- Thiesen

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- Thiesen
F R E I TAG , 2 0. J U L I 2 012
*
D I E W E LT
S E I T E 31
HAMBURG
Die Begeisterung teilt der
Hamburger mit seinen Kunden.
An Ignoranten verkauft er nicht
T
Auf einen Mercedes Landaulet
stieß Thiesen in einem
Schrottdamm im Tschad
T
M
ALEXANDRA MASCHEWSKI
anchmal, da sieht man
einen Lastwagen vom
Hof am Mittelweg 119
kommen, und auf der
Ladefläche steht ein
Oldtimer, dessen Lack in der Sonne
blitzt und der die Männer am Straßenrand ein bisschen träumerisch schauen
lässt. Wenn sie wüssten, dass sich hinter
der gemauerten Fassade mit dem
Schriftzug „E. Thiesen. Automobile Raritäten“ ein Ausstellungsraum verbirgt,
der mit seinen rund 45 Fahrzeugen einem Museum gleicht, dann wäre die Begeisterung noch größer. Doch in die Halle gelangt man nur nach Voranmeldung,
und die meisten Oldtimer verlassen den
Hof in einem geschlossenen Anhänger –
aus Sicherheitsgründen.
„Zurzeit wird der Motor des Lastzugs
kaum kalt“, sagt derjenige, der die Schätze auf vier Rädern zusammengetragen
hat. Schon das erste Auto, das Eberhard
Thiesen nach dem Führerschein gefahren hat, war ein Oldtimer. Und weil er
Anfang der 70er-Jahre Probleme hatte,
an Ersatzteile für seinen Mercedes 170
zu kommen, kaufte er irgendwann Teile
für dieses sowie für weitere Modelle aus
den 50er-Jahren auf. „Da andere dasselbe Problem hatten, fing ich an, Ersatzteile an Mercedes-Klubs und Sammler zu
verkaufen, die die Fahrbereitschaft ihrer
Autos auf Jahre sichern wollten.“ Zunächst bereiste Eberhard Thiesen, damals Student der Geschichte, nur das
europäische Ausland, irgendwann kamen
Afrika und Südamerika hinzu. „Ab Mitte
der 80er-Jahre, als alte Ersatzteile kaum
noch zu finden waren, fing ich an, gezielt
nach Oldtimern zu suchen“, sagt Eberhard Thiesen. „Das hatte wirklich viel
mit Archäologie zu tun.“
Und er erinnert sich an eine Reise
nach Afrika, in den Tschad. Er hatte zuvor einen Tipp bekommen – auf einem
Schrottplatz sollte ein Mercedes 600
Landaulet stehen. „Mittlerweile war aber
im Rahmen eines Unesco-Programms
ein Damm gebaut worden, für den man
auch Schrott verwendet hatte“, erzählt
Eberhard Thiesen. Die Rarität steckte also mitten in einer Uferbefestigung, bloß
ein kleines Stück schaute noch heraus.
Man grub das Fahrzeug aus, und irgendwann konnte es von Kamerun aus
verschifft werden. „Diejenigen, die das
ramponierte Ausgangsobjekt gesehen
haben, haben mich für verrückt erklärt.
Zwei Jahre lang hat die Instandsetzung
gedauert“, so der Experte, der laut eigener Aussage zwar selbst „zwei linke Hände“ habe, aber genau wisse, wo etwas
hingehöre. „Später hat ein österreichischer Graf das Auto gekauft, und heute gehört es einem Freund von mir.“
Im Jahr verkauft Eberhard Thiesen etwa 150 Oldtimer, es gibt einige, die mehr
Eberhard Thiesen nimmt mit seinen Oldtimern selbst regelmäßig an Rallyes und Wettbewerben teil
Herr Thiesen und seine
Schätze auf vier Rädern
als einmal durch seine Hände gegangen
sind. Auch heute noch kommt der international renommierte Händler auf 200
Hotelübernachtungen pro Jahr, aber sein
Fernreisefieber habe er eigentlich gestillt, so sagt er. Meistens ist er in Europa unterwegs. „Nach Afrika und Südamerika kam Mitte der 90er-Jahre Russland hinzu, wo es darum ging, sogenannte Beutefahrzeuge aufzuspüren.“ Horch,
Mercedes, Maybach – bei einigen Vorkriegsfahrzeugen konnte man dank Archiven sogar die Herkunft zurückverfolgen. „Diese Art der Schatzsuche hat jedoch mit dem Internet aufgehört“, stellt
Thiesen fest. Wirklich bedeutende Funde seien heute selten. Dass er selbst in
Indien Oldtimer gefunden hat, die aus
Angst vor Diebstahl komplett eingemauert waren, oder in Russland Fahrzeuge
aufspüren konnte, die aus Furcht vor der
Mafia in sämtliche Einzelteile zerlegt
waren, ist lange her.
Heute hat Eberhard Thiesen zehn
Mitarbeiter, die in seiner Heimatstadt
für ihn arbeiten, und eine Niederlassung
im Berliner „Meilenwerk“. Seine Kunden
kommen aus allen sozialen Schichten.
„Das ist ein wenig wie im Fußballstadion, wo der Vorstandsvorsitzende neben
dem Arbeiter jubelt.“ Doch auch wenn
die Liebe zum Automobil verbindet – na-
BERTOLD FABRICIUS
Sein Oldtimer-Handel am Mittelweg gleicht einem Automuseum.
Von hier aus gehen die Raritäten in alle Welt
Die Wagen in der Ausstellungshalle in Pöseldorf. Rund 150 Oldtimer verkauft Thiesen
im Jahr. Immer mehr Kunden kommen aus der arabischen Welt und aus China
türlich überwiegt die Zahl der Sammler,
die über sehr viel Kapital verfügen. Der
teuerste Verkauf, den Eberhard Thiesen
bisher abwickeln konnte, waren zwei Bugattis für zusammen 3,5 Millionen Euro.
„Früher wurden diejenigen, die lieber im
Oldtimer statt im Neuwagen durch die
Gegend fuhren, eher belächelt“, sagt
Eberhard Thiesen. „Heute handelt es
sich beim Oldtimer um ein Investitions-
objekt.“ Selbst während der Krise ab
2008 hätte man weiterhin steigende
Preise beobachten können.
Die Investition in historische Fahrzeuge – je seltener, desto besser – habe international immer weiter zugenommen.
Etwa 60 bis 70 Prozent der Autos würden heute ins Ausland verkauft. „Allerdings finden sich selten Käufer, die gar
keine Beziehung zum Thema haben.“
City-Führer
verweist auf
Barrieren
Genau das ist es, was Eberhard Thiesen mit seinen Kunden eint: die gemeinsame Begeisterung. Das Glück, ein seltenes Fahrzeug zum ersten Mal fahren zu
können. Und da spielt es tatsächlich keine Rolle, ob es sich um einen Großindustriellen mit einer Sammlung für
60 bis 70 Millionen Euro handelt, einen
Schauspieler, Adligen oder um Herrn Jedermann. Über so etwas redet Eberhard
Thiesen ohnehin nicht. „Ego und Eitelkeit spielen auch in dieser Szene oft eine
zu große Rolle, doch mir ist diese Form
der Selbstdarstellung zuwider. Einer will
den anderen übertrumpfen, ich vermisse
oft die unbeschwerte Freude.“
Er selbst nimmt regelmäßig an einschlägigen Wettbewerben und Rallyes
teil, im Hamburger Verkaufsraum blitzen goldene Pokale mit Fahrzeugen von
Porsche, Aston Martin und Mercedes um
die Wette. „In einem Oldtimer erlebt
man die Kraft und die Geschwindigkeit
ganz anders, das ist urgewaltiger als etwa in einem modernen Porsche“,
schwärmt Eberhard Thiesen.
Mit der Globalisierung hat auch er
neue Märkte hinzugewonnen. Die arabische Welt interessiert sich plötzlich für
die Raritäten, und auch aus China kommen immer mehr Kunden. „Dort hat
man natürlich nur wenig Assoziationen,
wenn es um Autos aus der Vorkriegszeit
oder aus den 50er- und 60er-Jahren geht.
Doch das ändert sich in dem Maße, wie
das Interesse an westeuropäischer Kultur zunimmt.“ Ein chinesischer Kunde
habe bereits für viele Millionen Fahrzeuge gekauft in der Hoffnung, diese bald
zulassen und nutzen zu können – das sei
in seiner Heimat noch nicht erlaubt.
Der Fachmann kann nicht von allen
Kunden die größte Expertise erwarten,
doch was er voraussetzt, ist ein gewisses
Maß an Respekt vor der Geschichte des
Fahrzeugs. „Ich habe einmal den Mercedes von Gert Fröbe gehabt, und ein Interessent wollte das alte Leder ersetzen,
obwohl dies noch sehr schön war. Ich
habe ihm das Auto nicht verkauft.“
„Ich sehe mir bekannte Wagen immer
wieder zirkulieren“, erzählt Thiesen. Je
nach Dollar-Kurs bewegten sich die Warenströme etwa zwischen den USA und
Europa hin und her. „Es gab einmal einen Kasino-Besitzer aus Las Vegas, der
sich in den Kopf gesetzt hatte, alle Mercedes-770-K-Modelle aufzukaufen, die es
noch gab.“ Von weltweit 40 Wagen habe
er tatsächlich 21 erwerben können. „Seine Witwe verkaufte sie schließlich alle,
die des Folgebesitzers tat dasselbe, und
heute sind die Autos wieder in aller Welt
verstreut.“ Ein bisschen Wehmut
schwingt in seiner Stimme mit, wenn er
solche Anekdoten erzählt.
Doch Thiesen weiß auch, dass nur wenige richtige Sammler tatsächlich alles
verkaufen. „Das Thema ist wie eine Art
Infektionskrankheit, das lässt einen
nicht mehr los.“ Er selbst ist da keine
Ausnahme. Immer wieder hat er sich
von Fahrzeugen getrennt, doch eine Ausnahme ist sein Lancia D50. Der sei einfach „zu schön“. Wenn also das nächste
Mal ein Transporter vom Hinterhof rollt,
dann weiß man zwar nicht, welcher
Schatz hier seine Reise antritt, aber der
kleine Rennwagen von Eberhard Thiesen
ist es mit Sicherheit nicht.
120 „Scouts“ fahnden
dafür in Hamburg
nach Hindernissen
R
und 120 „Barriere-Scouts“ ziehen
in diesen Wochen durch Hamburgs Straßen. Sie prüfen, wo
Rollstuhlfahrer an Treppen scheitern, ob
Ampeln Hörsignale für Blinde haben und
wo Gehörlose im Straßenverkehr gefährdet sind. Bis Ende des Jahres sollen die
Daten verarbeitet und in Buchform als
handlicher Stadtführer vorliegen. Der
evangelische Kirchenkreisverband Hamburg fördert das Projekt mit 30.000 Euro. Zum Kirchentag in Hamburg Anfang
Mai 2013 wird dann zumindest für die
Innenstadt ein behindertengerechter
Stadtplan vorliegen. Die Schirmherrschaft für das Projekt hat Bischöfin Kirsten Fehrs übernommen.
Träger des Projekts ist der Verein
„Hamburg barrierefrei“. Im Auftrag des
BFW Vermittlungskontors in HamburgFarmsen sind rund 120 „Ein-Euro-Jobber“ als Barriere-Scouts tätig, die sich
hier in Bereichen wie Medien und Vertrieb weiterbilden können. Jeweils ein
behinderter und ein nicht behinderter
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Scout gehen einzelne Straßen ab und begutachten Geschäfte, Restaurants, Behörden und Kreuzungen. Andere Gruppen kümmern sich um die Belange von
Gehörlosen und Blinden.
Projekt-Initiator Axel Staeck möchte
seinen Stadtplan nicht nur als Hilfe für
behinderte Menschen verstehen. Auch
ältere Menschen oder Eltern mit Kinderwagen seien froh, wenn sie nicht durch
Stufen und Engpässe behindert würden,
sagt der engagierte Ehrenamtler, der im
Hauptberuf eine Kommunikationsagentur leitet. „Wir leben in einer alternden
Gesellschaft – Barrierefreiheit geht jeden
an.“ Hamburgs Fußgängerbrücken etwa
seien so gut wie nie barrierefrei. Verwundert hat Staeck die Tatsache, dass
auch die Neubauten in der Hafencity
nicht barrierefrei seien. Auch hier gebe
es Türen, die ein Mensch im Rollstuhl
nicht allein öffnen kann. Selbst in den
Krankenhäusern seien einige Bereiche
für Rollstuhlfahrer oder Blinde nicht erreichbar.
Ein erster Stadtführer ist mit Unterstützung der Evangelischen Stiftung Alsterdorf bereits für die Region Alsterdorf
erschienen. Der neue City-Führer umfasst Alt- und Neustadt vom Hauptbahnhof bis zum Michel und vom Dammtor
bis zur Hafencity. epd
LEUTE VON WELT
JÜRGEN JOOST
Tennis-Stars & Gäste
feierten am Rothenbaum
Publikumsliebling Tommy Haas kam mit
seinen Eltern Brigitte und Peter zur
Players Night am Rothenbaum
Zur offiziellen Players Night luden Turnierdirektor und Wimledon-Gewinner
Michael Stich, Detlef Hammer, Geschäftsführer Hamburg sports & entertainment (HSE), und Partner Jens Pelikan. Nicht wie sonst ins Spielerhotel
„Grand Elysée“, sondern ins VIP-Zelt
am Rothenbaum. Und die direkte Tennisplatz-Atmosphäre tat der Veranstaltung gut. Denn es wurde zu einer aus-
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5x IN HAMBURG.
„Tagesschau“-Sprecher Marc Bator, ExHSV-Spieler Stefan Schnoor, NDR-Moderator Alexander Bommes
Kamen etwas später: Deutschlands bester
Tennisspieler Philipp Kohlschreiber und
sein Coach Markus Wislsperger
gelassenen vergnügten Party, bei der zur
späteren Stunde auch heftig getanzt
wurde. 350 Gäste feierten bei SteakBurger, Spanferkel, Sushi, Pasta und
Getränken. Die letzten Gäste gingen
erst um kurz vor drei Uhr. Publikumsliebling Tommy Haas, gebürtiger Hamburger und Wahl-Amerikaner, hatte allen Grund zum Feiern. Er schlug am Nachmittag den
Titelverteidiger Gilles Simon aus
Frankreich, angefeuert von seiner
Verlobten, der US-Schauspielerin
Sara Foster und rund 5000 Zuschauern. Zur Players Night kam Tommy
ohne Sara, aber mit seinen Eltern
Brigitte und Peter Haas. Heute
spielt er im Viertelfinale gegen den
Deutschen Florian Mayer, der sich
auch auf der Players Night sehen ließ
und sich bestens mit „Fanta 4“Sänger Smudo unterhielt. Auch der
gebürtige Reinbeker Julian Reister
schaute vorbei. Er verlor leider am
Donnerstag im Achtelfinale gegen
den Franzosen Jeremy Chardy.
KÜNSTLER NOAH WUNSCH
Ein Abend zur Förderung des
Jüdischen Bildungszentrums
Gut drauf:
TurnierDirektor
Michael Stich
und seine
Frau
Alexandra
Tennis-Ass Florian Mayer und „Pommes
Essen“-Neu-Schauspieler Smudo von den
Fantastischen Vier
Lilli Hollunder, Freundin von HSV-Torwart René Adler, Schauspielerin Nova
Meierhenrich und Lena Terstegge
+
Der Hamburger Künstler Noah Wunsch
hat schon in vielen Teilen der Welt gelebt, gemalt und ausgestellt. So sorgte
auch sein knapp 200 Meter breites Altarbild, das er in der königlichen Saline in
Arc-et-Senans ausstellte, nicht nur in
Frankreich für Furore. Arbeiten von ihm
sind auch im Herzzentrum am UKE zu
sehen. Jetzt lud Noah Wunsch knapp
100 Gäste zur Kunstausstellung unter
dem Motto „Leben“ in den Elbhof in der
Hafencity, um ein wichtiges Projekt zu
unterstützen. Mit seiner Ausstellung
möchte der vielseitige Künstler – er
lernte auch Fotografie, studierte Musik,
Schauspiel und Tanz – das Jüdische
Bildungszentrum in der Rothenbaumchaussee 19 unterstützen. Der Erlös des
Abends ist dafür bestimmt. Denn die
Neugestaltung des Hauses, das vor dem
Krieg einer jüdischen Familie gehörte,
kostet viel Geld. Und da werden noch
Stifter und Förderer gebraucht. Landesrabbiner Shlomo Bistritzky dankte
dafür, dass der Traum eines großen
Jüdischen Bildungszentrums wahr werde. Noch residiert das Zentrum räumlich
beschränkt in der Rentzelstraße. Doch in
der Rothenbaumchaussee sind eine
Bibliothek, eine Kinderkrippe, ein Veranstaltungssaal und vieles mehr geplant.
Von den 22 großen Noah-Wunsch-Arbeiten wurde sogleich ein Bild verkauft.
„Leben“ nannte er die Ausstellung, „weil
der Abend am 18. Juli stattfand, die 18
bedeutet Leben im jüdischen Glauben“.
Der Künstler Noah Wunsch vor einer
seiner farbenprächtigen Arbeiten mit
Rabbiner Shlomo Bistritzky
JÜRGEN JOOST
PLAYERS NIGHT
Unter den Gästen der Ausstellung: Schauspielerin Angelika Bartsch mit ihrem
Kollegen Knut Koch

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