Ein Großmeister und Gentleman
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Ein Großmeister und Gentleman
Personalien A SCHACH MAGAZIN 64 – 3/2005 Ein Großmeister und Gentleman Fridrik Olafsson wurde 70 Jahre Damengambit D 38 F. Olafsson – R. Fischer Interzonenturnier Portoroz, 1958 1. c4 Sf6 2. Sc3 e6 3. Sf3 d5 4. d4 Lb4 5. cxd5 exd5 6. Lg5 h6 7. Lh4 c5 8. e3 Sc6 9. Tc1 c4 10. Le2 Le6 11. 0–0 0–0 12. Sd2 Le7 13. b3 g5 14. Lg3 La3 15. Tc2!? Sb4?! 15. …cxb3 ist laut Fischer besser. 16. bxc4 Sxc2 17. Dxc2 dxc4 18. Sb5 Lb4 19. Sc7 Lxd2 20. Sxe6 fxe6 21. Lxc4 De8 22. Dxd2 Se4 23. Dd3 Sxg3 24. hxg3 Mit einem Bauern und guter Stellung hat Weiß genug Kompensation für die Qualität, und als Bobby Fischer in seinem Streben nach Gewinn die Stellung überzieht, wendet sich das Blatt zu Olafssons Gunsten. 24. …Tf6 25. De4 Tc8 26. Lb3 Dd7 27. Td1 Te8 28. f4 Dh7 29. De5 Df5 30. g4! Dxe5 31. dxe5 Tf7 32. f5 Tc7 33. Td6 Tc5 34. Lxe6+ Kf8 35. Lb3 Tcxe5 36. Txh6 Txe3 37. Tg6 a b c d e f g h 8 8 7 7 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 a b c d e f g h 37...T8e4? 37. …Txb3! 38. axb3 Te3 39. Txg5 Txb3 mit verteilten Chancen. 38. Txg5 Tg3 39. Tg8+ Ke7 40. g5 Te2 40. …Teg4 scheitert an 41. f6+ Kd7 42. f7. 41. Ld5 Hier aber nicht 41. f6+? Kd6 42. f7 Tgxg2+ mit Dauerschach. 41. …Kd6 42. Lf3 Txa2?! Dies verliert schnell. Das Turmendspiel nach den Zügen 42. …Te5 43. Kf2 Txf3+ 44. gxf3 Txf5 45. g6 Ke6 46. Tb8 Tg5 47. Txb7 Txg6 48. Txa7 gilt zwar als gewonnnen, aber da ist noch viel Arbeit zu leisten. 43. f6 Ke6 44. Te8+ 1:0 Damengambit D 38 F. Olafsson – T. Petrosjan Kandidatenturnier Bled 1959 1. c4 e6 2. Sf3 Sf6 3. Sc3 d5 4. d4 Lb4 5. cxd5 exd5 6. Lg5 h6 7. Lxf6 Dxf6 8. Da4+ Sc6 9. e3 0–0 10. Le2 Le6 11. 0–0 a6 12. Tfc1 Ld6 13. Dd1 Se7 14. Sa4 b6 15. Sc3 Tfb8 16. a4 Sc6 17. e4 dxe4 18. Sxe4 Df4 19. d5 Dxe4 20. dxe6 Td8 21. exf7+ Kxf7 22. De1 Kf8 23. Tc4 De8 24. Tac1 Se5 25. Te4 Sxf3+ 26. Lxf3 Df7 27. Te3 Lf4 28. Lxa8 Lxe3 29. fxe3 Txa8 30. Dg3 Kg8 31. Txc7 Df6 32. Df2 De5 33. Td7 Te8 34. Td3 De4 35. Dc2 Kh7 36. Dd1 Te6 37. Tc3 Tg6 38. Dc2 Dxc2 C. Rogers m 26. Januar dieses Jahres feierte Fridrik Olafsson, isländischer Spitzenspieler, Sprecher des isländischen Parlaments und früherer Präsident des Weltschachbunds FIDE, seinen 70. Geburtstag. In ihrer nunmehr 81-jährigen Geschichte wurde die FIDE von nur sechs Präsidenten geleitet: den beiden Schweden Alexander Rueb (Amtszeit 1924-1949) und Folke Rogard (1949-1970), dem Niederländer Machgielis (genannt Max) Euwe (1970-1978), dem Isländer Fridrik Olafsson (1978-1982), Florencio Campomanes (Philippinen, 1982-1995) und Kirshan Iljumschinow (Russland, ab 1995). Die beiden Letzteren haben sich zweifelsohne Verdienste erworben, unumstritten waren bzw. sind sie dennoch nicht. Demgegenüber war Kritik an ihren beiden Vorgängern – wenn überhaupt – nur vereinzelt zu hören, trotz schwieriger Zeiten – Euwe musste sich mit dem genialen Egomanen Bobby Fischer herumplagen, Olafsson erwischte wiederum eine besonders aggressive Phase der sowjetischen Schachpolitik – konnten sie sich gut behaupten und trotzdem eine saubere Weste behalten; ein Spagat, der in „Chefetagen“ nicht immer gelingt. Als der Weltschachbund 1979 – erstmalig unter dem Vorsitz des neuen FIDEPräsidenten Olafssons – in Puerto Rico tagte, fegte gerade ein Tropensturm durch die Karibik, dem die Meteorologen den Namen Frederik gaben. So stürmisch die Umstände zu Beginn seiner Amtszeit auch waren, so berechenbar war sein Agieren: Fridrik Olafsson, von Beruf Jurist, war stets um die Einhaltung demokratischer Spielregeln im Weltschachbund bemüht, revolutionäre Veränderungen waren seine Sache nicht. Seine solide Arbeit wurde vielerorts anerkannt, dennoch reichte es nicht zu einer Wiederwahl. Beim Kongress 1982 in Luzern lief dann eine Kampagne unter dem Motto „time for a change“, bei der sachliche Argumente nicht zählten, allein mit der Grundaussage, alle bisherigen FIDE-Chefs seien Europäer gewesen, nun sei die Dritte Welt dran, sicherte sich der philippinische Bewerber Campomanes vor allem die Stimmen der Länder Asiens und Afrikas, dazu kam die Unterstützung des Ostblocks, denn die Moskauer Machtzentrale erhoffte sich einen leichter beeinflussbaren FIDE-Chef. Olafsson hatte genug und verzichtete künftig auf Schachpolitik. Er wurde zum Sprecher des isländischen Parlaments gewählt und kümmerte sich in der Folge – wenn überhaupt – nur um isländische Schachbelange. Er begann wieder zu spielen, wenn auch seltener als in seiner Glanzeit. In den späten 50er und den frühern 60er Jahren gehörte er nämlich der erweiterten Weltspitze an, der 20. Weltranglistenrang war seine beste Platzierung. Er konnte drei Weltmeister bezwingen; zwar stellte der erkrankte Michail Tal seine Partie einzügig ein, aber die anderen Schachgiganten, Fischer und Petrosjan, unterlagen dem Isländer in einem großen Kampf. Fridrik Olafsson 39. Txc2 Td6 40. Kf2 Td3 41. Kf3 Tb3 42. Ke4 a5 43. Kd4 g5 44. e4 Kg7 45. Tf2 Tb4+ 46. Kd5 Txa4 47. e5 Ta1 48. e6 b5 49. e7 Td1+ 50. Kc6 Te1 51. Kxb5 Te5+ 52. Ka4 Txe7 53. Kxa5 Ta7+ 54. Kb4 Ta8 55. b3 h5 56. Kc5 Tc8+ 57. Kd6 Td8+ 58. Kc6 Tc8+ 59. Kd7 Tc1 60. Tb2 Th1 61. b4 Txh2 62. b5 Th1 63. b6 Td1+ 64. Ke6 Td8 65. b7 Tb8 66. Kf5 1:0 Damengambit D 46 F. Olafsson – A. O’Kelly Schacholympiade, Varna 1962 1. d4 d5 2. c4 c6 3. Sc3 e6 4. e3 Sf6 5. Sf3 Sbd7 6. Ld3 Ld6 7. 0–0 0–0 8. e4 dxe4 9. Sxe4 Sxe4 10. Lxe4 h6 11. Te1 e5 12. Lc2 exd4 13. Dxd4 Lc5 14. Df4 Sf6 15. h3 Le6 16. b3 Ld6 17. Dh4 Sd7? a b c d e f g h 8 8 7 7 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 a b c d e f g h 18. Lg5! Da5 Auch nach 18. …Sf6 19. Lxh6 besitzt Weiß vorzügliche Gewinnchancen. 79 Personalien 19. Lxh6 gxh6 20. Dxh6 und wegen 20. …Tfe8 21. Lh7+ Kh8 22. Lg6+ Kg8 23. Dh7+ Kf8 24. Txe6! 1:0 Unregelmäßig A 11 F. Olafsson – J. Donner Lugano, 1970 1. Sf3 d5 2. c4 c6 3. e3 Sf6 4. Sc3 e6 5. b3 Sbd7 6. Lb2 Ld6 7. Le2 0–0 8. 0–0 De7 9. Dc2 dxc4 10. bxc4 e5 11. Sg5 La3 12. Lxa3 Dxa3 13. f4 exf4 14. Txf4 h6 15. Sf3 De7 16. Tf1 Te8 17. Sd4 Sf8 18. Ld3 Le6 19. Txf6 gxf6 20. Se4 Sd7 21. Dd1 f5 22. Sxf5 Lxf5 23. Txf5 De6 24. Df3 Se5 25. Dg3+ Kf8 a b c d e f g h 8 8 7 7 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 a b c d e f g h 26. Sf6! Sxd3 27. Sh7+ Ke7 28. Dc7+ Dd7 29. Txf7+ Kxf7 30. Dxd7+ Te7 31. Df5+1:0 Englisch A 17 F. Olafsson – J. Timman Reykjavik 1972 1. Sf3 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4 4. g3 b6 5. Lg2 Lb7 6. d3 0–0 7. e4 d5 8. e5 Sfd7 9. cxd5 Lxd5 10. 0–0 Lxc3 11. bxc3 c5 12. d4 Sc6 13. Sg5 h6 14. Lxd5 exd5 15. Sh3 Te8 16. Le3 Sf8 17. Dh5 cxd4 18. cxd4 Dd7 19. Sf4 Tac8 20. Tab1 Se7 21. De2 Tc4 22. Sh5 Sh7 23. g4 Sc6 24. Tbd1 Sg5 25. Sg3 g6 26. f4 Sh7 27. f5 De7 28. fxg6 fxg6 29. Dd3 Kg7 30. Kh1 Dh4 31. De2 Sd8 32. Dg2 Dxg4 33. h3 De6 34. Sh5+ Kg8 35. Sf4 Df5 36. Dxd5+ Df7 37. e6 Db7 38. Dxb7 Sxb7 39. d5 Te4 40. Lc1 g5 41. Sh5 Sd6 42. La3 Sc4 a b c d e f g h 8 8 7 7 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 Zur Erinnerung an einen Schach-Ästheten Vor 120 Jahre wurde Dr. Josef Krejcik geboren Am 22. Januar vor 120 Jahren erblickte Josef Krejcik (1885-1957) das Licht der Welt. Der Österreicher mit tschechischen Wurzeln, ein Professor der Philosophie, war eine facettenreiche Schachpersönlichkeit, so glänzte er gleichermaßen als Meister am Brett, wie als Meister der Feder. Seine Bücher – insbesondere das Werk „Artige und unartige Kinder der Schachmuse“ (1925) sowie „Mein Abschied vom Schach“ (1955) – gehören zur lesenwertesten Lektüre für alle Schachfreunde, die sich nicht nur für die sportliche Seite des Schachspiels interessieren. Die Liebe des Mitbegründers des Österreichischen Schachverbands (1920, Vorläufer des ÖSB) galt vor allem der Ästhetik im Schach, was sich auch in seinem Schaffen als Problemkomponist widerspiegelt. In seinem Spiel strebte Krejcik stets nach der schönsten, nicht immer nach der objektiv besten Lösung. Zwei wunderschöne Beispiele aus lange vergangenen Zeiten legen ein beredtes Zeugnis ab. Mittelgambit C 22 J. Krejcik – K. Krobot Café Victoria, Wien 1908 1. e4 e5 2. d4 exd4 3. Dxd4 Sc6 4. De3 g6 5. Ld2 Lg7 6. Sc3 Sge7 7. 0–0–0 0–0 8. f4 a6 9. Sf3 f5 10. Lc4+ Kh8 11. Sg5 De8 12. exf5 Txf5 13. g4 Tf8 14. Dh3 h6 15. Thg1 b5 16. Sxb5! axb5 17. Lc3 drohend Dxh6 matt 17. …h5?! Weiß hat eine a b c d e f g h 8 8 7 7 6 6 5 5 4 4 3 3 2 2 1 1 1 a b c d e f g h 43. e7! Se5 43. …Sxa3 44. d6 nebst d7 44. Tf8+ Sxf8 und nun nicht 45. exf8D+? Txf8, sondern 45. Sf6+! und wegen 45. …Kf7 46. Sxe8 Sfg6 47. Sd6+ Kxe7 48. Sxe4+ 1:0 80 1 a b c d e f g h Figur ins Geschäft gesteckt, wofür eigentlich? Auf 18. gxh5 folgt einfach 18. …d5! Eine bessere Idee muss her. Nein, eine brillante Idee … 18. Td6!! Einer der eindrucksvollsten Züge aus den „Goldenen Schachzeiten“. Insbesondere der Turnierpraktiker gerät ins Staunen: eine Figur ist bereits weg, auf c4 steht die zweite ein und Weiß wirft den Löwen auch noch den Turm vor. Hier sieht man aber doch die Handschrift des Problemisten, insbesondere bei dem Sperrzug Td6. Falls 18. …bxc4, so 19. gxh5, nunmehr mit vernichtender Wirkung: 19. …gxh5 20. Th6+ Kg8 21. Txh5, drohend Th8+ nebst Dh7 matt. Was für eine Karriere für den weißen Turm: bei vollem Brett sprintet er auf der Route d6-h6-h8! 18. …cxd6 19. gxh5 gxh5 20. Lxg7+ Kxg7 21. Sf7+ Ein Schachgebot jagt das nächste. 21. …Sg6 22. Txg6+ Kxg6 23. f5+ Zum Teufel mit den Computern, die hier eine etwas kürzere Mattsetzung 23. Dg3+ Kf5 (23. …Kh7 24. Ld3+) 24. Sxd6+ Kf6 25. Dg5 matt anzeigen; wir nehmen einfach an, Krejcik hat es gesehen und wollte mit einem Bauern matt setzen; zuzutrauen wäre es dem eingefleischten Ästheten sehr wohl. 23. …Kf6 24. Dh4+ Kxf5 25. Dg5+ Ke4 26. Sxd6+ Kd4 27. c3 matt 1:0 Wiener Partie C 29 J. Krejcik – M. Vidmar Wien, 1906 1. e4 e5 2. Sc3 Sf6 3. f4 d5 4. fxe5 Sxe4 5. Sf3 Lb4 6. d4 Ganz korrekt ist dieses Opfer zwar nicht, aber sei’s drum … 6. …Sxc3 7. bxc3 Lxc3+ 8. Ld2 Lxa1 9. Dxa1 c5 10. Ld3 Lg4 11. 0–0 0–0 12. c3 Schwarz steht besser. 12. …f6?! Nun aber beginnt er, den Faden zu verlieren. 13. Db1 Doppelangriff auf h7 und b7. 13. …f5 14. Dxb7 Dd7 15. Dxa8 Sc6 16. e6 Dc7 17. Lf4 Dxf4 18. Dxc6 De3+ 19. Kh1 Dxd3 Nun hätte eigentlich auch 20. Te1 als Abschluss genügt, aber Krejcik „komponierte“ nun einmal auch bei einer Turnierpartie. 20. Dxd5!! Dxf1+ 21. Sg1 und wegen 21. …Lh5 (oder …Te8 22. e7+ Kh8 23. Df7 mit Gewinn) 22. e7+ Lf7 23. exf8D+ Kxf8 24. Dxc5+ mit einer Gewinnstellung 1:0 Weitere Geburtsdaten im Januar Ein noch ganz kleines Lebensjubiläum feierte am 9. Januar Elisabeth Pähtz aus Kerpsleben bei Erfurt. Die frühere Jugendweltmeisterin U18 und jetzige Vizeweltmeisterin der Juniorinnen ist nicht mehr ein Teen, sondern ein Twen. 70 Jahre wurde am 27. Januar Alexander Nikitin. Der Internationale Meister, Trainer und Buchautor (Spezialität: Sizilianisch) betreute in den 80er Jahren Garry Kasparow, später trainierte er andere junge Talente. „Mit 66 Jahren fängt das Leben an“, sang Schlagerstar Udo Jürgens, und sein Vers ging in den deutschen Sprachgebrauch ein. 66 Jahre wurde am 29. Januar Hans-Joachim Hecht. Der in Fürstenfeldbruck bei München lebende Großmeister war zwei Jahrzehnte lang eine der Stützen der westdeutschen Olympiamannschaft und er gehört wegen seines liebenswürdigen Wesens bar jeder Allüren zu den erfreulichsten Erscheinungen der internationalen Schachszene. SCHACH MAGAZIN 64 – 3/2005