Iran ist kein Rechtsstaat!
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Iran ist kein Rechtsstaat!
Monatszeitschrift Demokratische Vereinigung für Flüchtlinge Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai 2015 DVFs Resolution: ArbeiterInnen in der ganzen Welt, vereinigt Euch! Es lebe der erste Mai, der Tag der Entschlossenheit und des gemeinsamen Kampfs der ArbeiterInnen aller Länder Die weltweite Wirtschaftskrise ist 2008 ausgebrochen und sie verschlimmert sich. Es gibt keine Lösung für die Beilegung dieser Krise. Die verheerenden Folgen der neoliberalen Politik hat massive Proteste in den Ländern wie Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Deutschland, Frankreich und in den USA, in den lateinamerikanische n Ländern, wie auch in Ägypten, Tunesien, Indien, in der Türkei etc. erbeigeführt. Seite 2 1. Mai im Iran: Tag der Arbeitslosen Seit 8 Jahren gab es im Iran zum ersten Mal wieder öffentliche Kundgebungen zum 1. Mai (11. Ordibehescht nach dem Persischen Kalender). Aus den umliegenden Städten von Teheran kamen Delegationen von Arbeitervertretern mit 720 Bussen. Kundgebungen fanden an mehreren Plätzen gleichzeitig statt, um den Sicherheitskräften die Arbeit nicht zu einfach zu machen. Denn einen Platz und die Zufahrtsstraßen zu sperren ist leichter als mehrere zugleich. Es wird geschätzt, dass rund 20.000 Menschen in Teheran unterwegs waren, um die Rechte der Arbeitenden – und Rentner und Arbeitslosen – einzufordern. Im real existierenden Islamischen Staat Ja, es gab sie, die Revolutionäre, die von einem sozialistischen Staat träumten und dann im Gefängnis des real existierenden Sozialismus aufwachten. Und es gab auch die Revolutionäre, die von einem islamistischen Staat träumten und dann im real existierenden Islamismus aufwachen durften. Und wenn es heute wieder Revolutionäre im Namen des Islams gibt, ob in Syrien oder im Irak, dann kann man sich aus iranischer Sicht nur wundern, ob die die letzten 35 Jahre geschlafen haben, denn ihr Paradies existiert doch schon längst und direkt vor der Haustür – im Iran. Wie gut es den Arbeitern dort geht, sieht man daran, wie sich die Regierenden auf den ersten Mai vorbereitet haben. Da wurde ein Führer der Lehrergewerkschaft verhaftet, und noch wenige Tage vor dem 1. Mai fanden Razzien gegen eine ganze Reihe von Gewerkschaftern statt: Ebrahim Madadi, stellvertretender Vorsitzender der Busfahrergewerkschaft in Teheran, wurde verhaftet, ebenso Dawud Rasawi, Mitglied des Vorstands der selben Gewerkschaft, Mahmud Salehi, Gewerkschaftsaktivist in Saqes (Kurdistan), Kak Osman Esma‘ili, Sprecher des Komitees zur Verteidigung inhaftierter Arbeiter in Mahabad (Kurdistan) – sie alle wurden von den bewaffneten Organen des Staates der Islamischen Revolution abgeschleppt und ins Gefängnis gebracht. Aber die Kundgebungen zum 1. Mai fanden trotzdem statt, und diesmal in aller Öffentlichkeit. Der Machtkampf hat erst begonnen. Und zwar diesmal nicht zwischen denen da oben, sondern zwischen den einfachen Menschen, die ums Überleben kämpfen, und denen da oben. Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 4. Mai 2015 Iran ist kein Rechtsstaat! Ahwas (Iran): 4 Monate Arbeit und kein Lohn Seite 3 Irans verfolgte Konvertiten Seite 4 – 5 Taliban Delegation im Iran? Seite 6 Sechs Hinrichtungen pro Tag Seite 7 Iran: Frauen unterstützen Narges Mohammadi Seite 8 Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai 2015 KANOUN S. 2 Resolution: ArbeiterInnen in der ganzen Welt, vereinigt Euch! Es lebe der erste Mai, der Tag der Entschlossenheit und des gemeinsamen Kampfs der ArbeiterInnen aller Länder Die weltweite Wirtschaftskrise ist 2008 ausgebrochen und sie verschlimmert sich. Es gibt keine Lösung für die Beilegung dieser Krise. Die verheerenden Folgen der neoliberalen Politik hat massive Proteste in den Ländern wie Griechenland, Spanien, Italien, Portugal, Deutschland, Frankreich und in den USA, in den lateinamerikanischen Ländern, wie auch in Ägypten, Tunesien, Indien, in der Türkei etc. erbeigeführt. Immer mehr Länder verharren in der wirtschaftlichen Stagnation und in der Wirtschaftskrise. Es obliegt allen, gegen den Kapitalismus vorzugehen und sich für die Schaffung einer Welt ohne Ausbeutung einzusetzen. Die Folgen der Politik der Islamischen Republik Iran (IRI) und die Erweiterung der neo-liberalen Maßnahmen hat die Krise – in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – verschärft. Die Arbeiterschicht wird sowohl vom Regime wie auch von den Kapitalisten ins Visier genommen. Das Leben wird der Arbeiterschicht erschwert. An der bisherigen Wirtschaftspolitik des neuen Regierungschefs im Iran, Hasan Rohani, ist zu erkennen, dass er vorhat, mit fundamentalen neo-liberal-orientierten Maßnahmen Liberalisierung und Privatisierung fortzusetzen und die Arbeiterrechte auszuhöhlen. Eine der verheerenden Maßnahmen Rohanis sind die Lohnkürzung und die Ausbeutung der Arbeitskraft zu Gunsten der Unternehmer und Kapitalisten. Die Wirtschaft Irans ist am Boden. Obwohl das Regime im Iran dem Westen in seinem Atomprogramm entgegengekommen ist, wurden zahlreiche Sanktionen immer noch nicht aufgehoben und somit wird die Politik „Öl gegen Brot“ weiterhin fortgesetzt. Die Zunahme der Inflationsrate, der massive Wertverlust der iranischen Währung, Konkurs der Firmen und Industrien sind Indizien für eine wirtschaftliche Katastrophe. Obwohl das Regime – durch das Öleinkommen – in den letzten acht Jahren mehr als 600 Milliarden US-Dollar kassierte, liegt das Wirtschaftswachstum im Iran bei minus 5.8 Prozent! Im letzten Jahr hat die Arbeitslosenrate im Iran zugenommen. Frauen wurden vermehrt in die Arbeitslosigkeit getrieben und sie verdienten (und verdienen) für die gleiche Arbeit weniger Lohn. Damit die Kapitalisten mehr Gewinn abwerfen können, hat man wenig Wert auf die Sicherheit der ArbeiterInnen gelegt. Im letzten Jahr haben im Iran täglich 6 ArbeiterInnen während der Arbeit ihr Leben verloren. Nach dem Amtsantritt Rohanis wurde die Unterdrückung und Verhaftung der ArbeiterInnen fortgesetzt. Es wurden mehr ArbeiteraktivistInnen und ArbeiterInnen verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Die Arbeiterstreiks wurden brutal niedergeschlagen. Zahlreiche VertreterInnen der Arbeiterklasse wurden entlassen und zum Gericht vorgeladen. Das Recht auf Errichtung einer Gewerkschaft wurde den ArbeiterInnen nicht gewährt bzw. ihnen vorenthalten. Wir verurteilen das barbarische Verhalten des Regimes im Iran gegenüber den [kurdischen] Bevölkerung, welche an der Grenze Ware transportieren, um ihr Lebensunterhalt zu verdienen. (Jeden Tag erreichen uns Nachrichten hinsichtlich des Erschießen solcher Menschen). Für das letzte Jahr ist eine Zunahme der Arbeiterproteste in zahlreichen Städten des Irans zu verzeichnen. Die ArbeiterInnen sind immer wieder wegen ihrer nicht-bezahlten Löhne oder für die Lohnerhöhung in den Streik getreten. Es gibt zahlreiche Indizien, die darauf hinweisen, dass die Arbeiterschicht im Iran versucht sich zur Verteidigung und Realisierung ihrer Rechte einzusetzen. Aber die ArbeiterInnen im Iran sind sich darüber im Klaren, dass das Bestehen der IRI das größte Hindernis auf dem Weg zur Erreichung ihrer Ziele ist. Solange dieses Regime an der Macht ist, werden die Grundrechte der Arbeiterschaft mit Füssen getreten. Nur mit der Auflösung der IRI kann der Ausbeutung der ArbeiterInnen ein Ende gesetzt werden. „Allianz der demokratisch-iranischen Kräfte – Schweiz“ gratuliert allen ArbeiterInnen auf der ganzen Welt! „Allianz der demokratisch-iranischen Kräfte –Schweiz“ verteidigt und unterstützt die Kämpfe der ArbeiterInnen im Iran und bedankt sich bei den Freiheitskämpfern und allen VerteidigerInnen der Gerechtigkeit. Werde das Regime der Islamischen Republik gestürzt! Es lebe die Freiheit! Mögen sich die Kämpfe der Arbeiterschicht für die Freiheit und die soziale Gerechtigkeit ausdehnen! 1.Mai 2015 Allianz der demokratisch-iranischen Kräfte – Schweiz Demokratische Partei Kurdistan- Komitee Schweiz Demokratische Vereinigung für Flüchtlinge (DVF) Komala Partei Kurdistan Iran- Komitee Schweiz Mütter der Freiheit - Schweiz Iran ist kein Rechtsstaat! Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai 2015 KANOUN Ahwas (Iran): 4 Monate Arbeit und kein Lohn In Ahwas wird derzeit eine Straßenbahn gebaut. Gut und schön, könnte man meinen, öffentliche Verkehrsmittel sind sicherlich nützlicher als PKWs, die alle Straßen verstopfen. Aber wie es bei großen Bauprojekten oft der Fall ist, nutzen manche Geschäftemacher die Gelegenheit, sich dabei auf Kosten der Arbeiter eine goldene Nase zu verdienen. Auch bei diesem Projekt werden Subunternehmen eingesetzt, die auf der einen Seite staatliche Gelder einstreichen (vermutlich mit Hilfe von Vermittlern aus den Reihen der Pasdaran, die auch ihren Teil daran verdienen), auf der anderen Seite stehen die Arbeiter, die schon seit vier Monaten keinen Lohn erhalten haben. Dabei ist Bauarbeit wahrlich kein Zuckerschlecken. So streiken und protestieren die Arbeiter seit zwei Wochen, um ihren Lohn einzufordern. Die Reaktion des Arbeitgebers, einer Kontraktfirma namens Kissun, war die: Erst entließ er 170 Protestierende, jetzt wieder 60. Statt des ausstehenden Lohnes händigte er ihnen Schecks aus, die erst in einem Monat einlösbar sind, wenn überhaupt. Die Erfahrung mit Schecks im Iran ist die, dass man sein Geld nie sieht, so dass bei vielen Geschäften von vornherein festgelegt wird, dass Schecks nicht akzeptiert werden. Seit dem 17. Mai 2015 streiken jedenfalls 600 Arbeiter auf dieser Großbaustelle. Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 18. Mai 2015 Iran: Das liebe Benzin Der vorige Präsident Ahmadineschad hatte den inländischen Benzinpreis von 100 auf 700 Tuman pro Liter erhöht, und damit die Proteste nicht ausufern, hat er die ersten 30 Liter, die man im Monat kauft, auf 400 Tuman pro Liter beschränkt, die Taxifahrer bekamen eine zusätzliche Ermäßigung. Hassan Rouhani hatte dies Preispolitik im Wahlkampf kritisiert. Jetzt hat er einen Einheitspreis eingeführt: 1000 Tuman pro Liter. S. 3 Hier sieht man die echte Inflation, nicht die der amtlichen Statistik. Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 25. Mai 2015 Irans Lehrkräfte: Wir wollen den Direktor wählen! Der Streik der Lehrerinnen und Lehrer im Iran weitet sich aus, da die Regierung nicht auf die Forderungen eingeht. Der jüngste Aktionstag war der 7. Mai 2015. Vor dem Parlament in Teheran versammelten sich rund 3000 Lehrerinnen und Lehrer. Aber der Protest war im ganzen Land präsent. In folgenden Städten kamen die Lehrerinnen und Lehrer vor der Vertretung des Kultusministeriums zusammen, um ihre Rechte einzufordern: Sanandadsch, Hamedan, Bandar-Abbas, Ilam, Sandschan, Kermanschah, Borudscherd, Sabsewar, Dameghan, Tabris, Teheran, Schiras, Isfahan, Qaswin, Rascht, Arak, Schahre-Kord, Ardabil, Sahedan, Buschahr, Dehdascht und Kuhdascht. Die Demonstrierenden wiesen darauf hin, dass die Armutsschwelle im Iran bei 3 Millionen Tuman Monatseinkommen liegt, die Lehrergehälter liegen bei 1 Million Tuman. Einige forderten die Freilassung politischer Gefangener, also von Lehreren, die für ihre Gewerkschaftsaktivität im Gefängnis sind. Andere forderten, dass sie die SchuldirektorInnen selber wählen sollen (das wäre doch auch mal eine Forderung für so manche aaaDemokratien des Westens ..). Was vielen Lehrkräften aufstieß, war nicht einfach die Tatsache, dass es ihnen materiell so schlecht geht, sondern, dass der Staat Unterschiede macht. Andere Beamten verdienen nämlich gar nicht schlecht, aber die sozialen Berufe sind offensichtlich auch im islamischen Paradies unterbezahlt, ob im Krankenhaus, ob in den Schulen. Man sieht, auch hier kochen die islamistischen Revolutionäre nur mit Wasser. Im übrigen zeigte sich der Staat nicht untätig. Eine Reihe von Lehrern wurde im Vorfeld verhaftet. Eine Freilassung wurde ihnen nur in Aussicht gestellt, wenn sie sich schriftlich verpflichteten, an den Kundgebungen nicht teilzunehmen. Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 11. Mai 2015 Iran ist kein Rechtsstaat! Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai 2015 KANOUN Irans verfolgte Konvertiten Von Thomas Latschan Die US-Iranerin Naghme Abedini kämpft seit Jahren für die Freilassung ihres Mannes Saeed. Er ist im Iran inhaftiert, weil er als Konvertit "Untergrundkirchen" gegründet haben soll. Diese finden im Iran immer mehr Zulauf. Ihr Blick ist fest, die Haltung aufrecht, die Stimme ruhig: Wenn Naghme Abedini vom Schicksal ihres Mannes erzählt, der im Iran gerade eine achtjährige Gefängnisstrafe verbüßt, dann bleibt die USAmerikanerin äußerlich gefasst. Nur, wenn das Gespräch auf seine Haftbedingungen fällt, dann füllen sich ihre Augen mit Tränen. "Sein Vater besucht ihn jeden Mittwoch", erzählt die Mutter von zwei kleinen Kindern im DW-Interview. "Es geht ihm gesundheitlich nicht gut. Er hat Schmerzen, bekommt keine ordentliche Ernährung und kein sauberes aWasser und hat immer wieder mit Krankheiten zu kämpfen." In einem Brief, den Saeed Abedini aus der Haft herausschmuggeln konnte, berichtet er, Opfer von physischer und psychischer Folter geworden zu sein. Außerdem habe man ihm mehrmals gesagt, er würde für seinen christlichen Glauben "gehängt werden". Eine durchaus reale Gefahr, denn Saeed Abedini ist nicht nur Christ, sondern Konvertit. Ein Pastor "gefährdet die nationale Sicherheit" Schon im Jahr 2000 trat Saeed Abedini vom Islam zum Christentum über – heimlich, denn allein für den "Abfall vom muslimischen Glauben" kann in der Islamischen Republik die Todesstrafe verhängt werden. Und doch wagen gar nicht mal so wenige Iraner diesen Schritt – zwischen 250.000 und 500.000 Konvertiten sollen im Land leben, wobei S. 4 die tatsächliche Zahl kaum festzustellen ist. Sie wenden sich vor allem deshalb vom Islam ab, weil sie von ihrer Regierung enttäuscht sind, die Politik und Religion untrennbar miteinander verwoben und im Namen des Islam viele Bürgerrechte eingeschränkt hat. Die christlichen Konvertiten treffen sich oft in so genannten "Hauskirchen" – Privatwohnungen, in denen sie ihren Glauben und ihre Gottesdienste unter Ausschluss der Öffentlichkeit abhalten. [Naghme Abedini im Studio der DW] Anfang 2006 verließ Abedini zusammen mit seiner Frau das Land, um sich in den USA niederzulassen. Doch Abedini reiste immer wieder zurück in sein Heimatland, wo er bei der Neugründung christlicher Untergrundkirchen half. 2009 wurde er verhaftet, jedoch unter der Auflage, nicht mehr zu evangelisieren, wieder auf freien Fuß gesetzt. Abedini, der mittlerweile die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verliehen bekam, engagierte sich jedoch weiter bei sozialen Projekten im Iran. "Er arbeitete mit der iranischen Regierung daran, ein Waisenhaus aufzubauen. Zwei bis drei Mal im Jahr reiste er dafür in den Iran, aber von seiner letzten Reise im Juli 2012 ließ man ihn nicht zurückkehren", erzählt seine Frau Naghme. Abedini wurde zunächst in Teheran unter Hausarrest gestellt, im September 2012 jedoch ins berüchtigte Evin-Gefängnis gebracht. Erst vier Monate später wurde die Anklage gegen ihn erhoben: "Wegen 'Gefährdung der nationalen Sicherheit'", erzählt Naghme, "weil er sich in Privathäusern mit anderen Christen versammelt hatte – doch das alles lag schon damals Jahre zurück." Verschärftes Vorgehen gegen Konvertiten Kurz zuvor hatte sich die iranische Regierung entschieden, verschärft gegen Konvertiten und → Iran ist kein Rechtsstaat! Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai 2015 KANOUN Untergrundkirchen im Land vorzugehen. "Erst mit der Zeit erfuhren wir, dass die iranische Regierung ihre Strategie im Umgang mit religiösen Minderheiten, insbesondere mit Christen, geändert hatte", erzählt Naghme Abedini. "Die Verantwortung für derartige Fälle ging von der Geheimpolizei auf die Revolutionsgarden über, die deutlich strenger sind." Im Frühjahr 2012 rollte eine wahre Verhaftungswelle über das Land. " Mehrere Konvertiten wurden in der Folge zum Tode verurteilt, weil sie Untergrundkirchen gegründet und missioniert haben sollen. Rund um Abedinis Verhaftung "wurden auch mehrere öffentliche christliche Kirchen geschlossen, die seit der Islamischen Revolution geöffnet waren", berichtet Naghme Abedini. "Monatelang wurde Saeed verhört und geschlagen. Er durfte sich zunächst keinen Anwalt nehmen. Sie wollten ein Geständnis erzwingen. Erst am Abend vor Prozessbeginn konnte er sich ein paar Stunden mit seinem Anwalt beraten. Und dann wurde er zu acht Jahren Haft verurteilt." [Christen werden im Iran als Minderheit anerkannt, haben aber trotzdem mit Repressionen zu kämpfen.] Christen haben seit der Islamischen Revolution keinen leichten Stand im Land. Zwar werden sie als Angehörige einer Minderheitsreligion anerkannt und es gibt offiziell rund 600 christliche Kirchen im Land. Doch werden Gottesdienstbesucher von der Polizei kontrolliert. Außerdem müssten christliche Gemeinden sich dazu verpflichten, keine Missionsarbeit zu leisten, berichtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Noch schärfere Repressionen gelten für Konvertiten. Eine ganze Reihe von ihnen sitzt im Gefängnis, wo sie zum Teil physisch und psychisch S. 5 gefoltert werden, so die IGFM. So wie Saeed Abedini. Ihn habe wohl vor allem sein USamerikanischer Pass vor der drohenden Todesstrafe bewahrt, mutmaßt die Washingtoner Anwältin der Familie, die den Kontakt zu seinem Verteidiger im Iran hält. Den Schritt an die Öffentlichkeit gewagt Nach Saeed Abedinis Verhaftung hatte seine Frau Naghme zunächst drei Monate lang im Stillen versucht, ihren Mann freizubekommen. "Es gibt immer die Angst: Wenn du an die Öffentlichkeit gehst, machst du die Dinge schlimmer", sagt sie gegenüber der DW. "Aber seine Situation verschlechterte sich zusehends. Sie schlugen ihn, steckten ihn in Einzelhaft, und er wurde krank. Und da ging ich an die Presse. Wir wissen von vielen anderen Fällen, dass es den Gefangenen hilft, wenn man die Dinge ans Licht zerrt. Die iranische Regierung wird viel vorsichtiger, wenn so ein Fall erst einmal international bekannt ist." Seitdem ist Naghme Abedini rastlos in der ganzen Welt unterwegs, um in der internationalen Politik Mitstreiter zu finden, die sich für eine Freilassung ihres Mannes einsetzen. Unermüdlich postet sie Appelle auf Facebook, gibt TV- und RadioInterviews, überreicht Petitionen und Bittgesuche. Der US-Senat hat eine entsprechende Resolution bereits verabschiedet, Präsident Obama forderte persönlich seine unverzügliche Freilassung. In dieser Woche spricht Naghme Abedini vor dem Europäischen Parlament und vor dem Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages. "Deutschland war eines der ersten Länder, das sich vor der UN für die Freilassung meines Mannes einsetzte und kritisierte, dass die Verhaftung meines Mannes ungesetzlich sei", erzählt sie. "Ich hoffe einfach, dass ich irgendjemanden dazu bringen kann, die richtigen Hebel in Bewegung zu setzen. Deutschland ist dafür ein gutes Land, denn es unterhält gewisse Beziehungen zum Iran, politisch und wirtschaftlich. Vielleicht gibt es ja hier jemanden, der zum Telefonhörer greift und es schafft, die richtigen Leute anzurufen, um meinen Mann wieder freizubekommen." Quelle: Deutsche Welle, 23. Mai 2015 Iran ist kein Rechtsstaat! Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai 2015 KANOUN Öffentliche Hinrichtung in Maschhad Am Mittwoch 27.Mai sind in der iranischen Stadt Maschhad drei Männer öffentlich hingerichtet worden. Das meldet das persischsprachige Nachrichtenportal Human Rights Activists News Agency (HRANA). Demnach gehörten die zwei 27Jährigen und ein 38-Jähriger einer kriminellen Bande an und waren mehrfach vorbestraft. Unter anderem sollen sie bei einem bewaffneten Überfall auf ein Goldgeschäft den Besitzer getötet und fünf weitere Personen schwer verletzt haben, so HRANA. In der vergangenen Woche waren bereits weitere 14 Menschen im Ghezelhesar-Gefängnis in der Stadt Karadsch exekutiert worden, die wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt waren. Damit liegt die Zahl der Hinrichtungen im Iran seit Jahresbeginn bei mehr als 360, davon 18 öffentliche Vollstreckungen. Im jüngsten Bericht von Ahmed Shaheed, dem UNSonderbeauftragten für Menschenrechte im Iran, und Christof Heyns, UN-Experte für willkürliche Hinrichtungen, wird die Menschenrechtssituation im Iran deshalb scharf kritisiert. Demnach wurden allein zwischen dem 9. und dem 26. April 2015 98 Personen hingerichtet, darunter sechs politische Gefangene sowie sieben Frauen. Laut dem UN-Sonderbeauftragten hat sich die Menschenrechtssituation im Iran seit dem Amtsantritt des als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rouhani verschlechtert. Viele Hinrichtungen würden von offizieller Seite nicht dokumentiert, kritisiert Shaheed. 2014 waren 753 Menschen im Iran hingerichtet worden, die meisten wegen Drogenhandels. Andere Gründe für die Verhängung der Todesstrafe sind Vergewaltigung, Mord und bewaffneter Raub. S. 6 Taliban-Delegation im Iran? Die iranische Nachrichtenagentur TASNIM berichtete am Dienstag, Verantwortliche des iranischen Sicherheitsrats hätten am Montag in Teheran eine Delegation politischer Anführer der Taliban empfangen. Laut der Sprecherin des iranischen Außenministeriums, Marziyeh Afhkam, sei die iranische Regierung über diesen Besuch nicht informiert gewesen, so andere Nachrichtenagenturen am Mittwoch. Afkham forderte die Medien, die diese Nachricht verbreitet hatten, auf, ihre Quellen offen zu legen. Zabiullah Mojahed, ein Sprecher der Taliban, hatte am Dienstag per Twitter mitgeteilt, dass eine Delegation unter der Führung des Büroleiters der Taliban in Katar, Tayyeb Agha, in den Iran eingereist sei. Bei den dort geführten Gesprächen soll über Afghanistan, regionale Probleme und die islamische Welt diskutiert worden sein. Auch die Situation afghanischer Migranten im Iran sei Thema gewesen. Die Beziehung zwischen Teheran und den Taliban war vor allem während des Taliban-Regimes in der 90er Jahren in Afghanistan angespannt. Damals waren bei einem Anschlag in Nordafghanistan iranische Diplomaten getötet worden. Der Iran kritisierte die Unterstützung der Taliban durch den pakistanischen Geheimdienst und ihre finanzielle Unterstützung durch das wahabitische SaudiArabien, die sich gegen die Interessen des schiitischen Iran richte. Quelle:http://iranjournal.org/news/taliban- Quelle:http://iranjournal.org/news/oeffentliche- delegation-im-iran hinrichtung-in-maschhad Iran ist kein Rechtsstaat! Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai 2015 KANOUN S. 7 Mehrere Arbeiteraktivisten verhaftet Sechs Hinrichtungen pro Tag Ebrahim Madadi, der stellvertretende Vorsitzende der Teheraner Busfahrergewerkschaft, und das Gewerkschaftsmitglied Davoud Razavi sind am Mittwoch 29. April in ihren Wohnungen in Teheran verhaftet worden. Das meldete das persischsprachige Nachrichtenportal „Human Rights Activists News Agency“ (HRANA). Zudem sollen gestern zwei weitere Arbeiteraktivisten verhaftet worden sein, deren Namen bisher nicht bekannt wurde. Außerdem fuhren Sicherheitsbeamte bereits am Mittwochmorgen zu mehreren Busparkplätzen der iranischen Hauptstadt, um die dortigen Mitarbeiter zu überwachen. Dabei sollen die Sicherheitsbeamten mehrere Mitglieder der Teheraner Busfahrergewerkschaft daran gehindert haben, anlässlich des 1. Mais Blumen und Süßigkeiten an ihre Kollegen zu verteilen, so HRANA. In ihrem neuesten Bericht missbilligen Ahmed Shaheed, der UN-Sonderberichterstatter für den Iran, und Christof Heyns, UN-Experte für willkürliche Hinrichtungen, die Menschenrechtslage im Iran. Allein zwischen dem 9. und 26. April seien 98 Personen hingerichtet worden, davon sechs politische Gefangene und sieben Frauen, so der Bericht. 15 Hinrichtungen seien in der Öffentlichkeit vollstreckt worden. Damit ist die Zahl der Hinrichtungen seit dem 1. Januar auf 340 angestiegen – die meisten wegen Drogenhandels. In vielen Fällen seien die Hinrichtungen von offizieller Seite nicht dokumentiert worden, kritisieren die beiden Berichterstatter. Da es sich bei Drogenhandel nicht um eine vorsätzliche Tötung handele, seien Delikte wegen Drogenhandels aus Sicht der UNO nicht als Kapitalverbrechen einzustufen: „Wir sind alarmiert über die Flut der aktuellen Zahl an Hinrichtungen, die ungeachtet der Fragen nach den Standards für faire Gerichtsprozesse aufgetreten sind“, bemerkt Christof Heyns. Die beiden unabhängigen Beobachter richteten Ihr Augenmerk insbesondere auf die öffentlichen Hinrichtungen. Ahmed Shaheed betont vor allem, dass die iranische Regierung sich weigere, das außerordentliche Ausmaß der Hinrichtungen zuzugeben und damit nur zeige, dass sie weder Menschenwürde noch die international anerkannten Menschenrechte achte. Auch in zwei weiteren iranischen Städten in den kurdischen Gebieten des Landes soll es Berichten zufolge zu Verhaftungen gekommen sein. In Saghez wurde am Dienstagabend der Arbeiteraktivist Mahmoud Salehi, in der Stadt Mahabad der Sprecher des „Komitees zur Unterstützung inhaftierter Arbeiter“, Osman Esmaeili, festgenommen.Die Verhaftungen ereignen sich unmittelbar vor dem internationalen Tag der Arbeit am 1. Mai. Die iranische Regierung untersagt seit neun Jahren 1. Mai-Veranstaltungen in der Öffentlichkeit. Die letzte Demonstration zum Tag der Arbeit fand 2006 statt. Quelle: http://iranjournal.org/news/mehrerearbeiteraktiviste n-verhaftet Die iranische Regierung hat bisher Shaheed keine Einreise zwecks Inspektionen erlaubt. So ist der UN-Berichterstatter auf die Aussagen der Angehörigen der Hingerichteten und MenschenrechtsaktivistInnen innerhalb und außerhalb des Iran angewiesen. Quelle: http://iranjournal.org/news/sechshinrichtungen-pro-tag Iran ist kein Rechtsstaat! Zehntes Jahr - Nr. 5 : Mai 2015 KANOUN Iran: Frauen unterstützen Narges Mohammadi [Im Haus der Familie von Narges Mohammadi versammelt] Trotz allem Gerede von Reformen macht das islamistische Regime im Iran nach wie vor politische Gefangene. So wurde jüngst die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi inhaftiert und ins Ewin-Gefängnis gebracht. Am 20. Mai 2015 versammelten sich nun die Vertreterinnen verschiedener Frauengruppen des Irans in der Wohnung der Familie von Narges Mohammadi, um gegen die Inhaftierung zu protestieren und der Familie ihre Unterstützung zu bekunden. Auf der Versammlung sprach unter anderem Gouhar Eschqi, die bei der Verhaftung von Narges Mohammadi anwesend war. Das Vorgehen der Beamten war für sie so schrecklich, dass sie später ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Gouhar Eschqi ist die Mutter von Sattor Beheschti, der in Haft zu Tode gefoltert wurde. Sie ist seitdem aktiv, damit die wahren Täter bestraft werden. Auf der Versammlung war auch Fa‘ese Haschemi, die die Tochter von Ajatollah Haschemi Rafsandschani anwesend. Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 25. Mai 2015 Iran: Herrschaft des Korans oder Herrschaft der Gesetze? Der iranische Präsident Hassan Rouhani ist ein Meister darin, sich mit Worten, die kritisch klingen, in Szene zu setzen. Im Zweifelsfall bleibt dann immer noch der Rückzieher, man habe ihn falsch verstanden. Diesmal hat er sich weit vorgewagt. Zum Tag der Polizei erklärte er vor versammelten Polizeioffizieren: S. 8 Die Aufgabe der Polizei ist nicht die Vollstreckung des Islams, sondern die Vollstreckung der Gesetze. In einem Staat, in dem das Grundgesetz der islamischen Scharia den Vorrang gibt und einen religiösen Führer dazu ermächtigt, als Rechtsgelehrter darüber zu befinden, ob Gesetze überhaupt in Kraft treten dürfen, die das Parlament verabschiedet wurden, ist eine solche Äußerung ein Spiel mit doppeltem Boden. Ein Außenstehender könnte meinen, hier verteidige jemand den Rechtsstaat. Aber im Iran kann nicht ein einziges Gesetz verabschiedet werden, das von der Geistlichkeit als Verstoß gegen den Islam gewertet wird. Und es kommt auch kein einziger Mensch auf die Kandidatenlisten der Wahlen, wenn die Geistlichkeit nicht überzeugt ist, dass dieser Mensch im Sinne ihrer Interpretation des Islams handeln wird. Dadurch kommt auch niemand ins Parlament, der eine westliche Vorstellung des Rechtsstaats vertritt, in dem die Religion den Gesetzen untergeordnet ist. Trotzdem hat das Spiel mit doppeltem Boden gleich vier Ajatollahs auf den Plan gerufen. Erstens den religiösen Führer, Ajatollah Chamene‘i, der Folgendes erklärte: Aufgabe der Polizei ist es, dem Islam zu dienen. Drei weitere Ajatollahs ließen es nicht an Ermahnungen fehlen. So meinte Ajatollah Makarem-Schirasi, Hassan Rouhani tue so, als ob es einen Unterschied zwischen dem Islam und den Gesetzen gebe. Damit trifft er ins Schwarze. Denn beiden wissen, dass es diesen Unterschied im Iran nicht gibt. Ins gleiche Horn stießen Ajatollah NuriHamedani und Ajatollah Safi-Golpayegani, die Hassan Rouhani für seine „unbedachten Worte“ tadelten. Bei den Ajatollahs klingt das noch vornehm. Aber jeder von ihnen verfügt über umfangreiche Anhängerschaft, die schon schärfere Worte finden. So warnten welche aus diesem Kreise, Hassan Rouhani solle an das Schicksal von Bani Sadr denken. Der wurde unter Chomeini von seinem Amt als Präsident abgesetzt und musste als Frau verkleidet aus dem Iran fliehen. Heute lebt er in Frankreich im Exil.´ Quelle: Weblog von Ali Schirasi, 4. Mai 2015 Iran ist kein Rechtsstaat!