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LENTOS Kunstmuseum Linz
Pressemappe
YOU NEVER KNOW WHAT
WILL HAPPEN NEXT…
Die Sammlung 1900-2010
DVR-Nummer 0002852
ab 12. Februar 2010
LENTOS Kunstmuseum Linz, A-4021 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1
Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at
Inhaltsverzeichnis
Ausstellungsdaten
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Pressetext zur Ausstellung
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Begleitprogramm
5
Raum 1: 1900-1909
8
Raum 2: 1910-1919
9
Raum 3: 1920-1929
12
Raum 4: 1930-1939
14
Raum 5: 1940-1949
16
Raum 6: 1950-1959
18
Raum 7: 1960-1969
19
Raum 8: 1970-1979
21
Raum 9: 1980-1989
22
Raum 10: 1990-1999
23
Raum 11: 2000-2010
26
Pressebilder und Bildlegenden
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Seite 2
Ausstellungsdaten
Ausstellungstitel: YOU NEVER KNOW WHAT WILL HAPPEN NEXT…
Die Sammlung 1900-2010
Ausstellungsdauer ab 12. Februar 2010, Eröffnung: 11. Februar 2010, 19 Uhr
Pressekonferenz
10. Februar 2010, 10 Uhr
Ausstellungsort
LENTOS Kunstmuseum Linz
Exponate
rund 194 Werke von mehr als 120 KünstlerInnen
Kuratorin
Dr. Elisabeth Nowak-Thaller
Publikationen
„You never know…“ Wie sage ich es den BesucherInnen? Eine
in
museumspädagogische Broschüre/Zeittabelle für Interessierte, LehrerInnen
oder SchülerInnen von Maria Meusburger, Ingrid Pohl und Elisabeth NowakThaller. Die „timeline“ zur Sammlung bietet kurze Informationen auf einer
Reise durch 110 Jahre Kunstentwicklung. Der 11-seitige Folder fungiert als
erweiterbares Modul, das durch Arbeitsblätter kontinuierlich ergänzt wird.
in
Saaltexte
Dr. Elisabeth Nowak-Thaller
Kontakt
Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz, Tel. +43(0)732/7070-3600;
[email protected], www.lentos.at
Öffnungszeiten
tägl. 10-18 Uhr; Do 10-21 Uhr
Eintritt
€ 6,50, ermäßigt € 4,50
Führungen
donnerstags 19 Uhr und sonntags 11 und 16 Uhr
Die Führungen um 16 Uhr entfallen im Juli und August.
Dauer: 1 Stunde, Treffpunkt: LENTOS Kassa, Führungsbeitrag: € 3,Im Rahmen der Ausstellung finden zahlreiche Begleitveranstaltungen statt.
Informationen dazu auf Seite 5.
Pressekontakt
a
Mag. Nina Kirsch, Tel. +43(0)732/7070-3603, [email protected]
Gesprächspartnerinnen bei der Pressekonferenz:
Stella Rollig, Direktorin des Lentos Kunstmuseum Linz
Elisabeth Nowak-Thaller, Kuratorin der Ausstellung
Seite 3
YOU NEVER KNOW WHAT WILL HAPPEN NEXT…
Die Sammlung 1900–2010
ab 12. Februar 2010
Im großen Format gibt das LENTOS den BesucherInnen Gelegenheit, den seit der Eröffnung
des Museums umfassendsten Einblick in die Sammlung zu nehmen, die Fülle wie die
Gegensätzlichkeit der Bestände kennen zu lernen.
Wir feiern das neue Jahrzehnt, ziehen Bilanz, forcieren aktuelle Ausblicke und wagen eine
Neupräsentation. Jedem der elf Räume ist ein Jahrzehnt zugeordnet. Das chronologische
Prinzip wird durch überraschende Interventionen von KünstlerInnen vom 19. Jahrhundert bis zur
Gegenwart durchbrochen. Die Arbeiten gehen assoziative Verbindung miteinander ein, mischen
sich – offensichtlich, provokativ oder auch im Verborgenen – ein.
Korsett der unkonventionellen Präsentation sind somit 110 Jahre, eine gewaltige Periode voller
Aufbrüche, stilistischer Vielfalt und Veränderung. Eine Ausstellung, die individuelle Zugänge zu
Werken ermöglicht, die Denkanstöße schafft, viele Neuerwerbungen sowie Stiftungen des
Fördervereins zeigt. Unorthodoxe Kombinationen regen zu neuen Sichtweisen an, ermöglichen
dem Publikum ganz neue Einblicke in die Entwicklung der Moderne und die Ankaufspolitik eines
Museums.
110 Jahre Kunst aus dem reichen Fundus in lustvoller Verknüpfung: der Parcours durch die
Ausstellung wird zum Abenteuer. Man trifft Berühmtes, selten Gezeigtes, neue Gesichter,
manche „Störenfriede“ und viele alte Freunde.
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Begleitprogramm
Director’s Choice: Wie kommt ein Bild ins Museum?
Der Gründungsdirektor des LENTOS, Prof. Peter Baum bzw. Direktorin Stella Rollig
präsentieren ihre wichtigsten Kunstankäufe und sprechen über Ankaufsüberlegungen,
-strategien, -prozedere, persönliche Vorlieben, Künstlerfreundschaften sowie über Einflüsse des
Kunstmarkts und Einmischungen.
Direktorin Stella Rollig: Do 18.03.2010, 19 Uhr
Professor Peter Baum: Do 24.06.2010, 19 Uhr
Dauer: 60-90 Minuten / Führungsbeitrag: € 3,-
Hot spot LENTOS
Kunst mal zwei: Inspirationen – ein exklusiver Abend, an dem die Kunsthistorikerinnen des
LENTOS oder ein/e KünstlerIn in einer „Doppelconférence“ in die Welt der Kunst einführen, um
anschließend bei einem kleinen Imbiss die Eindrücke zu diskutieren.
in
Dr. Brigitte Reutner und Julie Hayward, Bildhauerin
Dauer: 90 Minuten / Führungsbeitrag € 10,- (inkl. Imbiss, Getränk)
Do 25.03.2010, 19 Uhr
Sammeln in der Stadt, 2 auf einen Streich
Lernen Sie die städtischen Schätze im LENTOS und im NORDICO (Sonderausstellung:
Berührungen, Begegnungen. Kubin / Siewert / Bilger / Haesele) an einem Abend kennen. Es
erwartet Sie ein Rundgang durch die „Abgründe“ des 20. Jahrhunderts mit Brigitte Reutner
und Elisabeth Nowak-Thaller.
in
in
Dr. Brigitte Reutner und Dr. Elisabeth Nowak-Thaller
Dauer: 150 Minuten / Führungsbeitrag: € 10,- (inkl. Sektaperitif)
Do 27.05.2010, 19 Uhr
Die Wichtigsten, Einflussreichsten, Teuersten?
Der Kunstkompass vergleicht seit 40 Jahren etwa 16.000 Kunstschaffende weltweit und gilt als
Gradmesser für Renommee und Ruhm lebender Künstler und Künstlerinnen. Jährlich wird eine
Rangliste mit 100 KünstlerInnen erstellt. Bewertet werden Einzelausstellungen in international
bedeutenden Museen, Teilnahme an wichtigen Gruppenausstellungen, Ankäufe von
angesehenen Museen, Repräsentanz in Musées Imaginaires und Rezensionen in
renommierten Kunstzeitschriften. Markterfolg und Auktionspreise spielen bei der Bewertung
keine Rolle. Elisabeth Nowak-Thaller widmet sich den Masterpieces in der LENTOS Sammlung.
in
Dr. Elisabeth Nowak-Thaller
Dauer: 60-90 Minuten / Führungsbeitrag: € 3,Do 11.03.2010, 19 Uhr
Seite 5
Rosa. Eigenartig grün …
Expressionismus, Informel und Abstrakter Expressionismus. Ein Rundgang durch die
in
Sammlung mit der Kuratorin Dr. Elisabeth Nowak-Thaller.
Dauer: 60-90 Minuten / Führungsbeitrag: € 3,Do 15.04.2010, 19 Uhr
THEMENFÜHRUNGEN MIT KUNSTVERMITTLERINNEN
Resonanzen
Denk- und Empfindungsweisen in der Kunst des 20. Jahrhunderts.
a
Mag. Ingrid Pohl
Do 04.03.2010, 19 Uhr
So 28.02.2010, 16 Uhr
Gesellschaftlich engagierte Kunst
KünstlerInnen ergreifen Partei, zeigen sich betroffen, klären auf.
a
Mag. Ingrid Pohl
So 21.3.2010, 16 Uhr
Do 22.04.2010, 19 Uhr
11 Jahr10te
Kunstwerke im Spiegel der Zeitgeschichte und des politischen Kontextes
a
Mag. Korinna Kohout
So 14.02.2010, 11 Uhr
So 07.03.2010, 16 Uhr
So 11.04.2010, 11 Uhr
Woher stammen die LENTOS-Werke?
Zur Geschichte der Sammlung und zur Provenienz ausgewählter Exponate
a
Mag. Korinna Kohout
So 16.05.2010, 11 Uhr
So 13.06.2010, 16 Uhr
So 18.07.2010, 11 Uhr
Das Bild vom Menschen – Porträts in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext
In keinem Jahrzehnt fehlt das Porträt als Thema der Kunst. Der Ausstellungsrundgang fragt
nach den historischen, individuellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen
die Porträts entstanden sind und versucht, im Vergleich ein lebendiges Bild der vergangenen
110 Jahre zu zeichnen.
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a
Mag. Maria Meusburger-Schäfer
Do 29.04.2010, 19 Uhr
Do 06.05.2010, 19 Uhr
Ästhetik im Wandel der Kunst
Der Begriff der Schönheit, der weitläufig mit Ästhetik ident ist, verändert sich im Laufe der
Moderne radikal. Hässlichkeit, Obszönität und Kitsch werden in moderne und zeitgenössische
Posititonen eingegliedert – kann heute überhaupt noch vom „Schönen“ gesprochen werden?
Sandra Kratochwill
Do 18.02.2010 / 19 Uhr
So 21.02.2010 / 11 Uhr
GrenzgängerInnen der Moderne
Der Verlauf der Kunstgeschichte wird weitläufig als Übergang charakterisiert. Der
Themenrundgang beleuchtet die Brüche und damit verbundenen GrenzgängerInnen der
Kunstgeschichte.
Sandra Kratochwill
Do 08.04.2010, 19 Uhr
So 18.04.2010, 11 Uhr
Führungsbeitrag jeweils € 3,-
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Raum 1: 1900 – 1909
Paula Modersohn-Becker
Landschaft mit drei Kindern und Ziege, 1902
Lois Renner
Wong Kar-Wei (Eifersucht), 2007
Tina Blau
Holländische Landschaft, um 1905
Ernst Stöhr
Ohne Titel (Interieur), um 1903
Helene Funke
In der Loge, 1907
Gustav Klimt
Kühe im Stall, 1900/1901
Broncia Koller-Pinell
Bildnis Theresia Coudenhove, um 1905
Fritz von Uhde
Damenbildnis in Schwarz (Tochter des
Künstlers), um 1900
Albert Ritzberger
Weiblicher Halbakt, um 1900
Ferdinand Andri
Die Gärtnerin, um 1900
Leopold Forstner
Schwimmende, 1908
Das Menschenbild, – der weibliche, der männliche Blick?
"Verdichtung aller visuellen Möglichkeiten“, das ist für Lois Renner die große Stärke der
Malerei. Malerei ist das Medium, auf das sich Renner in seinem gesamten Werk bezieht, auf
dessen Tradition und seine Möglichkeiten in der Gegenwart.
Lois Renner ist einer der radikalsten zeitgenössischen Künstler, der alle verfügbaren Medien
der Bildproduktion auf der Höhe der Zeit einsetzt, wahrlich „aufmischt“: Ölmalerei, Aquarell,
Fotografie, das elektronische Bild, digitale Bildbearbeitung. Die neuen Werke, hier Wong KarWei (Eifersucht), 2007 – nach einem Standbild aus dem Film In the Mood for Love des
chinesischen Regisseurs, werden Schicht um Schicht aus den genannten Medien aufgebaut,
dies ganz vergleichbar der traditionellen Lasurmalerei. In einzelnen Zonen im Bild setzen sich
unterschiedliche Medien durch, Malerisches oder Fotografisches wird auf- bzw. abgeblendet.
Nach einem Filmstandbild entsteht nun ein Ölgemälde, das im Computer mit der Fotografie
überblendet und Ausschnitt um Ausschnitt bearbeitet, quasi „verschmolzen“, wird.
Lois Renner wurde bereits 2008 eingeladen die LENTOS-Sammlung aufzumischen.
Aktuell begegnet der Künstler zahlreichen bedeutenden Werken der Kunstgeschichte,
vorwiegend von Künstlerinnen, die in verschiedensten Porträts die gesellschaftliche und
individuelle Befindlichkeit sensibel erfassen. Der Wandel des Menschenbildes kann an einer
Vielzahl von Porträts in der Sammlung bis in die Gegenwart verfolgt werden.
Sehen Künstlerinnen ihre Modelle anders? Wie unterscheidet sich der männliche vom
weiblichen Blick?
Leopold Forstner, Alfred Ritzberger, Ferdinand Andri, Fritz von Uhde und Lois Renner zeigen
uns Frauen in einem privaten, intimen, stillen, jedoch durchaus „dekorativen“ Moment.
Helene Funke, Broncia Koller und Paula Modersohn-Becker präsentieren Frauen der
Gesellschaft, Mütter mit Kindern und Tieren, wir lernen sie beim Besuch im Theater kennen
oder verreisen mit Tina Blau nach Holland.
Das mitunter harte Leben dieser Malerinnen ist die Geschichte einer Emanzipation:
Künstlerinnen auf dem Weg zu sich selbst, zu ihrer eigenen Identität. Malerinnen, die sich über
Konventionen und Vorurteile hinwegsetzten und ihren unverwechselbaren Stil finden. Allen
gesellschaftlichen Widerständen zum Trotz „malen sie doch…“.
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Raum 2: 1910–1919
Gustav Klimt
Frauenkopf, 1917
Otto Müller
Badende Mädchen, um 1929
Afrikanische Maske vom Stamm der
Rega, o. D.
Badende, o.D.
Egon Schiele
Doppelbildnis Heinrich und Otto
Benesch, 1913
Karl Schmidt-Rottluff
Betender Mann (Der Abwehrende), 1917
Holzrelief eines Bärtigen (Bärtige
Maske), 1912
Bildnis Trude Engel, 1915
Weiblicher Kopf mit kurzem Haar, 1916
Oskar Kokoschka
Die Freunde, 1917
Alfred Wickenburg
Selbstbildnis in persischer Tracht, 1920
Bildnis R. S. (Rosa Schapire), 1915
Moses, 1919
Heiliger, 1918
Max Pechstein
Die Unterhaltung, 1919
Frau mit rotem Haar, 1919
Metallrelief mit liegendem Akt, 1911
Robin C. Andersen
Sinnende, 1920
Weib vom Manne begehrt, 1919
Max Beckmann
Pierrot mit Maske, 1920
Arnulf Rainer
Das gebildete Auge, 1983/1984
Marianne von Werefkin
Schneewirbel, 1915
„Malerei, um die Malerei zu verlassen …“
Arnulf Rainer, ein Verbündeter der Expressionisten?
Der österreichische Künstler Arnulf Rainer wurde vor allem durch seine expressiven
Übermalungen von bestehenden Gemälden, die Bearbeitung von Fotos, Papierarbeiten oder
Objekten bekannt.
Davor malte Rainer, meist in Serie, unter Einfluss von Drogen. Noch heute sucht er das Extrem,
bringt Farbe ohne Pinsel mit Händen und Füßen auf die Leinwand. Dann stellt er die Bilder zur
Seite und wartet ab. Schließlich beginnt er, mit heftigen Bewegungen neue Akzente
aufzubauen: dramatische Verdichtungen, Zumalungen entstehen, die Aktionen reichen von
hitzig-jähzornig und wild-abrupt bis zu lyrisch oder beschaulich. Das Werk von anderen
Künstlern, oft handelt es sich um religiöse Vorlagen, wird zum „Humus für das eigene
Schaffen“.
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Bereits 1949 kam Rainer zur Anfüllung, seit 1954 ist die Übermalung Rainers Markenzeichen.
Die ersten Übermalungen von Totenmasken, religiösen Bildnissen oder seinem eigenen
Gesicht wirken abstoßend, frech und – paradoxerweise – ebenso poetisch wie geheimnisvoll.
Gehört sich so etwas? Ist das nicht entwürdigend? Rainer möchte den Betrachter irritieren. Was
kann uns heute noch erschüttern, zweifeln lassen, zum Denken anregen? Bewusst zerstört
Rainer die Aura des darunter liegenden Bildes. Rainer sagt, er rassle mit Geistereffekten,
verunsichere durch Abstoßung und Provokation.
„Malerei entsteht, um Malerei zu absorbieren, sie zu entwerfen und zu beerdigen. Das
Kunstleben der Großstädte wird immer mehr zu einer Schlacht, zu einem Gemetzel eines jeden
gegen jeden. Die Geburt der Kunst stammt aus einem Akt gegen die vorherrschende Kunst (sie
feiert übrigens kurz nach ihrer Ermordung eine museale Wiederauferstehung)“, so der in
Enzenkirchen, Teneriffa und Wien lebende Künstler, der über sein eigenes „Unvergnügen, über
alles, was er produziert“, gerne lamentiert.
Als bedeutender internationaler Vertreter und als Teil einer langen österreichischen
kunstgeschichtlichen Tradition, die vom Barock bis zum Expressionismus reicht, ist Arnulf
Rainer nicht nur Provokateur, sondern ein gestischer „Übermaler“, der die unterschiedlichsten
Zustände von Mimik und Körpersprache durchspielt. Der Künstler versucht, dem menschlichen
Ausdruck bzw. der Natur noch mehr abzugewinnen und auf Verborgenes aufmerksam zu
machen.
Hier trifft er als idealer Widerpart auf die deutschen Expressionisten, die Brücke-Künstler bzw.
auf Egon Schiele und Oskar Kokoschka. Es gibt viele Gemeinsamkeiten: Das „klassische
Element“ und die akademische Ausbildung werden mit Leidenschaftlichkeit verabscheut. Große
Begeisterung wird den „Primitiven“, dem „Archaischen“ bzw. der Kunst der Geisteskranken und
Unverbildeten entgegengebracht.
Expressionistische Künstler schildern nicht, sondern erleben, geben nicht wieder, sondern
vereinfachen. Sie versuchen, durch Zertrümmerung bzw. Auslöschen von Formen und
Übersteigerung des Ausdrucks ihr Innerstes nach außen zu kehren. Gemeinsam sind diesen
„Wilden“ der Widerspruch, die Provokation und die Überzeugung, dass ein Umsturz aller Werte
notwendig ist, um die Kunst zu erneuern. Schmidt-Rottluff, Mueller, Kirchner, Pechstein, Heckel
oder Beckmann, Schiele und Kokoschka suchen – wie Arnulf Rainer – Erlösung aus der
seelischen Spannung.
Expressive Kunst markiert stets das Ende einer heilen, bürgerlichen Welt. Sie bringt bis heute
die Gemüter in Wallung und sorgt, in immer neuen Ausformungen, für hitzige Debatten.
„Rosa. Eigenartig Grün ...“
Stiftung Prof. Dr. Paul und Grete Neurath, Wien
Aby Warburgs launiger Äußerung, Rosa Schapire benähme sich „eigenartig grün“, verdankte
eine 2009 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg präsentierte Ausstellung ihren Titel.
Rosa Schapire wurde 1874 in Galizien geboren und lebte von 1905 bis 1939 in Hamburg. Die
unverheiratete Kunsthistorikerin, die nie eine feste Stellung annahm, hielt wortgewaltige
Vorträge und schrieb kunst- und gesellschaftskritische Publikationen. Sie pflegte eine enge
Freundschaft mit den Künstlern der Brücke und vermittelte deren Werk mit großem
Engagement an Sammler, Galerien und Museen. Der von Schapire verfasste Œuvrekatalog zur
Druckgrafik von Karl Schmidt-Rottluff ist bis heue ein Standardwerk. Ihre kritische Haltung dem
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Nationalsozialismus gegenüber führte 1935 bereits zu einem Hausverbot in den Hamburger
Museen. Rosa Schapire emigrierte 1939 nach London und führte dort die Vermittlungsarbeit für
den deutschen Expressionismus engagiert fort. Sie starb 1954 bei einem Besuch in der Tate
Gallery.
Während Museen und Galerien zögerlich auf den neuen Expressionismus reagieren, statuiert
Schapire in ihrer Wohnung ein Exempel zeitgenössischer Kunst: Im 3. Stock der
Osterbeckstraße 43 in Hamburg kreiert Karl Schmidt-Rottluff für sie ein expressionistisches
Gesamtkunstwerk aus Bildern, Möbeln und Textilien. Von solchen alternativen Lebensräumen
hatten die Künstler geträumt, als sie 1905 in Dresden die Künstlergemeinschaft Die Brücke
gründeten. Das Vertrauen in die ästhetische Kraft ihrer Arbeit inspiriert einen utopischen
Gesellschaftsentwurf, in dem Kunst und Leben, Stadt und Land, Zivilisation und ungestüme
Erotik in ein kreatives Verhältnis treten.
„Jeder gehört zu uns, der frei und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt“ –
mit dieser alle sozialen Schichten umarmenden Parole werden Freunde geworben, die
Vermittlungsarbeit leisten sollen.
Mit ihrem intellektuellen Anspruch steht Rosa Schapire für eine emanzipatorische Kulturpolitik,
die bis in die Gegenwart wirkt. Dr. Rosa Schapire ist als Frau im expressionistischen Milieu eine
Ausnahmeerscheinung. Weder als Muse noch als Modell tätig, hat sie keinen Platz in der
erotisch aufgeladenen Arbeitssituation des Wohnateliers. Auch die Rolle der liebend
einfühlsamen Ehefrau fällt ihr nicht zu. Sie steht den Künstlern unabhängig und aktiv
gegenüber, sie interpretiert die Kunstwerke der von ihr geschätzten Maler, sucht nach
Ausstellungsflächen, Käufern und Mäzenen. Berufliches Interesse verwandelt sich in
Freundschaft, ihr Engagement wird durch Geschenke belohnt. Grafiken, Bilder und Schmuck
werden ihr als Anerkennung übergeben, bis sie 1939 eine respektable Sammlung von mehr als
600 Werken besitzt.
Karl Schmidt-Rottluff stand Rosa Schapire am nächsten. Als „stark empfindender, innerlich
reicher Mensch“ habe er „das Wollen unserer Zeit am stärksten ausgedrückt“. Die Tiefe der
Beziehung zwischen Künstler und Interpretin lässt sich nur erahnen, denn beide haben als
Schutz vor den Repressalien der Nationalsozialisten ihre umfangreiche Korrespondenz
verbrannt.
Schmidt-Rottluff und seine Brücke-Kollegen porträtierten Rosa immer wieder als beseelte und
ernste Intellektuelle. Der Holzschnitt, der Rosa als Kunstprophetin zeigt, wurde im Begleitheft
der Ausstellung Entartete Kunst unter dem Motto – der expressionistische Künstler und die
jüdische Frau – angeprangert.
Sabine Schulze: Rosa. Eigenartig Grün …, Katalogauszüge, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg,
2009.
Schapires Sammlung wurde nach ihrem Tod an über 20 verschiedene Museen in der ganzen
Welt verteilt. Die ganz persönliche Kollektion der Kunsthistorikerin kam durch das mit Rosa
Schapire befreundete Wiener Ehepaar Prof. Dr. Paul und Grete Neurath als großzügige Stiftung
im Jahr 2004 in die Sammlung des LENTOS.
Die Schmidt-Rottluff-Stiftung erhält insgesamt 37 Objekte: 11 Skulpturen und
kunsthandwerkliche Gegenstände, 7 Zeichnungen, 4 Lithografien, 7 Radierungen und 8
Holzschnitte. Die Bedeutung Schmidt-Rottluffs als Druckgrafiker, der sich fast immer auf das
reine Schwarzweiß beruft und der ab 1910 zu seinen stärksten Leistungen gelangt, tritt in den
Beispielen dieser Schenkung besonders zu Tage.
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Raum 3: 1920–1929
Man Ray
Zünder, 1922
Glas, 1921
Alexander Rodtschenko
„Samoswre“. Fotoillustration zu einem
Kinderbuch von S. Tretjakow und W. F.
Stepanova, 1926
André Kertész
Bei Mondrian, 1926
Die Schauspielerin A. Chochlowa (Film
„Die Journalistin“), 1927
Satyrische Tänzerin, 1926
Manöver der Roten Armee, 1927
Trauernde Tulpe, 1926
Glas und Licht, 1928
Lászlo Moholy Nagy
Ohne Titel, 1925
Porträt der Stepanova, 1928
Ohne Titel, 1925
Carl Hofer
Damenbildnis (Madame Bailhache), 1926
Walter Peterhans
Serie Stillleben, 1926 - 1936
Anton Hanak
Der brennende Mensch, 1922
Anton Faistauer
Stillleben mit Hyazinthe, um 1922
Klemens Brosch
Sternwarte, 1926
Oskar Kokoschka
Bildnis Marcel von Nemes, 1929
Herwig Kempinger
Ohne Titel, 2004
Albin Egger-Lienz
Ila, die jüngere Tochter des Künstlers,
1920
Aloys Wach
Bauernkrieg, 1925
Willi Baumeister
Darstellung des Apoll, 1922
Robert Angerhofer
Bergsteiger, um 1930
Darstellung des Apoll, 1921
Franz Sedlacek
Der Besessene, 1921
Herbert Bayer
Kulissenbild, 1925
Albert Paris Gütersloh
Stillleben mit Obstteller und Krug, 1922
Georg Merkel
Häuser in Sievering, 1927
Fotografie, das boomende Medium: lästige Konkurrenz?
Schon im 19. Jahrhundert wird eine leidenschaftliche Diskussion über die Kunstwürdigkeit der
Fotografie entfacht. Soll sie sich auf die Bestandsaufnahme der Wirklichkeit konzentrieren oder
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dürfen Manipulationen vorgenommen werden? Wie beeinflusst der fotografische Blick die
Malerei?
In den 1920er Jahren, vor allem am Bauhaus, entwickeln KünstlerInnen wie FotografInnen neue
experimentelle Bildverfahren. Fotogramme und -montagen beginnen, den Kunstmarkt zu
irritieren. Der nüchterne, kühle Blick wird zum neuen Ideal erhoben. Das Zusammenspiel von
technischem und künstlerischem Experiment in der Fotografie reicht seit dieser Zeit bis in
unsere Gegenwart.
Der in Wien lebende Herwig Kempinger bringt das mit allem notwendigen Aufwand produzierte
Einzelbild mit erheblicher Irritation zur Wirkung. Des Künstlers jüngstes Ausgangsmaterial ist
konkret kaum „greifbar“, es zerplatzt vor den Augen – denn es ist Seifenschaum: Bubbles
schimmern und blubbern vor dunklem Grund. Wie hat er das gemacht? Ein Sternenbild, eine
fremde Galaxie? Die Luftblasen eines Tauchers unter Wasser? Eine Sch(Tr)aumlandschaft?
Kempinger interveniert mit einem Hell-Dunkel-Bild, in dem die illusionistischen Möglichkeiten
der Fotografie vorgeführt und gleichzeitig unterlaufen werden. Das Œuvre des Künstlers, das
2007 im LENTOS präsentiert wurde, entstanden in wissenschaftlicher Reflexion auf die
Avantgardefotografie, kreist um die Grundsatzfrage: gegenständlich versus abstrakt.
Alle Fotografien von Herwig Kempinger, dessen Arbeitsweise medienreflexiv und konzeptuell
ist, strahlen etwas Widerständiges und Rätselhaftes aus. Zugleich sind sie schön, glanzvoll und
irritierend. Durch ihre Oberflächen wirken sie einerseits kühl und distanziert, zum anderen
magisch und verführerisch. Kempingers Fotoarbeiten sind physisch erlebbar und verfügen über
sinnliche, nahezu materielle Qualitäten.
Der Blick der BetrachterInnen auf eine zwar alltägliche, jedoch neu erlebbare Realität wird zum
suggestiven Bildinhalt. (Stella Rollig)
„… Ich richte einfach die Kamera auf unterschiedliche Dinge. Bis auf die Wolkenbilder sind alle
meine Arbeiten ‚Straight Photography’ ohne technische Besonderheiten. Es reicht, wenn man
die eigene Aufmerksamkeit ein wenig modifiziert,“ so das präzise Statement des Künstlers.
Fülle und Leere, Verdichtung und Erweiterung von Zeit und Raum, ein flüchtiger Zustand kurz
vor der Auflösung im Kosmos verbinden Kempinger und Klemens Brosch.
Brosch zählt zu den bedeutendsten österreichischen Künstlern zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Seine Horrorvision einer zerberstenden Weltraumstation entstand im Todesjahr 1926. Das
vorwiegend zeichnerische Œuvre ist mit kunstgeschichtlichen Stilbegriffen kaum fassbar –
Symbolismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Surrealismus bestimmen ein fragmentarisches
Werk, in dem Überwirkliches wie Unheimliches gleichermaßen Platz finden. Broschs Frühwerk
ist symbolhaft, oft dämonisch, hintergründig. Sein von Rauschgift, Visionen und Alpträumen
inspiriertes Spätwerk verbildlicht ein grausames Reich der Halluzination. Der Versuch, dem Gift
zu entfliehen, misslingt, zurück bleibt eine Welt voller persönlicher Enttäuschungen, die im 1926
in Linz verübten, inszenierten Selbstmord am Pöstlingberg ein erschütterndes Ende findet.
Brosch ging „mit tragischer Unausweichlichkeit an tödlicher Enge zugrunde. Zu dieser
Verengung gehört auch die fortschreitende, sich geradezu selbst überbieten wollende
Perfektion der Technik …“ (H. Lange).
Mit zerstörerischer Gewalt übernimmt der Traum die Herrschaft über Leben und Schaffen des
Künstlers. Entgrenzungen des Raumes und der Zeit, wie in dem Gemälde Sternwarte
verbildlicht, stehen als Symbol für menschliche Hybris und für das „Scheitern“ des Künstlers.
Die realen Bildelemente verlieren ihre Logik. Dort, wo die Realität in das Reich der Vision
abgleitet, zerbricht der Mensch, erfährt aber als Künstler neue fantastische Welten.
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Klemens Brosch, der die künstlerische Fotografie schon 1910 hoch schätzte, die großen
Meister der Bauhaus-Fotografie und Herwig Kempinger, ein Fotograf, der uns gerne „hinters
Licht führt“, in einem Raum vereint. Allen ist das Befremdliche, Beunruhigende allgegenwärtig.
Sie bürsten gerne gegen den Strich und experimentieren.
Es geht „um das räumliche Empfinden ohne klare Begrenzung“ (Herwig Kempinger).
Resultat sind neue Welten, wechselnde räumliche Konfigurationen aus „inszenierten“ Bläschen
und „imaginierten“ Sternen.
Raum 4: 1930–1939
Alfred Wickenburg
Palazzo, 1931
Lutz Anton
Werfenstein an der Donau, 1936
Wilhelm Thöny
La Ciotat, um 1937
Fritz Fröhlich
Heimgang, 1937
Kurt Weber
Landschaft mit Hund, 1936
Franz Sedlacek
Stadt im Gebirge, 1935
Max (Mopp) Oppenheimer
Kleines Frühstück, Stillleben, um 1940
Richard Diller
Beflaggter Hauptplatz Linz gegen
Norden, 1939
Wolfgang Paalen
Ohne Titel (Figuren), 1936
Michaela Melián
FÖHRENWALD, 2005
Hans Pollack
„Oberdonau“, Blick vom Mühlviertel auf
die Alpenkette, 1939
Die Geschichte der LENTOS-Sammlung beginnt mit einer Kubin-Ausstellung im Jahr 1947 und
mit ihrem Gründer Wolfgang Gurlitt, einem deutschen Kunsthändler, der in den Kriegsjahren mit
„entarteter Kunst“, aber auch mit Raubgut handelte.
Gemeinsam haben das LENTOS und die Stadt Linz eine intensive Provenienzforschung
eingeleitet, die eine gründliche Auseinandersetzung mit der eigenen Sammlungsgeschichte und
der NS-Geschichte der Stadt Linz im Kulturbereich vorsieht. Jahrzehnte war das Thema „NSKunst“ in öffentlichen Diskussionen vermieden worden. Die NS-Zeit findet sich kaum in
KünstlerInnenbiografien – viele KünstlerInnen werden als „unpolitisch, den Idealen der Kunst
verpflichtet“ geschildert. Politische Verstrickungen wurden verschwiegen bzw. mit extremer
Emotionalität erörtert.
Ein „Dafür“ oder „Dagegen“ lässt bekanntlich viele Nuancen zu. Was bedeuten politische
Zäsuren im Leben von Künstlerinnen und Künstlern? Inwieweit änderte sich ein Œuvre oder
musste sich der Künstler anpassen? Wer war Mitläufer, Nazi-Künstler, „entartet“, Opfer oder
Täter? Es gab viele KünstlerInnen, die in der inneren und äußeren Emigration ihr Dasein
fristeten. Welche Handlungsspielräume existierten?
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Linz, im Frühjahr 1943. Vor den neu errichteten Brückenkopfgebäuden stehen probeweise
monumentale Figuren: Kriemhild und Siegfried, thronend auf ihren Pferden. Sie wurden
anlässlich eines Besuchs Hitlers provisorisch platziert, denn die Originale des Bildhauers Graf
Bernhard von Plettenberg waren noch nicht fertig gestellt. Während Hitler von den großen
Entwürfen begeistert war, zeigte sich Architekt Albert Speer eher zurückhaltend. Plettenberg
hoffte noch 1946 auf die Ausführung des Auftrages, dann versanken die Fantasien von der neu
gestalteten „Heimatstadt des Führers“ in Schutt und Asche. Die Brücke war zwar vollendet,
fungierte aber nach dem Krieg als Grenze zwischen den amerikanischen Alliierten und der
russischen Zone in Urfahr. Die vier geplanten Brückenfiguren fehlten, erhalten blieben die
ausgestellten, bis heute viel diskutierten Modelle aus dem Jahr 1939 aus dem Besitz des
Stadtmuseums NORDICO.
Künstler wie Ernst August von Mandesloh und Hans Pollack zogen zwischen 1938 und 1945 als
Funktionäre der Landesleitung der Reichskulturkammer für die oberösterreichische
Künstlerschaft die organisatorischen Fäden. Die Sonderstellung von „Oberdonau“ als
„Heimatland des Führers“ und Linz, das zur „Führerstadt“ avancieren sollte, ließ viele
KünstlerInnen auf Aufträge hoffen. Die realistische Malweise, der Stil der Neuen Sachlichkeit,
bot zusätzlich viel inhaltliches Potenzial zur Vereinnahmung.
Robert Angerhofer, ein Vertreter der Neuen Sachlichkeit, NSDAP-Mitglied und ein geschätzter
Künstler im Gau Oberdonau, erwartete eine Karriere, war er doch schon lange vor dem
Anschluss im oberösterreichischen Kunstleben verankert. Andere wie Richard Diller oder Anton
Lutz wurden beauftragt, wichtige Bauten und Gedenkstätten künstlerisch festzuhalten. Es
entstanden die Aquarelle des Neubaues der Nibelungenbrücke oder der mit Nazi-Fahnen
beflaggte Hauptplatz aus dem Jahr 1939. Anton Lutz, der in den 1930er Jahren Staatspreise
(und die Staatspreismedaille) erhielt, galt auch nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten im März 1938 als führender Maler Oberösterreichs. Sein Gemälde Ruine
Werfenstein wurde zur ersten Großen Deutschen Kunstausstellung ins Haus der Deutschen
Kunst nach München entsandt, wo der Oberösterreicher jährlich mit großem Erfolg wichtige
Arbeiten präsentierte. Anton Lutz und Fritz Fröhlich waren im Gegensatz zu Angerhofer auch
nach dem Krieg erfolgreich in Oberösterreich tätig.
Der Steirer Alfred Wickenburg nahm 1936 noch an der Biennale in Venedig teil, Willy
Eisenschitz lebte bereits seit 1927 in Südfrankreich. Max Oppenheimer und Herbert Bayer
flüchteten 1938 in die Vereinigten Staaten. Der Oberösterreicher Bayer thematisiert durch
Werke und in Texten seine ambivalente Haltung zu seinen NS-Auftraggebern. Wolfgang Paalen
reiste 1939 mit seiner Frau, einer französischen Malerin, auf Einladung von Frida Kahlo nach
Mexiko. Der Steirer Kurt Weber bildete sich in Paris (1934–1936) bei Delaunay und Léger
weiter aus, studierte an der Wiener Akademie noch Bühnenbildnerei und war nach dem Krieg
Lehrbeauftragter für künstlerische Gestaltung an der Technischen Hochschule in Graz. Wilhelm
Thöny, ebenfalls zwischen 1931 und 1938 in Paris tätig, übersiedelte 1938 nach New York.
1948 wurden fast tausend seiner Arbeiten bei einem Brand in New York vernichtet. Franz
Sedlacek, der durch seinen grotesken magischen Realismus eine Sonderstellung in der
österreichischen Kunst einnimmt, kämpfte an der Ostfront. Er gilt seit 1945 als vermisst.
Herbert Boeckl, dessen spätes Meisterwerk mit der Darstellung eines Dominikaners zu den
jüngsten LENTOS-Erwerbungen zählt, schildert seine Erlebnisse in der NS-Zeit:
„Von 38 bis 45 war ich ganz auf mich gestellt. Verfemt. Meine Meisterklasse gab ich ab und
übernahm den Abendakt, das ging gerade noch. Fortgehen hat man nicht mehr können, die Tür
ist schon zugefallen gewesen.“ 1941 tritt Boeckl, wie die meisten Akademieprofessoren, der
NSDAP bei. In seinem künstlerischen Schaffen macht er keine Zugeständnisse an das NSRegime.
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Schwarz-Weiß-Denken, Schubladisierungen und Polarisierungen – steht uns nachfolgenden
Generationen überhaupt ein Urteil zu?
Die Schicksale von Künstlerinnen und Künstlern in einer vom Krieg geprägten kunst- und
menschenfeindlichen Zeit wurden 2009 in der Ausstellung Kulturhauptstadt des Führers im
oberösterreichischen Landesmuseum aufgezeigt. Die Nachwirkungen und Verstörungen sind
bis heute wahrnehmbar, eine Auseinandersetzung auf wissenschaftlichem Niveau gilt als
Meilenstein der Vergangenheitsbewältigung.
Raum 5: 1940–1949
Oskar Kokoschka
Porträt Bundespräsident Dr. Theodor
Körner, 1949
Oskar Laske
Arche Noah (Nach der Sinflut), 1944
Ida Kerkovius
Komposition mit Kirche, 1945
Anton Kolig
Das Werden (Frauenchor), 1946
Das Vergehen (Pietá), 1946
Josef Hegenbarth
In den Trümmern, 1947
Georg Jung
Porträt Richard Billinger, 1947
Baltasar Lobo
Femme á la téte de mort, 1942
Kutlug Ataman
Rahmen, 2009
Josef Dobrowsky
Ernte bei Gewitter, 1948
Graf Bernhard von Plettenberg
4 Modelle der Reiterstandbilder
Siegfried, Kriemhild, Gunther & Brunhild
für die Nibelungenbrücke Linz, um 1940
Emigration oder Anpassung? Künstler und Generäle zwischen den Kulturen …
In seinen Film-, Video- und Fotoarbeiten setzt Kutlug Ataman sich mit den Brüchen zwischen
dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ auseinander – mit Traditionen und Konventionen, Glauben
und Überzeugungen, die innerhalb einer Gesellschaft oder im Aufeinandertreffen
unterschiedlicher Kulturen Konflikte auslösen können. Es geht um die Geschichte der
westlichen Moderne und die Untersuchung der viel zitierten europäischen „Werte“.
Eine vergrößerte Replik einer Fotografie, die in den frühen 1920er Jahren in der Osttürkei – zu
einem Zeitpunkt, als Fotografie noch als neues Medium gewertet wurde – aufgenommen wurde,
steht im Mittelpunkt der Leuchtbox Frame.
Der Bildausschnitt irritiert. Der anonyme Fotograf ignoriert die Logik der westlichen
Kompositionsprinzipien und Rahmung. Der Ausschnitt folgt den Regeln der byzantinischen
Kunst, in der sozialer Status und politische Macht die Größe eines Subjektes bestimmten. Der
General, im Zentrum politischer Bedeutung und an der Spitze staatlicher Hierarchie, posiert
zentral. Die niedrigeren Ränge rücken in den Hintergrund, werden beschnitten.
Kutlug Ataman, einer der international erfolgreichsten türkischen Künstler, der im Frühjahr 2009
mit der Einzelausstellung Mesopotamische Erzählungen im LENTOS zu sehen war, behandelt
die Umbrüche in der Türkei der vergangenen Jahrzehnte. Er thematisiert politische, kulturelle
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und ökonomische Veränderungen, Kämpfe zwischen religiöser und säkularer Weltanschauung,
die Spannung zwischen Osten und Westen.
In der europäischen Kunstgeschichte war die systematische Vernichtung der künstlerischen
Avantgarde schon 1933 ausgerufen worden. Nach der Ausstellung Entartete Kunst, die 1937
durch deutsche und österreichische Museen tourte, wurden „entartete Werke“ getauscht, gegen
Devisen ins Ausland verkauft oder zerstört. Der NS-Kunstpolitik ging es nicht nur um Verfemung
und Diffamierung, sondern um die Vernichtung der modernen Kunst.
1939 versteigerte man im Auktionshaus Fischer in Luzern 125 hochkarätige Gemälde und
Skulpturen aus deutschen Museen und Privatsammlungen. Die Preise für moderne deutsche
Kunst sanken ins Bodenlose. Die Erlöse sollten unter anderem dem geplanten „Führermuseum“
in Linz dienen. Weit über 1.000 „entartete“ Kunstwerke überstanden die „Säuberungsaktion“ der
Nationalsozialisten nicht. Sie wurden im März 1939 im Hof der Berliner Hauptfeuerwache
verbrannt. Das Ende der europäischen Avantgarde war angebrochen.
Der damals in Deutschland lebende österreichische Expressionist Oskar Kokoschka, der 1938
nach London emigrierte, zählte zu den am meistgeschmähten Künstlern des NS-Regimes. Über
400 Werke des Malers wurden aus deutschen Museen beschlagnahmt.
Oskar Kokoschkas von der Stadt Wien im Jahr 1949 in Auftrag gegebenes Bildnis stellt
ebenfalls einen General dar: Dr. h. c. Theodor Körner, General a. D. (1873 Komorn–1957
Wien), führte im Ersten Weltkrieg die 1. Isonzoarmee. Als Mitglied der sozialdemokratischen
Partei war er ab 1925 im Bundesrat, von 1945 bis 1951 Bürgermeister von Wien, zwischen
1951 bis 1957 Bundespräsident der jungen Republik Österreich.
Der Künstler berichtet über sein prominentes Modell:
„In Wien traf ich auch den Bürgermeister der Stadt, den späteren Präsidenten Österreichs,
Theodor Körner, der den Spitznamen ‚Der rote General’ hatte, weil er als Sozialist Kriegsgegner
war. Im Ersten Weltkrieg hat er in der Bukowina mit einer kleinen Schar im eisigen Winter der
russischen Lawine standgehalten. Vor ihm hatten die Russen Respekt. Er hat sich mit allen
Mitteln für Tausende von Flüchtlingen aus Böhmen und Ungarn eingesetzt, Betten requiriert und
im Rathaus aufgestellt und an die Hungernden sofort aus den kümmerlichen Vorräten Brot und
Suppe austeilen lassen. Im prunkvollen viktorianisch-gotischen Sitzungssaal kochten wir uns
auf einem eisernen Sparherd Linsen aus amerikanischen Konserven. Ich habe Körner später –
im Jahr 1949 – gemalt. Menschlich haben wir uns ausgezeichnet verstanden, doch weiß ich
nicht, ob er zur Kunst viel Beziehung hatte.“
Die Porträtsitzungen, die im April 1949 stattfanden, wurden von Erich Lessing fotografiert. Die
Originalabzüge befinden sich seit 1994 im Besitz des LENTOS.
Das Bildnis ist trotz der strengen Komposition von einer spielerischen Leichtigkeit erfüllt, die
durch die bunte, leuchtende Farbigkeit, durch lockere Farbwirbel im Hintergrund und blaue
Umrisslinien verstärkt wird. Der beliebte Bürgermeister erhält eine enorme physische Präsenz.
Besonders auffallend sind die großen, nach oben geöffneten Hände, die Körner als
zupackenden Mann charakterisieren.
Wie kaum ein anderer Künstler besitzt Oskar Kokoschka die Fähigkeit, das Wesen des Modells
intensiv zu erfassen, Körner als mächtigen Staatsrepräsentanten zu charakterisieren und –
nach westlichen Bildprinzipien – „richtig“ ins Bild zu setzen.
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Raum 6: 1950–1959
Georges Mathieu
Le Massacre de la Saint Barthélémy, 1959
Arnulf Rainer
Serie Reste (Übermalungen), 1954-1978
Hans Bischoffshausen
Nest, 1960
Anne Schneider
Pia, 2005
Markus Prachensky
Rouge sur blanc (Rot auf Weiß), St. Stephan,
1960
Hans Staudacher
Poesie objective, 1958
Die Selbstauflösung der Malerei wird im Informel und in der Aktionsmalerei von Künstlern in
Europa und Amerika vorangetrieben. Arnulf Rainer betreibt „Malerei um die Malerei zu
verlassen“. Der Niederländer Karel Appel fordert „ein Künstler sollte frei sein – wie ein Kind und
ebenso frei, naiv gefühlsbetont und phantasievoll malen.“
Die „große Geste“, der prozeßhafte, abstrakte Malakt, wird zum Ausdruck leidenschaftlicher
Gefühle. Die persönliche Handschrift legt innerste Empfindungen frei. „Keine Kunst!“, urteilte
das Publikum vor 60 Jahren. Ob Informel, Abstrakter Expressionismus oder Tachismus, der
Kunstskandal war programmiert.
Kunst als Revolution: Abstrakt contra Gegenständlich lautet zunächst die Kampfparole der
Nachkriegszeit in Österreich. Nach 1945 beginnt eine Phase des Suchens und
Experimentierens mit dem Ziel, Österreich aus der künstlerischen Isolation zu befreien und
endlich Anschluss an die internationale Moderne zu erreichen. Die Künstler und Künstlerinnen
werden erneut zum Gespött der Öffentlichkeit. Die irritierende Stilvielfalt der Mitglieder des 1947
in Wien gegründeten Art Clubs, der als fortschrittliche Plattform für junge Maler, Bilderhauer,
Autoren und Musiker im Kampf um die Autonomie der modernen Kunst gilt, fördert die
Verunsicherung. 1951 verlassen Arnulf Rainer oder Maria Lassnig den Art Club und gründen
mit Ernst Fuchs, Wolfgang Hollegha, Josef Mikl oder Anton Lehmden die Hundsgruppe, die mit
einer legendären Publikumsbeschimpfung startet.
„Nach dem Krieg war's überhaupt so, dass sich jeder, der nicht Nazi-Kunst gemacht hat, mit
dem anderen verstanden hat. Erst später haben wir uns getrennt in verschiedene, fast
feindliche Sparten“, berichtet der Maler Wolfgang Hollegha über die schwierigen HungerNachkriegsjahre in Österreich.
Im Zentrum von großer, gestisch, abstrakter Malerei, die fast ausschließlich von Männern
produziert und dominiert wurde, setzt die zarte, zauberhafte Skulptur von Anne Schneider einen
aktuellen Kontrapunkt.
Die in Wien lebende Oberösterreicherin, die 2008/2009 mit einer Einzelausstellung im LENTOS
präsentiert wurde, besetzt in der jüngeren Generation eine markante Position im Metier der
Skulptur. Der psychische wie der physische Raum, die Suche nach seinen Bestimmungen und
Ablagerungen bildet das Bindeglied von Schneiders vielfältigen Präsentationen, die von der
klassischen Skulptur über Fotografie und Videoprojektion bis zur Rauminstallation reichen.
Wachs ist Schneiders bevorzugtes Material. Der Prozess der Formgebung passiert direkt und
ohne Hilfsmittel, lediglich mit den Händen, denn das flüssige, schnell erstarrende Wachs
ermöglicht nur eine kurze Zeitspanne der Gestaltung.
Die heftige, impulsive Malweise, die zum Markenzeichen der informellen Maler wurde, und
Anne Schneiders spontanes, abstraktes Aufschichten „verknoten“ sich perfekt mit der von
Entgrenzung und Schnelligkeit gekennzeichneten gestischen Abstraktion der 1950er Jahre.
In der Serie Körperpendel (2005/2007) und in der Stele Pia (2005) ist der Rückgriff auf
Giacomettis expressive Skulptur bewusst gesetzt. Methoden wie Dehnung, Verknüpfung,
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Deformation und potenzielle Entgrenzung werden aufgenommen. Anne Schneiders Skulpturen
evozieren einen Bezug zur menschlichen Gestalt. So setzt sich Pias fragiler Körper aus bunten
Baumwollspulen zusammen. Der weiblichen Statue fehlt ein fester Stand, sie kann sich
jederzeit in ein Fadengespinst auflösen. Der wächserne, grob geknetete Kopf verstärkt den
Fetisch-Charakter der Skulptur.
Anne Schneiders Herangehensweise an Materialien und Formfindung ist Experiment auf hohem
Niveau. Ihre Skulpturen sprechen von Umwidmung, Deformation und Überzeichnung. Eine
lustvolle Verknüpfung und Verflechtung mit den Informellen ist garantiert. (Stella Rollig)
„Es gibt wenige reversible Materialien. Es fällt mir leicht, Arbeiten wieder zu zerstören, das
Material bleibt. Es birgt natürlich auch Gefahr, sich zu schnell für die Zerstörung zu
entscheiden, aber im Grunde wird auch dabei Energie freigesetzt. Wahrscheinlich ist mein
ganzer künstlerischer Prozess ein ständiges Zerstören und Aufbauen, ich meine damit kein
Wiederaufbauen, sondern Bauen.“ (Anne Schneider)
Raum 7: 1960–1969
Andrew Molles
Ohne Titel, 1969
Curt Stenvert
Als Neger mit Obst gedünstet werden, 1964
Hildegard Joos & Harold Joos
Binär Nr. 41 (Balancebild), 1965
Im Zentrum der Materialschicht, 1967
Lajos Kassak
Konstruktive Komposition, 1964
Uta Prantl-Peyrer
Bild, 1969
Peter Pongratz
Geologie, 1968
Oswald Oberhuber
Ohne Titel, 1967
Ludwig Schwarzer
Flora, 1964
Maria Lassnig
Der nicht emanzipierte Mensch (Selbstbildnis
als Monster), 1967
Adolf Frohner
Über das Schöne darüber, 1963
Alfred Hrdlicka
Stehende Figur (Exekution), 1964
Hermann Nitsch
Schüttbild, 1962
Otto S. Grewe
Auge und Ei, 1964
Julie Hayward
Sublimator, 2003
In and Out
Fremd oder bekannt, Kuschelpelz oder Techno-Look, Realität oder Illusion, eine Art
Labormaschine, was ist das? Wird hier sexuelle Energie, Herzwärme transformiert?
„Ein Herz“ wird in einer Maschine, dem Sublimator, zum roten Endlosschlauch verändert. Aber
das Funktionieren der Maschine ist nur vorgetäuscht, die „Verwurstung“ bloße Einbildung, das
Ergebnis, eine rote Schnur, ist jedoch wieder greifbar. Anfang und Ende der Geschichte sind
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klar definiert, das Dazwischen bleibt Vermutung und lässt viel Raum für Wünsche,
Befürchtungen, Witz, Ernst, Ironie …
Vermeintlich Vertrautes wird von Julie Hayward verfremdet und in unseren Köpfen zu einer
Geschichte versponnen. Ohne festen Boden schwebt die Skulptur im Raum, leicht wie ein
Alptraum, der uns direkt im Herzinnersten trifft.
Ausgangspunkt der Objekte Haywards sind kleine Zeichnungen, die in einer Art psychischem
Automatismus entstehen. Die daraus entwickelten Plastiken bewegen sich in Parallel- und
Zwischenwelten verschiedener Wahrnehmungsebenen.
Irritierendes In and Out ist auch das Prinzip der 1964 bis 1967 entstandenen surrealistischen
Objektkästen von Kurt Steinwender alias Curt Stenvert. Der Künstler stellt Schaukästen mit
kuriosen Dingakkumulationen kritisch-ironisch zusammen: Kriegsspielzeug, Souvenirartikel,
Kitsch, Plastik … Nicht nur die Kombination, allein der Titel befremdet. Sind wir unter die
Kannibalen geraten, wo „ein Neger mit Obst in einem Topf gedünstet“ wird?
Jeder Stenvert-Objektkasten wirkt wie ein Kosmos für sich. Die Bedeutungsdichte, durch
Modelle, Miniaturen und Zitate unterschiedlichster Herkunft hervorgerufen, erinnert an die
Skurrilität der Kunst- und Wunderkammern und an die seltsamen Dingbegegnungen der
Surrealisten. Seine private Ikonografie und sein persönlicher Kosmos werden vom Künstler
ausführlich erläutert:
„Die Funktionelle Kunst des 21. Jahrhunderts soll dem Menschen die biologischen,
psychologischen, soziologischen und philosophischen Voraussetzungen seiner Existenz
bewusst werden lassen – das ist die Leben fördernde Urfunktion der Kunst! Funktionelle Kunst
ist Revolution! Freiheit durch die Existenzerhellung über das Auge.“ (Curt Stenvert, Manifest,
„Die Funktionelle Kunst des 21. Jahrhunderts“)
Ende der 1950er Jahre wird die Gesellschaft mit einer neuen Herausforderung konfrontiert.
Happenings und Performances der Wiener Aktionisten lösen das Tafelbild ab. Das Kunstwerk
wird als Prozess gesehen, der Zuschauer wird zum integrativen Teil der Aktionen. Während
Künstler die Performances als Befreiung erleben, sehen konservative Kreise die Aktionskunst
als gefährlichen Angriff auf bürgerliche Werte.
Die Wiener Aktionisten, Hermann Nitschs Schüttbilder, Adolf Frohners Matratzenbild, die
Phantastischen Realisten, Maria Lassnig, Arnulf Rainer oder Alfred Hrdlicka, sie alle wurden zu
öffentlichen Störenfrieden, erlebten aggressive Angriffe auf ihr Werk und ihre Person.
Raum 8: 1970–1979
Klaus Pinter (Haus-Rucker-Co)
Joe’s Bar on the West Side, 1972
David Hockney
Mo Mc Dermott, 1976
Cornelius Kolig
Objekt,1974/75
Inge Morath
Triptychon im Zimmer eines Mitgliedes
der „Zwei Brücken Kommune“, 1978
Dario Villalba
Uno Roto Negro (El mistico), 1977
Andy Warhol
Mao, 1972
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Claes Oldenburg
Geometrische Maus, 1971
Jim Dine
Picabia III, 1971
Joseph Beuys
Erdtelefon, 1973
Kiki Kogelnik
Das Telefon, 1980
Christo Javacheff
Der Turm (Project for a wrapped air raid
defence tower-Esterhazy Park-Wien) A
temporary war monument, 1976
Gottfried Helnwein
The Golden Age 1 (Marilyn Manson),
2003
Jürgen Messensee
Cathy & Nancy, 1980
Die düsteren Seiten der Pop-Art
Pop-Art auf ihrem Höhepunkt: Oldenburg verkündet, dass er für eine Kunst plädiert, „… die ihre
Form aus den Linien des Lebens selbst entlehnt, die etwas anderes tut, als auf ihrem Hintern im
Museum zu sitzen ...“. Joseph Beuys stellt seine legendäre Behauptung „Jeder Mensch ist ein
Künstler …“ auf und Christo „enthüllt durch Verhüllen“.
Gottfried Helnweins Gemälde und digitale Fotografien – hyperrealistisch, „bigger than life“,
beunruhigend in ihrer Präsenz – erzeugen eine magnetische Atmosphäre rätselhafter
Ungewissheiten. Seine Bildthemen sind Erinnerung und Verdrängung, Kindheit, Konstellationen
der Macht. Sie zeigen Helnwein als Künstler, der sich in erster Linie sozialen,
gesellschaftspolitischen Anliegen verpflichtet fühlt.
Hinter diesen Darstellungen stehen tiefe Menschlichkeit und Empathie. Helnwein malt, was er in
der Welt nur schwer erträgt: Sein Markenzeichen sind bandagierte Köpfe. Dazu kommt eine
Lust an Maskierungen und Rollenspielen – faszinierend umgesetzt in der Zusammenarbeit mit
dem Musiker Marilyn Manson, die 2003 in einer wichtigen Werkgruppe kulminiert.
Marilyn Manson präsentiert sich in Helnweins Plattencover-Entwurf The Golden Age of
Grotesque zwar unverkennbar als Mickey Mouse, gibt sich aber als schwarzer Kinderschreck
und Menschenfresser. Marilyn Mansons weltweit erfolgreiche Auftritte als Rockstar werden von
einer provokanten Bühnenshow begleitet. Schlagzeilen in der Regenbogenpresse sind
garantiert. Manson, von Beruf eigentlich Fotojournalist, feiert auf der Bühne eine multimediale
Satansmesse, privat agiert der Megastar und Schockrocker hingegen als sozialkritischer
Aktivist. Auf seiner Website stellt Manson die dialektische Frage: Is adult entertainment killing
our children? Or is killing our children (eine Anspielung auf den „Irak-Krieg“) entertaining adults?
Vorhang auf für die Provokateure und Schocker der Kunst aus der Sammlung des LENTOS:
Gottfried Helnwein, Andy Warhol, Jim Dine oder Claes Oldenburg. Wer trägt nicht gern eine
Maske? Schlüpfen wir nicht alle in andere Rollen?
Helnwein zeigt seinen Freund Manson als Mann mit vielen Gesichtern. Marilyn verkörpert in
kindlicher Mickey-Maskerade den intelligenten Serienmörder und forensischen Psychiater
Hannibal Lecter, der durch den Film Das Schweigen der Lämmer einen großen
Bekanntheitsgrad erhielt. Hannibal the Cannibal alias Marilyn Manson und der 1948 in Wien
geborene und in Irland und Los Angeles lebende Gottfried Helnwein lehren die amerikanische
Gesellschaft „das Fürchten“.
Und Kiki Kogelnik, Österreichs „Queen of Pop“, zerstückelt ihre Protagonisten mit Schere und
Hammer, während sich eine Schlange bedrohlich dem Mund nähert.
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Raum 9: 1980–1989
Roman Scheidl
Brücke der Träume, 1983
Hubert Schmalix
Die Reispflückerin, 1980
Keith Haring
Rot–Gelb–Blau nein, Portrait von
Martin, 1987
Ohne Titel (Tuschserie), 1989
Walter Dahn
Andreas Schulze, 1982
Birgit Jürgenssen
Illusion der Ewigkeit, 1985
Markus Lüpertz
N. Y. Tagebuch 13.2.1984, 1984
Oskar Kokoschka
Der Gaukler, um 1907
Sitzender Mädchenakt, um 1907
Erwin Wurm
Krieg der 1950er mit den 1960er
Jahren, 1986
Brigitte Kowanz
Ohne Titel, 1990
Fabrizio Plessi
Videoland-Videolinz, 1988
Fritz Riedl
Ohne Titel, 1982
Wolfgang Hanghofer
Prostituierte in der Rue Saint Denis,
1989
Und ich fiel nieder und träumte von nicht aufhaltbaren Änderungen.
(Dritter Traum, aus der Dichtung „Die Träumenden Knaben“ von Oskar Kokoschka, 1908)
Oskar Kokoschka, der 1910 von Wien über Berlin in die Welt auszog, ist in seinem malerischen
Frühwerk ein Menschenmaler. Die Porträts stellen Personen der Gesellschaft und Einzelgänger
der europäischen Kulturszene dar. Der Wiener Architekt Adolf Loos, Kokoschkas Freund und
Gönner, vermittelt dem jungen Künstler immer wieder Auftragsarbeiten.
OK, wie er von allen genannt wurde, sieht seine Modelle mit Röntgenaugen, als „Schauender“
skizziert er ihre Seelen, als hellsichtiger Visionär bannt er zukünftige Ereignisse auf die
Leinwände.
Die Jugend, das Heranwachsen und die Erotik als Hauptthemen des Wiener Jugendstils
beschäftigen Kokoschka besonders im Frühwerk. Das von der Wiener Werkstätte
herausgegebene Märchenbuch Die Träumenden Knaben wird zum Hauptwerk der frühen
Schaffensperiode.
Zu den berührendsten Arbeiten im frühen Œuvre zählen neben expressiven Kinderakten
psychologisierende Porträts von Kindern, die dem Maler selbst versagt blieben.
Sowohl die Studie zum Gaukler als auch der Sitzende Mädchenakt, beides Hauptwerke aus
dem Stadtmuseum NORDICO, sind Vorstudien zu den Träumenden Knaben, entstanden in den
Jahren 1907 bis 1908.
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Kokoschka wendet in der männlichen Aktstudie einen Detailrealismus an, der, wie bei den
zeitgleich entstandenen Mädchenakten, die einzelnen Individuen nicht nur bloßstellt, sondern
zutiefst menschlich erfasst. Der ausgemergelte Körperbau, Altersflecken, hervortretende Venen
werden durch Aquarellierung schonungslos akzentuiert. Kokoschka entdeckt seine Modelle auf
der Straße, engagiert Mitglieder gesellschaftlicher Randgruppen wie arbeitslose Zirkuskinder
und Artisten. Die Darstellung knabenhaft wirkender Mädchen, ermöglicht dem Künstler nicht
nur, das soziale Elend zu veranschaulichen, sondern auch sexuelle Obsessionen – eine
bisexuelle, nie ausgelebte Neigung, wie sie in den Träumenden Knaben angedeutet wird – zu
befriedigen.
Keith Haring (1958 Kutztown–1990 New York) und OK (1886 Pöchlarn–1980 Montreux) –
waren beide: wild, verrufen und gefeiert. Als leidenschaftliche Zeichner und Enfants terribles der
Gesellschaft erreichten die populären Künstler Kultstatus.
Von Anfang an setzen sich Kokoschka und Haring mit der Bedeutung von Tod, Sünde, Macht,
Sexualität, Religion und Erlösung auseinander. Ihr Schaffen umkreist immer wieder
Homosexualität und Erotik, die von der expressiven, figurativen Malerei der Neuen Wilden in
den 1980er Jahren verstärkt thematisiert werden. Die deutschen Maler Salome und Rainer
Fetting zählen ebenso zu Vertretern dieser Richtung wie die Österreicher Siegfried Anzinger
und Hubert Schmalix.
Blitzschnell, sicher, mit Temperament und Rhythmus durchkreuzt „Oberwildling OK“ Keith
Harings emblematischen Tuschzyklus.
Der Amerikaner Haring, der seine Homosexualität offen auslebt und mit 31 Jahren, 1990, an der
Immunschwäche Aids stirbt, zeichnet schon als Kind unermüdlich Comics. Seine auf wenige
Striche reduzierten Figuren werden zu weltweiten Markenzeichen, erhältlich in Galerien und
Souveniershops.
Die sieben Monate vor Harings Tod entstandenen Tuschpinselzeichnungen berühren zutiefst.
Sie berichten fast heiter, mit Augenzwinkern, ohne Bitterkeit oder Ironie, von dem schweren
Leiden seiner Krankheit und enden in einer Aussöhnung mit dem Universum. Der Star aus den
Tiefen der Subways New Yorks verschmilzt mit dem Sternenhimmel im goldenen Erdkreis.
Raum 10: 1990–1999
Gunter Damisch
„Weltnachtineinander I“, 1999
Maria Lassnig
Nebeneinander Linien I-IV, 1993
Dieter Appelt
Kreuzweg, 1993
Sean Scully
Uriel, 1997
Lois Weinberger
Wegrandhaus, "documenta X", 1997
Irene Andessner
Vorbilder 1-5, 1996
Hugo von Habermann
Stehende Frau (Jägerin), 1875
Markus Lüpertz
Landschaft, 1997
Monika Oechsler
Strip, 2004 (1997)
The Chase, 2004 (2000)
Seite 23
Ricarda Denzer
Tür vierzehn – reading absence,
2000/01
Stephan Balkenhol
Mann mit grauer Hose und blauem
Hemd, 1993
Patrick Raynaud
Leuchtkopf, 1991 (1993)
Alfred Haberpointner
Horn, 1994
Gehacktes Oval, 1995
Ilse Haider
Antinous, 1993
„Es ist möglich, daß späteren Generationen die Originalität Habermanns ein wenig pervers
erscheint – für den, der verfolgen will, wie unsere Zeit sich selbst empfindet, gehört er zu den
fesselndsten Erscheinungen …“ (Richard Muther über den „vergessenen“ Münchner Maler
Hugo von Habermann, 1894)
Die unbekannte Frau mit dem großen Hut, im Werkverzeichnis als Jägerin bezeichnet, gehört
zu der Gruppe von Kostümbildnissen, die Habermann während seiner Akademie-Zeit im Stil der
altdeutschen Malerei 1875 schuf.
Der dunkle, magisch erscheinende Hintergrund und das erleuchtete Gesicht bei einer sonst
dunkeltonigen Malweise lehnen sich an Gemälde des Niederländers Antonis van Dyk (1599–
1641) an.
Lovis Corinth, Zeitgenosse und Malerfürst, schwärmt über die Malerei Habermanns:
„… ein Schwelgen in Schwarz mit einem leisen Anflug ins Dekorative; auch ein gewisser Einfluß
des Symbolismus, wie ihn in Paris die Rosenkreuzer übten, kann festgestellt werden ... Seine
Pinselführung ist ornamental grandios geworden … Seine Bilder sind nicht einschmeichelnd…
Das Herbe herrscht auch in seinen kokettesten Frauenschilderungen vor …“
(Lovis Corinth: Gesammelte Schriften. Berlin: Fritz Gurlitt, 1920)
Die Jägerin präsentiert sich selbstbewusst – emanzipiert, in dunkler Ausgehrobe in der
Landschaft stehend. Die faszinierende Wirkung des Ganzfigurenporträts, hervorgerufen durch
die elegante, stolze Erscheinung bzw. das melancholische Lächeln der jungen Dame, ist für
Habermanns später eher dekorativen Porträttypus untypisch. Habermann schildert die
Unbekannte als burschikos wirkende Frau, die einer damals ausschließlich Männern
vorbehaltenen Betätigung, der Jagd, frönt.
Herb, stolz und maskulin vor dunklem Grund kontert Habermanns Gegenüber, Irene Andessner,
mit ihrem „erleuchteten“ Selbstbildnis.
Die österreichische Künstlerin schlüpft, wie die Jägerin, in eine Rolle. Andessner erkundet in
ihren Arbeiten die Schnittstellen zwischen Selbstsein und Selbstprojektion, zwischen Selbstund Fremdwahrnehmung. Die Performerin befasst sich seit Ende der 1980er Jahre mit dem
Porträt – ursprünglich als Malerin und seit Mitte der 1990er Jahre mit den Mitteln des Tableau
vivant, der Fotografie und des Films. Irene Andessner verwandelte sich in Marlene Dietrich und
rief 2001 damit viel Medieninteresse hervor. In der Rolle der Schönen Linzerin fungierte die
Künstlerin jüngst im öffentlichen Raum: als Schöne Linzerin prangte sie 2009 nicht nur im
LENTOS Kunstmuseum, sondern auf City-Light-Plakaten in der Kulturhauptstadt.
Bislang übernahm Andessner rund 50 Rollen von historischen, mythologischen und literarischen
Frauenpersönlichkeiten, interpretierte historische „Vorbilder“ in aufwändig gestalteten
zeitgenössischen „Nachbildern“. Als Wanda (re)produziert Andessner das weibliche Idealbild
des Leopold von Sacher-Masoch. 2006 interpretiert sie die überlieferten, in ihrer Authentizität
fragwürdigen Mozart-Porträts. Den „Saal der berühmten Männer“ im Café Florian in Venedig
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verwandelt sie in einen „Salon der illustren Frauen“, den Paternoster im Haus der Industrie in
Wien in einen „Maternoster“ (mater nostra).
In der 5-teiligen Arbeit Vorbilder, Selbstporträts nach Selbstporträts, die aus 1996 stammt,
thematisiert Irene Andessner einmal mehr feministische Kunstgeschichte. Sie stellt das Leben
der wenigen zu Weltruhm gelangten Malerinnen nach:
Sofonisba Anguissola (dat. 1552), Angelica Kauffmann (dat. 1770–1775), Gwen John (dat.
1900), Frida Kahlo (dat. 1930) und letztlich ist es Irene Andessner selbst, die in androgynem
Habitus posiert. Während die Bilder von Anguissola und Kauffmann historisch bedingt vor dem
Auge verschwimmen, sieht sich Andessner „überscharf“, als selbstbewusste Malerin, in
männlichem Outfit, mit Palette und Pinsel in traditioneller Malerpose.
Bereits in den 1970er Jahren beginnen Künstlerinnen verstärkt, die traditionellen
Geschlechterrollen in der Kunst zu hinterfragen und ihren Körper zum Gegenstand ihrer Kunst
zu machen. Sie widmen sich der kritischen Analyse ihres gesellschaftlichen Umfeldes
(geschlechtsspezifische Rollenzuweisung, Geschlechteridentität) und der Erforschung der
ungeschriebenen Geschichte der Frau. Das Motto lautete „Jetzt oder Nie“: Künstlerinnen
zeichneten sich durch ein neues Selbstbewusstsein aus. Parallel dazu gewinnen neue Medien
und Kunstformen wie Fotografie, Film, Video und Performance an Bedeutung.
Monika Oechsler, von der 2004 eine Videoinstallation im LENTOS präsentiert wurde, arbeitet
kontinuierlich mit dem Medium Video, das ein zentrales Motiv der Arbeit mit elektronischen
Laufbildern für Künstlerinnen wurde. Das Dispositiv Kino wird analysiert, manipuliert,
unterlaufen oder erweitert. Zuschauer werden zu Akteuren, Popkultur und Kulturindustrie
werden miteinander verknüpft.
Frauen/Mädchen stehen jeweils im Mittelpunkt der geschilderten, beklemmenden Stories: In
dem 1997 entstandenen Video zeigt Oechsler junge Mädchen bei einem befremdlichen
Training. Die Kinder bauen mit verbundenen Augen gefährliche Handfeuerwaffen in einem
britischen Waffen-Club zusammen und schulen ihre Fertigkeit im Umgang mit Pistolen und
Gewehren.
Oder der Betrachter wird Zeuge eines ebenso unfairen wie unsportlichen Wettkampfes
zwischen Mann und Frau. Die an der Spitze liegende Läuferin wird von ihrem männlichen
Konkurrenten gerempelt, gestoßen, bedrängt. Eine Allegorie auf den täglichen
Überlebenskampf von Frauen?
Stephan Balkenhols hölzerner Mann mit grauer Hose und blauem Hemd wird trotz Erhöhung
auf seinem Podest zum stummen, „gespaltenen“ Zuseher.
Sind Künstlerinnen endlich auf der Überholspur?
Raum 11: 2000–2010
Uli Aigner
Keimzelle des Staates 29 (Loch), 2004
Eva Schlegel
Ohne Titel, 2002
Ulrike Lienbacher
Ohne Titel, 2003
Werner Schrödl
Ohne Titel, 2003
Ohne Titel, 2002
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Dorothee Golz
Unbeteiligter, 2007
Bertram Hasenauer
Ohne Titel (LONG AGO and FAR
AWAY), 2008
Johanna Kandl
„You never know what will happen
next…“, 2004
Hubert Scheibl
„ones“, 2008
Julie Monaco
CS_01/3, 2003 – 2004
Tony Cragg
New Curly, 2001
Hans Thoma
Landschaft bei Carrara, 1910
Gerwald Rockenschaub
Animation, 2002
You never know what will happen next …
„Aufgabe von Kunst ist es heute, Chaos in die Ordnung zu bringen“, meinte Theodor W.
Adorno. Schaffen es Museen im Zeitalter des Pluralismus und Globalismus das Chaos und die
Vielfalt in der Kunst zu überblicken? Was kann ein Kunstmuseum im digitalen Zeitalter leisten?
Hans Thoma (1839 Bernau–1924 Karlsruhe) war einer der beliebtesten Maler Deutschlands
zum Ausklang des 19. Jahrhunderts. Wie kein zweiter Künstler von der Landschaft seiner
Heimat geprägt, stand er mit seinen naturalistischen Landschaftsdarstellungen und Motiven aus
der bäuerlichen Lebenswelt zunächst in Opposition zur herrschenden, historistisch geprägten
Kunstauffassung. Über fünf Jahrzehnte hinweg wurden Thomas Bilder strikt abgelehnt, bis ihm
mit einer Ausstellung in München 1890 der Durchbruch gelang. Als anerkannter Künstler wurde
er erst spät, 1899, als Direktor der Großherzoglichen Kunsthalle und Professor der
Kunstakademie nach Karlsruhe bestellt. Ein klassisches Künstlerschicksal.
Ab 1874 prägten Darstellungen von Italienreisen das Œuvre des Künstlers, der in seinem 1910
entstandenen Spätwerk, Landschaft bei Carrara, erneut seine Reiseeindrücke in der Toskana
schildert. Das selten gezeigte Werk des damals 71-jährigen Künstlers wirkt erstaunlich frisch
und jung. Im Vordergrund spielen Kinder in einer Blumenwiese, während ein einfacher
Landarbeiter, auf seinem Eselchen die üppige Landschaft rund um die Carrara-Berge
durchquert. Die spärlich besiedelte, klassisch komponierte Landschaft wirkt idyllisch. Ein
friedvolles Zusammentreffen von Menschen in einer intakten Natur wird detailreich, geradezu
liebevoll geschildert.
Für Johanna und Helmut Kandl ist, wie für den „vergessenen“ Maler Hans Thoma, Kunst ein
Medium zur Auseinandersetzung mit der Welt, mit Ländern und Regionen, Geschichte, Politik
und Wirtschaft, mit anderen Menschen. Das Duo richtet seinen Blick auf das „Private“ und
sammelt Geschichten vorrangig in den ex-sozialistischen Ländern.
Johanna Kandls politisch pointiertes Gemälde, das der Sammlungsausstellung ihren Titel gibt,
geht auf Fotos aus Osteuropa zurück. Gezeigt wird eine subtil gemalte Genreszene, kombiniert
mit einem Slogan aus Marketing oder Motivationstraining: „you never know what will happen
next“. Das Motto wird zur Frage umfunktioniert. Unsere Zeit ist schnelllebig geworden.
Klimawandel, Landflucht und das explodierende Wachstum vieler Großstädte prägen nicht nur
das mediale Bild, sondern auch die reale Landschaft. Betonburgen, die erst vor 30 Jahren
errichtet wurden, sind wieder abbruchreif. Es wird längst nicht mehr für die Ewigkeit gebaut. Ein
Jahrhundert nach Hans Thoma hat sich die „idyllisch-heroische Landschaft“ drastisch verändert.
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Spielende Kinder, weidende Tiere auf den Wiesen, gibt es noch, dazwischen jedoch
Industriehallen. Aus der mittelalterlichen Burg im Hintergrund wird eine anonyme
Plattensiedlung, das Grün der noch unverbauten Wiesen wird als bescheidenes Freizeitareal
bzw. als mikroökonomisches Refugium genützt.
„Das Kennzeichen unserer Zeit ist Richtungslosigkeit und der Verlust einer verbindlichen
Verständigungsgrundlage“, mit diesem prophetischen Satz analysiert der oberösterreichische
Künstler Herbert Bayer bereits 1967 die pluralistischen internationalen Kunsttendenzen der
Nachkriegszeit. Bayers Prophezeiung hat sich erfüllt. Kunst wandelt und erneuert sich ständig.
Moden kommen und gehen. Trends werden gesetzt und verschwinden. „Künstler träumen für
die Gesellschaft“, meinte die 1985 verstorbene Objektkünstlerin Meret Oppenheim. Träume
weisen gerne überraschende Wendungen auf – bleiben offen, rätselhaft wie die Kunst. Die
junge Kunst im LENTOS. Das neue Jahrzehnt kann kommen.
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Pressebilder
1. Andy Warhol
Mao, 1972
LENTOS Kunstmuseum Linz
© VBK, Wien 2010
5. Keith Haring
Red - Yellow - Blue No Portrait of
Martin, 1987
LENTOS Kunstmuseum Linz
9. André Kertész
Satyrische Tänzerin, 1926
LENTOS Kunstmuseum Linz
2. Bertram Hasenauer
Untitled (LONG AGO and
FAR AWAY), 2008
LENTOS Kunstmuseum Linz
6. Sean Scully
Uriel, 1997
LENTOS Kunstmuseum Linz
© VBK, Wien 2010
10. Ausstellungsansicht
© Foto: maschekS. 2010
3. Gottfried Helnwein
The Golden Age 1 (Marilyn
Manson), 2003
LENTOS Kunstmuseum Linz
© VBK, Wien 2010
7. Lois Renner
Wong Kar-Wei (Eifersucht),
2007
LENTOS Kunstmuseum
Linz
4. Stephan Balkenhol
Mann mit grauer Hose
und blauem Hemd, 1993
LENTOS Kunstmuseum
Linz
© VBK, Wien 2010
8. Gustav Klimt
Frauenkopf, 1917
LENTOS
Kunstmuseum Linz
11. Ausstellungsansicht
© Foto: maschekS. 2010
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