PDF, 169 kB
Transcription
PDF, 169 kB
LENTOS Kunstmuseum Linz Pressemappe YOU NEVER KNOW WHAT WILL HAPPEN NEXT… Die Sammlung 1900-2010 DVR-Nummer 0002852 ab 12. Februar 2010 LENTOS Kunstmuseum Linz, A-4021 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1 Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at Inhaltsverzeichnis Ausstellungsdaten 3 Pressetext zur Ausstellung 4 Begleitprogramm 5 Raum 1: 1900-1909 8 Raum 2: 1910-1919 9 Raum 3: 1920-1929 12 Raum 4: 1930-1939 14 Raum 5: 1940-1949 16 Raum 6: 1950-1959 18 Raum 7: 1960-1969 19 Raum 8: 1970-1979 21 Raum 9: 1980-1989 22 Raum 10: 1990-1999 23 Raum 11: 2000-2010 26 Pressebilder und Bildlegenden 28 Seite 2 Ausstellungsdaten Ausstellungstitel: YOU NEVER KNOW WHAT WILL HAPPEN NEXT… Die Sammlung 1900-2010 Ausstellungsdauer ab 12. Februar 2010, Eröffnung: 11. Februar 2010, 19 Uhr Pressekonferenz 10. Februar 2010, 10 Uhr Ausstellungsort LENTOS Kunstmuseum Linz Exponate rund 194 Werke von mehr als 120 KünstlerInnen Kuratorin Dr. Elisabeth Nowak-Thaller Publikationen „You never know…“ Wie sage ich es den BesucherInnen? Eine in museumspädagogische Broschüre/Zeittabelle für Interessierte, LehrerInnen oder SchülerInnen von Maria Meusburger, Ingrid Pohl und Elisabeth NowakThaller. Die „timeline“ zur Sammlung bietet kurze Informationen auf einer Reise durch 110 Jahre Kunstentwicklung. Der 11-seitige Folder fungiert als erweiterbares Modul, das durch Arbeitsblätter kontinuierlich ergänzt wird. in Saaltexte Dr. Elisabeth Nowak-Thaller Kontakt Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz, Tel. +43(0)732/7070-3600; [email protected], www.lentos.at Öffnungszeiten tägl. 10-18 Uhr; Do 10-21 Uhr Eintritt € 6,50, ermäßigt € 4,50 Führungen donnerstags 19 Uhr und sonntags 11 und 16 Uhr Die Führungen um 16 Uhr entfallen im Juli und August. Dauer: 1 Stunde, Treffpunkt: LENTOS Kassa, Führungsbeitrag: € 3,Im Rahmen der Ausstellung finden zahlreiche Begleitveranstaltungen statt. Informationen dazu auf Seite 5. Pressekontakt a Mag. Nina Kirsch, Tel. +43(0)732/7070-3603, [email protected] Gesprächspartnerinnen bei der Pressekonferenz: Stella Rollig, Direktorin des Lentos Kunstmuseum Linz Elisabeth Nowak-Thaller, Kuratorin der Ausstellung Seite 3 YOU NEVER KNOW WHAT WILL HAPPEN NEXT… Die Sammlung 1900–2010 ab 12. Februar 2010 Im großen Format gibt das LENTOS den BesucherInnen Gelegenheit, den seit der Eröffnung des Museums umfassendsten Einblick in die Sammlung zu nehmen, die Fülle wie die Gegensätzlichkeit der Bestände kennen zu lernen. Wir feiern das neue Jahrzehnt, ziehen Bilanz, forcieren aktuelle Ausblicke und wagen eine Neupräsentation. Jedem der elf Räume ist ein Jahrzehnt zugeordnet. Das chronologische Prinzip wird durch überraschende Interventionen von KünstlerInnen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart durchbrochen. Die Arbeiten gehen assoziative Verbindung miteinander ein, mischen sich – offensichtlich, provokativ oder auch im Verborgenen – ein. Korsett der unkonventionellen Präsentation sind somit 110 Jahre, eine gewaltige Periode voller Aufbrüche, stilistischer Vielfalt und Veränderung. Eine Ausstellung, die individuelle Zugänge zu Werken ermöglicht, die Denkanstöße schafft, viele Neuerwerbungen sowie Stiftungen des Fördervereins zeigt. Unorthodoxe Kombinationen regen zu neuen Sichtweisen an, ermöglichen dem Publikum ganz neue Einblicke in die Entwicklung der Moderne und die Ankaufspolitik eines Museums. 110 Jahre Kunst aus dem reichen Fundus in lustvoller Verknüpfung: der Parcours durch die Ausstellung wird zum Abenteuer. Man trifft Berühmtes, selten Gezeigtes, neue Gesichter, manche „Störenfriede“ und viele alte Freunde. Seite 4 Begleitprogramm Director’s Choice: Wie kommt ein Bild ins Museum? Der Gründungsdirektor des LENTOS, Prof. Peter Baum bzw. Direktorin Stella Rollig präsentieren ihre wichtigsten Kunstankäufe und sprechen über Ankaufsüberlegungen, -strategien, -prozedere, persönliche Vorlieben, Künstlerfreundschaften sowie über Einflüsse des Kunstmarkts und Einmischungen. Direktorin Stella Rollig: Do 18.03.2010, 19 Uhr Professor Peter Baum: Do 24.06.2010, 19 Uhr Dauer: 60-90 Minuten / Führungsbeitrag: € 3,- Hot spot LENTOS Kunst mal zwei: Inspirationen – ein exklusiver Abend, an dem die Kunsthistorikerinnen des LENTOS oder ein/e KünstlerIn in einer „Doppelconférence“ in die Welt der Kunst einführen, um anschließend bei einem kleinen Imbiss die Eindrücke zu diskutieren. in Dr. Brigitte Reutner und Julie Hayward, Bildhauerin Dauer: 90 Minuten / Führungsbeitrag € 10,- (inkl. Imbiss, Getränk) Do 25.03.2010, 19 Uhr Sammeln in der Stadt, 2 auf einen Streich Lernen Sie die städtischen Schätze im LENTOS und im NORDICO (Sonderausstellung: Berührungen, Begegnungen. Kubin / Siewert / Bilger / Haesele) an einem Abend kennen. Es erwartet Sie ein Rundgang durch die „Abgründe“ des 20. Jahrhunderts mit Brigitte Reutner und Elisabeth Nowak-Thaller. in in Dr. Brigitte Reutner und Dr. Elisabeth Nowak-Thaller Dauer: 150 Minuten / Führungsbeitrag: € 10,- (inkl. Sektaperitif) Do 27.05.2010, 19 Uhr Die Wichtigsten, Einflussreichsten, Teuersten? Der Kunstkompass vergleicht seit 40 Jahren etwa 16.000 Kunstschaffende weltweit und gilt als Gradmesser für Renommee und Ruhm lebender Künstler und Künstlerinnen. Jährlich wird eine Rangliste mit 100 KünstlerInnen erstellt. Bewertet werden Einzelausstellungen in international bedeutenden Museen, Teilnahme an wichtigen Gruppenausstellungen, Ankäufe von angesehenen Museen, Repräsentanz in Musées Imaginaires und Rezensionen in renommierten Kunstzeitschriften. Markterfolg und Auktionspreise spielen bei der Bewertung keine Rolle. Elisabeth Nowak-Thaller widmet sich den Masterpieces in der LENTOS Sammlung. in Dr. Elisabeth Nowak-Thaller Dauer: 60-90 Minuten / Führungsbeitrag: € 3,Do 11.03.2010, 19 Uhr Seite 5 Rosa. Eigenartig grün … Expressionismus, Informel und Abstrakter Expressionismus. Ein Rundgang durch die in Sammlung mit der Kuratorin Dr. Elisabeth Nowak-Thaller. Dauer: 60-90 Minuten / Führungsbeitrag: € 3,Do 15.04.2010, 19 Uhr THEMENFÜHRUNGEN MIT KUNSTVERMITTLERINNEN Resonanzen Denk- und Empfindungsweisen in der Kunst des 20. Jahrhunderts. a Mag. Ingrid Pohl Do 04.03.2010, 19 Uhr So 28.02.2010, 16 Uhr Gesellschaftlich engagierte Kunst KünstlerInnen ergreifen Partei, zeigen sich betroffen, klären auf. a Mag. Ingrid Pohl So 21.3.2010, 16 Uhr Do 22.04.2010, 19 Uhr 11 Jahr10te Kunstwerke im Spiegel der Zeitgeschichte und des politischen Kontextes a Mag. Korinna Kohout So 14.02.2010, 11 Uhr So 07.03.2010, 16 Uhr So 11.04.2010, 11 Uhr Woher stammen die LENTOS-Werke? Zur Geschichte der Sammlung und zur Provenienz ausgewählter Exponate a Mag. Korinna Kohout So 16.05.2010, 11 Uhr So 13.06.2010, 16 Uhr So 18.07.2010, 11 Uhr Das Bild vom Menschen – Porträts in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext In keinem Jahrzehnt fehlt das Porträt als Thema der Kunst. Der Ausstellungsrundgang fragt nach den historischen, individuellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Porträts entstanden sind und versucht, im Vergleich ein lebendiges Bild der vergangenen 110 Jahre zu zeichnen. Seite 6 a Mag. Maria Meusburger-Schäfer Do 29.04.2010, 19 Uhr Do 06.05.2010, 19 Uhr Ästhetik im Wandel der Kunst Der Begriff der Schönheit, der weitläufig mit Ästhetik ident ist, verändert sich im Laufe der Moderne radikal. Hässlichkeit, Obszönität und Kitsch werden in moderne und zeitgenössische Posititonen eingegliedert – kann heute überhaupt noch vom „Schönen“ gesprochen werden? Sandra Kratochwill Do 18.02.2010 / 19 Uhr So 21.02.2010 / 11 Uhr GrenzgängerInnen der Moderne Der Verlauf der Kunstgeschichte wird weitläufig als Übergang charakterisiert. Der Themenrundgang beleuchtet die Brüche und damit verbundenen GrenzgängerInnen der Kunstgeschichte. Sandra Kratochwill Do 08.04.2010, 19 Uhr So 18.04.2010, 11 Uhr Führungsbeitrag jeweils € 3,- Seite 7 Raum 1: 1900 – 1909 Paula Modersohn-Becker Landschaft mit drei Kindern und Ziege, 1902 Lois Renner Wong Kar-Wei (Eifersucht), 2007 Tina Blau Holländische Landschaft, um 1905 Ernst Stöhr Ohne Titel (Interieur), um 1903 Helene Funke In der Loge, 1907 Gustav Klimt Kühe im Stall, 1900/1901 Broncia Koller-Pinell Bildnis Theresia Coudenhove, um 1905 Fritz von Uhde Damenbildnis in Schwarz (Tochter des Künstlers), um 1900 Albert Ritzberger Weiblicher Halbakt, um 1900 Ferdinand Andri Die Gärtnerin, um 1900 Leopold Forstner Schwimmende, 1908 Das Menschenbild, – der weibliche, der männliche Blick? "Verdichtung aller visuellen Möglichkeiten“, das ist für Lois Renner die große Stärke der Malerei. Malerei ist das Medium, auf das sich Renner in seinem gesamten Werk bezieht, auf dessen Tradition und seine Möglichkeiten in der Gegenwart. Lois Renner ist einer der radikalsten zeitgenössischen Künstler, der alle verfügbaren Medien der Bildproduktion auf der Höhe der Zeit einsetzt, wahrlich „aufmischt“: Ölmalerei, Aquarell, Fotografie, das elektronische Bild, digitale Bildbearbeitung. Die neuen Werke, hier Wong KarWei (Eifersucht), 2007 – nach einem Standbild aus dem Film In the Mood for Love des chinesischen Regisseurs, werden Schicht um Schicht aus den genannten Medien aufgebaut, dies ganz vergleichbar der traditionellen Lasurmalerei. In einzelnen Zonen im Bild setzen sich unterschiedliche Medien durch, Malerisches oder Fotografisches wird auf- bzw. abgeblendet. Nach einem Filmstandbild entsteht nun ein Ölgemälde, das im Computer mit der Fotografie überblendet und Ausschnitt um Ausschnitt bearbeitet, quasi „verschmolzen“, wird. Lois Renner wurde bereits 2008 eingeladen die LENTOS-Sammlung aufzumischen. Aktuell begegnet der Künstler zahlreichen bedeutenden Werken der Kunstgeschichte, vorwiegend von Künstlerinnen, die in verschiedensten Porträts die gesellschaftliche und individuelle Befindlichkeit sensibel erfassen. Der Wandel des Menschenbildes kann an einer Vielzahl von Porträts in der Sammlung bis in die Gegenwart verfolgt werden. Sehen Künstlerinnen ihre Modelle anders? Wie unterscheidet sich der männliche vom weiblichen Blick? Leopold Forstner, Alfred Ritzberger, Ferdinand Andri, Fritz von Uhde und Lois Renner zeigen uns Frauen in einem privaten, intimen, stillen, jedoch durchaus „dekorativen“ Moment. Helene Funke, Broncia Koller und Paula Modersohn-Becker präsentieren Frauen der Gesellschaft, Mütter mit Kindern und Tieren, wir lernen sie beim Besuch im Theater kennen oder verreisen mit Tina Blau nach Holland. Das mitunter harte Leben dieser Malerinnen ist die Geschichte einer Emanzipation: Künstlerinnen auf dem Weg zu sich selbst, zu ihrer eigenen Identität. Malerinnen, die sich über Konventionen und Vorurteile hinwegsetzten und ihren unverwechselbaren Stil finden. Allen gesellschaftlichen Widerständen zum Trotz „malen sie doch…“. Seite 8 Raum 2: 1910–1919 Gustav Klimt Frauenkopf, 1917 Otto Müller Badende Mädchen, um 1929 Afrikanische Maske vom Stamm der Rega, o. D. Badende, o.D. Egon Schiele Doppelbildnis Heinrich und Otto Benesch, 1913 Karl Schmidt-Rottluff Betender Mann (Der Abwehrende), 1917 Holzrelief eines Bärtigen (Bärtige Maske), 1912 Bildnis Trude Engel, 1915 Weiblicher Kopf mit kurzem Haar, 1916 Oskar Kokoschka Die Freunde, 1917 Alfred Wickenburg Selbstbildnis in persischer Tracht, 1920 Bildnis R. S. (Rosa Schapire), 1915 Moses, 1919 Heiliger, 1918 Max Pechstein Die Unterhaltung, 1919 Frau mit rotem Haar, 1919 Metallrelief mit liegendem Akt, 1911 Robin C. Andersen Sinnende, 1920 Weib vom Manne begehrt, 1919 Max Beckmann Pierrot mit Maske, 1920 Arnulf Rainer Das gebildete Auge, 1983/1984 Marianne von Werefkin Schneewirbel, 1915 „Malerei, um die Malerei zu verlassen …“ Arnulf Rainer, ein Verbündeter der Expressionisten? Der österreichische Künstler Arnulf Rainer wurde vor allem durch seine expressiven Übermalungen von bestehenden Gemälden, die Bearbeitung von Fotos, Papierarbeiten oder Objekten bekannt. Davor malte Rainer, meist in Serie, unter Einfluss von Drogen. Noch heute sucht er das Extrem, bringt Farbe ohne Pinsel mit Händen und Füßen auf die Leinwand. Dann stellt er die Bilder zur Seite und wartet ab. Schließlich beginnt er, mit heftigen Bewegungen neue Akzente aufzubauen: dramatische Verdichtungen, Zumalungen entstehen, die Aktionen reichen von hitzig-jähzornig und wild-abrupt bis zu lyrisch oder beschaulich. Das Werk von anderen Künstlern, oft handelt es sich um religiöse Vorlagen, wird zum „Humus für das eigene Schaffen“. Seite 9 Bereits 1949 kam Rainer zur Anfüllung, seit 1954 ist die Übermalung Rainers Markenzeichen. Die ersten Übermalungen von Totenmasken, religiösen Bildnissen oder seinem eigenen Gesicht wirken abstoßend, frech und – paradoxerweise – ebenso poetisch wie geheimnisvoll. Gehört sich so etwas? Ist das nicht entwürdigend? Rainer möchte den Betrachter irritieren. Was kann uns heute noch erschüttern, zweifeln lassen, zum Denken anregen? Bewusst zerstört Rainer die Aura des darunter liegenden Bildes. Rainer sagt, er rassle mit Geistereffekten, verunsichere durch Abstoßung und Provokation. „Malerei entsteht, um Malerei zu absorbieren, sie zu entwerfen und zu beerdigen. Das Kunstleben der Großstädte wird immer mehr zu einer Schlacht, zu einem Gemetzel eines jeden gegen jeden. Die Geburt der Kunst stammt aus einem Akt gegen die vorherrschende Kunst (sie feiert übrigens kurz nach ihrer Ermordung eine museale Wiederauferstehung)“, so der in Enzenkirchen, Teneriffa und Wien lebende Künstler, der über sein eigenes „Unvergnügen, über alles, was er produziert“, gerne lamentiert. Als bedeutender internationaler Vertreter und als Teil einer langen österreichischen kunstgeschichtlichen Tradition, die vom Barock bis zum Expressionismus reicht, ist Arnulf Rainer nicht nur Provokateur, sondern ein gestischer „Übermaler“, der die unterschiedlichsten Zustände von Mimik und Körpersprache durchspielt. Der Künstler versucht, dem menschlichen Ausdruck bzw. der Natur noch mehr abzugewinnen und auf Verborgenes aufmerksam zu machen. Hier trifft er als idealer Widerpart auf die deutschen Expressionisten, die Brücke-Künstler bzw. auf Egon Schiele und Oskar Kokoschka. Es gibt viele Gemeinsamkeiten: Das „klassische Element“ und die akademische Ausbildung werden mit Leidenschaftlichkeit verabscheut. Große Begeisterung wird den „Primitiven“, dem „Archaischen“ bzw. der Kunst der Geisteskranken und Unverbildeten entgegengebracht. Expressionistische Künstler schildern nicht, sondern erleben, geben nicht wieder, sondern vereinfachen. Sie versuchen, durch Zertrümmerung bzw. Auslöschen von Formen und Übersteigerung des Ausdrucks ihr Innerstes nach außen zu kehren. Gemeinsam sind diesen „Wilden“ der Widerspruch, die Provokation und die Überzeugung, dass ein Umsturz aller Werte notwendig ist, um die Kunst zu erneuern. Schmidt-Rottluff, Mueller, Kirchner, Pechstein, Heckel oder Beckmann, Schiele und Kokoschka suchen – wie Arnulf Rainer – Erlösung aus der seelischen Spannung. Expressive Kunst markiert stets das Ende einer heilen, bürgerlichen Welt. Sie bringt bis heute die Gemüter in Wallung und sorgt, in immer neuen Ausformungen, für hitzige Debatten. „Rosa. Eigenartig Grün ...“ Stiftung Prof. Dr. Paul und Grete Neurath, Wien Aby Warburgs launiger Äußerung, Rosa Schapire benähme sich „eigenartig grün“, verdankte eine 2009 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg präsentierte Ausstellung ihren Titel. Rosa Schapire wurde 1874 in Galizien geboren und lebte von 1905 bis 1939 in Hamburg. Die unverheiratete Kunsthistorikerin, die nie eine feste Stellung annahm, hielt wortgewaltige Vorträge und schrieb kunst- und gesellschaftskritische Publikationen. Sie pflegte eine enge Freundschaft mit den Künstlern der Brücke und vermittelte deren Werk mit großem Engagement an Sammler, Galerien und Museen. Der von Schapire verfasste Œuvrekatalog zur Druckgrafik von Karl Schmidt-Rottluff ist bis heue ein Standardwerk. Ihre kritische Haltung dem Seite 10 Nationalsozialismus gegenüber führte 1935 bereits zu einem Hausverbot in den Hamburger Museen. Rosa Schapire emigrierte 1939 nach London und führte dort die Vermittlungsarbeit für den deutschen Expressionismus engagiert fort. Sie starb 1954 bei einem Besuch in der Tate Gallery. Während Museen und Galerien zögerlich auf den neuen Expressionismus reagieren, statuiert Schapire in ihrer Wohnung ein Exempel zeitgenössischer Kunst: Im 3. Stock der Osterbeckstraße 43 in Hamburg kreiert Karl Schmidt-Rottluff für sie ein expressionistisches Gesamtkunstwerk aus Bildern, Möbeln und Textilien. Von solchen alternativen Lebensräumen hatten die Künstler geträumt, als sie 1905 in Dresden die Künstlergemeinschaft Die Brücke gründeten. Das Vertrauen in die ästhetische Kraft ihrer Arbeit inspiriert einen utopischen Gesellschaftsentwurf, in dem Kunst und Leben, Stadt und Land, Zivilisation und ungestüme Erotik in ein kreatives Verhältnis treten. „Jeder gehört zu uns, der frei und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt“ – mit dieser alle sozialen Schichten umarmenden Parole werden Freunde geworben, die Vermittlungsarbeit leisten sollen. Mit ihrem intellektuellen Anspruch steht Rosa Schapire für eine emanzipatorische Kulturpolitik, die bis in die Gegenwart wirkt. Dr. Rosa Schapire ist als Frau im expressionistischen Milieu eine Ausnahmeerscheinung. Weder als Muse noch als Modell tätig, hat sie keinen Platz in der erotisch aufgeladenen Arbeitssituation des Wohnateliers. Auch die Rolle der liebend einfühlsamen Ehefrau fällt ihr nicht zu. Sie steht den Künstlern unabhängig und aktiv gegenüber, sie interpretiert die Kunstwerke der von ihr geschätzten Maler, sucht nach Ausstellungsflächen, Käufern und Mäzenen. Berufliches Interesse verwandelt sich in Freundschaft, ihr Engagement wird durch Geschenke belohnt. Grafiken, Bilder und Schmuck werden ihr als Anerkennung übergeben, bis sie 1939 eine respektable Sammlung von mehr als 600 Werken besitzt. Karl Schmidt-Rottluff stand Rosa Schapire am nächsten. Als „stark empfindender, innerlich reicher Mensch“ habe er „das Wollen unserer Zeit am stärksten ausgedrückt“. Die Tiefe der Beziehung zwischen Künstler und Interpretin lässt sich nur erahnen, denn beide haben als Schutz vor den Repressalien der Nationalsozialisten ihre umfangreiche Korrespondenz verbrannt. Schmidt-Rottluff und seine Brücke-Kollegen porträtierten Rosa immer wieder als beseelte und ernste Intellektuelle. Der Holzschnitt, der Rosa als Kunstprophetin zeigt, wurde im Begleitheft der Ausstellung Entartete Kunst unter dem Motto – der expressionistische Künstler und die jüdische Frau – angeprangert. Sabine Schulze: Rosa. Eigenartig Grün …, Katalogauszüge, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, 2009. Schapires Sammlung wurde nach ihrem Tod an über 20 verschiedene Museen in der ganzen Welt verteilt. Die ganz persönliche Kollektion der Kunsthistorikerin kam durch das mit Rosa Schapire befreundete Wiener Ehepaar Prof. Dr. Paul und Grete Neurath als großzügige Stiftung im Jahr 2004 in die Sammlung des LENTOS. Die Schmidt-Rottluff-Stiftung erhält insgesamt 37 Objekte: 11 Skulpturen und kunsthandwerkliche Gegenstände, 7 Zeichnungen, 4 Lithografien, 7 Radierungen und 8 Holzschnitte. Die Bedeutung Schmidt-Rottluffs als Druckgrafiker, der sich fast immer auf das reine Schwarzweiß beruft und der ab 1910 zu seinen stärksten Leistungen gelangt, tritt in den Beispielen dieser Schenkung besonders zu Tage. Seite 11 Raum 3: 1920–1929 Man Ray Zünder, 1922 Glas, 1921 Alexander Rodtschenko „Samoswre“. Fotoillustration zu einem Kinderbuch von S. Tretjakow und W. F. Stepanova, 1926 André Kertész Bei Mondrian, 1926 Die Schauspielerin A. Chochlowa (Film „Die Journalistin“), 1927 Satyrische Tänzerin, 1926 Manöver der Roten Armee, 1927 Trauernde Tulpe, 1926 Glas und Licht, 1928 Lászlo Moholy Nagy Ohne Titel, 1925 Porträt der Stepanova, 1928 Ohne Titel, 1925 Carl Hofer Damenbildnis (Madame Bailhache), 1926 Walter Peterhans Serie Stillleben, 1926 - 1936 Anton Hanak Der brennende Mensch, 1922 Anton Faistauer Stillleben mit Hyazinthe, um 1922 Klemens Brosch Sternwarte, 1926 Oskar Kokoschka Bildnis Marcel von Nemes, 1929 Herwig Kempinger Ohne Titel, 2004 Albin Egger-Lienz Ila, die jüngere Tochter des Künstlers, 1920 Aloys Wach Bauernkrieg, 1925 Willi Baumeister Darstellung des Apoll, 1922 Robert Angerhofer Bergsteiger, um 1930 Darstellung des Apoll, 1921 Franz Sedlacek Der Besessene, 1921 Herbert Bayer Kulissenbild, 1925 Albert Paris Gütersloh Stillleben mit Obstteller und Krug, 1922 Georg Merkel Häuser in Sievering, 1927 Fotografie, das boomende Medium: lästige Konkurrenz? Schon im 19. Jahrhundert wird eine leidenschaftliche Diskussion über die Kunstwürdigkeit der Fotografie entfacht. Soll sie sich auf die Bestandsaufnahme der Wirklichkeit konzentrieren oder Seite 12 dürfen Manipulationen vorgenommen werden? Wie beeinflusst der fotografische Blick die Malerei? In den 1920er Jahren, vor allem am Bauhaus, entwickeln KünstlerInnen wie FotografInnen neue experimentelle Bildverfahren. Fotogramme und -montagen beginnen, den Kunstmarkt zu irritieren. Der nüchterne, kühle Blick wird zum neuen Ideal erhoben. Das Zusammenspiel von technischem und künstlerischem Experiment in der Fotografie reicht seit dieser Zeit bis in unsere Gegenwart. Der in Wien lebende Herwig Kempinger bringt das mit allem notwendigen Aufwand produzierte Einzelbild mit erheblicher Irritation zur Wirkung. Des Künstlers jüngstes Ausgangsmaterial ist konkret kaum „greifbar“, es zerplatzt vor den Augen – denn es ist Seifenschaum: Bubbles schimmern und blubbern vor dunklem Grund. Wie hat er das gemacht? Ein Sternenbild, eine fremde Galaxie? Die Luftblasen eines Tauchers unter Wasser? Eine Sch(Tr)aumlandschaft? Kempinger interveniert mit einem Hell-Dunkel-Bild, in dem die illusionistischen Möglichkeiten der Fotografie vorgeführt und gleichzeitig unterlaufen werden. Das Œuvre des Künstlers, das 2007 im LENTOS präsentiert wurde, entstanden in wissenschaftlicher Reflexion auf die Avantgardefotografie, kreist um die Grundsatzfrage: gegenständlich versus abstrakt. Alle Fotografien von Herwig Kempinger, dessen Arbeitsweise medienreflexiv und konzeptuell ist, strahlen etwas Widerständiges und Rätselhaftes aus. Zugleich sind sie schön, glanzvoll und irritierend. Durch ihre Oberflächen wirken sie einerseits kühl und distanziert, zum anderen magisch und verführerisch. Kempingers Fotoarbeiten sind physisch erlebbar und verfügen über sinnliche, nahezu materielle Qualitäten. Der Blick der BetrachterInnen auf eine zwar alltägliche, jedoch neu erlebbare Realität wird zum suggestiven Bildinhalt. (Stella Rollig) „… Ich richte einfach die Kamera auf unterschiedliche Dinge. Bis auf die Wolkenbilder sind alle meine Arbeiten ‚Straight Photography’ ohne technische Besonderheiten. Es reicht, wenn man die eigene Aufmerksamkeit ein wenig modifiziert,“ so das präzise Statement des Künstlers. Fülle und Leere, Verdichtung und Erweiterung von Zeit und Raum, ein flüchtiger Zustand kurz vor der Auflösung im Kosmos verbinden Kempinger und Klemens Brosch. Brosch zählt zu den bedeutendsten österreichischen Künstlern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Seine Horrorvision einer zerberstenden Weltraumstation entstand im Todesjahr 1926. Das vorwiegend zeichnerische Œuvre ist mit kunstgeschichtlichen Stilbegriffen kaum fassbar – Symbolismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Surrealismus bestimmen ein fragmentarisches Werk, in dem Überwirkliches wie Unheimliches gleichermaßen Platz finden. Broschs Frühwerk ist symbolhaft, oft dämonisch, hintergründig. Sein von Rauschgift, Visionen und Alpträumen inspiriertes Spätwerk verbildlicht ein grausames Reich der Halluzination. Der Versuch, dem Gift zu entfliehen, misslingt, zurück bleibt eine Welt voller persönlicher Enttäuschungen, die im 1926 in Linz verübten, inszenierten Selbstmord am Pöstlingberg ein erschütterndes Ende findet. Brosch ging „mit tragischer Unausweichlichkeit an tödlicher Enge zugrunde. Zu dieser Verengung gehört auch die fortschreitende, sich geradezu selbst überbieten wollende Perfektion der Technik …“ (H. Lange). Mit zerstörerischer Gewalt übernimmt der Traum die Herrschaft über Leben und Schaffen des Künstlers. Entgrenzungen des Raumes und der Zeit, wie in dem Gemälde Sternwarte verbildlicht, stehen als Symbol für menschliche Hybris und für das „Scheitern“ des Künstlers. Die realen Bildelemente verlieren ihre Logik. Dort, wo die Realität in das Reich der Vision abgleitet, zerbricht der Mensch, erfährt aber als Künstler neue fantastische Welten. Seite 13 Klemens Brosch, der die künstlerische Fotografie schon 1910 hoch schätzte, die großen Meister der Bauhaus-Fotografie und Herwig Kempinger, ein Fotograf, der uns gerne „hinters Licht führt“, in einem Raum vereint. Allen ist das Befremdliche, Beunruhigende allgegenwärtig. Sie bürsten gerne gegen den Strich und experimentieren. Es geht „um das räumliche Empfinden ohne klare Begrenzung“ (Herwig Kempinger). Resultat sind neue Welten, wechselnde räumliche Konfigurationen aus „inszenierten“ Bläschen und „imaginierten“ Sternen. Raum 4: 1930–1939 Alfred Wickenburg Palazzo, 1931 Lutz Anton Werfenstein an der Donau, 1936 Wilhelm Thöny La Ciotat, um 1937 Fritz Fröhlich Heimgang, 1937 Kurt Weber Landschaft mit Hund, 1936 Franz Sedlacek Stadt im Gebirge, 1935 Max (Mopp) Oppenheimer Kleines Frühstück, Stillleben, um 1940 Richard Diller Beflaggter Hauptplatz Linz gegen Norden, 1939 Wolfgang Paalen Ohne Titel (Figuren), 1936 Michaela Melián FÖHRENWALD, 2005 Hans Pollack „Oberdonau“, Blick vom Mühlviertel auf die Alpenkette, 1939 Die Geschichte der LENTOS-Sammlung beginnt mit einer Kubin-Ausstellung im Jahr 1947 und mit ihrem Gründer Wolfgang Gurlitt, einem deutschen Kunsthändler, der in den Kriegsjahren mit „entarteter Kunst“, aber auch mit Raubgut handelte. Gemeinsam haben das LENTOS und die Stadt Linz eine intensive Provenienzforschung eingeleitet, die eine gründliche Auseinandersetzung mit der eigenen Sammlungsgeschichte und der NS-Geschichte der Stadt Linz im Kulturbereich vorsieht. Jahrzehnte war das Thema „NSKunst“ in öffentlichen Diskussionen vermieden worden. Die NS-Zeit findet sich kaum in KünstlerInnenbiografien – viele KünstlerInnen werden als „unpolitisch, den Idealen der Kunst verpflichtet“ geschildert. Politische Verstrickungen wurden verschwiegen bzw. mit extremer Emotionalität erörtert. Ein „Dafür“ oder „Dagegen“ lässt bekanntlich viele Nuancen zu. Was bedeuten politische Zäsuren im Leben von Künstlerinnen und Künstlern? Inwieweit änderte sich ein Œuvre oder musste sich der Künstler anpassen? Wer war Mitläufer, Nazi-Künstler, „entartet“, Opfer oder Täter? Es gab viele KünstlerInnen, die in der inneren und äußeren Emigration ihr Dasein fristeten. Welche Handlungsspielräume existierten? Seite 14 Linz, im Frühjahr 1943. Vor den neu errichteten Brückenkopfgebäuden stehen probeweise monumentale Figuren: Kriemhild und Siegfried, thronend auf ihren Pferden. Sie wurden anlässlich eines Besuchs Hitlers provisorisch platziert, denn die Originale des Bildhauers Graf Bernhard von Plettenberg waren noch nicht fertig gestellt. Während Hitler von den großen Entwürfen begeistert war, zeigte sich Architekt Albert Speer eher zurückhaltend. Plettenberg hoffte noch 1946 auf die Ausführung des Auftrages, dann versanken die Fantasien von der neu gestalteten „Heimatstadt des Führers“ in Schutt und Asche. Die Brücke war zwar vollendet, fungierte aber nach dem Krieg als Grenze zwischen den amerikanischen Alliierten und der russischen Zone in Urfahr. Die vier geplanten Brückenfiguren fehlten, erhalten blieben die ausgestellten, bis heute viel diskutierten Modelle aus dem Jahr 1939 aus dem Besitz des Stadtmuseums NORDICO. Künstler wie Ernst August von Mandesloh und Hans Pollack zogen zwischen 1938 und 1945 als Funktionäre der Landesleitung der Reichskulturkammer für die oberösterreichische Künstlerschaft die organisatorischen Fäden. Die Sonderstellung von „Oberdonau“ als „Heimatland des Führers“ und Linz, das zur „Führerstadt“ avancieren sollte, ließ viele KünstlerInnen auf Aufträge hoffen. Die realistische Malweise, der Stil der Neuen Sachlichkeit, bot zusätzlich viel inhaltliches Potenzial zur Vereinnahmung. Robert Angerhofer, ein Vertreter der Neuen Sachlichkeit, NSDAP-Mitglied und ein geschätzter Künstler im Gau Oberdonau, erwartete eine Karriere, war er doch schon lange vor dem Anschluss im oberösterreichischen Kunstleben verankert. Andere wie Richard Diller oder Anton Lutz wurden beauftragt, wichtige Bauten und Gedenkstätten künstlerisch festzuhalten. Es entstanden die Aquarelle des Neubaues der Nibelungenbrücke oder der mit Nazi-Fahnen beflaggte Hauptplatz aus dem Jahr 1939. Anton Lutz, der in den 1930er Jahren Staatspreise (und die Staatspreismedaille) erhielt, galt auch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im März 1938 als führender Maler Oberösterreichs. Sein Gemälde Ruine Werfenstein wurde zur ersten Großen Deutschen Kunstausstellung ins Haus der Deutschen Kunst nach München entsandt, wo der Oberösterreicher jährlich mit großem Erfolg wichtige Arbeiten präsentierte. Anton Lutz und Fritz Fröhlich waren im Gegensatz zu Angerhofer auch nach dem Krieg erfolgreich in Oberösterreich tätig. Der Steirer Alfred Wickenburg nahm 1936 noch an der Biennale in Venedig teil, Willy Eisenschitz lebte bereits seit 1927 in Südfrankreich. Max Oppenheimer und Herbert Bayer flüchteten 1938 in die Vereinigten Staaten. Der Oberösterreicher Bayer thematisiert durch Werke und in Texten seine ambivalente Haltung zu seinen NS-Auftraggebern. Wolfgang Paalen reiste 1939 mit seiner Frau, einer französischen Malerin, auf Einladung von Frida Kahlo nach Mexiko. Der Steirer Kurt Weber bildete sich in Paris (1934–1936) bei Delaunay und Léger weiter aus, studierte an der Wiener Akademie noch Bühnenbildnerei und war nach dem Krieg Lehrbeauftragter für künstlerische Gestaltung an der Technischen Hochschule in Graz. Wilhelm Thöny, ebenfalls zwischen 1931 und 1938 in Paris tätig, übersiedelte 1938 nach New York. 1948 wurden fast tausend seiner Arbeiten bei einem Brand in New York vernichtet. Franz Sedlacek, der durch seinen grotesken magischen Realismus eine Sonderstellung in der österreichischen Kunst einnimmt, kämpfte an der Ostfront. Er gilt seit 1945 als vermisst. Herbert Boeckl, dessen spätes Meisterwerk mit der Darstellung eines Dominikaners zu den jüngsten LENTOS-Erwerbungen zählt, schildert seine Erlebnisse in der NS-Zeit: „Von 38 bis 45 war ich ganz auf mich gestellt. Verfemt. Meine Meisterklasse gab ich ab und übernahm den Abendakt, das ging gerade noch. Fortgehen hat man nicht mehr können, die Tür ist schon zugefallen gewesen.“ 1941 tritt Boeckl, wie die meisten Akademieprofessoren, der NSDAP bei. In seinem künstlerischen Schaffen macht er keine Zugeständnisse an das NSRegime. Seite 15 Schwarz-Weiß-Denken, Schubladisierungen und Polarisierungen – steht uns nachfolgenden Generationen überhaupt ein Urteil zu? Die Schicksale von Künstlerinnen und Künstlern in einer vom Krieg geprägten kunst- und menschenfeindlichen Zeit wurden 2009 in der Ausstellung Kulturhauptstadt des Führers im oberösterreichischen Landesmuseum aufgezeigt. Die Nachwirkungen und Verstörungen sind bis heute wahrnehmbar, eine Auseinandersetzung auf wissenschaftlichem Niveau gilt als Meilenstein der Vergangenheitsbewältigung. Raum 5: 1940–1949 Oskar Kokoschka Porträt Bundespräsident Dr. Theodor Körner, 1949 Oskar Laske Arche Noah (Nach der Sinflut), 1944 Ida Kerkovius Komposition mit Kirche, 1945 Anton Kolig Das Werden (Frauenchor), 1946 Das Vergehen (Pietá), 1946 Josef Hegenbarth In den Trümmern, 1947 Georg Jung Porträt Richard Billinger, 1947 Baltasar Lobo Femme á la téte de mort, 1942 Kutlug Ataman Rahmen, 2009 Josef Dobrowsky Ernte bei Gewitter, 1948 Graf Bernhard von Plettenberg 4 Modelle der Reiterstandbilder Siegfried, Kriemhild, Gunther & Brunhild für die Nibelungenbrücke Linz, um 1940 Emigration oder Anpassung? Künstler und Generäle zwischen den Kulturen … In seinen Film-, Video- und Fotoarbeiten setzt Kutlug Ataman sich mit den Brüchen zwischen dem „Eigenen“ und dem „Fremden“ auseinander – mit Traditionen und Konventionen, Glauben und Überzeugungen, die innerhalb einer Gesellschaft oder im Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen Konflikte auslösen können. Es geht um die Geschichte der westlichen Moderne und die Untersuchung der viel zitierten europäischen „Werte“. Eine vergrößerte Replik einer Fotografie, die in den frühen 1920er Jahren in der Osttürkei – zu einem Zeitpunkt, als Fotografie noch als neues Medium gewertet wurde – aufgenommen wurde, steht im Mittelpunkt der Leuchtbox Frame. Der Bildausschnitt irritiert. Der anonyme Fotograf ignoriert die Logik der westlichen Kompositionsprinzipien und Rahmung. Der Ausschnitt folgt den Regeln der byzantinischen Kunst, in der sozialer Status und politische Macht die Größe eines Subjektes bestimmten. Der General, im Zentrum politischer Bedeutung und an der Spitze staatlicher Hierarchie, posiert zentral. Die niedrigeren Ränge rücken in den Hintergrund, werden beschnitten. Kutlug Ataman, einer der international erfolgreichsten türkischen Künstler, der im Frühjahr 2009 mit der Einzelausstellung Mesopotamische Erzählungen im LENTOS zu sehen war, behandelt die Umbrüche in der Türkei der vergangenen Jahrzehnte. Er thematisiert politische, kulturelle Seite 16 und ökonomische Veränderungen, Kämpfe zwischen religiöser und säkularer Weltanschauung, die Spannung zwischen Osten und Westen. In der europäischen Kunstgeschichte war die systematische Vernichtung der künstlerischen Avantgarde schon 1933 ausgerufen worden. Nach der Ausstellung Entartete Kunst, die 1937 durch deutsche und österreichische Museen tourte, wurden „entartete Werke“ getauscht, gegen Devisen ins Ausland verkauft oder zerstört. Der NS-Kunstpolitik ging es nicht nur um Verfemung und Diffamierung, sondern um die Vernichtung der modernen Kunst. 1939 versteigerte man im Auktionshaus Fischer in Luzern 125 hochkarätige Gemälde und Skulpturen aus deutschen Museen und Privatsammlungen. Die Preise für moderne deutsche Kunst sanken ins Bodenlose. Die Erlöse sollten unter anderem dem geplanten „Führermuseum“ in Linz dienen. Weit über 1.000 „entartete“ Kunstwerke überstanden die „Säuberungsaktion“ der Nationalsozialisten nicht. Sie wurden im März 1939 im Hof der Berliner Hauptfeuerwache verbrannt. Das Ende der europäischen Avantgarde war angebrochen. Der damals in Deutschland lebende österreichische Expressionist Oskar Kokoschka, der 1938 nach London emigrierte, zählte zu den am meistgeschmähten Künstlern des NS-Regimes. Über 400 Werke des Malers wurden aus deutschen Museen beschlagnahmt. Oskar Kokoschkas von der Stadt Wien im Jahr 1949 in Auftrag gegebenes Bildnis stellt ebenfalls einen General dar: Dr. h. c. Theodor Körner, General a. D. (1873 Komorn–1957 Wien), führte im Ersten Weltkrieg die 1. Isonzoarmee. Als Mitglied der sozialdemokratischen Partei war er ab 1925 im Bundesrat, von 1945 bis 1951 Bürgermeister von Wien, zwischen 1951 bis 1957 Bundespräsident der jungen Republik Österreich. Der Künstler berichtet über sein prominentes Modell: „In Wien traf ich auch den Bürgermeister der Stadt, den späteren Präsidenten Österreichs, Theodor Körner, der den Spitznamen ‚Der rote General’ hatte, weil er als Sozialist Kriegsgegner war. Im Ersten Weltkrieg hat er in der Bukowina mit einer kleinen Schar im eisigen Winter der russischen Lawine standgehalten. Vor ihm hatten die Russen Respekt. Er hat sich mit allen Mitteln für Tausende von Flüchtlingen aus Böhmen und Ungarn eingesetzt, Betten requiriert und im Rathaus aufgestellt und an die Hungernden sofort aus den kümmerlichen Vorräten Brot und Suppe austeilen lassen. Im prunkvollen viktorianisch-gotischen Sitzungssaal kochten wir uns auf einem eisernen Sparherd Linsen aus amerikanischen Konserven. Ich habe Körner später – im Jahr 1949 – gemalt. Menschlich haben wir uns ausgezeichnet verstanden, doch weiß ich nicht, ob er zur Kunst viel Beziehung hatte.“ Die Porträtsitzungen, die im April 1949 stattfanden, wurden von Erich Lessing fotografiert. Die Originalabzüge befinden sich seit 1994 im Besitz des LENTOS. Das Bildnis ist trotz der strengen Komposition von einer spielerischen Leichtigkeit erfüllt, die durch die bunte, leuchtende Farbigkeit, durch lockere Farbwirbel im Hintergrund und blaue Umrisslinien verstärkt wird. Der beliebte Bürgermeister erhält eine enorme physische Präsenz. Besonders auffallend sind die großen, nach oben geöffneten Hände, die Körner als zupackenden Mann charakterisieren. Wie kaum ein anderer Künstler besitzt Oskar Kokoschka die Fähigkeit, das Wesen des Modells intensiv zu erfassen, Körner als mächtigen Staatsrepräsentanten zu charakterisieren und – nach westlichen Bildprinzipien – „richtig“ ins Bild zu setzen. Seite 17 Raum 6: 1950–1959 Georges Mathieu Le Massacre de la Saint Barthélémy, 1959 Arnulf Rainer Serie Reste (Übermalungen), 1954-1978 Hans Bischoffshausen Nest, 1960 Anne Schneider Pia, 2005 Markus Prachensky Rouge sur blanc (Rot auf Weiß), St. Stephan, 1960 Hans Staudacher Poesie objective, 1958 Die Selbstauflösung der Malerei wird im Informel und in der Aktionsmalerei von Künstlern in Europa und Amerika vorangetrieben. Arnulf Rainer betreibt „Malerei um die Malerei zu verlassen“. Der Niederländer Karel Appel fordert „ein Künstler sollte frei sein – wie ein Kind und ebenso frei, naiv gefühlsbetont und phantasievoll malen.“ Die „große Geste“, der prozeßhafte, abstrakte Malakt, wird zum Ausdruck leidenschaftlicher Gefühle. Die persönliche Handschrift legt innerste Empfindungen frei. „Keine Kunst!“, urteilte das Publikum vor 60 Jahren. Ob Informel, Abstrakter Expressionismus oder Tachismus, der Kunstskandal war programmiert. Kunst als Revolution: Abstrakt contra Gegenständlich lautet zunächst die Kampfparole der Nachkriegszeit in Österreich. Nach 1945 beginnt eine Phase des Suchens und Experimentierens mit dem Ziel, Österreich aus der künstlerischen Isolation zu befreien und endlich Anschluss an die internationale Moderne zu erreichen. Die Künstler und Künstlerinnen werden erneut zum Gespött der Öffentlichkeit. Die irritierende Stilvielfalt der Mitglieder des 1947 in Wien gegründeten Art Clubs, der als fortschrittliche Plattform für junge Maler, Bilderhauer, Autoren und Musiker im Kampf um die Autonomie der modernen Kunst gilt, fördert die Verunsicherung. 1951 verlassen Arnulf Rainer oder Maria Lassnig den Art Club und gründen mit Ernst Fuchs, Wolfgang Hollegha, Josef Mikl oder Anton Lehmden die Hundsgruppe, die mit einer legendären Publikumsbeschimpfung startet. „Nach dem Krieg war's überhaupt so, dass sich jeder, der nicht Nazi-Kunst gemacht hat, mit dem anderen verstanden hat. Erst später haben wir uns getrennt in verschiedene, fast feindliche Sparten“, berichtet der Maler Wolfgang Hollegha über die schwierigen HungerNachkriegsjahre in Österreich. Im Zentrum von großer, gestisch, abstrakter Malerei, die fast ausschließlich von Männern produziert und dominiert wurde, setzt die zarte, zauberhafte Skulptur von Anne Schneider einen aktuellen Kontrapunkt. Die in Wien lebende Oberösterreicherin, die 2008/2009 mit einer Einzelausstellung im LENTOS präsentiert wurde, besetzt in der jüngeren Generation eine markante Position im Metier der Skulptur. Der psychische wie der physische Raum, die Suche nach seinen Bestimmungen und Ablagerungen bildet das Bindeglied von Schneiders vielfältigen Präsentationen, die von der klassischen Skulptur über Fotografie und Videoprojektion bis zur Rauminstallation reichen. Wachs ist Schneiders bevorzugtes Material. Der Prozess der Formgebung passiert direkt und ohne Hilfsmittel, lediglich mit den Händen, denn das flüssige, schnell erstarrende Wachs ermöglicht nur eine kurze Zeitspanne der Gestaltung. Die heftige, impulsive Malweise, die zum Markenzeichen der informellen Maler wurde, und Anne Schneiders spontanes, abstraktes Aufschichten „verknoten“ sich perfekt mit der von Entgrenzung und Schnelligkeit gekennzeichneten gestischen Abstraktion der 1950er Jahre. In der Serie Körperpendel (2005/2007) und in der Stele Pia (2005) ist der Rückgriff auf Giacomettis expressive Skulptur bewusst gesetzt. Methoden wie Dehnung, Verknüpfung, Seite 18 Deformation und potenzielle Entgrenzung werden aufgenommen. Anne Schneiders Skulpturen evozieren einen Bezug zur menschlichen Gestalt. So setzt sich Pias fragiler Körper aus bunten Baumwollspulen zusammen. Der weiblichen Statue fehlt ein fester Stand, sie kann sich jederzeit in ein Fadengespinst auflösen. Der wächserne, grob geknetete Kopf verstärkt den Fetisch-Charakter der Skulptur. Anne Schneiders Herangehensweise an Materialien und Formfindung ist Experiment auf hohem Niveau. Ihre Skulpturen sprechen von Umwidmung, Deformation und Überzeichnung. Eine lustvolle Verknüpfung und Verflechtung mit den Informellen ist garantiert. (Stella Rollig) „Es gibt wenige reversible Materialien. Es fällt mir leicht, Arbeiten wieder zu zerstören, das Material bleibt. Es birgt natürlich auch Gefahr, sich zu schnell für die Zerstörung zu entscheiden, aber im Grunde wird auch dabei Energie freigesetzt. Wahrscheinlich ist mein ganzer künstlerischer Prozess ein ständiges Zerstören und Aufbauen, ich meine damit kein Wiederaufbauen, sondern Bauen.“ (Anne Schneider) Raum 7: 1960–1969 Andrew Molles Ohne Titel, 1969 Curt Stenvert Als Neger mit Obst gedünstet werden, 1964 Hildegard Joos & Harold Joos Binär Nr. 41 (Balancebild), 1965 Im Zentrum der Materialschicht, 1967 Lajos Kassak Konstruktive Komposition, 1964 Uta Prantl-Peyrer Bild, 1969 Peter Pongratz Geologie, 1968 Oswald Oberhuber Ohne Titel, 1967 Ludwig Schwarzer Flora, 1964 Maria Lassnig Der nicht emanzipierte Mensch (Selbstbildnis als Monster), 1967 Adolf Frohner Über das Schöne darüber, 1963 Alfred Hrdlicka Stehende Figur (Exekution), 1964 Hermann Nitsch Schüttbild, 1962 Otto S. Grewe Auge und Ei, 1964 Julie Hayward Sublimator, 2003 In and Out Fremd oder bekannt, Kuschelpelz oder Techno-Look, Realität oder Illusion, eine Art Labormaschine, was ist das? Wird hier sexuelle Energie, Herzwärme transformiert? „Ein Herz“ wird in einer Maschine, dem Sublimator, zum roten Endlosschlauch verändert. Aber das Funktionieren der Maschine ist nur vorgetäuscht, die „Verwurstung“ bloße Einbildung, das Ergebnis, eine rote Schnur, ist jedoch wieder greifbar. Anfang und Ende der Geschichte sind Seite 19 klar definiert, das Dazwischen bleibt Vermutung und lässt viel Raum für Wünsche, Befürchtungen, Witz, Ernst, Ironie … Vermeintlich Vertrautes wird von Julie Hayward verfremdet und in unseren Köpfen zu einer Geschichte versponnen. Ohne festen Boden schwebt die Skulptur im Raum, leicht wie ein Alptraum, der uns direkt im Herzinnersten trifft. Ausgangspunkt der Objekte Haywards sind kleine Zeichnungen, die in einer Art psychischem Automatismus entstehen. Die daraus entwickelten Plastiken bewegen sich in Parallel- und Zwischenwelten verschiedener Wahrnehmungsebenen. Irritierendes In and Out ist auch das Prinzip der 1964 bis 1967 entstandenen surrealistischen Objektkästen von Kurt Steinwender alias Curt Stenvert. Der Künstler stellt Schaukästen mit kuriosen Dingakkumulationen kritisch-ironisch zusammen: Kriegsspielzeug, Souvenirartikel, Kitsch, Plastik … Nicht nur die Kombination, allein der Titel befremdet. Sind wir unter die Kannibalen geraten, wo „ein Neger mit Obst in einem Topf gedünstet“ wird? Jeder Stenvert-Objektkasten wirkt wie ein Kosmos für sich. Die Bedeutungsdichte, durch Modelle, Miniaturen und Zitate unterschiedlichster Herkunft hervorgerufen, erinnert an die Skurrilität der Kunst- und Wunderkammern und an die seltsamen Dingbegegnungen der Surrealisten. Seine private Ikonografie und sein persönlicher Kosmos werden vom Künstler ausführlich erläutert: „Die Funktionelle Kunst des 21. Jahrhunderts soll dem Menschen die biologischen, psychologischen, soziologischen und philosophischen Voraussetzungen seiner Existenz bewusst werden lassen – das ist die Leben fördernde Urfunktion der Kunst! Funktionelle Kunst ist Revolution! Freiheit durch die Existenzerhellung über das Auge.“ (Curt Stenvert, Manifest, „Die Funktionelle Kunst des 21. Jahrhunderts“) Ende der 1950er Jahre wird die Gesellschaft mit einer neuen Herausforderung konfrontiert. Happenings und Performances der Wiener Aktionisten lösen das Tafelbild ab. Das Kunstwerk wird als Prozess gesehen, der Zuschauer wird zum integrativen Teil der Aktionen. Während Künstler die Performances als Befreiung erleben, sehen konservative Kreise die Aktionskunst als gefährlichen Angriff auf bürgerliche Werte. Die Wiener Aktionisten, Hermann Nitschs Schüttbilder, Adolf Frohners Matratzenbild, die Phantastischen Realisten, Maria Lassnig, Arnulf Rainer oder Alfred Hrdlicka, sie alle wurden zu öffentlichen Störenfrieden, erlebten aggressive Angriffe auf ihr Werk und ihre Person. Raum 8: 1970–1979 Klaus Pinter (Haus-Rucker-Co) Joe’s Bar on the West Side, 1972 David Hockney Mo Mc Dermott, 1976 Cornelius Kolig Objekt,1974/75 Inge Morath Triptychon im Zimmer eines Mitgliedes der „Zwei Brücken Kommune“, 1978 Dario Villalba Uno Roto Negro (El mistico), 1977 Andy Warhol Mao, 1972 Seite 20 Claes Oldenburg Geometrische Maus, 1971 Jim Dine Picabia III, 1971 Joseph Beuys Erdtelefon, 1973 Kiki Kogelnik Das Telefon, 1980 Christo Javacheff Der Turm (Project for a wrapped air raid defence tower-Esterhazy Park-Wien) A temporary war monument, 1976 Gottfried Helnwein The Golden Age 1 (Marilyn Manson), 2003 Jürgen Messensee Cathy & Nancy, 1980 Die düsteren Seiten der Pop-Art Pop-Art auf ihrem Höhepunkt: Oldenburg verkündet, dass er für eine Kunst plädiert, „… die ihre Form aus den Linien des Lebens selbst entlehnt, die etwas anderes tut, als auf ihrem Hintern im Museum zu sitzen ...“. Joseph Beuys stellt seine legendäre Behauptung „Jeder Mensch ist ein Künstler …“ auf und Christo „enthüllt durch Verhüllen“. Gottfried Helnweins Gemälde und digitale Fotografien – hyperrealistisch, „bigger than life“, beunruhigend in ihrer Präsenz – erzeugen eine magnetische Atmosphäre rätselhafter Ungewissheiten. Seine Bildthemen sind Erinnerung und Verdrängung, Kindheit, Konstellationen der Macht. Sie zeigen Helnwein als Künstler, der sich in erster Linie sozialen, gesellschaftspolitischen Anliegen verpflichtet fühlt. Hinter diesen Darstellungen stehen tiefe Menschlichkeit und Empathie. Helnwein malt, was er in der Welt nur schwer erträgt: Sein Markenzeichen sind bandagierte Köpfe. Dazu kommt eine Lust an Maskierungen und Rollenspielen – faszinierend umgesetzt in der Zusammenarbeit mit dem Musiker Marilyn Manson, die 2003 in einer wichtigen Werkgruppe kulminiert. Marilyn Manson präsentiert sich in Helnweins Plattencover-Entwurf The Golden Age of Grotesque zwar unverkennbar als Mickey Mouse, gibt sich aber als schwarzer Kinderschreck und Menschenfresser. Marilyn Mansons weltweit erfolgreiche Auftritte als Rockstar werden von einer provokanten Bühnenshow begleitet. Schlagzeilen in der Regenbogenpresse sind garantiert. Manson, von Beruf eigentlich Fotojournalist, feiert auf der Bühne eine multimediale Satansmesse, privat agiert der Megastar und Schockrocker hingegen als sozialkritischer Aktivist. Auf seiner Website stellt Manson die dialektische Frage: Is adult entertainment killing our children? Or is killing our children (eine Anspielung auf den „Irak-Krieg“) entertaining adults? Vorhang auf für die Provokateure und Schocker der Kunst aus der Sammlung des LENTOS: Gottfried Helnwein, Andy Warhol, Jim Dine oder Claes Oldenburg. Wer trägt nicht gern eine Maske? Schlüpfen wir nicht alle in andere Rollen? Helnwein zeigt seinen Freund Manson als Mann mit vielen Gesichtern. Marilyn verkörpert in kindlicher Mickey-Maskerade den intelligenten Serienmörder und forensischen Psychiater Hannibal Lecter, der durch den Film Das Schweigen der Lämmer einen großen Bekanntheitsgrad erhielt. Hannibal the Cannibal alias Marilyn Manson und der 1948 in Wien geborene und in Irland und Los Angeles lebende Gottfried Helnwein lehren die amerikanische Gesellschaft „das Fürchten“. Und Kiki Kogelnik, Österreichs „Queen of Pop“, zerstückelt ihre Protagonisten mit Schere und Hammer, während sich eine Schlange bedrohlich dem Mund nähert. Seite 21 Raum 9: 1980–1989 Roman Scheidl Brücke der Träume, 1983 Hubert Schmalix Die Reispflückerin, 1980 Keith Haring Rot–Gelb–Blau nein, Portrait von Martin, 1987 Ohne Titel (Tuschserie), 1989 Walter Dahn Andreas Schulze, 1982 Birgit Jürgenssen Illusion der Ewigkeit, 1985 Markus Lüpertz N. Y. Tagebuch 13.2.1984, 1984 Oskar Kokoschka Der Gaukler, um 1907 Sitzender Mädchenakt, um 1907 Erwin Wurm Krieg der 1950er mit den 1960er Jahren, 1986 Brigitte Kowanz Ohne Titel, 1990 Fabrizio Plessi Videoland-Videolinz, 1988 Fritz Riedl Ohne Titel, 1982 Wolfgang Hanghofer Prostituierte in der Rue Saint Denis, 1989 Und ich fiel nieder und träumte von nicht aufhaltbaren Änderungen. (Dritter Traum, aus der Dichtung „Die Träumenden Knaben“ von Oskar Kokoschka, 1908) Oskar Kokoschka, der 1910 von Wien über Berlin in die Welt auszog, ist in seinem malerischen Frühwerk ein Menschenmaler. Die Porträts stellen Personen der Gesellschaft und Einzelgänger der europäischen Kulturszene dar. Der Wiener Architekt Adolf Loos, Kokoschkas Freund und Gönner, vermittelt dem jungen Künstler immer wieder Auftragsarbeiten. OK, wie er von allen genannt wurde, sieht seine Modelle mit Röntgenaugen, als „Schauender“ skizziert er ihre Seelen, als hellsichtiger Visionär bannt er zukünftige Ereignisse auf die Leinwände. Die Jugend, das Heranwachsen und die Erotik als Hauptthemen des Wiener Jugendstils beschäftigen Kokoschka besonders im Frühwerk. Das von der Wiener Werkstätte herausgegebene Märchenbuch Die Träumenden Knaben wird zum Hauptwerk der frühen Schaffensperiode. Zu den berührendsten Arbeiten im frühen Œuvre zählen neben expressiven Kinderakten psychologisierende Porträts von Kindern, die dem Maler selbst versagt blieben. Sowohl die Studie zum Gaukler als auch der Sitzende Mädchenakt, beides Hauptwerke aus dem Stadtmuseum NORDICO, sind Vorstudien zu den Träumenden Knaben, entstanden in den Jahren 1907 bis 1908. Seite 22 Kokoschka wendet in der männlichen Aktstudie einen Detailrealismus an, der, wie bei den zeitgleich entstandenen Mädchenakten, die einzelnen Individuen nicht nur bloßstellt, sondern zutiefst menschlich erfasst. Der ausgemergelte Körperbau, Altersflecken, hervortretende Venen werden durch Aquarellierung schonungslos akzentuiert. Kokoschka entdeckt seine Modelle auf der Straße, engagiert Mitglieder gesellschaftlicher Randgruppen wie arbeitslose Zirkuskinder und Artisten. Die Darstellung knabenhaft wirkender Mädchen, ermöglicht dem Künstler nicht nur, das soziale Elend zu veranschaulichen, sondern auch sexuelle Obsessionen – eine bisexuelle, nie ausgelebte Neigung, wie sie in den Träumenden Knaben angedeutet wird – zu befriedigen. Keith Haring (1958 Kutztown–1990 New York) und OK (1886 Pöchlarn–1980 Montreux) – waren beide: wild, verrufen und gefeiert. Als leidenschaftliche Zeichner und Enfants terribles der Gesellschaft erreichten die populären Künstler Kultstatus. Von Anfang an setzen sich Kokoschka und Haring mit der Bedeutung von Tod, Sünde, Macht, Sexualität, Religion und Erlösung auseinander. Ihr Schaffen umkreist immer wieder Homosexualität und Erotik, die von der expressiven, figurativen Malerei der Neuen Wilden in den 1980er Jahren verstärkt thematisiert werden. Die deutschen Maler Salome und Rainer Fetting zählen ebenso zu Vertretern dieser Richtung wie die Österreicher Siegfried Anzinger und Hubert Schmalix. Blitzschnell, sicher, mit Temperament und Rhythmus durchkreuzt „Oberwildling OK“ Keith Harings emblematischen Tuschzyklus. Der Amerikaner Haring, der seine Homosexualität offen auslebt und mit 31 Jahren, 1990, an der Immunschwäche Aids stirbt, zeichnet schon als Kind unermüdlich Comics. Seine auf wenige Striche reduzierten Figuren werden zu weltweiten Markenzeichen, erhältlich in Galerien und Souveniershops. Die sieben Monate vor Harings Tod entstandenen Tuschpinselzeichnungen berühren zutiefst. Sie berichten fast heiter, mit Augenzwinkern, ohne Bitterkeit oder Ironie, von dem schweren Leiden seiner Krankheit und enden in einer Aussöhnung mit dem Universum. Der Star aus den Tiefen der Subways New Yorks verschmilzt mit dem Sternenhimmel im goldenen Erdkreis. Raum 10: 1990–1999 Gunter Damisch „Weltnachtineinander I“, 1999 Maria Lassnig Nebeneinander Linien I-IV, 1993 Dieter Appelt Kreuzweg, 1993 Sean Scully Uriel, 1997 Lois Weinberger Wegrandhaus, "documenta X", 1997 Irene Andessner Vorbilder 1-5, 1996 Hugo von Habermann Stehende Frau (Jägerin), 1875 Markus Lüpertz Landschaft, 1997 Monika Oechsler Strip, 2004 (1997) The Chase, 2004 (2000) Seite 23 Ricarda Denzer Tür vierzehn – reading absence, 2000/01 Stephan Balkenhol Mann mit grauer Hose und blauem Hemd, 1993 Patrick Raynaud Leuchtkopf, 1991 (1993) Alfred Haberpointner Horn, 1994 Gehacktes Oval, 1995 Ilse Haider Antinous, 1993 „Es ist möglich, daß späteren Generationen die Originalität Habermanns ein wenig pervers erscheint – für den, der verfolgen will, wie unsere Zeit sich selbst empfindet, gehört er zu den fesselndsten Erscheinungen …“ (Richard Muther über den „vergessenen“ Münchner Maler Hugo von Habermann, 1894) Die unbekannte Frau mit dem großen Hut, im Werkverzeichnis als Jägerin bezeichnet, gehört zu der Gruppe von Kostümbildnissen, die Habermann während seiner Akademie-Zeit im Stil der altdeutschen Malerei 1875 schuf. Der dunkle, magisch erscheinende Hintergrund und das erleuchtete Gesicht bei einer sonst dunkeltonigen Malweise lehnen sich an Gemälde des Niederländers Antonis van Dyk (1599– 1641) an. Lovis Corinth, Zeitgenosse und Malerfürst, schwärmt über die Malerei Habermanns: „… ein Schwelgen in Schwarz mit einem leisen Anflug ins Dekorative; auch ein gewisser Einfluß des Symbolismus, wie ihn in Paris die Rosenkreuzer übten, kann festgestellt werden ... Seine Pinselführung ist ornamental grandios geworden … Seine Bilder sind nicht einschmeichelnd… Das Herbe herrscht auch in seinen kokettesten Frauenschilderungen vor …“ (Lovis Corinth: Gesammelte Schriften. Berlin: Fritz Gurlitt, 1920) Die Jägerin präsentiert sich selbstbewusst – emanzipiert, in dunkler Ausgehrobe in der Landschaft stehend. Die faszinierende Wirkung des Ganzfigurenporträts, hervorgerufen durch die elegante, stolze Erscheinung bzw. das melancholische Lächeln der jungen Dame, ist für Habermanns später eher dekorativen Porträttypus untypisch. Habermann schildert die Unbekannte als burschikos wirkende Frau, die einer damals ausschließlich Männern vorbehaltenen Betätigung, der Jagd, frönt. Herb, stolz und maskulin vor dunklem Grund kontert Habermanns Gegenüber, Irene Andessner, mit ihrem „erleuchteten“ Selbstbildnis. Die österreichische Künstlerin schlüpft, wie die Jägerin, in eine Rolle. Andessner erkundet in ihren Arbeiten die Schnittstellen zwischen Selbstsein und Selbstprojektion, zwischen Selbstund Fremdwahrnehmung. Die Performerin befasst sich seit Ende der 1980er Jahre mit dem Porträt – ursprünglich als Malerin und seit Mitte der 1990er Jahre mit den Mitteln des Tableau vivant, der Fotografie und des Films. Irene Andessner verwandelte sich in Marlene Dietrich und rief 2001 damit viel Medieninteresse hervor. In der Rolle der Schönen Linzerin fungierte die Künstlerin jüngst im öffentlichen Raum: als Schöne Linzerin prangte sie 2009 nicht nur im LENTOS Kunstmuseum, sondern auf City-Light-Plakaten in der Kulturhauptstadt. Bislang übernahm Andessner rund 50 Rollen von historischen, mythologischen und literarischen Frauenpersönlichkeiten, interpretierte historische „Vorbilder“ in aufwändig gestalteten zeitgenössischen „Nachbildern“. Als Wanda (re)produziert Andessner das weibliche Idealbild des Leopold von Sacher-Masoch. 2006 interpretiert sie die überlieferten, in ihrer Authentizität fragwürdigen Mozart-Porträts. Den „Saal der berühmten Männer“ im Café Florian in Venedig Seite 24 verwandelt sie in einen „Salon der illustren Frauen“, den Paternoster im Haus der Industrie in Wien in einen „Maternoster“ (mater nostra). In der 5-teiligen Arbeit Vorbilder, Selbstporträts nach Selbstporträts, die aus 1996 stammt, thematisiert Irene Andessner einmal mehr feministische Kunstgeschichte. Sie stellt das Leben der wenigen zu Weltruhm gelangten Malerinnen nach: Sofonisba Anguissola (dat. 1552), Angelica Kauffmann (dat. 1770–1775), Gwen John (dat. 1900), Frida Kahlo (dat. 1930) und letztlich ist es Irene Andessner selbst, die in androgynem Habitus posiert. Während die Bilder von Anguissola und Kauffmann historisch bedingt vor dem Auge verschwimmen, sieht sich Andessner „überscharf“, als selbstbewusste Malerin, in männlichem Outfit, mit Palette und Pinsel in traditioneller Malerpose. Bereits in den 1970er Jahren beginnen Künstlerinnen verstärkt, die traditionellen Geschlechterrollen in der Kunst zu hinterfragen und ihren Körper zum Gegenstand ihrer Kunst zu machen. Sie widmen sich der kritischen Analyse ihres gesellschaftlichen Umfeldes (geschlechtsspezifische Rollenzuweisung, Geschlechteridentität) und der Erforschung der ungeschriebenen Geschichte der Frau. Das Motto lautete „Jetzt oder Nie“: Künstlerinnen zeichneten sich durch ein neues Selbstbewusstsein aus. Parallel dazu gewinnen neue Medien und Kunstformen wie Fotografie, Film, Video und Performance an Bedeutung. Monika Oechsler, von der 2004 eine Videoinstallation im LENTOS präsentiert wurde, arbeitet kontinuierlich mit dem Medium Video, das ein zentrales Motiv der Arbeit mit elektronischen Laufbildern für Künstlerinnen wurde. Das Dispositiv Kino wird analysiert, manipuliert, unterlaufen oder erweitert. Zuschauer werden zu Akteuren, Popkultur und Kulturindustrie werden miteinander verknüpft. Frauen/Mädchen stehen jeweils im Mittelpunkt der geschilderten, beklemmenden Stories: In dem 1997 entstandenen Video zeigt Oechsler junge Mädchen bei einem befremdlichen Training. Die Kinder bauen mit verbundenen Augen gefährliche Handfeuerwaffen in einem britischen Waffen-Club zusammen und schulen ihre Fertigkeit im Umgang mit Pistolen und Gewehren. Oder der Betrachter wird Zeuge eines ebenso unfairen wie unsportlichen Wettkampfes zwischen Mann und Frau. Die an der Spitze liegende Läuferin wird von ihrem männlichen Konkurrenten gerempelt, gestoßen, bedrängt. Eine Allegorie auf den täglichen Überlebenskampf von Frauen? Stephan Balkenhols hölzerner Mann mit grauer Hose und blauem Hemd wird trotz Erhöhung auf seinem Podest zum stummen, „gespaltenen“ Zuseher. Sind Künstlerinnen endlich auf der Überholspur? Raum 11: 2000–2010 Uli Aigner Keimzelle des Staates 29 (Loch), 2004 Eva Schlegel Ohne Titel, 2002 Ulrike Lienbacher Ohne Titel, 2003 Werner Schrödl Ohne Titel, 2003 Ohne Titel, 2002 Seite 25 Dorothee Golz Unbeteiligter, 2007 Bertram Hasenauer Ohne Titel (LONG AGO and FAR AWAY), 2008 Johanna Kandl „You never know what will happen next…“, 2004 Hubert Scheibl „ones“, 2008 Julie Monaco CS_01/3, 2003 – 2004 Tony Cragg New Curly, 2001 Hans Thoma Landschaft bei Carrara, 1910 Gerwald Rockenschaub Animation, 2002 You never know what will happen next … „Aufgabe von Kunst ist es heute, Chaos in die Ordnung zu bringen“, meinte Theodor W. Adorno. Schaffen es Museen im Zeitalter des Pluralismus und Globalismus das Chaos und die Vielfalt in der Kunst zu überblicken? Was kann ein Kunstmuseum im digitalen Zeitalter leisten? Hans Thoma (1839 Bernau–1924 Karlsruhe) war einer der beliebtesten Maler Deutschlands zum Ausklang des 19. Jahrhunderts. Wie kein zweiter Künstler von der Landschaft seiner Heimat geprägt, stand er mit seinen naturalistischen Landschaftsdarstellungen und Motiven aus der bäuerlichen Lebenswelt zunächst in Opposition zur herrschenden, historistisch geprägten Kunstauffassung. Über fünf Jahrzehnte hinweg wurden Thomas Bilder strikt abgelehnt, bis ihm mit einer Ausstellung in München 1890 der Durchbruch gelang. Als anerkannter Künstler wurde er erst spät, 1899, als Direktor der Großherzoglichen Kunsthalle und Professor der Kunstakademie nach Karlsruhe bestellt. Ein klassisches Künstlerschicksal. Ab 1874 prägten Darstellungen von Italienreisen das Œuvre des Künstlers, der in seinem 1910 entstandenen Spätwerk, Landschaft bei Carrara, erneut seine Reiseeindrücke in der Toskana schildert. Das selten gezeigte Werk des damals 71-jährigen Künstlers wirkt erstaunlich frisch und jung. Im Vordergrund spielen Kinder in einer Blumenwiese, während ein einfacher Landarbeiter, auf seinem Eselchen die üppige Landschaft rund um die Carrara-Berge durchquert. Die spärlich besiedelte, klassisch komponierte Landschaft wirkt idyllisch. Ein friedvolles Zusammentreffen von Menschen in einer intakten Natur wird detailreich, geradezu liebevoll geschildert. Für Johanna und Helmut Kandl ist, wie für den „vergessenen“ Maler Hans Thoma, Kunst ein Medium zur Auseinandersetzung mit der Welt, mit Ländern und Regionen, Geschichte, Politik und Wirtschaft, mit anderen Menschen. Das Duo richtet seinen Blick auf das „Private“ und sammelt Geschichten vorrangig in den ex-sozialistischen Ländern. Johanna Kandls politisch pointiertes Gemälde, das der Sammlungsausstellung ihren Titel gibt, geht auf Fotos aus Osteuropa zurück. Gezeigt wird eine subtil gemalte Genreszene, kombiniert mit einem Slogan aus Marketing oder Motivationstraining: „you never know what will happen next“. Das Motto wird zur Frage umfunktioniert. Unsere Zeit ist schnelllebig geworden. Klimawandel, Landflucht und das explodierende Wachstum vieler Großstädte prägen nicht nur das mediale Bild, sondern auch die reale Landschaft. Betonburgen, die erst vor 30 Jahren errichtet wurden, sind wieder abbruchreif. Es wird längst nicht mehr für die Ewigkeit gebaut. Ein Jahrhundert nach Hans Thoma hat sich die „idyllisch-heroische Landschaft“ drastisch verändert. Seite 26 Spielende Kinder, weidende Tiere auf den Wiesen, gibt es noch, dazwischen jedoch Industriehallen. Aus der mittelalterlichen Burg im Hintergrund wird eine anonyme Plattensiedlung, das Grün der noch unverbauten Wiesen wird als bescheidenes Freizeitareal bzw. als mikroökonomisches Refugium genützt. „Das Kennzeichen unserer Zeit ist Richtungslosigkeit und der Verlust einer verbindlichen Verständigungsgrundlage“, mit diesem prophetischen Satz analysiert der oberösterreichische Künstler Herbert Bayer bereits 1967 die pluralistischen internationalen Kunsttendenzen der Nachkriegszeit. Bayers Prophezeiung hat sich erfüllt. Kunst wandelt und erneuert sich ständig. Moden kommen und gehen. Trends werden gesetzt und verschwinden. „Künstler träumen für die Gesellschaft“, meinte die 1985 verstorbene Objektkünstlerin Meret Oppenheim. Träume weisen gerne überraschende Wendungen auf – bleiben offen, rätselhaft wie die Kunst. Die junge Kunst im LENTOS. Das neue Jahrzehnt kann kommen. Seite 27 Pressebilder 1. Andy Warhol Mao, 1972 LENTOS Kunstmuseum Linz © VBK, Wien 2010 5. Keith Haring Red - Yellow - Blue No Portrait of Martin, 1987 LENTOS Kunstmuseum Linz 9. André Kertész Satyrische Tänzerin, 1926 LENTOS Kunstmuseum Linz 2. Bertram Hasenauer Untitled (LONG AGO and FAR AWAY), 2008 LENTOS Kunstmuseum Linz 6. Sean Scully Uriel, 1997 LENTOS Kunstmuseum Linz © VBK, Wien 2010 10. Ausstellungsansicht © Foto: maschekS. 2010 3. Gottfried Helnwein The Golden Age 1 (Marilyn Manson), 2003 LENTOS Kunstmuseum Linz © VBK, Wien 2010 7. Lois Renner Wong Kar-Wei (Eifersucht), 2007 LENTOS Kunstmuseum Linz 4. Stephan Balkenhol Mann mit grauer Hose und blauem Hemd, 1993 LENTOS Kunstmuseum Linz © VBK, Wien 2010 8. Gustav Klimt Frauenkopf, 1917 LENTOS Kunstmuseum Linz 11. Ausstellungsansicht © Foto: maschekS. 2010 Seite 28