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WERKZEUGE UND FORMEN PROJEKT Eurotooling 21 Kunststoff statt Metall: Die hellgrünen Blenden für die Mautterminals werden inzwischen kosteneffizient im Spitzguss gefertigt. EuroTooling 21 ist ein von der europäischen Kommission gefördertes integriertes Projekt, das auf die Bedürfnisse der kleinen und mittelständischen Unternehmen des Werkzeug- und Formenbaus in Europa ausgerichtet ist. Ziel des Projekts ist es, die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen durch den Einsatz innovativer Technologien und Geschäftsprozesse zu stärken. Das Konsortium besteht aus insgesamt 33 Partnern aus zehn europäischen Ländern. Das Projekt startete im Jahr 2004 und wird in diesem Jahr abgeschlossen. Aus Portugal sind unter anderem Plasdan, 3D Tech, Anibal H. Abrantes und Brisa beteiligt. Deutsche Vertreter sind unter anderem Christmann, Wahl Optoparts, Roche, das Fraunhofer IPT und das WZL der RWTH Aachen. INNOVATIONSKATALYSATOR SPRITZGUSSFORMEN FÜR KLEINE LOSGRÖSSEN Brisa – Auto Estradas de Portugal ist die Vorzeigefirma schlechthin unter den europäischen Autobahn-Mautbetreibern. Über die letzten Jahrzehnte hat das 1972 gegründete Unternehmen sein Netzwerk kontinuierlich ausgebaut und mit zahlreichen technologischen Innovationen für mehr Komfort und Sicherheit beim Bezahlen von Mautgebühren gesorgt. Zu den jüngsten Projekten zählt das Redesign der Bedienterminals, deren Blende nun nicht länger aus Metall, sondern aus Kunststoff hergestellt wird. Ein Netz von Partnerfirmen hat eine wirtschaftliche Lösung für die Herstellung dieser Bauteile in kleinen Stückzahlen entwickelt. U m langfristig den Unternehmenserfolg zu sichern, verfolgt Brisa nicht nur penibel die Weiterentwicklung von Geräten und Systemen für die Mautkontrolle, Bezahlung und Verkehrstelematik, sondern beteiligt sich selbst aktiv am Fortschritt. Ein Großteil der Geräte und Systeme, mit denen das Unternehmen heute arbeitet, wurden durch Einsatz der eigenen internen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten entwickelt. Gleichzeitig pflegt der Maut- anlagenbetreiber Entwicklungspartnerschaften, um am Markt bereits verfügbare Technologien den eigenen Anforderungen anzupassen. Diese Unabhängigkeit von Lieferanten und das eigene Technologie-Know-how verschaffen Brisa einen wesentlichen Vorsprung im internationalen Wettbewerb. Die Prozesse werden kontinuierlich optimiert, die Kosten reduziert und neue Marktchancen erschlossen. Formenbauer werden zu Co-Designern Autoren Tomé Canas, Innovation System Manager, und Jorge Sales Gomes, Director Innovation and Technology Management, Brisa Autoestradas, São Domingos de Rana/Portugal, [email protected], [email protected] 80 Plastverarbeiter · September 2008 Seit 2002 arbeitet die Innovations-und Technologietransferabteilung von Brisa mit einem Innovationsverwaltungssystem. Eine der Besonderheiten dieses Systems ist, dass es die intensive Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnern unterstützt, um gemeinsam die Innovationsstärke weiter zu erhöhen. Dieses Netzwerk umfasst unter anderem Hochschulen, Technologie-Zentren, Lieferan- ten, Start-ups (hervorgegangen aus Brisa-Projekten), Business Angels, Wettbewerber und Regierungsstellen. Ziel eines jüngsten Projekts war es, das Design der Bedienoberflächen der Mautanlagen zu überarbeiten und dabei zusätzliche Funktionen zu integrieren. In einem ersten Schritt sollte zunächst die frontale Blende der Anlage einem Redesign unterzogen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Blende aus Metall hergestellt. Dieses wurde gebogen, geschweißt und schließlich lackiert, was die Designfreiheit massiv einschränkte. Alternative Fertigungstechnologien wie der Kunststoffspritzguss schienen vielversprechend, hier Abhilfe zu schaffen. Allerdings wurde die Idee des Spritzgießens schnell wieder verworfen. Nur wenige hundert dieser Bauteile werden benötigt, und üblicherweise rechnet sich für solche kleinen Stückzahlen der Spritzgießprozess nicht. Zu hoch sind in der Regel die Werkzeugkosten. Hier ist noch viel zu tun, bevor sich der Spritzguss auch für kleine Losgrößen in Nischenmärkten durchsetzt. Mitten in dieser Evaluationsphase ergab sich für Brisa die Möglichkeit, am Projekt Eurotooling 21 teilzunehmen. Einer der Projektschwerpunkte war die Entwicklung neuer Methoden für die wirtschaftliche Herstellung kleiner Serien großer Kunststoffteile. Mit dem Projekt wurde ein Innovationsprozess gestartet, dessen erster Schritt die Etablierung eines Firmennetzwerks war. 33 Unternehmen aus ganz Europa beteiligten sich an diesem Projekt, darunter Formenbauer, OEM und Tier-1-Supplier, Industrieverbände und Forschungsinstitute. Beteiligt waren auch das Centimfe (Portuguese Technological Center for the Mouldmaking, Special Tooling and Plastics Industries) und das IST (Instituto Superior Técnico) in Lissabon. Das Innovationsnetzwerk geht damit über die übliche Kunden/LieferantenBeziehung hinaus und betrachtet die Projektteilnehmer als Partner. Die Portugiesischen Formenbauer werden so in anspruchsvolle Projekte involviert, sie werden zu Co-Designern und Co-Herstellern. Das eröffnet ihnen die Chance, ihre Innovationsfähigkeit und ihre Strukturen zu optimieren, um auch in anderen Bereichen davon zu profitieren. Schließlich werden immer mehr maßgeschneiderte Lösungen gefordert und hierbei stellt sich der Erfolg umso schneller ein, je länger die Partner bereits zusammenarbeiten. Niedrigere Kosten bei konstanter Qualität Auf Basis der Erfahrungen der Projektpartner wurden die technischen Spezifikationen der Blende für die Mautterminals an die Anforderungen angepasst und eine Ausgangslösung wurde definiert. Ziel einer solchen Definition ist es, sich einen Überblick über die gängigen Lösungen, die aktuell von der Industrie für die gegebene Problemstellung angeboten werden, zu verschaffen. Konkret ging es also um Standardlösungen für die Spritzgießfertigung kleiner Stückzahlen. Die Prozessingenieure und Werkzeugdesigner erhielten die Spezifikationen der Blende und wurden gebeten, eine Lösung zu entwickeln. Die resultierende Fertigungsstrategie hatte allerdings noch einige Unzulänglichkeiten. Besonders gravierend: Die kalkulierten Stückkosten lagen weit über den Vorgaben von Brisa. Die Herausforderung für das Kooperati- KOSTENEFFIZIENZ Netzwerk erhöht Wirtschaftlichkeit Als die Bedienoberflächen von Mautterminals ein neues Design erhalten sollten, schied der Spritzguss als mögliches Fertigungsverfahren für die dort eingesetzten Blenden zunächst aus. Denn für kleine Losgrößen rechnet sich in der Regel nicht der Werkzeugbau. Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekt konnte dennoch eine wirtschaftliche Lösung entwickelt und umgesetzt werden. onsprojekt bestand nun darin, mit Fokus auf die Reduktion der Herstellkosten die Wertschöpfungskette systematisch zu analysieren. Fakt ist, für kleine Losgrößen werden kostengünstige Werkzeuge mit kurzen Lieferzeiten benötigt. Um dies zu erreichen und gleichzeitig die geforderte Bauteilqualität zu gewährleisten, ist vor allem die Technologie entscheidend. Verschiedene Maßnahmen wurden schließlich ergriffen. Zu den wichtigsten zählten: Der Einsatz neuer Materialien, die sich schnell und einfach an den Prozess anpassen lassen. Zum Einsatz kommen Kunstharze mit Metallic-Anteilen, Metallpulver, gesinterte Komponenten und leichte Legierungen), Neue Produktionsprozesse und Workflows, Vereinfachungen im Engineering und der Produktionsplanung, Modularisierung und die Wiederverwendung des Werkzeugs und seiner Komponenten. Nach Abschluss des Projekts entsprachen die Bauteile dem Kostenziel. Rund 400 Bedienfelder wurden produziert und auf den neuen Maut-Automaten montiert. Die Inbetriebnahme erfolgte in den Jahren 2007 und 2008. Das Beispiel macht deutlich, dass neue Formenbaumethoden und die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Projektteilnehmern zu einer erheblichen Kostenreduktion führen, die Flexibilität der Fertigung erhöhen und den Einsatz von Thermoplasten auch für kleine Serien mit einer hohen Wertschöpfung ermöglichen. KONTAKT Nuno Gomes, Marketing, Cefamol (The Portuguese Association for the Mould Industry), Marinha Grande/Portugal, [email protected] Plastverarbeiter · September 2008 81