Iran ist kein Rechtsstaat!

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Iran ist kein Rechtsstaat!
Monatszeitschrift
Demokratische Vereinigung für Flüchtlinge
Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai 2015
DVFs Resolution:
ArbeiterInnen in
der ganzen Welt,
vereinigt Euch!
Es lebe der erste
Mai, der Tag der
Entschlossenheit
und
des
gemeinsamen
Kampfs der
ArbeiterInnen aller
Länder
Die
weltweite
Wirtschaftskrise ist
2008 ausgebrochen
und
sie
verschlimmert sich.
Es
gibt
keine
Lösung für die
Beilegung
dieser
Krise.
Die
verheerenden
Folgen
der
neoliberalen Politik
hat massive Proteste
in den Ländern wie
Griechenland,
Spanien,
Italien,
Portugal,
Deutschland,
Frankreich und in
den USA, in den
lateinamerikanische
n Ländern, wie auch
in
Ägypten,
Tunesien, Indien, in
der Türkei etc.
erbeigeführt.
Seite 2
1. Mai im Iran: Tag der Arbeitslosen
Seit 8 Jahren gab es im Iran zum ersten Mal wieder öffentliche
Kundgebungen zum 1. Mai (11. Ordibehescht nach dem
Persischen Kalender). Aus den umliegenden Städten von
Teheran kamen Delegationen von Arbeitervertretern mit 720
Bussen. Kundgebungen fanden an mehreren Plätzen
gleichzeitig statt, um den Sicherheitskräften die Arbeit nicht
zu einfach zu machen. Denn einen Platz und die
Zufahrtsstraßen zu sperren ist leichter als mehrere zugleich. Es
wird geschätzt, dass rund 20.000 Menschen in Teheran
unterwegs waren, um die Rechte der Arbeitenden – und
Rentner und Arbeitslosen – einzufordern.
Im real existierenden Islamischen Staat
Ja, es gab sie, die Revolutionäre, die von einem sozialistischen
Staat träumten und dann im Gefängnis des real existierenden
Sozialismus aufwachten. Und es gab auch die Revolutionäre,
die von einem islamistischen Staat träumten und dann im real
existierenden Islamismus aufwachen durften. Und wenn es
heute wieder Revolutionäre im Namen des Islams gibt, ob in
Syrien oder im Irak, dann kann man sich aus iranischer Sicht
nur wundern, ob die die letzten 35 Jahre geschlafen haben,
denn ihr Paradies existiert doch schon längst und direkt vor der
Haustür – im Iran.
Wie gut es den Arbeitern dort geht, sieht man daran, wie sich
die Regierenden auf den ersten Mai vorbereitet haben. Da
wurde ein Führer der Lehrergewerkschaft verhaftet, und noch
wenige Tage vor dem 1. Mai fanden Razzien gegen eine ganze
Reihe von Gewerkschaftern statt:
Ebrahim Madadi, stellvertretender Vorsitzender der
Busfahrergewerkschaft in Teheran, wurde verhaftet, ebenso
Dawud Rasawi, Mitglied des Vorstands der selben
Gewerkschaft, Mahmud Salehi, Gewerkschaftsaktivist in
Saqes (Kurdistan), Kak Osman Esma‘ili, Sprecher des
Komitees zur Verteidigung inhaftierter Arbeiter in Mahabad
(Kurdistan) – sie alle wurden von den bewaffneten Organen
des Staates der Islamischen Revolution abgeschleppt und ins
Gefängnis gebracht. Aber die Kundgebungen zum 1. Mai
fanden trotzdem statt, und diesmal in aller Öffentlichkeit. Der
Machtkampf hat erst begonnen. Und zwar diesmal nicht
zwischen denen da oben, sondern zwischen den einfachen
Menschen, die ums Überleben kämpfen, und denen da oben.
Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 4. Mai 2015
Iran ist kein Rechtsstaat!
Ahwas (Iran): 4
Monate
Arbeit
und kein Lohn
Seite 3
Irans
verfolgte
Konvertiten
Seite 4 – 5
Taliban Delegation
im Iran?
Seite 6
Sechs Hinrichtungen pro Tag
Seite 7
Iran:
Frauen
unterstützen
Narges
Mohammadi
Seite 8
Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai
2015
KANOUN
S. 2
Resolution: ArbeiterInnen in der ganzen Welt, vereinigt Euch!
Es lebe der erste Mai, der Tag der Entschlossenheit und des gemeinsamen Kampfs der ArbeiterInnen aller
Länder
Die weltweite Wirtschaftskrise ist 2008 ausgebrochen und sie verschlimmert sich. Es gibt keine Lösung für die
Beilegung dieser Krise. Die verheerenden Folgen der neoliberalen Politik hat massive Proteste in den Ländern wie
Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Deutschland, Frankreich und in den USA, in den lateinamerikanischen
Ländern, wie auch in Ägypten, Tunesien, Indien, in der Türkei etc. erbeigeführt. Immer mehr Länder verharren in
der wirtschaftlichen Stagnation und in der Wirtschaftskrise. Es obliegt allen, gegen den Kapitalismus vorzugehen
und sich für die Schaffung einer Welt ohne Ausbeutung einzusetzen. Die Folgen der Politik der Islamischen
Republik Iran (IRI) und die Erweiterung der neo-liberalen Maßnahmen hat die Krise – in den Bereichen Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft – verschärft. Die Arbeiterschicht wird sowohl vom Regime wie auch von den
Kapitalisten ins Visier genommen. Das Leben wird der Arbeiterschicht erschwert. An der bisherigen
Wirtschaftspolitik des neuen Regierungschefs im Iran, Hasan Rohani, ist zu erkennen, dass er vorhat, mit
fundamentalen neo-liberal-orientierten Maßnahmen Liberalisierung und Privatisierung fortzusetzen und die
Arbeiterrechte auszuhöhlen. Eine der verheerenden Maßnahmen Rohanis sind die Lohnkürzung und die Ausbeutung
der Arbeitskraft zu Gunsten der Unternehmer und Kapitalisten. Die Wirtschaft Irans ist am Boden. Obwohl das
Regime im Iran dem Westen in seinem Atomprogramm entgegengekommen ist, wurden zahlreiche Sanktionen
immer noch nicht aufgehoben und somit wird die Politik „Öl gegen Brot“ weiterhin fortgesetzt. Die Zunahme der
Inflationsrate, der massive Wertverlust der iranischen Währung, Konkurs der Firmen und Industrien sind Indizien
für eine wirtschaftliche Katastrophe. Obwohl das Regime – durch das Öleinkommen – in den letzten acht Jahren
mehr als 600 Milliarden US-Dollar kassierte, liegt das Wirtschaftswachstum im Iran bei minus 5.8 Prozent! Im
letzten Jahr hat die Arbeitslosenrate im Iran zugenommen. Frauen wurden vermehrt in die Arbeitslosigkeit getrieben
und sie verdienten (und verdienen) für die gleiche Arbeit weniger Lohn. Damit die Kapitalisten mehr Gewinn
abwerfen können, hat man wenig Wert auf die Sicherheit der ArbeiterInnen gelegt. Im letzten Jahr haben im Iran
täglich 6 ArbeiterInnen während der Arbeit ihr Leben verloren.
Nach dem Amtsantritt Rohanis wurde die Unterdrückung und Verhaftung der ArbeiterInnen fortgesetzt. Es wurden
mehr ArbeiteraktivistInnen und ArbeiterInnen verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Die Arbeiterstreiks wurden
brutal niedergeschlagen. Zahlreiche VertreterInnen der Arbeiterklasse wurden entlassen und zum Gericht
vorgeladen. Das Recht auf Errichtung einer Gewerkschaft wurde den ArbeiterInnen nicht gewährt bzw. ihnen
vorenthalten. Wir verurteilen das barbarische Verhalten des Regimes im Iran gegenüber den [kurdischen]
Bevölkerung, welche an der Grenze Ware transportieren, um ihr Lebensunterhalt zu verdienen. (Jeden Tag erreichen
uns Nachrichten hinsichtlich des Erschießen solcher Menschen). Für das letzte Jahr ist eine Zunahme der
Arbeiterproteste in zahlreichen Städten des Irans zu verzeichnen. Die ArbeiterInnen sind immer wieder wegen
ihrer nicht-bezahlten Löhne oder für die Lohnerhöhung in den Streik getreten. Es gibt zahlreiche Indizien, die
darauf hinweisen, dass die Arbeiterschicht im Iran versucht sich zur Verteidigung und Realisierung ihrer
Rechte einzusetzen. Aber die ArbeiterInnen im Iran sind sich darüber im Klaren, dass das Bestehen der IRI das
größte Hindernis auf dem Weg zur Erreichung ihrer Ziele ist. Solange dieses Regime an der Macht ist, werden
die Grundrechte der Arbeiterschaft mit Füssen getreten. Nur mit der Auflösung der IRI kann der Ausbeutung
der ArbeiterInnen ein Ende gesetzt werden. „Allianz der demokratisch-iranischen Kräfte – Schweiz“ gratuliert
allen ArbeiterInnen auf der ganzen Welt! „Allianz der demokratisch-iranischen Kräfte –Schweiz“ verteidigt und
unterstützt die Kämpfe der ArbeiterInnen im Iran und bedankt sich bei den Freiheitskämpfern und allen
VerteidigerInnen der Gerechtigkeit. Werde das Regime der Islamischen Republik gestürzt!
Es lebe die Freiheit! Mögen sich die Kämpfe der Arbeiterschicht für die Freiheit und die soziale Gerechtigkeit
ausdehnen!
1.Mai 2015
Allianz der demokratisch-iranischen Kräfte – Schweiz
Demokratische Partei Kurdistan- Komitee Schweiz
Demokratische Vereinigung für Flüchtlinge (DVF)
Komala Partei Kurdistan Iran- Komitee Schweiz
Mütter der Freiheit - Schweiz
Iran ist kein Rechtsstaat!
Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai
2015
KANOUN
Ahwas (Iran): 4 Monate Arbeit und kein Lohn
In Ahwas
wird
derzeit eine
Straßenbahn
gebaut.
Gut und schön, könnte man meinen, öffentliche
Verkehrsmittel sind sicherlich nützlicher als PKWs,
die alle Straßen verstopfen. Aber wie es bei großen
Bauprojekten oft der Fall ist, nutzen manche
Geschäftemacher die Gelegenheit, sich dabei auf
Kosten der Arbeiter eine goldene Nase zu
verdienen. Auch bei diesem Projekt werden
Subunternehmen eingesetzt, die auf der einen Seite
staatliche Gelder einstreichen (vermutlich mit Hilfe
von Vermittlern aus den Reihen der Pasdaran, die
auch ihren Teil daran verdienen), auf der anderen
Seite stehen die Arbeiter, die schon seit vier
Monaten keinen Lohn erhalten haben. Dabei ist
Bauarbeit wahrlich kein Zuckerschlecken. So
streiken und protestieren die Arbeiter seit zwei
Wochen, um ihren Lohn einzufordern. Die Reaktion
des Arbeitgebers, einer Kontraktfirma namens
Kissun, war die: Erst entließ er 170 Protestierende,
jetzt wieder 60. Statt des ausstehenden Lohnes
händigte er ihnen Schecks aus, die erst in einem
Monat einlösbar sind, wenn überhaupt. Die
Erfahrung mit Schecks im Iran ist die, dass man
sein Geld nie sieht, so dass bei vielen Geschäften
von vornherein festgelegt wird, dass Schecks nicht
akzeptiert werden. Seit dem 17. Mai 2015 streiken
jedenfalls 600 Arbeiter auf dieser Großbaustelle.
Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 18. Mai 2015
Iran: Das liebe Benzin
Der vorige Präsident Ahmadineschad hatte den
inländischen Benzinpreis von 100 auf 700 Tuman
pro Liter erhöht, und damit die Proteste nicht
ausufern, hat er die ersten 30 Liter, die man im
Monat kauft, auf 400 Tuman pro Liter beschränkt,
die Taxifahrer bekamen eine zusätzliche
Ermäßigung. Hassan Rouhani hatte dies Preispolitik
im Wahlkampf kritisiert. Jetzt hat er einen
Einheitspreis eingeführt: 1000 Tuman pro Liter.
S. 3
Hier sieht man die echte Inflation, nicht die der
amtlichen Statistik.
Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 25. Mai 2015
Irans Lehrkräfte: Wir wollen den Direktor
wählen!
Der Streik der Lehrerinnen und Lehrer im Iran
weitet sich aus, da die Regierung nicht auf die
Forderungen eingeht. Der jüngste Aktionstag war
der 7. Mai 2015. Vor dem Parlament in Teheran
versammelten sich rund 3000 Lehrerinnen und
Lehrer. Aber der Protest war im ganzen Land
präsent. In folgenden Städten kamen die
Lehrerinnen und Lehrer vor der Vertretung des
Kultusministeriums zusammen, um ihre Rechte
einzufordern:
Sanandadsch, Hamedan, Bandar-Abbas, Ilam,
Sandschan, Kermanschah, Borudscherd, Sabsewar,
Dameghan, Tabris, Teheran, Schiras, Isfahan,
Qaswin, Rascht, Arak, Schahre-Kord, Ardabil,
Sahedan, Buschahr, Dehdascht und Kuhdascht.
Die Demonstrierenden wiesen darauf hin, dass die
Armutsschwelle im Iran bei 3 Millionen Tuman
Monatseinkommen liegt, die Lehrergehälter liegen
bei 1 Million Tuman. Einige forderten die
Freilassung politischer Gefangener, also von
Lehreren, die für ihre Gewerkschaftsaktivität im
Gefängnis sind. Andere forderten, dass sie die
SchuldirektorInnen selber wählen sollen (das wäre
doch auch mal eine Forderung für so manche
aaaDemokratien des Westens ..).
Was vielen Lehrkräften aufstieß, war nicht einfach
die Tatsache, dass es ihnen materiell so schlecht
geht, sondern, dass der Staat Unterschiede macht.
Andere Beamten verdienen nämlich gar nicht
schlecht, aber die sozialen Berufe sind
offensichtlich auch im islamischen Paradies
unterbezahlt, ob im Krankenhaus, ob in den
Schulen. Man sieht, auch hier kochen die
islamistischen Revolutionäre nur mit Wasser.
Im übrigen zeigte sich der Staat nicht untätig. Eine
Reihe von Lehrern wurde im Vorfeld verhaftet.
Eine Freilassung wurde ihnen nur in Aussicht
gestellt, wenn sie sich schriftlich verpflichteten, an
den Kundgebungen nicht teilzunehmen.
Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 11. Mai 2015
Iran ist kein Rechtsstaat!
Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai
2015
KANOUN
Irans verfolgte Konvertiten
Von Thomas Latschan
Die US-Iranerin Naghme Abedini kämpft seit
Jahren für die Freilassung ihres Mannes Saeed. Er
ist im Iran inhaftiert, weil er als Konvertit
"Untergrundkirchen" gegründet haben soll. Diese
finden im Iran immer mehr Zulauf.
Ihr Blick ist fest, die Haltung aufrecht, die Stimme
ruhig: Wenn Naghme Abedini vom Schicksal ihres
Mannes erzählt, der im Iran gerade eine achtjährige
Gefängnisstrafe verbüßt, dann bleibt die USAmerikanerin äußerlich gefasst. Nur, wenn das
Gespräch auf seine Haftbedingungen fällt, dann
füllen sich ihre Augen mit Tränen. "Sein Vater
besucht ihn jeden Mittwoch", erzählt die Mutter
von zwei kleinen Kindern im DW-Interview. "Es
geht ihm gesundheitlich nicht gut. Er hat
Schmerzen, bekommt keine ordentliche Ernährung
und kein sauberes aWasser und hat immer wieder
mit Krankheiten zu kämpfen." In einem Brief, den
Saeed Abedini aus der Haft herausschmuggeln
konnte, berichtet er, Opfer von physischer und
psychischer Folter geworden zu sein. Außerdem
habe man ihm mehrmals gesagt, er würde für seinen
christlichen Glauben "gehängt werden". Eine
durchaus reale Gefahr, denn Saeed Abedini ist nicht
nur Christ, sondern Konvertit.
Ein Pastor "gefährdet die nationale Sicherheit"
Schon im Jahr 2000 trat Saeed Abedini vom Islam
zum Christentum über – heimlich, denn allein für
den "Abfall vom muslimischen Glauben" kann in
der Islamischen Republik die Todesstrafe verhängt
werden. Und doch wagen gar nicht mal so wenige
Iraner diesen Schritt – zwischen 250.000 und
500.000 Konvertiten sollen im Land leben, wobei
S. 4
die tatsächliche Zahl kaum festzustellen ist. Sie
wenden sich vor allem deshalb vom Islam ab, weil
sie von ihrer Regierung enttäuscht sind, die Politik
und Religion untrennbar miteinander verwoben und
im Namen des Islam viele Bürgerrechte
eingeschränkt hat. Die christlichen Konvertiten
treffen sich oft in so genannten "Hauskirchen" –
Privatwohnungen, in denen sie ihren Glauben und
ihre
Gottesdienste
unter
Ausschluss
der
Öffentlichkeit abhalten.
[Naghme Abedini im Studio der DW]
Anfang 2006 verließ Abedini zusammen mit seiner
Frau das Land, um sich in den USA niederzulassen.
Doch Abedini reiste immer wieder zurück in sein
Heimatland, wo er bei der Neugründung christlicher
Untergrundkirchen half. 2009 wurde er verhaftet,
jedoch unter der Auflage, nicht mehr zu
evangelisieren, wieder auf freien Fuß gesetzt.
Abedini, der mittlerweile die US-amerikanische
Staatsbürgerschaft verliehen bekam, engagierte sich
jedoch weiter bei sozialen Projekten im Iran. "Er
arbeitete mit der iranischen Regierung daran, ein
Waisenhaus aufzubauen. Zwei bis drei Mal im Jahr
reiste er dafür in den Iran, aber von seiner letzten
Reise im Juli 2012 ließ man ihn nicht
zurückkehren", erzählt seine Frau Naghme. Abedini
wurde zunächst in Teheran unter Hausarrest
gestellt, im September 2012 jedoch ins berüchtigte
Evin-Gefängnis gebracht. Erst vier Monate später
wurde die Anklage gegen ihn erhoben: "Wegen
'Gefährdung der nationalen Sicherheit'", erzählt
Naghme, "weil er sich in Privathäusern mit anderen
Christen versammelt hatte – doch das alles lag
schon damals Jahre zurück."
Verschärftes Vorgehen gegen Konvertiten
Kurz zuvor hatte sich die iranische Regierung
entschieden, verschärft gegen Konvertiten und →
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Untergrundkirchen im Land vorzugehen. "Erst mit
der Zeit erfuhren wir, dass die iranische Regierung
ihre Strategie im Umgang mit religiösen
Minderheiten, insbesondere mit Christen, geändert
hatte",
erzählt
Naghme
Abedini.
"Die
Verantwortung für derartige Fälle ging von der
Geheimpolizei auf die Revolutionsgarden über, die
deutlich strenger sind." Im Frühjahr 2012 rollte eine
wahre Verhaftungswelle über das Land. " Mehrere
Konvertiten wurden in der Folge zum Tode
verurteilt, weil sie Untergrundkirchen gegründet
und missioniert haben sollen. Rund um Abedinis
Verhaftung "wurden auch mehrere öffentliche
christliche Kirchen geschlossen, die seit der
Islamischen Revolution geöffnet waren", berichtet
Naghme Abedini. "Monatelang wurde Saeed
verhört und geschlagen. Er durfte sich zunächst
keinen Anwalt nehmen. Sie wollten ein Geständnis
erzwingen. Erst am Abend vor Prozessbeginn
konnte er sich ein paar Stunden mit seinem Anwalt
beraten. Und dann wurde er zu acht Jahren Haft
verurteilt."
[Christen werden im Iran als Minderheit anerkannt,
haben aber trotzdem mit Repressionen zu kämpfen.]
Christen haben seit der Islamischen Revolution
keinen leichten Stand im Land. Zwar werden sie als
Angehörige einer Minderheitsreligion anerkannt
und es gibt offiziell rund 600 christliche Kirchen im
Land. Doch werden Gottesdienstbesucher von der
Polizei kontrolliert. Außerdem müssten christliche
Gemeinden sich dazu verpflichten, keine
Missionsarbeit
zu
leisten,
berichtet
die
Internationale Gesellschaft für Menschenrechte
(IGFM). Noch schärfere Repressionen gelten für
Konvertiten. Eine ganze Reihe von ihnen sitzt im
Gefängnis, wo sie zum Teil physisch und psychisch
S. 5
gefoltert werden, so die IGFM. So wie Saeed
Abedini. Ihn habe wohl vor allem sein USamerikanischer Pass vor der drohenden Todesstrafe
bewahrt, mutmaßt die Washingtoner Anwältin der
Familie, die den Kontakt zu seinem Verteidiger im
Iran hält.
Den Schritt an die Öffentlichkeit gewagt
Nach Saeed Abedinis Verhaftung hatte seine Frau
Naghme zunächst drei Monate lang im Stillen
versucht, ihren Mann freizubekommen. "Es gibt
immer die Angst: Wenn du an die Öffentlichkeit
gehst, machst du die Dinge schlimmer", sagt sie
gegenüber der DW. "Aber seine Situation
verschlechterte sich zusehends. Sie schlugen ihn,
steckten ihn in Einzelhaft, und er wurde krank. Und
da ging ich an die Presse. Wir wissen von vielen
anderen Fällen, dass es den Gefangenen hilft, wenn
man die Dinge ans Licht zerrt. Die iranische
Regierung wird viel vorsichtiger, wenn so ein Fall
erst einmal international bekannt ist."
Seitdem ist Naghme Abedini rastlos in der ganzen
Welt unterwegs, um in der internationalen Politik
Mitstreiter zu finden, die sich für eine Freilassung
ihres Mannes einsetzen. Unermüdlich postet sie
Appelle auf Facebook, gibt TV- und RadioInterviews, überreicht Petitionen und Bittgesuche.
Der US-Senat hat eine entsprechende Resolution
bereits verabschiedet, Präsident Obama forderte
persönlich seine unverzügliche Freilassung. In
dieser Woche spricht Naghme Abedini vor dem
Europäischen
Parlament
und
vor
dem
Menschenrechtsausschuss
des
Deutschen
Bundestages. "Deutschland war eines der ersten
Länder, das sich vor der UN für die Freilassung
meines Mannes einsetzte und kritisierte, dass die
Verhaftung meines Mannes ungesetzlich sei",
erzählt sie. "Ich hoffe einfach, dass ich
irgendjemanden dazu bringen kann, die richtigen
Hebel in Bewegung zu setzen. Deutschland ist dafür
ein gutes Land, denn es unterhält gewisse
Beziehungen zum Iran, politisch und wirtschaftlich.
Vielleicht gibt es ja hier jemanden, der zum
Telefonhörer greift und es schafft, die richtigen
Leute anzurufen, um meinen Mann wieder
freizubekommen."
Quelle: Deutsche Welle, 23. Mai 2015
Iran ist kein Rechtsstaat!
Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai
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Öffentliche Hinrichtung in Maschhad
Am
Mittwoch
27.Mai sind in der
iranischen Stadt
Maschhad
drei
Männer öffentlich
hingerichtet
worden.
Das
meldet
das
persischsprachige
Nachrichtenportal Human Rights Activists News
Agency (HRANA). Demnach gehörten die zwei 27Jährigen und ein 38-Jähriger einer kriminellen
Bande an und waren mehrfach vorbestraft. Unter
anderem sollen sie bei einem bewaffneten Überfall
auf ein Goldgeschäft den Besitzer getötet und fünf
weitere Personen schwer verletzt haben, so
HRANA.
In der vergangenen Woche waren bereits weitere 14
Menschen im Ghezelhesar-Gefängnis in der Stadt
Karadsch
exekutiert
worden,
die
wegen
Drogendelikten zum Tode verurteilt waren. Damit
liegt die Zahl der Hinrichtungen im Iran seit
Jahresbeginn bei mehr als 360, davon 18 öffentliche
Vollstreckungen.
Im jüngsten Bericht von Ahmed Shaheed, dem UNSonderbeauftragten für Menschenrechte im Iran,
und Christof Heyns, UN-Experte für willkürliche
Hinrichtungen, wird die Menschenrechtssituation
im Iran deshalb scharf kritisiert. Demnach wurden
allein zwischen dem 9. und dem 26. April 2015
98 Personen hingerichtet, darunter sechs politische
Gefangene sowie sieben Frauen.
Laut dem UN-Sonderbeauftragten hat sich die
Menschenrechtssituation im Iran seit dem
Amtsantritt des als moderat geltenden Präsidenten
Hassan
Rouhani
verschlechtert.
Viele
Hinrichtungen würden von offizieller Seite nicht
dokumentiert, kritisiert Shaheed. 2014 waren 753
Menschen im Iran hingerichtet worden, die meisten
wegen Drogenhandels. Andere Gründe für die
Verhängung der Todesstrafe sind Vergewaltigung,
Mord und bewaffneter Raub.
S. 6
Taliban-Delegation im Iran?
Die iranische Nachrichtenagentur TASNIM
berichtete am Dienstag, Verantwortliche des
iranischen Sicherheitsrats hätten am Montag in
Teheran eine Delegation politischer Anführer der
Taliban empfangen. Laut der Sprecherin des
iranischen Außenministeriums, Marziyeh Afhkam,
sei die iranische Regierung über diesen Besuch
nicht
informiert
gewesen,
so
andere
Nachrichtenagenturen am Mittwoch. Afkham
forderte die Medien, die diese Nachricht verbreitet
hatten, auf, ihre Quellen offen zu legen.
Zabiullah Mojahed, ein Sprecher der Taliban, hatte
am Dienstag per Twitter mitgeteilt, dass eine
Delegation unter der Führung des Büroleiters der
Taliban in Katar, Tayyeb Agha, in den Iran
eingereist sei. Bei den dort geführten Gesprächen
soll über Afghanistan, regionale Probleme und die
islamische Welt diskutiert worden sein. Auch die
Situation afghanischer Migranten im Iran sei Thema
gewesen.
Die Beziehung zwischen Teheran und den Taliban
war vor allem während des Taliban-Regimes in der
90er Jahren in Afghanistan angespannt. Damals
waren bei einem Anschlag in Nordafghanistan
iranische Diplomaten getötet worden. Der Iran
kritisierte die Unterstützung der Taliban durch den
pakistanischen Geheimdienst und ihre finanzielle
Unterstützung durch das wahabitische SaudiArabien, die sich gegen die Interessen des
schiitischen Iran richte.
Quelle:http://iranjournal.org/news/taliban-
Quelle:http://iranjournal.org/news/oeffentliche-
delegation-im-iran
hinrichtung-in-maschhad
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KANOUN
S. 7
Mehrere Arbeiteraktivisten verhaftet
Sechs Hinrichtungen pro Tag
Ebrahim Madadi, der stellvertretende Vorsitzende
der Teheraner Busfahrergewerkschaft, und das
Gewerkschaftsmitglied Davoud Razavi sind am
Mittwoch 29. April in ihren Wohnungen in Teheran
verhaftet
worden. Das
meldete
das
persischsprachige
Nachrichtenportal
„Human
Rights Activists News Agency“ (HRANA). Zudem
sollen gestern zwei weitere Arbeiteraktivisten
verhaftet worden sein, deren Namen bisher nicht
bekannt
wurde.
Außerdem
fuhren
Sicherheitsbeamte bereits am Mittwochmorgen zu
mehreren
Busparkplätzen
der
iranischen
Hauptstadt, um die dortigen Mitarbeiter zu
überwachen. Dabei sollen die Sicherheitsbeamten
mehrere
Mitglieder
der
Teheraner
Busfahrergewerkschaft daran gehindert haben,
anlässlich des 1. Mais Blumen und Süßigkeiten an
ihre Kollegen zu verteilen, so HRANA.
In ihrem neuesten Bericht missbilligen Ahmed
Shaheed, der UN-Sonderberichterstatter für den
Iran, und Christof Heyns, UN-Experte für
willkürliche
Hinrichtungen,
die
Menschenrechtslage im Iran. Allein zwischen dem
9. und 26. April seien 98 Personen hingerichtet
worden, davon sechs politische Gefangene und
sieben Frauen, so der Bericht. 15 Hinrichtungen
seien in der Öffentlichkeit vollstreckt worden.
Damit ist die Zahl der Hinrichtungen seit dem
1. Januar auf 340 angestiegen – die meisten wegen
Drogenhandels. In vielen Fällen seien die
Hinrichtungen von offizieller Seite nicht
dokumentiert worden, kritisieren die beiden
Berichterstatter. Da es sich bei Drogenhandel nicht
um eine vorsätzliche Tötung handele, seien Delikte
wegen Drogenhandels aus Sicht der UNO nicht als
Kapitalverbrechen einzustufen: „Wir sind alarmiert
über die Flut der aktuellen Zahl an Hinrichtungen,
die ungeachtet der Fragen nach den Standards für
faire Gerichtsprozesse aufgetreten sind“, bemerkt
Christof Heyns. Die beiden unabhängigen
Beobachter richteten Ihr Augenmerk insbesondere
auf die öffentlichen Hinrichtungen. Ahmed Shaheed
betont vor allem, dass die iranische Regierung sich
weigere, das außerordentliche Ausmaß der
Hinrichtungen zuzugeben und damit nur zeige, dass
sie weder Menschenwürde noch die international
anerkannten Menschenrechte achte.
Auch in zwei weiteren iranischen Städten in den
kurdischen Gebieten des Landes soll es Berichten
zufolge zu Verhaftungen gekommen sein. In
Saghez
wurde
am
Dienstagabend
der
Arbeiteraktivist Mahmoud Salehi, in der Stadt
Mahabad der Sprecher des „Komitees zur
Unterstützung inhaftierter Arbeiter“, Osman
Esmaeili,
festgenommen.Die
Verhaftungen
ereignen sich unmittelbar vor dem internationalen
Tag der Arbeit am 1. Mai. Die iranische Regierung
untersagt seit neun Jahren 1. Mai-Veranstaltungen
in der Öffentlichkeit. Die letzte Demonstration zum
Tag der Arbeit fand 2006 statt.
Quelle:
http://iranjournal.org/news/mehrerearbeiteraktiviste
n-verhaftet
Die iranische Regierung hat bisher Shaheed keine
Einreise zwecks Inspektionen erlaubt. So ist der
UN-Berichterstatter auf die Aussagen der
Angehörigen
der
Hingerichteten
und
MenschenrechtsaktivistInnen
innerhalb
und
außerhalb des Iran angewiesen.
Quelle:
http://iranjournal.org/news/sechshinrichtungen-pro-tag
Iran ist kein Rechtsstaat!
Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai
2015
KANOUN
Iran: Frauen unterstützen Narges Mohammadi
[Im Haus der Familie von Narges Mohammadi
versammelt]
Trotz allem Gerede von Reformen macht das
islamistische Regime im Iran nach wie vor
politische Gefangene. So wurde jüngst die
Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi
inhaftiert und ins Ewin-Gefängnis gebracht. Am 20.
Mai 2015 versammelten sich nun die Vertreterinnen
verschiedener Frauengruppen des Irans in der
Wohnung der Familie von Narges Mohammadi, um
gegen die Inhaftierung zu protestieren und der
Familie ihre Unterstützung zu bekunden.
Auf der Versammlung sprach unter anderem
Gouhar Eschqi, die bei der Verhaftung von Narges
Mohammadi anwesend war. Das Vorgehen der
Beamten war für sie so schrecklich, dass sie später
ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
Gouhar Eschqi ist die Mutter von Sattor Beheschti,
der in Haft zu Tode gefoltert wurde. Sie ist seitdem
aktiv, damit die wahren Täter bestraft werden. Auf
der Versammlung war auch Fa‘ese Haschemi, die
die Tochter von Ajatollah Haschemi Rafsandschani
anwesend.
Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 25. Mai 2015
Iran: Herrschaft des Korans oder Herrschaft
der Gesetze?
Der iranische Präsident Hassan Rouhani ist ein
Meister darin, sich mit Worten, die kritisch klingen,
in Szene zu setzen. Im Zweifelsfall bleibt dann
immer noch der Rückzieher, man habe ihn falsch
verstanden. Diesmal hat er sich weit vorgewagt.
Zum Tag der Polizei erklärte er vor versammelten
Polizeioffizieren:
S. 8
Die Aufgabe der Polizei ist nicht die Vollstreckung
des Islams, sondern die Vollstreckung der Gesetze.
In einem Staat, in dem das Grundgesetz der
islamischen Scharia den Vorrang gibt und einen
religiösen
Führer
dazu
ermächtigt,
als
Rechtsgelehrter darüber zu befinden, ob Gesetze
überhaupt in Kraft treten dürfen, die das Parlament
verabschiedet wurden, ist eine solche Äußerung ein
Spiel mit doppeltem Boden. Ein Außenstehender
könnte meinen, hier verteidige jemand den
Rechtsstaat.
Aber im Iran kann nicht ein einziges Gesetz
verabschiedet werden, das von der Geistlichkeit als
Verstoß gegen den Islam gewertet wird. Und es
kommt auch kein einziger Mensch auf die
Kandidatenlisten
der
Wahlen,
wenn
die
Geistlichkeit nicht überzeugt ist, dass dieser
Mensch im Sinne ihrer Interpretation des Islams
handeln wird. Dadurch kommt auch niemand ins
Parlament, der eine westliche Vorstellung des
Rechtsstaats vertritt, in dem die Religion den
Gesetzen untergeordnet ist.
Trotzdem hat das Spiel mit doppeltem Boden gleich
vier Ajatollahs auf den Plan gerufen.
Erstens den religiösen Führer, Ajatollah Chamene‘i,
der Folgendes erklärte:
Aufgabe der Polizei ist es, dem Islam zu dienen.
Drei weitere Ajatollahs ließen es nicht an
Ermahnungen fehlen. So meinte Ajatollah
Makarem-Schirasi, Hassan Rouhani tue so, als ob
es einen Unterschied zwischen dem Islam und den
Gesetzen gebe. Damit trifft er ins Schwarze. Denn
beiden wissen, dass es diesen Unterschied im Iran
nicht gibt. Ins gleiche Horn stießen Ajatollah NuriHamedani und Ajatollah Safi-Golpayegani, die
Hassan Rouhani für seine „unbedachten Worte“
tadelten. Bei den Ajatollahs klingt das noch
vornehm. Aber jeder von ihnen verfügt über
umfangreiche Anhängerschaft, die schon schärfere
Worte finden. So warnten welche aus diesem
Kreise, Hassan Rouhani solle an das Schicksal von
Bani Sadr denken. Der wurde unter Chomeini von
seinem Amt als Präsident abgesetzt und musste als
Frau verkleidet aus dem Iran fliehen. Heute lebt er
in Frankreich im Exil.´
Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 4. Mai 2015
Iran ist kein Rechtsstaat!

Documents pareils