personen mitgeteilt werden, können ebenfalls nicht dem Transparenz- und wohl auch nicht dem Gleichbehandlungsgebot genügen. Auch sie sind nicht zulässig, wenn sie nicht im Angebotsprospekt offengelegt worden sind. Bedeutung und Rechtsfolgen der Unzulässigkeit von Bedingungen gemäss Börsengesetz und dessen Verordnungen werden nachfolgend in § 6 erörtert. Dort wird auch der Frage nachgegangen, ob eine schuldrechtlich zulässige, von den Parteien gewollte vertragliche Vereinbarung trotz Unzulässigkeit gemäss Börsengesetz nicht doch Bestand haben soll. 157 Sofern die im Prospekt publizierte Bedingung zulässig ist850, könnte man argumentieren, dass mittels „Mentalreservation“ des Bieters eine Besserstellung der Angebotsadressaten erfolge, da der Bieter sich effektiv höhere Hürden für einen Ausstieg aus dem Angebot gesteckt hat851. Allerdings ist diese Information für die Angebotsadressaten im allgemeinen als entscheidungsrelevant anzusehen, so dass die entsprechenden Angaben nach Art. 17 UEV in den Prospekt aufzunehmen sind. Andernfalls könnte die in Art. 23 Abs. 2 UEV vorgesehenen Erklärung fehlenden Insiderwissens über die Zielgesellschaft auch nur schwerlich wahrheitsgetreu abgegeben werden. Festzuhalten ist, dass das Transparenzgebot nicht nur eine Auslegungshilfe für die Bestimmungen der Übernahmeverordnung und der Verordnung der EBK über die Zulässigkeit von Bedingungen bietet, sondern darüber hinaus auch für die Frage der Zulässigkeit von Bedingungen, welche in den börsengesetzlichen Verordnungen nicht geregelt sind, eine eigenständige Entscheidungsgrundlage liefern kann. Die Empfehlung der Übernahmekommission in Sachen Multipapiers / Baumgartner spricht sicherlich nicht gegen diesen Befund, wenn sie an Bedingungen die folgende Anforderung stellt: „[La condition] doit être formulée de façon suffisamment précise pour que sa réalisation puisse être „clairement établie à l’échéance de l’offre““852. 3. Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes Das Gleichbehandlungsgebot wird ebenfalls im Zweckartikel des Börsengesetzes ausdrücklich erwähnt853. In Art. 24 Abs. 2 BEHG wird es auch für den Bereich der Kaufangebote ausdrücklich festgeschrieben854. Die Übernahmekommission hatte Fall Incentive / Sulzer Gelegenheit, diesen Grundsatz hinsichtlich des „Ausschlusses“ von U.S. Aktionären in einem Übernahmeangebot zu verdeutlichen855. Für die Bedingungen bei Übernahmeangeboten bedeutet das Prinzip der 850 851 852 853 854 855 Vgl. dazu § 4 F.VII. und G.V. Der Nutzen eines solchen Vorgehens für den Bieter dürfte allerdings gering sein, da sowohl die zuständigen Wettbewerbsbehörden als auch die Übernahmekommission die entsprechenden Verträge im Regelfall – sofern deren Existenz nicht widerrechtlich verschwiegen wird – einsehen werden. Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 3.2.a. Mit Ausnahme von Fällen von Aktienrückkäufen ist dieses Gleichbehandlungsgebot bei Kaufangeboten nicht mit dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot identisch. Nach Art. 24 Abs. 2 muss der Anbieter die Besitzer von Beteiligungspapieren derselben Art gleich behandeln. Vgl. insbesondere die Konkretisierungen dieses Grundsatzes in Art. 10 UEV. Vgl. die Empfehlungen der UEK in Sachen InCentive Capital AG/Sulzer AG vom 19. März 2001 (E. 10) und vom 11. April 2001 (E.10). Konkret wurde seitens Sulzer beanstandet, dass eine Ungleichbehandlung darin zu erblicken sei, dass die Voranmeldung (und später das Angebot) sich nicht auch auf U.S. Aktionäre erstrecke. Es wurde in der Voranmeldung allerdings lediglich die Verbreitung derselben in den Vereinigten Staaten ausgeschlossen. U.S. Aktionäre konnten – wie im übrigen bei jedem „Ausschluss“ dieser Personen von Übernahmeangeboten – das Angebot der Incentive gleichwohl annehmen. Sichergestellt wird seitens des Bieters lediglich, dass seine Offerte zum Kauf der Aktien 158 Gleichbehandlung, dass der Bieter grundsätzlich keine unterschiedlichen Bedingungen für die Inhaber von Beteiligungspapieren derselben Art vorsehen darf856. Im Zusammenhang mit Bedingungen öffentlicher Kaufangebote stellt sich oft weniger das Problem, dass Gleiches zu unrecht ungleich behandelt wird, sondern vielmehr, dass Ungleiches (allenfalls) zu unrecht gleich behandelt wird. Dies soll am nachfolgenden Beispiel verdeutlicht werden. Der Bieter plant den Erwerb von verschiedenen Arten von Beteiligungspapieren derselben Gesellschaft857. Falls er ein Angebot auf alle Beteiligungspapiere einer Zielgesellschaft abgibt, aber nur die Inhaber von Beteiligungspapieren einer Kategorie über eine vom Bieter zur Bedingung erhobene Tatsache abstimmen858, so liegt darin allenfalls eine (wohl gerechtfertigte) Ungleichbehandlung auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, nicht jedoch eine Ungleichbehandlung aus übernahmerechtlicher Sicht, da der Bieter in aller Regel diese Abstimmung zu einer für alle Angebotsadressaten geltenden Bedingung erheben wird und somit alle Angebotsadressaten gleich behandelt. Der Bieter wird mit anderen Worten eine Bedingung, die transaktionstechnisch nur einen Teil der Adressaten betrifft, als Bedingung für alle Adressaten ausgestalten. Aus übernahmerechtlicher Sicht stellt sich dabei nicht die Frage der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung, sondern der ungerechtfertigten Gleichbehandlung, die darin liegen könnte, dass die Bedingung auch für diejenigen Angebotsadressaten gilt, für welche der zur Bedingung erhobene Umstand nicht relevant ist. Auszugehen ist aber davon, dass der Bieter im allgemeinen nicht zu einem selektiven Angebot für gewisse Angebotsadressaten gezwungen werden kann, sondern durch Setzen von Bedingungen bei Nichterreichen eines von ihm gesetzten Zielanteils an der Gesellschaft von seinem Angebot wieder Abstand nehmen kann859. Dies würde verunmöglicht, wenn einzelne Adressaten ein unbedingtes Angebot oder Schadenersatz aufgrund unzulässiger Gleichbehandlung verlangen könnten. Ein Fall unzulässiger Gleichbehandlung wird daher kaum je vorliegen. 856 857 858 859 (bzw. zum Bezug neuer Aktien bei einem Tauschangebot) nicht an U.S. Persons gemacht wird. Ein Akzept seitens dieser Personen bleibt nach wie vor möglich und wird von den Banken in der Regel auch nach „Zustandekommen“ des Angebots in der Nachfrist interessewahrend vorgenommen. Es bleibt die Problematik, dass die U.S. Aktionäre bei einer „Sales Restriction“ nicht ausreichend informiert werden bzw. oft gar nichts über das Angebot erfahren. Dem steht das Interesse des Bieters gegenüber, nicht wegen ein paar vereinzelter U.S. Aktionäre unter die strengen US-Antifraud Regeln (vor allem Rule 10b-5 unter dem Securities Exchange Act) zu fallen. Im Gegensatz zu den in Rule 14d-1 unter dem Securities Exchange Act und (bei Tauschangeboten) Rule 802 unter dem Securities Act kann die SEC von den Antifraud Regeln keine Ausnahmen („Exemptions“) gewähren. Zum Problem der Gleichbehandlung bei Teilangeboten vgl. § 4 G II. Fraglich ist, ob bei verschiedenen Angeboten für Inhaber von Beteiligungspapieren von verbundenen Gesellschaften das Gleichbehandlungsgebot einzuhalten ist (vgl. z.B. die ABB-Transaktion; dazu STORCK, Dividend Access Shares, ST 2000 S. 362ff.). Z.B. die Aufhebung von Stimmrechtsbeschränkungen bei Namenaktien, wenn die Gesellschaft auch Inhaberaktien ausstehend hat. Dies ist eine sogenannte Mindestschwellen – oder Minimum Limen Bedingung. 159 4. Verletzung des Lauterkeitsgebotes Die Lauterkeit wird in Art. 1 BEHG nicht als Zielsetzung der börsenrechtlichen Gesetzgebung erwähnt. Allerdings sieht Art. 28 lit. c. BEHG vor, dass die Übernahmekommission zusätzliche Bestimmungen erlassen kann über „die Regeln der Lauterkeit für öffentliche Übernahmeangebote“860. Auch das Ziel der Lauterkeit öffentlicher Kaufangebote lässt sich somit direkt auf das Börsengesetz abstützen861. Die Lauterkeit öffentlicher Kaufangebote wird zudem auch in Art. 1 der Übernahmeverordnung als regulatorisches Bestreben erwähnt. Der Lauterkeitsgrundsatz wurde durch die Übernahmekommission in verschiedenen Ausprägungen konkretisiert und kodifiziert862. Angesichts dieses Umstandes ist fraglich, ob ihm ausser als Auslegungshilfe noch selbständige Bedeutung zukommt. Diese Frage ist jedoch angesichts der Lückenhaftigkeit der Regelung von Bedingungen öffentlicher Kaufangebote zu bejahen. Nur der Grundsatz der Lauterkeit kann unter geltendem Recht zum Beispiel verhindern, dass der Bieter sein Angebot an – von ihm nicht massgeblich beeinflussbare863 – Bedingungen knüpft, welche mit seinem Angebot nicht den geringsten Zusammenhang aufweisen. Zwar sorgen bereits der transaktionstechnische Aufwand sowie die Publizität von Übernahmeangeboten im allgemeinen dafür, dass der Bieter nicht auf derartige Ideen kommt. Aus rechtlicher Sicht lässt sich jedoch ein Verbot derartiger Bedingungen – wenn man den Grundsatz von Treu und Glauben nicht überstrapazieren will – nur aus dem Lauterkeitsgebot herleiten864. Schwierig ist es allerdings, einen allgemeinen Massstab für die geforderte Intensität des Zusammenhangs zwischen der Bedingung und dem öffentlichen Kaufangebot zu bestimmen. In negativer Hinsicht kann zumindest festgestellt werden, dass für die Zulässigkeit einer Bedingung kein wichtiger Grund im Sinne der für Pflichtangebote geltenden Bestimmung von Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK vorliegen muss865. Im Anwendungsfall ist der zu fordernde Zusammenhang zwischen Bedingung und Übernahme jedoch anhand der spezifischen Umstände des zu beurteilenden Sachverhaltes festzulegen, wobei dem Bieter auch hier ein gewisses Ermessen zukommen sollte. Die Übernahmekommission wendet den Grundsatz der Lauterkeit auch in denjenigen Fällen an, wo nach ihrer Ansicht eine Norm ausserhalb des börsengesetzli860 861 862 863 864 865 Vgl. dazu die Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 2.3. Vgl. § 1 C II.3 m.w.H.; vgl. HIRSCH, OPA, S. 40; VON DER CRONE, Meldepflicht, S. 69. Ein Beispiel hierfür ist die Regelung über Bedingungen in Art. 13 UEV. Art. 13 Abs. 1 UEV verbietet lediglich massgeblich beeinflussbare Bedingungen (neben hier nicht interessierenden Einschränkungen für auflösende Bedingungen), sagt aber nichts über den Zusammenhang dieser Bedingungen mit dem Übernahmeangebot aus. Die UEK scheint das Kriterium der Konnexität ebenfalls zu verwenden, verzichtete aber auf eine Herleitung bzw. einen Verweis auf rechtliche Grundlagen (vgl. die Empfehlung der UEK vom 19. März 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E. 4.2.). Vgl. dazu § 5 F. 160 chen Übernahmerechts verletzt ist. Das Lauterkeitsgebot soll damit in der Praxis der Übernahmekommission offenbar die Funktion einer Generalnorm vergleichbar mit Art. 19 Abs. 2 OR erfüllen866. So hielt die Übernahmekommission im Fall Multipapiers / Baumgartner eine Bedingung, wonach der Verwaltungsrat generell Ausnahmen von der statutarischen Eintragungsbeschränkung gewähren solle und damit nach Ansicht der UEK die aktienrechtliche Kompetenzordnung verletzte, unter Rückgriff auf den Grundsatz der Lauterkeit für unzulässig 867. D. Die (Un-)Zulässigkeit von Bedingungen gemäss Art. 13 UEV I. Regelungsgehalt Die Übernahmekommission hat aufgrund der Ermächtigung in Art. 28 lit. b und c BEHG die für die Bedingungen bei Übernahmeangeboten zentrale Norm von Art. 13 UEV erlassen868. Diese Bestimmung ist nicht nur für die Verhaltenspflichten des Bieters hinsichtlich des Eintritts bzw. Ausfalls von Bedingungen von besonderer Bedeutung, sondern stellt auch die wichtigste Bestimmung für die Frage der Zulässigkeit von Bedingungen dar. Art. 13 UEV lautet wie folgt: Art. 13 Bedingungen des Angebotes (Art. 28 Bst. b BEHG) 1 Das Angebot darf grundsätzlich nur an aufschiebende Bedingungen geknüpft werden, deren Eintritt der Anbieter selbst nicht massgeblich beeinflussen kann. Falls der Anbieter aufgrund der Art der aufschiebenden Bedingungen einen Beitrag zu deren Eintritt zu leisten hat, muss der Anbieter alle ihm zumutbaren Massnahmen ergreifen, damit die Bedingungen eintreten. 2 Bei Ablauf des Angebotes muss klar festgestellt werden, ob die Bedingungen erfüllt sind. 3 Der Anbieter kann sich im Angebot vorbehalten, auf gewisse Bedingungen zu verzichten. 866 867 868 Obwohl diese Funktion ohne weiteres auch durch Art. 19 Abs. 2 OR vorgenommen werden könnte (vgl. § 4 B.I.). Es ist aber verständlich, dass die UEK lieber die börsenrechtliche Leier spielt, als – näher beim Zivilrichter liegende – obligationenrechtliche Grundsätze heranzuziehen. Da diese generelle Ausnahme auf eine Abschaffung der Statutenklausel hinauslaufe für die die Generalversammlung ausschliesslich zuständig sei (Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 2.3.). Art. 13 UEV erwähnt allerdings nur Art. 28 lit. b. als Delegationsnorm im BEHG. 161 4 Mit dem Einverständnis der Übernahmekommission kann das Angebot auch an auflösende Bedingungen geknüpft werden, über deren Ausfall erst nach Ablauf des Angebotes Klarheit bestehen wird. Für die Frage der Zulässigkeit zentral ist der 1. Satz des 1. Absatzes, wonach das Angebot nur an aufschiebende Bedingungen geknüpft werden kann, die der Anbieter selbst nicht massgeblich beeinflussen kann. Die relevanten Kriterien für die (Un-)Zulässigkeit von Bedingungen sind somit einerseits deren aufschiebende Natur und andererseits die „massgebliche“ Beeinflussbarkeit des Eintritts der Bedingung durch den Bieter. II. Vergleich mit Entwurf Art. 15869 des Entwurfes der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote vom 22. Februar 1996 war insofern strenger als eine Beeinflussbarkeit der Bedingung870 diese bereits unzulässig machen sollte; eine Massgeblichkeit der Beeinflussung wie im geltenden Art. 13 UEV war nicht vorgesehen. Der 2. Satz von Art. 13 Abs. 1 der Übernahmeverordnung wurde bereits im Zusammenhang mit den Verhaltenspflichten des Bieters erörtert871. Er ist aber auch für die Frage der Zulässigkeit von Bedingungen von Bedeutung, da er Rückschlüsse auf das Zulässigkeitskriterium der massgeblichen Beeinflussbarkeit des Eintritts der Bedingungen gemäss erstem Satz geben kann872. Abs. 2 und Abs. 4 von Art. 13 UEV geben weitere Hinweise auf die aufschiebende Natur als Zulässigkeitskriterium für Bedingungen. Wie sich bereits aus Absatz 4873 ergibt, ist dieses Kriterium nicht streng zu handhaben; auflösende Bedingungen, über deren Ausfall erst nach Ablauf des Angebotes Klarheit bestehen wird, sind ebenfalls zulässig. Insofern ist auch die in Abs. 2874 von Art. 13 UEV gemachte und apodiktisch anmu869 870 871 872 873 874 Art. 15 E-UEV entspricht inhaltlich grosso modo dem Art. 13 der geltenden Fassung der Übernahmeverordnung. Art. 15 Abs. 1 E-UEV war insofern ungenau formuliert als von der Beeinflussbarkeit der Bedingung, nicht von deren Eintritt, die Rede war: „Das Angebot darf grundsätzlich nur an aufschiebende Bedingungen geknüpft werden, die der Anbieter selbst nicht beeinflussen kann.“ [Hervorhebung durch Verfasser] Vgl. § 3 C III.3 und § 3 C VI. Die entsprechende Bestimmung war im Entwurf der Übernahmekommission noch in einem eigenen Absatz 5 untergebracht, welcher wie folgt lautete: „Falls der Anbieter aufgrund der Art der aufschiebenden Bedingung einen gewissen Einfluss auf deren Eintritt oder Ausfall zu nehmen hat, muss der Anbieter alle ihm zumutbaren Massnahmen ergreifen, damit die Bedingung eintritt“. Die Änderungen in der geltenden Fassung von Art 13 Abs. 1 UEV dürften lediglich redaktioneller Natur sein. Art. 13 Abs. 4 UEV und Art. 15 Abs. 4 E-UEV lauten identisch. Die Norm des Entwurfes hat unverändert Eingang in die geltende Fassung gefunden. Abs. 2 von Art. 15 E-UEV lautete wie folgt: „Bei Ablauf des Angebotes muss Klarheit über die Erfüllung der Bedingungen bestehen.“ Die Änderungen in der geltenden Fassung dürften nur redaktioneller Art sein. Insbesondere kann aus dem endgültigen Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 („muss festgestellt werden“ anstatt „muss Klarheit bestehen“) keine neue Verpflichtung des Bieters abgeleitet wer- 162 tende Aussage zu relativieren, wonach bei Ablauf des Angebotes klar festgestellt werden müsse, ob die Bedingungen erfüllt sind. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die zentrale Norm für die Frage der Zulässigkeit im ersten Satz von Art. 13 Abs. 1 UEV zu finden ist. Die anderen Absätze von Art. 13 UEV regeln lediglich Modalitäten oder dienen als Auslegungshilfe. Die Kriterien der Zulässigkeit von Bedingungen werden nachfolgend im einzelnen anhand der Praxis der Übernahmekommission untersucht. Es wird dabei auf die Bedeutung der einzelnen Kriterien, deren Eignung sowie die Vor- und Nachteile der bestehenden Kriterienordnung eingegangen. E. Die Beschränkung auf “aufschiebende“ Bedingungen insbesondere I. Das Begriffspaar aufschiebend/auflösend Art. 13 Abs. 1 UEV will grundsätzlich nur „aufschiebende“ Bedingungen zulassen. Damit sind solche Bedingungen gemeint, die sich vor Ablauf der Angebotsfrist realisieren875. „Auflösend“ sind demgegenüber solche Bedingungen, deren Ausfall bzw. Eintritt erst nach Ablauf der Angebotsfrist feststeht876. Die Unterscheidung zwischen „aufschiebend“ und „auflösend“ nach Art. 13 UEV beruht somit auf einem zeitlichen Element877. Über die inhaltliche oder rechtsdogmatische Ausgestaltung der Bedingungen wird durch die Dichotomie aufschiebend/auflösend nichts ausgesagt. Die Unterscheidung beruht auf einem in dieser Arbeit abgelehnten Verständnis vom bedingten Vertragsschluss, wonach erst bei Eintritt der Mindestannahmebedingung ein Vertrag vorliegt878. Die aufschiebenden Bedingungen im Sinne von Art. 13 UEV müssen daher, wie schon dargelegt wurde, konsequent von den aufschiebenden Bedingungen bzw. Suspensivbedin- den. Die Pflicht zur Feststellung und Mitteilung des Eintritts der Bedingungen war bereits in Art. 47 E-UEV (entspricht dem heutigen Art. 44 UEV) enthalten. 875 Vgl. § 3 B III. Trotz des klaren Wortlautes wird man Bedingungen, die zwischen Ablauf der Angebotsfrist und Anzeige des Zwischenergebnisses (welche gemäss Art. 44 UEV anzugeben hat, ob die Bedingungen erfüllt sind) eintreten (werden), noch als aufschiebend bezeichnen können, wenn aus zeitlicher Sicht eine Bekanntgabe in der Anzeige des Zwischenergebnisses noch erfolgen kann. 876 Vgl. Art. 13 Abs. 4 UEV. 877 Vgl. zum Beispiel das Öffentliche Umtauschangebot vom 23.4.1999 in Sachen Kuoni Holdings Plc / Kuoni Reisen Holding AG. In dessen Ziffer B. 6 wird ausgeführt: „Bedingungen (c) und (d) gelten bis zum Ablauf der (allenfalls verlängerten) Angebotsfrist als aufschiebende Bedingungen gemäss Art. 13 Abs. 1 der Verordnung der schweizerischen Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote. Nach Ablauf der (allenfalls verlängerten) Angebotsfrist gelten die Bedingungen (c) und (d) als auflösende Bedingungen im Sinne von Art. 13 Abs. 4 der genannten Verordnung“. 878 Trotz eines bedingten Antrags kommt bei Akzept ein – wenn auch bedingter – Vertrag zustande. Es braucht dafür keine Erklärung des Bieters betreffend „Zustandekommen“, d.h. Erreichen der Annahmequote (vgl. § 2 C III). 163 gungen gemäss obligationenrechtlicher Terminologie unterschieden werden. Um diese Unterscheidung zu verdeutlichen, wird der Terminus „aufschiebend“ für die Unterscheidung nach Art. 13 UEV, und der Ausdruck „suspensiv“ für diejenige gemäss klassischer obligationenrechtlicher Dichotomie verwendet. II. Sinn einer Einschränkung auf aufschiebende Bedingungen Bei der aufschiebenden Bedingung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 UEV entscheidet sich deren Schicksal – Eintritt oder Ausfall – vor Ablauf der allenfalls verlängerten Angebotsfrist879. Damit wird es den Inhabern von Beteiligungspapieren ermöglicht, während der von Art. 14 Abs. 5 statuierten Nachfrist von 10 Börsentagen in Kenntnis darüber, ob die Bedingung eingetreten oder ausgefallen ist, über das Angebot zu entscheiden. Bei einer auflösenden Bedingung im Sinne von Art. 13 Abs. 4 UEV müssen die Angebotsempfänger demgegenüber in der Regel bereits dann über Annahme oder Ablehnung des Angebotes entscheiden, wenn sich das Schicksal der Bedingung noch nicht entschieden hat. Die Übernahmeverordnung möchte indessen so gut wie möglich gewährleisten, dass die Angebotsempfänger während der Nachfrist in Kenntnis der wesentlichen Entscheidungsgrundlagen, insbesondere aber in Kenntnis des Eintritts oder Ausfalls der vom Bieter gestellten Bedingungen, über die Annahme des Angebotes befinden können880. Daher stellt Art. 13 Abs. 1 UEV den Grundsatz auf, dass nur aufschiebende Bedingungen, also Bedingungen über deren Schicksal bei Ablauf der Angebotsfrist Gewissheit besteht881, zulässig sind. 879 880 881 Art. 13 Abs. 4 UEV e contrario. Die Angebotsfrist ist in Art. 14 UEV geregelt. Nach Art. 14 Abs. 3 UEV muss das Angebot grundsätzlich mindestens 20 Börsentage „offen bleiben“. Eine Verkürzung auf 10 Börsentage ist vorgesehen, wenn der Anbieter vor Veröffentlichung des Angebotes bereits die Mehrheit der Stimmrechte der Zielgesellschaft besitzt und der Bericht des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft im Angebotsprospekt veröffentlicht wird. Nach Art. 14 Abs. 4 UEV darf das Angebot maximal 40 Börsentage offen bleiben. Vgl. die Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 in Sachen Synthes-Stratec Inc./Stratec Holding AG: “The investor must be in a position to make an informed decision to tender his shares during the additional acceptance period upon expiry of the offer period and receipt of the interim result. The additional acceptance period allows the investor to re-evaluate his position when after the first offer period the offer has become unconditional as to the acceptance level“ (E. 3 der Empfehlung); Vgl. auch E. III der Empfehlung vom 12.6.1998 in Sachen Zurich Allied AG / Zürich. Die Beurteilung, ob eine Bedingung vor Ablauf der Angebotsfrist eintreten wird, muss bereits vor Veröffentlichung des Angebotsprospekts gemacht werden. Es kann daher durchaus vorkommen, dass eine intendierte aufschiebende Bedingung sich aufgrund von Verzögerungen erst nach Ablauf der Angebotsfrist realisieren wird bzw. deren Nichterfüllung erst nach Ablauf der Angebotsfrist festgestellt werden kann. In diesem Fall ist sicherlich die Übernahmekommission zu verständigen. Fraglich ist allerdings, ob diese Verzögerung die aufschiebende Bedingung einfach zur unzulässigen auflösenden Bedingung macht. Entscheidend für die Frage der Zulässigkeit ist die Betrachtung ex ante, d.h. vor Abgabe des Angebotes. Spätere Verzögerungen sollten daher nur dann zur Unwirksamkeit) der Bedingung führen, wenn mit der Bezeichnung als „aufschiebend“ eine klare, nicht erstreckbare Befristung des Bedingungseintritts verbunden ist (vgl. § 3 C VI. 3./4. m.w.H.). Es handelt sich dann um eine Unwirksamkeit durch Parteivereinbarung und nicht um eigentliche „Unzulässigkeit“. 164 Die geschilderte Begründung der grundsätzlichen Zulässigkeit von lediglich aufschiebenden Bedingungen ist auf die Mindestannahmebedingung (Minimum Limen Bedingung) zugeschnitten. Bei dieser Bedingung macht der Bieter das „Zustandekommen“ seines Angebotes von einer Mindest(prozent-)zahl Annahmeerklärungen durch die Inhaber von Beteiligungspapieren bis zum Ablauf der Annahmefrist abhängig. Ein gegen das Angebot eingestellter Adressat kann seine Annahmeerklärung verweigern und darauf hoffen oder gar Vorkehren treffen, dass andere Angebotsadressaten dasselbe tun. Bleibt ihr Widerstand erfolglos, weil der Bieter die von ihm gewünschte Zahl Annahmeerklärungen erzielt hat und somit die Minimum Limen Bedingung eingetreten ist, so gewährt ihnen die von Art. 14 Abs. 5 UEV verlangte Nachfrist die Möglichkeit, in Kenntnis des Eintritts der Bedingung bzw. der nun unausweichlichen Durchführung des Angebotes ihre Beteiligungspapiere anzudienen. Die Tatsache, dass sich Ausgang der Bedingung über die Mindestannahmequote (Minimum Limen Bedingung) bis zum Ablauf der Angebotsfrist entschieden haben muss, ist aber nicht ein Gebot von Art. 13 Abs. 1 UEV, sondern ergibt sich bereits aus der Ausgestaltung einer solchen Bedingung. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Anzahl der gültigen Annahmeerklärungen bei Ablauf der Angebots- bzw. Annahmefrist feststeht. Eine Pflicht zur Ausgestaltung als aufschiebende Bedingung wie in Art. 13 Abs. 1 UEV ist für die Minimum Limen Bedingung daher gar nicht notwendig882. Mit Ausnahme der Minimum Limen Bedingung können die meisten anderen Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten naturgemäss sowohl als aufschiebend wie auch als auflösend ausgestaltet werden. Es geht ja bei dieser Unterscheidung lediglich um den Zeitpunkt des Eintritts bzw. Ausfalls der Bedingung. Für diese Bedingungen verlangt Art. 13 Abs. 1 UEV, dass sie grundsätzlich als aufschiebend auszugestalten sind, auflösende Bedingungen sind aber gleichwohl möglich. Zu beachten ist, dass die Bezeichnung als aufschiebend oder auflösend erst im Angebotsprospekt, nicht schon in der Voranmeldung zu erfolgen hat. III. Zulassung auflösender Bedingungen als Ausnahme Wie bereits aus Art. 13 Abs. 4 UEV hervorgeht, sind auflösende Bedingungen, d.h. Bedingungen, über deren Schicksal erst nach Ablauf der Angebotsfrist Klarheit besteht, nicht schlechthin unzulässig. Solche Bedingungen sind gemäss dieser Bestimmung an das Einverständnis der Übernahmekommission geknüpft. Das Einverständnis wird nach einer von der UEK wiederholt verwendeten Formel dann erteilt, wenn die Vorteile der auflösenden Bedingung für den Bieter die 882 Immerhin könnte man argumentieren, die Minimum Limen Bedingung könne auch erst bei Ablauf der Nachfrist erfüllt sein. Dies wäre aber mit dem Wesen der Nachfrist nicht vereinbar (vgl. dazu § 16 (2) des deutschen Übernahmegesetzes). 165 Nachteile für die Angebotsempfänger überwiegen883. Die einzelnen Entscheide der Übernahmekommission weisen jedoch beträchtliche Unterschiede in der Analyse der Zulässigkeit dieser Bedingungen auf. Vor allem die Genehmigung der Übernahme durch Wettbewerbsbehörden wird als auflösende Bedingung ausgestaltet, da die Verfahren vor diesen Behörden sich über längere, meist nicht im voraus bestimmbare Zeit hinziehen können884. Auch eine Bedingung, wonach ein Umtauschangebot vor Ankündigung des Vollzuges weder ganz noch teilweise durch Gesetzesbestimmungen, Gerichtsurteile und Handlungen öffentlicher Behörden oder ähnlicher Umstände verunmöglicht würde, wurde als zulässige auflösende Bedingung angesehen885. Die Begründung der Übernahmekommission im Fall New ABB Ltd. lautete wie folgt886: „Condition (c) concerns regulatory matters which are likely not to be resolved within the maximum offer period of 40 trading days of Art. 14.4 OTB. The offeror, therefore, has an interest to draft this condition as resolutory in its exchange offer. This should not have any material adverse consequence for the recipients of the offer, whose decisions during the additional acceptance period should not be influenced by the fulfillment of this condition.“ Die UEK äusserte sich nicht zur Notwendigkeit einer solchen Bedingung im Angebot der New ABB Ltd. Sie stellte lediglich fest, dass die zur Bedingung erhobenen regulatorischen Hürden kaum vor Ablauf einer maximalen Angebotsfrist genommen sind. Dies war ausreichend, um dem Bieter ein Interesse an der Ausgestaltung dieser Bedingung als auflösend zu bescheinigen. Dieses Interesse wurde sodann gegen den Nachteil der Angebotsempfänger abgewogen, über das Angebot in Unkenntnis des Eintritts oder Ausfalls der Bedingung zu entscheiden. Dieser Nachteil wurde nicht für so gewichtig erachtet, die Entscheidung der 883 884 885 886 Vgl. zum Beispiel die Empfehlung der UEK vom 12. Juni 1998 in Sachen Zurich Allied AG / Zürich E. III; Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 in Sachen New ABB Ltd / ABB AG E. 3; Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 in Sachen Synthes-Stratec, Inc. / Stratec Holding AG E. 3; Empfehlung der UEK vom 20. April 1999 in Sachen Kuoni Holdings Plc / Kuoni Reisen Holding AG E. 4; Empfehlung der UEK vom 7. Oktober 1999 in Sachen LVMH Moet Hennessy Louis Vuitton SA / TAG Heuer International SA E. 4. Vgl. auch VON DER CRONE, Unternehmensübernahmen, S. 171. Vgl. zum Beispiel das öffentliche Umtauschangebot der Kuoni Holdings Plc für die Namenaktien A und B der Kuoni Reisen Holding AG vom 23. April 1999. Die Bedingung betreffend „Genehmigung“ der Übernahme durch Wettbewerbsbehörden gilt nach Ablauf der (allenfalls) verlängerten Angebotsfrist als äuflösende Bedingung im Sinne von Art. 13 Abs. 4 UEV (vgl. Ziff. B 6. des Angebotsprospektes). Vgl. das Umtauschangebot der New ABB Ltd. für alle Namen- und Inhaberaktien der ABB Ltd. vom 26. März 1999 Ziff. B. 6d. und die Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 E.3. Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird diese Bedingung bzw. Zusicherung mit „no injunctions or prohibitions“ umschrieben. Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 New ABB Ltd./ABB E. 3. 166 Angebotsadressaten zu beeinflussen. Die Übernahmekommission liess daher diese Bedingung der New ABB Ltd. im Angebotsprospekt zu887. Beispiele für andere auflösende Bedingungen finden sich im Angebot der Synthes-Stratec für die Namenaktien B der Stratec Holding AG888. In diesem Fall wurde unter anderem die Zulassung der Aktien der neuen Obergesellschaft zum Handel an der Börse als auflösende Bedingung ausgestaltet. Ausserdem wurden die Richtigkeit von gegebenen Zusicherungen im Zusammenschlussvertrag („accuracy of representations and warranties“) und das Fehlen wesentlicher, nachteiliger Auswirkungen („no material adverse effect“) als auflösende Bedingungen des Kaufangebotes ausgestaltet889. Damit konnte der Zusammenschluss zwischen Synthes und Stratec bis zum Vollzugsdatum theoretisch noch scheitern, womit das bereits angenommene Übernahmeangebot hinfällig geworden wäre. Die Übernahmekommission hat die genannten auflösenden Bedingungen für zulässig erachtet890. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die betreffenden Bedingungen durch den Bieter nicht (entscheidend) beeinflusst werden könnten891. Im Gegensatz zur Empfehlung in Sachen ABB Ltd. wurden keine Ausführungen dar887 Ganz ähnlich war bereits die Argumentation der UEK im Fall Zurich Allied AG / Zürich: „The purpose of this rule [i.e. Art. 13 UEV] is to allow the recipients of the offer to make an informed decision during the additional acceptance period provided for by Art. 14.5 TOO. Consequently, the Board will approve resolutory conditions only if the advantages of such conditions for the offeror outweigh its disadvantages for the recipients of the offer and for the offeree.“ Die UEK führte weiter aus, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall gegeben sei, da die für Vollzug des Zusammenschlussvertrages notwendigen Bedingungen nicht innert der maximalen Frist von 40 Handelstagen gemäss Art. 14 Abs. 5 UEV erfüllt werden könnten. Der Bieter habe ein Interesse daran, die Bedingungen auflösend auszugestalten. Sie schloss: „Such a solution should not have any material adverse consequence for the recipients of the offer, whose decision during the additional acceptance period should not be influenced by the fulfilment or the non fulfilment of conditions of the kind set forth in the merger agreement.“ (E. III der Empfehlung der UEK vom 12. Juni 1998). Vgl. auch die Empfehlung der UEK vom 7. Oktober 1999 in Sachen LVMH Moet Hennessy Louis Vuitton SA / TAG Heuer International SA E. 4. 888 Vgl. das Öffentliche Umtauschangebot vom 31. März 1999 (insbesondere Ziff. A 9.) und die Empfehlung der UEK vom 26. März 1999. 889 Vgl. dazu auch die Empfehlung der UEK in Sachen Zurich Allied AG / Zürich vom 12. Juni 1998 (E. III): „ZA’s exchange offer is subject to the resolutory condition that all conditions necessary to the completion of the merger agreement, such as the granting of the regulatory or tax clearances or the absence of material adverse changes of situation, have been fulfilled or waived“. Vgl. dazu die Ausführungen in § 4 G VI. 890 Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 in Sachen Synthes-Stratec Inc./Stratec Holding AG E. 3. 891 Betreffend der Bedingung der Zulassung der Synthes-Stratec Aktien zum Handel an der SWX Swiss Exchange hat die Übernahmekommission ausgeführt (E. 3 der Empfehlung vom 26. März 1999): „This condition is not in the offeror’s decisive control and it is in the shareholders‘ best interest to receive equity securities in exchange that are also listed on the Swiss Exchange.“ Betreffend die Bedingung des „no material adverse effect“ war die UEK ebenfalls der Ansicht, dass angesichts der Grössenordnung der verlangten negativen Auswirkung (USD 150 Millionen) nicht von einer Beeinflussung durch den Bieter ausgegangen werden könne. Zweifel sind da zumindest in Bezug auf die Beinflussung der Kotierung von Aktien der neuen Muttergesellschaft angebracht. Diese Bedingung kann m.E. sehr wohl vom Bieter als neuer Muttergesellschaft entscheidend beeinflusst werden. Ebenso PELTZER S. 203 unter Kritik des EU Richtlinienentwurfs von 1990, welcher in Art. 13 Abs. 1c) für den gleichen Tatbestand dem Bieter eine Rücknahmerecht gewährte. Dies bedeutet aber nach hier vertretener Auffassung nicht eo ipso die Unzulässigkeit der Bedingung (vgl. § 4 F). 167 über gemacht, ob die Empfänger des Angebots bei der Ausgestaltung des Angebots mit auflösenden Bedingungen in der Lage seien, eine informierte Entscheidung zu treffen bzw. ob ihnen zugemutet werden könne, in Unkenntnis über den Eintritt oder Ausfall der Bedingung über das Angebot zu entscheiden. Sie hat sich darauf beschränkt, zu überprüfen, ob die Bedingungen im Sinne von Art. 13 UEV nicht massgeblich durch den Bieter beeinflusst werden können. Auch beim Angebot der Kuoni Holdings Plc für die Aktien der Kuoni Reisen Holding AG hat sich die Übernahmekommission mit der summarischen Begründung der fehlenden Beeinflussbarkeit begnügt, ohne spezifische Zulässigkeitsvoraussetzungen für auflösende Bedingungen zu erwähnen892. In neueren Entscheiden ist die Übernahmekommission gar von der generellen Zulässigkeit einer auflösenden Bedingung betreffend wettbewerbsrechtliche Genehmigungen bzw. Freistellungsbescheinigungen ausgegangen, ohne die Beeinflussbarkeit der Bedingung, das Vorliegen einer informierten Entscheidung oder die Interessenlage zu prüfen, verlangt aber vom Bieter die Festlegung einer angemessenen Zeitspanne, innert welcher die Erfüllung der Bedingung erfolgen soll893. Eine etwas restriktivere Praxis hat die Übernahmekommission im Fall Incentive / Sulzer eingeleitet. Zwar liess sie auch dort zahlreiche auflösende Bedingungen zu, so beispielsweise die Bedingung der Ausschüttung von Medica Aktien durch die Sulzer GV, der Abwesenheit einer substanziellen Dividende der Sulzer Medica sowie die Abwesenheit von gewissen Abwehrmassnahmen und bedeutenden Kapitaltransaktionen894 sowie die Abschaffung der Vinkulierungsbestimmungen und die Änderung der Statutenbestimmung über den Verwaltungsrat895. Jedoch legte sie dem Bieter nahe, eine spezifische „material adverse change“ Bedingung betreffend Abwesenheit bedeutender Klagen gegen die Sulzer als aufschiebend auszugestalten896. Dies widerspricht der grosszügigen Zulassung wenig spezifizierter, aber vergleichbarer Bedingungen in früheren Empfehlun- 892 893 894 895 896 Im Falle Kuoni Holdings Plc / Kuoni Holding Reisen AG waren die Genehmigung durch Wettbewerbsbehörden, die Annahme des synchronen und konnexen Angebotes für die Titel der First Choice, aber auch die Herabsetzung des Aktienkapitals und die Aufhebung der statutarischen Stimmrechtsbeschränkungen durch die Generalversammlung der Kuoni Holding Reisen AG als auflösende Bedingungen zugelassen worden (vgl. Ziff. B. 6. des Angebotsprospektes vom 23. April 1999 und E. 4 der Empfehlung der UEK vom 20. April 1999). Empfehlung der UEK vom 15. Dezember 2000 in Sachen Ems-Chemie Holding AG / Axantis Holding AG E. 2: „Die auflösende Bedingung, dass die zuständigen in- und ausländischen Behörden alle für die Übernahme der Axantis durch Ems erforderlichen Bewilligungen und/oder Freistellungsbescheinigungen erteilen, ohne einer Partei irgendwelche wesentlichen Bedingungen, Auflagen oder Verpflichtungen aufzuerlegen, ist gemäss ständiger Praxis der Übernahmekommission dann zulässig, wenn deren Erfüllung innerhalb einer angemessenen vom Bieter zu definierenden Zeitspanne erfolgt (Empfehlung in Sachen Esec Holding AG vom 3. Juli 2000 E. 3.2)“. Vgl. auch die Empfehlung der UEK vom 11. April 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E. 8.12) und die Ausführungen in § 3 C. IV. 3./4. m.w.H. Vgl. die Empfehlung der UEK vom 11. April 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E. 8 sowie die in § 4 G. dargestellte Kasuistik. Diese Bedingungen galten bis zum Ablauf der Angebotsfrist als „aufschiebend“. Empfehlung der UEK vom 19. März 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E. 5 168 gen. Zugelassen hat die Übernahmekommission demgegenüber eine auflösende Bedingung, wonach keine Verfügungen vorliegen, welche einen Generalversammlungsbeschluss zur Schaffung von genehmigtem Kapital zwecks Bedienung des Umtauschangebotes für ungültig erklären897. IV. Folgerungen Wie aus der vorangegangen Schilderung hervorgeht, traut auch die Übernahmekommission den Angebotsadressaten durchaus zu, eine Entscheidung über die Annahme eines Angebotes vor Eintritt aller Bedingungen zu treffen. Dies gilt für die bislang grosszügige Gewährung auflösender Bedingungen für Akzepte während der Nachfrist. Vor allem gilt dies aber für die Annahme während der Angebotsfrist, wo in der Regel bereits die Mehrheit der Aktionäre ihre Bestände andienen. Zwar ist die Frage des Bedingungseintritts bzw. Ausfalls zum Beispiel bei einer kartellrechtlichen Genehmigung für die Angebotsadressaten durchaus von Relevanz, doch dürfte das Schicksal dieser Bedingung für die Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots praktisch keine Rolle spielen898. Der Grund liegt wohl unter anderem darin, dass diese Genehmigung aufgrund eines Vertrauens in die Planung des Bieters durch die Angebotsadressaten weitgehend antizipiert wird899. Diese Beobachtung dürfte für die meisten auflösenden, d.h. nach Ablauf der Angebotsfrist eintretenden Bedingungen gelten900. Falls die Bedeutung einer Bedingung für die Entscheidung über eine Annahme des Angebotes so gering ist und der Mehrheit der Adressaten ohnehin zugemutet wird, in Unkenntnis über den Eintritt der Bedingung eine Veräusserungsentscheidung zu treffen, sollte das Argument der informierten Entscheidung für die Frage der Zulässigkeit von Bedingungen nicht verwendet werden. Es ist ohnehin nicht geeignet, zulässige auflösende Bedingungen von unzulässigen auflösenden Bedingungen zu unterscheiden. Die Übernahmekommission nimmt für die Prüfung der Zulässigkeit eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen vor. Eine auflösende Bedingung soll zulässig sein, wenn die Vorteile für den Bieter die Nachteile für die Angebotsempfänger überwiegen. Was bedeutet dies konkret z.B. bei einer Bedingung der Genehmigung durch Wettbewerbsbehörden? Der grösste Vorteil für den Bieter liegt sicher dann vor, wenn er einen Ausstieg aus dem Angebot bereits bei 897 898 899 900 Empfehlung der UEK vom 16. Mai 2001 i.S. Schweizer Mustermesse AG / Messe Zürich AG für internationale Fachmessen und Spezialausstellungen E. 4.2. So auch die UEK in der Empfehlung vom 26. März 1999 in Sachen New ABB Ltd./ABB AG E. 3. Gleich dürfte es sich für ein Person verhalten, die sich für einen Arbeitsvertrag entscheiden muss, aber eine Arbeitsbewilligung benötigt. Sofern die Bewilligung nicht geradezu unwahrscheinlich erscheint, dürften die Parameter des Arbeitsvertrages weit wichtiger sein. Sie gilt freilich nicht für die Mindestschwellen- (Minimum Limen) Bedingung, die aber aufgrund ihrer Natur gar nicht als auflösend ausgestaltet werden kann und für Fälle des „material adverse change“ durch höhere Gewalt. 169 Vorliegen irgendeiner Auflage vornehmen kann. Dies entspricht der Variante mit dem „grössten“ Nachteil für die Angebotsadressaten. Sofern ein Ausstieg des Bieters nur bei wesentlichen Auflagen zugelassen ist, kommt dies einem Nachteil für den Bieter und einem Vorteil für die Angebotsadressaten gleich. Nach der von der UEK verwendeten Formel des Überwiegens der Vorteile des Bieters gegenüber den Nachteilen der Angebotsempfänger müsste man wohl die erste Variante bevorzugen oder würde zumindest nicht klar die zweite Variante favorisieren. Selbst wenn man aufgrund der verwendeten Beurteilung die zweite Variante bevorzugen sollte, bewirkt diese Formel, dass die meisten Bedingungen sowohl als auflösend wie auch als aufschiebend ausgestaltet werden können, je nach Höhe der Schwellenwerte für den Ausstieg, etwa im genannten Beispiel der Abwesenheit von bedeutenden Klagen gegen die Sulzer. Bei entsprechend hohen Schwellenwerten kippt die Waage zugunsten Zulässigkeit, da der Eintritt dieser Bedingungen unwahrscheinlich ist, was für die Angebotsempfänger vorteilhaft ist901. Aus Billigkeitserwägungen mag man dem zustimmen, konzeptionell vermag dieser Ansatz m.E. jedoch nicht zu überzeugen. Die neuere Praxis der Übernahmekommission deutet denn auch in eine andere Richtung. Die in Ziffer III. zuletzt genannten Beispiele vor allem aus dem Fall Incentive / Sulzer scheinen viel mehr auf einer Allokation von Risiken zu beruhen, was nach der hier vertretenen Ansicht zu begrüssen wäre. Die UEK geht offenbar davon aus, dass Risiken des Erwerbsvorgangs soweit sie auf ein Verhalten der Zielgesellschaft zurückgehen, mittels auflösender Bedingungen abgesichert werden können. Dasselbe gilt für andere Risiken des Erwerbsvorgangs, nicht jedoch für Verschlechterungen der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft, die nicht auf Abwehrmassnahmen zurückzuführen sind, also beispielsweise die Einreichung von Klagen gegen die Zielgesellschaft oder ein Terroranschlag. Sollte sich diese Praxis verfestigen, läuft dies auf einen (zwangsweisen) Übergang von Nutzen und Gefahr auf den Bieter bei Ablauf der Angebotsfrist hinaus. Ab diesem Zeitpunkt muss er für auf (vorwiegend) exogene Faktoren zurückzuführende Veränderungen der wirtschaftlichen Substanz das Risiko tragen. Dies erscheint nicht gerechtfertigt, da er in diesem Zeitpunkt noch nicht den Verwaltungsrat stellt und damit auch nicht für die Abwendung dieser Risiken verantwortlich ist. M.E. wäre es nur dann gerechtfertigt, das Risiko eines solchen „material adverse change“ bereits bei Ablauf der Angebotsfrist auf den Bieter übergehen zu lassen, wenn er in diesem Zeitpunkt den Verwaltungsrat stellt. Vorausgesetzt ist freilich, dass der entsprechende Schwellenwert zu einem Ausstieg genügend hoch ist. In den meisten Fällen hat der Bieter ohnehin keine Wahl, ob er die Bedingung als auflösend oder aufschiebend ausgestalten möchte, denn dies wird durch den 901 Eine unwahrscheinliche Bedingung ist selbstverständlich nur dann ein Problem, wenn der Bieter sich damit einen Ausstieg offenhalten will, nicht jedoch wenn bei Eintritt der Bedingung der Vertrag wirksam wird. 170 technischen Ablauf der Übernahme vorgegeben902. Die grundsätzliche Beschränkung der „Zulässigkeit“ auf aufschiebende Bedingungen sollte daher als Verhaltensanweisung an den Bieter aufgefasst werden, soweit deren Eintritt bzw. Ausfall von ihm in zeitlicher Hinsicht beeinflusst werden kann. Falls der Bieter den Eintritt oder Ausfall der Bedingung mit zumutbarem Aufwand vor Ablauf der Angebotsfrist legen kann, hat er dies zu tun. Insofern besteht eine entsprechende börsengesetzliche Verpflichtung des Bieters. Sofern dies nicht möglich oder mit vertretbarem Aufwand zumutbar ist, sollte die erwähnte Allokation der Risiken vorgenommen werden. Aus Sicht der Übernahmekommission ist die Unterscheidung in auflösende und aufschiebende Bedingungen insofern erwünscht, als ihr damit ein zusätzliches (Un-) zulässigkeitskriterium zur Verfügung steht und sie gemäss Praxis die auflösenden Bedingungen vorgängig genehmigen kann bzw. muss. Sicherlich fördert dies die Lauterkeit von Übernahmeangeboten. Dennoch muss man sich fragen, weshalb Art. 13 UEV der Unterscheidung zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen so grosse Bedeutung beimisst, wenn die Mehrheit der Adressaten ohnehin in Unkenntnis über Eintritt der Bedingung über das Angebot entscheiden müssen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Feststellung, dass – soweit ersichtlich – kein anderes Land ein derartiges Zulässigkeitskriterium kennt903. Die Unterscheidung beruht zudem auf einem problematischen und in dieser Arbeit widerlegten Verständnis des Vertragsschlusses mittels bedingtem Angebot. Wie gesehen spielt sie auch in der Praxis der UEK eine untergeordnete Rolle. Anstatt von einem Zulässigkeitskriterium sollte man entweder von einer Verpflichtung des Bieters ausgehen, im Rahmen des Zumutbaren eine Bedingung als aufschiebend auszugestalten oder offen eine Allokation der Risiken vornehmen. Auch verfahrensrechtlich besteht, wie nachfolgend gezeigt wird, kein wirklicher Unterschied zwischen einer aufschiebenden und einer auflösenden Bedingung. Erschwerend kommt hinzu, dass die Terminologie nicht mit derjenigen des Obligationenrechts übereinstimmt und dadurch Verwirrung stiftet. Daraus folgt, dass man das von Art. 13 UEV statuierte Zulässigkeitskriterium de lege ferenda ohne weiteres aufgeben könnte. Eine Regelung der Befristung des Bedingungseintritts bzw. Ausfalls, welche m.E. auch aus dem Grundsatz der Lauterkeit hergeleitet werden könnte, würde vollkommen genügen. Das Begriffspaar aufschiebend/auflösend sollte auf jeden Fall aufgegeben werden. 902 903 Aus praktischer Sicht ist für ihn jedoch wichtig, dass er bei plausibler Begründung für die Wünschbarkeit einer auflösenden Bedingung bei der Übernahmekommission auf Verständnis stossen wird. Der City Code nimmt immerhin eine Spezialregelung für „acceptance conditions“ (Mindestschwellen-bedingungen) für Offerten auf über 50% der Stimmrechte einer Zielgesellschaft in Rule 10 vor. Diese Norm kann aber nicht mit dem schweizerischen Zulässigkeitskriterium der aufschiebenden Natur der Bedingung verglichen werden. In § 16 (2) des deutschen Übernahmegesetzes wird zwar eine Nachfrist statuiert, dennoch wird keine vergleichbare Unterscheidung (auflösend/aufschiebend) bei den Bedingungen gemacht. 171 V. Verfahrensfragen Gemäss Art. 13 Abs. 4 kann das Angebot mit dem Einverständnis der Übernahmekommission auch an auflösende Bedingung geknüpft werden904. Diese Bestimmung scheint es nahezulegen, dass derjenige Bieter, der sein Angebot mit auflösenden Bedingungen ausstatten möchte, vorgängig ein Gesuch bei der UEK um Zulassung der auflösenden Bewilligung einzureichen hat905. Bei näherem Hinsehen lässt sich jedoch weder eine Pflicht zur Einreichung eines Gesuches bei der UEK, noch eine Unterbreitung der auflösenden Bedingungen vor Publikation des Angebotes aus dem Verordnungstext herleiten. Es wird lediglich das Einverständnis der Übernahmekommission gefordert, aber nicht spezifiziert, wann dieses vorliegen muss. Damit ist es m.E. nicht ausgeschlossen, dass dieses Einverständnis auch ex post, d.h. nach Publikation des Kaufangebotes erteilt werden kann. Andernfalls würden insbesondere feindliche Angebote wegen des der Zielgesellschaft eingeräumten rechtlichen Gehörs allzu stark erschwert. Ist aber eine ex-post Prüfung durch die Übernahmekommission bei auflösenden Bedingungen möglich, so besteht verfahrensrechtlich aber kein Unterschied zu aufschiebenden Bedingungen, zu deren Zulässigkeit sich die UEK ja ebenfalls äussern muss. F. “Keine massgebliche Beeinflussung durch Anbieter” insbesondere I. Motive der Regelung Art. 13 UEV stellt hinsichtlich der Zulässigkeit von Bedingungen bei einem öffentlichen Kaufangebot noch eine weitere Hürde auf906. Neben der bereits erörterten grundsätzlichen Einschränkung auf aufschiebende Bedingungen verlangt Abs. 1 dieser Bestimmung zudem, dass das Angebot nur an Bedingungen geknüpft werden darf, die der Bieter nicht selbst massgeblich907 beeinflussen kann908. Art. 13 Abs. 1 UEV will mit der Unzulässigkeit „massgeblich beein- 904 905 906 907 908 So auch die Empfehlung der UEK in Sachen Zurich Allied / Zürich vom 12. Juni 1998 (E.III): „An offer may be made subject to resolutory conditions (i.e. conditions which may be fulfilled once the first acceptance period has expired) only with the approval of the Takeover Board.“ Vgl. dazu Art. 35 Abs. 1 BEHV-EBK betreffend Pflichtangebote (vgl. hinten § 5 G). Vgl. dazu schon die BOTSCHAFT zum BEHG: “Das Angebot darf nur solchen Bedingungen unterstellt werden, auf die der Anbieter selbst nicht Einfluss nehmen kann“ (BOTSCHAFT Ziff. 25.2 S. 44). Strenger war der Wortlaut von Ziff. 3.2 des Übernahmekodex, an den sich die Regelung in der UEV anlehnt. Danach durfte das Angebot nur an Bedingungen geknüpft werden, die der Bieter nicht selbst beeinflussen kann (in diesem Sinne noch die BOTSCHAFT, vgl. die vorangehende Fussnote). In der heute geltenden Regelung wird die „Massgeblichkeit“ des Einflusses für die Unzulässigkeit verlangt. Das Verbot von „massgeblich beeinflussbaren“ Bedingungen bezieht sich jedenfalls nicht nur auf „aufschiebende Bedingungen“, wie der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 UEV allenfalls nahelegen könn172 flussbarer“ Bedingungen nicht Bedingungen schlechthin verhindern, sondern lediglich die Willkür des Bieters ausschalten bzw. dessen Ernsthaftigkeit fordern909. Im allgemeinen kommt ein öffentliches Kaufangebot angesichts der damit verbundenen Planung und den Kosten für Berater seitens des Bieters nur nach ausgiebiger Entscheidfindung zustande und mündet in entschlossenes, ernsthaftes Vorgehen. Doch gibt es immer wieder Umstände, die ein Angebot nach Abgabe weniger vorteilhaft erscheinen lassen und niemand ist gegen einen Sinneswandel gefeit. Der Anbieter kann daher versucht sein, sich einen Ausstieg aus dem Angebot vorzubehalten. Einen besonders einfachen Weg zu einem solchen Ausstieg böten die von ihm leicht beeinflussbaren Bedingungen an, an welche er sein Angebot knüpfen könnte. Mit der Unzulässigkeit vom Bieter massgeblich beeinflussbarer Bedingungen möchte daher Art. 13 Abs. 1 UEV jeden Versuch der das Angebot lancierenden Gesellschaft unterbinden, sich einen solchen Ausstieg zulasten der Angebotsempfänger offenzuhalten910. II. Die von der Regelung erfassten Personen Zulässig sind nach Art. 13 UEV Abs. 1 UEV nur solche Bedingungen, „deren Eintritt der Anbieter selbst nicht massgeblich beeinflussen kann“. E contrario unzulässig sind damit Bedingungen, die der Bieter selbst massgeblich beeinflussen kann. Art. 13 UEV Abs. 1 UEV erwähnt zwar nur die Beeinflussbarkeit durch den Bieter selbst, doch gelten die Pflichten des Anbieters nach Art. 24 Abs. 3 BEHG auch für alle mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnde Personen911. Dieser Einbezug beruht auf dem Gedanken, dass die Beeinflussung nicht nur direkt, sondern auch indirekt, über verbundene Drittpersonen erfolgen 909 910 911 te, sondern ganz allgemein auf Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten (Vgl. die Empfehlung der UEK vom 12. Juni 1998 in Sachen Zurich Allied AG / Zürich E. III.; so schon BERNET S. 186f.). Vgl. dazu General Principle 5 des City Code: „An offeror should only announce an offer after the most careful and responsible consideration. Such an announcement should be made only when the offeror has every reason to believe that it can and will continue to be able to implement the offer: responsibility in this connection also rests on the financial adviser to the offeror”. Die Angebotsempfänger sollen mit anderen Worten darauf vertrauen dürfen, dass der Bieter sein Angebot nicht wieder eigenmächtig in Frage stellen kann (so BERNET S. 186). Vgl. auch § 18 Abs. 1 des deutschen Übernahmegesetzes: „Das Angebot darf nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden, deren Eintritt der Bieter, mit ihm gemeinsam handelnde Personen oder deren Tochterunternehmen oder im Zusammenhang mit dem Angebot für diese Personen oder diese Unternehmen tätige Berater ausschliesslich selbst herbeiführen können“. In Bezug auf die Beeinflussbarkeit ähnlich ist auch § 8 des österreichischen Übernahmegesetzes: „Eine Bedingung des Angebotes und ein Vorbehalt des Rücktritts sind nur zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind, insbesondere wenn sie auf Rechtspflichten des Bieters beruhen, oder der Eintritt der Bedingung oder die Geltendmachung des Rücktrittsrechtes nicht ausschliesslich vom Ermessen des Bieters abhängt“. Vgl. auch Rule 13 des City Code. So ausdrücklich § 18 Abs. 1 des deutschen Übernahmegesetzes (Vgl. auch die nachfolgend erwähnte Konkretisierung in Art. 11 und 12 UEV. Art. 12 Abs. 2 stellt dabei klar, dass grundsätzlich keine Pflicht der mit dem Anbieter zusammenwirkenden Personen besteht, den Angebotspreis zu bezahlen). 173 kann. Grundsätzlich kann man aufgrund Art. 12 Abs. 1 lit. d. UEV912 davon ausgehen, dass alle mit dem Bieter in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe handelnde Personen von Art. 13 Abs. 1 UEV erfasst werden und deren Einfluss dem Bieter zugerechnet werden kann. Nach ständiger Praxis der Übernahmekommission gilt dies vor allem für die Mitglieder des Konzerns des Bieters913, aber beispielsweise auch für die Gründer einer zwecks Angebotsunterbreitung gegründeten Gesellschaft914. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Empfehlung der UEK in Sachen Kuoni Holdings Plc / Kuoni Holding Reisen AG915. Die Übernahmekommission untersuchte dabei zunächst die Frage, ob die Bedingung der Mindestannahmeschwelle (acceptance level; MinimumLimen) von 80% aller ausgegebenen Namenaktien von der Bieterin beeinflussbar sei. Der Vertreter einer mit der Bieterin in gemeinsamer Absprache handelnden Stiftung und gleichzeitig designiertes VR-Mitglied der Bieterin Kuoni Holdings Plc legte der UEK eine Bestätigung vor, wonach er an der Entscheidfindung der Stiftung über Annahme oder Ablehnung des Umtauschangebotes der Bieterin nicht teilhaben werde. Die Übernahmekommission hielt die Minimum Limen Bedingung gestützt darauf als nicht von der Bieterin massgeblich beeinflussbar. Die im selben Entscheid von der Bieterin ebenfalls gestellte Bedingung, wonach die Generalversammlung der Zielgesellschaft einer Kapitalherabsetzung und der Abschaffung der statutarischen Stimmrechtsbeschränkung zustimmen müsse, wurde von der UEK ebenfalls als von der Bieterin nicht massgeblich beeinflussbar angesehen916. Sie kam zu diesem Schluss obwohl die Hugentobler Stiftung als alleinige Eigentümerin aller Namenaktien A der Kuoni Reisen Holding AG und somit Inhaberin von mindestens 25% der Stimmen der Zielgesellschaft als mit der Bieterin in gemeinsamer Absprache handelnde Person qualifiziert wurde. Da auch der Verwaltungsrat der Kuoni Reisen Holding AG als ein mit der Bieterin in gemeinsamer Absprache handelndes Organ angesehen werden musste, kann man zum Schluss kommen, dass die Entscheidungen der Generalversammlung der Zielgesellschaft in diesem Fall doch stark von der Bieterin beeinflusst werden konnten. Es hätte daher in casu m.E. wenn nicht eine gegenteilige Empfehlung erlassen, 912 913 914 915 916 Nach Art. 12 Abs. 1 lit. d. UEV müssen Personen, die mit dem Anbieter zusammenwirken (der Gesetzestext von Art. 12 UEV verweist dabei auf das Handeln in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe gemäss Art. 11 UEV, der seinerseits auf Art. 15 Abs. 1 und 2 BEHV-EBK weiterverweist) die Regeln über die Lauterkeit nach Art. 13 UEV einhalten. Vgl. zum Beispiel die Empfehlung der UEK vom 3. Juli 2000 in Sachen Unaxis Holding AG / Esec Holding AG E. 2.1. Empfehlung der UEK vom 5. Mai 1999 in Sachen IMG Fondation de Placements Immobiliers / Societé Immobilière Genevoise E. 3. Empfehlung der UEK vom 20. April 1999 in Sachen Kuoni Holdings Plc / Kuoni Holding Reisen AG E. 4. Die Begründung der UEK lautete wie folgt: „Condition b): The required passing of resolutions by the general meeting to be held on 11 May 1999 or at any adjournments thereof of the shareholders of Kuoni is not likely to be decisively influenced by the offeror. Therefore, this condition is permissible.“ (E. 4 der Empfehlung der UEK vom 20. April 2000). 174 so doch eine vertiefte Untersuchung der Beeinflussbarkeit der zur Bedingung erhobenen Generalversammlungsbeschlüsse vorgenommen werden sollen. Aus dem Gesagten ergibt sich zwangsläufig die Frage, ob nicht auch die Zielgesellschaft bei einem freundlichen Angebot im Hinblick auf die Beeinflussbarkeit von Bedingungen als mit dem Bieter in gemeinsamer Absprache handelnde Person zu betrachten ist. Gemäss Praxis der Übernahmekommission ist auch die Zielgesellschaft als mit dem Bieter in gemeinsamer Absprache handelnde Person zu qualifizieren, wenn ein Vertrag bezüglich Unterbreitung einer Offerte abgeschlossen wurde917 oder der Bieter die Zielgesellschaft im Zeitpunkt des Angebotes bereits beherrscht918. Die Pflicht zur Einhaltung der Regeln über die Lauterkeit und damit auch die Beachtung von Art. 13 UEV ist in diesen Fällen gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. d. UEV auch auf die Zielgesellschaft anwendbar. Das Angebot darf dann nicht an Bedingungen geknüpft werden, die von der Zielgesellschaft massgeblich beeinflusst werden können. Analoges wird für den Fall gelten, wo mit dem Hauptaktionär bereits ein Veräusserungsvertrag abgeschlossen wurde. Damit kann – je nach Umständen – ein Beschluss der Generalversammlung der Zielgesellschaft als vom Bieter beeinflussbar angesehen werden. Dies gilt m.E. jedoch nicht für die Eintragung des entsprechenden Beschlusses im Handelsregister919. III. Beschränkung auf kasuelle Bedingungen? Während Sinn und Zweck der Unzulässigkeit massgeblich beeinflussbarer Bedingungen durchaus einzuleuchten vermögen, bereitet die Abgrenzung der unzulässigen „massgeblich beeinflussbaren“ Bedingungen von den zulässigen Bedingungen Schwierigkeiten. Daraus ergibt sich zunächst die Frage, ob die in Art. 13 Abs. 1 UEV vorgesehene Regelung nur die Stipulierung von kasuellen Bedingungen zulassen will920. Kaum eine für ein öffentliches Kaufangebot relevante Bedingung ist rein kasuell. Ob es sich um die Genehmigung eines Zusammenschlussvorhabens, eine Mindestschwelle von Annahmeerklärungen oder die Kotierung von neuen Beteiligungspapieren an einer Börse handelt, alle diese Gegebenheiten können vom Bieter in gewissem Mass beeinflusst werden. Rein kasuelle Bedingungen sind bei einem öffentlichen Kaufangebot nur bei Absicherung gegen höhere Gewalt gegeben. Hinzu kommt, dass der Verordnungstext 917 918 919 920 Empfehlung der UEK vom 7. Oktober 1999 in Sachen LVMH Moët Hennessy Luis Vuitton SA / TAG Heuer International SA E.3. In den meisten Fällen freundlicher Übernahmen wird ein solcher Vertrag – ob schriftlich oder lediglich mündlich abgeschlossen – vorliegen. Empfehlung der UEK vom 27. Mai 1999 in Sachen Heineken Internationaal Beheer B.V. / Calanda Bräu E.5; Empfehlung der UEK vom 13. April 2000 in Sachen Pargesa Holding SA / Orior Holding SA E. 2; Empfehlung der UEK vom 3. Juli 2000 in Sachen Unaxis Holding AG / Esec Holding AG E. 2.2. Vgl. dazu § 4 G. V. hinten. Zur Definition vgl. vorn § 2 C I.3. 175 selbst den Ausschluss „massgeblicher Beeinflussung“ bereits wieder relativiert, indem er die Mitwirkung des Bieters verlangt, wenn er aufgrund der Art der (aufschiebenden) Bedingung einen Beitrag zu deren Eintritt zu leisten hat921. Dieser Beitrag ist bei (rein) kasuellen Bedingungen gar nicht möglich. Art. 13 Abs. 1 UEV verlangt daher mit der Unzulässigkeit massgeblich beeinflussbarer Bedingungen nicht eine Beschränkung auf (rein) kasuelle Bedingungen. IV. Unzulässigkeit rein potestativer Bedingungen Wenn – negativ ausgedrückt – eine Beschränkung auf rein kasuelle Bedingungen durch Art. 13 Abs. 1 UEV nicht beabsichtigt ist, so kann auf der anderen Seite positiv festgestellt werden, dass (rein) potestative Bedingungen „massgeblich beeinflussbar“ und somit unzulässig sind922. Dies gilt insbesondere für die sogenannten Wollensbedingungen, bei denen der Eintritt der Bedingung von einer blossen Willenserklärung des Bieters abhängig ist923. Unzulässig ist daher zum Beispiel eine Bedingung eines Angebots, mit der sich der Bieter die freie Entscheidung über die Verbindlichkeit seiner Offerte bzw. des Vertrages vorbehält924. Unzulässig ist ferner die Stipulierung eines einseitigen Rücktrittsrechts durch den Bieter nach Zustandekommen des Vertrages mit dem jeweiligen Angebotsadressaten925. Ein als Widerruf im Sinne von Art. 16 UEV ausgestaltetes Rücktrittsrecht ist demgegenüber zulässig926, denn der Ermessensspielraum des Bieters bei diesem Widerruf ist sehr stark eingeengt, so dass eine willkürliche Entscheidung des Bieters und damit eine massgebliche Beeinflussung ausgeschlossen sind. V. Un-/Zulässigkeit gemischter Bedingungen Aus dem bisher gesagten ergibt sich, dass einerseits (rein) potestative Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten unzulässig sind, andererseits aber durch Art. 13 Abs. 1 UEV keine Beschränkung auf die zweifelsohne zulässigen (rein) kasuellen Bedingungen beabsichtigt ist. Es gibt allerdings eine ganze Reihe von Bedingungen, welche mehr oder weniger beeinflussbare und auch nicht beeinflussbare Elemente enthalten und sich daher nicht unter eine der genannten Kategori- 921 922 923 924 925 926 Art. 13 Abs. 1 UEV. VON DER CRONE, Unternehmensübernahmen, S. 171; TSCHÄNI, Übernahmeangebote, S. 312. Vgl. BERNET S. 187: „Verboten sind indessen sämtliche Bedingungen, deren Eintritt in irgendeiner Form vorwiegend vom Willen des Bieters abhängen.“; Zur Definition der Wollensbedingung und zur vom Schrifttum vorgenommenen Qualifikation als zweistufiger Vertragsschluss vgl. vorn § 2 C I.3. Sog. condicio si voluero, vgl. dazu die Bemerkungen zur separat abgehandelten Frage der Zulässigkeit der (öffentlichen) Unterbreitung einer Einladung zur Offertstellung in Ziff. VIII. hinten. So ausdrücklich § 18 Abs. 2 des deutschen Übernahmegesetzes: „Ein Angebot, das unter dem Vorbehalt des Widerrufs oder des Rücktritts abgegeben wird, ist unzulässig“ (vgl. auch § 8 des österreichischen Übernahmegesetzes). Vgl. § 3 E. 176 en subsumieren lassen. Bei diesen gemischten Bedingungen variiert der Grad der Beeinflussung durch den Bieter je nach Art der Bedingung, aber auch – bei gleichlautender Bedingung - je nach den spezifischen Umständen des konkreten Übernahmeangebotes. Angesichts dieser Tatsache ist eine klare Grenzziehung zwischen zulässigen und unzulässigen (massgeblich beeinflussbaren) Bedingungen schwierig. Hinzu kommt, dass die Übernahmekommission im Sinne eines flexiblen Systems des Rechts Abstriche von der Unzulässigkeit massgeblich beeinflussbarer Bedingungen in Kauf nimmt, wenn die entsprechende Bedingung (auch) im Interesse der Angebotsadressaten aufgestellt wurde. Als Beispiel hierfür kann die Bedingung der Kotierungsgenehmigung von neuen Beteiligungspapieren bei einem Umtauschangebot angeführt werden, welche zwar vom Bieter stark beeinflussbar ist, von der Übernahmekommission aber dennoch als zulässig angesehen wird927. All diese Umstände führen dazu, dass allgemein gültige Aussagen betreffend die Zulässigkeit von gemischten Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten kaum möglich sind. In der vorliegenden Untersuchung wird daher auf solche Aussagen verzichtet und stattdessen versucht, das Problem mit einem kasuistischen Ansatz anzupacken928. VI. Beeinflussung durch Verzicht des Bieters? Es ist möglich, dass der Bieter zwar nicht den Eintritt bzw. Ausfall der Bedingung beeinflussen kann, gleichwohl aber die Durchführung bzw. NichtDurchführung des Übernahmeangebotes von seinem Willen abhängig macht. Dies wird dadurch erreicht, dass der Bieter sein Angebot an praktisch unerfüllbare Bedingungen knüpft, so dass es nur durch Verzicht des Bieters auf Gültigkeit einer oder mehrerer Bedingungen zustande kommen kann. Die Übernahmekommission hat dazu folgendes befunden: Das Angebot darf grundsätzlich nur an aufschiebende Bedingungen geknüpft werden, deren Eintritt der Anbieter selbst nicht massgeblich beeinflussen kann (Art. 13 Abs. 1 UEV-UEK). Diese Bestimmung verbietet dem Anbieter somit, das Angebot an praktisch unerfüllbare Bedingungen zu knüpfen, so dass das Angebot nur durch den Verzicht des Anbieters auf den Eintritt der Bedingung zustande kommen würde. Dies hätte die gleichen Wirkungen wie eine nicht zulässige Potestativbedingung gemäss Art. 13 Abs. 1 UEV-UEK929. 927 928 929 Vgl. Bst. G IV. nachfolgend. Vgl. Bst. G. nachfolgend. Empfehlung der UEK vom 27. Mai 1999 in Sachen Heineken International Beheer B.V./ Calanda Bräu E. 6. Im konkreten Fall ging es um die Zulässigkeit einer Bedingung, wonach für das „Zustandekommen“ des Angebotes nach Ablauf der Angebotsfrist 98% der Stimmen im Besitz von Heineken 177 Das Problem der unerfüllbaren oder nur schwer erfüllbaren Bedingung wird durch die UEK auf indirektem Weg angepackt. Wohl in Ermangelung einer ausdrücklichen Grundlage in der Übernahmeverordnung wird das eigentliche Übel, das Aufstellen einer praktisch unerfüllbaren Bedingung durch den Bieter, nicht direkt verpönt oder sanktioniert. Es wird vielmehr auf die mit einem solchen Tun verbundene Tatsache abgestellt, dass ein „Zustandekommen“ des Angebotes nur durch eine Willenserklärung nach Ermessen des Bieters möglich wird und somit vom Bieter massgeblich beeinflusst werden kann. Allerdings wird der Tatbestand der unerfüllbaren Bedingung auch durch diesen Kunstgriff nicht vom Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 UEV gedeckt, wo von der Beeinflussbarkeit des Eintritts der Bedingung durch den Bieter ausgegangen wird, was im Falle von unerfüllbaren Bedingungen regelmässig nicht gegeben ist. Immerhin wird man der UEK zugute halten müssen, dass sie mit ihrer Aussage zu praktisch unerfüllbaren Bedingungen - wenn nicht den Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 UEV - doch zumindest Sinn und Zweck der börsengesetzlichen Übernahmeregelung eingefangen hat. Fragen kann man sich allerdings, ob dieser Umweg über den vom Bieter beeinflussbaren Verzicht auf Einhaltung von Bedingungen nötig ist, stellt doch bereits das subsidiär anwendbare Obligationenrecht eine Regelung bezüglich unmöglichen bzw. unerfüllbaren Bedingungen auf930. Dessen ungeachtet bleibt festzuhalten, dass Bedingungen, welche praktisch unerfüllbar sind und dadurch bewirken, dass die Durchführung des Angebotes nur durch Verzicht des Bieters auf solche Bedingungen realisiert werden kann, von der Übernahmekommission als vom Bieter „massgeblich beeinflussbar“ angesehen werden und somit aufgrund Art. 13 Abs. 1 UEV nicht zulässig sind. VII. Beeinflussung durch Ermessen des Bieters Bei der Frage, ob eine Bedingung eingetreten oder ausgefallen ist, kommt dem Bieter insbesondere dann ein gewisses Ermessen zu, wenn es um die Auslegung von generalklauselartigen Begriffen geht. Bei einer Bedingung, welche die Genehmigung des Zusammenschlusses durch die Wettbewerbsbehörden ohne „wesentliche“ Auflagen verlangt931, geht der Bieter davon aus, dass er darüber entscheiden könne, ob eine bestimmte Auflage für ihn „wesentlich“ und damit nicht 930 931 sein müssen. Da Heineken bereits vor Unterbreitung des Angebotes 88,7% der Stimmen von Calanda hielt, und somit der Erwerb von 82,3% der im Umlauf befindlichen Aktien für den Eintritt der Bedingung erforderlich war, wurde das Erreichen von 98% der Stimmen als realistisch und die Bedingung somit als nicht unerfüllbar taxiert. Vgl. dazu vorn § 4 B IV. Nach Meinung der herrschenden Lehre ist allerdings eine Bestimmung des ZGB, Art 482 Abs. 3 ZGB, analog im Obligationenrecht anzuwenden. Vgl. zum Beispiel Ziff. A 5. des Angebotsprospektes von LVMH für die Aktionäre der TAG Heuer International SA: „Die zuständigen Behörden erteilen alle für die Übernahme von TAG Heuer durch LVMH erforderlichen Bewilligungen und/oder Freistellungsbescheinigungen, ohne einer Partei irgendwelche wesentlichen Bedingungen, Auflagen oder Verpflichtungen aufzuerlegen.“ Vgl. ferner die die Empfehlung der UEK vom 15. Dezember 2000 in Sachen Ems Chemie Holding AG / Axantis Holding AG E. 2. 178 annehmbar ist. Er kann sich so bei der Ausgestaltung der Bedingungen ein gewisses Ermessen einräumen932, was dazu führen kann, dass die betreffende Bedingung als vom Bieter beeinflussbar angesehen wird, womit die Frage der Zulässigkeit solcher Bedingungen in Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 UEV gestellt werden muss. Allerdings hat die Übernahmekommission in dieser Hinsicht zunächst Zurückhaltung geübt und die Frage kaum thematisiert. Im Fall Kuoni beispielsweise machte die Bieterin den Vollzug des Angebotes davon abhängig, dass die EU-Kommission in einer für die Bieterin befriedigenden Weise zum Ausdruck bringe, dass sie kein Wettbewerbsverfahren einzuleiten gedenkt933. Die Übernahmekommission hielt diese Einräumung bzw. diesen Vorbehalt von Ermessen durch den Bieter offensichtlich nicht für problematisch, denn in ihrer Empfehlung wurde diese Thematik nicht geprüft934. Beim Angebot der New ABB Ltd wurde die Durchführung des Umtausches davon abhängig gemacht, ob keine Anordnungen usw. vorliegen, welche nach Ansicht der New ABB Ltd den Umtausch teilweise oder gänzlich verunmöglichen oder erheblich behindern935. Auch diese auflösend ausgestaltete Bedingung wurde von der Übernahmekommission als zulässig erachtet, ohne auf das Problem der Beeinflussbarkeit durch Ermessen einzugehen936. Wie nachfolgend noch gezeigt wird, geht der neuere Trend bei der Übernahmekommission jedoch eindeutig in Richtung Quantifizierung ungestimmter Rechtsbegriffe. Dies gilt insbesondere für aufsichtsrechtliche Genehmigungen ohne wesentliche Auflagen937 und Abwesenheit von wesentlichen negativen Veränderungen („material adverse change“). Das Ermessen des Bieters soll so weitgehend ausgeschlossen werden. VIII. Unzulässigkeit der Einladung zur Offertstellung Es wurde bereits erwähnt, dass grundsätzlich auch Einladungen zur Offertstellung als öffentliche Kaufangebote im Sinne von Art. 2 lit. e. BEHG zu qualifizieren sind und damit den Regelungen des Börsengesetzes und seiner Verord- 932 933 934 935 936 937 Auch bei einer Minimum Limen Bedingung (Mindestschwelle bei Annahme des Angebotes) kommt dem Bieter bei der Festlegung der Mindestschwelle, bei der das Angebot als „zustande gekommen“ gilt, ein Ermessen zu. Die Mindestschwelle wird allerdings dabei in einer Prozentzahl ausgedrückt, welche dem Bieter im Gegensatz zu den hier erörterten auslegungsbedürftigen Begriffen keinen Ermessensspielraum mehr lässt (von der häufig anzutreffenden Möglichkeit des Bieters, auf die Einhaltung der Mindestschwelle zu verzichten, einmal abgesehen). Ziff. B.6.c) des Angebotsprospektes der Kuoni Holdings Plc. für die Aktionäre der Kuoni Reisen Holding AG lautet wie folgt: „Die Europäische Kommission bringt in einer für die Kuoni Holdings Plc befriedigenden Weise zum Ausdruck, dass sie nicht die Absicht hat, ein Verfahren gemäss Art. 6(1)(c) der Ratsverordnung (EEC) 4064/89 im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss einzuleiten,…“(Hervorhebung durch Verfasser). Empfehlung der UEK vom 20. April 1999 in Sachen Kuoni Holdings Plc / Kuoni Reisen Holding AG E.4. Ziff. B 6./ d) des Angebotsprospektes vom 26. März 1999 in Sachen New ABB Ltd / ABB AG. Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 in Sachen New ABB Ltd. / ABB AG E. 3. Vgl. § 4 G V. und VI. 179 nungen über öffentliche Kaufangebote unterstehen938. Damit müssen auch die Anforderungen von Art. 13 UEV an die Zulässigkeit von Bedingungen beachtet werden. Die invitatio ad offerendum unterscheidet sich dadurch vom Antrag zum Vertragsschluss, dass sich der Invitant im Gegensatz zum Antragsteller nicht bindet. Er behält sich die Entscheidung über das Wirksamwerden bzw. die Verbindlichkeit seines „Angebotes“ auf einen späteren Zeitpunkt vor, um das Eintreffen der Antwort des Adressaten, welche in der Regel als verbindliche Offerte ausgestaltet ist, abzuwarten. Falls die eingegangene Offerte seinen Vorstellungen entspricht, wird er den Vertrag durch sein Akzept schliessen und erst dadurch die Bindungswirkung herbeiführen. Rechtsdogmatisch kann dieses Vorgehen auch so gedeutet werden, dass der Bieter die Verbindlichkeit seiner „Offerte“ an die Bedingung seiner späteren Zustimmung knüpft, wobei diese Zustimmung im alleinigen Ermessen des Bieters liegt. Die Einladung zur Offertstellung kann mit anderen Worten als ein mit einer Wollensbedingung verknüpfter „Antrag“ zum Vertragsschluss angesehen werden939. Es handelt sich dabei um eine rein potestative Bedingung, welche bei einem Kaufangebot gemäss Art. 13 Abs. 1 UEV nicht zulässig ist. Damit gelangt man zum Ergebnis, dass der Bieter keine Einladung zur Offertstellung abgeben darf, sondern sein Angebot als Antrag zum Vertragsschluss auszugestalten hat940. Eine Ausgestaltung als Einladung zur Offertstellung ist mit Art. 13 UEV nicht vereinbar941. G. Kasuistik I. Mindeststimmzahl (Minimum Limen) als Bedingung In den meisten Fällen öffentlicher Übernahmeangebote macht der Bieter den Vollzug seines Angebotes davon abhängig, dass eine bestimmte Mindest(prozent-)zahl der Adressaten das Angebot annimmt. Diese Minimum Limen Bedingung ist als aufschiebende942 und vom Bieter kaum zu beeinflussende Bedingung bei freiwilligen Übernahmeangeboten im Lichte von Art. 13 UEV unbestrittenermassen zulässig. Auch dieser Grundsatz ist nicht gegen Ausnahmen gefeit, denn der Bieter ist bei der Wahl der Mindestschwelle von Annahmeerklä- 938 939 940 941 942 Vgl. vorn § 2 B. III. und § 2 IV. Vgl. § 2 C I. 3. So ausdrücklich § 17 des deutschen Übernahmegesetzes, der die Ausgestaltung eines Übernahmeangebotes als invitatio ad offerendum („Aufforderung zur Abgabe von Angeboten“) verbietet (vgl. dazu die Ausführungen im Bericht des Bundesfinanzministeriums S. 122f.). Zu den Rechtsfolgen dieser Unvereinbarkeit vgl. § 6 D V.3. Bei Ablauf der Angebotsfrist steht fest, ob der Schwellenwert erreicht ist oder nicht. Nur wenn der Schwellenwert erreicht und das Angebot somit „zustande gekommen“ ist, wird den Angebotsadressaten gemäss Art. 14 Abs. 5 eine Nachfrist gewährt. Der vom Bieter zur Bedingung erhobene Schwellenwert („acceptance level“) muss daher bereits bei Ablauf der Angebotsfrist und nicht erst bei Ablauf der Nachfrist vorliegen. 180 rungen nicht vollkommen frei. Wenn der Offerent und die mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnden Personen vor Unterbreitung des Angebots über einen lediglich geringen Stimmenanteil an der Zielgesellschaft verfügt, kann er sein Angebot zum Beispiel nicht davon abhängig machen, dass nach Ablauf der Annahmefrist mindestens 99,9% der Adressaten das Angebot angenommen haben. Diese Bedingung wäre als praktisch unerfüllbar einzustufen und wäre somit unzulässig943. Praktisch relevant ist die Frage, ob dies auch für den aufgrund des Squeeze-out Verfahrens wichtigen Schwellenwert von 98% der Stimmen als Minimum Limen ebenfalls gilt. Bei deren Beantwortung wird man vor allem darauf abstellen müssen, wie gross der Bestand des Bieters und der mit ihm verbundenen Personen an Beteiligungspapieren der Zielgesellschaft im Zeitpunkt der Abgabe des Angebotes ist. Die Übernahmekommission hat im Fall Heineken / Calanda befunden, dass der Schwellenwert von 98% der Stimmen realistisch sei, wenn der Bieter direkt oder indirekt bereits 88,7% der Stimmen halte944. In casu musste Heineken immerhin noch 82.3% der sich im Umlauf befindlichen Aktien erwerben, um den Schwellenwert von 98% zu erreichen. Die Bedingung, wonach der Bieter „am Ende des Angebotes direkt oder indirekt mehr als 98% der Stimmrechte“ der Zielgesellschaft halten müsse, erlaubt es dem Bieter nach Ansicht der UEK nicht, das Angebot nach Gutdünken zurückzuziehen. Die Übernahmekommission stellte in ihrer Empfehlung daher fest, dass die genannte Bedingung mit Art. 13 UEV vereinbar sei. Anders sieht es in Fällen aus, in denen der Bieter noch nicht über die Kontrolle an der Zielgesellschaft oder nicht einmal über einen bedeutenden Anteil an Beteiligungspapieren verfügt. In diesen Fällen wie auch im Falle eines unfreundlichen Übernahmeangebotes erscheint der Schwellenwert von 98% der Stimmen, jedenfalls nach Ablauf der Angebotsfrist, als unrealistisch945. Entsprechende Bedingungen wären daher grundsätzlich als unzulässig einzustufen. Beim Kaufangebot der Deutschen Post International für die Danzas Holding wurde demgegenüber ein Schwellenwert von 80% der Stimmen von der UEK nicht beanstandet, geschweige denn in ihrer Empfehlung erwähnt946. In der Empfehlung der Übernahmekommission im Fall Synthes-Stratec / Stratec wurde das Minimum Limen von 80% ausdrücklich als zulässig erachtet947. Allerdings sollte man sich 943 944 945 946 947 Vgl. die Begründung der UEK zur Unzulässigkeit praktisch unerfüllbarer Bedingungen in § 4 F VI. sowie die obligationenrechtliche Herleitung der Unzulässigkeit in § 4 B IV. Empfehlung der UEK vom 27. Mai 1999 in Sachen Heineken Internationaal Beheer B.V. / Calanda Bräu E.6; Vgl. auch die Empfehlung der UEK vom 18. Mai 1999 in Sachen Heineken Internationaal Beheer B.V. / Brauerei Haldengut E.6, wonach die Bieterin noch 69,7% der sich um Umlauf befindlichen Aktien erwerben musste, um den Schwellenwert von 98% der Stimmen zu erreichen. Beim unfreundlichen Angebot der Tsufa AG für die Aktien der Big Star Holding AG wurde z.B. ein Schwellenwert von 50% der Aktien als Minimum Limen festgelegt (Ziff. A.5 des Angebotsprospektes). Empfehlung der UEK vom 15. Januar 1999 in Sachen Deutsche Post International B.V. / Danzas Holding AG. Die Bieterin besass kurz vor Abgabe des Angebots bereits 23,97% der Stimmen der Danzas Holding AG. Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 in Sachen Synthes-Stratec Inc. / Stratec Holding AG E. 3. 181 davor hüten, generell und pauschal gewisse Schwellenwerte als zulässig und andere als unzulässig einzustufen, zu unterschiedlich sind die zu beurteilenden Sachverhalte948. Auch die Übernahmekommission ist im erwähnten Fall Heineken / Calanda dazu übergegangen, ihre Rechtsprechung zu verfeinern und die sich ihr stellenden Sachverhalte differenziert zu beurteilen. Sie untersucht dabei, wieviel Prozent der sich im Umlauf befindlichen Titel zur Erreichung des vom Bieter gewünschten Schwellenwertes noch erworben werden müssen949. Wie aus der Empfehlung in Sachen Intersport Deutschland eG / Intersport PSC Holding AG hervorgeht, ist unter den im Umlauf befindlichen Titeln oder Aktien nicht einfach der vom Bieter noch nicht gehaltene Aktienanteil zu verstehen950. Zu berücksichtigen sind vielmehr auch jene Aktienpakete, welche von Aktionären gehalten werden, die dem Vorhaben des Bieters offenen951 Widerstand entgegenbringen. Dadurch kann sich die Zahl der frei erhältlichen Titel verringern und der vom Bieter zu erwerbende Prozentsatz dieser Titel zur Erreichung des gesetzten Schwellenwertes erhöhen. Die Beurteilung der Zulässigkeitsfrage erweist sich somit einmal mehr als faktspezifisches und nicht ganz einfaches Unterfangen, womit wiederum Flexibilität und Pragmatismus der Übernahmekommission gefragt sind. II. Maximalstimmzahl (Maximum Limen -Teilangebot) Teilangebote sind auch unter dem Regime des BEHG weiterhin zulässig952. Der Bieter kann also zum Beispiel bei einem von ihm und gemeinsam handelnden Personen gehaltenen Aktienbestand von 5% des Aktienkapitals ein öffentliches Angebot für weitere 10% des Aktienbestandes lancieren953. Der Bieter möchte in einem solchen Fall nur maximal 10% der Aktien erwerben, womit ein Überhang von Annahmeerklärungen entstehen kann, die der Bieter nicht „honorieren“ will. 948 949 950 951 952 953 So kann zum Beispiel die Situation eines feindlichen Angebots und einer grossen Zahl gegen den Bieter eingestellter Grossaktionäre der Zielgesellschaft nicht mit dem Auskauf einer Minderheitsbeteiligung nach erfolgtem Kontrollwechsel verglichen werden. Empfehlung der UEK vom 18. Mai 1999 in Sachen Heineken Internationaal Beheer B.V. / Calanda Bräu E. 6; Empfehlung vom 7. Juli 2000 in Sachen Intersport Deutschland eG / Intersport PSC Holding AG E. 5.3; Empfehlung vom 12. Juli 2000 in Sachen Incentive Investment AG / India Investment AG E. 4. Die Empfehlung der UEK erwähnt, dass die Intersport Deutschland eG mit 10,94 % der Stimmen zur Erreichung von 51% der Stimmen 78,55% der sich im Umlauf befindlichen Aktien erwerben muss (Empfehlung vom 7. Juli 2000 in Sachen Intersport Deutschland eG / Intersport PSC Holding AG E. 5.3). Dieser Prozentsatz wäre weit niedriger, wenn der Ausdruck „die sich um Umlauf befindlichen Aktien“ mit der Wendung „noch nicht vom Bieter gehaltenen Aktien“ identisch wäre. Man wird indessen eine ziemlich konkrete Kundgabe des Widerstandes dieser Aktionäre verlangen müssen, um deren Pakete bei der Berechnung der sich im Umlauf befindlichen Titel abzuziehen. VON DER CRONE, Unternehmensübernahmen, S. 172; TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 22 N 4 und 12; BERNET S. 178. Der Bieter muss jedoch Art. 10 Abs. 5 UEV beachten, wonach gewisse Bestimmungen über Pflichtangebote zu beachten sind, wenn das Angebot Beteiligungspapiere umfasst, deren Erwerb die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots auslösen würde (vgl. dazu § 5 A II). 182 Nach Art. 10 Abs. 4 letzter Satz UEV954 muss der Bieter dann die Annahmeerklärungen anteilsmässig berücksichtigen, falls er nicht alle diese Erklärungen erfüllen kann. Der Bieter wird daher eine Bedingung an sein Angebot knüpfen müssen, wonach die Verträge für die 10% der Aktien übersteigenden Annahmeerklärungen nicht vollzogen bzw. aufgehoben werden sollen. Die Besonderheit zu den meisten anderen, hier diskutierten Bedingungen liegt darin, dass diese „Bedingung“ nicht für alle zwischen Bieter und Angebotsadressaten abgeschlossenen Verträge die gleichen Auswirkungen hat. Die Verträge mit einzelnen Adressaten können unwirksam werden955, mit den meisten anderen Adressaten956 werden sie durch Reduktion der Anzahl Veräusserungsobjekte lediglich inhaltlich geändert. Da es in den meisten Fällen nicht um Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des gesamten Veräusserungsvertrages geht, liegt keine klassische Bedingung vor. Es ist daher vorzuziehen, von einer „gesetzlich“ verlangten Vertragsänderung auszugehen, die allerdings in einigen Fällen zur Unwirksamkeit von Verträgen führen kann. III. Zustimmung von Gesellschaftsorganen der Zielgesellschaft 1. Beschlüsse der Generalversammlung Nicht selten werden durch den Bieter auch Bedingungen aufgestellt, wonach die Generalversammlung oder allenfalls der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft gewisse Beschlüsse fassen muss, bevor das Kaufangebot vollzogen werden kann957. Beschlüsse haben häufig die Abschaffung statutarischer Stimmrechtsbeschränkungen zum Gegenstand. Denkbar sind aber auch die Eintragung des Bieters im Aktienregister, Kapitalumstrukturierungen, sowie Abwahl von Personen aus dem Verwaltungsrat bzw. Wahl von bestimmten Personen in den Verwaltungsrat und Änderung der entsprechenden statutarischen Bestimmungen. 954 955 956 957 Diese Bestimmung ist Ausfluss der in Art. 24 Abs. 2 UEV verankerten Gleichbehandlung der Besitzer von Beteiligungspapieren derselben Art. Falls der Überhang derart gross ist und der betreffende Adressat nur eine Aktie hält. Um dies zu vermeiden könnte man stipulieren, dass jedem zustimmenden Adressaten mindestens eine Aktie abgenommen wird. Ob dieses Vorgehen mit Art. 10 Abs. 5 UEV vereinbar ist, muss hier dahingestellt bleiben. Dies betrifft jene Inhaber von Beteiligungspapieren, deren Bestand mindestens so gross ist, dass sie nach der Pro rata Anpassung aufgrund Art. 10 Abs. 5 UEV noch ein Beteiligungspapier veräussern können. Diese Bedingungen können grundsätzlich als auflösend ausgestaltet werden. Dies gilt umso mehr als der Bieter den Zeitpunkt der Generalversammlung der Zielgesellschaft im allgemeinen nicht zu beeinflussen vermag (vgl. aber die allgemeinen Ausführungen zum Sinn einer Unterscheidung in auflösende und aufschiebende Bedingungen in § 4 E). 183 Nicht (mehr) möglich wäre hingegen wohl der Beschluss der Zielgesellschaft über Annahme eines Opting out oder Opting up958. Die Vielfalt von Bedingungen und die damit verbundenen unterschiedlichen Interessen machen es schwierig, Bedingungen der Zustimmung von Gesellschaftsorganen der Zielgesellschaft einheitlich zu erfassen. Im Fall Kuoni959 wurde die Herabsetzung des Kapitals und die Abschaffung der statutarischen Eintragungs- und Stimmrechtsbegrenzung durch die Generalversammlung der Zielgesellschaft zur Bedingung erhoben. Diese Bedingung kann vom Bieter in der Regel nicht beeinflusst werden. Die Übernahmekommission hielt die Bedingung daher für zulässig960. Im Fall Danzas wurde die Abschaffung einer Stimmrechtsbeschränkung durch die ausserordentliche Generalversammlung zur Bedingung erhoben961, ohne dass dies von der UEK in ihrer Empfehlung beanstandet oder erwähnt wurde962. Die Übernahmekommission hat dabei namentlich nicht untersucht, ob die Beteiligung der Deutschen Post an Danzas in Höhe von ca. 23,97% der Stimmrechte963 den Beschluss der Generalversammlung der Danzas „massgeblich beeinflussbar“ machte. Bereits vor Inkrafttreten des BEHG hatte die Regulierungskommission entschieden, dass die Eintragung des Bieters im Aktienregister der Zielgesellschaft als Bedingung eines Übernahmeangebotes zulässig sei964. Im selben Entscheid wur958 959 960 961 962 963 964 Der Bieter würde dabei sein Angebot zum Erwerb von beispielsweise 60% der Aktien der Zielgesellschaft unter die Bedingung stellen, dass die Zielgesellschaft eine Opting Out Klausel in die Statuten aufnimmt. Art. 10 Abs. 5 UEV verlangt nur dann ein Angebot für alle kotierten Titel, wenn der Erwerb der vom Angebot erfassten Beteiligungspapiere die Angebotspflicht auslösen würde. Bei nach Angebotsunterbreitung aber vor Vollzug des Erwerbs angenommener Opting out Klausel würde die Angebotspflicht dann nicht ausgelöst. Angesichts der harschen Praxis der EBK zum partiellen Opting out (vgl. die Verfügung der EBK vom 23. Juni 2000 in Sachen Unaxis Holding AG / Esec Holding AG) dürfte ein auf eine individuell konkrete Übernahme ausgerichtetes Opting out allerdings nicht mehr zulässig sein (vgl. VON DER CRONE/IFFLAND/WEY S. 112). Vgl. Ziff. B.6.b) des Umtauschangebots von Kuoni Holdings Plc für die Aktien der Kuoni Holding Reisen AG vom 23. April 1999. Empfehlung der UEK vom 20. April 1999 in Sachen Kuoni Holdings Plc / Kuoni Reisen Holding AG E. 4: „ The required passing of resolutions by the general meeting to be held on 11 May 1999 or at any adjournments thereof of the shareholders of Kuoni is not likely to be decisively influenced by the offeror. Therefore, this condition is permissible. Der Wortlaut der Bedingung kann wie folgt wiedergegeben werden: „Die ausserordentliche Generalversammlung der Danzas vom 18. Februar 1999 stimmt der Änderung von § 7 (Übertragbarkeit der Aktien) und § 13 (Stimmrecht) der Statuten zu, wonach die Begrenzung des Eintrags in das Aktienregister und des Stimmrechtes eines einzelnen Aktionärs von maximal 7% des gesamten Aktienkapitals aus den Statuten gestrichen wird“ (vgl. Bst. A.5b) des Angebotsprospektes). Empfehlung der UEK vom 15. Januar 1999 in Sachen Deutsche Post International B.V. / Danzas Holding AG. Vgl. Ziff. B 3. Des Angebotsprospektes vom 19. Januar 1999. Empfehlung der Regulierungskommission vom 8. Februar 1996 in Sachen Preussag AG / Elco Looser Holding AG, SZW 1997 S. 109 und 113. Diese Bedingung ist auch unter dem geltenden Regime des BEHG noch zulässig (BOTSCHAFT, Ziff. 25.2 S. 44; DAENIKER S. 188; TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 28 BEHG N 9; FREI S. 14; BERNET S. 187) und wird in der Praxis auch verwendet (vgl. z.B. den Angebotsprospekt der Compass Group Plc für die Aktionäre der Selecta Group vom 184 de auch eine Bedingung, wonach die Beschränkung der Übertragbarkeit und der Ausübung der Stimmrechte der Aktien der Zielgesellschaft abgeschafft werden müsse, als zulässig angesehen965. Der Anbieter konnte also die Durchführung seines Angebotes von einem entsprechenden Beschluss der Generalversammlung der Zielgesellschaft abhängig machen. Im Fall UBS / Ersparniskasse Langenthal hat die Regulierungskommission allerdings einschränkend befunden, dass der Bieter nicht sowohl die Eintragung im Aktienregister als auch die Wahl seiner Vertreter in den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft zur Bedingung erheben könne966. Wer den Verwaltungsrat kontrolliere, könne auch über die Eintragung im Aktienregister bestimmen. Sind die Vertreter des Bieters einmal in den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft gewählt worden, kann er somit nach Ansicht der Regulierungskommission das Zustandekommen der Bedingung betreffend Eintragung im Aktienregister beeinflussen967. Die Regulierungskommission empfahl dem Anbieter daher, auf die Bedingung der Eintragung im Aktienregister zu verzichten. Im Fall Incentive / Sulzer hat die Übernahmekommission nun aber beide Bedingungen wieder kumulativ zugelassen, ohne dass dies von ihr oder seitens der – im übrigen alle denkbaren Einwände geltend machenden – Sulzer besonders hervorgehoben wurde968. Die genannten Beispiele machen deutlich, dass dem Bieter bei der Wahl seiner Bedingungen in Bezug auf die Zustimmung von Generalversammlungen der Zielgesellschaft kaum Grenzen gesetzt sind. Sicherlich haben es UEK und Regulierungskommission aus verständlichen Gründen unterlassen, den einen oder anderen Fall der Beeinflussbarkeit genauer zu untersuchen. Beispielsweise wurde bei Beschlüssen der Generalversammlung der Zielgesellschaft nicht gefragt, ob die Abstimmung durch die sich bereits im Besitz des Bieters befindlichen Stimmrechte massgeblich beeinflussbar war969. Doch mögen auch die Fälle fehlender Beeinflussbarkeit angesichts der „Bedingungsfreiheit“ des Bieters bei Entscheidungen von Organen der Zielgesellschaft nicht ganz zu befriedigen. Im Fall Kuoni kann man sich beispielsweise fragen, was die vom Bieter zur Bedingung erhobene Herabsetzung des Kapitals der Kuoni Reisen Holding AG durch deren Generalversammlung mit der Durchführung des Kaufangebotes der Kuoni Holdings Plc zu tun hat970. Diese Bedingung ist zwar vom Bieter nicht massgeblich beeinflussbar971, doch ist ein kausaler Nexus zwischen Bedingung und 965 966 967 968 969 970 971 26. März 2001). Vgl. aber die nachfolgenden Ausführungen zur Eintragung durch den Verwaltungsrat. Vgl. auch die Empfehlung der Regulierungskommission vom 9. April 1996 in Sachen UBS / Ersparniskasse Langenthal, SZW 1997 S. 109 und 113f. Empfehlung vom 9. April 1996, SZW 1997 S. 114. Ibidem. Vgl. den Angebotsprospekt der Incentive für die Aktionäre der Sulzer vom 30. März 2001 A.12. Vgl. die oben zitierte Empfehlung in Sachen Deutsche Post / Danzas. Vgl. Ziff. B.6./ a)ii) des Angebotsprospektes. Vgl. E. 4 der Empfehlung der UEK vom 20. April 1999 in Sachen Kuoni Holdings Plc / Kuoni Reisen Holding AG. 185 Kaufangebot prima facie nicht ersichtlich972. Kann also der Bieter völlig willkürlich Organbeschlüsse ohne jeden Zusammenhang mit seinem Übernahmeangebot zur Bedingung dieses Angebots erheben? Gemäss der Regelung in Art. 13 UEV haben Bedingungen bei freiwilligen Angeboten grundsätzlich aufschiebend zu sein und dürfen vom Bieter nicht massgeblich beeinflusst werden können. Zusätzliche Erfordernisse werden nicht aufgestellt. Namentlich wird nicht verlangt, dass die Bedingungen für den Bieter oder die anderen beteiligten Personen „erforderlich“, wichtig“973 oder „mit der Übernahme zusammenhängend“ sein müssen. Aufgrund der börsengesetzlichen Regelung wäre es demnach möglich, beliebige Organbeschlüsse - beispielsweise eine Sitzverlegung, den Verzicht auf Ausschüttung einer Dividende oder Abwahl der Revisionsstelle974 - je nach Gusto des Bieters zur Bedingung eines öffentlichen Kaufangebotes zu erheben. Dies vermag nicht zu befriedigen. Dies um so weniger als der Bieter die Bedingungen – anders als in der obligationenrechtlichen Idealwelt – bei einem öffentlichen Kaufangebot einseitig festlegen kann. Freilich sorgt bereits der „Markt“ bzw. der mit einem Angebot verbundene ökonomische Aufwand und die Publizität für eine Disziplinierung des Bieters. Dennoch verlangt der in Art. 1 UEV verankerte Grundsatz der Lauterkeit m.E. eine weitergehende Einschränkung der Bedingungsfreiheit: mit dem Angebot nicht zusammenhängende Bedingungen sollten unzulässig sein. Im Zweifel muss der Anbieter der Übernahmekommission dartun, weshalb ein bestimmter Organbeschluss, beispielsweise eine Kapitalherabsetzung, für ihn von derartiger Bedeutung ist, dass er sein Angebot ohne diesen Beschluss nicht vollziehen möchte975. Wäre dem nicht so, könnte sich der Bieter durch Stipulierung verschiedener, beliebig gewählter Bedingungen eine nicht gerechtfertigte Ausstiegsmöglichkeit offenhalten976. Wenn also Beschlüsse von Organen der Zielgesellschaft zur Bedingung eines Angebotes erhoben werden, sollten sie einen Zusammenhang mit der Durchführung des Angebotes aufweisen und vom Bieter nicht massgeblich beeinflussbar sein977. 972 973 974 975 976 977 Es sei eingeräumt, dass dieser Nexus im konkreten Fall durchaus bestehen kann. Exempli gratia wird jedoch von der vom Aussenseiter aus erster Betrachtung zu ziehenden Schlussfolgerung ausgegangen. Vgl. demgegenüber die Regelung bei den Pflichtangeboten in Art. 32 BEHV-EBK. Denkbar sind auch noch weit absurdere Beispiele. Allerdings wäre nicht vertretbar, einen „wichtigen Grund“ für die Anknüpfung einer Bedingung zu verlangen, wie dies Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK für Pflichtangebote fordert. Es geht hier in erster Linie um die Vermeidung von Missbräuchen, weshalb die Anforderungen an das Interesse des Bieters für eine bestimmte Bedingung nicht allzu hoch anzusetzen sind. Die Ausstiegsmöglichkeit würde in diesem Fall nicht von der Beeinflussbarkeit der Bedingung durch den Bieter verursacht, sondern durch das Gesetz der Wahrscheinlichkeit: Je mehr nicht erforderliche Bedingungen der Bieter anbringt, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass eine davon nicht eintritt. Vgl. vorn § 4 C II.4. Im Einzelfall nicht ausgeschlossen sind weitere Einschränkungen aus den Grundsätzen der Lauterkeit, Transparenz usw. 186 a. Beschlüsse des Verwaltungsrates Die erwähnten Beispiele betreffend Beschlüsse der Generalversammlung als Bedingungen des Angebotes. Denkbar sind aber natürlich auch Bedingungen betreffend Beschlüsse des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft. Aus Sicht des Bieters geht es hier vor allem um das Ausbleiben von Verteidigungsmassnahmen. Diese werden nachfolgend separat erörtert978. Aber auch die Unterstützung des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft durch positives Handeln wird bisweilen zur Bedingung erhoben. Solche Bedingungen sind allerdings oft problematisch. So wäre beispielsweise die Bedingung eines positiven Berichtes des Verwaltungsrates zur Übernahme kaum zulässig. Denn wo sich der Bieter keinen positiven Bericht des Verwaltungsrates im Prospekt sichern konnte, muss er von einer feindlichen Haltung des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft ausgehen. Eine solche Bedingung käme einer nicht zulässigen Potestativbedingung gleich. Weniger eindeutig wird der Befund für eine Bedingung ausfallen, wonach der Bieter zurücktreten kann, wenn der Verwaltungsrat ihm keinen Zugang zu gesellschaftsinternen Informationen offenlegt. Doch auch hier dürfte im Regelfall die Missbrauchsgefahr überwiegen und zur Unzulässigkeit der entsprechenden Bedingung führen979. Diese Problematik der Verknüpfung des Angebotes mit einem Handeln des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft wurde im Fall Baumgartner von der Übernahmekommission beurteilt. Multipapiers erhob im Angebot für Baumgartner die öffentliche Verpflichtung des Verwaltungsrates der Baumgartner980 zur Eintragung ihrer Aktienbestände ins Aktienregister im Falle des Erreichens der Mindestannahmequote zur Bedingung. Der Verwaltungsrat der Baumgartner hätte gemäss Bedingung981 von der ihm statutarisch zustehenden Ermächtigung der Ablehnung der Eintragung eines Erwerbers mit über 3% der Stimmen keinen Gebrauch machen sollen982. Die Übernahmekommission hielt diese Bedingung für nicht zulässig, da sie den 978 979 980 981 982 Vgl. Ziff. VIII nachfolgend. Dies gilt nach der hier vertretenen Ansicht dann nicht, wenn bereits ein „ernsthaftes“, d.h. die Mindestpreisregeln einhaltendes bzw. mit einem realistischen Preis ausgestattetes Angebot unterbreitet wurde und eine Angebotspreiserhöhung von Einsichtnahme in Gesellschaftsinterna abhängig gemacht wird (vgl. § 3 G vorn). Da Multipapiers die Aktionärsstellung erst nach Vollzug der Offerte erlangte hätte, wäre die von der UEK vorgeschlagene alternative Bedingung der Eintragung im Aktienregister (wie dies im Fall Stancroft / Intersport gehandhabt wurde) nach Ansicht von Multipapiers mit Problemen verbunden gewesen. Die Bedingung lautete im wesentlichen wie folgt: „ Si la condition visée sous lettre a [Minimum Limen Bedingung] est remplie ou si Multipapiers y renonce, le conseil d’administration s’engage publiquement, dans les cinq jours suivant la publication du résultat intermédiaire de l’Offre, à ne pas s’opposer à la requête d’un quelconque actionnaire ou groupe d’actionnaires d’inscrire au registre des actions avec droit de vote toute action acquise avant ou jusqu’à l’éxecution de l’Offre (..)“. Art. 9 Abs. der Statuten der Baumgartner Papiers Holding SA lautet wie folgt: „Le conseil d’administration peut refuser d’inscrire un acquéreur d’actions nominatives en tant qu’actionnaire à part entière pour autant que le nombre d’actions qu’il détient dépasse trois pour-cent du total des actions nominatives inscrites au registre des actions.“ 187 Verwaltungsrat zwinge, die ihm zustehende Ablehnungsbefugnis grundsätzlich nicht mehr zu gebrauchen, was auf eine Aushöhlung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung hinauslaufe. Der Verwaltungsrat werde so genötigt, den Willen der Generalversammlung zu missachten, was auf ein gesetzeswidriges Verhalten hinauslaufe. Die Bedingung der Multipapiers verletze daher das Lauterkeitsgebot983. Auch nachdem Multipapiers eine geänderte Fassung der Bedingung vorlegte, wonach der Verwaltungsrat der Baumgartner nicht generell von seiner Ablehnungsbefugnis Gebrauch machen sollte, sondern sich lediglich verpflichtete, Multipapiers mit deren Aktienbeständen bei Vollzug der Offerte ins Aktienregister einzutragen, konnte sich die Übernahmekommission nicht für die Zulässigkeit der Bedingung erwärmen984. Sie begründete dies im wesentlichen damit, dass unlauter handle, wer den Verwaltungsrat der Zielgesellschaft veranlasse, seine aktienrechtlichen Sorgfalts – und Treuepflichten zu verletzen. Ferner machte sie geltend, dass auch die Eintragung im Aktienbuch mit Stimmrecht für einen einzelnen Aktionär einer Aufhebung der Stimmrechtsbeschränkung gleichkomme, wenn dieser über 50% der Aktien halte, womit noch immer eine Kompetenzverletzung gegeben sei985. In einem Entscheid vom 12. November 2001 schützte die Übernahmekammer der EBK diesen Standpunkt986. Sowohl die Übernahmekommission wie auch die EBK gehen in ihrer Begründung davon aus, dass die Bedingung der Multipapiers den Verwaltungsrat der Baumgartner zu einem angeblich unlauteren Verhalten verleiten („inciter“) soll. Dies erinnert an Art. 157 OR, wonach eine Bedingung, die eine widerrechtliche Handlung befördern soll, von der Rechtsordnung missbilligt wird987. Wie bei der Erörterung dieser Bestimmung hervorgehoben, kann eine solche Beförderung nur darin bestehen, dass eine Gegenleistung für die Vornahme einer Handlung versprochen oder allenfalls ein Übel für die Nicht-vornahme einer Handlung angedroht wird. Im vorliegenden Fall erhält der Verwaltungsrat weder eine Belohnung für die Eintragung im Handelsregister noch wird ihm ein Übel in Aussicht gestellt, falls er die Eintragung nicht vornehmen sollte. Im Gegenteil bestand die 983 984 985 986 987 Vgl. die Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E.2.3: „La condition b) de l’annonce préalable contraint le conseil d’administration de Baumgartner à l’octroi systematique de dérogations. Une telle pratique videra de tout sens la clause statutaire et constitue une abrogation de facto de celle-ci. Or, seule l’assemblée générale peut décider de l’abrogation de l‘ art. 9 des statuts. En demandant au conseil de Baumgartner de s’engager à ne pas appliquer cette disposition à l’avenir, Multipapiers demande à cette organe de prendre une décision qui ne relève manifestement pas de sa compétence et qui le conduit à adopter un comportement contraire à la loi. De ce fait, cette condition viole le principe de loyauté prévu à l’art. 28 lit.c LBVM“. Vgl. die Empfehlung der UEK vom 27. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 1. Ibidem. Sie legte auch dar, dass die im Fall Stancroft / Intersport verwendete einfache Bedingung der Eintragung im Aktienregister der Zielgesellschaft weiterhin zulässig sei, weil damit die aktienrechtliche Kompetenzordnung nicht missachtet werde (vgl. Ziff. 6 der Verfügung der EBK vom 12. November 2001). Vgl. § 4 B. II vorn. 188 Belohnung bzw. der Vorteil des Verwaltungsrates in einem möglichen Ausstieg des Bieters bei Nichtvornahme der Handlung. So gesehen setzte der Bieter keinen Anreiz, den Verwaltungsrat zu einer ihm gewünschten Handlung zu verleiten. Der Verwaltungsrat konnte das entsprechende Gesuch um Eintragung nach wie vor ablehnen. Das Problem aus Sicht des Verwaltungsrates bestand jedoch darin, dass das Angebot selbst einen Druck auslöste, die Eintragung vorzunehmen. Eine Eintragung war allerdings nur dann vorzunehmen, wenn bereits eine Mehrheit der Aktionäre sich für das Angebot ausgesprochen hätte. Der Druck rührte somit lediglich daher, sich einer ausserhalb der Generalversammlung stattfindenden Abstimmung der Aktionäre zu beugen bzw. die Interessen der Mehrheit der Aktionäre in Betracht zu ziehen. Der Verwaltungsrat hätte dann nur noch nachvollziehen sollen, was die Mehrheit der Aktionäre schon beschlossen hatte. Insofern dürfte man ihm bei der Eintragung kaum noch ein Ermessen zugestehen. Jedenfalls wird man kaum von einer Verletzung der Sorgfaltspflicht sprechen können, wenn der Verwaltungsrat dem Willen der Mehrheit der Aktionäre nachkommt. Und selbst wenn die Eintragung in dieser Hinsicht nicht unproblematisch gewesen wäre, verhält sich nicht anders wie bei der Abgabe eines Angebotes mit „zu tiefem“ Angebotspreis. Der Verwaltungsrat verletzt zwar möglicherweise seine Sorgfaltspflicht, wenn er ein solches Angebot annehmen würde; dem Bieter kann es deswegen aber nicht verboten sein, ein solches Angebot abzugeben. Damit ist nicht gesagt, dass eine Bedingung, die zu ihrem Eintritt eine Sorgfaltspflicht voraussetzt, per se zulässig ist. Es ist vielmehr so, dass nicht jede dieser Bedingungen von vornherein unzulässig ist. Bedenken sind auch hinsichtlich des von der Übernahmekommission verwendeten Argumentes der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung angebracht. Im Fall von Baumgartner war zum einen die Beschränkung der Eintragung und der Stimmfähigkeit von Aktien nicht als Grundsatz, sondern als Ausnahme vorgesehen. Zum anderen enthielt die Statutenklausel eine generelle Ermächtigung an den Verwaltungsrat, Eintragungen als Vollaktionär zu verweigern, ohne diesem irgendwelche Leitlinien vorzugeben. Der Verwaltungsrat konnte daher Eintragungsgesuche nach pflichtgemässem und – mangels entsprechender Klagemöglichkeit mit Ausnahme einer (theoretischen) Verantwortlichkeitsklage – wohl auch nicht pflichtgemässem Ermessen ablehnen. Wenn man aber in solchen Statutenklauseln keine Verletzung aktienrechtlicher Grundsätze erblickt, sollte man dies auch nicht hinsichtlich Bedingungen von Übernahmeangeboten, die auf solche Klauseln Bezug nehmen, umso mehr, als vom Verwaltungsrat nichts anderes verlangt wurde, als den Mehrheitsentscheid der Aktionäre nachzuvollziehen. Mit anderen Worten ist die Statutenklausel das Problem, nicht die Bedingung im Übernahmeangebot. 189 Da die einfache Bedingung der Eintragung im Aktienregister (ohne Bezugnahme auf den Verwaltungsrat) nach wie vor zulässig ist988, wird sich der Fall Baumgartner in Zukunft kaum mehr stellen. Die grundsätzliche Problematik dieser Bedingungen bleibt jedoch aktuell. Sie tangiert Fragen der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung und des Gesesellschaftsinteresses und kann daher hier nicht abschliessend behandelt werden. Auf Unzulässigkeit einer Bedingung sollte indessen nur nach einer zweistufigen Prüfung erkannt werden. Würde die vom Bieter zur Bedingung erhobene Handlung zu einer offensichtlichen Verletzung von zwingenden aktienrechtlichen Grundsätzen oder anderen Normen führen, ist sie fraglos unzulässig. Dies ist nach der hier vertretenen Meinung nur dann der Fall, wenn die zur Bedingung erhobene Handlung des Verwaltungsrates nicht als rechtsgültig vorgenommen werden kann, also beispielsweise nicht bei entsprechendem Ermessen des Verwaltungsrates989. Wenn diese erste Prüfung nicht zur Unzulässigkeit führt, kann aufgrund einer unlauteren Verknüpfung von Bedingung (Handlung des VR) und Ausstieg des Bieters dennoch eine unzulässige Bedingung vorliegen. Wie die vergleichbare Praxis zur Nötigung nach Art. 181 StGB zeigt, ist es hier schwer, allgemeine Grundsätze aufzustellen, doch sollte auch hier Unzulässigkeit nur mit der gebotenen Zurückhaltung angenommen werden. IV. Zustimmung von Gesellschaftsorganen des Bieters als Bedingung Es kann vorkommen, dass nicht Beschlüsse von Organen der Zielgesellschaft, sondern von Organen des Bieters selbst zur Bedingung eines öffentlichen Kaufangebotes gemacht werden. So kann der Bieter beispielsweise bei einem Umtauschangebot die Genehmigung der erforderlichen Kapitalerhöhung durch „seine“ General- bzw. Gesellschafterversammlung als Bedingung vorsehen. Ohne Zweifel hat er daran ein berechtigtes Interesse, denn ohne Zustimmung dieses Organs kann das geplante Umtauschangebot unter Umständen nicht durchgeführt werden. Mit Blick auf Art. 13 Abs. 1 UEV wird man jedoch kaum bestreiten können, dass diese Bedingung durch den Bieter beeinflussbar ist. Dies ist offensichtlich, wenn man den Beschluss der Generalversammlung dem Bieter als Entscheidung seines Organs zurechnet. Aber selbst wenn man den Beschluss der Generalversammlung des Bieters als Entscheidung von unabhängigen Drittper- 988 989 Vgl. die Verfügung der EBK i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA vom 12. November 2001 E. 6. Da der Straftatbestand von Art. 162 StGB (Verletzung des Geschäftsgeheimnisses) lediglich ein Antragsdelikt darstellt und bei entsprechendem Beschluss des die Gesellschaft vertretenden Verwaltungsrates ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, kann zum Beispiel die Bedingung der Einsichtnahme in Gesellschaftsdokumente nicht schon aufgrund Art. 162 StGB unzulässig sein. Die Erfüllung der Bedingung ist hier mit anderen Worten rechtsgültig möglich. 190 sonen, i.e. den Gesellschaftern, ansehen sollte990, kann eine mehr oder minder grosse Einflussnahme durch den Verwaltungsrat des Bieters oder durch in Absprache handelnde Grossaktionäre festgestellt werden. Trotz dieser Bedenken wird man dem Bieter die Gutheissung einer Kapitalerhöhung durch „seine“ Generalversammlung als Bedingung zugestehen müssen991, da aus Sicht des Bieters nicht nur ein legitimes Interesse an einer solchen Bedingung besteht, sondern deren Aufstellung in den meisten Fällen geradezu unerlässlich ist992. Dieser Befund wird bestärkt durch Art. 20 Abs. 2 UEV, der unseriöse Angebote mit wakkeliger Titelbeschaffung stark einschränkt. Diese Bestimmung verlangt vom Bieter eine Bestätigung, wonach alle für die Beschaffung der Titel notwendigen Massnahmen getroffen worden sind, wenn im Angebot Titel zum Tausch angeboten werden, die noch nicht verfügbar sind. Auch die Tatsache, dass Art. 20 Abs. 2 UEV die Abgabe von Angeboten zulässt, obwohl die als Entgelt dienenden Titel noch nicht geschaffen oder beschafft worden sind, deutet auf die Zulässigkeit von entsprechenden Bedingungen hin. In den meisten Fällen dürften zudem – um auf eine von der Übernahmekommission verwendete Formulierung zurückzukommen - die Interessen des Bieters am Anfügen einer entsprechenden Bedingung gegenüber dem Interesse der Angebotsadressaten an einem unbedingten Angebot überwiegen. Die Gutheissung der zur Finanzierung des Angebotes dienenden Kapitalerhöhung durch die Generalversammlung des Bieters kann daher, Missbräuche vorbehalten, als Bedingung eines Angebotes vorgese- 990 991 992 Der Begriff des Anbieters (durch den der Eintritt der Bedingung nicht massgeblich beeinflussbar sein darf) in Art. 13 Abs. 1 UEV müsste dann auf den Verwaltungsrat bzw. das oberste Leitungsorgan des Anbieters beschränkt werden. Aufschlussreich ist auch ein Vergleich mit dem Entwurf des deutschen Übernahmegesetzes. § 21 Abs. 1 des Entwurfs sah vor, dass das Angebot nicht an Bedingungen geknüpft werden kann, deren Eintritt der Bieter oder mit ihm gemeinsam handelnde Personen ausschliesslich selbst herbeiführen können. Dies galt jedoch nach nach dem letzten Satz dieser Bestimmung ausdrücklich nicht für Entscheidungen der Gesellschafterversammlung des Bieters (Hervorhebung durch Verfasser). In der geltenden Fassung des Gesetzes findet sich diese Klarstellung nicht mehr. Vgl. auch Rule 13 des City Code:“An offer must not normally be made subject to conditions which depend solely on subjective judgements by the directors of the offeror ...“ (Hervorhebung durch Verfasser). Gleicher Meinung allerdings vor Erlass der Übernahmeverordnung TSCHÄNI, Übernahmeangebote, S. 212. Dieses Interesse kann nicht einfach mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Schaffung bedingten Kapitals abgetan werden, da zahlreiche Übernahmen den tatsächlichen oder auch (derzeit) rechtlich möglichen Betrag genehmigten Kapitals übersteigen können. 191 hen werden993. Dies gilt auch für die Eintragung des entsprechenden Beschlusses im Handelsregister994. Die Zulässigkeit von Beschlüssen des Verwaltungsrates des Bieters als Bedingung eines Kaufangebotes lässt sich hingegen schwer mit Art. 13 Abs. 1 UEV vereinbaren. Zwar können Beschlüsse des Verwaltungsrates, z.B. solche über ein Kapitalerhöhung aus dem genehmigten Kapital, durchaus für die Durchführung eines öffentlichen Kaufangebotes erforderlich sein. Doch wäre es geradezu widersprüchlich, wenn das beim Anbieter für die Unterbreitung eines Kaufangebotes zuständige Organ dieses Angebot einer weiteren Entscheidung durch ebendieses Organ vorbehalten würde. Dies käme in der Regel einer unzulässigen Wollensbedingung gleich. Ausserdem kann vom Verwaltungsrat verlangt werden, dass er seine Angebotsentscheidung und die damit verbundenen Beschlüsse bereits vor Unterbreitung des Angebots festlegt. Ein Versäumnis oder die Unfähigkeit, dies zu tun, rechtfertigt es nicht, den Angebotsadressaten die Ungewissheit einer Bedingung zuzumuten. V. Zustimmung von Behörden Fast bei jedem öffentlichen Kaufangebot wird die Genehmigung bzw. Freistellung der Übernahme durch die zuständigen Wettbewerbsbehörden zur Bedingung erhoben995. Es steht ausser Zweifel, dass eine solche Bedingung – ob auflösend996 oder aufschiebend997 - grundsätzlich zulässig ist998. Allerdings können je 993 994 995 996 997 Empfehlung der UEK i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E. 8.2. Die Übernahmekommission liess in dieser Empfehlung jedoch durchblicken, dass bei Dominanz der GV durch den Verwaltungsrat („..die bis heute offengelegten Beteiligungsverhältnisse gemäss Art. 20 BEHG nicht den Schluss zulassen, dass der Verwaltungsrat von InCentive anlässlich ihrer Generalversammlung den Ausgang der Abstimmung zu garantieren vermag, ..“) unter Umständen anders zu entscheiden wäre. Vgl. dazu Art. 13 Abs. 1b) des 1990 EU-RL Entwurfs, der eine Rücknahme des Angebotes vorsah, wenn die Abfindung der Aktionäre der Zielgesellschaft in Aktien oder Wandelschuldverschreibungen erfolgen soll und die Hauptversammlung der bietenden Gesellschaft nicht zustimmt. Vgl. aber die Kritik bei PELTZER S. 203. Vgl. dazu die auch Empfehlung der UEK vom 16. Mai 2001 i.S. Schweizer Mustermesse AG / Messe Zürich AG für internationale Fachmessen und Spezialausstellungen E. 4.2 betreffend Sicherung der Schaffung von genehmigtem Kapital für Umtauschangebot. Der Wortlaut einiger Beispiele für solche Bedingungen ist vorne in § 2 D I.3. wiedergegeben. Man beachte auch die neuere Praxis der UEK, die vom Bieter die Nennung eines angemessenen Zeitraums verlangt, innert derer sich die auflösende Bedingung erfüllt haben muss (Empfehlung vom 15. Dezember 2000 in Sachen Ems-Chemie Holding AG / Axantis Holding AG E. 2; vgl. auch Empfehlung vom 3. Juli 2000 in Sachen Unaxis Holding AG / Esec Holding AG E. 3.2). Die Abwicklungsfrist von 10 Börsentagen seit Ablauf der Nachfrist wird dann entsprechend verlängert (vgl. dazu § 4 E. III). In der Regel wird folgender Wortlaut verwendet: „Die Bedingung gilt bis zum Ablauf der (allenfalls verlängerten) Angebotsfrist als aufschiebende Bedingung gemäss Art. 13 Abs. 1 UEV. Nach Ablauf der allenfalls verlängerten Angebotsfrist gilt die Bedingung als auflösende Bedingung im Sinne von Art. 13 Abs. 4 UEV“ (Nicht wörtlich zitiertes Beispiel aus dem Angebotsprospekt vom 11. Oktober 1999 in Sachen LVMH Moët Hennessy Luis Vuitton SA / Tag Heuer International SA). 192 nach Wortlaut Bedenken hinsichtlich des Ermessens des Bieters und des Potestativcharakters der Bedingung aufkommen. So dürfte die Bedingung einer wettbewerbsrechtlichen Freistellung bzw. Genehmigung ohne irgendwelche Auflagen, Bedingungen oder Verpflichtungen aufzuerlegen, vorbehaltlich Spezialfällen unzulässig sein. Eine Bedingung wettbewerbsrechtlicher Genehmigungen bzw. Freistellungen ohne wesentliche Auflagen usw. ist hingegen zulässig999, wobei aber der Trend seitens der Übernahmekommission zur zahlenmässigen Fixierung der „Wesentlichkeit“ geht1000, um auch hier das Ermessen des Bieters so gering wie möglich zu halten. Auch die „Genehmigung“ bzw. Freistellung des Übernahmevorhabens durch die Steuerbehörden wurde von der Übernahmekommission als zulässige (auflösende) Bedingung angesehen1001. Im Fall Baumgartner hat die Übernahmekommission allerdings präzisiert, dass dies nur dann der Fall sein könne, wenn der zuständigen Steuerbehörde ein Ermessen zukomme. Wenn hingegen die Steuerbefreiung einer normalerweise besteuerten Transaktion zur Bedingung erhoben werde, sei dies unzulässig1002. Die Übernahmekommission verlangte darüberhinaus im Sinne der Transparenz, dass der Bieter die betreffenden Steuerbehörden in der Bedingung nennt und dass er gegenüber der UEK nachweist, alle notwendigen Schritte bei den zuständigen Behörden zur Steuerneutralität der Transaktion unternommen worden sind1003. Im Fall der Übernahme der Société Immobilière Genevoise („SIG“) durch die IMG Fondation de Placements Immobliliers („IMG“) hatten sich die Hauptak- 998 Vgl. zum Beispiel die Empfehlung vom 20. April 1999 in Sachen Kuoni Holdings Plc / Kuoni Reisen Holding AG E.4; Weitere Beispiele zur Zulässigkeit auflösender Bedingungen finden sich in § 5 E III. vorn. 999 Vgl. statt vieler die Empfehlung der UEK vom 15. Dezember 2000 i.S. Ems Chemie Holding AG / Axantis. 1000 So z.B. die Bedingung im Angebot der Compass Group Plc für die Aktionäre der Selecta vom 26.3.2001:“[D]ie zuständigen Schweizer und europäischen Wettbewerbsbehörden gewähren sämtliche Genehmigungen und/oder Bewilligungen für die Übernahme der Selecta durch die Compass Group, ohne dass von einer der Parteien die Erfüllung von Bedingungen, Auflagen oder Verpflichtungen verlangt wird, die den jährlichen Umsatz einer der Parteien um mehr als CHF 100'000'000 herabsetzen könnte“. Der Umsatz von Compass belief sich dabei auf umgerechnet rund CHF 18 Milliarden, derjenige der Selecta auf rund CHF 830 Millionen (Zahlen für das Jahr 2000). Im Angebot der Incentive für Sulzer war folgende Bedingung zu finden: „Sämtliche zuständigen schweizerischen und ausländischen Behörden haben alle für die Übernahme der Sulzer erforderlichen Bewilligungen und/oder Freistellungsbescheinigungen erteilt, ohne einer der Parteien Bedingungen oder Verpflichtungen auferlegt zu haben, welche Kosten und/oder Ertragseinbussen von insgesamt über CHF 20 Mio. zur Folge haben“ (Angebotsprospekt vom 30. März A 12.). Der Umsatz der Sulzer (einschliesslich Sulzer Medica) im Jahre 2000 belief sich auf rund CHF 5,7 Milliarden, während Incentive als Investmentgesellschaft keine für das Zusammenschlussvorhaben wettbewerbsrechtlich relevanten Umsätze erwirtschaftete. 1001 Empfehlung der UEK vom 12. Juni 1998 i.S. Zurich Allied AG / Zürich E. III. 1002 Empfehlung der UEK vom 27. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 3 (vgl. auch E. 5 der Empfehlung vom 16. Juli 2001). 1003 Ibidem. 193 tionäre der SIG gegenüber dem Kanton Genf verpflichtet, 70% der Aktien der Gesellschaft bei einer Bank zu deponieren, um den Erfordernissen des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland nachzukommen1004. Die Bieterin IMG behielt sich vor, vom Angebot zurückzutreten, falls die blockierten Aktien nicht durch eine Genehmigung des Kantons Genf freigegeben würden. Auch diese auflösend ausgestaltete Bedingung wurde von der Übernahmekommission als zulässig erachtet1005. Wie diese Beispiele zeigen, erlaubt die Übernahmekommission in relativ grosszügiger Weise das Aufstellen von Bedingungen, wenn es um staatliche Verfügungen im Zusammenhang mit der Übernahmetransaktion geht, wenn sie auch in neueren Empfehlungen – wohl aufgrund der kontradiktorischen Natur der zugrundeliegenden Standpunkte – etwas zurückhaltender geworden ist. Bedingungen betreffend die Genehmigung von Aufsichtsbehörden werden grundsätzlich auch als auflösende Bedingungen zugelassen, d.h. über deren Eintritt muss nicht vor Ablauf der allenfalls verlängerten Angebotsfrist bereits Gewissheit bestehen. Es werden nicht nur Bedingungen zugelassen, die sich auf gesetzlich verlangte Genehmigungen oder Freistellungen beziehen, wie beispielsweise in den meisten Fällen das plazet durch eine Wettbewerbsbehörde, sondern auch vom Bieter frei gewählte Genehmigungen, wie beispielsweise jene von Steuerbehörden, werden als zulässig erachtet1006. Ausserdem können auch Genehmigungen durch Aufsichtsgremien von Selbstregulierungsorganisationen zur Bedingung eines öffentlichen Kaufangebotes erhoben werden. Im Fall Synthes – Stratec / Stratec zum Beispiel war das öffentliche Kaufangebot unter anderem dadurch bedingt, dass die Kotierung der Aktien der neuen Obergesellschaft Synthes-Stratec, Inc. an der SWX Swiss Exchange definitiv bewilligt ist. Die Übernahmekommission hielt diese Bedingung trotz deren auflösender Natur für zulässig, weil deren Eintritt nicht vom Bieter entscheidend beeinflusst werden könne und es überdies im Interesse der Angebotsadressaten sei, kotierte Titel im Austausch gegen ihre bisherigen, ebenfalls zum Handel zugelassenen Beteiligungspapiere zu erhalten1007. Die Bedingung einer Eintragung neu ausgegebener Beteiligungspapiere 1004 E. 5 der Empfehlung der UEK vom 5. Mai 1999 in Sachen IMG Fondation de Placements Immobiliers / Société Immobilière Genevoise. 1005 Ibidem. Die UEK hat dabei folgende Aussage gemacht: „ La soumission d’une offre à la condition résolutoire (art. 13 al. 4 OOPA) de l’octroi d’une autorisation étatique est conforme à la pratique de la Commission des OPA“. 1006 Vgl. die Empfehlung vom 12. Juni 1998 in Sachen Zurich Allied AG / Zürich E. III. Die Steuerbehörden verlangen in der Regel nicht, dass ihnen Transaktionen zur Beurteilung zugewiesen werden. Ein Steuerruling entspringt vielmehr einem Interesse des Bieters oder verbundener Gesellschaften an einer finanziell vorteilhaften Abwicklung der Übernahme (vgl. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 28 BEHG N 10). 1007 Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 in Sachen Synthes-Stratec / Stratec E 3: „Condition (c) Approval of Listing of SYNTHES-STRATEC on the Swiss Exchange constitutes a condition subsequent following the expiry of the offer. This condition is not in the offeror’s decisive control and it is in the shareholders‘ best interest to receive equity securities in exchange that are also listed on the Swiss Exchange.“ 194 im Handelsregister dürfte hingegen dann nicht zulässig sein, wenn bereits die Kotierung dieser Titel zur Bedingung erhoben wurde1008. Auch ohne die Verbindung zur Kotierung erscheint die Bedingung eines Handelsregistereintrages angesichts der Möglichkeit rechtlicher Beratung und der Vorprüfung durch Handelsregisterbehörden sowie der Flexibilität der Ausgestaltung eines Zusammenschlusses als weitgehend vom Bieter beeinflussbar1009. Dennoch kann es ohne weiteres vorkommen, dass eine Handelsregistersperre erwirkt wird und diese für eine gewisse Zeit nicht beseitigt werden kann. Auch gegen dieses Risiko soll sich der Bieter absichern können. Eine entsprechende Bedingung des Handelsregistereintrages der neu ausgegebenen Titel muss daher zulässig sein1010. Die grundsätzliche Zulässigkeit dieser Art von Bedingungen ist gemäss Praxis der Übernahmekommission nicht bestritten und wirft zumeist auch keine heiklen Fragen auf1011. Auch deren Ausgestaltung als auflösend im Sinne von Art. 13 UEV wird im allgemeinen als nicht problematisch erachtet1012. Man kann sich allerdings fragen, ob das Anfügen von Bedingungen in jenen Fällen nötig ist, wo ein Übernahmevorhaben im nachhinein durch Aufsichtsbehörden untersagt wird und diese Untersagung die Unverbindlichkeit des Vertragsschluss zwischen Bieter und den Inhabern von Beteiligungspapieren zur Folge hat. Ein solcher Vertrag könnte auch ohne Bedingungen nicht vollzogen werden, womit Bedingungen an sich nicht nötig wären. Eine Untersagung ist allerdings ein bei Übernahmevorhaben sehr selten vorkommender Ausgang. Praktisch viel wichtiger sind Auflagen, die eine Übernahme trotz Genehmigung äussert unattraktiv machen können. In einem solchen Fall könnte der Bieter aber von seinem Angebot nicht Abstand nehmen, ohne dass er eine Bedingung anfügt1013. Aus Sicht der Bieters erweist sich die Bedingung ex ante also in jedem Fall erforderlich. 1008 Die Eintragung im Handelsregister ist Voraussetzung der Kotierung. Vgl. aber FREI S. 14. 1010 Vgl. dazu die Empfehlung der UEK vom 16. Mai 2001 i.S. Schweizer Mustermesse AG / Messe Zürich AG für internationale Fachmessen und Spezialausstellungen E. 4.2.: Eine Bedingung, wonach bis zum erstreckbaren Vollzugsdatum keine gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen vorliegen, welche einen Generalversammlungsbeschluss betreffend genehmigtem Kapital [i.e. zur Schaffung der Titel für das Umtauschangebot] für ungültig erklären, ist – auch auflösend – als zulässig zu erachten. Da kaum zu erwarten ist, dass innert einer im Rahmen eines Übernahmeangebotes vertretbaren und zulässigen Frist ein rechtskräftiger Entscheid vorliegt, muss eine entsprechende Absicherung bereits bei Vorliegen einer – nach Anhörung des Bieters – nicht aufgehobenen provisorischen Anordnung möglich sein. 1011 Vgl. auch DAENIKER, S. 188f.; TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 28 N 10. Für die Frage der Zulassung dieser Art von Bedingungen bei Pflichtangeboten sei auf die Ausführungen in § 5 C verwiesen. 1012 Für diese Problematik kann auf § 4 E III. verwiesen werden. 1013 Freilich könnte er sich auf langwierige und wenig verheissende Standpunkte wie Grundlagenirrtum oder clausula rebus sic stantibus berufen. 1009 195 VI. Ausschluss von Veränderungen oder Behinderungen bei Übernahme Der Bieter versucht sich oft ganz allgemein gegen Behinderungen oder negative Änderungen bei der Übernahme abzusichern, ohne dies auf das Verhalten der Zielgesellschaft oder der Genehmigung von Aufsichtsbehörden zu beschränken. Das Angebot der Zurich Allied AG für die Aktionäre der Zürich sah zum Beispiel eine auflösende Bedingung vor, wonach „all conditions necessary to the completion of the merger agreement, such as the granting of regulatory or tax clearances or the absence of material adverse changes of situation, have been fulfilled or waived“1014. Auch im Fall Synthes-Stratec ging dem Kaufangebot ein Zusammenschlussvertrag voraus. Dieser enthielt zahlreiche Bedingungen, die im Angebotsprospekt in vereinfachter Form wiedergegeben wurden, wobei die Version des Zusammenschlussvertrages massgeblich sein sollte1015. Unter anderem wurde als Bedingung zur Durchführung des Übernahmeangebots stipuliert, dass keine Verfügungen oder Verbote die im Zusammenschlussvertrag vorgesehenen Transaktionen in Frage stellen, untersagen oder beeinträchtigen würden1016. Beim Umtauschangebot der New ABB Ltd. für die Aktionäre der ABB AG wurde zwar- im Gegensatz zu den geschilderten Transaktionen „Zurich“ und „SynthesStratec“ – nicht auf einen Zusammenschluss- oder vergleichbaren Vertrag verwiesen, der dem Angebot vorausgegangen wäre. Doch wurde auch in diesem Fall eine Bedingung in den Angebotsprospekt aufgenommen, wonach das Angebot nur vollzogen werde, wenn – nach Ansicht der New ABB Ltd - keine Urteile, Gesetzesbestimmungen, Anordnungen usw. vorliegen, welche das Umtauschangebot teilweise oder gänzlich verunmöglichen oder erheblich behindern1017. 1014 Die Bieterin publizierte den Inhalt der Bedingungen nicht im Angebotsprospekt. Der Wortlaut stammt aus E. III. der Empfehlung der UEK vom 12. Juni 1998 in Sachen Zurich Allied AG / Zürich. 1015 Vgl. Ziff. A 9 des Angebotsprospektes vom 31. März 1999 in Sachen Synthes-Stratec, Inc. / Stratec Holding AG. 1016 Ziff. A. 9 /(b) des Angebotsprospektes. Der gesamte Wortlaut der in common law deutsch abgefassten Bestimmung liest sich wie folgt: „Für keine private Partei darf durch irgendeine zuständige Behörde ein Urteil, eine Verfügung oder eine Anordnung ergangen sein, und es dürfen durch keine zuständige Behörde irgendwelche Verfahren eingeleitet oder angedroht sein, welche: (i) den Vollzug der nach dem Zusammenschlussvertrag vorgesehenen Transaktionen in Frage stellen, untersagen oder beeinträchtigen würden; oder die Fähigkeit der Parteien zum Vollzug der nach dem Zusammenschlussvertrag vorgesehenen Transaktionen illegal machen würden, ihn mit einer Geldstrafe von mehr als CHF 100‘000 belegen würden oder anderweitig in erheblichem Masse beeinträchtigen würden; (ii) der SYNTHES-STRATEC eine wesentliche Beschränkung der Möglichkeit auferlegen oder anstreben würden, (aa) die Aktien oder Anteile an irgendeiner Gesellschaft der STRATEC-Gruppe, der SYNTHES oder der RM-STRATEC Beteiligungen AG zu erwerben, zu halten, oder (bb) auf eigene Rechnung irgendeinen wesentlichen Teil der Geschäfte der RM-STRATEC Beteiligungen AG oder der STRATEC-Gruppe oder der SYNTHES einzeln oder als Ganzes zu betreiben.“ 1017 Vgl. Ziff. B. 6./ d) des Angebotsprospektes vom 26. März 1999. Der Wortlaut ist der folgende: „Das Umtauschangebot der ABB AG wird nach Ansicht der New ABB Ltd. vor der Ankündigung des Vollzuges weder teilweise noch gänzlich verunmöglicht oder erheblich behindert aufgrund allfälliger Gesetzesbestimmungen, Gerichtsurteile, Handlungen öffentlicher Behörden oder ähnlicher sich der Kontrolle New ABB Ltd entziehenden Umstände, die sich in der Schweiz, in Schweden oder in einem anderen Land ereignen oder ereignen können“. Vgl. dazu auch Ziff. A. 12 /h des Angebotspro196 Wie aus den Erwägungen der Übernahmekommission hervorgeht, wurde diese Bedingung vor allem angebracht, um eine Situation zu verhindern, wonach das Angebot für die Aktionäre der schwedischen Schwestergesellschaft ABB AB abgebrochen, das Angebot für die Aktionäre der ABB AG aber durchgeführt werden muss1018. Wie gesehen ist der Wortlaut der verwendeten Bedingung im Angebotsprospekt allerdings viel umfassender und deckt nicht nur den von der UEK erwähnten engen Tatbestand ab. Er ermöglicht der Bieterin einen Ausstieg bis zum Vollzug1019 aus dem Angebot bei jeder – aus Sicht der Bieterin – erheblichen Behinderung der Übernahme. Die Übernahmekommission ist in diesem wie auch in den anderen Fällen implizit davon ausgegangen, dass solch umfassende Bedingungen weder hinsichtlich Transparenz noch hinsichtlich Lauterkeit des öffentlichen Kaufangebotes Probleme bereiten. Gewisse Fragezeichen waren dabei aber zumindest im Hinblick auf die Transparenz des Angebotes angebracht. So haben die Konsulenten der Übernahmekommission den Standpunkt geäussert, dass auflösende Bedingungen, welche den Anbieter in Form einer Generalklausel gegen den Erlass neuer Gesetzesbestimmungen, Gerichtsurteile, Handlungen öffentlicher Behörden oder ähnlicher sich seiner Kontrolle entziehender Umstände absichern sollen, auf Grund mangelnder Bestimmtheit unzulässig seien1020. Aufgrund der Sensibilisierung der Übernahmekommission wurden die entsprechenden Bedingungen in der Praxis inhaltlich präziser und betragsmässig fixiert ausgestaltet1021. Ob vor diesem Hintergrund ein Ausstieg bis zum Vollzug des Angebotes bei Eintreten ei- spekts der Incentive für die Aktionäre der Sulzer (A.12 / h): „Zudem liegen keine anderen gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen vor, die den Vollzug der vorgesehenen Transaktionen (..) verbieten“ (vgl. die Empfehlung der UEK vom 11. April 2001 E. 8.10, wonach diese Bedingung als zulässig zu erachten ist). 1018 Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 in Sachen New ABB Ltd / ABB AG E. 3 betreffend Condition (d). 1019 Die entsprechende Bedingung der ABB war also „auflösend“ ausgestaltet worden. 1020 WEY/HUBER, Aus der Praxis der Übernahmekommission, SZW 2001, S. 149. 1021 Vgl. Ziff. A. 12. /f. des Angebotsprospektes des Incentive für die Aktionäre der Sulzer AG: „Die Aktiven und Passiven der vorerwähnten Tochtergesellschaften bzw. Geschäftsbereiche von Sulzer haben insgesamt keine Veränderungen im Umfang von mehr als CHF 100 Mio. erfahren und Sulzer hat auf Holding-, Beteiligungs- oder Geschäftsbereichstufe keine Finanzierungs-, Finanz-, Kapitalmarkt- oder M&A-Transaktionen im Gesamtumfang von mehr als CHF 100 Mio. getätigt.“ Sowie Ziff. A. 12. /g desselben Prospektes: „Es wurden gegen Sulzer und ihre Tochtergesellschaften (mit Ausnahme von Sulzer Medica) bis zum 19. Februar 2001 (dem Datum der Voranmeldung) keine Klagen erhoben oder schriftlich angedroht, die der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben worden sind und von Sulzer weder versichert noch in der konsolidierten Bilanz zurückgestellt worden sind und deren Streitwert insgesamt CHF 30 Mio. übersteigt; es werden bis zum Ende der (allenfalls verlängerten) Angebotsfrist keine solchen Klagen angehoben“. Während Bedingung f) als auflösend ausgestaltet war, wurde Bedingung g) als aufschiebend ausgestaltet, nachdem die UEK m.E. nicht gerechtfertigte Bedenken gegen eine auflösende Ausgestaltung ausgesprochen hatte (vgl. E. 5.2 der Empfehlung vom 19. März 2001). Beide Bedingungen wurden als zulässig erachtet (vgl. die Empfehlung der UEK vom 11. April 2001 E. 8.8 und 8.9). Vgl. auch die Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 4 betreffend Unterlassung von Kapitalmarkttransaktionen durch die Zielgesellschaft. 197 nes betragsmässig bezifferten, aber inhaltlich unbestimmten „material adverse change“ noch zulässig ist, darf bezweifelt werden. Die Praxis der Übernahmekommission wird hier möglicherweise differenzierte Lösungen finden, die sich am Übergang von Nutzen und Gefahr sowie an der Unterscheidung zwischen endogenen (von der Zielgesellschaft „verursachten“) und exogenen (höhere Gewalt) Faktoren orientiert. VII. Einhaltung von vertraglichen Zusicherungen als Bedingung Diese Art von Bedingungen kann nur dort vorkommen, wo zwischen Bieter und Zielgesellschaft, zwischen Bieter und einem oder mehreren Aktionären der Zielgesellschaft und/oder zwischen zwei Zielgesellschaften bereits eine vertragliche Verbindung besteht. Es geht dabei in der Regel um transnationale Zusammenschlussvorhaben, wo eine neue Holdinggesellschaft den Anteilseignern von zwei oder mehreren sich mittels Zusammenschlussvertrag bindenden Gesellschaften ein Umtauschangebot unterbreitet1022. Im Zusammenschlussvertrag, welcher dem Angebot vorausgeht, geben die von der neuen Holding zu übernehmenden Gesellschaften in der Regel gewisse Zusicherungen ab, auf die die bietende Holding, obwohl nicht unbedingt Vertragspartei, durch Stipulierung einer Bedingung Bezug nehmen kann. Im Angebotsprospekt der Synthes-Stratec findet sich eine solche, in der schweizerischen Übernahmepraxis nicht sehr häufig anzutreffende Bedingung. Danach ist die Durchführung des Umtauschangebotes1023 dadurch bedingt, dass die im Zusammenschlussvertrag abgegebenen Zusicherungen und Gewährleistungen am Vollzugstermin wahr und korrekt seien. Eine Verletzung dieser Zusicherungen und Gewährleistungen hatte aber nur dann Folgen, wenn eine im Zusammenschlussvertrag definierte „erhebliche negative Auswirkung“ einträte1024. Die „erhebliche negative Auswirkung“ wäre dann gegeben, wenn die „gesamte Auswirkung aller verletzten Zusicherungen, Gewährleistungen oder Ereignisse zusammengenommen“ USD 150 Millionen auf dem Gewinn vor Steuern oder in der Bilanz der verletzenden Partei über- 1022 Vgl. dazu beispielsweise den Fall Synthes-Stratec Inc. / Stratec Holding AG und die Information im entsprechenden Umtauschangebot vom 31. März 1999. 1023 Als Bieterin trat die Synthes-Stratec, Inc., Wilmington, Delaware, auf. Die Zielgesellschaft war die Stratec Holding AG, welche – unter Einbezug von Gruppengesellschaften – einen Zusammenschlussvertrag mit der Synthes Inc. eingegangen war. 1024 Die Bedingung wurde im Angebotsprospekt lediglich zusammengefasst. Massgebend blieb der Wortlaut des Zusammenschlussvertrages. Die hier interessierende Bedingung lautete in der deutschen Version wie folgt: „Die im Zusammenschlussvertrag abgegebenen Zusicherungen und Gewährleistungen der Parteien müssen am Vollzugstermin wahr und korrekt sein; hiervon ausgenommen sind Fälle, bei denen eine Unwahrheit oder Unkorrektheit keine Erhebliche Negative Auswirkung (wie nachstehend definiert) auf die RM-STRATEC Beteiligungen AG oder die STRATEC-Gruppe als Ganzes haben würde;…“ ( Bst. A 9./ e)i) des Angebotsprospektes vom 31. März 1999 in Sachen Synthes-Stratec Inc. / Stratec Holding AG). 198 steigt1025. Die Bedingung war in casu auflösend ausgestaltet worden. Die Übernahmekommission befand, dass die verlangte negative Auswirkung 18% des Wertes von Stratec und 8% des Wertes der Synthes entspreche und somit eine Beeinflussung des Eintritts der Bedingung durch den Bieter1026 nicht sehr wahrscheinlich sei. Die Bedingung wurde daher als zulässig angesehen1027. Es ergibt sich bereits aus Art. 13 Abs. 1 UEV, dass die Einhaltung vertraglicher Zusicherungen nur dann zur Bedingung eines öffentlichen Kaufangebotes gemacht werden kann, wenn die Einhaltung dieser Zusicherungen nicht vom Bieter massgeblich beeinflusst werden kann. Dies ist – offenbar ungeachtet allfälliger Absprachen zwischen Bieter und Zielgesellschaft - nach Ansicht der UEK dann der Fall, wenn die Wesentlichkeit einer Verletzung der Zusicherungen – ausgedrückt als in Geld bezifferbare Schadenssumme – einen relativ hohen Schwellenwert erreichen muss, damit die Bedingung als ausgefallen angesehen werden kann. Damit wird man umgekehrt den Schluss ziehen dürfen, dass eine mögliche Verletzung einer vertraglichen Zusicherung in einem Zusammenschlussvertrag oder einer ähnlichen Vereinbarung dem Bieter grundsätzlich noch nicht erlaubt, sein Angebot mit einer entsprechenden Bedingung zu versehen, wonach er bei Vorliegen einer solchen Verletzung nicht zur Durchführung des Angebotes verpflichtet ist. Nur bei Vorliegen schwerwiegender Umstände soll ein Ausstieg des Bieters aus einem unterbreiteten Angebot noch möglich sein. Dieses Resultat ist sicherlich wünschenswert, doch erscheint das Kriterium der Beeinflussbarkeit für die Beurteilung der Zulässigkeit solcher Bedingungen wiederum als zu simplizistisch. Die Verletzung oder Einhaltung vertraglicher Zusicherungen in Zusammenschlussverträgen entzieht sich oft der Beeinflussbarkeit des Bieters oder gar der mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnden Personen. In diesen Fällen sollte auch mit den Kriterien der Transparenz oder der Lauterkeit operiert werden. VIII. Abwesenheit von Abwehrmassnahmen als Bedingung1028 Bei einem unfreundlichen Übernahmeangebot hat der Bieter allenfalls ein Interesse daran, seinem Angebot eine Bedingung anzufügen, wonach der Vertrag da- 1025 Die besser verständliche englische Fassung im Angebotsprospekt lautete wie folgt: “For purposes of this condition (e) a Material Adverse Effect shall be deemed to have occurred if the overall impact of all misrepresentations, breaches of warranties or events taken together (disregarding certain Minor Breaches as defined in the Combination Agreement) attributable to one party (the „Breaching Party“) exceeds USD 150‘000‘000 on the pre-tax profits and/or on the balance sheet of the Breaching Party.“ (Bst. A 9./ (e) des Angebotsprospektes). 1026 Die Übernahmekommission hat sich nicht gefragt, ob die Zielgesellschaft mit dem Bieter in gemeinsamer Absprache handelt und der Bieter allenfalls so den Eintritt der Bedingung beeinflussen kann. Dies hätte in casu freilich die Herbeiführung einer „erheblichen negativen Auswirkung“ durch die Zielgesellschaft und damit einer realitätsfremden Selbstschädigung bedurft. 1027 Empfehlung der UEK vom 26. März 1999 in Sachen Synthes-Stratec Inc. / Stratec Holding AG E. 3. 1028 Vgl. dazu auch die Ausführungen in § 5 E hinten. 199 hinfällt, wenn seitens der Zielgesellschaft Abwehrmassnahmen eingeleitet werden. Man kann einwenden, dass ein solches Bestreben inkonsequent ist: Wer weiss, dass er ein unfreundliches Angebot unterbreitet, muss auch mit Widerstand seitens der Zielgesellschaft rechnen. Zudem schränken Art. 29 Abs. 2 BEHG sowie Art. 35 und 36 UEV die zulässigen Abwehrmassnahmen ein1029. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Bestimmungen grundsätzlich die Aktionäre der Zielgesellschaft und nicht den Bieter schützen sollen, indem zahlreiche Abwehrmassnahmen mit Segen der Generalversammlung durchaus zulässig sind1030. Ausserdem ist ex ante nicht immer klar, ob die Zielgesellschaft bzw. deren Generalversammlung auch tatsächlich Abwehrmassnahmen ergreifen werden. Ferner sieht Art. 32 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK die Zulässigkeit von Bedingungen für den Fall vor, dass die Zielgesellschaft ihre wirtschaftliche Substanz durch Abwehrmassnahmen verändert1031. Im Hinblick auf Beurteilung der Zulässigkeit nach Art. 13 UEV ist jedoch ungeachtet der erwähnten Argumente vor allem von Bedeutung, ob die Bedingung vom Bieter beeinflussbar ist. Dies muss dann klar verneint werden, wenn die Bedingung so ausgestaltet ist, dass sie einen willkürlichen Ausstieg des Bieters verhindert. Bedingungen, wonach der Bieter bei Ergreifen von Abwehrmassnahmen1032 von seinem Angebot Abstand nehmen kann oder dieses eo ipso dahinfällt, sind demnach zulässig1033. Im Einzelfall hängt jedoch viel von der konkreten Ausgestaltung der Bedingung und der spezifischen Übernahmesituation ab. Die Übernahmekommission stellt dem Bieter Anforderungen hinsichtlich Transparenz1034 und hinsichtlich des Potestativcharakters der Bedingung. Stellt der Bieter beispielsweise Schwellenwerte betreffend der Veräusserung von Aktiven oder Aufnahme von Passiven auf, die ihn zu einem Ausstieg aus dem Angebot berechtigen, müssen diese so 1029 Vgl. zu diesen Bestimmungen allgemein TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 29 BEHG N 923 m.w.H.; ZOBL S. 65ff. 1030 Art. 29 Abs. 2 BEHG. 1031 Vgl. § 5 E nachfolgend. 1032 Von Interesse sind in diesem Zusammenhang auch die Erläuterungen der UEK zu Art. 45 E-UEV, der dem geltenden Art. 16 UEV über den Widerruf von Angeboten entspricht. In diesen Erläuterungen wird festgehalten, dass sich der Anbieter im Falle eines unfreundlichen Angebotes den Widerruf vorbehalten kann, falls die Zielgesellschaft Abwehrmassnahmen ergreift. Aufgrund des Verweises auf Art. 13 UEV in Art. 16 UEV muss diese Folgerung auch für (eo ipso wirkende) Bedingungen gelten. 1033 Empfehlung der UEK vom 27. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 2 ; Empfehlung der UEK vom 11. April 2001 i.S. Incentive Captial AG / Sulzer AG E. 8.8. Die Bedingung der Incentive war als auflösend ausgestaltet worden und lautete im wesentlichen wie folgt: „Sulzer hat weder ganz noch teilweise ihr Beteiligung an Sulzer Medica (mit Ausnahme der Abspaltung....) noch die Geschäftsbereiche Sulzer Pumps, Sulzer Chemtech, [weitere Geschäftsbereiche] ....veräussert. Die Aktiven und Passiven der vorerwähnten Tochtergesellschaften bzw. Geschäftsbereiche von Sulzer haben insgesamt keine Veränderungen im Umfang von mehr als CHF 100 Mio. erfahren und Sulzer hat auf Holding-, Beteiligungs- oder Geschäftsbereichsstufe keine Finanzierungs-, Finanz-, Kapitalmarkt- oder M&A Transaktionen im Gesamtumfang von mehr als CHF 100 Mio. getätigt“. 1034 Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 3.2 a). Die UEK hielt den Ausdruck „activités industrielles“ hier für zu wenig präzis. 200 hoch sein, dass deren Eintritt nicht im normalen Geschäftsverlauf zu erwarten ist1035. Klar dürfte sein, dass dies für die in Art. 35 Abs. 2 UEV genannten Fälle unzulässiger Abwehrmassnahmen durch den Verwaltungsrat gilt. Allerdings sollte man sich dafür hüten, Art. 35 Abs. 2 UEV auch für die Zulässigkeit der Bedingungen als analog anwendbar anzusehen, wie dies die Übernahmekommission zu tun scheint1036. Als Verteidigungsmassnahmen, die Gegenstand einer Bedingung gemacht werden können, kommen selbstverständlich nicht nur die Veräusserung von Aktiven oder Betriebsteilen in Betracht. Vorausgesetzt, die Anforderungen an Transparenz und Massgeblichkeit sind sichergestellt, können beispielsweise auch die Abwesenheit von substanziellen Golden Parachutes1037 und die Ausschüttung substanzieller Dividenden1038 zur Bedingung erhoben werden. Allerdings ist in beiden Fällen Vorsicht geboten. Der Ausschüttung von Dividenden kann im Normalfall, d.h. bei Ausschüttung der Dividende durch die Zielgesellschaft, auch durch eine für die Angebotsempfänger weniger schwer wiegende Anpassung des Angebotspreises Rechnung getragen werden1039. Ausserdem bestehen bereits im Aktienrecht Vorschriften, die Gläubiger vor der Ausschüttung überhöhter Dividenden schützen sollen1040. Angesichts dieser Umstände kann die Ausschüttung von Dividenden als Bedingung bzw. Möglichkeit des Ausstiegs nicht in jedem Fall zulässig sein. Auch Bedingungen betreffend Golden Parachutes oder ganz allgemein „change of control“ Klauseln, die Kündigungsrechte oder Entschädigungszahlungen nach sich ziehen, sind nicht unproblematisch. Soweit sie sich nämlich nicht als individuell konkrete Abwehrmassnahme darstellen, sondern generell für Fälle eines Kontrollwechsels in Verträgen zwischen der Zielgesellschaft und Drittparteien vorgesehen sind, sollten sie m.E. nicht unter dem Gesichtspunkt der Abwehrmassnahmen, sondern unter dem strengeren Kriterium fehlender Behinderungen der Übernahme analysiert werden. 1035 Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 3.2 a) bb) („actes d’administration courants“). 1036 Vgl. die Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 3.2 b) und die Ausführungen in § 5 E I. hinten. 1037 Vgl. die Voranmeldung der Multipapiers für die Aktionäre der Baumgartner vom 8. Juni 2001 (von der UEK wird diese Bedingung offenbar als „usuelle“ betrachtet; Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 E. 7). 1038 Empfehlung der UEK vom 11. April 2001 i.S. Incentive Capital AG / Sulzer AG E. 8.7. 1039 Im Fall Incentive / Sulzer waren Ausschüttungen der von Sulzer mehrheitlich gehaltenen Sulzer Medica an deren Aktionäre zur Bedingung erhoben worden. Da die Sulzer Medica Aktien (durch Abspaltung) Bestandteil des Entgelts für die Sulzer Aktien hätten werden sollen, wären durch diese Ausschüttung (wegen der nicht 100% Beherrschung) die Medica Aktien mehr als die Sulzer Aktien entwertet worden, was das Angebot der Incentive gefährdet hätte. Dieser Fall war allerdings wegen der Doppelkotierung zweier Konzerngesellschaften besonders gelagert und kann nicht ohne weiteres auf andere Bedingungen betreffend Dividendenausschüttungen übertragen werden. 1040 Vgl. zum Beispiel Art. 675 Abs. 2 OR. 201 Der Bieter wird bei möglichen Abwehrmassnahmen in der Regel ein Widerruf im Sinne von Art. 16 UEV einer reinen Bedingung vorziehen, da dies ihm das Festhalten am Vertrag trotz Ausfalls der Bedingung ermöglicht. In diesem Zusammenhang kann sich die Frage stellen, wie lange der Widerruf noch ausgesprochen werden kann oder ob der Bieter bei einem unterlassenen Widerruf nach Ergreifen von Abwehrmassnahmen seine Rechte verwirkt. Diese Frage betrifft die Thematik des missbräuchlichen Ausübens des Widerrufsrechtes und wurde an anderer Stelle erörtert1041. Schliesslich kann die Frage aufkommen, ob bereits die Ankündigung von Abwehrmassnahmen (z.B. durch Einberufung einer GV oder Pressemitteilung1042) oder erst deren Beschluss die Bedingung eintreten lässt oder zum Widerruf berechtigt. Hierbei geht es in erster Linie um eine Interpretation der Bedingung selbst, wobei allerdings die Kriterien der Lauterkeit, der Beeinflussbarkeit und der Transparenz bei der Beurteilung ebenfalls eine Rolle spielen sollten. Eine mit Abwehrmassnahmen zusammenhängende Frage stellt sich dann, wenn der Bieter sein Angebot vor allem als Druckmittel benutzt, um sich für gewisse strategische Forderungen wie beispielsweise die Abspaltung eines Geschäftsteils beim Verwaltungsrat der Zielgesellschaft Gehör zu verschaffen. Der Bieter möchte dann unter Umständen – im Gegensatz zum Normalfall bei Abwehrmassnahmen – zurücktreten, wenn die Zielgesellschaft seinen Forderungen nachgibt, also gerade keine Abwehrmassnahmen ergreift. Eine solche Bedingung kann in der Regel vom Bieter nicht massgeblich beeinflusst werden, ansonsten müsste er kein Angebot unterbreiten. Hingegen wäre ein Rückzug des Angebotes oder dessen Aufhebung durch Bedingung unter dem Aspekt der Lauterkeit problematisch. Namentlich ist fraglich, ob diese Bedingung die erforderliche Konnexität zum Angebot aufweist und die Interessen der Angebotsadressaten gegenüber den „governance“ Zielen des Bieters nicht benachteiligt. IX. Gültigkeit von Bedingungen als Bedingung Im Fall Multipapiers / Baumgartner versuchte der Bieter, sein Angebot von der Gültigkeit der damit verknüpften Bedingungen abhängig zu machen. Ein Ausstieg sollte ihm dann ermöglicht sein, wenn eine der von ihm gemachten Bedingungen für unzulässig erklärt würde. Die Ungültigkeit einer Bedingung sollte mit anderen Worten die Unwirksamkeit des gesamten Angebotes zur Folge haben1043. Die Übernahmekommission hielt diese Bedingung zu Recht für nicht 1041 Vgl. zum Widerruf vorn § 3E. Vgl. dazu die Empfehlung der UEK vom 8. Dezember in Sachen Rückkaufangebot Axantis Holding AG. Das Rückkaufangebot wurde angekündigt, nachdem die Brüder Model am 31. Oktober ein öffentliches Übernahmeangebot angekündigt hatten. 1043 Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 6. 1042 202 zulässig1044. Die Rechtsfolgenregelung ist damit privatautonomer Gestaltung weitgehend entzogen. Darauf wird in § 6 über die Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen zurückzukommen sein. X. Strukturierung des Angebotspreises als Bedingung Ein besonderer Fall war im Angebot der Incentive für die Aktionäre der Sulzer zu beurteilen. Die Incentive strukturierte ihr Angebot so, dass die Aktien der von Sulzer mehrheitlich gehaltenen Sulzer Medica durch Beschluss der Generalversammlung der Sulzer an die Aktionäre der Sulzer ausgeschüttet worden wären und somit Bestandteil des von Incentive offerierten Angebotspreises geworden wären1045. Sulzer kritisierte dabei, dass ein wesentlicher Teil des Angebotspreises mit einer Bedingung zusammenfalle, dass die Bedingung der Ausschüttung der Sulzer Medica Aktien nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem öffentlichen Übernahmeangebot der Incentive stehe und dass sich die Erfüllung der genannten Bedingung nicht in das zeitliche Abwicklungsraster einer Übernahme einfügen lasse. Die Übernahmekommission befand darauf zu Recht, dass das Börsengesetz neue Strukturierungsmöglichkeiten für Übernahmeangebote nicht verhindern wolle und dass die Bedingung sehr wohl in einem engen Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot stehe, da der Angebotspreis ohne Erfüllung der Bedingung nicht zustande kommt. H. Fazit Wie die dargestellte Kasuistik gezeigt hat, ist der Frage der Zulässigkeit von Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten angesichts der Disparität der zu beurteilenden Sachverhalte nur schwer mit generellen Kriterien beizukommen. Nicht zu Unrecht nimmt daher die Übernahmekommission bei ihrer Beurteilung eine pragmatische Haltung ein. Ein Blick auf die ergangenen Empfehlungen zeigt, dass sie zunächst vorwiegend mit dem Kriterium der Beeinflussbarkeit der Bedingung operiert hat und die Rigidität dieses Kriteriums mit dem Prinzip des „Investoreninteresses“ abzumildern versuchte. Die feindlichen Übernahmeangebote für Baumgartner und Sulzer haben dieser Beschaulichkeit ein Ende bereitet und einer Zulässigkeitsbeurteilung aus börsenrechtlichen Grundsätzen den Weg bereitet. Ausserdem haben Sie – so scheint es – das Problembewusstsein der Übernahmekommission geschärft und eine kritischere Beurteilung der Zulässig- 1044 1045 Ibidem. Vgl. Ziff. A 12. / d) des Angebotsprospektes: „ Sulzer hat 2 Sulzer Medica Aktien (aus der Abspaltung der Sulzer Medica (..)) pro Sulzer Aktie den Sulzer Aktionären ausgeschüttet, teilweise als Nennwertherabsetzung und teilweise als Sachdividende“. Die Bedingung war als auflösend ausgestaltet worden und wurde von der UEK als zulässig erklärt (vgl. die Empfehlungen vom 19. März 2001 E. 4 und vom 11. April 2001 E. 8.6). 203 keit mit sich gebracht. Angesichts der kontradiktorischen Natur dieser Verfahren erstaunt dies auch nicht. Falsch wäre es meines Erachtens, daraus den Schluss zu ziehen, die Zulässigkeit von Bedingungen sei bei feindlichen Angeboten strenger zu handhaben. Richtig ist, dass der Bieter bei feindlichen Angeboten ein erhöhtes Interesse an Anknüpfung von Bedingungen hat. Dies betrifft vor allem die möglichen Abwehrmassnahmen der Zielgesellschaft. Daher rühren die erhöhte Aktualität und die Problematik der Bedingungen bei feindlichen Übernahmeangeboten. Die Zulässigkeit wird gegenüber freundlichen Angeboten jedoch nicht strenger beurteilt. Im Gegenteil: Bedingungen betreffend Beschlüsse der Zielgesellschaft, die im freundlichen Kontext als beeinflussbar angesehen werden können, sind dies zum Beispiel im feindlichen Umfeld nicht. Für die analytischen „Werkzeuge“ zur Beurteilung der Zulässigkeit von Bedingungen sollte diese Unterscheidung jedoch keine Bedeutung haben. Das rein zeitliche Kriterium bzw. Erfordernis der aufschiebenden Natur der Bedingung spielt in der Praxis der UEK für die Zulässigkeitsfrage eine untergeordnete Rolle. Die in Art. 13 Abs. 1 UEV genannten Zulässigkeitskriterien, aufschiebende Natur und keine massgebliche Beeinflussbarkeit der Bedingung, werden in der Praxis der Übernahmekommission unterschiedlich gewichtet. Diese unterschiedliche Gewichtung ergibt sich zum Teil bereits aus der Verordnung, denn Art. 13 Abs. 4 UEV erlaubt Ausnahmen vom Erfordernis der aufschiebenden Natur der Bedingung1046, während von der Zulässigkeitsvoraussetzung der fehlenden massgeblichen Beeinflussbarkeit der Bedingung nicht abgerückt werden kann. Die ältere Praxis, die Frage der Zulässigkeit von Bedingungen in verschieden gelagerten Sachverhalten nur mit dem Kriterium der Beeinflussbarkeit anzupakken, kann nicht ohne Mängel auskommen. Sie kann namentlich nicht ausschliessen, dass der Bieter sein Angebot an eine Vielzahl beliebiger, von ihm nicht beeinflussbarer Bedingungen knüpft, welche objektiv gesehen zur Wahrung der Interessen des Bieters weder erforderlich noch geeignet sind, sondern sich nur durch den Versuch erklären lassen, dem Bieter möglichst viele Ausstiegsmöglichkeiten offen zu halten. Eine Möglichkeit, allfällige Missbräuche wirksam zu bekämpfen, wäre de lege ferenda ein neues Zulässigkeitskriterium der „Erforderlichkeit“ oder „sachlichen Rechtfertigung“ einer Bedingung zur Durchführung des Angebotes bzw. zur Wahrung der Interessen des Bieters einführen. Damit würde aber die Übernahmekommission vor die nicht beneidenswerte Aufgabe gestellt, jede Bedingung des Bieters auf deren „Erforderlichkeit“ oder „Begründetheit“ zu überprüfen und dabei Führungsentscheide des Bieters zu beurteilen und zu hinterfragen1047. Eine solche Lösung erscheint nicht als zweckmä1046 Nach dieser Bestimmung kann ein Kaufangebot mit dem Einverständnis der Übernahmekommission auch an auflösende Bedingungen geknüpft werden. 1047 Vgl. zum Beispiel § 8 des österreichischen Übernahmegesetzes, wonach eine Bedingung nur zulässig sei, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist. Unklar ist jedoch, ob dieses Erfordernis aufgrund der zweiten 204 ssig, zumal bereits das geltende Recht Missbräuchen gestützt auf das Erfordernisse der Lauterkeit und der Transparenz einen Riegel schieben kann. So kann bereits aus dem Gebot der Lauterkeit das Erfordernis der Konnexität zwischen Bedingung und Übernahme hergeleitet werden. Ausserdem darf nicht vergessen werden, dass schon die durch die Übernahmegesetzgebung bewirkten Kostenund Publizitätseffekte Missbräuchen durch den Bieter zu einem grossen Teil vorbeugen. In der Übernahmepraxis ist daher auch kein dringendes Postulat im Hinblick auf eine Remedur auszumachen. Die geltende Regelung ist daher trotz ihren Mängeln der erwähnten möglichen Neuregelung vorzuziehen. Mängel des geltenden Zulässigkeitsregimes können nicht nur dadurch entstehen, dass es – wie eben erörtert – unberechtigte Bedingungen nicht ausschliesst, sondern auch durch Ausschluss an sich berechtigter Bedingungen. Die Übernahmekommission ist sich dessen sehr wohl bewusst und handhabt solche Fälle flexibel und undogmatisch. Droht eine Bedingung gar sehr in Richtung „massgeblicher Beeinflussbarkeit“ durch den Bieter zu rücken, so ist sie mit dem „Rechtfertigungsgrund“ des Investoreninteresses zur Stelle. Die Interessen der Investoren, d.h. der Inhaber von Beteiligungspapieren und Angebotsadressaten, dienen so als Korrektiv zu einer allzu rigiden Zulässigkeitsbeurteilung aufgrund nur eines Kriteriums. So hat die Übernahmekommission unter anderem die Bedingung der Kotierung der Aktien einer das Angebot unterbreitenden neuen Holding als zulässig erachtet1048. Die UEK verwendet somit ein neues, in Art. 13 UEV nicht vorgesehenes Kriterium, um das von der Übernahmeverordnung vorgegebene Kriterium der Beeinflussbarkeit zu „überstimmen“. Dieses Bestreben verdient insofern Zustimmung, als es nicht Sinn einer Lauterkeitsregelung sein kann, Bedingungen im Interesse von Antragsteller und Antragsempfänger für unzulässig zu erklären. Die gesetzliche Grundlage dieses Vorgehens bleibt freilich etwas dürftig; es dürfte nur mit einer teleologischen Reduktion von Art. 13 Abs. 1 UEV zu begründen sein. Hälfte der Bestimmung bei fehlender Beeinflussbarkeit des Bieters wieder ausser Kraft gesetzt wird (siehe www.takeover.at). 1048 Vgl. vorn § 4 G V. 205 § 5 Die Zulässigkeit von Bedingungen beim Pflichtangebot A. Anwendbarkeit von Art. 32 BEHV-EBK I. Vorliegen einer Angebotspflicht als Voraussetzung Die Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission zum Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (BEHV-EBK) konkretisiert die in Art. 32 BEHG statuierte Pflicht zur Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebotes. Neben zahlreichen Bestimmungen, welche die Voraussetzungen der Angebotspflicht genauer umschreiben, finden sich in diesem Erlass auch einige Normen, welche für diese Zwangs- oder Pflichtangebote spezielle materiellrechtliche Normen über die Ausgestaltung solcher Angebote aufstellen. Dazu gehören auch die Bestimmungen über die bei einem Pflichtangebot zulässigen Bedingungen in Art. 32 BEHV-EBK, welche eine lex specialis gegenüber den in Art. 13 UEV geregelten allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für Bedingungen aufstellen. Bevor auf den materiellrechtlichen Gehalt dieser Bestimmungen und die Unterschiede zu Art. 13 UEV eingegangen werden kann, ist vorab der Anwendungsbereich von Art. 32 BEHV-EBK zu klären. Gemäss Art. 32 Abs. 1 BEHG wird die Angebotspflicht grundsätzlich dann ausgelöst, wenn jemand „direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Beteiligungspapiere erwirbt und damit zusammen mit den Papieren, die er bereits besitzt, den Grenzwert von 331/3 Prozent der Stimmrechte der Zielgesellschaft, ob ausübbar oder nicht, überschreitet“. Der Schwellenwert von 331/3 Prozent kann durch entsprechende Anpassung der Statuten der Zielgesellschaft auf bis zu 49% erhöht werden1049 („Opting up“) oder gestützt auf Art. 32 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BEHG die Pflicht zum Übernahmeangebot ganz wegbedungen werden („Opting out“)1050. In Art. 32 Abs. 2 BEHG, Art. 22 und 33 BEHV-EBK sind zudem noch zahlreiche „berechtigte“, „allgemeine“ und „besondere“ Ausnahmen von der Angebotspflicht statuiert1051. Diese umfangreichen Ausnahmen 1049 Art. 32 Abs. 1 2. Satz BEHG. Dazu HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 22; KÖPFLI S. 129ff. 1050 Vgl. dazu KÖPFLI S. 127ff.; VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 50ff.; HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 22-25; BÖCKLI, BJM 1998, S. 260ff.; HIRSCH, OPA, S. 46f.; vgl. zum Problem des partiellen oder selektiven Opting out die Verfügung der EBK vom 23. Juni 2000 in Sachen Unaxis Holding AG / Esec Holding AG (dazu VON DER CRONE/IFFLAND/WEY S. 112). 1051 Vgl. dazu den Entscheid des Bundesgerichtes BGE II A. 394/2000 vom 2. Juli 2001 i. S. Multipapiers / Baumgartner sowie TSCHÄNI, Erster Bundesgerichtsentscheid zum börsengesetzlichen Übernahmerecht, SZW 2001 S. 298ff. (Ablehnung der Eintragung im Aktienregister der Zielgesellschaft rechtfertigt grundsätzlich keine Ausnahme von der Angebotspflicht). Ferner VON DER CRONE, Angebots- 206 schränken im Zusammenspiel mit der Möglichkeit des Opting–out den Anwendungsbereich der Pflichtangebote stark ein. Erweitert bzw. zumindest nicht weiter eingeschränkt wird die Angebotspflicht demgegenüber durch die Anforderungen an die erworbenen Beteiligungspapiere. Wie bereits aus der Fassung des Gesetzes hervorgeht, spielt es keine Rolle, ob die erworbenen Stimmrechte ausübbar sind oder nicht1052. Damit sind beispielsweise auch die Aktien, an denen ein Dritter eine Nutzniessung innehat und die sogenannten Dispo-Aktien1053 erfasst. Für die Berechnung der Gesamtzahl von Stimmrechten einer Gesellschaft ist die Eintragung im Handelsregister massgebend1054. Die Überschreitung des Schwellenwerts und damit das Auslösen der Angebotspflicht kann auch auf andere Weise als durch „Erwerb1055“ von Beteiligungspapieren erfolgen1056. Auch eine gemeinsame Absprache wie beispielsweise durch Abschluss oder gar Modifikation1057 eines Aktionärbindungsvertrages oder Konzerntatbestände1058 können nach Art. 27 BEHV-EBK zur Auslösung der Angebotspflicht führen1059. Ein solcher Tatbestand ist im allgemeinen bereits dann gegeben, wenn Verhaltensweisen im Hinblick auf den Erwerb oder die Veräusserung von Beteiligungspapieren oder die Ausübung von Stimmrechten mit Dritten durch Vertrag oder andere organisierte Vorkehren abgestimmt werden (Art. 15 pflicht, S. 59ff; HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 22-44 mit zahlreichen Fallbeispielen; KÖPFLI S. 184ff. 1052 Die Stimmrechte können z.B. durch eine prozentuale Begrenzung des Stimmrechtes nach Art. 685d OR nicht ausübbar sein (vgl. dazu KÖPFLI S. 162f.). 1053 Vinkulierte Namenaktien im Sinne von Art. 685d OR, bei denen der Neuerwerber kein Gesuch um Anerkennung als stimmrechtsberechtigter (Voll-)Aktionär eingereicht hat. 1054 Aus dem bedingten Kapital geschaffene Aktien werden einmal pro Jahr nach Abschluss des Geschäftsjahres im Handelsregister nachgeführt (Art. 653h OR) und sind erst ab Eintragung mitzuzählen. 1055 Als solcher kann auch ein Erwerb verbunden mit einer Rückveräusserungsverpflichtung angesehen werden wie beispielsweise beim Repo-Geschäft oder beim Securities lending (vgl. Art. 12 BEHVEBK und HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 8). 1056 Die Angebotspflicht wird jedoch nicht durch Streichen einer Opting out Klausel in den Statuten einer Gesellschaft ausgelöst (vgl. die Empfehlung der UEK vom 15. Juni 2000 in Sachen Loeb Holding AG). 1057 Soweit allerdings keine Änderung der Beherrschungsverhältnisse vorliegt, ist die Auslösung einer Angebotspflicht durch Modifikation eines Aktionärbindungsvertrages zu verneinen (KÖPFLI S. 173; HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 37; vgl. auch HIRSCH, OPA, S. 46). 1058 Vgl. in diesem Zusammenhang die Mitteilung I/00 der Offenlegungsstelle der SWX Swiss Exchange betreffend Umfang der Meldepflicht eines Konzerns bzw. einer Unternehmensgruppe vom 20. März 2000. 1059 VON DER CRONE erwähnt den Abschluss eines Aktionärbindungsvertrages (Poolvertrag), der mehr als 331/3 % der Stimmen umfasst (vgl. auch KÖPFLI S. 167). Nach von der Crone ist sodann jedes der Poolmitglieder angebotspflichtig und im Aussenverhältnis soll eine unbeschränkte solidarische Haftung der Poolmitglieder für die Unterbreitung eines Angebots bestehen. Ausserdem soll bereits jeder Wechsel bei den Mitgliedern des Pools einen die Angebotspflicht auslösenden Kontrollwechsel darstellen (skeptisch KÖPFLI, S. 173 FN 1217), wobei Ausnahmebewilligungen wohl regelmässig anwendbar seien, wenn die Kontrollsituation materiell nicht verändert wird (VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 56; vgl. auch KÖPFLI S. 167f.). 207 BEHV-EBK)1060. Auch in der Folge von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen (Kapitalerhöhungen und –herabsetzungen, Fusionen etc) kann die Schwelle zur zwingenden Unterbreitung eines Angebots überschritten werden1061. Art. 32 BEHG statuiert, dass auch durch den „indirekten“ Erwerb ein Schwellenwert überschritten und damit die Angebotspflicht ausgelöst werden kann. Damit sollen alle Erwerbsgeschäfte erfasst werden, welche im Ergebnis die Kontrolle über die Ausübung der Stimmrechte einer Gesellschaft vermitteln1062. Art. 9 Abs. 3 BEHV-EBK definiert für den Bereich der Offenlegung von Beteiligungspapieren die Tatbestände des indirekten Erwerbes. Dabei handelt es sich um den Erwerb über einen rechtlich im eigenen Namen auftretenden Dritten, der auf Rechnung des wirtschaftlich Berechtigten handelt (Treuhandverhältnis)1063, den Erwerb über eine zwischengeschaltete, beherrschte juristische Person1064 und alle anderen Vorgänge, die im Ergebnis das Stimmrecht vermitteln können10651066. 1060 Vgl. dazu die Empfehlung der UEK vom 5. Mai 1999 in Sachen Compass Group / Valora / Selecta. In diesem Entscheid waren gewisse zeitlich begrenzte Verkaufsbeschränkungen und Andienungspflichten zwischen der Compass Group und der Valora zu beurteilen. Mangels weitergehender Verpflichtungen (z.B. Stimmbindungen) schloss die UEK darauf, dass keine gemeinsame Absprache vorlag. Damit hat sie die in Art. 15 Abs. 2 BEHV-EBK als Beispiel für eine abgestimmte Verhaltensweise erwähnten „Rechtsverhältnisse zum Erwerb oder der Veräusserung von Beteiligungspapieren“ zu recht sehr restriktiv ausgelegt. Im Fall UBS / Julius Bär wurde das Vorliegen einer gemeinsamen Absprache zwischen der UBS AG und den Bär Familien bejaht. Beim Rückkauf der von der UBS gehaltenen Aktien durch die Julius Bär Holding AG hätten die Bär Familien den Schwellenwert von 50% der Stimmen unter- und bei der anschliessenden Kapitalherabsetzung wieder überschritten. Da der Schwellenwert nur kurz unterschritten wurde und die Beherrschungsverhältnisse sich nicht änderten, könnte eine Ausnahme von der Angebotspflicht gemacht werden (Empfehlung der UEK vom 25. Februar 1999 in Sachen UBS AG / Julius Bär AG; vgl. auch die Empfehlung der UEK vom 8. Dezember 2000 in Sachen Kühne / Sembcorp Logistics Ltd / Kühne & Nagel International AG ). 1061 Vgl. dazu HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 7ff.; VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 56. 1062 Vgl. HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 11. Auch die Übernahme einer Muttergesellschaft löst im allgemeinen eine Angebotspflicht auf Ebene der kotierten Tochtergesellschaft aus (vgl. dazu KÖPFLI S. 177f.). 1063 Art. 9 Abs. 3 lit. a. BEHV-EBK. Dieser fiduziarische Erwerb kann sowohl über natürliche als auch juristische Personen erfolgen (a.A. offenbar HOFSTETTER, Kommentar BEHG, Art. 32 N 12 und KÖPFLI S. 177, welche den Erwerb über eine juristische Person Art. 9 Abs. 3 lit. b zuordnen, womit nur ein Erwerb über beherrschte juristische Personen die Angebotspflicht auslösen würde). 1064 Art. 9 Abs. 3 lit. b. und c. BEHV-EBK. Der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an einer Holdinggesellschaft löst somit eine Angebotspflicht zugungsten der Aktionäre der kotierten Tochtergesellschaft aus. Allerdings sieht die Verordnung der EBK für diesen Fall besondere Ausnahmen vor (vgl. Art. 34 Abs. 2 lit. c. BEHV-EBK und KÖPFLI, S. 179f.). 1065 Art. 9 Abs. 3 lit. d. BEHV-EBK. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung gilt die Erteilung einer Vollmacht zur Vertretung an lediglich einer Generalversammlung nicht als das Stimmrecht vermittelnder Vorgang. Art. 9 Abs 3 lit. d. BEHV-EBK ist insbesondere für die in Vermögensverwaltung und Anlageberatung tätigen Finanzinstitute von Bedeutung. Zur Verdeutlichung der Offenlegungspflichten in diesem Zusammenhang hat die Offenlegungsstelle der SWX Swiss Exchange die Mitteilung II/99 vom 26. Februar 1999 erlassen. 1066 Vgl. dazu METTIER, Offenlegung von Beteiligungen im Börsengesetz, Diss. Zürich 1999, S. 109ff. zu den Bestimmungen über die Offenlegung, welche grundsätzlich auch für die Angebotspflicht relevant sind. 208 Nicht als Angebotspflicht im hier beschriebenen Sinne gilt die bei Ablauf der sechswöchigen Frist nach Voranmeldung entstehende Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots nach Art. 9 Abs. 1 UEV1067. Aufgrund dieser Bestimmung ist der Bieter zwar gehalten, nach Ablauf der im Regelfall von der Übernahmekommission grosszügig verlängerten Frist1068 ein öffentliches Kaufangebot zu unterbreiten1069, doch gelten dabei die Vorschriften über Pflichtangebote nur, wenn die oben geschilderten Voraussetzungen einer Angebotspflicht im Sinne von Art. 32 BEHG gegeben sind. II. Zeitpunkt der Anwendbarkeit von Art. 32 BEHV-EBK Die in Art. 32 BEHV-EBK geregelte Zulässigkeit von Bedingungen beim Pflichtangebot kommt dem Grundsatz nach dann zur Anwendung, wenn der gesetzliche (331/3% oder 50%) oder der statutarische (331/3% bis 49%) Schwellenwert der Stimmrechte durch Erwerb von Beteiligungspapieren überschritten wurde. Erst der Vollzug des in Art. 32 Abs. 1 BEHG erwähnten Erwerbsgeschäftes bzw. das Verfügungsgeschäft löst eine Angebotspflicht aus1070. Dies gilt selbstredend auch bei einem Erwerb einer Holdinggesellschaft (indirekter Erwerb)1071. Bei Abschluss eines Aktionärbindungsvertrages oder Wechsel der Zusammensetzung der Mitglieder eines Poolvertrages wird die Angebotspflicht mit Inkrafttreten des Vertrages bzw. dessen Änderungen ausgelöst1072. Wurde eine Angebotspflicht auf eine der geschilderten Arten ausgelöst, so untersteht das nachfolgende Angebot an die übrigen Inhaber von Beteiligungspapieren den Bestimmungen über die Pflichtangebote und somit auch deren Regelung über die Zulässigkeit von Bedingungen gemäss Art. 32 BEHV-EBK1073. 1067 Art. 9 UEV Abs. 1 UEV lautet wie folgt: „Der Anbieter muss innerhalb von sechs Wochen nach der Publikation der Voranmeldung ein Angebot veröffentlichen, das den Konditionen der Voranmeldung entspricht. Die Übernahmekommission kann diese Frist verlängern, namentlich wenn der Anbieter eine Bewilligung einer Behörde, insbesondere einer Wettbewerbsbehörde, einholen muss“. 1068 Vgl. zum Beispiel die Empfehlungen der UEK vom 7. und 21. Oktober sowie vom 1. November 1999 in Sachen Compania Roca Radiadores S.A. / Keramik AG Laufen. 1069 Vgl. dazu vorn § 3 C.II.2. 1070 HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 8; VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 55; KÖPFLI S. 182; MEIER-SCHATZ, AJP 1998, S. 57. Dies im Gegensatz zu der Situation bei der börsengesetzlichen Meldepflicht, die bei Begründung des Anspruchs auf Erwerb entsteht (Art. 10 Abs. 1 BEHV-EBK). 1071 Es ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Beteiligungspapiere der Muttergesellschaft in die Verfügungsgewalt bzw. das Eigentum des Erwerbers übergehen. Fraglich ist, ob auch lediglich eine Verfügungsgewalt ohne Eigentumserwerb bzw. vorangeganges Veräusserungsgeschäft die Angebotspflicht auslöst (z.B. die Begründung einer Nutzniessung). Hier wird darauf abzustellen sein, inwiefern sich die Verhältnisse der Minderheitsaktionäre durch die betreffende Transaktion verändern. 1072 KÖPFLI S. 183. Dieser Autor hält fest, dass das Inkrafttreten eines Pool- bzw. Aktionärbindungsvertrages in der Regel mit dessen Unterzeichnung zusammenfällt. 1073 Empfehlung der UEK vom 26. April 1999 in Sachen Rentenanstalt/Banca del Gottardo E.3.; Empfehlung vom 29.3.1999 in Sachen Elect AG/Fotolabo SA E.4. Wurde bereits vor Inkrafttreten des BEHG die Schwelle von 50% der Stimmen überschritten, müssen die Bestimmungen über das 209 Anders liegt der Sachverhalt, wenn der Bieter im Zeitpunkt der Abgabe des Angebots noch keiner Angebotspflicht unterliegt1074. In diesem Fall sind grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen über öffentliche Kaufangebote gemäss Übernahmeverordnung anwendbar. Art. 10 Abs. 5 UEV statuiert jedoch folgende Regelung: Umfasst das Angebot Beteiligungspapiere, deren Erwerb die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes auslösen würde, so muss sich das Angebot auf alle kotierten Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft erstrecken (..). Der Preis des Angebotes muss den Bestimmungen über Pflichtangebote (..) entsprechen. 1075 Die Bestimmungen über Pflichtangebote sind demnach (teilweise) anwendbar, wenn das Angebot des Bieters sich auf Beteiligungspapiere im Umfang von mehr als 331/3 Prozent der Stimmrechte (oder die entsprechende höhere Schwelle) erstreckt und dies mangels Opting out oder Ausnahmebewilligung eine Angebotspflicht auslösen würde. Allerdings enthält diese Bestimmung nur einen Teilverweis auf die Börsenverordnung der EBK betreffend Pflichtangebote. Es wird lediglich festgehalten, dass sich das Angebot auf alle kotierten Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft erstrecken muss und dass die Mindestpreisvorschriften der BEHV-EBK einzuhalten sind. Ein Verweis auf die Regelung der Bedingungen in Art. 32 BEHV-EBK ist in Art. 10 Abs. 5 UEV nicht enthalten. Die Regelung über die Zulässigkeit von Bedingungen bei Pflichtangeboten ist damit nicht anwendbar, wenn die ein Pflichtangebot auslösende Stimmrechtsschwelle während oder nach Ablauf des Angebotes überschritten wird1076. Pflichtangebot nicht eingehalten werden (Art. 52 BEHG e contrario; Empfehlung der UEK vom 27. Mai 1999 in Sachen Heineken International/Calanda Bräu E. 2. 1074 In allgemeinen aus dem Grund, dass er noch nicht über 331/3 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft verfügt. 1075 Art. 10 Abs. 5 der am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Fassung der Übernahmeverordnung lautete wie folgt: „Umfasst das Angebot Beteiligungspapiere, deren Erwerb die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots auslösen würde, so gelten die Artikel 24-43 der Börsenverordnung-EBK (BEHV-EBK) vom 25. Juni 1997.“ Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung wären auch bei freiwilligen Angeboten, welche im Ergebnis eine Überschreitung des Schwellenwertes für Pflichtangebote ausgelöst hätten, alle Bestimmungen über die Pflichtangebote, inklusive derjenigen über die zulässigen Bedingungen, anwendbar gewesen (vgl. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 22 BEHG N 4 zum Fall Zurich Allied AG). Doch war damals schon aus dem systematischen Zusammenhang mit Abs. 4 von Art. 10 UEV naheliegend, nicht alle Bestimmungen über Pflichtangebote qua Verweis anzuwenden, da Abs. 4 nur von Preisbestimmungen spricht. Per 1. Juli 1998 hat die UEK diese Bestimmung geändert. Nunmehr werden in Art. 10 Abs. 5 UEV nur noch auf die Bestimmungen über den Preis die Regeln über Pflichtangebote angewendet (Art. 37-43 BEHV-EBK). 1076 Empfehlung der UEK vom 15.1.1999 in Sachen Deutsche Post / Danzas E.2: "Die neue Fassung des Art. 10 Abs. 5 UEV-UEK, die seit 1. Juli 1998 in Kraft ist, enthält jedoch keinen Hinweis auf Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK, der bedingte Pflichtangebote grundsätzlich verbietet. Daraus folgt, dass ein bedingtes Angebot für mehr als 33 1/3 % der Stimmrechte der Zielgesellschaft so lange zulässig ist, als 210 Beim Übernahmeangebot der Tsufa AG für die Aktionäre der Big Star Holding AG war absehbar, dass während der Dauer des Angebotes durch Erwerbsvorgänge ausserhalb des Übernahmeangebotes wie beispielsweise durch Käufe über die Börse der relevante Schwellenwert überschritten würde. Es stellte sich daher die Frage, ob das Überschreiten des Schwellenwerts von 331/3% der Stimmen eine Änderung des bereits lancierten Kaufangebotes notwendig machte bzw. gar ein zweites Angebot erforderte. Die Übernahmekommission hielt dazu fest, dass kein zweites Angebot durch die Tsufa AG unterbreitet werden musste, sofern die Bedingungen des Angebotes den Regelungen über Pflichtangebote nach Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK entsprächen1077. Im Ergebnis bedeutete dies, dass die Tsufa auf die im unterbreiteten Angebot gemachten Bedingungen, welche bei einem freiwilligen Angebot zulässig gewesen wären, verzichten musste. Festzuhalten bleibt, dass die UEK in diesem Entscheid nicht die Anwendung der Regelungen über die Bedingungen beim Pflichtangebot auf ein in Übereinstimmung mit den Regeln der UEV unterbreitetes Angebot verlangt hat. Wollte die Bieterin in diesem Fall ein zweites Angebot vermeiden, musste sie ihr bereits lanciertes Angebot den Regelungen der Pflichtangebote unterwerfen und die angefügten Bedingungen streichen. Die Änderung war in der gleichen Form wie das ursprüngliche Angebot zu veröffentlichen1078. B. Die Spezialnorm von Art. 32 BEHV-EBK I. Überblick und Verhältnis zur Übernahmeverordnung Art. 32 BEHV-EBK fand Eingang in den Verordnungstext aufgrund von Art. 32 Abs. 6 BEHG, wonach die Aufsichtsbehörde, also die Eidgenössische Bankenkommission, Bestimmungen über die Angebotspflicht erlässt1079. Die Eidgenössische Bankenkommission hat es nicht dabei belassen, die Voraussetzungen für das Entstehen der Angebotspflicht zu konkretisieren, sondern hat auch die materiellrechtliche Ausgestaltung dieser Pflichtangebote zumindest in Teilaspekten in einer von der Übernahmeverordnung abweichenden Weise geregelt. In diesem Zusammenhang sind zunächst die Bestimmungen über den Angebotspreis zu erwähnen1080. Aber auch im Bereich der Bedingungen, mit denen ein Pflichtangebot versehen sein darf, hat sie legiferiert. Diese Regelung in der BEHV-EBK ist von der Delegationsnorm in Art. 32 Abs. 6 BEHG gedeckt, da der Bieter es sonst in der Hand hätte, mit irgendwelchen Bedingungen für das Zustandekom- der Anbieter im Zeitpunkt der Unterbreitung des Angebots den für die Angebotspflicht relevanten Grenzwert noch nicht überschritten hat. " 1077 Empfehlung der UEK in Sachen Tsufa AG / Big Star Holding AG vom 13. April 2000 E.2. 1078 E.3 der Empfehlung. 1079 Der Übernahmekommission kommt dabei gemäss Art. 32 Abs. 6 2. Satz BEHG ein Antragsrecht zu. 1080 Art. 37-43 BEHV-EBK. 211 men oder Wirksamwerden des Vertrages die Angebotspflicht aus den Angeln zu heben. Liesse man Bedingungen frei zu, könnte der Bieter durch entsprechende Ausgestaltung eines privatrechtlichen Rechtsgeschäftes die im Börsengesetz vorgesehene Angebotspflicht umgehen1081. Dem Bieter würde mit anderen Worten ein vertragsrechtliches „Opting out“ eingeräumt. Es ist daher konsequent, wenn die EBK beim Erlass ihrer Börsenverordnung sich der Bedingungen eines Pflichtangebotes angenommen und deren Zulässigkeit näher umschrieben hat. Die betreffenden Bestimmungen der BEHV-EBK stellen leges speciales zur allgemeinen Regelung der Übernahmeangebote und deren Bedingungen in der Übernahmeverordnung dar. Geht man zudem davon aus, dass die EBK auch hierarchisch über der Übernahmekommission steht1082, dann stellt die Börsenverordnung der EBK auch eine lex superior dar1083. Bei Normwidersprüchen zwischen den beiden Erlassen sollte daher den Bestimmungen der BEHV-EBK grundsätzlich der Vorrang zukommen. Soweit jedoch Rechtsfragen im Zusammenhang mit Bedingungen bei Pflichtangeboten nicht in der BEHV-EBK geregelt sind, bleiben die allgemeinen Bestimmungen der Übernahmeverordnung weiterhin anwendbar1084. II. Regelungsgehalt und Vergleich mit Art. 13 UEV Art. 32 der Börsenverordnung der Eidgenössischen Bankenkommission (BEHVEBK) lautet wie folgt: Art. 32 Pflichtangebot und Bedingungen (Art. 32 Abs.1,3 und 6 BEHG) 1 Die Übernahmekommission nimmt auf Gesuch hin Stellung zum Bestehen einer Angebotspflicht. 2 Das Angebot darf ausser aus wichtigen Gründen nicht an Bedingungen geknüpft werden; wichtige Gründe liegen insbesondere vor, wenn: a. für den Erwerb eine behördliche Bewilligung erforderlich ist; b. die zu erwerbenden Beteiligungspapiere kein Stimmrecht verschaffen; oder 1081 Vgl. KÖPFLI S. 213, der auf die Umgehungsmöglichkeiten bei fehlender Normierung hinweist. A.A. VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 57 FN 70. 1083 Jedenfalls ist die Übernahmeverordnung der UEK in der Normenhierarchie nicht über der Börsenverordnung der EBK anzusiedeln. 1084 Art. 24 BEHV-EBK; KÖPFLI S. 210; implizit auch BERNET S. 236, der das Kriterium der Beeinflussbarkeit in Art. 13 UEV auch für Pflichtangebote anwendet. 1082 212 c. der Anbieter will, dass die konkret bezeichnete wirtschaftliche Substanz der Zielgesellschaft nicht verändert wird. Während der erste Absatz von Art. 32 BEHV-EBK lediglich zu Verfahrensfragen Stellung nimmt und darüberhinaus bereits in Art. 35 Abs. 1 BEHV-EBK enthalten ist1085, findet sich die materiellrechtliche Regelung zulässiger Bedingungen beim Pflichtangebot in Art. 32 Abs. 2 der Börsenverordnung der EBK. Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK regelt lediglich die Frage der Zulässigkeit von Bedingungen. Im Gegensatz zu Art. 13 Abs. 1 UEV werden keine Pflichten des Bieters stipuliert, auf den Eintritt der Bedingungen und somit auf den Vollzug des Angebotes hinzuwirken. Es fällt ferner auf, dass Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK im Gegensatz zu Art. 13 UEV die Bedingungen eines Angebotes nicht mehr in "aufschiebend" und "auflösend" einteilt. Auch eine Unterscheidung zwischen potestativen ("massgeblich beeinflussbaren") und kasuellen Bedingungen wird nicht vorgenommen. Art. 32 BEHV-EBK stellt ausschliesslich auf die zur Bedingung erhobene Tatsache ab und fragt danach, ob diese aus wichtigen Gründen gerechtfertigt sei. Mehr noch als in Art. 13 UEV wird in dieser Bestimmung eine „Inhaltskontrolle“ von Bedingungen vorgenommen. Die Regelung beim Pflichtangebot ist daher restriktiver als Art. 13 UEV. So ist zum Beispiel eine Mindestschwellen- oder Minimum Limen Bedingung nicht zulässig, da sie der Angebotspflicht widersprechen würde. In Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK wird der Grundsatz aufgestellt, dass das Pflichtangebot ausser aus wichtigen Gründen nicht an Bedingungen geknüpft werden darf. Im Sinne einer kasuistischen Konkretisierung dieser Generalklausel zählt Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK beispielhaft drei Tatbestände auf, bei denen ein "wichtiger Grund" vorliegt und eine Bedingung trotz Angebotspflicht angebracht werden darf. Selbstverständlich ist die Enumeration dieser Tatbestände nicht erschöpfend1086; es sind weitere "wichtige Gründe" für die Zulassung von Bedingungen durchaus denkbar. III. Änderungen gegenüber dem Entwurf Im Entwurf der Börsenverordnung der Eidgenössischen Bankenkommission vom 4. März 1996 waren die beim Pflichtangebot zulässigen Bedingungen noch nicht separat, sondern in Art. 22 E-BEHV-EBK über die Anwendbarkeit1087 der 1085 Vgl. § 5 G hinten. KÖPFLI S. 214; VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 61; vgl. auch BERNET S. 236. 1087 Ausserdem war in Art. 22 E-BEHV-EBK auch der Zeitrahmen geregelt, innert welchem ein Angebot zu erfolgen hatte. 1086 213 gesetzlichen Normen über das Pflichtangebot1088 geregelt. Die einschlägigen Absätze 2-3 dieser Bestimmung lauteten wie folgt: 2 Das obligatorische Angebot darf grundsätzlich an keine Bedingungen geknüpft sein. Die Übernahmekommission kann aber eine Ausnahme gewähren, wenn wichtige Gründe dies rechtfertigen. 3 Sie kann insbesondere Bedingungen zulassen, wenn a. eine behördliche Bewilligung erforderlich ist; b. die Stimmfähigkeit der erworbenen Aktien nicht gegeben ist; oder c. der Anbieter will, dass die konkret bezeichnete wirtschaftliche Substanz der Zielgesellschaft nicht verändert wird. Der Vergleich zu der in Kraft getretenen Fassung von Art. 32 Abs. 2 BEHVEBK fördert die folgenden Änderungen zutage. Der apodiktische Eröffnungssatz von Art. 22 E-BEHV-EBK wurde fallengelassen. Desgleichen die daran anschliessende Wendung, wonach die Übernahmekommission Ausnahmen gewähren könne. Stattdessen wurde kurz und prägnant formuliert, dass das Pflichtangebot ausser aus wichtigen Gründen nicht an Bedingungen geknüpft werden dürfe. Materiell sollte diese Umformulierung und Reduktion auf einen Satz nicht zu der Vorstellung führen, man habe die Zulässigkeit von Bedingungen gegenüber dem Entwurf lockern wollen, war doch bereits den Erläuterungen zu Art. 22 Abs. 2 und 3 E-BEHV zu entnehmen, dass diese Bestimmungen darauf abzielten, Angebote gemäss Art. 32 BEHG zu ermöglichen oder zumindest für den Anbieter nicht völlig unattraktiv zu gestalten. Es sei nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, ein "Übernahmeverhinderungsgesetz" zu erlassen1089. Hinsichtlich der exemplarischen Aufzählung wichtiger Gründe in Art. 22 Abs. 3 E-BEHV-EBK lassen sich nur geringe Änderung zu dem Verordnung gewordenen Text in Art. 32 Abs. 2 der Börsenverordnung der EBK feststellen. Während in Art. 22 Abs. 3 lit. a. E-BEHV-EBK noch von der Erforderlichkeit einer Bewilligung schlechthin die Rede ist, wird in Art. 32 Abs. 2 lit. a. BEHV-EBK präzisiert, dass die Bewilligung "für den Erwerb" erforderlich sein müsse1090. Anders formuliert wurde auch der wichtige Grund fehlender Stimmkraft in lit. b. der genannten Bestimmungen: Während der Entwurf lediglich die fehlende Stimmkraft 1088 Art. 22 E-BEHV-EBK. Erläuterungen zum Entwurf der Börsenverordnung der EBK vom 4.3.1996, S. 19 N 63. 1090 Vgl. nachfolgend § 5 C II. 1089 214 der Aktien erwähnte, wird in der geltenden Fassung terminologisch einheitlich von "Beteiligungspapieren" gesprochen1091. Schliesslich ist festzustellen, dass die in lit. c. beider Bestimmungen erwähnte Bedingung (keine Änderung der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft) unverändert vom Entwurf in die geltende Fassung der Verordnung übernommen worden ist. C. Die behördliche Bewilligung insbesondere I. Allgemeines Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK erwähnt als wichtigen Grund für die Zulässigkeit von Bedingungen beim Pflichtangebot die Tatsache, dass für den Erwerb eine behördliche Bewilligung erforderlich ist. Als Beispiele für solche Bewilligungen werden in den Erläuterungen zum Entwurf die nachträgliche ausländische Beherrschung bei Banken (Bewilligung der EBK erforderlich1092), der "Grundstückerwerb" und "kartellrechtliche Fragen" erwähnt1093. Mit der Zulassung von Bedingungen soll ein potentieller Konflikt zwischen verschiedenen gesetzlichen Anordnungen, wie beispielsweise dem Wettbewerbsrecht und der Angebotspflicht, verhindert werden1094. Der prima facie einleuchtende Vorbehalt von behördlichen Bewilligungen als "wichtiger Grund" für die Zulässigkeit von Bedingungen wirft bei näherem Hinsehen zahlreiche Fragen auf. Ex ante ist beispielsweise oft unklar, ob eine Bewilligung für eine bestimmte Übernahme erforderlich sein wird, oder ob nicht eine Meldung des Vorhabens (verbunden mit Nicht-Untersagung durch Behörde) bereits genügt. Ausserdem kann man sich fragen, ob nicht auch Bewilligungen durch "Nicht-Behörden", also nichtstaatliche Organisationen wie zum Beispiel die SWX Swiss Exchange, einen wichtigen Grund nach der hier erörterten Bestimmung darstellen. Zunächst soll indessen geprüft werden, wann überhaupt seitens des Bieters ein Interesse an einer Bedingung der genannten Art bei der Abgabe eines Pflichtangebotes besteht. Der Zweck der Angebotspflicht besteht gemäss Botschaft im Schutz der Minderheitsaktionäre1095 für den Fall der Übernahme der Kontrolle 1091 Zur Bedeutung dieser Änderung vgl. § 5 G. Art. 3ter i.V.m. 3bis und Art. 23bis BankG. 1093 Erläuterungen der EBK vom 4. März 1996 S. 18 N 60. 1094 VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 61. KÖPFLI spricht von einem Dilemma des Bieters, der riskiere, für teures Geld eine Beteiligung zu erwerben, die er wieder veräussern muss (KÖPFLI S. 215). Im Sinne des von VON DER CRONE angesprochenen Zielkonfliktes zwischen gesetzlichen Anordnungen dürfte das Problem eher darin bestehen, dass der „Bieter“ aufgrund Spezialgesetz nicht erwerben darf, obwohl er nach Angebotspflicht erwerben müsste. Eine Veräusserung der vom (theoretischen) Pflichtangebot betroffenen Aktien kann so nicht stattfinden. 1095 Natürlich sollte konsequenterweise immer von "Inhabern von Beteiligungspapieren" anstatt von Aktionären gesprochen werden. 1092 215 durch einen neuen Mehrheitsaktionär1096. Daher entsteht nach Übernahme der Kontrolle durch den neuen Gesellschafter, d.h. nach Abschluss des entsprechenden Verfügungsgeschäftes zur Erlangung eines Mehrheitspaketes1097, eine Pflicht zum "Auskauf" der übrigen Inhaber von Beteiligungspapieren. Nun bedarf aber bereits dieser vorangegangene Kontrollerwerb, und nicht erst der Auskauf der restlichen Eigner von Beteiligungspapieren, einer Genehmigung oder Freistellung nach den einschlägigen Gesetzen, sofern die entsprechenden Kriterien erfüllt sind1098. Daher wird ein Übernehmer in der Regel schon das Kontrollerwerbsgeschäft bedingt gestalten1099. Ist aber dieses Geschäft bedingt, so entsteht eine Angebotspflicht erst, wenn die Bedingung eingetreten ist. Wenn das Kontrollerwerbsgeschäft vollzogen ist, braucht es aber keine Bestimmung mehr, wonach das Angebot der Bedingung unterliegt, dass eine Genehmigung durch Behörden stattgefunden haben muss, da darüber bereits Gewissheit besteht1100. Der Anwendungsbereich von Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK würde sich daher auf jene seltenen Fälle beschränken, in denen ein Pflichtangebot abgegeben werden muss, obwohl die Kontrolle z.B. wegen fehlenden Stimmrechts nicht ausgeübt werden kann. Es ist aber bereits eine Ausnahme von der Angebotspflicht vorgesehen, wenn der Erwerber die Zielgesellschaft nicht kontrollieren kann, weil eine andere Person oder Gruppe über einen höheren Stimmenanteil ver- 1096 BOTSCHAFT S. 21 Ziff. 164. Genaugenommen bei der Übernahme einer Anzahl Beteiligungspapiere, durch welche der im Einzelfall anwendbare Schwellenwert zur Abgabe eines Pflichtangebotes überschritten wird. 1098 So ist zum Beispiel in Art. 4 Abs. 3 lit. b des Kartellgesetzes (SR 251) von unmittelbarer oder mittelbarer Erlangung der Kontrolle über ein Unternehmen die Rede. In Art. 1 der Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (SR 251.4) wird dieser Vorgang näher spezifiziert: Ein Unternehmen erlangt im Sinne von Art. 4 Abs. 3 lit. b des Gesetzes die Kontrolle über ein bisher unabhängiges Unternehmen, wenn es durch den Erwerb von Beteiligungsrechten oder auf andere Weise die Möglichkeit erhält, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit des anderen Unternehmens auszuüben." In lit. a. und b. dieser Bestimmung werden Mittel zur Ausübung der Kontrolle exemplarisch aufgezählt. Vgl. auch Art. 6 des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (SR 211.412.41). Danach hat eine Person im Ausland eine beherrschende Stellung inne, wenn sie aufgrund ihrer finanziellen Beteiligung ihres Stimmrechtes oder aus anderen Gründen allein oder gemeinsam mit anderen Personen im Ausland die Verwaltung oder Geschäftsführung entscheidend beeinflussen kann. Eine Beherrschung wird unter anderem dann vermutet, wenn Personen im Ausland über mehr als einen Drittel der Stimmen in der General- oder Gesellschafterversammlung verfügen (Art. 6 Abs. lit. b BewG). Allerdings ist der Erwerb von Betriebsstätten seit der letzten Revision grundsätzlich bewilligungsfrei. 1099 Sofern allerdings der Erwerber auf Käufe über die Börse angewiesen ist (z.B. bei reinen Publikumsgesellschaften), ist eine bedingte Ausgestaltung des Erwerbsgeschäftes nicht möglich (vgl. aber die nachfolgenden Ausführungen). Bei den meisten börsenkotierten Gesellschaften gibt es jedoch einen oder mehrere Grossaktionäre, mit denen direkt verhandelt und kontrahiert werden kann. 1100 Die meisten Pflichtangebote können aus diesem Grund unbedingt ausgestaltet werden (vgl. zum Beispiel die Empfehlungen der UEK vom 6. April und vom 26. April 1999 i. S. Schweizerische Lebensversicherungs- und Rentenanstalt / Banca del Gottardo, sowie die Angebote der Elect AG für die Aktionäre der Fotolabo SA vom 7. April 1999 oder der Compania Roca Radiores S.A. für die Aktionäre der Keramik Holding AG vom 8. November 1999 oder Sodereal Holding SA für die Aktionäre der Société Montreux Palace SA vom 10. Juli 2001). 1097 216 fügt1101. Diese Ausnahme ist allerdings im Fall von statutarischen Stimmrechtsbeschränkungen durch Prozentklauseln nicht anwendbar, wenn die Begrenzung für alle Aktionäre gleich strikt eingehalten wird und keine Kollusion (gemeinsame Absprache) zwischen (den Bieter opponierenden) Aktionären stattfindet. Unter diesen Umständen wird es sich beim Target um die eher seltene Species der reinen Publikumsgesellschaft handeln. Der Bieter wäre schlecht beraten, wenn er in diesem Fall ein öffentliches Kaufangebot erst nach Erreichen des Schwellenwertes für die Angebotspflicht abgeben würde, anstatt sich durch ein freiwilliges Angebot und entsprechende Mindestschwellenbedingungen abzusichern. Aus dem Gesagten kann man daher die Schlussfolgerung ziehen, dass die Bestimmung von Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK kaum je grosse Bedeutung erlangen wird1102. II. Bewilligung und deren Erforderlichkeit für Erwerb Aufgrund des Wortlautes von Art. 32 Abs. 2 lit. a könnte man zum Schluss kommen, dass nur dort eine Bedingung zulässig sei, wo eine behördliche Bewilligung zum Erwerb in jedem Fall erforderlich ist. Wie bereits erwähnt, ist vor einem Zusammenschluss nicht immer klar, ob das Geschäft genehmigungspflichtig ist oder nicht1103. Es kann durchaus sein, dass ex post , d.h. nach Lancierung eines Angebotes, festgestellt wird, dass eine Übernahme nicht genehmigungspflichtig ist. Dennoch hat der Bieter aufgrund der bei Unterbreiten des Angebots bestehenden Unsicherheit ein berechtigtes Interesse, den Vollzug des durch das Angebot zustandegekommen Vertrages oder das Angebot selbst von einer Bedingung abhängig zu machen, welche ihm bei negativem Entscheid der Behörde den Ausstieg offenlässt. Ausserdem kommt es in vielen Verfahren nicht zu einer „Bewilligung“, d.h. einem hoheitlichen Dekret, sondern es besteht lediglich eine Meldepflicht, wobei das Vorhaben bei Nichthandeln der Behörden von Gesetzes wegen als genehmigt gilt1104. Daher sollte dem Bieter nicht nur bei Erforderlichkeit einer Bewilligung das Anfügen einer Bedingung zugestanden 1101 Art. 34 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK. Immerhin war das Pflichtangebot der Unaxis für Esec an eine solche Bedingung geknüpft (vgl. den Angebotsprospekt vom 6. Juli 2000. Allerdings hielt die Unaxis im Zeitpunkt der Abgabe des Angebotes gemäss Prospekt bereits 76,6% der Stimmrechte und hielt damit bereits die Kontrolle, womit die entsprechende Bedingung wettbewerbsrechtlich eigentlich nicht mehr einleuchtet. Möglich ist allenfalls, dass gewisse Staaten auch einen solchen Auskauf der Minderheitsaktionäre (makroökonomisch inkonsequent) als wettbwerbsrechtlich relevant ansehen, was wiederum entsprechende Bedingungen des Bieters erfordert. 1103 Nach Art. 9 des Kartellgesetzes sind gewisse Zusammenschlüsse der Wettbewerbskommission zu melden. Im konkreten Fall kann unklar sein, ob überhaupt eine Meldepflicht vorliegt. Nach Eingang der Meldung entscheidet die WeKo, ob sie ein Prüfungsverfahren einleiten will (Art. 32 KG). Falls nach Ablauf eines Monats seit Meldung keine Mitteilung über eine Prüfung erfolgt ist, kann der Zusammenschluss vollzogen werden (Art. 32 Abs. 1 KG). Da die „Gutheissung“ des Zusammenschlusses in diesem Fall ex lege erfolgt und die WeKo gar nicht tätig wird, kann man hier nur mit Mühe von der „Erforderlichkeit einer behördlichen Bewilligung“ sprechen. 1104 Vgl. die vorangehende Fussnote. 1102 217 werden, sondern schon dann, wenn eine „Bewilligungspflicht“, d.h. eine Meldepflicht mit (theoretischer) Möglichkeit der Untersagung, als wahrscheinlich erscheint. Bei der Beurteilung dieser Wahrscheinlichkeit kommt dem Bieter ein gewisser Ermessensspielraum zu, in den die Aufsichtsbehörden und insbesondere die Übernahmekommission nicht ohne Not eindringen sollten1105. Dabei versteht es sich von selbst, dass eine solche Freiheit des Bieters ihre Grenzen dort findet, wo die Empfänger des Angebotes nicht gerechtfertigten Nachteilen anheimgestellt würden. Aufgrund von Sinn und Zweck der Norm kann dem Bieter ferner das Anfügen einer Bedingung nur dann gestattet werden, wenn – aufgrund der gesetzlichen Grundlage zumindest theoretisch - die Möglichkeit einer Untersagung des Erwerbs besteht1106. Nur in diesem Fall besteht ein Zielkonflikt zwischen Angebotspflicht und spezialgesetzlichem Erwerbsverbot. Damit scheiden beispielsweise die Fälle von positivem Steuerruling oder Kotierung der Effekten, welche bei freiwilligen Angeboten zulässig sind, aus dem Bedingungsarsenal des Bieters bei Pflichtangeboten aus. Unerheblich ist demgegenüber, in welcher verwaltungsrechtlichen Ausgestaltung die in Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK erwähnte „Bewilligung“ daherkommt. Im Gegensatz zum Entwurf der Bankenkommission ist in der geltenden Fassung von Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK nicht mehr schlechthin von der Erforderlichkeit einer Bewilligung die Rede, sondern die Bewilligung muss für "den Erwerb" erforderlich sein. Damit wird klargestellt, dass nicht irgendeine Bewilligung als Grund für eine Bedingung beim Pflichtangebot herhalten kann, sondern der Erwerbsvorgang selbst Gegenstand der Bewilligung bzw. behördlichen Zulassung sein muss1107. Ein Bieter kann zum Beispiel sein Pflichtangebot nicht davon abhängig machen, dass die Zielgesellschaft eine Fernmeldekonzession erhält. Die in Art. 32 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK erwähnten Behörden werden in aller Regel staatliche Instanzen sein. Zu denken ist aus schweizerischer Sicht in erster Linie an die Wettbewerbskommission. Aber auch die Bankenkommission oder das Bundesamt für Privatversicherungswesen kommen als bewilligende Behörde in Betracht. Für den Bereich des Grundstückserwerbs durch Personen im Ausland sind die Kompetenzen kantonal geregelt. Das Handelsregisteramt wird nicht als bewilligende Behörde in Betracht kommen, da es sich nicht über die Zulässigkeit eines Erwerbs auszusprechen hat. Angesichts der zunehmenden Privati- 1105 Dies gilt auch für die Festsetzung von Schwellenwerten betreffend die Wesentlichkeit von wettbewerbsrechtlichen Auflagen, für die hier allerdings höhere Hürden als bei einem freiwilligen Angebot angebracht sind. 1106 Da die Zulässigkeit einer Bedingung in der Regel ex ante überprüft werden muss, erscheint eine ex post Beurteilung einer Genehmigung unter Auflagen hinsichtlich deren Auswirkungen und Zumutbarkeit für den Bieter m.E. als nicht opportun (vgl. aber KÖPFLI S. 215). 1107 Der Zusammenhang mit dem Pflichtangebot legt es nahe, als „Erwerb“ den mittels Pflichtangebot lancierten Akquisitionsvorgang von Beteiligungspapieren zu betrachten, nicht etwa den bereits vorgängig erfolgten Erwerb von Beteiligungspapieren, der die Angebotspflicht ausgelöst hat. 218 sierung öffentlicher Aufgaben ist nicht ausgeschlossen, das auch eine private Organisation mit Aufsichtsfunktion (z.B. eine Börse) als "Behörde" im Sinne der genannten Bestimmung gelten kann. Wie erwähnt ist dabei aber immer erforderlich, dass aufgrund einer gesetzlichen Grundlage die Möglichkeit einer Untersagung des Erwerbs besteht. D. Erwerb von nicht stimmberechtigten Beteiligungspapieren I. Fehlendes Stimmrecht als Natur der Beteiligungspapiere Der Entwurf der Eidgenössischen Bankenkommission erlaubte in Art. 22 Abs. 3 lit. b. E-BEHV-EBK eine Bedingung aus wichtigen Gründen dann, wenn die "Stimmfähigkeit der Aktien" nicht gegeben war. Die geltende Fassung spricht nun nicht mehr von Aktien, sondern von Beteiligungspapieren ganz allgemein. Darunter sind nach der Definition in Art. 2 UEV Aktien, Partizipationsscheine, Genussscheine sowie Wandelrechte und Erwerbsrechte auf Beteiligungspapiere zu verstehen. Gemäss Art. 29 Abs. 1 BEHV-EBK hat sich ein Pflichtangebot auf alle Arten von kotierten Beteiligungspapieren zu erstrecken. Der Erwerber aller Aktien einer Gesellschaft hat somit beispielsweise auch für die kotierten Partizipationsscheine dieser Gesellschaft ein Angebot zu unterbreiten. Nun soll es ihm nach dem Wortlaut von Art. 32 Abs. 2 lit. b. BEHV-EBK aber gestattet sein, sein Angebot an Bedingungen zu knüpfen. Dabei bleibt unklar, welche ungewisse (zukünftige) Tatsache bei der vorliegenden Konstellation zur Bedingung erhoben werden soll. Sicherlich wird der Bieter nicht verlangen dürfen, dass ihm die entsprechenden Beteiligungspapiere das Stimmrecht verschaffen, da dies objektiv unmöglich ist. Eine andere sinnvolle Bedingung ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht ersichtlich. Art. 32 Abs. 2 lit. b. BEHV-EBK ist daher teleologisch zu reduzieren. Diejenigen Fälle sind von dieser Bestimmung auszunehmen, wo das fehlende Stimmrecht in der Natur der Beteiligungspapiere liegt1108. Sofern kein Ausnahmetatbestand1109 vorliegt, ist in diesen Fällen ein Pflichtangebot zu unterbreiten. II. Fehlendes Stimmrecht aufgrund Stimmrechtsbeschränkungen Zahlreiche Schweizer Gesellschaften haben vinkulierte Namenaktien ausstehend. Auch bei den kotierten Schweizer Gesellschaften ist Vinkulierung vor allem mittels Höchststimmklauseln nichts aussergewöhnliches. Deren Zulässigkeit 1108 Damit hat sich also gegenüber dem Entwurf der EBK, wo lediglich von Aktien die Rede war, de facto nichts geändert (vgl. S. 10 der Erläuterungen der EBK vom 4. März 1996). 1109 Vgl. Art. 32 Abs. 2 BEHG sowie Art. 33 und 34 BEHV-EBK. 219 sowie die damit verbundenen rechtlichen Aspekte der Übertragbarkeit dieser Aktien sind in den Art. 685a sowie 685d bis 685g OR geregelt. Der Verwaltungsrat einer Gesellschaft kann aufgrund dieser Bestimmungen einen Erwerber als "Vollaktionär ablehnen", wenn dessen Aktienbestand eine statutarisch festgelegte Prozentzahl der Stimmrechte übersteigen würde. Die Ablehnung als Vollaktionär kann indessen nur für die diesen Prozentsatz übersteigenden Aktien erfolgen. Der entsprechende Aktionär wird dann als Aktionär ohne Stimmrecht im Aktienbuch eingetragen. Gemäss Art. 32 Abs. 2 lit. b BEHV-EBK kann der Bieter sein Pflichtangebot davon abhängig machen, dass die Beteiligungspapiere, die Gegenstand des Angebots sind, ihm die mit diesen Werten verbundene Stimmkraft auch tatsächlich vermitteln. Er kann mit anderen Worten das Zustandekommen des Angebotes davon abhängig machen, dass er als Vollaktionär vom Verwaltungsrat der Zielgesellschaft anerkannt werde. Aus den Erläuterungen der Bankenkommission vom 4. März 1996 wird ersichtlich, was die Beweggründe für die Zulassung der genannten Bedingung waren. Es sollte verhindert werden, dass ein Aktionär zur Unterbreitung eines obligatorischen Angebotes verpflichtet wird, ohne je über die Mehrheit der Stimmrechte verfügen zu können, weil von der Zielgesellschaft Massnahmen zur Stimmrechtsbeschränkung oder Vinkulierungsvorschriften getroffen wurden: "Es wäre nach Meinung der EBK nicht vertretbar, jemanden einer Angebotspflicht zu unterwerfen und ihm gleichzeitig die Verfügungsgewalt über die Stimmrechte zu verweigern."1110 Zwar wird ein Erwerber aufgrund von Art. 32 Abs. 1 BEHG auch dann zur Abgabe eines Pflichtangebots verpflichtet, wenn er den relevanten Grenzwert (im Normalfall 331/3%) an Stimmrechten überschreitet und diese Stimmrechte nicht ausübbar sind. Im Normalfall läuft jedoch eine ein Pflichtangebot auslösende Transaktion wie folgt ab: Der neue Eigner kauft das sich nicht in Streubesitz befindliche Aktienpaket des Mehrheitsaktionärs und kann durch entsprechende Ausgestaltung des Erwerbsvertrages die Anerkennung durch die Gesellschaft als Vollaktionär zur Bedingung des Vollzuges ("condition to close") dieses Vertrags machen. Das Pflichtangebot wird jedoch erst ausgelöst, wenn die Transaktion vollzogen ist, d.h. wenn der Erwerber das volle Stimmrecht erhält und der Kontrollwechsel somit stattgefunden hat. Da der Bieter dann den Verwaltungsrat bereits beherrscht, ist aber keine Bedingung beim nachfolgenden Angebot an die Publikumsaktionäre mehr erforderlich, wonach der Bieter als Vollaktionär, d.h. mit Stimmrecht anerkannt wird. Für diesen Normalfall ist daher die in Art. 32 Abs. 2 lit. b BEHV-EBK vorgesehene Bedingung betreffend fehlendem Stimmrecht nicht von grosser praktischer Relevanz. Bei feindlichen Übernahmen kann es jedoch in seltenen Fällen vorkommen, dass der Bieter über mehr als einen Drittel der stimmberechtigten Aktien verfügt, aber nur für einen Bruchteil als 1110 Erläuterungen der EBK vom 4. März 1996, S. 18. 220 Vollaktionär im Aktienbuch eingetragen wird. So wurde beispielsweise das Angebot der Stancroft Trust Limited für die Aktionäre der Intersport PSC Holding AG mit der Bedingung verknüpft, dass die Stancroft mit sämtlichen von ihr gehaltenen Aktien der Intersport mit Stimmrecht im Aktienregister eingetragen wird1111. Man kann sich fragen, ob es nicht konsequenter gewesen wäre, die Angebotspflicht nur vorzusehen, wenn die bereits gehaltenen Stimmrechte auch ausübbar sind, allenfalls verbunden mit einem Korrektiv bei Kontrollerlangung trotz Nichtausübbarkeit der Stimmrechte1112. Mit diesem Vorgehen hätte man ausserdem von der Gewährung der "besonderen Ausnahme" in Art. 34 Abs. 2 lit. a BEHV-EBK und der Zulassung von Bedingungen "aus wichtigen Gründen" nach der hier untersuchten Verordnungsbestimmung weitgehend absehen können. Anstatt dieser „Nicht-Unterstellung mit Ausnahmen“ hat der Gesetzgeber in Art. 32 BEHG den umgekehrten Grundsatz der „Unterstellung mit Ausnahmen“ gewählt1113. Der Vorteil dieser Lösung besteht in der einfacheren Rechtsdurchsetzung. Für die anwendenden Behörden ist es einfacher, Ausnahmen von der Angebotspflicht zu gewähren als die Angebotspflicht ausnahmsweise durchzusetzen. Ausserdem hätte die erwähnte Alternativlösung das Feststellen einer „Kontrolle“ bedurft, was naturgemäss ein schwieriges Unterfangen ist und Anlass zu grossen Meinungsverschieden-heiten geben kann. Die geltende Lösung ist daher einer „Nicht-Unterstellung mit Ausnahmen“ vorzuziehen. E. Die Sicherung der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft I. Sicherung der wirtschaftlichen Substanz und Verteidigungsmassnahmen Der Wortlaut von Art. 32 Abs. 2 lit. (c) ist unverändert von Art. 22 Abs. 3 EBEHV-EBK übernommen worden. In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung hat die EBK klargestellt, dass diese vor dem Hintergrund möglicher Verteidi- 1111 Empfehlung der UEK vom 24. August 2000 i.S. Stancroft Trust Limited / Intersport PSC Holding AG E. 2.2. 1112 Für die seltenen Fälle, wo ein Erwerber die Schwelle von 331/3% der Stimmrechte (oder entsprechend höheren Wert) überschreitet, sich aber nicht (für den ganzen Aktienbesitz) als Vollaktionär eintragen lässt, dennoch aber die Kontrolle ausüben kann. 1113 Wie KÖPFLI überzeugend darlegt, beruht die Existenzberechtigung des Einschlusses nicht ausübbarer Stimmrechte in Art. 32 BEHG auf jenen Fällen, wo ein Erwerber zwar eine Kontrollbeteiligung hält, diese aber nicht als stimmberechtigte Beteiligung im Aktienbuch eintragen lässt. Diese Umgehung der Angebotspflicht sollte verhindert werden (KÖPFLI, S. 216f unter Hinweis auf KLÄY, Die Vinkulierung, Diss. Basel 1997 S. 528). 221 gungsmassnahmen durch die Zielgesellschaft zu sehen ist1114. Die Zielgesellschaft soll sich bei einem Pflichtangebot nicht durch Disposition von Betriebsteilen etc. für den Bieter unattraktiv machen. Abwehrmassnahmen sind dann zu erwarten, wenn ein Angebot unfreundlich ist, d.h. gegen die Interessen des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft gerichtet ist1115. Der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft muss allerdings bereits aufgrund Art. 29 Abs. 2 BEHG1116 auf gewisse, in Art. 35 UEV1117 konkretisierte Abwehrmassnahmen verzichten, welche ausserhalb eines Beschlusses der Generalversammlung gesetzeswidrig sind1118. Nicht ganz geklärt sind indessen die Rechtsfolgen bei Widerhandlung gegen dieses Verbot, namentlich ob der von der Zielgesellschaft mit Dritten abgeschlossene Vertrag unverbindlich ist1119. Schon aus diesem Grund muss es dem Bieter erlaubt sein, die in Art. 35 UEV erwähnten und von der Rechtsordnung verpönten Abwehrmassnahmen bzw. deren Ausbleiben zur Bedingung eines Pflichtangebotes zu erheben1120. Kann der Bieter aber eine Bedingung anbringen, wenn die von der Zielgesellschaft getroffene Abwehrmassnahme von der Generalversammlung genehmigt wurde? Gemäss Art. 29 Abs. 2 BEHG kann die Generalversammlung diejenigen Abwehrmassnahmen beschliessen, die dem Verwaltungsrat gemäss Art. 29 Abs. 1114 Die dritte Bedingung sieht vor, dass die vom Anbieter konkret bezeichnete wirtschaftliche Substanz der Zielgesellschaft nicht verändert werden darf. Auch in diesem Fall wäre es unzumutbar, dass bei Vorliegen einer Angebotspflicht der Zielgesellschaft die Möglichkeit überlassen bleibt, die für den Anbieter besonders interessanten Sektoren abzustossen (Erläuterungen der EBK vom 4. März 1996 N 61 S. 18 (zu Art. 22 Abs. 3 lit.c. E-BEHV-EBK)). 1115 VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 61; KÖPFLI S. 217. 1116 Bereits in Art. 29 Abs. 2 BEHG findet sich der Grundsatz, wonach der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft von der Veröffentlichung des Angebotes (bzw. der Voranmeldung; Art. 9 Abs. 3 UEV) bis zur Veröffentlichung des Ergebnisses keine Rechtsgeschäfte beschliessen darf, mit denen der Aktiv- oder Passivbestand der Gesellschaft in bedeutender Weise verändert würde. Davon ausgenommen sind indessen Beschlüsse der Generalversammlung. 1117 In Art. 35 Abs. 1 UEV wird klargestellt, dass auch Ausserbilanzpositionen zu dem in Art. 29 Abs. 2 BEHG erwähnten Aktiv- oder Passivbestand der Zielgesellschaft gehören. Wenn auch sprachlich etwas widersprüchlich ist diese Klarstellung sachlich gerechtfertigt. Mit dieser Formulierung werden auch Eventualverbindlichkeiten wie Garantien, Bürgschaften etc. erfasst. Art. 35 Abs. 2 UEV zählt exemplifikativ gesetzeswidrige Abwehrmassnahmen des Verwaltungsrates auf. Dazu gehören unter anderem der Verkauf oder Erwerb von Betriebsteilen mit einem Wert oder zu einem Preis von mehr als 10 Prozent der Bilanzsumme sowie der Verkauf oder die Belastung von Betriebsteilen oder von immateriellen Werten, welche zum Hauptgegenstand der Offerte zählen und vom Anbieter als solcher bezeichnet werden. 1118 Vgl. auch Art. 36 UEV, wonach Abwehrmassnahmen in Verletzung des Gesellschaftsrechts als unzulässig im Sinne von Art. 29 Abs. 3 BEHG anzusehen sind. Art. 29 Abs. 3 gewährt der UEK die Kompetenz, Bestimmungen über unzulässige Verteidigungsmassnahmen zu erlassen. 1119 Namentlich ZOBL ist der Ansicht, dass das in Art. 35 UEV ausgesprochene Verbot lediglich die Vertretungsbefugnis betreffe, womit zwar der entsprechende Beschluss des Verwaltungsrates nichtig sei, nicht aber das mit einem gutgläubigen Dritten aufgrund des Beschlusses abgeschlossene Rechtsgeschäft (ZOBL, Rechtsstellung, S. 66). 1120 Ablehnend VON DER CRONE, für den die Zulassung von Bedingungen gemäss Art. 32 Abs. 2 lit.c. BEHV-EBK nur schon deshalb schwer zu rechtfertigen ist, weil der Erwerber bereits durch das Verbot gewisser Abwehrmassnahmen geschützt sei (VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 61 Fn 80). Vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen. 222 1 und Art. 35 UEV untersagt sind1121. Auch für diesen Fall wird man dem Bieter eines obligatorischen Angebotes erlauben müssen, eine entsprechende Bedingung anzubringen, wonach sein Angebot bei einem derartigen Vorkommnis hinfällig wird. Bei Abgabe des (unfreundlichen) Angebots ist der Bieter in der Regel in Unkenntnis darüber, welches Organ der Gesellschaft über allfällige Abwehrmassnahmen entscheidet. Für den Bieter kann die gesellschaftsinterne Zuständigkeitsordnung daher nicht von Relevanz sein. Das gesetzliche Verbot der Abwehrmassnahmen war zudem als Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft gegenüber dem Verwaltungsrat konzipiert1122 und nicht als Schutz des Bieters gegenüber Abwehrmassnahmen der Zielgesellschaft1123. Auch aus diesem Grund sollte die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Abwehrmassnahmen gemäss Art. 29 Abs. 2 BEHG keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Bedingungen beim obligatorischen Angebot haben1124. Allerdings kann eine Bedingung, welche die Angebotspflicht auch im Falle zulässiger, aber den Bieter nur geringfügig behindernder Abwehrmassnahmen ausschalten will aufgrund der Generalklausel des „wichtigen Grundes“ nicht gestattet sein. Abwehrmassnahmen von Aktionären der Zielgesellschaft, z.B. durch Aufkaufen von Aktien, haben grundsätzlich keine Auswirkungen auf die wirtschaftliche Substanz der Zielgesellschaft1125. Aufgrund des Wortlautes von Art. 32 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK könnte für diesen Fall keine Bedingung angebracht werden. Der opponierende Aktionär könnte so den Aktienkurs und damit auch den Angebotspreis in die Höhe treiben, ohne dass der Erwerber von der Angebotspflicht Abstand nehmen könnte. In diesem Fall, wie auch im Fall eines konkurrierenden Angebots1126, dürfte aber meist ein „wichtiger Grund“ vorliegen, der es dem Erwerber gestattet, einer solchen Situation durch Anfügen entsprechender Bedingungen vorzubeugen. Kann sich der Bieter auch auf Art. 32 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK berufen, wenn die „wirtschaftliche Substanz“ der Zielgesellschaft aus anderen Gründen als Verteidigungsmassnahmen von deren Verwaltungsrat gegen das abzugebende 1121 Vgl. ZOBL, Rechtsstellung, S. 67. Vgl. Botschaft zum BEHG S. 47; ZOBL, Rechtsstellung, S. 67; VON DER CRONE, Offenlegung, S. 64. 1123 Aus diesem Grund sind die von Art. 29 Abs. 2 BEHG und Art. 35 UEV verpönten Abwehrmassnahmen bei entsprechendem Beschluss der Generalversammlung auch zulässig. 1124 Wie erwähnt ging es bei der Zulassung von Bedingungen gemäss Art. 32 Abs. 2 lit. c. BEHV-EBK um eine Rechtswohltat für den Bieter. Es soll verhindert werden, dass der Zielgesellschaft die Möglichkeit bleibt, die für den Bieter besonders interessanten Sektoren abzustossen (Erläuterungen der EBK vom 4. März 1996 S. 19 N 62). In den Genuss dieser Rechtswohltat sollte der Bieter aber unabhängig davon kommen, welches gesellschaftliche Organ sich für Abwehrmassnahmen ausspricht (a.A. offenbar VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 61 Fn 80; wie hier KÖPFLI, S. 218). 1125 Anderes gilt bei einem Rückkaufsangebot bzw. dem Erwerb eigener Aktien durch die Zielgesellschaft (vgl. zur Zulässigkeit dieser Abwehrmassnahme TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 29 N 16). 1126 Bei konkurrierenden Angeboten ergibt sich unter Umständen ein Normwiderspruch zwischen dem Widerrufsrecht nach Art. 51 UEV und der Angebotspflicht nach Art. 32 BEHG bzw. den in der BEHV-EBK festgelegten Ausnahmen davon. 1122 223 Angebot gesichert werden soll? Ist die genannte Bestimmung mit anderen Worten auch anwendbar auf eine Bedingung, wonach bis zum Vollzug des Angebots keine bedeutende negative Änderung („material adverse change“) der Geschäftstätigkeit auftreten oder dem Bieter bekanntwerden1127 dürfe ? Aus den Materialien ergibt sich, dass Art. 32 Abs. 2 lit. c darauf ausgelegt ist, für den Bieter schädliche Handlungen der Zielgesellschaft zu erfassen bzw. ihm dadurch bei Vorliegen solcher Handlungen eine Ausstiegsmöglichkeit zu gewähren1128. Es war nicht die Absicht des Verordnungsgebers, dem Bieter eine generelle Ausstiegsmöglichkeit bei veränderten Umständen wie z.B. Gewinneinbruch, Busse einer Kartellbehörde etc. oder Bekanntwerden neuer Tatsachen einzuräumen. Angesichts dessen verbietet sich eine Ausdehnung von Art. 32 Abs. 2 lit. c auf andere Sachverhalte als schädigende Handlungen der Zielgesellschaft und mit ihr verbundener Personen. Mit anderen Worten wäre eine Bedingung des Angebots betreffend erhebliche negative Veränderungen („material adverse change“) im Geschäftsvermögen der Zielgesellschaft im Gegensatz zum freiwilligen Angebot nicht zulässig1129. Art. 32 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK ist somit nur dann anwendbar, wenn die Änderung der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft auf ein Handeln von deren Verwaltungsrat oder deren Generalversammlung zurückgeht. Änderungen der Substanz, welche vorwiegend exogene, d.h. nicht im Machtbereich der Gesellschaftsorgane entstandene Ursachen haben, erlauben nicht das Anfügen einer entsprechenden Bedingung gestützt auf Art. 32 Abs. 2 lit. c BEHV-EBK. Nicht erforderlich ist indessen, dass das Handeln des Organs der Zielgesellschaft unzulässig im Sinne von Art. 29 BEHG bzw. Art. 35 UEV sei. Ebensowenig ist verlangt, dass die Organe der Zielgesellschaft vorsätzlich bzw. in Schädigungsabsicht handeln müssten. Lediglich geringfügige Änderungen der wirtschaftlichen Substanz, wie zum Beispiel gewisse Abgangszahlungen an Kadermitglieder oder die (vorzeitige) Ausübung von Optionsrechten aufgrund Kontrollwechsels1130 usw., berechtigen den Bieter aber nicht, die Erfüllung des Übernahmevertrages gestützt auf Art. 32 Abs. 2 lit. (c) BEHV-EBK zu verweigern, selbst wenn sie als Abwehrmassnahmen zu qualifizieren sind. II. Bedeutung der "wirtschaftlichen Substanz" Art. 32 Abs. 2 lit. (c) BEHV-EBK erwähnt nur die Sicherung der „wirtschaftlichen Substanz„ als wichtigen Grund für die Zulässigkeit einer Bedingung. Sinn und Zweck dieser Bestimmung verbieten es indessen, unter Substanz lediglich 1127 Zum Beispiel durch Bekanntwerden der Tatsache, dass der wichtigste Vertrag der Zielgesellschaft eine „change of control“ Klausel enthält. 1128 Erläuterungen der EBK vom 4. März 1996 S. 19 N 62. 1129 Zu den Restriktionen dieser Bedingung beim freiwilligen Angebot vgl. vorn § 4 G VI. 1130 Dabei wird vorausgesetzt, dass diese Vorgänge nicht zu einer wesentlichen Veränderung des Aktivoder Passivbestandes der Zielgesellschaft führen. 224 eine statische, bilanzielle Grösse anzusehen. In dieser Hinsicht kann Art. 35 Abs. 1 UEV, wo ausdrücklich ausserbilanzielle Grössen miteinbezogen werden, als Orientierungshilfe dienen. In Absatz 2 lit. (a) dieser Bestimmung ist zudem bei der Beurteilung der Massgeblichkeit einer Minderung des wirtschaftlichen Potentials der Zielgesellschaft alternativ vom „Wert“ oder vom „Preis“, welcher auf den heutigen Märkten auch und vor allem Ertragsüberlegungen reflektiert, die Rede. Auch die wirtschaftliche „Substanz“ in der hier erörterten Bestimmung sollte daher nicht rein statisch und bilanziell aufgefasst werden, sondern auch Ertragsaspekte berücksichtigen. Rechtsgeschäfte, die zwar weder Eigenkapital noch Bilanzsumme wesentlich verändern, dennoch aber die Ertragslage der Gesellschaft wesentlich vermindern, müssen ebenfalls als die „wirtschaftliche Substanz“ beeinträchtigend aufgefasst werden. Fraglich ist indessen, ob man so weit gehen will, und auch die Schlüsselpersonen bzw. die „menschlichen Erfolgsfaktoren“ als zur „wirtschaftlichen Substanz“ gehörig zu betrachten. Dies würde es dem Bieter zum Beispiel ermöglichen, das Zustandekommen seines Angebotes vom Verbleib gewisser Personen abhängig zu machen. Eine solche Bedingung wird in aller Regel als unzulässig einzustufen sein. Wenn dem Bieter an der zukünftigen Kooperation mit gewissen Schlüsselpersonen („key employees“) gelegen ist, kann er sich deren Dienste vorab mit entsprechenden Verträgen sichern und sollte dieses Versäumnis nicht durch Anfügen von Bedingungen auf dem Rücken der Angebotsempfänger austragen können. Gleiches muss für den Fall der Kündigung wesentlicher Verträge („material contracts“) gelten. Der Bieter kann z.B. sein Angebot nicht davon abhängig machen, dass der Vertrag mit dem wichtigsten Lizenzgeber nicht gekündigt wird. Um die Sicherung der Lizenz muss er sich vor Abgabe des obligatorischen Angebots kümmern1131. III. Was bedeutet "konkret bezeichnet"? Gemäss Art. 32 Abs. 2 lit. c. BEHV-EBK muss eine Bedingung zur Sicherung der wirtschaftlichen Substanz der Zielgesellschaft diese Substanz konkret bezeichnen1132. Was ist damit gemeint und wie hoch sind die Anforderungen an die Konkretisierung zu stellen? Denkbar ist zunächst, dass der Bieter die zu sichernde Substanz betragsmässig festlegen möchte. Zum Beispiel will er sicherstellen, dass das Eigenkapital oder die Liquidität der Zielgesellschaft nicht unter einen 1131 Auch bei freiwilligen Angeboten dürften diese Bedingungen grundsätzlich nicht zulässig sein. Dies ergibt sich entweder aus der Beeinflussbarkeit der Bedingung oder aber aus dem Grundsatz der Lauterkeit. Vom Bieter kann ein wohl überlegter unternehmerischer Entscheid und dessen bestmögliche Absicherung vor Abgabe eines Übernahmeangebots verlangt werden. 1132 Vgl. dazu auch die Bemerkungen in § 4 G VIII vorn zu den Empfehlungen der UEK in Sachen Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA und Incentive Capital AG / Sulzer AG. Die dortigen Ausführungen gelten auch für die hier diskutiereten Pflichtangebote. 225 bestimmten Schwellenwert zu liegen kommen1133. Soweit darin eine Absicherung der wirtschaftlichen Substanz vor beeinträchtigenden Dispositionen zu sehen ist, wäre eine betragsmässige Festlegung des Eigenkapitals etc. an sich zulässig. Allerdings muss es dem Bieter verwehrt sein, aufgrund jeder betragsmässigen Abweichung von den von ihm festgelegten Werten die Erfüllung des Übernahmevertrags unter Berufung auf eine derartige Bedingung zu verweigern. Nur der Vorbehalt einer wesentlichen, nachteiligen Änderung des betragsmässig festgelegten Wertes erfüllt die Voraussetzung an eine unter Art. 32 Abs. 2 lit. c zulässige Bedingung1134. Im Fall von schwerwiegenden Abwehrmassnahmen sollten an die Konkretisierung durch den Bieter keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden1135. Nach der hier vertretenen Auffassung muss in einem solchen Fall sogar die blosse Bezeichnung der Zielgesellschaft und der Verweis auf deren Jahresbericht genügen. Andernfalls wäre eine niemandem nützliche, endlose Aufzählung von Aktiven oder Betriebsbereichen etc. im Angebotsprospekt die Folge1136. Werden hingegen lediglich geringe Beeinträchtigungen der Substanz vorgenommen ist - sofern die Bedingung in diesem Fall überhaupt gestattet werden kann - ein höherer Konkretisierungsgrad erforderlich. Der Bieter muss dabei nachweisen, dass das beeinträchtigte Aktivum etc. neben der erforderlichen objektiven Wesentlichkeit auch subjektiv wesentlich war für die Unterbreitung des Angebotes durch den Bieter. Allgemein kann gesagt werden, dass die Anforderungen um so höher zu schrauben sind, je geringer die Beeinträchtigung ist, die das Angebot zu Fall bringen soll. F. Der “wichtige Grund” im allgemeinen Nach Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK kann ein Pflichtangebot ausser aus wichtigen Gründen nicht an Bedingungen geknüpft werden. Beispielhaft und nicht erschöpfend werden die in den vorangehenden Ziffern erörterten Tatbestände als „wichtige Gründe“ genannt. Im Sinne eines induktiven Vorgehens kann man anhand der im Gesetz genannten Beispiele „wichtiger Gründe“ für die Zulässigkeit von Bedingungen Rückschlüsse auf die Generalklausel des wichtigen Grundes in Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK ziehen. Untersucht man die in der Verordnung ge- 1133 Bei der Übernahme nicht kotierter Unternehmen wird dieses Vorgehen oft gewählt und mit einer Preisanpassung für den Fall einer Nichteinhaltung der vereinbarten Messgrössen gekoppelt. 1134 Vgl. dazu schon den Fall Synthes-Stratec Inc./Stratec Holding AG betreffend die Einhaltung vertraglicher Zusicherungen in § 4 G VII. 1135 In der Literatur wird das Problem der Konkretisierung der wirtschaftlichen Substanz, soweit ersichtlich, nicht erörtert. Man kann wohl daraus schliessen, dass diese Anforderung nicht als allzu grosses Problem für den Bieter angesehen wird. 1136 Vgl. aber die Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 3.2 a). 226 nannten Beispiele, so fällt auf, dass sie einerseits hohe Anforderungen an die Zulässigkeit von Bedingungen stellen, andererseits ausschliesslich Risiken des Erwerbsvorganges betreffen. Diese Risiken betreffen das „Bewilligungsrisiko“1137 einerseits und das „Verteidigungsrisiko“1138 andererseits. Während der Bieter beim Bewilligungsrisiko der Gefahr einer behördlichen Untersagung der Übernahme ausgesetzt ist, bedeutet das Verteidigungsrisiko, dass er sich unter Umständen Abwehrmassnahmen1139 der Zielgesellschaft bzw. ihrer Organe ausgesetzt sieht, welche darauf abzielen, die (volle) Übernahme bzw. Kontrolle durch den Bieter zu verhindern oder zu erschweren. Kennzeichnend für all diese Fälle ist der Bezug zum Erwerbsrisiko des Bieters, während das unternehmerische Risiko der Zielgesellschaft und qua Beteiligung auch ihres zum obligatorischen Angebot verpflichteten Gesellschafters nicht in die von der Verordnung explizit erwähnten Tatbestände wichtiger Gründe Eingang findet. Die Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission geht davon aus, dass ein Gesellschafter mit mehr als 331/3% der Stimmrechte bereits unternehmerische Verantwortung trägt und sich diesbezügliche Risiken nicht mittels Bedingungen zulasten von Anlegern fernhalten kann. Bedingungen beim Pflichtangebot sind daher nur in gewissen Fällen von akuten Erwerbsrisiken zulässig, nicht jedoch als Absicherung gegen das unternehmerische Risiko als solches. Art. 32 Abs. 2 BEHVEBK setzt eine hohe Hürde für die Zulässigkeit von Bedingungen beim Pflichtangebot. Die explizit genannten Tatbestände wichtiger Gründe legen den Schluss nahe, dass nur in Fällen schwerwiegender nachteiliger Konsequenzen für den Bieter eine Bedingung erlaubt ist. Nur dann, wenn ein unbedingtes Übernahmeangebot für den Bieter unzumutbar wäre, ist ein wichtiger Grund gegeben1140. Der Bieter eines Pflichtangebotes kann schliesslich versucht sein, sein Angebot generell unter die Bedingung eines „wichtigen Grundes“ zu stellen, d.h. es so auszugestalten, dass es bei jedem denkbaren wichtigen Grund dahinfällt. Doch deutet bereits die exemplifikative Aufzählung von wichtigen Gründen in Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK darauf hin, dass vom Bieter konkretere Bedingungen erwartet werden. Ausserdem dürfte eine derart allgemein gehaltene Bedingung weder mit dem Transparenz- noch mit dem Lauterkeitsgebot bei Bedingungen öffentlicher Kaufangebote vereinbar sein. 1137 Art. 32 Abs. 2 lit. a. BEHV-EBK. Art. 32 Abs. 2 lit. b. und c. BEHV-EBK. 1139 Darunter wird hier auch nicht bieterfreundliches Verhalten wie beispielsweise fehlende Bereitschaft zur Abschaffung von Stimmrechtsbeschränkungen verstanden. 1140 Wohl noch restriktiver VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 61 unter Kritik an Art. 32 Abs. 2 lit. (b) und (c) BEHV-EBK. 1138 227 G. Verfahrensfragen I. Ausnahmebewilligung (Art. 35 BEHV-EBK) Nach Art. 35 BEHV-EBK sind „Gesuche...um die Zulassung von Bedingungen sowie für besondere Ausnahmen [von der Angebotspflicht ]“ an die Übernahmekommission zu richten1141. Die Zulassung von Bedingungen beim obligatorischen Angebot wird damit verfahrensmässig weitgehend der Einräumung einer Ausnahmebewilligung nach Art. 34 BEHV-EBK gleichgesetzt1142. Hingegen erübrigt sich eine Publikation der Zulassung einer Bedingung im Schweizerischen Handelsamtsblatt, wie sie im Fall der Gewährung von besonderen Ausnahmen von der Angebotspflicht in Art. 34 Abs. 4 BEHV-EBK vorgesehen ist1143. Die Gleichstellung mit der Zulassung von Ausnahmen von der Angebotspflicht1144 legt es nahe, dass Bedingungen beim Pflichtangebot nur mittels Entscheidung der Übernahmekommission angebracht werden können und dass vom Bieter ein Gesuch um Zulassung von Bedingungen gestellt werden muss, wenn eine Bedingung gültig sein soll. Allerdings ist anzumerken, dass in der geltenden Fassung von Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK im Gegensatz zu Art. 22 Abs. 2 und 3 E-BEHVEBK nicht mehr von der Gewährung von Ausnahmen oder der Zulassung von Bedingungen die Rede ist1145. Angesichts dieses Umstandes kann man sich fragen, ob eine Gesuchstellung an die Übernahmekommission wirklich Gültigkeitserfordernis für die Bedingungen bei Pflichtangeboten ist. Ein Versäumnis der Gesuchstellung sollte - angesichts einer fehlenden Grundlage in Art. 32 Abs. 2 BEHV-EBK selbst - meines Erachtens nicht eo ipso zum Verlust des Rechts auf Bedingungen führen. Ein der Angebotspflicht nachkommender Bieter könnte dadurch faktisch für die fehlende Gesuchstellung ohne gesetzliche Grundlage gebüsst werden. 1141 Die in Art. 35 Abs. 1 BEHV-EBK ebenfalls erwähnte „Stellungnahme“ bezieht sich nicht auf die Zulassung von Bedingungen, sondern lediglich auf das Bestehen einer Angebotspflicht, wie sich aus einer grammatikalischen Auslegung ergibt. 1142 VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 61. Vgl. auch HOFSTETTER, Basler Kommentar BEHG, Art. 32 N 49. Nach diesem Autor muss die Übernahmekommission Ausnahmen (vom Grundsatz der Unzulässigkeit von Bedingungen beim Pflichtangebot) gewähren, wenn wichtige Gründe vorliegen. (Hervorhebung durch Verfasser); Vgl. auch KÖPFLI S. 219: „Wer Bedingungen in sein Pflichtangebot aufnehmen will, bedarf einer Bewilligung (BEHV-EBK 35 I)“. 1143 VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 61. 1144 Diese Gleichstellung ist allerdings nicht ganz problemlos (vgl. nachfolgend Ziff. II). 1145 Vgl. Art. 22 Abs. 2 und 3 E-BEHV-EBK. 228 II. Einsprache der Angebotsempfänger? VON DER CRONE befürwortet in analoger Anwendung von Art. 34 Abs. 4 BEHV-EBK1146 ein Einspracherecht der Minderheitsaktionäre gegen den Entscheid der Übernahmekommission oder der EBK betreffend Zulassung einer Bedingung1147. Er begründet dies mit allgemeinen rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien und im besonderen mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör. Ein solches Einspracherecht ist jedoch meines Erachtens aus folgenden Gründen abzulehnen. Eine Analogie zwischen Ausnahmen von der Angebotspflicht und Zulassung von Bedingungen beim Pflichtangebot übergeht den grundsätzlichen Unterschied, dass bei Ausnahmen von der Angebotspflicht überhaupt kein Angebot stattfindet, während bei der Frage der Zulassung von Bedingungen ein Angebot abgegeben wird. Ein Angebot mit gewissen, eng umgrenzten (und meist mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretenden) Bedingungen ist für den Empfänger ungleich vorteilhafter als gar kein Angebot. Beruft sich der Bieter später auf eine Bedingung und weigert er sich, den Veräusserungsvertrag zu erfüllen, so kann der Empfänger des Angebots den Kaufpreis einklagen, wobei vorfrageweise die Zulässigkeit der Bedingung zu prüfen ist. Erfüllt der Bieter aber den Vertrag trotz unzulässiger Bedingung oder tritt die Bedingung ein, ist der Empfänger des Angebotes nicht benachteiligt. Er dürfte also ohnehin erst im (wenig wahrscheinlichen) Ausfall der Bedingung beschwert sein. Zu Recht ist daher das Einspracherecht der Inhaber von Beteiligungspapieren bei einer Entscheidung der UEK oder der EBK über die Zulässigkeit einer Bedingung nicht im Gesetz oder den Verordnungen vorgesehen. 1146 Nach dieser Bestimmung können die „an der Zielgesellschaft Beteiligten“ innert einer Frist von 10 Börsentagen bei der Bankenkommission Einsprache gegen die Befreiung von der Angebotspflicht mittels Gewährung einer „besonderen Ausnahme“ nach Art. 34 BEHV-EBK erheben. 1147 VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 61. 229 § 6 Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen A. Übersicht Wie der gesamte Bereich der öffentlichen Kaufangebote zeichnen sich auch die Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen durch ein Zusammenspiel unterschiedlicher Rechtsanwendungsorgane und unterschiedlicher Rechtsquellen aus. Aufsichtsrechtliche Normen und Behörden stehen neben privatrechtlichen, wobei eine klare Unterscheidung nicht in jedem Fall möglich ist. Im folgenden wird daher auch nicht zwischen aufsichtsrechtlichen (öffentlich-rechtlichen) und privatrechtlichen Rechtsfolgen unterschieden1148. Die Rechtsfolgen werden stattdessen eingeteilt in spezialgesetzliche Rechtsfolgen nach BEHG, Rechtsfolgen nach allgemeinem Obligationenrecht und allgemeinen verwaltungsrechtlichen Sanktionen. Es muss dabei wiederum untersucht werden, ob die börsengesetzlichen Rechtsfolgen abschliessend sind oder aber die Anwendbarkeit allgemeiner Bestimmungen anderer Erlasse, namentlich des Obligationenrechts, geboten ist. B. Zuständige Organe und deren Praxis I. Übernahmekommission und EBK1149 Die Übernahmekommission muss von Gesetzes wegen jedes öffentliche Kaufangebot auf Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des Börsengesetzes und seiner Verordnungen überprüfen1150. Sie untersucht daher auch, ob die Vorschriften des BEHG und der Übernahmeverordnung betreffend die Zulässigkeit von Bedingungen eingehalten worden sind. Das Ergebnis dieser Prüfung findet Eingang in die Empfehlung der UEK. Bis anhin hat die UEK, soweit ersichtlich, noch nie eine Bedingung eines freundlichen öffentlichen Kaufangebotes für unzulässig erklärt, hat dies aber bei feindlichen Angeboten gelegentlich getan1151. Dieser Umstand ist wohl in erster Linie dadurch zu erklären, dass die UEK ein freundli- 1148 Wie bereits erwähnt, enthält das BEHG sowohl Normen aufsichtsrechtlicher wie auch privatrechtlicher Natur. Viele Normen weisen zudem sowohl aufsichtsrechtliche (öffentlich-rechtliche) wie auch privatrechtliche Merkmale auf. 1149 Vgl. auch die allgemeinen Aussagen zu diesen Behörden in § 1 D. 1150 Art. 23 Abs. 3 BEHG und Art. 3 UEV. 1151 Vgl. z.B. die Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA. 230 ches Angebot in aller Regel bereits vor dessen Veröffentlichung prüft1152. Der Bieter kann so die Ausgestaltung des Angebotes noch anpassen, falls er die UEK nicht von der Zulässigkeit der vorgesehenen Bedingung überzeugen kann. Bei Missachtung oder Ablehnung der Empfehlungen der UEK eröffnet die EBK ein Verwaltungsverfahren1153. Die EBK beziehungsweise deren Übernahmekammer kann eine von der UEK beurteilte Angelegenheit über die Zulässigkeit von Bedingungen auch als allgemeine Aufsichtsbehörde selbst entscheiden, wenn sie mit der Empfehlung der UEK nicht einverstanden ist und selbst entscheiden will oder die Übernahmekommission sie um einen Entscheid ersucht1154. Die EBK erlässt in diesem Fall eine verwaltungsrechtliche Verfügung1155. Im Fall Multipapiers / Baumgartner hatte die Übernahmekommission Gelegenheit, sich zu den Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen zu äussern. Sie hat dabei folgende Aussage gemacht1156: „..cette condition viole le principe de loyauté prévu à l’art. 28 lit. c LBVM. Elle est par conséquant illicite, et donc nulle.“ Die Übernahmekommission betrachtet eine unzulässige Bedingung demnach als „nichtig“. Wie aus der genannten Empfehlung weiter hervorgeht, bedeutet dies grundsätzlich die Gültigkeit des Angebotes ohne die nichtige Bedingung, was aber im konkreten Fall wegen des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit als zu hart erachtet wurde1157. Da es sich um die Beurteilung einer Voranmeldung handelte, konnte dem Bieter erlaubt werden, die nichtige Bedingung im Angebotsprospekt durch eine zulässige zu ersetzen. In dieser Empfehlung hatte die Übernahmekommission auch den Versuch eines Bieters zu beurteilen, die Rechtsfolgen der Nichtigkeit von Bedingungen selbst zu regeln1158: 1152 Eine Ausnahme besteht bei unfreundlichen Übernahmeangeboten. Da grundsätzlich allen Parteien im Verfahren vor UEK rechtliches Gehör zu gewähren ist, die Parteien dies aus taktischen Gründen jedoch nicht wünschen, erlässt die UEK grundsätzlich keine Empfehlung zur Gesetzeskonformität der Angebotsprospekte vor deren Veröffentlichung (Empfehlung der UEK vom 13. November in Sachen Model / Axantis Holding AG E. 1; vgl. auch Empfehlung der UEK vom 7. August 2000 in Sachen Intersport Deutschland eG / Stancroft Trust Limited / Intersport PSC Holding AG). Zum Fehlen spezifischer Verfahrensregeln für feindliche Angebote vgl. HIRSCH, Takeover Board, S. 77. 1153 Art. 23 Abs. 4 BEHG; Art. 5 Abs. 3 UEV; Art. 35 Abs. 3 lit. b BEHV-EBK. 1154 Vgl. dazu vorn § 1 D 2. Diese Befugnis der EBK ist zwar in Art. 35 Abs. 3 geregelt, doch ist m.E. nicht ganz klar, ob diese Bestimmungen auch für freiwillige Angebote gelten. 1155 Vgl. POLEDNA, Basler Kommentar, Art. 35 BEHG N 6 – 11. 1156 Empfehlung der UEK vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 2.3. 1157 Vgl. E. 8.1 der Empfehlung: „Supprimer purement et simplement la condition nulle, sans permettre d’y substituer une condition licite, pourrait avoir des conséquences d’une extrême rigueur pour l’offrant. Une telle situation pourrait contrevenir au principe de proportionnalité (..)“. 1158 Vgl. E. 6. der Empfehlung. 231 „Multipapiers se réserve le droit de renoncer à une ou plusiers des conditions et précise que l’offre deviendra caduque si une quelconque des condtions mentionnées n’est pas remplie ou tenue pour nulle et à défaut d’y avoir renoncé. Comme on l’a vu (..), une condition dont le contenu est illicite est nulle. Sa non-realisation ne permet pas à l’offrant d’être libéré de son offre. Il en va de même d’une condition subordonnant l’offre au fait qu’aucune de ses autres conditions ne soit décrétée nulle. Si une telle clause était considerée comme valide, tout offrant aurait la possibilité de publier une offre sans être lié par les termes de cette dernière. Il lui suffirait pour cela d’assortir son offre d’une condition manifestment illicite, et de prévoir de surcroît que l’offre deviendra caduque si ce caractère illicite est constaté.“ Nach Ansicht der Übernahmekommission kann somit der Bieter die Rechtsfolgen einer konstatierten Nichtigkeit nicht selbst im dem Sinne regeln, dass er dadurch aus dem Angebot aussteigen kann. Die Nichtigkeit der Bedingung bewirkt deren Unwirksamkeit unter gleichzeitiger Wirksamkeit des „Vertragsrestes“, wobei die Härte dieser Folgen dadurch abgemildert wird, dass es dem Bieter zumindest nach Voranmeldung gestattet ist, eine neue, zulässige Bedingung anzubringen. Die Übernahmekommission macht demgegenüber keine Ausführungen zur Herleitung der Nichtigkeitsfolge. II. Zivilgerichte Auch die Zivilgerichte können sich mit der Frage der Zulässigkeit einer Bedingung eines öffentlichen Kaufangebotes befassen. Denkbar ist dies zum Beispiel bei einer Klage der Inhaber von Beteiligungspapieren auf Zahlung des Kaufpreises und Einwendung des Bieters, eine Bedingung sei nicht erfüllt. Möglich wäre auch eine Klage auf Schadenersatz wegen Dahinfallens des Vertrages aufgrund des Eintritts einer unzulässigen Bedingung. Wenn ein Zivilgericht mit diesen Fragen befasst ist, wird in der Regel bereits eine Empfehlung der UEK oder gar eine Verfügung der EBK in der betreffenden Sache vorliegen. In diesem Fall sind die Zivilgerichte grundsätzlich nicht an die Auffassung dieser Behörden gebunden1159, doch wird faktisch aufgrund der Sachkompetenz dieser Behörden ei- 1159 Vgl. KÖPFLI S. 275 unter Berufung auf Art. 6 EMRK; a.M. HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 60. Falls jedoch das Bundesgericht nach Verwaltungsgerichtlicher Beschwerde bereits ent232 ne Respektierung von deren Entscheiden erwartet werden können1160. Soweit ersichtlich hat sich jedoch noch kein schweizerisches Zivilgericht mit der Zulässigkeit von Bedingungen bei einem öffentlichen Kaufangebot befasst. C. Untersagung und Rücktrittsrecht nach Art. 26 BEHG I. Die „Untersagung“ als Akt der Aufsichtsbehörden Eine mögliche Rechtsfolge unzulässiger Bedingungen könnte ein Verbot oder eine Untersagung des öffentlichen Kaufangebotes durch die Aufsichtsbehörden sein. Im Börsengesetz wird die „Untersagung“ eines Angebotes in Art. 26 BEHG als Voraussetzung des Rücktrittsrechtes der Verkäufer1161 von Beteiligungspapieren erwähnt1162. In Art. 6 UEV sind die Modalitäten des durch eine Untersagung ausgelösten Rücktrittsrechtes näher umschrieben, Wesen und Bedeutung der in Art. 26 BEHG erwähnten Untersagung werden jedoch im Börsengesetz und dessen Verordnungen nicht weiter beleuchtet1163. Eine „Untersagung“ beinhaltet – allenfalls neben der Feststellung der Verletzung von rechtlichen Bestimmungen - definitionsgemäss auch eine Verhaltensanordnung. Diese Anordnung kann zum Beispiel darin bestehen, dass der Bieter angewiesen wird, sein Angebot zurückzuziehen oder nicht zu lancieren. Unbestritten dürfte sein, dass rechtskräftige Entscheide der Übernahmekammer der EBK und des Bundesgerichtes (als Beschwerdeinstanz) eine solche Anordnung enthalten können. Einer näheren Betrachtung bedarf hingegen die Frage, ob auch Empfehlungen der UEK eine „Untersagung“ herbeiführen können. Im Gegensatz zu den Entscheidungen des Bundesgerichtes und der EBK sind die Empfehlungen der UEK selbst nicht autoritativ, d.h. mit staatlichen Zwangsmassnahmen durchsetzbar1164. Dennoch erlässt auch die UEK bei einem Verstoss gegen das BEHG eine Verhaltensanordnung. Dies wurde von der Übernahmekommission zumindest in Sachen Pharma Vision 2000 AG, BK Vision AG und Stillhalter Vi- schieden hat, bestehen gegenüber einer Bindung des Zivilrichters keine Bedenken im Hinblick auf Art. 6 EMRK mehr. 1160 So schon KÖPFLI S. 275. 1161 Art. 26 BEHG spricht begrifflich unscharf vom Rücktrittsrecht des „Verkäufers“, während in Art. 6 UEV (Rücktrittsfrist bei einem untersagten Angebot) vom Empfänger des Angebotes die Rede ist. 1162 Vgl. dazu Art. 24 Abs. 4 E-BEHG: „Die auf Grundlage eines untersagten Angebotes abgeschlossenen Verträge können vom Verkäufer rückgängig gemacht werden“ (vgl. auch Amt.Bull.NR 1994, S. 1071; BERNET S. 141 FN 558 mit Hinweisen zum Zweck der Regelung und deren Entstehungsgeschichte; TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 8). 1163 Es wird in Art. 6 UEV immerhin präzisiert, dass dieser Rücktritt durch die Empfänger des Angebotes innerhalb eines Jahres, nachdem der die Untersagung des Angebots anordnende Entscheid rechtskräftig wurde, auf schriftlichem Weg vorzunehmen ist. 1164 Allerdings wird durch ein Zusammenspiel mit der EBK dafür gesorgt, dass auch die Empfehlungen letzlich sanktioniert werden (vgl. VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 60; KÖPFLI S. 270f.). 233 sion AG, dem bisher einzigen einschlägigen Fall, so gehandhabt1165. Die UEK begnügt sich also nicht einfach mit einer „Feststellungsempfehlung“, in der sie eine Verletzung der börsengesetzlichen Übernahmebestimmungen feststellt, sondern erlässt Verhaltensanordnungen (Unterlassung einer Offerte, Rückzug des Angebotes etc). Werden diese Anordnungen der UEK missachtet oder abgelehnt, nimmt sich die mit Verfügungsgewalt ausgestattete EBK der Sache an1166. Als allgemeine Aufsichtsbehörde sollte die EBK bei einer Untersagung des Angebots auch provisorische Massnahmen wie eine Blockade der Annahme des als unzulässig erachteten Angebotes erheben können1167. Aufgrund dessen wurde erwartet, dass das in Art. 26 BEHG vorgesehene Rücktrittsrecht, welches das Bestehen eines vertraglichen Bandes voraussetzt1168, kaum je praktische Relevanz erlangen würde1169. Hinzu kommt, dass das Rücktrittsrecht auch bei einem Rückzug des Angebotes aufgrund einer Empfehlung der UEK oder einer Verfügung der EBK hinfällig wird1170. Wo kein Angebot bzw. kein Vertrag mehr besteht, kann es auch keinen Rücktritt geben. Dieses Zwischenergebnis soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Zusammenspiel zwischen Untersagung und Rücktrittsrecht beinahe unlösbare Probleme mit sich bringt, wie nachfolgend erörtert wird. II. Untersagung und Rücktrittsrecht der Veräusserer Eine Untersagung hat nicht eo ipso die Nichtigkeit eines Angebotes zur Folge, sondern begründet nach Art. 26 BEHG lediglich ein Rücktrittsrecht1171 der Ver- 1165 Empfehlung der UEK vom 17.2.1998, wo die UEK den Rückzug der Kaufangebote und die entsprechende Publikation in den Medien „angeordnet“ hat. Der Wortlaut des Dispositivs erscheint für eine Empfehlung relativ apodiktisch („müssen zurückgezogen werden“). 1166 Art. 5 Abs. 3 UEV. 1167 Vgl. die Erläuterungen der UEK zu Art. 6 E-UEV (Erläuterungen der UEK vom 22. Februar 1998, S. 32 N 16); BERNET S. 141). 1168 TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 3. 1169 In den Erläuterungen der Übernahmekommission zum Entwurf der Verordnung über öffentliche Kaufangebote vom 22. Februar 1996 wird klargestellt:“ Die Voraussetzung für die Ausübung des Rücktrittsrechts (Art. 26 BEHG) wird wahrscheinlich äusserst selten erfüllt sein: Sollte die Eidgenössische Bankenkommission ein ungesetzliches Angebot untersagen, wird sie innert nützlicher Frist provisorische Massnahmen ergreifen, um dieses Angebot zu „blockieren“ und um zu verhindern, dass es durch die Empfänger angenommen werden kann“ (N 16 der Erläuterungen der UEK vom 22. Februar 1996; Vgl. auch BERNET S. 141). 1170 Dies gilt allerdings nur, soweit damit ein gültiger Widerruf des Antrages oder ein gültiger Rücktritt vom Vertrag vorgenommen wurde (vgl. die nachfolgenden Ausführungen). 1171 BERNET geht gestützt auf das Votum von Nationalrat David von einer Wirkung ex tunc aus, weshalb anstatt vom „Rücktritt“ der Veräusserer besser von einem Recht auf Ungültigerklärung zu sprechen sei (BERNET, S. 141 FN 558). Diese Ansicht verdient Zustimmung. Dennoch wird im folgenden in Übereinstimmung mit der Terminologie des Gesetzes von einem Rücktritt durch die Empfänger des Angebotes gesprochen. Entscheidend ist jedenfalls, dass es einer entsprechenden Willenserklärung der Veräusserer der Beteiligungspapiere zur Vertragsbeseitigung bedarf und daher keine Nichtigkeit des Vertrages vorliegt. Ob man diese Willenserklärung als Rücktritt (ex nunc) oder Ungültigerklärung (ex tunc) bezeichnet, ist von untergeordneter Bedeutung. 234 äusserer von Beteiligungspapieren1172. Dem Bieter gewährt das BEHG in diesem Fall kein Rücktrittsrecht. Bleibt er demnach an sein Angebot und den dadurch begründeten Veräusserungsvertrag gebunden? Wie bereits erwähnt, bedeutet die Untersagung des Angebotes eine Verhaltensanweisung an den Bieter, das Angebot zurückzuziehen bzw. zu unterlassen. Vertragsrechtlich wird damit vom Bieter ein Widerruf seines Angebotes oder – nach erfolgtem Akzept – ein Rücktritt vom Vertrag verlangt, denn das Verdikt von UEK oder EBK bewirkt nicht die Nichtigkeit oder „Unwirksamkeit“ des Angebotes1173. Nach Art. 26 BEHG sollen jedoch die Empfänger des Angebotes darüber entscheiden können, ob sie vom Vertrag zurücktreten bzw. diesen ungültig erklären oder aber –weil für sie vorteilhafter – an diesem festhalten wollen1174. Kommt der Bieter aber der Aufforderung der Aufsichtsbehörden nach, beraubt er die Empfänger des Angebotes der Möglichkeit, von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen. Der Bieter befindet sich in einer juristischen Zwickmühle. Befolgt er die Anordnung eines Rückzugs des Angebotes, riskiert er Schadenersatzforderungen der Inhaber von Beteiligungspapieren, welche sich um die meist lukrative Angebotsprämie geprellt sehen. Befolgt er die Anordnungen nicht, könnte die EBK theoretisch das geballte Sanktionsinstrumentarium des Imperiums gegen den Bieter einsetzen. Allerdings ist das Dilemma des Bieters vor allem auch eines der Aufsichtsbehörden. Aus rechtsstaatlichen Gründen sowie Haftungsrisiken wird die Eidgenössische Bankenkommission vor einer zwangsweisen Durchsetzung einer „Untersagung“ eines Angebotes zurückschrecken. Sie würde mit einer solchen Anordnung das Rücktrittsrecht der Veräusserer nach Art. 26 BEHG verunmöglichen und könnte sich daher auch kaum auf das Börsengesetz stützen. In den meisten Fällen würde es auch dessen Ziel, dem Investorenschutz, zuwiderlaufen. Dies mag auch einer der Gründe gewesen sein, weshalb die Übernahmekammer der EBK im Falle der Ebnerschen Visionen trotz festgestellter Unvereinbarkeit des Rückkaufsangebotes mit dem Börsengesetz keinen Rückzug dieses Angebotes angeordnet hat1175. Aus dem Gesagten folgt, dass die Begriffspaare „Untersagung“ und „Rücktrittsrecht“ eigentlich widersprüchlich sind. Wird die von den Aufsichtsbehörden angeordnete Untersagung vollzogen, kann es kein Rücktrittsrecht der Veräusserer der Beteiligungspapiere mehr geben. Um die Bestimmung von Art. 26 BEHG zu „retten“, muss man entweder die „Untersagung“ oder aber das Rücktrittsrecht 1172 Der Vorentwurf der Expertengruppe hatte noch die Rechtsfolge der Nichtigkeit vorgesehen (vgl. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 6 und 8 sowie mit weiteren Hinweisen zur Entstehungsgeschichte). 1173 TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 8. 1174 Vgl. TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. BEHG 26 N 1. 1175 Verfügung der EBK vom 3. März 1998 in Sachen Pharma Vision 2000 AG, BK Vision AG und Stillhalter Vision AG. 235 der Empfänger des Angebotes uminterpretieren. Erwägungen des Anlegerschutzes wie auch der Grundsatz in dubio mitius sprechen tendenziell für einen Vorrang der Vertragsbeseitigung oder – aufrechterhaltung nach Wahl des Veräusserers gegenüber einem Recht der EBK auf Durchsetzung des „Rückzugs“ eines Angebotes. Eine Untersagung eines öffentlichen Kaufangebotes durch die EBK wäre dann lediglich als „Freigabe zum Rücktritt“ oder „Freigabe zur Ungültigerklärung“ aufzufassen. Die so verstandene „Untersagung“ enthielte lediglich eine Feststellung über die Unvereinbarkeit des Angebotes mit dem Börsengesetz oder dessen Verordnungen und sollte keine Anordnung zum Rückzug des Angebotes aussprechen1176. Für den Bieter bleibt damit aber noch immer eine unzumutbare Rechtsunsicherheit bestehen. Die Veräusserer können noch während eines Jahres „seit Rechtskraft des Entscheides“1177 zurücktreten. Um ihnen dieses Rücktrittsrecht zu ermöglichen, müsste er während dieser Zeit an sein untersagtes Angebot gebunden bleiben. Dies kann zumindest dann nicht Sinn und Zweck des Börsengesetzes entsprechen, wenn sich der Bieter bereiterklärt, ein die Einwendungen von UEK oder EBK berücksichtigendes und für die Adressaten zumindest gleich vorteilhaftes, geändertes Angebot zu unterbreiten. Nach Art. 15 UEV darf der Bieter ein veröffentlichtes Angebot ändern, wenn sich dies gesamthaft gesehen zugunsten der Empfänger auswirkt1178. Unter analoger Anwendung dieser Bestimmung sollte es dem Bieter daher gestattet sein, an sein ursprüngliches, untersagtes und mit einem Rücktrittsrecht behaftetes Angebot nicht länger gebunden zu sein, wenn er ein gleichwertiges oder besseres zulässiges Angebot unterbreitet1179. III. Untersagung des Angebotes bei unzulässigen Bedingungen? Bei einer unzulässigen Bedingung macht der Bieter die Wirksamkeit des Veräusserungsvertrages von einer Bedingung abhängig, die er aufgrund der Rechtsordnung nicht anbringen dürfte. Er hält sich dadurch einen ungerechtfertigten Ausstieg aus seinem Angebot offen. Faktisch entsteht den Inhabern von Beteiligungspapieren allerdings erst dann ein Nachteil, wenn sich die vom Bieter gestellte Bedingung nicht erfüllt und sich der Bieter deshalb weigert, das Angebot 1176 Problematisch wäre dann insbesondere auch eine provisorische Massnahme zur Blockierung des Angebotes (vgl. Erläuterungen der UEK vom 22. Februar 1996 S. 32 N 16). 1177 Unklar ist, ob „Rechtskraft“ im Sinne von Art. 6 bereits durch Nicht-ablehnung einer Empfehlung der UEK innert der von Art. 5 Abs. 1 UEV vorgesehenen Frist von fünf Börsentagen vorliegt (in diesem Sinne wohl TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 4). 1178 Als Beispiele nennt Art. 15 Abs. 1 die Erhöhung des Angebotspreises oder die Aufhebung von Bedingungen. 1179 Je nach Art des Mangels kann sich die Unterbreitung eines neuen Angebots erübrigen. Bei Änderungen des Vertragsinhaltes muss allerdings aus obligationenrechtlicher Sicht ein neuer Antrag und eine neue Annahme erfolgen, sofern es nicht lediglich um den Verzicht von Rechten, eine im voraus gewillkürte oder eine gesetzliche Vertragsänderungsbefugnis geht. 236 durchzuführen. Die Inhaber der Beteiligungspapiere werden dann um die vom Bieter in Aussicht gestellte Prämie gebracht. Ausserdem erleiden sie in Fällen eines geplatzten Übernahmeangebotes aufgrund der verblassten Übernahmephantasien oft Kurseinbussen. Für die Aufsichtsbehörden stellt sich dabei die Frage, welche Massnahmen gegen das Anfügen einer unzulässigen Bedingung ergriffen werden können. Insbesondere haben sie zu beurteilen, ob die in Art. 26 BEHG vorgesehene „Untersagung“ eine erlaubte und sinnvolle Sanktion bei Vorliegen einer unzulässigen Bedingung eines öffentlichen Kaufangebotes darstellt. Dabei stellt sich die bereits erörterte Problematik der Unvereinbarkeit einer Untersagung - verstanden als Anordnung des Rückzugs eines Angebotes – und dem Rücktrittsrecht der Adressaten des Angebotes in etwas anderer Form. Sowohl die Anordnung eines Rückzuges wie auch der Rücktritt durch die Veräusserer sind nur sinnvoll, solange die Bedingung noch im Schwebezustand ist oder die Bedingung eingetreten und damit das Angebot zustande gekommen ist1180. Ein Rückzug kann dann aber zur Folge haben, dass eine sowohl vom Bieter als auch von den Inhabern der Beteiligungspapiere gewollte Transaktion verhindert wird, wenn die unzulässige Bedingung eingetreten ist. Dies steht im Widerspruch zum Gedanken des Rücktrittsrechtes für die Empfänger des Angebotes, denn diese werden der Möglichkeit beraubt, am Vertrag festzuhalten. Eine Untersagung im Sinne einer Freigabe zum Rücktritt wäre wohl die einzige Möglichkeit der Aufsichtsbehörden, Art. 26 BEHG überhaupt auf den Fall unzulässiger Bedingungen anzuwenden. Der Bieter wäre dann aber durch die Unsicherheit betreffend die Wahrnehmung des Rücktrittsrechtes benachteiligt, wenn die Bedingung eingetreten wäre und er das Angebot durchführen möchte. Zwar ist kaum zu erwarten, dass die Inhaber von Beteiligungspapieren, welche das Angebot trotz „Untersagung“ angenommen haben, von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch machen werden, nachdem die Bedingung eingetreten ist und das Angebot vollzogen werden kann. Dennoch bleibt die „untersagte“ Transaktion für den Bieter mit einem kaum vertretbaren Sicherheitsrisiko behaftet, während das Rücktrittsrecht dem Veräusserer kaum je Vorteile bringen wird. Bei Ausfall der Bedingung ergibt sich eine Besonderheit gegenüber der eingangs geschilderten Problematik von Untersagung und Rücktritt. In diesem Fall ist der durch Anordnung eines Rückzugs oder einen Rücktritt aufgrund einer Untersagung im Sinne einer „Freigabe zum Rücktritt“ angestrebte Zustand bereits eingetreten. Ein Rückzug oder Rücktritt wäre widersprüchlich bzw. nicht möglich. Dieser Schluss steht indessen unter der Prämisse, dass die Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen ausschliesslich im Börsengesetz geregelt sind. Auf diese Annahme wird nachfolgend noch zurückzukommen sein. Doch kann unter der ge- 1180 Bei einem Ausfall der Bedingung fällt der Vertrag bzw. das Angebot dahin, womit sich die Anordnung eines „Rückzugs“ erübrigt und ein Rücktritt nicht mehr möglich ist. 237 nannten Prämisse an dieser Stelle festgestellt werden, dass die im Börsengesetz vorgesehene Rechtsfolge der „Untersagung“ verbunden mit einem Rücktritt weder bei Ausfall, noch bei Eintritt der unzulässigen Bedingung eine sinnvolle Lösung darstellt. Verpönt ist der Ausstieg des Bieters vom Angebot durch Anfügen einer unzulässigen Bedingung. Diese Möglichkeit des illegitimen „Rücktrittes“ wird dem Bieter durch Stipulation eines Rücktrittsrechtes der Veräusserer nicht genommen. Den Veräusserern wird dadurch keine Möglichkeit geboten, die in Aussicht gestellt Prämie zu realisieren. Der Ausstieg des Bieters bleibt im Ergebnis sanktionslos. IV. Untersagung von Bedingungen (Anordnung der Übernahme)? Aus dem Grundsatz a maiore minus muss eigentlich gelten, dass die Aufsichtsbehörden anstatt des ganzen Angebotes auch lediglich einzelne Bedingungen „untersagen“ können. Aus Sicht der Inhaber von Beteiligungspapieren wäre sicher wünschenswert, wenn diese „Untersagung“ der Bedingung deren Unverbindlichkeit und dadurch die Wirksamkeit des durch Angebot begründeten Vertrages ohne untersagte Bedingung bewirken würde. Dies würde faktisch einer Anordnung der Durchführung eines Angebotes trotz Ausfall der unzulässigen Bedingung durch die Aufsichtsbehörden gleichkommen1181. Eine solche Anordnung wäre jedoch problematisch. Wenn anstatt des Angebots nur eine Bedingung untersagt wird, wäre auch diese nach dem Grundsatz von Art. 26 BEHG ebenfalls nicht einfach nichtig, denn die Nichtigkeit auch nur einer Bedingung ist eine qualitativ andere, stärkere Rechtsfolge als ein blosses Rücktrittsrecht der einen Vertragspartei. Die Nichtigkeit der Untersagung würde dem Gedanken von Art. 26 BEHG widersprechen. Eine allfällige Anordnung zur Durchführung des Angebots im Falle eines Ausfalls der Bedingung dürfte daher an der fehlenden Unwirksamkeit, d.h. der Wirksamkeit der Bedingung und der damit (bei deren Ausfall) verbundenen Aufhebung des Vertrages scheitern1182. 1181 1182 Vgl. dazu KÖPFLI S. 278ff zur Durchsetzung der Angebotspflicht mittels Verwaltungszwang. Ohnehin wäre eine Pflicht zur Abgabe eines Angebots mangels Bussen durch die Aufsichtsbehörden nur schwer durchzusetzen. Schon bei der Angebotspflicht dürfte das verwaltungsrechtliche Arsenal mit Art. 292 StGB (Ungehorsam gegen amtliche Verfügung), Suspendierung des Stimmrechts (Art. 32 Abs. 7 BEHG) nicht ausreichend sein. Die ebenfalls denkbare Ersatzvornahme dürfte von den Aufsichtsbehörden schon aus Haftungs- und wohl auch Budgetgründen nicht angetastet werden (anders offenbar KÖPFLI S: 280; VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 49 FN 33). Nicht anders kann es sich bei der „Angebotspflicht“ nach erfolgter Voranmeldung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 UEV verhalten. Eine Durchsetzung dieser Pflichten müsste daher in erster Linie auf dem Zivilweg erfolgen, wobei auch diese Möglichkeit allerdings in der Lehre, zumindest hinsichtlich der Angebotspflicht, umstritten ist (befürwortend VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 46; KÖPFLI S. 276; ablehnend, BÖCKLI, BJM 1998 S. 260; HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 59). Die Problematik bei der Voranmeldung oder bei anderen Erklärungen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss liegt jedoch anders und ist vor allem aus schuldrechtlicher Sicht zu würdigen (verbindlicher Antrag, Culpa in contrahendo etc.). 238 Faktisch wenig problematisch sind diejenigen Fälle, wo der Bieter sich mit der Untersagung von Bedingungen durch die Aufsichtsbehörden (UEK oder EBK) einverstanden erklärt. Meist wird die Untersagung einer vorgesehenen Bedingung ohnehin bereits im Rahmen einer Prüfung des Prospektes vor der Publikation des Angebots oder nach Publikation der Voranmeldung1183 offensichtlich, so dass dem Bieter noch Zeit zur Anpassung seines Prospektes bleibt. Wird sie hingegen nach Publikation des Angebotes ausgesprochen, kann der Bieter- so er sich mit einem untersagenden Verdikt einverstanden erklärt – den Verzicht auf die untersagte Bedingung aussprechen1184. Da dies den Veräusserern von Beteiligungspapieren in der Regel nur Vorteile bringt, ist von ihnen keine Opposition zu erwarten. Art. 15 Abs. 1 UEV erwähnt sogar ausdrücklich die Aufhebung von Bedingungen als zulässige, weil die Empfänger begünstigende, nachträgliche Änderung des Angebotes. Was geschieht indessen, wenn sich der Bieter der Empfehlung der UEK und danach der Verfügung der EBK widersetzt und unzulässige, d.h. gegen die Übernahmeverordnung verstossende Bedingungen im Angebot publiziert? Denkbar ist zunächst, dass die „Untersagung“ einer Bedingung ein Rücktrittsrecht bzw. Recht der Veräusserer auf Ungültigerklärung des ganzen Angebotes mit sich bringt. Damit würde sich die Rechtsfolge der „Untersagung“ einer Bedingung nicht von derjenigen der „Untersagung“ des ganzen Angebotes unterscheiden. Denkbar ist aber auch, dass die „Untersagung“ einer Bedingung ein Rücktrittsrecht bzw. ein Recht auf Ungültigerklärung der Veräusserer betreffend die unzulässige Bedingung beinhaltet. Die Inhaber der Beteiligungspapiere könnten so die unzulässige Bedingung für unwirksam erklären. Der Bieter könnte also mittels Klage gezwungen werden, sein Angebot ohne unzulässige Bedingung zu unterbreiten bzw. trotz Ausfall der unzulässigen Bedingung durchzuführen. Die vermeintlich mildere Sanktion, „Untersagung“ nur einer Bedingung anstatt des ganzen Angebotes, erwiese sich als „Angebotspflicht“. Allerdings ist diese mögliche Rechtsfolge mit zahlreichen Unwägbarkeiten behaftet. Zum einen würde die Pflicht des Bieters, ein Angebot ohne unzulässige Bedingung zu unterbreiten, sich nur gegenüber denjenigen Veräusserern aktualisieren, welche den „Rücktritt von der Bedingung“ erklärt hätten. Diese Erklärung wäre zudem mit dornenreichen juristischen Formulierungsfragen behaftet. Zum anderen ist fraglich, ob diese durch Erklärung bewirkte Pflicht zur Durchführung des Angebotes ohne unzulässige Bedingung rechtlich durchsetzbar ist, da Art. 26 BEHG vom Wegfall des Angebots durch Erklärung ausgeht. Hinzu kommt, dass die doppelte Unsicherheit bezüglich Durchführung oder Wegfall, je nach Entscheidung des Veräusserers, sowie die einjährige Entscheidungsfrist enorme Rechtsunsicherheit für den Bieter mit sich bringt. 1183 1184 239 Vgl. dazu vorn § 3 C.II. Vgl. dazu § 3 F. V. Folgerungen Sind die unzulässige Bedingung oder das mit unzulässiger Bedingung versehene Angebot nicht nichtig, sondern vorbehaltlich eines Rücktrittsrechts der Empfänger des Angebotes grundsätzlich gültig, dann steht auch eine Anordnung der Rückabwicklung oder des Wegfalls einer Bedingung durch die EBK auf tönernen Füssen. Es würde ein an sich rechtsgültiger Vertrag(-sschluss) nicht nur untersagt, sondern auch vollstreckt, obwohl die Inhaber der Beteiligungspapiere sich nicht mittels Rücktrittsrecht für eine derartige Rechtsfolge ausgesprochen haben und womöglich die Durchführung des Angebotes trotz Verstoss gegen die Regeln des BEHG gegenüber einer Untersagung bevorzugt hätten. Mangels Nichtigkeitsfolge der Feststellung der Unzulässigkeit von Bedingungen ist die Rechtsgrundlage für den Einsatz von Zwangsmitteln durch die Aufsichtsbehörde fragwürdig11851186. Den Veräusserern von Beteiligungspapieren steht bei untersagtem Angebot die Geltendmachung ihres Rücktrittsrechtes bzw. ihres Rechtes auf Ungültigerklärung zu. Da der Bieter in der Regel einen Aufpreis gegenüber dem Börsenkurs offeriert, sind die Empfänger des Angebotes meist gar nicht an einem Rücktritt interessiert. Dies gilt vor allem dann, wenn die Bedingung eingetreten ist1187 oder deren Eintritt mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Ausserdem ist nicht zu erwarten, dass sämtliche Veräusserer von Beteiligungspapieren von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch machen werden. Unklar sind auch die Rechtsfolgen bei Untersagung nur einer Bedingung: Kann diese eine „Teilungültigerklärung“ der Angebotsempfänger zur Folge haben, welche ihrerseits die unzulässige Bedingung unwirksam macht oder ist dies aufgrund des von Art. 26 BEHG verlangten „Rücktritts“ bzw. der „Rückabwicklung“ nicht möglich? Die Rechtsfolge des einseitigen Rücktrittsrechts ist über die bereits erwähnten Nachteile hinaus im Bereich unzulässiger Bedingungen noch weiteren Ungereimtheiten ausgesetzt. Unzulässige Bedingungen bedeuten, dass der Bieter die Wirksamkeit seines Angebotes (bzw. des Vertrages) von gewissen Tatsachen 1185 Keine Probleme in dieser Hinsicht sieht HOFSTETTER. Nach diesem Autor kann die Aufsichtsbehörde die Durchführung eines gesetzeskonformen öffentlichen Angebotes anordnen und die Anordnung mit einer Strafandrohung gemäss Art. 292 StGB verknüpfen (HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 58). 1186 Wie bereits erwähnt ist dadurch möglicherweise auch die Zurückhaltung der EBK im Entscheid betreffend die Ebnerschen Visionen (Pharma Vision 2000 AG, BK Vision AG, Stillhalter Vision AG) zu erklären. Die EBK hat darin von der Anordnung eines Rückzuges des Angebotes (im Gegensatz zur UEK) abgesehen, obwohl sie dafür hielt, dass die betreffenden Angebote für den Rückkauf eigener Aktien unter die Regeln des Börsengesetzes fielen, diesen aber nicht entsprachen (vgl. dazu URS GASSER, Der Erwerb eigener Aktien – (k)ein Anwendungsfall des Börsengesellschaftsrechts, AJP 1998 S. 663ff. insbesondere S. 674). 1187 Der Vertrag ist dann unbedingt geworden und eine nachträgliche Anfechtung durch die Veräusserer dürfte schon mangels Rechtsschutzinteresse scheitern. 240 abhängig macht, ohne dazu berechtigt zu sein. Bei Nichteintritt1188 dieser Bedingung fällt der Vertrag – so er zustande gekommen ist - dahin und der Bieter ist nicht zur Entrichtung des vereinbarten Entgeltes verpflichtet. Ein Rücktrittsrecht bzw. Ungültigerklärungsrecht1189 der Veräusserer oder eine Rückabwicklung des Kaufes durch diese ist daher sinnlos. Hinzu kommt, dass das Rücktrittsrecht ja einen abgeschlossenen Vertrag voraussetzt1190, was vor Eingang des Akzeptes der Adressaten nicht der Fall ist. Um das Verhalten des Bieters zu sanktionieren, müssten die Empfänger das Angebot zuerst annehmen. Ferner würde ein Rücktritt eine mögliche Schadenersatzklage der Veräusserer negativ beeinträchtigen: Der Bieter könnte den Rücktritt als freiwilligen Verzicht auf die im Angebot vorgesehene Prämie darstellen. Man kommt daher um die Feststellung nicht herum, dass die Regelung von Art. 26 BEHG sowohl für die Aufsichtsbehörde, als auch für die Adressaten des Angebotes und den Bieter mit zahlreichen Unwägbarkeiten behaftet ist. Dies gilt im besonderen Mass für den Bereich der unzulässigen Bedingungen. Es zeigt sich, dass die Rechtsfolgen von Art. 26 BEHG nicht auf diese Fälle zugeschnitten sind und für alle Beteiligten zu unbefriedigenden Ergebnissen sowie zu grosser Rechtsunsicherheit führen. Dieser Befund legt die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber sich der Problematik von Art. 26 BEHG als Rechtsfolgenordnung für unzulässige Bedingungen nicht bewusst war. Es rechtfertigt sich daher, von der Anwendbarkeit der lex specialis1191 des Art. 26 BEHG mittels teleologischer Reduktion zumindest die Fälle unzulässiger Bedingungen auszunehmen. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen unzulässiger Bedingungen1192 sind dann zwar weiterhin zur Hauptsache im BEHG bzw. der UEV geregelt, die Rechtsfolgen eines solchen Verstosses sind jedoch angesichts der Lückenhaftigkeit der börsengesetzlichen Bestimmungen in anderen Rechtsnormen oder – grundsätzen zu suchen. 1188 Je nach Formulierung auch bei Eintritt der Bedingung. Vgl. Die Formulierung bei BERNET (S. 141 FN 558), welcher diesen Terminus angesichts der beabsichtigten ex tunc Wirkung des „Rücktritts“ nach Art. 26 BEHG für passender hält. 1190 TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar BEHG, Art. 26 N3. 1191 TSCHÄNI/OERTLE äussern sich hierzu wie folgt: „Verletzt das Übernahmeangebot eine Bestimmung, die zum Schutze der Minderheitsaktionäre aufgestellt worden ist, so wäre der auf der Grundlage eines solchen Angebotes abgeschlossene Vertrag eigentlich nichtig (Art. 20 Abs. 1 OR), ungeachtet dessen, ob die UEK das Angebot untersagt hat. Art. 26 BEHG ändert aber unter den darin genannten Voraussetzungen als lex specialis die allg. Regelung von Art. 20 Abs. 1 OR und statuiert anstelle der Nichtigkeit des Vertrages ein Rücktrittsrecht des Verkäufers“ (TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 8). 1192 D.h. die Frage, welche Bedingungen unzulässig sind. Neben dem BEHG und der UEV sind auch OR und ZGB (vor allem dessen Art. 2) sowie allgemeine Rechtsgrundsätze mögliche Rechtsquellen, welche zum Schluss der Unzulässigkeit von Bedingungen eines Angebotes führen. 1189 241 D. Nichtigkeit des Angebotes oder der Bedingung I. Überblick Die Börsengesetzgebung und insbesondere die Übernahmeverordnung bestimmen grundsätzlich, welche Bedingungen zulässig sind. Daneben gibt es auch die beschriebenen Einschränkungen der Zulässigkeit, welche sich aus dem subsidiär anwendbaren Obligationenrecht ergeben. Um eine Aufsplitterung der Rechtsfolgen zu verhindern, sollten sowohl „börsengesetzliche“ als auch obligationenrechtliche Zulässigkeitsbeschränkungen denselben Rechtsfolgen zugeführt werden. Im Bereich der Börsengesetzgebung verdrängt zwar die lex specialis von Art. 26 BEHG (Rücktrittsrecht der Angebotsempfänger) bei einem untersagten Angebot im Normalfall die allgemeine Regelung von Art. 20 Abs. 1 OR1193. Doch sind die Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen1194 in Art. 26 BEHG nicht berücksichtigt1195. Es ist daher nach einer geeigneten Lösung des Problems unzulässiger Bedingungen unter Rückgriff auf die subsidiär anwendbaren allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts zu suchen1196. Dabei stehen sicherlich die bereits bei den Einschränkungen der Zulässigkeit von Bedingungen erörterten Art. 157 OR und Art. 19/20 OR im Vordergrund1197. Zu berücksichtigen sind dabei auch die Grundsätze von Lehre und Praxis zur Ungültigkeit von Bedingungen nach schweizerischem Obligationenrecht. II. Ganznichtigkeit nach Art. 157 OR? Art. 157 OR1198 regelt gemäss dessen Marginalie „unzulässige Bedingungen“. Was läge näher als diese Bestimmung mangels einer klaren Regelung in der 1193 TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 26 BEHG N 8. Diesem Fazit kann zwar aus rechtssystematischen Gründen zugestimmt werden, angesichts der problematischen Regelung von Art. 26 BEHG (vgl. § 6 B vorn) bleiben aber Zweifel betreffend die Adäquanz des Rücktrittsrechts nach Art. 26 BEHG als Rechtsfolge und damit der „sachlichen Richtigkeit“ dieser Norm bestehen. Dies gilt nicht nur für den Bereich unzulässiger Bedingungen. 1194 Es wird davon ausgegangen, dass das Angebot im übrigen den gesetzlichen Erfordernissen entspricht. 1195 Vgl. oben § 6 B. Das aus einer durch die Aufsichtsbehörden ausgesprochenen Untersagung resultierende Rücktrittsrecht ist nicht auf den durch eine unzulässige Bedingung ermöglichten, ungerechtfertigten Ausstieg des Bieters aus seinem Angebot angepasst. Dieser Ausstieg des Bieters kann durch ein Rücktrittsrecht der Angebotsempfänger nicht sanktioniert werden. Die lex specialis von Art. 26 BEHG kann daher bei Vorliegen unzulässiger Bedingungen nicht angewendet werden. Andere, auf die Unzulässigkeit von Bedingungen passende Rechtsfolgen sind weder dem Börsengesetz, noch einer der dazugehörigen Verordnungen zu entnehmen. 1196 Dabei wird vorausgesetzt, dass bei Anwendbarkeit des BEHG grundsätzlich auch schweizerisches Zivilrecht anzuwenden ist (bei Vorliegen eines internationalen Verhältnisses (vgl. dazu § 1 E vorn) zumeist aufgrund einer Rechtswahl). 1197 Vgl. vorn § 4 B I. und II. 1198 Nach dieser Bestimmung ist der bedingte Anspruch nichtig, wenn die Bedingung in der Absicht beigefügt wurde, eine widerrechtliche oder unsittliche Handlung oder Unterlassung zu befördern. 242 Börsengesetzgebung anzuwenden? Zu unterscheiden sind aber zunächst Anwendungsbereich und Rechtsfolgen von Art. 157 OR. Der Anwendungsbereich von Art. 157 OR wurde bereits dahingehend untersucht, ob er Einschränkungen betreffend die Zulässigkeit von Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten mit sich bringt. Diese Frage wurde grundsätzlich verneint1199. Die Rechtsfolgen von Art. 157 OR können daher nicht direkt auf unzulässige Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten anwendbar sein. Es bleibt die Frage, ob eine analoge Anwendung dieser Rechtsfolgen sinnvoll ist. Liegt ein Verstoss gegen Art. 157 OR vor, so ist nach Ansicht des Schrifttums das Rechtsgeschäft als ganzes1200 oder jedenfalls der bedingte Anspruch1201 nichtig. Im Gegensatz zu Art. 20 Abs. 2 OR wird die Möglichkeit der blossen Teilnichtigkeit bei Art. 157 OR nicht erwähnt. Vereinzelt wird daher versucht, Art. 20 Abs. 2 OR analog auch auf Art. 157 OR anzuwenden1202 oder die strenge Nichtigkeitsfolge durch Trennung des Anspruchs von der Bedingung zu relativieren1203. Folgt man hingegen der herrschenden Lehre, wären bei analoger Anwendung von Art. 157 OR entweder der gesamte Übernahmevertrag oder aber die daraus entstehenden bedingten Ansprüche nichtig. Diese strenge Rechtsfolge wird den Interessen der bei einem öffentlichen Kaufangebot beteiligten Parteien in den meisten Fällen nicht gerecht. Dem Bieter liegt viel daran, die Zielgesellschaft zu erwerben und die Angebotsempfänger wollen in der Regel die in Aussicht gestellte Mehrprämie realisieren. Die erwähnten Relativierungstendenzen und Analogieversuche im nicht spezifisch übernahmerechtlichen Kontext lassen weitere Zweifel an der Adäquanz dieser Rechtsfolgenordnung aufkommen, welche im übrigen auch nur schwer in Einklang mit dem Grundsatz des favor negotii zu bringen ist. Wenn aber, wie von einem Teil der Lehre befürwortet, auch bei Art. 157 OR andere obligationenrechtliche Bestimmungen analog anzuwenden sind, weshalb sollte man dann den – ohnehin nicht direkt anwendbaren - Art. 157 OR analog anwenden, anstatt die andere obligationenrechtliche Bestimmung „direkt“ analog anzuwenden? Eine (analoge) Anwendbarkeit von Art. 157 OR auf unzulässige Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten ist daher abzulehnen1204. 1199 Vgl. vorn § 4 B II. OSER / SCHÖNENBERGER, Art. 157 N 2; VON BÜREN S. 195; gl.M. EHRAT, Basler Kommentar, Art. 157 OR N 4, der allerdings – in Analogie zu Art. 20 Abs. 2 OR – einen anderslautenden Parteiwillen vorbehalten will. 1201 GAUCH/SCHLUEP/REY N 4120; BECKER, Berner Kommentar, Art. 158 OR N 9. 1202 EHRAT, Basler Kommentar, Art. 158 OR N 4. 1203 BECKER, Berner Kommentar, Art. 158 OR N 4. 1204 Rechtsvergleichend ist festzustellen, dass das deutsche BGB keine Spezialbestimmung kennt, welche die Rechtsfolgen der Unzulässigkeit von Bedingungen regelt. Es gibt insbesondere keine Art. 157 OR vergleichbare Bestimmung. Im deutschen Schrifttum wird daher die verbots- bzw. sittenwidrige Bedingung den Generalnormen unterstellt (§ 134 BGB und § 138 Abs. 1 BGB, welche grosso modo den schweizerischen Art. 19 und 20 OR entsprechen; Münchener Kommentar/WESTERMANN, § 158 N 45; ERMAN/HEFERMEHL, Vor § 158 N 9; STAUDINGER/BORK Vb zu §§ 158ff. N 33). Das mit einer un1200 243 III. Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit nach Art. 20 OR? 1. Allgemeines Art. 20 OR regelt die Rechtsfolgen des Vertrages mit unzulässigem Inhalt nach Art. 19 OR. Nach Art. 20 Abs. 1 OR ist ein Vertrag nichtig, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst. Wenn der Mangel lediglich einzelne Teile des Vertrages betrifft, so sind gemäss Art. 20 Abs. 2 OR nur diese Teile nichtig, der Vertrag aber im übrigen gültig, „sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre“. Wenn also – vereinfacht ausgedrückt – der Vertrag auch ohne die nichtigen Teile abgeschlossen worden wäre, ist er – mit Ausnahme des nichtigen Teils – gültig (Teilnichtigkeit). Die Anwendung von Art. 20 OR würde bedeuten, dass bei einer unzulässigen Bedingung entweder das gesamte Rechtsgeschäft (Ganznichtigkeit) oder auch nur die Bedingung (schlichte Teilnichtigkeit) nichtig sein kann. Darüberhinaus kann anstelle der nichtigen Bedingung eine modifizierte Bedingung treten (modifizierte Teilnichtigkeit)1205. Art 20 OR ist zwar direkt nur auf Verträge anwendbar, kommt aber analog auch bei einseitigen Rechtsgeschäften zur Anwendung1206. Damit ist Art. 20 OR auch dann auf das öffentliche Kaufangebot vor Akzept, d.h. vor Vorliegen eines Vertrages, zumindest analog anwendbar, wenn man den Antrag als einseitiges Rechtsgeschäft auffasst1207. Bei der Anwendbarkeit ratione materiae ist weiter anzumerken, dass Art. 20 OR die Rechtsfolgen von Verträgen mit unmöglichem, widerrechtlichem und sittenwidrigem Inhalt regelt. Es ist daher abzuklären, ob auch die Unzulässigkeit von Bedingungen unter Art. 20 OR subsumiert werden kann. Ausserdem muss untersucht werden, ob ein Verstoss gegen die Börsengesetzgebung als „widerrechtlich“ oder „unsittlich“ im Sinne von Art. 20 OR angesehen werden kann. zulässigen Bedingung versehene Geschäft wird im allgemeinen gesamthaft als nichtig angesehen (Insbesondere soll nach HEFERMEHL § 139 über die Teilnichtigkeit bei aufschiebenden Bedingungen grundsätzlich nicht anwendbar sein, da die Bedingung kein „Teil des Geschäftes“ sei, sondern mit ihm eine untrennbare Einheit bilde (ERMAN/HEFERMEHL, Vor § 158 N 9; gl.M. STAUDINGER/BORK Vb zu §§ 158ff. N 33). Vgl. auch WESTERMANN: „ Hingegen wird man eine beanstandbare aufschiebende Bedingung (..) im Zweifel nicht allein entfallen lassen und die getroffene Vereinbarung im übrigen aufrechterhalten können“ (Münchener Kommentar/WESTERMANN § 158 N 46). Das Schrifttum in Deutschland ist somit gegenüber einer Teilnichtigkeit bei Vorliegen einer unzulässigen Bedingung eher skeptisch eingestellt. Der Unterschied zum schweizerischen Schrifttum dürfte mit dem umgekehrten Regel-/Ausnahmeverhältnis der Nichtigkeits- zur Teilnichtigkeitsfolge zu erklären sein. Im Gegensatz zum deutschen § 139 BGB gilt nach Art. 20 Abs. 2 der Grundsatz, dass nur die vom Mangel betroffenen Teile nichtig sind, der Vertragsrest bleibt gültig (GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 693; KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 OR N 328 m.w.H.). 1205 Vgl. BGE 120 II 40f.; 114 II 163ff.; 107 II 216ff; Vgl. dazu statt vieler KOLLER N 879ff. und GAUCH/ SCHLUEP/SCHMID N 703f. 1206 KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 OR N 9. 1207 Vgl. vorn § 2 C III 1. 244 2. Anwendbarkeit auf unzulässige Bedingungen Die hier interessierende Frage der analogen Anwendbarkeit von Art. 20 OR auf Bedingungen wurde bereits im Zusammenhang mit unmöglichen Bedingungen erörtert und angesichts des Ansatzes der Übernahmekommission im wesentlichen offengelassen1208. Nun soll untersucht werden, ob Art. 20 OR, der eine einheitliche Rechtsfolge für unmögliche, gesetzes- und sittenwidrige Verträge vorsieht, auf unzulässige, d.h. von der Rechtsordnung nicht gestattete, Bedingungen anwendbar ist. Zu diesem Problem existieren – soweit ersichtlich – keine gerichtlichen Entscheide. Auch die meisten Lehrmeinungen äussern sich zu dieser Frage gar nicht oder nur punktuell. Zum Teil werden nur die Rechtsfolgen unmöglicher oder gegen Art. 157 OR verstossender Bedingungen erwähnt, zum Teil auch nur die Konsequenzen der Bedingungslosigkeit geschildert. EHRAT erörtert die Rechtsfolgen der Ungültigkeit von Bedingungen ganz allgemein, ohne diese Ungültigkeit auf Widerrechtlichkeit, Unmöglichkeit, Bedingungsfeindlichkeit etc. zurückzuführen1209. Nach EHRAT kann die Ungültigkeit der Bedingung sowohl die Ungültigkeit des bedingten Hauptgeschäftes, als auch nur die Ungültigkeit der Bedingung zur Folge haben. Welche Rechtsfolge im konkreten Fall gelte, bestimme sich in Analogie zu Art. 20 Abs. 2 OR. PETER bemerkt einleitend, dass ein Vertrag mit widerrechtlichem, unmöglichem oder unsittlichem Inhalt gemäss Art. 20 OR nichtig sei, ob bedingt oder nicht. Auch die Bedingung selbst könne widerrechtlich oder unsittlich sein. Der allfällige Anspruch sei dann ebenfalls nichtig, was Art. 157, dem Art. 20 OR folgend, für das Bedingungsrecht wiederhole1210. Der Inhalt von Art. 157 OR ergebe sich aber eigentlich schon aus Art. 20 OR1211. Im Gegensatz zu EHRAT lässt PETER die Möglichkeit der Teilnichtigkeit unerwähnt. Da dieser Autor jedoch auf Art. 20 OR verweist, muss man davon ausgehen, dass auch er – wie EHRAT - die Anwendbarkeit von dessen Absatz 2, und somit der Teilnichtigkeit, befürwortet. BUCHER äussert sich – soweit ersichtlich – nur zu einer Spezialform der unzulässigen Bedingung: Der Unzulässigkeit aufgrund der Bedingungsfeindlichkeit von Rechtsgeschäften. Die Rechtsfolgen der Bedingungsfeindlichkeit sind nach BUCHER, dass bei Hinzufügen einer Bedingung entweder diese selber oder das unter Bedingung gestellte Geschäft ungültig bleibt. Ob Ungültigkeit des bedingten Geschäftes oder Ungültigkeit der Bedingung anzunehmen ist, entscheidet 1208 Vgl. vorn § 4 B IV. EHRAT, Basler Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 16; der Autor unterscheidet allerdings zwischen widerrechtlichen (Art. 157 OR anwendbar) und unmöglichen (Art. 482 Abs. 3 ZGB analog anwendbar) Bedingungen in der Kommentierung von Art. 157 OR (vgl. Art. 157 N 1-4). 1210 PETER S. 218; Nach der hier vertretenen Ansicht gilt Art. 157 nicht für das gesamte „Bedingungsrecht“, sondern nur für einen kleinen, praktisch wenig relevanten Teil von Bedingungen, vgl. § 4 B II. 1211 PETER S. 218 FN 93. 1209 245 sich in Analogie zu Art. 20 Abs. 2 OR danach, ob der Erklärende in Kenntnis der Ungültigkeit der Bedingung das Geschäft im übrigen gewollt hätte oder nicht 1212. Anderer Ansicht ist BECKER. Nach BECKER bildet die Bedingung mit dem Rechtsgeschäft, dem sie beigefügt wird, ein Ganzes. Wenn die Bedingung ungültig sei, wirke sich dies daher auf das ganze Geschäft aus: „Es kann nicht der Grundsatz des Art. 20 über die Teilnichtigkeit zu entsprechender Anwendung kommen. Ungültigkeit der Bedingung zieht daher Ungültigkeit des ganzen Geschäftes nach sich“1213. Allerdings relativiert BECKER diese Schlussfolgerung in der Kommentierung von Art. 157 OR wieder: „Nichtigkeit des bedingten Anspruchs greift aber nicht Platz, wenn die Parteiabsicht erkennbar dahin ging, für den Fall der Unzulässigkeit der Bedingung den Anspruch von der Bedingung loszulösen und als unbedingten bestehen zu lassen..“1214. Der Autor bewegt sich mit dieser Aussage wieder in Richtung der analogen Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 2 OR. Andere Autoren wie beispielsweise MERZ1215, GAUCH/SCHLUEP/REY1216 und KOLLER1217 erwähnen die Möglichkeit der analogen Anwendung der Rechtsfolgen von Art. 20 OR auf unzulässige Bedingungen nicht explizit, tendieren aber aufgrund ihrer Äusserungen meistens dennoch in diese Richtung1218. Zusammenfassend kann jedoch gesagt werden, dass in der schweizerischen Literatur die Anwendung von Art. 20 OR und insbesondere dessen Absatz 2 über die Teilnichtigkeit auf unzulässige Bedingungen mehrheitlich befürwortet wird. Die meisten Autoren gehen jedoch nicht von einer direkten, sondern vielmehr von einer analogen Anwendbarkeit von Art. 20 OR auf unzulässige Bedingungen aus. 1212 BUCHER, S. 509 insbesondere FN 22. Gl. M. GAUCH/SCHLUEP/REY N 4111. Nach VON BÜREN ist demgegenüber das unerachtet von Bedingungsfeindlichkeit mit Bedingungen versehene Geschäft nichtig (VON BÜREN S. 195). 1213 BECKER, Berner Kommentar, Vb zu Art. 151-157 N 23. 1214 BECKER, Berner Kommentar, Art. 157 OR N 9. Der Autor denkt hier wohl an die Möglichkeit einer Konversion. 1215 MERZ, SPR, S. 156. Der Autor äussert sich an dieser Stelle über die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, welche Art. 157 OR widersprechen. 1216 GAUCH/SCHLUEP/REY N 4120 und 4121. Immerhin zeigen diese Autoren bei der unmöglichen Bedingung Ansätze der Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 2 OR, wenn bei deren Rechtsfolgen auf N 4111 verwiesen wird, wo Art. 20 Abs. 2 OR für bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte ausdrücklich als anwendbar erklärt wird. 1217 GUHL/KOLLER § 9 N 3 (zu Art. 157 OR) sowie § 9 N 7 zu bedingungsfeindlichen Rechtsgeschäften. Koller spricht von nicht einheitlichen Rechtsfolgen der Beifügung unzulässiger Bedingungen (S. 52), womit er wohl auch die Teilnichtigkeit, d.h. Fortbestand des Rechtsgeschäftes und Wegfall der unzulässigen Bedingung (und nicht nur Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäftes) in Betracht zieht. 1218 Vgl. die Hinweise in den Fussnoten zu den jeweiligen Autoren. 246 3. Anwendbarkeit bei Verstössen gegen BEHG? Damit Art. 20 OR auf eine unzulässige Bedingung direkt anwendbar ist, muss diese Bedingung als widerrechtlich oder sittenwidrig angesehen werden können. Sind diese Voraussetzungen bei einem Verstoss gegen die übernahmerechtlichen Bestimmungen des BEHG und die einschlägigen Normen von dessen Verordnungen1219 gegeben? Dies wäre dann der Fall, wenn die betreffenden Normen des Börsengesetzes, der Börsenverordnung (BEHV-EBK) und der Übernahmeverordnung als „unabänderliche Vorschrift“1220, als Teil der öffentlichen Ordnung1221 oder allenfalls der guten Sitten angesehen werden könnten12221223. Ob sich bei einem Verbot von Abweichungen von einer Norm auch die Nichtigkeit dieser Abweichungen ergibt, ist für jede Norm gesondert zu prüfen1224. Verträge, die gegen eine öffentlich-rechtliche Norm verstossen, sind nicht in jedem Fall nichtig: Sie sind gemäss konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts nur dann nichtig, wenn diese Rechtsfolge vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen wird oder sich aus dem Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt1225. Dies bedeutet im Ergebnis eine Rückverweisung auf die Spezialnorm, für die – mangels spezi- 1219 Insbesondere als Art. 13 UEV und Art. 32 BEHV-EBK. Hier wird derjenigen Lehrmeinung gefolgt, wonach auch zwingende öffentlich-rechtliche Normen unter die "unabänderlichen Vorschriften" zu subsumieren seien (vgl. KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 OR N 148; HUGUENIN JACOBS, Basler Kommentar, Art. 19/20 N 21 und 23 m.w.H.). Eine gewichtige andere Meinung (z.B.GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 648 m.w.H. und KOLLER, N 939ff.) geht davon aus, dass die in Art. 20 erwähnte Generalklausel der „öffentlichen Ordnung“ die öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfasse und mit „unabänderlichen Vorschriften“ nur zwingendes Privatrecht gemeint sei. 1221 Umstritten ist, welche Bedeutung dem Begriff der "öffentlichen Ordnung" zukommt. Vgl. dazu GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 648-649; KOLLER N 939ff.; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, Art. 19 N 11; HUGUENIN JACOBS, Basler Kommentar, Art. 19/20 OR N 23; ausführlich KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 OR N 151ff. Der Wortlaut von Art. 20 OR spricht m.E. gegen die von GAUCH/SCHLUEP/SCHMID und KOLLER vertretene Identität von „öffentlicher Ordnung“ mit „öffentlich-rechtlichen“ Vorschriften. Ausserdem ist unbestritten, dass nicht jeder Verstoss gegen eine öffentlich-rechtliche Norm die Nichtigkeitsfolge nach sich zieht. Dieser Befund ist aber nur schwer mit der Ansicht von GAUCH/SCHLUEP/SCHMID und KOLLER zu vereinbaren. Die Ansicht des Bundesgerichtes zu dieser Frage bleibt unklar (vgl. BGE 114 II 281; a.A. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 648). 1222 Vgl. Art. 19 Abs. 2 OR. Die Regelung der Zulässigkeit von Bedingungen in der Börsengesetzgebung dürfte für das – an sich hier ebenfalls zu erwähnende - Recht der Persönlichkeit (bzw. den Verstoss dagegen) nicht von Belang sein und kann daher hier weggelassen werden. 1223 Da bei Unzulässigkeit eines öffentlichen Kaufangebotes lediglich ein Rücktrittsrecht (Art. 26 BEHG) vorgesehen ist, kann man mit Recht zweifeln, ob die Vorschriften des Börsengesetzes bezüglich Übernahmeangebote als „unabänderliche Vorschrift“ oder Teil der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 20 OR anzusehen sind. Allerdings sollte man die Frage der zwingenden Natur einer Bestimmung im konkreten Fall nicht aufgrund der inadäquaten (und daher nicht anwendbaren) Rechtsfolge der gesamten Normgruppe beurteilen, sondern danach, ob die Rechtsordnung Abweichungen von der gesetzlichen Regelung zulässt (vgl. aber die nachfolgenden Ausführungen). 1224 Vgl. KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20, N 135. 1225 BGE 102 II 404, bestätigt in BGE 115 II 364, 117 II 48, 117 II 287, 119 II 224; statt vieler GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 684 m.H. auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung; KOLLER N 950ff.; GIGER, Rechtsfolgen norm-und sittenwidriger Verträge, Zürich 1989, S. 89; KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 OR N 321f. 1220 247 fischer oder adäquater Anordnung in der Spezialnorm - in Art. 20 OR nach einer Rechtsfolge gesucht wurde. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies auch, den Anwendungsbereich von Art. 20 OR aufgrund von dessen Rechtsfolgen zu bestimmen (und umgekehrt): 1.„Wenn Sinn und Zweck der verletzten Vorschrift Nichtigkeit gebieten, ist sie nichtig“ 2. „Wenn die Vorschrift Nichtigkeitsfolge hat, ist sie unabänderlich im Sinne von Art. 20 OR“ und 3. “Wenn die Vorschrift unabänderlich ist, ist Art. 20 OR anwendbar“. Art. 20 OR „verkommt“ so zu einer Leerformel und bleibt weitgehend bedeutungslos1226. Die Bedeutung von Art. 20 OR für Verstösse gegen öffentlich-rechtliche Normen wird treffend von KOLLER illustriert: 1. Auch hier gilt, dass sich die Rechtslage in erster Linie nach der Norm (…), gegen die verstossen wurde, richtet. Ein solcher Verstoss hat also nur dann Nichtigkeit i.S.v.Art. 20 Abs. 1 OR zur Folge, wenn die Verbotsnorm nichts anderes vorsieht. Und ein analoger Vorbehalt gilt auch für Art. 20 Abs. 2 OR. 2. Art. 20 Abs. 1 OR hat nach dem Gesagten lediglich die Bedeutung einer Vermutung in Fällen, in denen sich die Verbotsnorm über die zivilrechtlichen Folgen eines Verbotsverstosses nicht äussert, insofern eine Lücke aufweist (BGE 102 II 401 E. 3d). Eine solche Lücke wurde jedoch - soweit ersichtlich – noch nie angenommen, die fragliche Vermutung noch nie entscheidrelevant eingesetzt. Das hat seinen Grund darin, dass die Rechtsprechung sehr frei verfährt bei der Entscheidung der Frage, ob und allenfalls in welcher Art eine Verbotsnorm die zivilrechtlichen Folgen eines Verbotsverstosses regelt. Auch wenn eine Norm sich mit dieser Frage in keiner Weise ausdrücklich befasst, wird eine Antwort „hineininterpretiert“, dies unter Rückgriff auf „Sinn und Zweck“ der Norm (..). Im Ergebnis wird man sagen müssen, dass Art. 20 OR - im vorliegenden Kontext – kaum selbständige Bedeutung hat. (KOLLER N 979 und 980) 1226 Vgl. KOLLER N 957. GIGER erblickt in Art. 20 OR einen Auffangtatbestand für Verbotstatbestände, in denen das Gesetz einen bestimmten Vertragsinhalt untersagt, ohne eine Ersatzregel aufzustellen (z.B. GIGER S. 85). Allerdings muss man sich fragen, welche Bedeutung dieser Auffangtatbestand noch hat, wenn Nichtigkeit auch nach diesem Autor nur vorliegen soll, wenn die übertretene Verbotsnorm eine solch extreme Rechtsfolge vorsieht (GIGER S. 89; Hervorhebung durch Verfasser). „Richtiger scheint es, sich offen von der generellen Nichtigkeitsregel von OR 20 abzuwenden und immer nur die Sanktionen, welche von dem die Rechtswidrigkeit konstituierenden Gesetz gefordert werden, anzunehmen“ (BUCHER § 15 IV/3.a S. 254 FN 69). 248 Wenn Art. 20 OR gar keine eigenständige Bedeutung hat, d.h. für die Anordnung einer Rechtsfolge gar nicht relevant ist, muss sich die Auslegung im Prinzip wieder auf die einschlägigen Normen der Übernahmeverordnung und allenfalls anderer börsengesetzlicher Erlasse konzentrieren, um die angemessene Rechtsfolge zu eruieren. Damit kann auch offen bleiben, ob die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 20 OR erfüllt wären. Es erübrigt sich daher, abzuklären, ob die börsengesetzlichen Normen betreffend Zulässigkeit öffentlicher Kaufangebote „unabänderliche Vorschriften“ oder allenfalls Ausprägung der „öffentlichen Ordnung“ oder „guter Sitten“ sind. Zu prüfen bleibt jedoch trotz diesem „renvoi“, ob Sinn und Zweck der Normen über die Zulässigkeit von Bedingungen bei Übernahmeangeboten die Rechtsfolgen von Art 20 OR als angemessen erscheinen lassen. Die in Art. 20 OR vorgesehenen Folgen der Nichtigkeit oder der Teilnichtigkeit könnten dann allenfalls analog angewendet werden, wenn die Normen über Zulässigkeit von Bedingungen dies nahelegen. Insbesondere die Rechtsfolge der Nichtigkeit einer unzulässigen Bedingung unter Aufrechterhaltung des Vertragsrests erscheint in dieser Hinsicht als prüfenswert. 4. Analoge Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR? Wie bereits erwähnt sieht Art. 20 OR die Rechtsfolgen der Ganznichtigkeit sowie der schlichten und modifizierten Teilnichtigkeit vor. Welche Rechtsfolge im konkreten Fall eintritt, entscheidet sich nach dem sogenannten „hypothetischen Parteiwillen“1227. Nicht restlos geklärt ist allerdings, was damit wirklich gemeint ist. Ein Teil der Lehre ist der Ansicht, es gehe dabei um den „fiktiven Willen der konkreten Parteien“1228, ein anderer Teil möchte diesen Willen normativobjektiviert ermitteln1229. Das Bundesgericht scheint ersterer Ansicht zuzuneigen, wenn es befindet, es sei danach zu fragen, „welche Vereinbarung die Parteien unter den konkreten Umständen in Kenntnis des Mangels getroffen hätten“1230; es gibt allerdings auch Entscheide, welche in Richtung Objektivierung des mutmasslichen Parteiwillens hindeuten1231. 1227 KOLLER N 880; KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 N 348ff.m.w.H.; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 700f.m.w.H.; zum ganzen HÜRLIMANN, Teilnichtigkeit von Schuldverträgen nach Art. 20 Abs. 2 OR, Diss. Freiburg 1984. 1228 HUGUENIN JACOBS, Basler Kommentar, Art. 20 OR N 63; KOLLER N 903. 1229 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 700: „Vielmehr kommt es darauf an, was die Parteien als vernünftig und korrekt (nach Treu und Glauben) handelnde Vertragspartner vereinbart hätten, wenn ihnen die Nichtigkeit des mangelhaften Teils schon bei Vertragsabschluss bewusst gewesen wäre“ (vgl. auch HÜRLIMANN, S. 56ff.). 1230 BGE 124 III 60. 1231 BGE 120 II 41 („auraient convenu de bonne foi“; zitiert bei GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 700 ); vgl. auch das obiter dictum in BGE 124 III 297. 249 Bei der Umsetzung dieser allgemeinen obligationenrechtlichen Regeln für die Rechtsfolgen unzulässiger Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten stiesse man auf Schwierigkeiten. Wie soll ein hypothetischer Parteiwille bei der Vielzahl von Parteien festgelegt werden? Wenn, wie ein Teil der Lehre meint, der fiktive Wille der konkreten Parteien massgeblich sein sollte, dürfte dessen Festlegung aufgrund der Vielzahl der Adressaten bzw. Vertragsparteien nicht möglich sein. Auch bei einem objektivierten Ansatz kann bei einem öffentlichen Kaufangebot wohl kaum danach gefragt werden, was die Parteien vereinbart hätten, sondern vielmehr, was der Bieter stipuliert hätte, wenn ihm die Unwirksamkeit einer Regelung bewusst gewesen wäre. Ein Abstellen alleine auf den Willen des Bieters ist jedoch auch nicht erwünscht. Es soll insbesondere vermieden werden, dass der Bieter sich unter Berufung auf die subjektive Wesentlichkeit einer Bedingung, auf die Totalnichtigkeit beruft, wenn lediglich eine Bedingung unzulässig ist1232. Der Wille bzw. die Interessen der Angebotsadressaten müssen daher ebenfalls berücksichtigt werden, obwohl dieser Wille, sofern er sich als Kondensat des Willens mehrerer überhaupt feststellen lässt, in die Vertragsgestaltung, d.h. die Ausgestaltung des Angebots, kaum einfliesst1233. Hinter der ganzen Problematik verbirgt sich die noch viel grundsätzlichere Frage, ob Art. 20 OR für Verstösse gegen Schutznormen – als solche sind die Vorschriften über die Zulässigkeit von Bedingungen bei Kaufangeboten zweifelsohne aufzufassen – eine angemessene Rechtsfolge darstellt. Hier darf es nicht sein, dass der Normzweck einer solchen Schutzvorschrift durch den hypothetischen Parteiwillen aus den Angeln gehoben wird. Zu Recht hat das Bundesgericht in BGE 123 III 299 einschränkend präzisiert, dass der hypothetische Parteiwille für die Frage der blossen Teilnichtigkeit (in casu aufgrund Widerrechtlichkeit) von untergeordneter Bedeutung sei: „Die blosse Teilunwirksamkeit folgt unmittelbar aus der Verbotsnorm, und ein entsprechender hypothetischer Parteiwille ist dem Grundsatz der Teilnichtigkeit nicht vorausgesetzt, sondern hat allenfalls für die Bestimmung der angemessenen Rechtsfolge, d.h. den Inhalt der Ersatzordnung, Bedeutung.“ Damit hat das Bundesgericht die Bedeutung von Art. 20 Abs. 2 OR für den Fall der Widerrechtlichkeit stark eingeschränkt. In die gleiche Richtung zielt die neuere Lehre. KOLLER gibt zu bedenken, dass bei Vorliegen bestimmter Gründe Art. 20 Abs. 2 OR nicht anzuwenden sei, mit der Folge, dass der hypothetische Parteiwille nicht von Bedeutung sei und dass keine Ganznichtigkeit eintrete. Dies sei insbesondere der Fall, wo gegen zwingende Bestimmungen, die Parteienschutz bezwecken, verstossen wurde: „In solchen Fällen haben beide Parteien kein rechtlich erhebliches Interesse an Ganznichtigkeit: Die geschützte Partei würde missbräuchlich handeln, wenn sie den 1232 1233 Vgl. auch die Kritik an der Figur des „hypothetischen Parteiwillens“ bei GIGER S. 93. Immerhin kann man sagen, dass der mutmassliche Wille der Angebotsempfänger insofern berücksichtigt wird, als sich der Bieter überlegt, zu welchen Konditionen ein Vertrag für diese annehmbar oder vorteilhaft ist. 250 Vertrag gänzlich beseitigen wollte (..). Die nicht geschützte Partei aber soll aus dem Umstand, dass sie die rechtlich geschützte Position der Gegenpartei verletzt hat, nicht auch noch Nutzen ziehen können“1234. Auch GAUCH/SCHLUEP/SCHMID wollen Art. 20 Abs. 2 OR in gewissen Fällen nicht anwenden. Bei Abweichungen von einer zwingenden Norm des Privatrechts ist die nichtige Norm nach diesen Autoren durch die zwingende Gesetzesregel zu ersetzen. Die Besonderheit dieser Teilnichtigkeit sei, dass das Gesetz selber eine Ersatzregel vorsehe und es daher auf den hypothetischen Parteiwillen nicht ankomme. Insbesondere könne keine Partei einwenden, dass der Vertrag „ohne den nichtigen Teil“, also mit der gesetzlichen Ersatzregel, „überhaupt nicht geschlossen worden wäre“ und deshalb ganz nichtig sei1235. 5. Folgerung Zwar ist Art. 20 OR grundsätzlich auf bedingte Anträge zum Vertragsschluss (analog) und auf bedingte Verträge über die Veräusserung von Beteiligungspapieren anwendbar. Doch wird der Anwendungsbereich von Art. 20 OR dadurch eingeschränkt, dass praktisch durchwegs auf Sinn und Zweck der verletzten besonderen Verbotsnorm abzustellen ist, um festzustellen, ob die in Art. 20 OR vorgesehene Rechtsfolge der Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit angemessen ist. Falls eine Verbotsnorm nach deren Sinn und Zweck die Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit eines Vertrages nach sich zieht, bleibt Art. 20 OR bedeutungslos. Denn die Nichtigkeit oder Teilnichtigtkeit ergibt sich nicht aus Art. 20 OR, sondern (meist implizit) aus der Verbotsnorm, gegen die verstossen wurde. Immerhin kann aber der Regelungsgedanke von Art. 20 Abs. 2 über die Teilnichtigkeit je nach hypothetischem Parteiwillen auch auf Verstösse gegen Verbotsnormen analog anwendbar sein. Von einer solchen analogen Anwendbarkeit ist jedoch wiederum abzusehen, wenn die verletzte Verbotsnorm dem Schutz einer Partei dient und deren vertragliche Benachteiligung auf ein gewisses Mass beschränkt. In diesem Fall stellt die Verbotsnorm selbst eine Ersatzregel auf (Beschränkung auf gesetzlich zulässiges Mass), welche ungeachtet des (hypothetischen) Parteiwillens anzuwenden ist. 1234 KOLLER N 963. Der Autor spricht an dieser Stelle von Verstössen gegen zwingendes (Privat-)Recht, greift aber denselben Gedanken bei Verstössen gegen die öffentliche Ordnung mit einem Zitat von Larenz wieder auf: Besteht der Normzweck im „Schutz des einen Teils vor Ausbeutung, Übervorteilung oder Unsicherheit so würde die Nichtigkeit des ganzen Vertrages …diesem Normzweck zuwiderlaufen, da der Vertragsteil, der geschützt werden soll, dann auch aller Vorteile aus dem Vertrag verlustig ginge“ (KOLLER N 985 mit Verweis auf LARENZ, BGB AT, S. 464). 1235 GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 712a. Die Autoren wollen diese Rechtsfolge neben dem Abweichen von einer zwingenden Vorschrift des Privatrechts auch in dem Fall anwenden, wo zwar lediglich von dispositivem Recht abgewichen wurde, der Vertragsteil aber aus anderen Gründen (z.B. Sittenwidrigkeit) nichtig sei (N 709). Demgegenüber soll nach KRAMER in jedem Fall noch eine subjektive Prüfung aufgrund des hypothetischen Parteiwillens vorgenommen werden (KRAMER, Berner Kommentar, Art. 19-20 OR N 346; ebenso HUGUENIN JACOBS, Basler Kommentar, Art. 19/20 OR N 64). 251 Auf den hier zu untersuchenden Tatbestand übertragen bedeutet dies, dass Sinn und Zweck der börsengesetzlichen Bestimmungen über die Zulässigkeit von Bedingungen hinsichtlich der daraus abzuleitenden Rechtsfolgen auszuleuchten sind. Sofern man zum Schluss kommt, Verstösse gegen diese Normen seien nichtig bzw. unbeachtlich, stellt sich weiter die Frage, ob sich eine gesetzliche Ersatzregel aufstellen lässt, welche dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm gerecht wird. IV. Ergebnis: Teilnichtigkeit aufgrund Normzweck Die Normen über die Zulässigkeit von Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten finden sich zum grössten Teil im Börsengesetz und dessen Verordnungen1236. Sie sind zum Teil ausdrücklich in Art. 13 UEV und Art. 32 BEHV-EBK geregelt, zum Teil sind sie aber auch aus der ratio legis herzuleiten1237. Den Normen über die Zulässigkeit von Bedingungen bei Kaufangeboten ist gemein, dass sie zu Lauterkeit und Transparenz des Übernahmeverfahrens beitragen sollen1238. Indem sie die Regelungsfreiheit des Bieters einschränken, dienen sie dem Schutz der Angebotsempfänger. Die Freiheit des Bieters, aus seinem Angebot auszusteigen, wird zugunsten der Angebotsempfänger beschnitten. Der Bieter soll nicht mehr einseitig beliebige, ihn begünstigende Bedingungen an sein Angebot knüpfen und so seine dominante Vertragsposition ausnützen. Knüpft der Bieter trotz dieses Verbots unzulässige Bedingungen an sein Angebot und hält sich so einen ungerechtfertigten Ausstieg offen, kann dies von der Rechtsordnung nicht einfach hingenommen werden. Der Ausstieg muss unterbunden werden. Dieses Ziel kann aber mit einem Widerrufsrecht der Angebotsempfänger nicht erreicht werden. Es bedarf der Nichtigkeit bzw. der Unwirksamkeit dieser Bedingung, um der Zielsetzung der Zulässigkeitsnormen über Bedingungen zum Durchbruch zu verhelfen. Dieser aus kapitalmarktrechtlichen Überlegungen gewonnene Befund deckt sich mit den oben erörterten allgemeinen vertragsrechtlichen Folgerungen von KOLLER und GAUCH/SCHLUEP/SCHMID bei Verstössen gegen Normen, welche den Schutz der einen Vertragspartei bezwecken. In diesen Fällen ist eine Ganznichtigkeit des Vertrages nicht angemessen und kann auch nicht aus dem hypothetischen Parteiwillen hergeleitet werden1239. Eine Ganznichtigkeit des Übernahmevertrages würde dem Normzweck der von Art. 13 UEV und den anderen relevanten übernahmerechtlichen Bestimmungen widersprechen. Der Bieter 1236 Wie gesehen gibt es auch Zulässigkeitsnormen für Bedingungen öffentlicher Kaufangebote ausserhalb der Börsengesetzgebung. Für diese gelten die nachfolgenden Bemerkungen mutatis mutandis, soweit nicht gesondert auf Abweichungen hingewiesen wird. Dies gilt auch für die Rechtsfolgen unmöglicher Bedingungen. 1237 Vgl. § 4 C. 1238 Vgl. die Ausführungen in § 1 C II.3. und § 4 C II.4. 1239 Vgl. dazu die Bemerkungen oben § 6 D III.3. 252 könnte so bei entsprechendem Ausfall/Eintritt der Bedingung für die Verletzung von Normen „belohnt“ werden, während die Interessen der annehmenden Angebotsempfänger an der Veräusserung ihrer Papiere (und Realisation einer Prämie) missachtet würden. Dem Normzweck der einschlägigen Bestimmungen wird hingegen Achtung verschafft, wenn lediglich die gegen die Übernahmeverordnung oder andere börsengesetzliche Erlasse verstossende Bedingung unwirksam ist. Der Bieter kann dann bei Ausfall der unzulässigen Bedingung keinen Ausstieg mehr vornehmen, er bleibt vertraglich gebunden. Die Angebotsempfänger werden in ihrem Vertrauen auf das lautere Zustandekommen und den Vollzug des Angebots geschützt. Sie können den Bieter auf Erfüllung des Übernahmevertrages einklagen oder aber nach den (kaufrechtlichen oder allgemeinen obligationenrechtlichen) Regeln Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags verlangen. Die Teilnichtigkeit des Vertrages mit Ungültigkeit der unzulässigen Bedingung sowie Gültigkeit des Vertragsrests wird dem Normzweck der Bestimmungen über die Zulässigkeit von Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten in den meisten Fällen gerecht. Allerdings vermag die schlichte Teilnichtigkeit, d.h. die blosse Ungültigkeit der gegen das Gesetz verstossenden Bedingung in den Fällen nicht zu befriedigen, wo die Bedingung ihrer Art nach an sich zulässig wäre, aber die Hürden des Eintritts der Bedingung sehr hoch angesetzt werden. Als Beispiel kann eine Minimum Limen Bedingung genannt werden, die eine Annahmeschwelle von 99% der Beteiligungspapiere vorsieht, obwohl der Bieter bei Unterbreitung des Angebotes nur wenige dieser Beteiligungspapiere besitzt. In einem solchen Fall würde die Nichtigkeit der Bedingung den Bieter zwingen, auch bei einer nicht zur Kontrolle ausreichenden Annahmeschwelle das Angebot zu vollziehen. Dies käme einem der Interessenlage nicht entsprechenden Pflichtangebot gleich. Es ist daher eine dem Willen der Kontrahenten möglichst nahestehende, gesetzlich zulässige Ersatzregel aufzustellen. Diese Ersatzregel könnte z.B. darin bestehen, dass die Mindestschwelle auf 67% der Beteiligungspapiere gesenkt wird1240. Bei zu niedrigen Schwellenwerten für die Wesentlichkeit von Auflagen bei einer Bedingung betreffend Genehmigung durch Wettbewerbsbehörden würde der Schwellenwert entsprechend erhöht. In den meisten Fällen wird allerdings durch schlichte Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit der unzulässigen Bedingung der ratio legis Genüge getan. So sind Bedingungen, die vom Bieter übermässig beeinflusst werden können1241, in der Regel nichtig. Eine Ersatzregel mit einem geringeren Mass an Beeinflussbarkeit wird nur in seltenen Fällen möglich sein. Bedingungen, die dem Lauterkeitsgebot widersprechen, weil sie zum Beispiel keinen Zusammenhang mit der Übernahme aufweisen, sind ebenfalls nichtig. 1240 Um dem Bieter nicht für das Anfügen unzulässiger Bedingungen zu belohnen, sollte nicht die maximal zulässige Schwelle als Ersatzregel gewählt werden. 1241 Vgl. vorn § 4 F. 253 Diese schlichte Teilnichtigkeit aufgrund des Normzwecks unterscheidet sich im Ergebnis nicht von einer analogen Anwendung der bereits erwähnten Bestimmung von Art. 482 Abs. 3 ZGB1242. Dies sollte nicht erstaunen, denn einem Übernahmeangebot und einer erbrechtlichen Verfügung ist die Einseitigkeit der Anordnung und das Fehlen einer „Richtigkeitsgewähr“ durch vertragliche Verhandlung gemeinsam. Dennoch sollte von einer analogen Anwendung erbrechtlicher Bestimmungen auf den vorliegenden Sachverhalt verzichtet werden. Dies gebietet neben den bereits erwähnten grundsätzlichen Überlegungen auch das Fehlen eines mit dem Lauterkeitsgrundsatz und dem Anlegerschutz vergleichbaren Regelungsziels. Die hier dargestellte Teilnichtigkeit aufgrund des Normzwecks deckt sich im übrigen auch mit den im Schrifttum zu Art. 8 UWG über die Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen befürworteten Rechtsfolgen1243. Auch dies kann nicht erstaunen, da die Konditionen eines öffentlichen Kaufangebots meist allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen und eine unzulässige Bedingung als im Sinne von Art. 8 lit. a UWG von der „anwendbaren gesetzlichen Ordnung erheblich abweichend“ angesehen werden kann. Dieses Ergebnis deckt sich im wesentlichen auch mit dem Befund der Übernahmekommission im Fall Multipapiers / Baumgartner1244. Allerdings wird eine Befugnis des Bieters, durch freie Änderung seines Angebotes eine neue, zulässige Bedingung anzufügen hier abgelehnt1245. Dies widerspräche der Nichtigkeitsherleitung aus dem Normzweck und würde Anreize zur Anknüpfung unzulässiger Bedingungen schaffen. Falls keine schlichte Teilnichtigkeit vorliegt, sollten daher die zuständigen Spruchkörper eine Ersatzordnung aufstellen. Im Falle der Übernahmekommission kann dies wohl nur heissen, dass sie in ihrer Empfehlung dartut, welche Bedingung sie für zulässig erachten würde. Insofern besteht kein Unterschied zur Praxis im Fall Baumgartner bezüglich Voranmeldung. Freilich wird die UEK dabei zu beachten haben, dass die rechtliche Durchsetzung dieser Ersatzordnung angesichts der unklaren und zum Teil widersprüchlichen Regelung im Börsengesetz mit Schwierigkeiten behaftet ist. 1242 Vgl. vorn § 4 B IV. Vgl. Koller N 1616; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID m.w.H.; a.A. BUCHER, Basler Kommentar, Art. 1 OR N 55. 1244 Vgl. § 6 B vorn. 1245 Nach Voranmeldung sollte dies jedoch, wie von der UEK entschieden, zulässig sein (vgl. die Empfehung vom 16. Juli 2001 i.S. Multipapiers SA / Baumgartner Papiers Holding SA E. 8). Unklar ist jedoch, wie die UEK entschieden hätte, wenn es sich bereits um ein Angebot gehandelt hätte. 1243 254 V. Ansprüche aus unzulässigen Bedingungen 1. Empfehlung oder Verfügung als Anspruchsvoraussetzung? Falls die Bedingung eines öffentlichen Kaufangebotes den einschlägigen gesetzlichen Normen widerspricht, wird die Übernahmekommission dies in einer entsprechenden Empfehlung feststellen. Unklar ist jedoch wie erwähnt, ob sie oder die EBK den Rückzug des Angebotes oder lediglich eine Freigabe zum Rücktritt durch die Angebotsempfänger anordnen würden. Unklar ist ferner, ob nicht lediglich die Bedingung „untersagt“ werden kann und wenn ja, welche Bedeutung dies hat. Angesichts dieser Unwägbarkeiten erscheint es als ausgeschlossen, einen zivilrechtlichen Anspruch der Angebotsadressaten gegen den Bieter davon abhängig zu machen, dass UEK oder EBK die Unzulässigkeit einer Bedingung konstatiert respektive das Angebot oder die Bedingung „untersagt“ haben1246. Auch ohne diese Unwägbarkeiten ist ein Erfordernis der vorgängigen „Untersagung“ durch Verwaltungsbehörden weder als Anspruchs- noch als Prozessvoraussetzung angebracht. Aus prozessualer Sicht würde der freie Zugang zum Gericht in einer mit Art. 6 EMRK nicht zu vereinbarenden Weise verhindert. 2. Vertragliche Ansprüche Auch wenn eine unzulässige Bedingung nicht unwirksam wäre, bestünde bei Eintritt der Bedingung für die annehmenden Angebotsadressaten grundsätzlich kein Problem. Der Übernahmevertrag wäre verbindlich und der Bieter könnte zivilrechtlich zu dessen Erfüllung angehalten werden. Probleme ergäben sich aber bei Ausfall dieser Bedingungen, da der Bieter dann den Wegfall der vertraglichen Bindung erklären kann1247 oder diese Bindung von selbst dahinfällt1248. Der Bieter könnte dann einen als illegitim empfundenen Ausstieg aus seinem Angebot vornehmen. Wie oben ausgeführt bewirkt jedoch die aus dem Normzweck hergeleitete Nichtigkeit der Bedingung, dass der Veräusserungsvertrag zwischen Bieter und Angebotsadressat bei entsprechendem Akzept grundsätzlich wirksam wird. Die Veräusserer könnten dann bei erbrachter oder angebotener Lieferung der Wertpapiere den Bieter auf Zahlung des Kaufpreises oder Lieferung der zum Umtausch angebotenen Titel einklagen. Stattdessen können sie auch nach den Voraussetzungen von Art. 107 OR bzw. 191 OR auf die Leistung verzichten und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Hierbei gelten allgemeine obligationenrechtliche Grundsätze, wobei nach BGE 120 II 296ff. die abstrakte Differenztheorie nach Art. 191 Abs. 3 OR auch bei einem nicht 1246 Art. 26 BEHG sieht jedoch eine Untersagung, also einen Akt der Aufsichtsbehörden, als Voraussetzung für das Rücktrittsrecht der Veräusserer vor. 1247 Bei einem Widerruf im Sinne von Art. 16 UEV. 1248 Bei einer Bedingung im Sinne von Art. 13 UEV. 255 kaufmännischen Kaufgeschäft anwendbar ist. Die Angebotsadressaten könnten daher ihren Schaden (positives Vertragsinteresse) aufgrund einer Differenz zwischen Börsenkurs1249 und Angebotspreis1250 bemessen. Anstatt am Vertrag festzuhalten und den Kaufpreis bzw. die Lieferung der zum Tausch angebotenen Titel zu verlangen, können die Inhaber von Beteiligungspapieren bei Verzug des Bieters nach Art. 107 Abs. 2 i.V.m. Art. 109 OR vom Übernahmevertrag zurücktreten und das negative Vertragsinteresse geltend machen. 3. Ansprüche aus Culpa in contrahendo Voraussetzung für die Geltendmachung vertraglicher Ansprüche ist das Vorliegen von gültigem Antrag und Akzept. Das öffentliche Kaufangebot kann aber durchaus auch in Form einer Einladung zur Offertstellung abgegeben werden1251. Falls darauf dennoch ein Vertragsschluss zustande kommt, können die Inhaber von Beteiligungspapieren bei Vorliegen unzulässiger Bedingungen nach den oben beschriebenen Grundsätzen vorgehen. Spezielle Probleme ergeben sich jedoch, wenn es bei der Einladung zur Offertstellung bleibt1252, ohne dass es zum Vertragsschluss kommt. Bei einer invitatio ad offerendum hat der Bieter sein Angebot unzulässigerweise nicht in die Form eines verbindlichen Antrages gekleidet. Er hat sich die Verbindlichkeit seiner Äusserung seinem eigenen Gutdünken vorbehalten, was dem Vorbehalt einer Wollensbedingung oder reinen Potestativbedingung gleichkommt. Dieses Vorgehen verletzt Art. 13 UEV, der als positivrechtliche Ausprägung des Lauterkeitesgebotes das Vertrauen der Angebotsempfänger in ein faires, seriöses Angebot schützen will, von dem der Bieter nur unter strengen, offengelegten Voraussetzungen wieder Abstand nehmen kann. Der Normzweck kann hier allerdings nicht mit einer Teilnichtigkeit der Bedingung und der damit verbundenen Vertragswirksamkeit geahndet werden, da eine vertragliche Beziehung nicht besteht. Hingegen kann dieses Art. 13 UEV verletzende Verhalten im Zusammenhang mit einer Vertragsanbahnung nach der hier vertretenen Ansicht eine Haftung aus culpa in contrahendo auslösen. Allerdings dürfte man hier im Gegensatz etwa zu einer allfälligen c.i.c Haftung aufgrund eines nicht durchgeführten Angebots trotz Voranmeldung mit der Zusprechung von positivem „Vertrags“interesse eher Zurückhaltung üben1253; auch bei allfälliger Haftung würde daher grundsätzlich nur das sogenannte Ver- 1249 Hier können sich allerdings heikle Probleme ergeben. Welcher Zeitpunkt soll für den Börsenkurs relevant sein? Der Zeitpunkt der Ankündigung oder des Angebots? Welche Informationen über das Angebot sind im Börsenkurs am betreffenden Tag schon reflektiert? Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten und führen zu komplexen Schadenersatzberechnungen. 1250 Vgl. die nachfolgenden Ausführungen zur culpa in contrahendo falls kein Angebotspreis festgelegt wurde. 1251 Vgl. vorn § 2 B II. 1252 Allenfalls gefolgt von einem Antrag der Inhaber von Beteiligungspapieren, der vom Bieter nicht angenommen wird. 1253 Vgl. vorn § 3 C II.2. 256 trauensinteresse ersetzt, d.h. die Inhaber der Beteiligungspapiere könnten sich bestenfalls die im Hinblick auf einen Vertragsschluss gemachten Ausgaben (Gebühren, allenfalls Expertisen) ersetzen lassen, welche ohnehin kaum ins Gewicht fallen1254. Ein positives „Vertrags“interesse wird man nur dort bejahen können, wo das berechtigte Vertrauen in den Vertragsschluss enttäuscht wird, d.h. wo es zum Abschluss eines Vertrages gekommen ist1255 oder aber – nach der hier vertretenen Ansicht – bei Vorliegen einer Voranmeldung im Sinne von Art. 7 UEV1256. 4. Prospekthaftpflicht Der Anbieter muss als Informations- bzw. Entscheidungsgrundlage für die Empfänger des Angebotes einen Prospekt veröffentlichen, der die in der Übernahmeverordnung1257 vorgeschriebenen Angaben enthält. Es stellt sich dabei die Frage, ob der Bieter aufgrund der im Prospekt enthaltenen oder fehlenden Angaben für Schäden der Anleger haftbar gemacht werden kann. Das BEHG regelt zwar die (strafrechtlichen) Konsequenzen einer unterlassenen oder mangelhaften Stellungnahme des Verwaltungsrates der Zielgesellschaft, schweigt sich aber über die Rechtsfolgen fehlerhafter oder fehlender Angaben im Prospekt aus. Nach der in der Lehre verbreiteten Ansicht sollen die Grundsätze der Prospekthaftung des Emittenten nach Art. 752 OR1258 auf den übernahmerechtlichen Prospekt analog anwendbar sein1259. Begründet wird dies damit, dass es in beiden Fällen um den Schutz des Vertrauens der Investoren auf verlässliche Informationen auf dem Kapitalmarkt und um deren Vermögensschutz gehe1260. Unter analoger Anwendung von Art. 752 OR könnten auch vom Bieter verschiedene Personen haftbar gemacht werden. Nicht zu verkennen ist indessen, dass das Gefährdungspotential für den Anleger bei einem Verkauf seiner Bestände im Rahmen eines öffentlichen Kaufangebotes um ein Vielfaches geringer ist als bei einer Neuemission von Wertpapieren. Bei einer Neuemission erhält der Investor möglicherweise für sein unter Entbehrungen erspartes Geld ein wertloses Zertifikat bzw. eine wertlose Forderung 1254 BGE 105 II 81; KOLLER N 1778; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID N 966. Anders liegt der Fall nach KOLLER, wenn es zum Abschluss eines Vertrages gekommen ist (KOLLER N 1779). 1255 Koller N 1779. 1256 Vgl. vorn § 3 C.II.2. 1257 Vgl. dazu insbesondere Art. 19-24 UEV. 1258 Diese Bestimmung lautet wie folgt: „Sind bei der Gründung einer Gesellschaft oder bei der Ausgabe von Aktien, Obligationen oder anderen Titeln in Emissionsprospekten, oder ähnlichen Mitteilungen unrichtige, irreführende oder den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Angaben gemacht oder verbreitet worden, so haftet jeder, der absichtlich oder fahrlässig dabei mitgewirkt hat, den Erwerbern der Titel für den dadurch verursachten Schaden.“ 1259 TSCHÄNI/OERTLE, Basler Kommentar, Art. 24 BEHG N 9; BERNET, S. 145/146; vgl. auch SCHNYDER, Übernahmen, S. 637 zur Anwendbarkeit von Art. 156 IPRG auf Haftungsansprüche aus Übernahmeprospekten. 1260 BERNET, S. 145/146. 257 (non-valeur). Er ist daher einem inhärenten Vermögensverlustrisiko ausgesetzt, das in der Risikosphäre des Emittenten auftritt. Bei einem Verkauf seiner Beteiligungspapiere erhält der Verkäufer Geld, dessen Wertverlust (heutzutage) vernachlässigbar ist. Das Informationsgefälle (Risiko) ist weniger hoch, da der Investor einen allgemein anerkannten Wertmesser, nämlich Geld erhält1261. Anders liegt der Fall nur bei einem Tausch, wo der veräussernde Anleger ein neues Wertpapier erhält. Er hat ein Informationsbedürfnis wie ein Zeichner bei einer Emission1262. Im Gegensatz zum Verlustrisiko beim Kauf von Wertpapieren, besteht daher beim Verkauf – dessen Durchführung vorausgesetzt - lediglich die Gefahr eines entgangenen Gewinns. Diese Gefahr ist besonders akut, wenn der Bieter ein besonderes Insiderwissen über den Wert der Beteiligungspapiere hat, wie beispielsweise bei Rückkaufangeboten1263. Bei gewöhnlichen Übernahmeangeboten stellt sich diese Problematik jedoch nicht1264. Ohnehin offeriert der Bieter in der Regel eine substantielle Prämie über dem Börsenkurs, so dass eine Berufung auf einen angeblich noch höheren Wert erstens in aller Regel scheitern und zweitens nicht dem Bieter zur Last gelegt werden kann. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die zu Art. 752 OR entwickelten Grundsätze nicht oder jedenfalls nicht unbesehen auf den Prospekt nach Art. 24 BEHG angewendet werden dürfen1265. Praktisch relevant dürfte eine Haftpflicht aufgrund fehlerhafter Angaben im Übernahmeprospekt nur dann werden, wenn der Bieter den Inhabern die Beteiligungspapiere zu einem zu tiefen Wert abgekauft hat. Hatte der Bieter kein besonderes Insiderwissen, weil er nicht mit dem Verwaltungsrat der Zielgesellschaft kooperiert hat1266, sollte eine Prospekthaftpflicht daher verneint werden. Aber auch in den übrigen Fällen dürfte der Nachweis der Haftungsvoraussetzungen (Schaden, Kausalität, Widerrechtlichkeit, Verschulden) in der Regel misslingen. Für den hier interessierenden Bereich unzulässiger Bedingungen jedenfalls dürfte sich schwerlich eine Haftungsgrundlage aufgrund analoger Anwendung von Art. 752 OR finden lassen. Denn in der Stipulierung einer unzulässi1261 Vgl. demgegenüber MEIER-SCHATZ, Kolloquium, S. 577, der eine analoge Anwendung der Prospekthaftungsregel von Art. 1156 Abs. 3 OR im Falle einer garantenähnlichen Stellung von Finanzanalysten befürwortet, „da es sachlich wenig ausmacht, ob Sachverständige den Anlegern den Kauf oder den Verkauf der Wertschriften empfehlen“. 1262 Dies ist der Grund, weshalb Art. 24 UEV zusätzliche Informationspflichten bei einem Tauschangebot vorsieht, welche zumeist die zum Tausch angebotenen Titel betreffen. 1263 Vgl. dazu Rapport de la Commission des OPA sur le rachat de titres de participations vom 6. Oktober 1999, insbesondere S. 11f. 1264 Nach Art. 23 Abs. 2 UEV muss der Bieter ohnehin bestätigen, dass er keine nicht öffentlichen Informationen erhalten hat, die den Entscheid der Angebotsempfänger massgeblich beeinflussen können. 1265 Eine begriffsjuristische Herleitung der Haftung vom Terminus „Prospekt“ wäre ohnehin verfehlt. M.E. sollte eine klare positivrechtliche Anordnung (wie in Art. 752 OR) bestehen, wenn neben dem Bieter auch die an der Prospekterstellung bei einem Kaufangebot mitwirkenden Personen in den Kreis der Haftpflichtigen einbezogen werden sollen. Mangels einer solchen positivrechtlichen Grundlage ist ein Einbezug dieser Personen nur aufgrund haftpflichtrechtlicher Grundsätze oder einer Vertrauenshaftung zu bewerkstelligen. 1266 Dies ist der Fall bei einem unfreundlichen Übernahmeangebot. 258 gen Bedingung selbst liegt grundsätzlich keine im Sinne von Art. 752 OR unrichtige oder irreführende Mitteilung, denn die Absichten des Bieters werden dadurch korrekt wiedergegeben. Allenfalls könnte man unter analoger Anwendung von Art. 752 OR argumentieren, es seien durch Stipulierung einer unzulässigen Bedingung „den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechende Angaben“ gemacht worden. Zwar scheint diese Lösung aufgrund einer grammatikalischen Auslegung nahezuliegen. Da diese Bestimmung aber, wie sich aus dem Normzweck ergibt, die Funktion der verlässlichen Informationsvermittlung auf dem Kapitalmarkt sicherstellen will1267, ist eine unzulässige, aber korrekt dargestellte Bedingung, in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden. Erwähnt der Bieter die unzulässige Bedingung nicht im Angebotsprospekt, wird sie nicht vom Konsens erfasst und ist somit für die Empfänger des Angebotes unbeachtlich. Die Frage einer Haftung aus dem Angebotsprospekt stellt sich dann nicht. E. Weitere Sanktionen nach BEHG und Verwaltungsrecht I. Ersatzvornahme nach Art. 35 Abs. 4 BEHG Die Eidgenössische Bankenkommission kann – im Gegensatz zur UEK - gestützt auf Art. 35 Abs. 4 BEHG zum exekutorischen Zwangsmittel der Ersatzvornahme greifen. Dabei kann die EBK die von der von ihr überwachten Person verlangte Handlung auf Kosten dieser Person selbst vornehmen. Die hier ins Auge gefassten Personen sind im Bereich öffentlicher Kaufangebote der Bieter sowie die Zielgesellschaften1268. Voraussetzung für die Durchführung einer Ersatzvornahme nach Art. 35 Abs. 4 BEHG ist das Vorliegen einer vollstreckbaren1269 Verfügung und die vorgängige, erfolglose Aufforderung an den Bieter bzw. die Zielgesellschaft, der in der Verfügung angeordneten Verhaltensanweisung nachzukommen1270. So nützlich das Instrument der Ersatzvornahme in gewissen, meist genuin öffentlich-rechtlichen Regelungsbereichen sein mag, in Zusammenhang mit den Verhaltenspflichten 1267 BÖCKLI, Aktienrecht, S. 1055 N 1966. Art. 35 Abs. 2 lit. d. und e BEHG. Der Vollständigkeit halber könnten auch die in Art. 35 Abs. 2 lit. c. erwähnten Personen und Gesellschaften, welche einer Meldepflicht unterstehen, noch angeführt werden. 1269 Eine Verfügung kann bereits vor deren Rechtskraft vollstreckbar sein, da der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. POLEDNA, Kommentar BEHG, Art. 35 N 25). 1270 Vgl. POLEDNA, Basler Kommentar, Art. 35 BEHG N 24. Nach diesem Autor kann bei drohenden Nachteilen gestützt auf Art. 41 Abs. 3 VwVG auf eine vorgängige Aufforderung bzw. Mahnung verzichtet werden. 1268 259 des Bieters bei unzulässigen Bedingungen wird es kaum praktische Bedeutung erlangen. Es ist kaum zu erwarten, dass die EBK für einen Bieter auf dessen Kosten einen Prospekt veröffentlicht1271 oder sonstwie dessen Pflichten im Rahmen eines Übernahmeangebotes stellvertretend übernimmt, in der Absicht alleine den Bieter damit zu verpflichten1272. Der Grund dafür ist zum einen in der Angst der Aufsichtsbehörden vor möglicher Haftung zu suchen1273. Zum anderen, damit zusammenhängend, wäre die Rechtsgrundlage für einen derart schweren Eingriff, vor allem ohne gerichtliche Gutheissung1274 und explizite Grundlage im übernahmerechtlichen Teil des BEHG1275, wohl zu unsicher1276. Auch Art. 26 BEHG schwächt die rechtliche Grundlage einer Ersatzvornahme insofern, als in ihm eine Zurückhaltung des Gesetzgebers gegenüber dem Sanktionsinstrumentarium der Aufsichtsbehörden zum Ausdruck kommt1277. II. Publikation gemäss Art. 35 Abs. 5 BEHG Ein weiteres Mittel der Aufsichtsbehörde zur Zähmung von Widerspenstigen ist die öffentliche „Brandmarkung“ gemäss Art. Art. 35 Abs. 5 BEHG1278. Damit kann die Weigerung1279, den Verfügungen der EBK nachzukommen, öffentlich bekanntgemacht werden. Eine derartige Bekanntmachung wird in der Regel im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) vorgenommen, kann aber auch „in anderer Form“ kundgetan werden, z.B. auf der Homepage der EBK oder via 1271 Diese Handlungen würden erst dann ergriffen werden, wenn die unzulässige Bedingung ausgefallen ist und der Bieter diesen Ausfall geltend macht. 1272 Vgl. aber KÖPFLI S. 280 und VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 49 FN 33 im Bereich der Angebotspflicht. Nach KÖPFLI wird ein von „den Behörden“ ersatzweise unterbreitetes Angebot für den Erwerber verbindlich und er muss den andienenden Adressaten den im Kaufangebot festgelegten Preis bezahlen. Im Bereich der Angebotspflicht besteht allerdings eine klare gesetzliche Grundlage in Art. 32 BEHG, während die „Angebotspflicht“ bei Unzulässigkeit einer Bedingung, wie gesehen, lediglich auf obligationenrechtlichen Grundsätzen beruht. Dies ändert allerdings nichts an den grundsätzlichen rechtstaatlichen Bedenken am Zwangsmittel der Ersatzvornahme. 1273 Ordnet die EBK trotz Berufung des Bieters auf eine ausgefallene Bedingung eine Ersatzvornahme an, weil sie die Bedingung für unzulässig erachtet, so könnte ein Gericht später die Bedingung für zulässig oder die Regelung der UEV für nicht verfassungsmässig halten usw. Dies würde zweifelsohne Haftungsansprüche auslösen. Ferner ist zweifelhaft, ob angesichts von Budgetrestriktionen Steuergelder – in bei Durchführung eines Angebotes wohl nicht unerheblichem Mass – für dieses Zweck aufgewendet werden dürfen und sollen, wenn gleichzeitig der private Klageweg offensteht. 1274 Aus rechtstaatlichen Gründen und im Hinblick auf Art. 6 EMRK (bei der Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots handelt es sich um einen „zivilrechtlichen“ Anspruch im Sinne von Art. 6 EMRK) sollte ein Gericht über eine solche Zwangsmassnahme befinden, und zwar vor deren Durchführung. 1275 Im übernahmerechtlichen Teil des BEHG ausdrücklich vorgesehen ist die Suspendierung der Stimmrechte (Art. 32 Abs. 7 BEHG). 1276 A.A. KÖPFLI S. 280 unter Hinweis auf BGE 105 Ib 343 und HÄFELIN/MÜLLER. 1277 Allerdings sind die Vorzeichen bei der Ersatzvornahme umgekehrt. Art. 26 BEHG bietet den Veräusserern die Möglichkeit, am Vertrag trotz Untersagung festzuhalten. Falls aber der Bieter unwillig ist, sein Angebot durchzuführen, können diese, die Adressaten begünstigenden Motive, nicht mehr eingewendet werden. 1278 Vgl. die fast identische Bestimmung in Art. 23ter Abs. 3 BankG. 1279 Die Weigerung, sich der Verfügung zu unterziehen, muss absichtlich sein (POLEDNA, Basler Kommentar, Art. 35 BEHG N 27; BODMER/KLEINER/LUTZ, Art. 23ter N 11). 260 elektronische Medien, Internet oder Tageszeitungen1280. Diese Massnahme setzt, wie auch die Ersatzvornahme, eine vollstreckbare Verfügung voraus. Ausserdem ist die Publikation gemäss Art. 35 Abs. 5 BEHG zunächst mittels (anfechtbarer) Verfügung anzudrohen1281. Es fragt sich allerdings, wo der über eine einfache Medienmitteilung durch die EBK hinausgehende Nutzen einer derartigen Sanktion liegen soll1282. III. Suspendierung des Stimmrechts nach Art. 32 Abs. 7 BEHG? Eine weitere Möglichkeit der Sanktionierung des Bieterverhaltens eröffnet Art. 32 Abs. 7 BEHG. Nach dieser Bestimmung kann der Zivilrichter auf Verlangen der Aufsichtsbehörde, der Zielgesellschaft oder eines Aktionärs1283 die Stimmrechte „desjenigen, der die Angebotspflicht nicht beachtet“, durch „einstweilige Verfügung“ suspendieren1284. Damit kann ein Bieter wirkungsvoll um seine Einflussnahme in der Zielgesellschaft gebracht werden1285. Nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung im Gesetz ist dieser Rechtsbehelf jedoch nur anwendbar, wenn die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes missachtet wurde1286, d.h. bei Vorliegen eines Pflichtangebotes. Kann diese Bestimmung auch eine Rechtsfolge einer unzulässigen Bedingung darstellen? Die Pflicht zur Unterbreitung eines Angebotes kann auch dadurch missachtet werden, dass der Bieter seinem (Pflicht-)Angebot unzulässige Bedingungen beifügt, welche ihm einen nicht erlaubten Ausstieg offenhalten. Damit könnte die im Börsengesetz eingeführte Angebotspflicht de facto ausgehöhlt bzw. umgangen werden. Mit anderen Worten wird eine Nichtbeachtung der Angebotspflicht auch dadurch manifest, dass ein Bieter andere als die in Art. 32 BEHV-EBK vorgesehenen Bedingungen an sein Pflichtangebot knüpft. In einem solchen Fall können die EBK, die Inhaber von Beteiligungspapieren aber auch die Zielgesellschaft ebenfalls beim Zivilrichter grundsätzlich eine Suspendierung des Stimm- 1280 Bei der Publikation ist auf die Eignung des Publikationsmediums Rücksicht zu nehmen (vgl. POLEDNA, Basler Kommentar, Art. 35 BEHG N 28). 1281 Vgl. POLEDNA, Basler Kommentar BEHG, Art. 35 N 27. 1282 Falls diese Sanktion als „strafrechtlich“ im Sinne von Art. 6 EMRK angesehen wird, müsste ein Gericht über deren Angemessenheit befinden. 1283 Recte sollte die Norm auf die „Inhaber von Beteiligungspapieren“ und nicht auf die Aktionäre Bezug nehmen. 1284 Grundlegend dazu VON DER CRONE, Angebotspflicht, in NOBEL et al. (Hrsg.), Das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel, SZW Sondernummer 1997, S. 47/48. 1285 Vgl. KÖPFLI, S. 282; BERNET, S. 283. 1286 HOFSTETTER erwähnt zwar (unter Berufung auf die Botschaft) als Beispiele für mögliche Anwendungsfälle von Art. 32 Abs. 7 BEHG auch den Fall, wo ein Aktionär die Regeln über öffentliche Kaufangebote in schwerwiegender Weise verletzt hat. HOFSTETTER bezieht mit dieser Aussage jedoch – so muss man wenigstens annehmen - nicht Stellung für die Anwendbarkeit der Stimmrechtssuspendierung auf Verletzung von Übernahmeregeln generell, sondern hat lediglich den der Missachtung des Pflichtangebots vergleichbaren Fall vor Augen. 261 rechte des Bieters an der Zielgesellschaft erwirken. Voraussetzung für eine Suspendierung nach Art. 32 Abs. 7 BEHG ist der Nachweis des Vorliegens einer Angebotspflicht und einer unzulässigen Bedingung im Pflichtangebot des Bieters. Art. 32 Abs. 7 BEHG ist daher nach der hier vertretenen Ansicht nicht nur dann anwendbar, wenn gar kein Pflichtangebot abgegeben wird, sondern bereits dann, wenn ein Bieter seine Angebotspflicht durch Anfügen unzulässiger Bedingungen auszuhöhlen versucht. Bei einem freiwilligen Angebot ist diese Sanktionsmöglichkeit jedoch nicht gegeben. Nicht restlos geklärt sind die mit einer Suspendierung des Stimmrechts im Sinne von Art. 32 Abs. 7 BEHG zusammenhängenden prozessualen Fragen. Es ist davon auszugehen, dass der Gerichtsstand zur Einreichung des entsprechenden Begehrens der schweizerische Sitz der Zielgesellschaft ist1287. Diese Massnahme liesse sich kaum am ausländischen Sitz des Bieters durchsetzen. Ein anderes Forum als der schweizerische Sitz der Zielgesellschaft würde die Durchsetzbarkeit der Angebotspflicht, wie auch die Bestrebungen der Lauterkeit konterkarieren. Ein solches Resultat entspräche auch nicht dem bei Aufsichtsgesetzen angestrebten Gleichlauf zwischen Forum und Ius1288. Immerhin dürfte klar sein, dass die Klage auf Suspendierung der Stimmrechte als eigenständiger Anspruch und nicht als vorsorgliche Massnahme zu qualifizieren ist1289. Freilich bleibt es dem zuständigen Gericht unbenommen, auch vorsorgliche Massnahmen anzuordnen1290. F. Strafrechtliche Sanktionen I. Keine besonderen Bestimmungen im BEHG Der Verwaltungsrat der Zielgesellschaft wird gemäss Art. 42 BEHG mit Busse bis zu CHF 200‘000.- bestraft, wenn er vorsätzlich seine Stellungnahme zu einem Angebot unterlässt oder diese nicht veröffentlicht oder in dieser Stellungnahme unwahre oder unvollständige Angaben macht. Erstaunlicherweise fehlt jedoch eine vergleichbare Bestimmung für den Bieter. Auch werden Widerhandlungen gegen die Bestimmungen des BEHG nicht generell mit Strafe bedroht. Fragen kann man sich allenfalls, ob der in Art. 35 Abs. 5 BEHG vorgesehenen Publikation bei „Widersetzlichkeit gegen vollstreckbare Verfügungen“ pönaler Charakter zukommt und daher zumindest im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 6 EMRK als strafrechtliche Bestimmung anzusehen ist. 1287 Vgl. zum Beispiel Art. 30 GestG, der im nationalen Verhältnis das Gericht am Sitz der Aktiengesellschaft für die Kraftloserklärung von Aktien für zuständig erklärt. 1288 Vgl. dazu vorn. § 1 E II. 1289 VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 48; KÖPFLI S. 283 mit eingehender Begründung. 1290 VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 48; KÖPFLI, S. 284. 262 Cum grano salis kann daher folgender Schluss gezogen werden: Das Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel sieht keine Strafbestimmungen vor, welche Verletzungen dieses Gesetzes durch den Bieter bei einem öffentlichen Kaufangebot sanktionieren. Damit bleibt auch das Anfügen unzulässiger Bedingungen an das vom Bieter lancierte Kaufangebot unter dem BEHG grundsätzlich straflos. II. Art. 292 StGB Art. 292 StGB dient als Blankettstrafnorm zur Durchsetzung von staatlichen Verfügungen1291. Voraussetzung der Strafbarkeit ist die Androhung der Strafe unter explizitem Hinweis auf Art. 292 StGB und dessen Straffolgen (Haft oder Busse). Die Verfügung muss ausserdem von der zuständigen Behörde erlassen worden sein, ansonsten eine Bestrafung ausgeschlossen ist1292. Im Bereich der öffentlichen Übernahmeangebote kommt damit nur die Eidgenössische Bankenkommission1293 als Verfügungen erlassende Behörde in Frage1294. Diese Verfügung muss ausserdem vollstreckbar sein, nicht jedoch in jedem Fall rechtskräftig1295 und eine genügend bestimmte Verbots- oder Gebotsnorm enthalten. Wie erwähnt ist die Untersagung eines Angebotes in Form der Anordnung eines Rückzuges problematisch, da dadurch das gesetzlich vorgesehene Rücktrittsrecht der Angebotsempfänger ausgeschaltet wird1296. Die EBK wird daher kaum Zwangsmittel zur Durchsetzung einer solchen Anordnung einsetzen, sollte sie eine so lautende Verfügung überhaupt erlassen. Sie wird die Strafnorm von Art. 292 StGB daher auch kaum zur Sanktionierung eines Rückzugs eines Angebotes einsetzen. III. Insidertatbestand? Der Insidertatbestand nach Art. 161 StGB stellt das missbräuchliche Ausnützen des aufgrund einer Sonderbeziehung zu einer Unternehmung mit kotierten Beteiligungspapieren erlangten Wissens durch Kapitalmarkttransaktionen unter Strafe. Zwar spielt dieser Tatbestand im Zusammenhang mit öffentlichen Kauf- 1291 Der Tatbestand lautet wie folgt: „Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Haft oder Busse bestraft“. 1292 BGE 122 IV 342f.; TRECHSEL, Kommentar StGB, Art. 292 N 5a. 1293 Für Art. 292 StGB als von der EBK anzudrohende Sanktion bei einer Verletzung der Angebotspflicht vgl. HOFSTETTER, Basler Kommentar, Art. 32 BEHG N 58; VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 49 FN 33, KÖPFLI S. 281. 1294 Verfügungen schweizerischer Behörden entfalten grundsätzlich nur Wirkung in der Schweiz. Die Bestrafung nach Art. 292 StGB ist daher problematisch gegenüber einem Anbieter, der im Ausland domiziliert ist. Die erlassende Behörde wäre auf den Amts- oder Rechtshilfeweg angewiesen. 1295 TRECHSEL, Art. 292 N 8. 1296 Vgl. vorn Ziff. 6 B. 263 angebot eine bedeutende Rolle1297, dennoch ist kaum wahrscheinlich, dass er in Bezug auf unzulässige Bedingungen eines öffentlichen Übernahmeangebotes zur Anwendung kommt. Denkbar ist dies allenfalls, wenn ein Insider im Wissen um eine unzulässige Bedingung und des damit verbundenen möglichen Scheiterns des Angebotes Titel verkauft. Die unzulässige Bedingung wäre dann eine insiderrelevante Tatsache. Allerdings ist festzuhalten, dass in diesem Fall eine Sanktion für das Ausnützen einer vertraulichen Tatsache und nicht für das Anfügen unzulässiger Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten vorliegt. Das Beifügen unzulässiger Bedingungen an ein Kaufangebot allein fällt somit nicht unter den Tatbestand von Art. 161 StGB. IV. Kursmanipulation Auch der Tatbestand der Kursmanipulation nach Art. 161bis Abs. 2 StGB möchte Missbräuche am Kapitalmarkt bekämpfen. Er betrifft jedoch nicht das Ausnützen von Kursausschlägen durch einen Informationsvorsprung, sondern verlangt aktives, unlauteres Einwirken auf den Kurs von Effekten. Die nach Art. 161bis Abs. 2 StGB pönalisierten Einwirkungsmöglichkeiten auf den Kurs sind die Verbreitung irreführender Informationen1298 oder Käufe bzw. Verkäufe von Effekten, die „beidseitig direkt oder indirekt auf Rechnung derselben Person oder zu diesem Zweck verbundener Personen erfolgen“. Während die letztere Verhaltensweise allenfalls im Zusammenhang, aber nicht durch ein öffentlichen Kaufangebotes selbst hervorgerufen wird, kann die Verbreitung von irreführenden Informationen in einem Kaufangebot(-sprospekt) durchaus vorkommen. Im Zusammenhang mit der Unzulässigkeit von Bedingungen ist z.B. eine Vorgehensweise denkbar, bei der der Bieter einem Angebot eine bewusst unzulässige Bedingung beifügt, um zunächst den Kurs der Aktien bei Bekanntwerden des Übernahmeangebots in die Höhe zu treiben1299, dann seine Beteiligungspapiere abstösst und danach wieder durch Hinwirkung auf den Bedingungsausfall oder auf andere Weise vom Angebot „zurücktritt“. Diese Vorgehensweise käme einem eigentlichen Scheinangebot gleich1300. Die Anleger werden hinsichtlich der Übernahmeabsichten des Bieters - und somit hinsichtlich Tatsachen1301 - getäuscht, da sie von einer ernst gemeinten Offerte ausgehen können. Eine derarti- 1297 Ein Kaufangebot nach BEHG dürfte in aller Regel auch eine Unternehmensverbindung im Sinne von Art. 161 Abs. 3 StGB darstellen. Vgl. dazu SCHMID/BAUR, Basler Kommentar, Art. 161 StGB N 8 m.w.H. 1298 Vgl. dazu SCHMID/BAUR, Basler Kommentar, Art. 161bis StGB N 6ff. m.w.H.; TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 161bis N 5; IFFLAND, Manipulation, S. 70ff. 1299 Vgl. dazu Rule 14e-8 (b) unter dem amerikanischen Securities Exchange Act, wo die Ankündigung eines Übernahmeangebots zur Kursmanipulation sanktioniert wird. 1300 Vgl. dazu Art. 13 E-UEV, der Verkäufe durch den Bieter während des Angebotes aus diesem Grund untersagen wollte (vgl. auch Art. 14 E-UEV für Transaktionen in zum Umtausch angebotenen Beteiligungspapieren). BERNET S. 183; VON DER CRONE, Offenlegung, S. 47. 1301 Vgl. SCHMID/BAUR, Basler Kommentar, Art. 161bis StGB N 6: „Unter Informationen sind daher Tatsachenbehauptungen zu verstehen“. 264 ge Scheinofferte, so sie unter geltendem Recht möglich wäre, würde wohl den Tatbestand der Verbreitung irreführender Tatsachen erfüllen und könnte auch unter Art. 161bis StGB zu subsumieren sein, sofern die übrigen Tatbestandselemente erfüllt sind. G. Folgerungen Im Bereich der Sanktionen für unzulässige Bedingungen, wie generell im Bereich von Verletzungen der übernahmerechtlichen Bestimmungen des BEHG besteht eine relativ grosse Rechtsunsicherheit. Die Durchsetzung privater Ansprüche und aufsichtsrechtlicher Sanktionen wird durch das in Art. 26 BEHG vorgesehene Rücktrittsrecht, das der Anordnung einer Untersagung eines unzulässigen Angebots widerspricht, unnötig erschwert. Für die Durchsetzung privater Ansprüche der Inhaber von Beteiligungspapieren wurde versucht, aus dem Normzweck eine Lösung herzuleiten, die der Interessenlage der Parteien gerecht wird. Danach besteht bei unzulässigen Bedingungen im allgemeinen eine schlichte Teilnichtigkeit beschränkt auf die unzulässige Bedingung. Dieser Ansatz führt zur Verbindlichkeit des Angebotes ohne die entsprechende Bedingung und stellt insofern eine spezielle, beschränkte „Angebotspflicht“ auf. Die Durchsetzung der Ansprüche von Beteiligungsinhabern bleibt unter dieser wie auch unter anderen Lösungen dennoch kein leichtes Unterfangen. Mangels eines der Sammelklage vergleichbaren Institutes zur Lösung von Problemen kollektiven Handelns muss jeder Beteiligungsinhaber seinen Anspruch individuell einklagen1302. Dieser Nachteil wird auch durch die Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden nicht beseitigt1303. Namentlich das Fehlen von Bussen1304, die rechtliche Fragwürdigkeit einer Ersatzvornahme und die fehlende Möglichkeit der stellvertretenden Klageeinleitung durch die EBK (Prozessstandschaft) zur Durchsetzung von individuellen Ansprüchen der Veräusserer treten hier als Hürden auf. Im Lichte der Singularität des Phänomens wäre eine separate und explizite Regelung der Sanktionen im Bereich der Übernahmeangebote im BEHG wünschenswert gewesen. Angesichts der Unwägbarkeiten unter geltendem Recht wird eine Klage gegen den Bieter zum grossen Prozessrisiko. 1302 Vgl. VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 47; KÖPFLI S. 277 zur Durchsetzung der Angebotspflicht. Vgl. VON DER CRONE, Angebotspflicht, S. 47 zur fehlenden Prozessstandschaft (der Aufsichtsbehörden) bei der Durchsetzung eines Pflichtangebotes. 1304 Eine Ausnahme stellt die wenig abschreckende Bestimmung von Art. 292 StGB dar. 1303 265 § 7 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse Nach einer Einführung in die Grundlagen der Regelung öffentlicher Kaufangebote, die vor allem auch die Zuständigkeiten zur Entscheidung damit zusammenhängender Rechtsfragen erörtert und einen Einblick in die internationalprivatrechtlichen Aspekte der Übernahmeregelung vermittelt, erfolgt in § 2 die schuldrechtsdogmatische Grundlegung der Arbeit. Dabei wird zunächst der komplexe Vorgang des Vertragsschlusses mittels öffentlichem Übernahmeangebot und die Rolle der dabei beteiligten Banken untersucht. Mittels Übernahmeangebot soll ein Veräusserungsvertrag zwischen dem Bieter und den Inhabern der Beteiligungspapiere begründet werden. In der Regel wird dabei das Übernahmeangebot schuldrechtlich einen Antrag zum Vertragsschluss darstellen, der mithilfe der Depotbanken an die Inhaber der jeweiligen Beteiligungspapiere weitergeleitet wird. Der Bieter verwendet dabei vorformulierte und standardisierte „Annahme – und Abtretungsformulare“, auf die die Grundsätze über allgemeine Geschäftsbedingungen anwendbar sind. Die Banken handeln bei Vertragsschluss mittels Übernahmeangebot bei Zustellung des Antrags als Boten und bei Entgegennahme des Akzeptes als passive Vertreter des Bieters. Sie handeln beim Vertragsschluss mittels Übernahmeangebot weder als Vertreter noch als Boten der veräussernden Inhaber von Beteiligungspapieren. Diese erste Abklärung kommt zum Ergebnis, dass der Vertragsschluss mit Eingang des Akzeptes bei der Depotbank des Inhabers von Beteiligungspapieren zur Perfektion gelangt. In § 2 C erfolgt sodann die dogmatische Grundlegung des bedingten Übernahmeangebotes. Da ein Übernahmeangebot in aller Regel als Antrag zum Vertragsschluss ausgestaltet ist, muss untersucht werden, was bei einem bedingten Antrag zum Vertragsschluss, so dieser überhaupt zulässig ist, eigentlich bedingt ist. Die Untersuchung kommt zum Ergebnis, dass ein bedingter Antrag aufgrund des Prinzips der Privatautonomie zulässig ist und von der Lehre in der Schweiz und Deutschland anerkannt wird. Bedingt ist bei einem bedingten Antrag jedoch weder der erklärte Wille bzw. – sollte man Offerten als Rechtsgeschäfte qualifizieren – die Existenz des Rechtsgeschäftes, sondern die Wirkungen bzw. der rechtliche Erfolg des erklärten Willens. Ein Austausch übereinstimmender Willenserklärungen, i.e. ein Vertrag, kommt daher auch bei einem bedingten Antrag zustande. Ein bedingter Antrag stellt daher nach Zugang der Annahmeerklärung immer auch einen bedingten Vertrag dar. Ein Bieter kann daher mit einer („aufschiebenden“) Bedingung nicht den Eintritt der Vertragswirkungen verhindern. Anders zu urteilen hiesse, von der Konzeption des Vertragsschlusses als Austausch übereinstimmender Willenserklärungen abzurücken. 266 Nach dieser dogmatischen Grundlegung folgt in § 3 eine Darstellung der Rechtslage beim bedingten Übernahmeangebot unter Gegenüberstellung der anwendbaren Normen des Obligationenrechtes und der Übernahmeverordnung, welche – vergleichbar dem Versicherungsvertragsgesetz - mithin ein spezialgesetzliches „Sondervertragsschlussrecht“ aufstellt. Dabei wird in terminologischer Hinsicht erst der grundlegende Unterschied zwischen aufschiebenden bzw. auflösenden Bedingungen nach der Übernahmeverordnung und dem obligationenrechtlichen Begriffspaar herausgearbeitet. Während das obligationenrechtliche Begriffspaar die Wirksamkeit der vertraglichen Leistungen betrifft, beschlägt die auf einem rein zeitlichen Element beruhende übernahmerechtliche Dichotomie aufschiebend/auflösend vorwiegend die Zulässigkeit von Bedingungen und wird in diesem Zusammenhang erörtert (§ 4). Immerhin ist sie auch für die Befristung des Bedingungseintritts von gewisser Relevanz. Da in § 3 von der Zulässigkeit von Bedingungen ausgegangen wird, folgt die grundlegende systematische Typifizierung der obligationrechtlichen Terminolgie, wenn auch ein in diesem Sinne resolutiv bedingtes Kaufangebot kaum vorkommen dürfte. Bei der Darstellung der Rechtslage beim bedingten Übernahmeangebot werden verschiedene Phasen unterschieden. Eine grundsätzliche Unterteilung betrifft die Rechtslage vor und nach Eingang der Annahmeerklärung, d.h. vor und nach Vertragsschluss. Bereits vor Vertragsschluss bestehen Verhaltenspflichten des Bieters, die sich vor allem aus dem Institut der Voranmeldung oder aus Art. 13 UEV ergeben, wo eine Pflicht des Bieters zum Einwirken auf den Bedingungseintritt statuiert wird, daneben aber auch aus einer generellen (vorvertraglichen) Pflicht zu einem Handeln nach Treu und Glauben. Nach Vertragsschluss wird der Schwebezustand bis zum Eintritt oder Ausfall der Bedingung eingehend beschrieben. Dabei wird insbesondere auf die Art. 151ff. OR Bezug genommen. Ausserdem werden die schuld- und übernahmerechtlichen Verhaltenspflichten des Bieters hinsichtlich des Eintritts der Bedingung sowie die Rechtsfolgen bei deren Verletzung untersucht. Dabei wird festgestellt, dass die Regelung der Übernahmeverordnung insbesondere hinsichtlich der Rechtsfolgen lückenhaft ist. Anwendbar sind daher die allgemeinen Regeln des Obligationenrechtes, die qua Erfüllungsfiktion der Bedingung in Art. 156 OR einen Schadenersatz nach Art. 97 OR ermöglichen. Schliesslich werden in § 3 auch die dogmatisch interessanten Institute des Widerrufs und des Verzichts auf Bedingungen einer näheren Betrachtung unterzogen. Da der Widerruf nach Art. 16 UEV mit der Regelung der Bedingungen in der Übernahmeverordnung gekoppelt ist, stellt sich insbesondere die Frage, ob der Widerruf wegen des eo ipso Charakters der Bedingung lediglich eine Wissenserklärung darstellt. Diesem Befund wird widersprochen und das Vorliegen einer Gestaltungserklärung befürwortet. Eine vergleichbare Problemstellung zeigt sich beim Verzicht auf Bedingungen. 267 In § 4 wird der Frage der Zulässigkeit von Bedingungen nachgegangen. Dabei werden zunächst Einschränkungen der Zulässigkeit untersucht, die sich bereits aus dem Obligationenrecht oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben. Dabei wird festgestellt, dass es zwar zahlreiche Einschränkungen dieser Art gibt, diese aber für den Bereich der öffentlichen Kaufangebote jedenfalls für die Praxis der Übernahmekommission nicht von grosser Relevanz sind, da sie von den Spezialregeln der Übernahmeverordnung oder börsengesetzlichen Prinzipien verdrängt werden. Gleichwohl könnte bereits unter Obligationenrecht gewissen verpönten Bedingungen zumindest teilweise Einhalt geboten werden. Aus den börsengesetzlichen Grundsätzen der Lauterkeit und Transparenz ergeben sich ferner weitere bedeutende Einschränkungen der Bedingungsfreiheit des Bieters. Diesen Grundsätzen kommt daher für die Beurteilung der Zulässigkeit von Bedingungen selbständige Bedeutung zu. So kann beispielsweise nur der Grundsatz der Lauterkeit verhindern, dass der Bieter sein Angebot mit von ihm nicht beeinflussbaren, aber in keinem Zusammenhang mit der Übernahme stehenden Bedingungen verknüpft. Die neueren Entscheide der Übernahmekommission in Sachen Multipapiers / Baumgartner und Incentive / Sulzer bestätigen diesen Befund. Selbstverständlich wird in § 4 auch die zentrale Bestimmung von Art. 13 UEV über die Zulässigkeit von Bedingungen erörtert. Die darin gemachten Einschränkungen auf nicht wesentlich beeinflussbare und aufschiebende Bedingungen werden kritisch hinterfragt. Während die Unzulässigkeit massgeblich beeinflussbarer Bedingungen sicherlich wünschenswert ist und auch von vielen anderen Ländern praktiziert wird, bleibt der Nutzen einer Einteilung in aufschiebende und auflösende Bedingungen weit weniger klar. Die Unterscheidung betrifft lediglich die Frage der Befristung des Bedingungseintritts und somit die Risikoallokation zwischen Ende der Angebotsfrist und Vollzug. Dieses Problem kann aber auch ohne das verwirrende Begriffspaar aufschiebend/auflösend gelöst werden. Soweit ersichtlich benutzt auch keine andere Rechtsordnung eine derartige Unterscheidung. Es bleibt allerdings die Feststellung, dass der Zulässigkeit von Bedingungen bei öffentlichen Kaufangeboten nach Art. 13 UEV nur schwer mit generellen Kriterien beizukommen ist. Ein kasuistischer Ansatz zu Ende des Kapitels versucht daher, das Bild abzurunden. In § 5 wird schliesslich das Spezialregime der Bedingungen beim Pflichtangebot untersucht. Selbstverständlich bleiben jedoch die Vorgaben für freiwillige Angebot auch hier anwendbar. Die Zulässigkeitsordnung von Bedingungen beruht im Gegensatz zur Ordnung bei freiwilligen Angeboten auf Anforderungen an den Inhalt der Bedingung und umfassen Tatbestände durch die ein Erwerb der Kontrolle über die Zielgesellschaft durch den Bieter trotz Angebotspflicht verunmöglicht oder stark erschwert würde. So sieht die einschlägige Bestimmung von Art. 32 BEHV-EBK unter anderem die Zulässigkeit einer Bedingung vor, wenn die Genehmigung von Wettbewerbsbehörden erforderlich ist. In der Regel ist jedoch schon das die Angebotspflicht auslösende Erwerbsgeschäft qua Fiktion des Kontrollerwerbes und nicht erst der Auskauf der restlichen Aktionäre 268 bewilligungspflichtig, weshalb dieser Bedingung in der Praxis keine grosse Rolle zukommen wird. Hingegen kann der Eintragung im Aktienregister der Zielgesellschaft bzw. der Beseitigung von Stimmrechtsbeschränkungen in einem feindlichen Umfeld durchaus eine gewisse Bedeutung zukommen, wie der Fall Stancroft / Intersport gezeigt hat. Im Bereich der Sanktionen für unzulässige Bedingungen, wie generell im Bereich von Verletzungen der übernahmerechtlichen Bestimmungen des BEHG besteht eine relativ grosse Rechtsunsicherheit. Die Durchsetzung privater Ansprüche und aufsichtsrechtlicher Sanktionen wird durch das in Art. 26 BEHG vorgesehene Rücktrittsrecht, das der Anordnung einer Untersagung eines unzulässigen Angebots widerspricht, unnötig erschwert. Für die Durchsetzung privater Ansprüche der Inhaber von Beteiligungspapieren wurde versucht, aus dem Normzweck eine Lösung herzuleiten, die der Interessenlage der Parteien gerecht wird. Danach besteht bei unzulässigen Bedingungen im allgemeinen eine schlichte Teilnichtigkeit beschränkt auf die unzulässige Bedingung. Dieser Ansatz führt zur Verbindlichkeit des Angebotes ohne die entsprechende Bedingung und stellt insofern eine spezielle, beschränkte „Angebotspflicht“ auf. Die Durchsetzung der Ansprüche von Beteiligungsinhabern bleibt unter dieser wie auch unter anderen Lösungen dennoch kein leichtes Unterfangen. Mangels eines der Sammelklage vergleichbaren Institutes zur Lösung von Problemen kollektiven Handelns muss jeder Beteiligungsinhaber seinen Anspruch individuell einklagen. Dieser Nachteil wird auch durch die Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden nicht beseitigt. Namentlich das Fehlen von Bussen, die rechtliche Fragwürdigkeit einer Ersatzvornahme und die fehlende Möglichkeit der stellvertretenden Klageeinleitung durch die EBK (Prozessstandschaft) zur Durchsetzung von individuellen Ansprüchen der Veräusserer treten hier als Hürden auf. Angesichts der Singularität des Phänomens wäre eine separate und explizite Regelung der Sanktionen im Bereich der Übernahmeangebote im BEHG wünschenswert gewesen. 269