Lösungsskizze zur Fallstudie
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Lösungsskizze zur Fallstudie
Fallstudie Informationen für die Lehrperson Lösungsskizze zur Fallstudie «Fälschungen – Marken- und Produktpiraterie unter der Lupe» Maria Tödtli, B. A. HSG Inhalt 1. Die Arbeit an Fallstudien in der ökonomischen Ausbildung 2. Voraussetzungen für den Einsatz der Fallstudie «Fälschungen» im Unterricht 3. Aufbau und Lernziele der Fallstudie 4. Empfehlungen zur didaktischen Gestaltung des Fallstudienunterrichts 5. Feinplanung der Unterrichtslektionen 6. Lösungsskizze 7. Der Fall LACOSTE 8. Zusätzlich verwendete Quellen 3 4 5 7 8 10 23 25 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Feinplanung der Unterrichtslektionen Tabelle 2: Erfolgsrechnung eines Produktpiraten Tabelle 3: Bilanz eines Produktpiraten 8 11 12 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Das Markenuniversum Seite 2 13 Jugend und Wirtschaft 1. Die Arbeit an Fallstudien in der ökonomischen Ausbildung Die ökonomische Fallstudienarbeit hat ihren Ursprung um 1900. Geburtsstätte der Arbeit an und mit Fallstudien ist die amerikanische Harvard Business School in Boston. Angeregt durch die juristische Kasuistik wird mit Hilfe von Fallstudien, die direkt aus dem Leben einer Unternehmung herausgegriffen sind, erlernte Theorie mit vorgefundener Praxis in Bezug gebracht.1 Die hier vorliegende Fallstudie für Gymnasien versucht, die Grundidee der Fallstudienarbeit aufzunehmen. Die Lernenden sollen mit einem Fall aus der Praxis konfrontiert werden, den Fall in Gruppen diskutieren und nach möglichen Lösungsalternativen suchen. Die Gruppe entscheidet sich dann für eine der Lösungsalternativen, begründet ihre Entscheidung und präsentiert diese dem Plenum. In einer anschliessenden Diskussion über die Ergebnisse soll, wenn möglich und vorhanden, auch die in der Realität getroffene Entscheidung miteinbezogen werden. Ziel der Fallstudie ist es nicht, Theorie auf die Praxis anzuwenden, sondern von der Praxis herkommend auf den Werkzeugkasten mit theoretischem Wissen und abstrakten Modellen zuzugreifen. Die vorliegende Fallstudie vermag diesem Ziel nicht immer vollkommen Rechnung zu tragen. Denn es sind in dieser Fallstudie durchaus auch Fragestellungen vorzufinden, welche von den Lernenden verlangen, bekannte Theorien auf die Praxis anzuwenden. Dieses Abweichen von der eigentlichen Zielsetzung der Fallstudienarbeit lässt sich mit der Schulstufe begründen, auf der diese Fallstudie angewendet wird. Abweichungen von der Zielsetzung sind jedoch aus den Lernzielen ersichtlich. 1 Weitz, B. O. (2000). Fallstudienarbeit in der ökonomischen Bildung. Gefunden am 8. August 2009 unter http://www.sowi-online.de/methoden/dokumente/weitzfall.htm/ Seite 3 Jugend und Wirtschaft 2. Voraussetzungen für den Einsatz der Fallstudie «Fälschungen» im Unterricht Die Fallstudie «Fälschungen – Marken- und Produktpiraterie unter der Lupe» kann dann im Unterricht behandelt werden, wenn die Lernenden über das Wissen folgender Konzepte/Modelle verfügen: • Unternehmensmodell • Grundwissen in Bilanz und Erfolgsrechnung • Markenwissen • Grundwissen im Marketing Sofern die Lernenden über das eben genannte Wissen verfügen, ist die Fallstudie sowohl im Grundlagenfach als auch im Schwerpunkts- oder im Ergänzungsfach einsetzbar. Zudem ist die Fallstudie nicht für eine spezifische Schulstufe konzipiert und somit in den Schuljahren 9–12 denkbar. Sollte das Wissen in den oben genannten Bereichen noch nicht erarbeitet worden sein, lässt sich die Fallstudie dennoch teilweise erarbeiten. Gewisse Fragestellungen können dann von den Schüler/-innen allerdings nicht selbständig erarbeitet werden. Seite 4 Jugend und Wirtschaft 3. Aufbau und Lernziele der Fallstudie Die Fallstudie «Fälschungen» besteht aus drei Teilbereichen 1. Einführung in die Thematik der Fälschungen 2. Juristische Schutzrechte und organisatorische Massnahmen zum Schutz des Geistigen Eigentums 3. LACOSTE und die Marken- und Produktpiraterie Die drei Teilbereiche werden nachfolgend ausführlicher erläutert. Mit der Bearbeitung der Fallstudie «Fälschungen» sollen folgende generellen Lernziele erreicht werden: • Schüler/-innen sollen für die Thematik Fälschungen sensibilisiert werden und unterschiedliche Facetten der Marken- und Produktpiraterie kennen. • Schüler/-innen sollen sich selbstständig und im Dialog mit der Lehrperson neues Wissen erarbeiten. • Schüler/-innen sollen selbständig und basierend auf theoretischem Wissen praxisbezogene Lösungen erarbeiten. • Schüler/-innen sollen sich in einen von Produktpiraterie betroffenen Luxusgüterhersteller hineinversetzen können. • Schüler/-innen sollen die Thematik Produktpiraterie sowie ihre Einstellung und ihr Handeln gegenüber Fälschungen reflektieren, hinterfragen und diskutieren. 1. Einführung in die Thematik der Fälschungen Der erste Teil der Fallstudie «Fälschungen» soll die Lernenden für die Thematik sensibilisieren. Anhand von einigen Einstiegsfragen, welche nur im vorliegenden Lehrerleitfaden zu finden sind, sollen sich die Lernenden erste Gedanken machen. Anschliessend gilt es, einen Text über die Produktpiraterie zu lesen. Dieser Text soll den Lernenden einen Überblick über die Marken- und Produktpiraterie verschaffen. Der Text geht auf folgende Punkte ein: Von den ersten Anfängen der Produktpiraterie bis heute, Ausmass und wirtschaftlicher Schaden der Produktpiraterie, Ursachen für und Folgen der Produktpiraterie, unterschiedliche Formen der Produktpiraterie, Herkunftsländer der Fälschungen, Vertriebsstrukturen und Organisation der Produktpiraterie. Mit der Einführung in die Thematik der Fälschungen werden folgende Lernziele verfolgt: • Schüler/-innen sollen sich bewusst mit der Thematik der Fälschungen befassen. • Schüler/-innen sollen die unterschiedlichen Facetten der Produktpiraterie kennen lernen (u. a. Entwicklung, Ausmass, Ursachen, Folgen, Formen, Herkunftsländer, Vertriebsstrukturen und Organisation der Produktpiraterie). • Schüler/-innen sollen für Produktpiraterie sensibilisiert werden (insbesondere Produktpiraterie ist eine Form des organisierten Verbrechens und der Kauf von Plagiaten kein Kavaliersdelikt). 2. Juristische Schutzrechte und organisatorische Massnahmen zum Schutz des Geistigen Eigentums In einem zweiten Teil sollen die Lernenden die Möglichkeiten eines Unternehmens kennen lernen, die bestehen, um sich gegen Marken- und Produktpiraterie zu schützen. Im Selbststudium sollen die Lernenden sich das Wissen über die juristischen Schutzrechte (Geistiges Eigentum: Patent, Design, Marke, Urheberrecht) aneignen. Zudem soll die Rolle und Unterstützung der Zollbehörden im Kampf gegen Produktpiraterie anhand der entsprechenden Gesetzesartikel verdeutlicht werden. Im Dialog mit der Lehrperson oder aber in kleinen Gruppen werden im Anschluss ans Selbststudium organisatorische Schutzmassnahmen gegen Produktpiraterie erarbeitet. Seite 5 Jugend und Wirtschaft Mit dem Überblick über die juristischen und nicht juristischen Schutzmassnahmen werden folgende Lernziele verfolgt: • Schüler/-innen sollen die unterschiedlichen juristischen Schutzrechte und ihre spezifischen Eigenschaften kennen lernen. • Schüler/-innen sollen die Rolle und Unterstützung durch die Zollbehörde im Kampf gegen Fälschungen kennen. • Schüler/-innen sollen nicht juristische Schutzmassnahmen gegen Produktpiraterie kennen lernen. • Schüler/-innen sollen ein bisher unbekanntes Rechtsgebiet selbständig erarbeiten und verstehen können. Das selbständig erarbeitete Wissen soll zu einem späteren Zeitpunkt auf einen konkreten Praxisfall angewendet werden. • Schüler/-innen sollen sich im Dialog mit der Lehrperson oder aber in kleinen Gruppen neues Wissen aneignen. 3. LACOSTE und die Marken- und Produktpiraterie Im dritten Teil der Fallstudie sollen sich die Lernenden bewusst in die Situation eines von Produktpiraterie betroffenen Unternehmens hineinversetzen. Die Lernenden werden im dritten Teil aufgefordert, selbständig praxisnahe Lösungen für die folgenden zwei Fragestellungen zu suchen: Wie soll das Unternehmen LACOSTE strategisch gegen Fälschungen vorgehen? Wie können Jugendliche daran gehindert werden, LACOSTE Fälschungen zu erwerben? Der dritte Teil der Fallstudie beabsichtigt, das neu erworbene Wissen über Marken- und Produktpiraterie, juristische und organisatorische Schutzmassnahmen sowie die bereits vorhandenen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse anzuwenden. Diese zwei Aufgabenstellungen sollen bei den Lernenden abermals eine Sensibilisierung bezwecken. Indem sie sich in ein Unternehmen hineinversetzen, soll ihnen bewusst werden, wie schädlich der Kauf von Fälschungen für das betroffene Unternehmen und die gesamte Wirtschaft ist. Insbesondere in der zweiten Aufgabestellung (Erarbeitung einer Sensibilisierungskampagne für LACOSTE) sollen das Denken und die Einstellung der Lernenden der Produktpiraterie gegenüber zur Diskussion kommen. Mit der Anwendung des Wissens auf den Praxisfall LACOSTE sollen folgende Lernziele erreicht werden: • Schüler/-innen sollen ihr Wissen über Produktpiraterie und juristische sowie organisatorische Schutzmassnahmen auf einen konkreten Praxisfall anwenden. • Schüler/-innen sollen im Team eine gemeinsame und praxisnahe Lösung entwickeln. • Schüler/-innen sollen ihre Lösungen kompetent dem Plenum präsentieren können. Zudem sollen sie stringent argumentieren und ihre Meinungen und Ansicht vor dem Plenum vertreten sowie diskutieren können. • Schüler/-innen sollen sich in einen Luxusartikelhersteller hineinversetzten können. • Schüler/-innen sollen ihre persönlichen Einstellungen und Sichtweisen darlegen, reflektieren und diskutieren können. Seite 6 Jugend und Wirtschaft 4. Empfehlungen zur didaktischen Gestaltung des Fallstudienunterrichts Es wird folgendes didaktisches Vorgehen für die unterschiedlichen Bestandteile der Fallstudie empfohlen: Fragestellung 0 (nur im vorliegenden Lehrerleitfaden vorzufinden, vgl. S. 8 ff.) Es wird empfohlen, Fragestellung 0 im Dialog mit den Lernenden zu erarbeiten. Ziel von Aufgabenstellung 0 ist es, Erfahrungen der Schüler/-innen zu sammeln und festzuhalten. Die Antworten sollen mit Hilfe von Karten oder aber durch die Lehrperson an der Wandtafel, am Hellraumprojektor oder an einem Flipchart festgehalten werden. Es soll zu einem späteren Zeitpunkt auf die Antworten zurückgegriffen werden können. Alternativ können die Fragen in Schüler/-innengruppen (3 bis 5 Lernende pro Gruppe) diskutiert werden. Wichtig ist, dass die Schüler/-innen ihre Diskussionsergebnisse schriftlich festhalten. Text «1. Einführung in die Thematik der Fälschungen» Der Text «1. Einführung in die Thematik der Fälschungen» soll im Selbststudium (während des Unterrichts oder als Hausaufgabe) von den Lernenden gelesen werden. Fragestellung 1 Fragestellung 1 kann entweder als Hausaufgabe von den Schüler/-innen bearbeitet oder aber in Schüler/-innengruppen während des Unterrichts besprochen werden. Wichtig ist eine Nachbesprechung (z.B. mit Inputs aus den Schüler/-innengruppen oder durch die Präsentation der Hausaufgabenresultate durch einzelne Schüler/-innen), denn es soll den Lernenden klar werden, wie Produktpiraten Geld verdienen und welche Markenwerte durch Fälschungen verletzt werden. Hinweis: Die Feinplanung der Unterrichtslektion (vgl. «5. Feinplanung der Unterrichtslektion») geht davon aus, dass Fragestellung 1 als Hausaufgabe bearbeitet wird. Aufgabenstellung 1 Die Broschüre «Gedacht. Gemacht. Geschützt. – Marken, Patente und Co. auf den Punkt gebracht» soll unter Einbezug der Gesetzestexte zur Rolle und Unterstützung der Zollbehörden von jedem Lernenden selbständig erarbeitet werden. Es wird empfohlen, den Text als Hausaufgabe aufzugeben, da er relativ lange ist und Konzentration von Seiten der Lernenden erfordert. Hinweis: Die Feinplanung der Unterrichtslektion (vgl. «5. Feinplanung der Unterrichtslektion») geht davon aus, dass Aufgabenstellung 1 grösstenteils als Hausaufgabe bearbeitet wird. Fragestellung 2 Fragestellung 2 kann entweder in Gruppen oder im Dialog mit der Lehrperson bearbeitet werden. Wird Fragestellung 2 in Gruppen erarbeitet, sollen im Anschluss die Lösungen im Dialog zusammengetragen werden. Text «3. LACOSTE und die Marken- und Produktpiraterie» Der Text soll von den Lernenden selbständig während der Unterrichtsstunde gelesen werden. Im Anschluss ans Lesen soll die Möglichkeit bestehen, offene Fragen zu beantworten, so dass der Bearbeitung der Fragestellungen 3 und 4 nichts mehr im Wege steht. Fragestellungen 3 und 4 Die Fragestellungen 3 und 4 werden in Gruppen von 3 bis 5 Lernenden bearbeitet. Im Anschluss sollen die Gruppen ihre Lösungen vor dem Plenum präsentieren und die unterschiedlichen Ansichten sollen diskutiert werden. Die Lehrperson leitet durch die Diskussion. Seite 7 Jugend und Wirtschaft 5. Feinplanung der Unterrichtslektionen Lektion Phase Hilfsmittel Zeit 1 Einführung und Sensibilisierung für die Thematik mit Hilfe der Fragestellung 0. Flippchart, Folien und Folienstifte, Kärtchen und Stifte 30’ Lektüre des Textes «1. Einführung in die Thematik der Fälschungen». Je nach verfügbarer Zeit sollen die Lernenden bereits in der Unterrichtslektion mit dem Lesen des Textes beginnen. Ansonsten soll der gesamte Text als Hausaufgabe gelesen werden. Klassensatz der Schüler/-innenversion Fallstudie 15’ Hausaufgabe: Text «1. Einführung in die Produktpiraterie» (fertig) lesen und Fragestellung 1 beantworten. Schüler/-innenversion der Fallstudie Besprechung der Hausaufgabe: offene Fragen beantworten und Fragestellung 1 im Dialog oder durch Präsentation der Ergebnisse besprechen. Tafel, Hellraumprojektor, Flippchart Lösungsskizze zur Fallstudie 30’ Lektüre der Broschüre «Gedacht. Gemacht. Geschützt. – Marken, Patente und Co. auf den Punkt gebracht» sowie der Gesetzestexte zur Rolle und Unterstützung der Zollbehörden. (Aufgabenstellung 1) Die Lernenden sollen bereits während der Unterrichtsstunde mit dem Lesen des Textes beginnen. Broschüre des Eidg. Instituts für Geistiges Eigentum 15’ Hausaufgabe: Broschüre «Gedacht. Gemacht. Geschützt. – Marken, Patente und Co. auf den Punkt gebracht» sowie Gesetzestexte zu Ende lesen. (Aufgabenstellung 1) Broschüre des Eidg. Instituts für Geistiges Eigentum 60’ 2 3 Offene Fragen zur Lektüre beantworten. Erarbeitung der organisatorischen Massnahmen im Dialog oder in Gruppen (mit anschliessender Besprechung der Lösungsvorschläge). (Fragestellung 2) Seite 8 60’ 5’ Tafel, Hellraumprojektor, Flippchart Lösungsskizze zur Fallstudie 40’ Jugend und Wirtschaft 4–5 Bei erstmaligem Arbeiten mit Fallstudien kurz das Vorgehen und die Zielsetzung erläutern. Lektüre des Textes «3. LACOSTE und die Marken- und Produktpiraterie»; offene Fragen soweit notwendig beantworten. 5’ Schüler/-innenversion der Fallstudie 20’ Gruppenbildung (frei oder von der Lehrperson vorgegeben). 5’ Schüler/-innen begeben sich in die Gruppen und beginnen mit der Bearbeitung der Fragen der Fallstudie. Schüler/-innen arbeiten an Fragestellung 3 (Unternehmensstrategie) und bereiten ihre Präsentation vor. Folien und Folienstifte, Flippchart und Stifte oder Computer zur Vorbereitung der Präsentation 60’ 6 Präsentation und Diskussion der Ergebnisse zu Fragestellung 3 (Unternehmensstrategie). Hellraumprojektor, Flippchart oder Beamer 45’ 7–8 Schüler/-innen arbeiten an Fragestellung 4 (Sensibilisierungskampagne) und bereiten ihre Präsentation vor. Folien und Folienstifte, Flippchart und Stifte oder Computer zur Vorbereitung der Präsentation 60’ Präsentation und Diskussion der Ergebnisse zu Fragestellung 4 (Sensibilisierungskampagne). Hellraumprojektor, Flippchart oder Beamer 30’ Falls nach Lektion 8 noch nicht alle Gruppen ihre Ergebnisse präsentiert haben: evtl. Präsentation und Diskussion der Ergebnisse der zweiten Fragestellung der Fallstudie (Kampagne). Hellraumprojektor, Flippchart oder Beamer 45’ Evtl. geht die Lehrperson auf den Praxisfall LACOSTE ein (vgl. dazu «7. Der Fall LACOSTE»). Lehrerleitfaden mit Fall LACOSTE 9 Tabelle 1: Feinplanung der Unterrichtslektionen Hausaufgaben sind jeweils kursiv aufgeführt. Seite 9 Jugend und Wirtschaft 6. Lösungsskizze Hinweis: Es handelt sich bei den folgenden Ausführungen lediglich um mögliche Lösungsskizzen. Bei Fallstudien gibt es kein Richtig oder Falsch und die Lösungen können von Gruppe zu Gruppe variieren. Wichtig ist bei der Bewertung und Diskussion der Lösungsmöglichkeiten, ob diese so in der Praxis vorzufinden wären und ob sich die ausgearbeiteten Empfehlungen umsetzen lassen würden. Fragestellung 0 a. Was verstehen Sie unter dem Begriff Produktpiraterie? b. Haben Sie schon mal Fälschungen/Piraterieware erworben? Um was für ein Produkt bzw. um was für Produkte handelte es sich? c. Wo haben Sie diese Fälschungen erworben (Land, Verkaufslokalität)? d. Was bewog Sie dazu, diese Fälschungen zu erwerben? Hinweis: Fragestellung 0 findet sich nur im Lehrerleitfaden vor. In der Schüler/-innenversion sind die Fragen nicht abgedruckt. Die Schüler/-innenversion sollte erst nach der Bearbeitung von Fragestellung 0 abgegeben werden. a. Was verstehen Sie unter dem Begriff Produktpiraterie? Diese Frage zielt nicht auf eine eindeutige Definition ab, denn universell anerkannte Definitionen dieses Begriffs gibt es nicht. Es soll vielmehr eruiert werden, was die Lernenden unter dem Begriff der Produktpiraterie bis anhin verstanden haben. Frage a soll die unterschiedlichen Ansichten der Schüler/-innen sammeln. Als Input für die Lehrperson werden die Definitionen von STOP PIRACY und dem Deutschen Zoll aufgeführt: «Fälschung: Als Fälschung werden Verletzungen geschützter Marken, Designs, Herkunftsangaben oder Patente bezeichnet, welche darauf abzielen, das Erscheinungsbild des Originalherstellers zu kopieren.»2 «Piraterie: Unter Piraterie wird das unerlaubte Kopieren von Werken und Leistungen verstanden, die durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt sind.»3 «Produktpiraterie ist das verbotene Nachahmen und Vervielfältigen von Waren, für die die rechtmässigen Hersteller Erfindungsrechte, Designrechte und Verfahrensrechte besitzen. Der Marken- und Produktpirat übernimmt unerlaubt das technische Wissen, das sich ein Unternehmen in langjähriger und mühevoller Arbeit und unter Einsatz enormer finanzieller Mittel erworben hat, um es für seine Produkte zu nutzen. Er verwendet die Bekanntheit einer Marke, die ein Markenhersteller aufgrund seiner Qualitätsprodukte erlangt hat, um den Verbraucher über die tatsächliche Herkunft der Ware und Qualität zu täuschen.»4 «Markenpiraterie ist das illegale Verwenden von Zeichen, Namen, Logos (Marken) und geschäftlichen Bezeichnungen, die von den Markenherstellern zur Kennzeichnung ihrer Produkte im Handel eingesetzt werden.»5 2 STOP PIRACY. (2011). Fälschung und Piraterie. Definitionen. Gefunden am 22. März 2011 unter http://www.stop-piracy.ch/de/candp/cap10.shtm 3 STOP PIRACY. (2011). Fälschung und Piraterie. Definitionen. Gefunden am 22. März 2011 unter http://www.stop-piracy.ch/de/candp/cap10.shtm 4 Deutsche Zollverwaltung (2010). Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie. Gefunden am 8. September 2010 unter http://www.zoll.de/b0_zoll_und_steuern/d0_verbote_und_beschraenkungen/f0_gew_rechtsschutz/a0_marken_piraterie/index.html 5 Deutsche Zollverwaltung (2010). Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie. Gefunden am 8. September 2010 unter http://www.zoll.de/b0_zoll_und_steuern/d0_verbote_und_beschraenkungen/f0_gew_rechtsschutz/a0_marken_piraterie/index.html Seite 10 Jugend und Wirtschaft b. Haben Sie schon mal Fälschungen/Piraterieware erworben? Um was für ein Produkt bzw. um was für Produkte handelte es sich? c. Wo haben Sie diese Fälschungen erworben (Land, Verkaufslokalität)? d. Was bewog Sie dazu, diese Fälschungen zu erwerben? Zu den Fragen b bis d werden keine Lösungsskizzen vorgeschlagen. Hier geht es um die Diskussion allfälliger Erfahrungen, welche die Lernenden mit Produktpiraterie und Fälschungen gemacht haben. Die Antworten sind demnach sehr subjektiv und von Klasse zu Klasse verschieden. Allerdings lässt sich an dieser Stelle nochmals eine Empfehlung zur Bearbeitung von Fragestellung 0 abgeben: Es wird empfohlen, Fragestellung 0 entweder im Dialog mit der Lehrperson oder aber in Kleingruppen bearbeiten zu lassen. Wichtig ist, dass die Ergebnisse der Diskussion festgehalten werden. Dazu empfiehlt sich für die Lehrform des Dialogs: Kärtchenfragen, Flippchart, Hellraumprojektor (Folien) oder evtl. die Tafel. Wird Fragestellung 0 in Gruppen bearbeitet, ist es sinnvoll, die Gruppen Kärtchen, Flippcharts oder Folien mit ihren Antworten erstellen zu lassen. Fragestellungen 1 a. Der Text erwähnt, dass das Geschäft mit Fälschungen den Produktpiraten hohe Gewinnmargen verspricht. Überlegen Sie sich anhand der Erfolgsrechnung eines Produktfälschers, wie die hohen Gewinnmargen erzielt werden können. Welche Positionen bieten den Produktpiraten betriebswirtschaftliche Sparmöglichkeiten im Vergleich zu den entsprechenden Originalherstellern? Wichtig: Denken Sie dabei ganzheitlich! In der Abbildung sind nur diejenigen Positionen aufgeführt, die dem Produktpiraten Einsparungen oder grössere Gewinne bringen: Erfolgsrechnung eines Produktpiraten Aufwand Ertrag Herstellkosten Die Herstellkosten fallen geringer aus, da tiefe Löhne bezahlt werden (Billiglohnländer), Sozialleistungen nicht entrichtet werden, Reparaturen und Unterhaltskosten entfallen. Warenaufwand Produktpiraten kaufen Waren geringerer Qualität ein. Verwaltung und Vertrieb Kosten für die Verwaltung und Durchsetzung des Geistigen Eigentums, Qualitäts- und Zertifizierungskosten entfallen. Zudem wird kein kostenaufwändiges Marketing betrieben und der Vertrieb findet über fliegende Händler oder das Internet statt. Auch Entsorgungsaufwände entfallen, da sich Produktpiraten dazu keine Gedanken machen. Steuern Produktpiraten entrichten keinerlei Steuern oder Abgaben (wie z.B. Umweltschutzabgaben, Einkommenssteuer). Seite 11 Jugend und Wirtschaft Zinsaufwand Der Zinsaufwand fällt evtl. geringer aus. Abschreibungen Abschreibungen werden nicht vorgenommen bzw. fallen gar nicht erst an, weil die Infrastruktur bereits sehr alt ist oder, im Falle von Factory Overruns, weil die Infrastruktur der Originalhersteller genutzt wird. Gewinn Die Gewinnmarge vergrössert sich durch die soeben erwähnten Einsparmöglichkeiten der Produktpiraten. Tabelle 2: Erfolgsrechnung eines Produktpiraten Auch in der Bilanz eines Produktpiraten finden sich gewisse Positionen vor, die geringer bilanziert sind, als jene eines Originalherstellers (auch hier sind wiederum nur die betroffenen Positionen aufgeführt). Bilanz eines Produktpiraten Aktiven Passiven Mobile Sachanlagen Factory Overrun: Produktpiraten nutzen die Maschinen/ Infrastruktur des Originalherstellers. Ansonsten: Abgesehen bei jenen Waren, welche mittels kapitalintensiven Produktionsmitteln nachgeahmt werden müssen, handelt es sich oftmals um alte Maschinen oder Maschinen geringer Qualität. D.h. dass die Maschinen zu einem geringen Wert in der Bilanz aufgeführt sind. Immobile Sachanlagen Factory Overruns: Produktpiraten nutzen die Immobilien/Infrastruktur des Originalherstellers. Ansonsten: Produktion in Billiglohnländern und aufstrebenden oder Drittweltländern, wo Kosten für Immobilien geringer ausfallen. Immaterielle Anlagen Produktpiraten führen keine Patente, Marken, Designs und Urheberrechte in ihrer Bilanz. Aktivierte F&E-Kosten Produktpiraten erarbeiten nicht selbständig Know-how. Sie kopieren lediglich die Ideen anderer Unternehmen. Tabelle 3: Bilanz eines Produktpiraten Seite 12 Jugend und Wirtschaft b. Marken schaffen für verschiedene Anspruchsgruppen unterschiedliche Werte. Überlegen Sie sich, welche Werte durch die Produktpiraterie zerstört werden. Betrachten Sie dabei v. a. die Anspruchsgruppen Konsument, Hersteller und Volkswirtschaft. Das Markenuniversum gibt Auskunft über die unterschiedlichen Werte, die durch eine Marke bei den unterschiedlichen Anspruchsgruppen erzeugt werden: Abbildung 1: Das Markenuniversum6 Marken schaffen beim Konsumenten durch Qualität und Kontinuität Vertrauen. Bei der Produktauswahl bieten sie ihm Orientierung und Sicherheit. Diese Eigenschaften oder Werte (Orientierung, Vertrauen, Kontinuität und Qualität) werden durch die Produktpiraten verletzt. Die Identifikation kann bei einer optisch schwer erkennbaren Fälschung möglicherweise immer noch gegeben sein. Marken stellen für den Hersteller einen Wertschöpfungsfaktor dar, generieren monetären Markenwert, schaffen Goodwill und sind ein Akzeptanzträger. Zudem dienen sie der Differenzierung und sorgen für Aufmerksamkeit. Nebst dem möglichen Vertrauensverlust, der bei den Konsumenten durch Fälschungen entstehen kann, wird die Marke des Originalherstellers durch Fälschungen verwässert. Die eben genanten Eigenschaften, die eine Marke für einen Hersteller hat, verlieren durch Fälschungen ihren Wert oder ihre Aussagekraft. 6 Promarca. (2010). Das Markenuniversum. Gefunden am 13. September 2010 unter http://www.promarca.ch/index.php?id=8 Seite 13 Jugend und Wirtschaft Marken tragen auch zur Volkswirtschaft eines Landes bei. Sie leisten einen Beitrag an das Bruttoinlandprodukt eines Landes, schaffen Arbeitsplätze, Wertschöpfung und führen zu Forschung, Entwicklung und Innovation. Produktpiraten schaden einer Volkswirtschaft. Fälschungen vermindern das BIP eines Landes, vernichten Arbeitsplätze (schaffen in Billiglohnländern möglicherweise neue, allerdings zu schlechteren Bedingungen), schaden der Wertschöpfung und mindern die Innovationskraft eines Landes (wer soll noch in Forschung und Innovationen investieren, wenn das Produkt sogleich von Produktpiraten gefälscht wird?). Aufgabenstellung 1 Lesen Sie die Broschüre «Gedacht. Gemacht. Geschützt. – Marken, Patente und Co. auf den Punkt gebracht» des Eidg. Instituts für Geistiges Eigentum sowie die beiliegenden Gesetzesartikel aufmerksam durch (vgl. dazu den Anhang). Die Broschüre soll Sie mit den juristischen Schutzrechten der Schweiz vertraut machen. Sie werden das neu erworbene Wissen über die Schutzrechte zu einem späteren Zeitpunkt praktisch anwenden müssen. Daher ist es wichtig, dass Sie sich die Informationen der Broschüre gut einprägen. Anmerkung: Obwohl die Lernenden im weiteren Verlauf der Fallstudie primär das Wissen über Marken und Designs aktiv anwenden müssen, wird hier verlangt, dass sie sich über alle Möglichkeiten des Geistigen Eigentums informieren. Ziel von Fallstudien ist es, dass Lernende selbständig erkennen, welches Wissen es im konkreten Fall anzuwenden gilt. Den Schüler/-innen sollen die Möglichkeiten nicht einfach serviert werden, sondern sie sollen selbständig auf die Lösungen kommen. Unaufmerksames Lesen führt in Fragestellung 3 allenfalls zu falschen Antworten! Fragestellung 2 Aus Aufgabenstellung 1 kennen Sie nun die rechtlichen Möglichkeiten, die einem Unternehmen zur Verfügung stehen, um eine Marke oder ein Produkt vor Produktpiraten zu schützen. Allerdings zeichnet sich eine erfolgreiche Schutzstrategie gegen Produktpiraterie durch die Diversität der Massnahmen aus. Erfolgreiche Unternehmensstrategien gegen Fälschungen beinhalten meist eine Kombination aus rechtlichen und unternehmerischen Schutzmassnahmen. Überlegen Sie sich nun, welche betrieblichen Schutzmassnahmen einem Unternehmen zur Verfügung stehen! Ziel ist es, ein allgemein anwendbarer Katalog an organisatorischen Schutzmassnahmen zusammenzustellen. Tipp: Strukturieren Sie Ihre Überlegungen und Ihre Antworten mit Hilfe des Unternehmensmodells. Die hier vorgestellten organisatorischen Massnahmen entstammen dem Buch «Marken- und Produktpiraterie» von Von Welser & González (vgl. dazu auch die Referenzen jeweils zu Beginn einer Aufzählung). Es handelt sich bei den folgenden Ausführungen um einen ausführlichen Massnahmenkatalog (theoretisches Wissen). Im konkreten Praxisfall muss von Situation zu Situation entschieden werden, welche Massnahmen umgesetzt werden können und welche Massnahmen überhaupt sinnvoll sind (z.B. verlangt die Bekämpfung von Produktpiraterie im Industriegüterbereich andere Massnahmen als die Bekämpfung von Fälschungen im Dienstleistungssektor). In Fragestellung 3 werden die Lernenden erneut situationsspezifisch zu entscheiden haben, welche Massnahmen für das Unternehmen LACOSTE sinnvoll und einsetzbar sind. In Fragestellung 3 zeigt sich abermals, ob die Lernenden das neue Wissen praxisbezogen und situativ richtig einsetzen können. Massnahmen der Produktentwicklung7 • Differenzierung/Zweitprodukt Das Unternehmen bietet ein weiteres, aber billigeres Produkt auf dem Markt an, so dass Kunden, die sich das Original nicht leisten können, nicht auf Fälschungen, sondern auf das billigere Produkt ausweichen können (z.B. im Buchhandel: Hardcover- und Paperback-Ausgabe). Die Gefahr dieser Strategie besteht in einer allfälligen Verwässerung der Marke. Es ist daher wichtig, die zwei Produkte klar voneinander zu trennen. 7 Von Welser & González, 2007, S. 306–311. Seite 14 Jugend und Wirtschaft • Beschleunigung des Innovationszyklus Durch die Beschleunigung der Time-to-Market (Zeitspanne von der Generierung einer Produktidee bis hin zur Platzierung des Produktes am Markt) können die Produktpiraten nicht mehr mithalten. Im Idealfall ist der Originalhersteller dem Produktpiraten immer einen Schritt voraus und die Nachfrage nach Fälschungen wird geringer ausfallen (da diese nicht mehr das neuste am Markt verfügbare Produkt darstellen). • Personalpolitik/Mitarbeiterbindung Die Mitarbeiterfluktuation sollte in Bereichen, in denen Mitarbeiter mit Geistigem Eigentum und unternehmespezifischem Know-how in Berührung kommen, so tief wie möglich gehalten werden. Durch Mitarbeiterfluktuation besteht die Möglichkeit, dass wettbewerbsrelevantes Wissen nach aussen (an Produktpiraten) getragen wird. Wettbewerbsklauseln sollten so weit wie möglich in Arbeitsverträge integriert werden. • Geheimnisschutz In der Forschung und Entwicklung, in der Herstellung und im Vertrieb ist ein wirkungsvoller Geheimnisschutz unabdingbar. Möglich wird der Geheimnisschutz durch Informationstechnologie (Zugang zu internen Systemen und auf das Betriebsgelände nur für befugte Personen), Mitarbeiterschulung (Mitarbeiter über die Relevanz des Geheimnisschutzes informieren) und das Abwägen bei der Anmeldung von Patenten (Soll die Erfindung weiterhin geheim gehalten oder durch ein Patent geschützt und damit aber auch öffentlich zugänglich werden? Insbesondere Vorreitertechnologien sollten so lange wie möglich geheim gehalten werden). • Massnahmen gegen Reverse Engineering «Als Reverse Engineering bezeichnet man das Zurückentwickeln und Analysieren von Produkten mit dem Ziel, einen Konstruktionsplan zu erstellen. Reverse Engineering dient häufig dem Ziel, Nachbauten zu erstellen.»8 Um sich vor Reverse Engineering zu schützen, bestehen einerseits rechtliche und vertragliche Möglichkeiten, andererseits existieren technische Möglichkeiten und Vorkehrungen in der Produktherstellung zum Schutz der eigenen Produkte. So soll beispielsweise versucht werden, anstelle von losen Produktkomponenten Module herzustellen, die nicht zerstörungsfrei zerlegt werden können. Massnahmen der Produktherstellung9 • Kein oder nur selektives Outsourcing • Kontrolle der Produktion (insbesondere LACOSTE bei Outsourcing der Produktion in Billiglohnländer) Hat sich ein Unternehmen für ein Outsourcing entschieden, so ist es wichtig, dass die Produktion regelmässig kontrolliert und überprüft wird. Insbesondere in Billiglohnländern besteht ansonsten die Gefahr von Factory Overruns (illegale Mehrproduktion). Zudem können Sicherungstechnologien, die kontrollierte Abgabe von Kennzeichnungsmitteln und die dauerhafte Marktbeobachtung im Umfeld des Outsourcing-Partners vor unerwünschten Factory Overruns oder Fälschungen schützen. Wird eine Partnerschaft beendet, so gilt es sicherzustellen, dass alle relevanten Unterlagen, Maschinen, Verpackungen etc. zurückgegeben werden. • Überwachung der Zulieferer Mit der Überwachung der Zulieferer soll verhindert werden, dass Fälschungen von vorgelagerten Stufen in den weiteren Verarbeitungsprozess einfliessen (z.B. bei der Herstellung von Automobilen oder Maschinen). Die Kontrolle der Zulieferer kann bspw. durch Track & Tracing10 sichergestellt werden. 8 Von Welser & González, 2007, S. 310. 9 Von Welser & González, 2007, S. 312–313. 10 Track and Tracing (englisch für Sendungsverfolgung) Seite 15 Jugend und Wirtschaft Massnahmen der Produktvermarktung11 • Gestaltung eines attraktiven Verkaufsumfelds Verkäufer von Originalprodukten können sich durch das Gestalten von attraktiven Verkaufsräumlichkeiten und Online-Shops sowie fachkundiges und freundliches Verkaufspersonal von den Produktpiraten differenzieren und profilieren. Der Einkauf soll zum speziellen Erlebnis gemacht werden. • Kundenbindungsmassnahmen, Kundenbindungsprogramme, Zusatzleistungen für treue Kunden Die Kunden sollen durch spezielle Kundenbindungsprogramme und Zusatzleistungen an die Verkäufer der Originalprodukte gebunden werden. Zudem können auch Garantien sowie kostenlose oder verbilligte Update- und Upgrade-Versionen den Kunden dazu veranlassen, das Originalprodukt der Fälschung vorzuziehen. • Kontrolle des Vertriebs Ein selektiver Vertrieb (beliefert werden selbständige Einzelhändler, die durch einen Vertrag an den Hersteller der Originalprodukte gebunden sind, die unternehmenseigenen Filialen sowie Franchisingpartner) oder der Direktvertrieb ermöglichen eine gewisse Kontrolle. Die Gefahr, dass Originalprodukte während des Transports gegen Fälschungen ausgetauscht oder aber, dass Fälschungen in den Vertrieb eingeschleust werden, wird durch den selektiven oder direkten Vertrieb reduziert. • Kontrolle der Logistik Eine lückenlose Logistik ist unabdingbar, um sicherstellen zu können, dass die Originalware auch ihren Zielort wie vorgesehen erreicht. Die Wahl des richtigen Logistikpartners ist von grosser Bedeutung. Zusätzlich können Track & Tracing-Systeme zu einem reibungslosen Ablauf beitragen. • Schutz von Verpackungs- und Werbematerial Werden Änderungen beim Verpackungsdesign eines Produktes vorgenommen (z.B. Einführung von neuen Parfumschachteln), so ist sicherzustellen, dass alle alten Verpackungsmaterialien sachgerecht entsorgt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass diese in die Hände der Produktpiraten gelangen und für Fälschungen verwendet werden. Zudem können Sicherungstechnologien zum Schutz der Originalware beitragen (z.B. Versiegelung von Verpackungen). Fragestellung 3 Hinweis für die Lehrpersonen: Während der Diskussion der unterschiedlichen Lösungsvorschläge der Schüler/-innen sollen die Lernenden auch immer wieder darauf hingewiesen werden, dass die finanziellen Mittel eines Unternehmens beschränkt sind. In der Realität können daher nicht beliebig viele Massnahmen umgesetzt werden, sondern es muss eine Auswahl derjenigen Massnahmen getroffen werden, von denen man sich am meisten Erfolg erhofft. Als Spezialist für Produktpiraterie werden Sie von LACOSTE beauftragt, eine Unternehmensstrategie zur Bekämpfung der Produktpiraterie zu entwickeln. Dabei sollten sie Folgendes beachten: • Eine effektive und effiziente Bekämpfung setzt sich in den meisten Fällen aus einer Kombination juristischer und organisatorischer Massnahmen zusammen. • Die finanziellen Mittel eines Unternehmens sind beschränkt. a. Aus Aufgabenstellung 1 und Fragestellung 2 verfügen Sie über das umfassende theoretische Wissen hinsichtlich der juristischen Schutzrechte und der organisatorischen Massnahmen, die einem Unternehmen im Kampf gegen Produktpiraten zur Verfügung stehen. Wenden Sie dieses Wissen nun auf das Unternehmen LACOSTE an. Entwickeln Sie eine unternehmensspezifische Strategie für LACOSTE zur Bekämpfung der Produktpiraterie. Die nachfolgenden Fragen sollen Sie bei der Entwicklung Ihrer Unternehmensstrategie leiten: – Über welche juristischen Schutzrechte verfügt, Ihrer Ansicht nach, das Unternehmen LACOSTE? Wie kann es diese erfolgreich gegen Produktpiraten einsetzen? 11 Von Welser & González, 2007, S. 314–318. Seite 16 Jugend und Wirtschaft LACOSTE verfügt, gemäss der vorgestellten Produktpalette, vor allem über Marken (z.B. der Name LACOSTE oder das Krokodil-Logo) und Designs (z.B. gewisse Farbmuster oder Formen). Patente sind bei LACOSTE eher unwahrscheinlich, da Patente bei technischen Erfindungen zum Tragen kommen. In der Vergangenheit verfügte LACOSTE allerdings im Bereich der Tennis Rackets über Patente. Denkbar wären Patente auch im Bereich der Funktionsbekleidung. Urheberrechte stehen bei LACOSTE ebenfalls nicht im Vordergrund, da diese bei Werken der Literatur und Kunst entstehen (ein Text im Jahresbericht von LACOSTE kann allenfalls durch das Urheberrecht geschützt sein). Um die Marke LACOSTE rechtlich erfolgreich gegen Produktpiraten durchzusetzen, müssen folgende Schritte vorgenommen werden: Damit die Marke LACOSTE in der Schweiz geschützt ist, muss sie ins Markenregister eingetragen werden. Da es sich bei LACOSTE um eine ausländische/internationale Marke handelt, muss das Unternehmen den Markenschutz weltweit hinterlegen, bzw. sich überlegen, in welchen weiteren Ländern seine Marke geschützt sein soll. Denn bei Marken gilt das Territorialitätsprinzip, d.h. dass der Schutz in jedem einzelnen Land beantragt werden muss. Weiter muss LACOSTE bei der Anmeldung einer Marke klar definieren, für welche Produkte und Dienstleistungen der Markenschutz beantragt wird (z.B. Kleidung). Mit der Beanspruchung des Markenschutzes sind allerdings auch Kosten verbunden und LACOSTE muss sich gut überlegen, wo der Schutz sinnvoll ist. Der günstigste Weg führt über die Weltorganisation für Geistiges Eigentum in Genf. Allerdings umfasst dieses sogenannte Madrider System nicht alle Länder. Bei den anderen muss der nationale Weg beschritten werden. Nach erfolgreicher Hinterlegung (dazu müssen die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt sein) ist die Marke LACOSTE in der Schweiz während 10 Jahren geschützt. Eine Verlängerung, jeweils um weitere zehn Jahre, ist beliebig oft möglich. Ist die Marke LACOSTE in einem Land hinterlegt, so steht dem Unternehmen dort der Ausschluss Dritter von der wirtschaftlichen Nutzung der Rechte zu. D.h. das Herstellen, Verwenden, Inverkehrbringen, Importieren und Exportieren ist Dritten beispielsweise untersagt. Verstösst ein Dritter (z.B. ein Produktpirat) gegen die Rechte von LACOSTE, so kann LACOSTE rechtlich dagegen vorgehen. Beim Design muss ähnlich vorgegangen werden wie bei der Marke. Das Design muss ebenfalls zuerst angemeldet werden (auch dazu müssen Kriterien erfüllt werden). Wie bei der Marke gilt das Territorialitätsprinzip: ausländische Designs können entweder direkt im entsprechenden Land oder aber über die Weltorganisation für Geistiges Eigentum in Genf auch im Ausland angemeldet werden. Sobald der Schutz für das Design in einem Land gewährt ist, ist es Dritten dort beispielsweise untersagt, das Design herzustellen, anzubieten, ein- oder auszuführen. In der Schweiz gilt das eingetragene Design für fünf Jahre, danach kann der Schutz noch vier Mal für weitere fünf Jahre verlängert werden (maximale Schutzdauer ist somit 25 Jahre). Mit Hilfe von Designs kann also auch rechtlich gegen Produktpiraten vorgegangen werden. Wichtig: Nach erfolgreicher Anmeldung gilt es, die Marke und das Design auch zu pflegen. Der Prozess ist mit der Anmeldung noch lange nicht abgeschlossen! Die Marken und Designs müssen auch benutzt, beworben und können allenfalls lizenziert werden. Die Gebühren für die Rechte müssen stets bezahlt werden, damit diese nicht verfallen. Zudem müssen in jedem Land, in welchem Marken oder Designs geschützt sind, Verletzungen aufgespürt und rechtlich verfolgt werden. Zudem besteht für Unternehmen die Möglichkeit, einen Antrag bei der Zollverwaltung zu stellen, welche daraufhin gefälschte Waren beim Grenzübertritt zurückbehält (vgl. Art. 71 MSchG und Art. 47 DesG). Im Falle LACOSTE wäre es beispielsweise denkbar, dass LACOSTE einen Antrag bei der Zollverwaltung stellt und der Zollverwaltung die Erkennungsmerkmale der Fälschungen mitteilt. In der Folge können Fälschungen von LACOSTE-Produkten an der Grenze sichergestellt werden. Anzumerken ist, dass am Schweizer Zoll auch einer Privatperson gefälschte Waren, die für den privaten Gebrauch vorgesehen sind, abgenommen werden können. Seite 17 Jugend und Wirtschaft – Welche organisatorischen Massnahmen sind im Fall von LACOSTE sinnvoll und realisierbar? Wie würden Sie die vorgeschlagenen Massnahmen umsetzen? Halten Sie Ihre Überlegungen schriftlich fest! Anmerkung: Fragestellung 3a nimmt Bezug auf Fragestellung 2. Die Lernenden sollen bei Fragestellung 3a nicht einfach den gesamten Massnahmenkatalog aus Fragestellung 2 wiederholen, sondern Massnahmen, die auf das Unternehmen LACOSTE passen, selektieren und ihre Wahl begründen. Sinnvoll und realisierbar sind bspw.: Produktentwicklung: Differenzierung/Zweitprodukt (z.B. eigene «Billiglinie» lancieren), Beschleunigung des Innovationszyklus (ist im Falle LACOSTE heute schon gegeben). Produktherstellung: Kein oder nur selektives Outsourcing (LACOSTE setzt selektives Outsourcing um), Kontrolle der Produktion (LACOSTE besetzt alle wichtigen Positionen mit eigenen Mitarbeitern/Managern; auch die Kontrollen werden von LACOSTE-Mitarbeitern durchgeführt), nur so viele Krokodil-Logos abgeben, wie für die Produktion notwendig sind. Produktvermarktung: Gestaltung eines attraktiven Verkaufsumfelds (z.T. realisiert mit LACOSTE eigenen Boutiquen), Kundenbindungsmassnahmen, Kundenbindungsprogramme, Zusatzleistungen für treue Kunden, Kontrolle des Vertriebs (LACOSTE setzt einen selektiven Vertrieb um). b. Sie haben Ihre umfassende und auf LACOSTE zugeschnittene Unternehmensstrategie ausgearbeitet und müssen diese nun dem Vorstand von LACOSTE präsentieren. Dazu stehen Ihnen fünf Minuten zur Verfügung. Stellen Sie Ihre wichtigsten Argumente überzeugend dar und bestimmen Sie einen Sprecher, der Ihre Ergebnisse präsentieren wird. Wichtiges Kriterium bei der Bewertung und Beurteilung der Präsentationen ist die Realisierbarkeit der Lösungsvorschläge. Die Lehrperson sollte z.B. auf die beschränkten finanziellen Mittel von Unternehmen oder aber den Widerstand der Mitarbeiter gegen Veränderungen im Unternehmen hinweisen. Exemplarischer Vorschlag einer Unternehmensstrategie für LACOSTE: Die erarbeitete Unternehmensstrategie setzt sich sowohl aus juristischen wie auch aus organisatorischen Massnahmen zusammen. Einerseits sollen die zur Verfügung stehenden juristischen Schutzrechte genutzt werden. Im Falle von LACOSTE macht es Sinn, die Marke LACOSTE weltweit zu schützen. Das Unternehmen verfügt auch über die notwendigen finanziellen Mittel. Zudem ist die Marke LACOSTE das Herzstück des Unternehmens, die absolute «Kernkompetenz». Von der Marke hängt grösstenteils der Erfolg des Unternehmens ab. Der Schutz von Designs ist im Falle LACOSTE zweitrangig. Die juristische Durchsetzung von Designs gestaltet sich auch um einiges schwieriger als die Durchsetzung von Marken. Daher wird LACOSTE empfohlen, nur sehr selektiv Designs anzumelden. Allerdings wird LACOSTE zudem geraten, sich mit der Zollverwaltung in Verbindung zu setzen und einen Antrag zu stellen, so dass gefälschte LACOSTE-Produkte an der Grenze beschlagnahmt werden. Nebst den juristischen Massnahmen sollen vor allem organisatorische Massnahmen zum Schutz vor Produktpiraten beitragen. Dies aus dem einfachen Grund, dass juristische Verfahren gegen Produktpiraten in den meisten Fällen und Ländern sehr kapitalintensiv sind. Prozesse müssen, wenn immer möglich, verhindert werden und nur in wirklich relevanten, grossen Fällen als Mittel eingesetzt werden. Der Schwerpunkt der organisatorischen Massnahmen soll in diesem Fall auf der Produktvermarktung liegen. Einerseits soll das Unternehmen den selektiven Vertrieb beibehalten. Exklusive LACOSTE Boutiquen sollen es den Kunden ermöglichen, mit Sicherheit Originalprodukte erwerben zu können. Der Einsatz von Sicherheitstechnologien (wie RFID12) soll zusätzlich vor Produktpiraten schützen. Diese zwei Vorschläge sind heutzutage von LACOSTE bereits umgesetzt. 12 RFID: Radio-Frequency Identification; Chip, der die automatische Identifizierung und Lokalisierung von Gegenständen ermöglicht. Seite 18 Jugend und Wirtschaft Im Bereich der Produktvermarktung soll auch weiter an der Aufklärung und Sensibilisierung der Kunden gearbeitet werden. Auf der Homepage des Unternehmens sollen die Kunden alle notwendigen Informationen über Produktpiraterie erhalten. Dazu gehören, nebst einer Beschreibung der Produktpiraterie, auch Informationen, wie Originale von Fälschungen zu unterscheiden sind und was zu tun ist, wenn man den Verdacht hegt, ein Opfer von Produktpiraten geworden zu sein. Die meisten Fälschungen werden heute über das Internet vertrieben. LACOSTE muss daher auch Vorkehrungen treffen, dass der Kunde den originalen LACOSTE E-Shop eindeutig identifizieren kann (möglicherweise über Internetsicherungstechnologien). Zusätzlich wird LACOSTE empfohlen, eine eigene «Billigmarke» aufzubauen (Massnahme der Produktentwicklung). Diese gilt es einerseits mit der traditionellen Marke LACOSTE zu verbinden, so dass die Kunden erkennen, aus welchem Haus die neue Linie stammt. Andererseits sollen die zwei Marken auch klar abgegrenzt werden, so dass die etwas teurere Marke LACOSTE nicht verwässert wird. Damit soll erreicht werden, dass LACOSTE auch für Kunden erschwinglich wird, die bisher keine Originalprodukte erwerben konnten und deshalb auf Piraterieprodukte umgestiegen sind. Der schnelle Innovationszyklus wird bei LACOSTE als gegeben erachtet. Denn ansonsten hätte das Unternehmen im schnelllebigen Bekleidungsmarkt seit den 1930er Jahren gar nicht überleben können. In der Produktherstellung wird LACOSTE empfohlen, die outgesourcten Unternehmensbereiche weiterhin gut zu überwachen. Denn Missbräuche in der Produktion würden dem sauberen Image von LACOSTE schaden. Factory Overruns stellen eine weitere Herausforderung für viele Unternehmen dar. Factory Overruns sind ebenfalls eine Form der Produktpiraterie, da es sich um unlizenzierte Exemplare handelt. Um Factory Overruns möglichst auszuschliessen, wird LACOSTE nahe gelegt, den Produktionsstandorten nur die für die Produktion notwendige Anzahl Krokodil-Logos auszuliefern. Fragestellung 4 Nebst der Bekämpfung der Produktpiraten will LACOSTE seine Kunden für das Problem der Fälschungen sensibilisieren. a. Sie erhalten von LACOSTE den Auftrag, eine Kampagne auszuarbeiten, die sich speziell an Jugendliche richtet. Gehen Sie bei der Ausarbeitung ihres Vorschlages wie folgt vor. – Überlegen Sie sich, warum Sie selbst als Jugendlicher dazu verführt sind, Fälschungen zu erwerben. Halten Sie Ihre Überlegungen schriftlich fest. Beispielhafte Antworten: – Gruppendruck («Jeder braucht Markenkleider»): «In der Gruppe/Klasse ist es angesagt, Markenprodukte zu tragen, die Originale vermag ich mir allerdings nicht zu kaufen. Also bediene ich mich halt mit Fälschungen. Wenigstens gehöre ich dann wieder dazu. Merken tut das heute doch keiner mehr; die Fälschungen sehen den Originalen ja so ähnlich.» – Preis: «Ausschlaggebend für den Kauf einer Fälschung war der Preis. Eine ‹Marke› hätte ich in einem Fachgeschäft nie so preisgünstig erwerben können.» Oder aber: «Ich kann mir die Originalmarke nicht leisten. Dennoch hätte ich halt gerne so ein Krokodil-Shirt. Später, wenn ich mal richtig gut verdiene, werde ich mir aber das Original kaufen.» – Gleichgültigkeit: «Ob nun Produktpiraten hinter dem Markenprodukt stehen oder nicht, ist mir eigentlich egal! Die Herkunft des Produktes interessiert mich nicht. Ich brauche ein neues T-Shirt – je billiger desto besser.» – «Gelegenheit macht Diebe»: «In den Ferien in Thailand besuchten wir auch einen Fälschungsmarkt. Und da ich halt schon mal dort war, dachte ich, dass ich mich gleich eindecke. In der Schweiz hätte ich nie Piraterieware gekauft. In Thailand sind die doch sogar froh, wenn sie Arbeit haben und etwas verdienen können!» – Fälschungen sind cool: «Ich kaufe aus Prinzip Fälschungen. So wie andere seit Jahr und Tag nur original LACOSTE Poloshirts tragen, trage ich ‹originale Fälschungen›!». Seite 19 Jugend und Wirtschaft – Der Reiz des Verbotenen: «Je mehr Fälschungen ich über den Zoll schmuggeln kann, desto angesagter bin ich unter meinen Kollegen! Wer am meisten Fälschungen schmuggeln kann, ist der Held!» – Etc. – Überlegen Sie sich in einem zweiten Schritt, welche Argumente Gleichaltrige überzeugen könnten, vom Kauf von Fälschungen abzulassen. Halten Sie auch diese Überlegungen schriftlich fest. Beispielhafte Antworten: – Bilder sagen mehr als tausend Worte: Jugendliche sollen mit den nackten Tatsachen konfrontiert werden. Den Jugendlichen sollen Bilder der Produktionsorte von gefälschten Kosmetika, Alkoholika, Bekleidung etc. sowie der Arbeitsbedingungen vor Ort gezeigt werden. – Produktpiraterie als Teil des organisierten Verbrechens: Wie kriminell Produktpiraten sind, ist den meisten Konsumenten nicht bewusst. Den Jugendlichen soll aufgezeigt werden, wen sie mit ihren unüberlegten Käufen unterstützen. – Preis der Originalware transparent machen: Oftmals verstehen Jugendliche nicht, weshalb sie für eine Tasche oder eine Sonnenbrille so viel Geld ausgeben sollen, wenn man doch auch billigere Produkte auf dem Markt vorfindet. Den Jugendlichen sollte vermehrt vor Augen geführt werden, wie der Preis für Originalprodukte zustande kommt und dass der hohe Preis nicht bloss saftige Gewinne und hohe Boni abwirft. – Besuch der Produktion eines Originalherstellers: Zwischen der Produktionsstätte im Hinterhof und der modernen Produktionsanlage des Originalherstellers liegen Welten. Jugendliche sollen die Möglichkeit haben hinter die Kulissen zu blicken. Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke prägen sich viel stärker ein als die passive Aufnahme von Werbesprüchen (selbst wenn sie noch so drohend oder mahnend sind). – Konsequenzen gefälschter Produkte aufzeigen: Jugendliche sollen sich bewusst werden, dass der Konsum gefälschter Ware tödlich enden kann. In billigen Kosmetika und Lifestyle-Produkten stecken nicht selten lebensgefährliche Substanzen. – Original vs. Fälschung: Da gewisse Fälschungen heute nur noch schwer vom Original zu unterscheiden sind, sollen die Jugendlichen die Möglichkeit haben, Original und Fälschung nebeneinander zu sehen (vgl. dazu z.B. Aktion Plagiarius13). – Etc. b. Erarbeiten Sie, basierend auf den vorangegangen Überlegungen, eine wirkungsvolle Kampagne. Wenden Sie dazu Ihr Marketingwissen aktiv an! – Welche Medien werden eingesetzt? Beispielhafte Antwort: Nebst den klassischen Medien wie Werbeplakate und TV-Spots sollen v. a. auch die digitalen Medien zum Einsatz kommen. Auf der Website des Originalherstellers sollen sich die Jugendlichen über Produktpiraterie informieren können. Auf der Website sollen die Jugendlichen erfahren können, wo die Originalprodukte verkauft werden, wie man ein Original von einer Fälschung unterscheiden kann, was getan werden soll, wenn man unabsichtlich eine Fälschung erworben hat etc. Die Website soll einladend und interaktiv gestaltet sein. Auch die mobilen Medien können einbezogen werden. So können z.B. QR-Tags14 in Fachgeschäften den jugendlichen Kunden über das Produkt informieren (bspw. wie sich das Original von der Fälschung abhebt). Oder es kann nach einem imaginären Produktpiraten gefahndet werden: auf gewissen Werbeplakaten würden sich bspw. falsche Krokodil-Logos befinden. Wer das Plakat findet, soll es fotografieren und an eine vordefinierte Rufnummer senden. Wer Fälschungen entdeckt hat, nimmt automatisch an einem Wettbewerb teil (an dem natürlich Originalprodukte als Preise winken). 13 Vgl. dazu http://www.plagiarius.com/d_index.html; gefunden am 9. September 2010. 14 QR-Tag: Quick Response Code; zweidimensionaler Strichcode. Seite 20 Jugend und Wirtschaft – – – – Wichtig: LACOSTE wird sich aufgrund eines beschränkten Budgets auf einzelne Medien beschränken müssen und wird nicht das volle Instrumentarium einsetzen können! Etc. Welche Botschaft soll vermittelt werden? Die Kampagne verfolgt das Ziel, Jugendliche für die Problematik der Produktpiraterie zu sensibilisieren und sie von weiteren Fälschungskäufen abzuhalten. Dies sollte auch die Botschaft der Kampagne vermitteln. Wo soll die Kampagne durchgeführt werden? Beispielhafte Antworten: – An Bahnhöfen, Busstationen und Flughäfen: da wo sich Jugendliche tagtäglich bewegen oder aber in die Ferien verreisen. – Im Internet: da wo gesurft und online eingekauft wird. – Im Fall LACOSTE: In Zoos, wo sich die originalen Krokodile befinden (im Sinne von: hier möchtest du auch keine Fälschungen vorfinden!). Wie lange soll die Kampagne dauern? Beispielhafte Antwort: Die Kampagne soll dauerhaft präsent sein; zu Ferien- und Reisezeiten soll sie intensiviert werden. Wie wird höchstes Zielgruppeninvolvement erreicht und die Nachhaltigkeit der Kampagne gesichert? Beispielhafte Antwort: – Durch die aktive Beteiligung der Jugendlichen an der Kampagne (z.B. durch Unternehmensbesichtigungen, Teilnahme an Wettbewerben). – Durch glaubhafte, einleuchtende und wahrheitsgetreue Information. – Durch Aufklärung an den Schulen (z.B. Gastausstellungen, Schulfilme). Anmerkung: Sollten die Lernenden noch nicht über ausreichendes Wissen verfügen, um selbst eine Kampagne zu entwickeln, so können die fettgedruckten Leitfragen als Hilfestellungen abgegeben werden. c. Präsentieren Sie Ihren Vorschlag vor dem Plenum (dazu stehen Ihnen abermals fünf Minuten zur Verfügung). Denken Sie daran: Bereiten Sie Ihre Präsentation so vor, dass Sie den Zuschlag für die Realisierung Ihrer Kampagne erhalten (Überzeugungskraft ist also gefragt)! Exemplarischer Vorschlag einer Sensibilisierungskampagne für LACOSTE: Unsere Gruppe hat festgestellt, dass Jugendliche insbesondere aus drei Gründen Piraterieprodukte kaufen. Erstens: der Gruppendruck, Markenkleider zu tragen, bewegt Jugendliche zum Schritt im Internet oder in den Ferien billige Fälschungen des begehrten Labels zu erwerben. Zweitens: Jugendliche würden sich gerne das Original kaufen; es fehlt ihnen aber häufig das nötige Kleingeld. Und drittens: Fälschungen zu erwerben wird als cool erachtet und stellt sich als neuer Trend heraus. Unserer Ansicht nach könnten vor allem die nackten Tatsachen die Jugendlichen vom Kauf von Fälschungen abhalten. Jugendliche sollten wissen, dass das organisierte Verbrechen hinter den Fälschungen steht. Den Jugendlichen sollte aber auch erklärt werden, warum der Preis der Originalprodukte so enorm hoch ist. Weil wir den Preis nicht nachvollziehen können, wissen wir auch nicht, warum wir ein Originalprodukt einer Fälschung vorziehen sollen und uns deshalb nur ein, anstelle von vielleicht zwei oder drei T-Shirts leisten können! Wir schlagen LACOSTE vor, eine umfassende Homepage einzurichten, die nur für die Kampagne eingesetzt wird. Diese soll von der Homepage www.lacoste.com getrennt geführt werden (lediglich ein Link soll auf die Kampagnenhomepage verweisen). Die Kampagnenhomepage soll all die notwendigen Informationen über Produktpiraterie, ihre schrecklichen Auswirkungen, aber auch über die Produktion von LACOSTE und den dadurch hohen, aber gerechtfertigten Preis enthalten. Interaktive Elemente sollen die Website unterhaltsam machen, so dass Jugendliche auch gerne etwas auf dieser Seite verweilen. Seite 21 Jugend und Wirtschaft Wir empfehlen zudem Banner u. ä. auf Modeblogs zu posten, welche wiederum mit der Kampagnenhomepage verlinkt sind. Als traditionelle Medien würden wir Werbungen und Aufrufe in Jugend- und Modezeitschriften empfehlen. Zudem sollen herkömmliche Werbeplakate in Bahnhöfen und Busstationen eingesetzt werden. Last but not least: LACOSTE soll mit einer interessanten Ausstellung über Produktpiraterie von Schule zu Schule wandern. Videos, Ausstellungsobjekte und Plakate sollen uns Jugendliche/ Schüler/-innen über Produktpiraterie informieren. Die Ausstellung soll jeweils für etwa ein bis zwei Wochen in einer Schule gastieren. Möglicherweise wäre hier auch eine Zusammenarbeit mit der Fachschaft Wirtschaft und Recht möglich. Seite 22 Jugend und Wirtschaft 7. Der Fall Lacoste Die nachfolgenden Informationen über den Fall LACOSTE entstammen allesamt dem Interview mit Herrn Christian Vicquéry von LACOSTE, welches am 11. August 2010 in Genf geführt wurde. LACOSTE und die Marken- und Produktpiraterie Fälschungen gibt es, gemäss Herr Vicquéry von LACOSTE, seit es die Marke LACOSTE gibt. Gegen Produktpiraten geht LACOSTE allerdings erst seit den 70er Jahren aktiv vor. Zu diesem Zeitpunkt ist die Marke in den Vereinigten Staaten sehr populär. Die ersten Fälschungen weisen eine schlechte Qualität auf, sind klar von den Originalen zu unterscheiden und werden oft zu sehr tiefen Preisen von fliegenden Händlern verkauft. Der Markt für Fälschungen ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht globalisiert; die Fälschungen werden in denjenigen Ländern hergestellt, in denen sie auch verkauft werden (z.B. Italien, Spanien, USA). Heute kommen 80% der Fälschungen aus China. Auch Brasilien stellte lange Zeit einen wichtigen Produktionsstandort für Piraterieware dar. Doch die steigenden Lohnkosten im südamerikanischen Land führen zu einer Auslagerung der Produktion nach China. Heute wird ein Grossteil der Fälschungen, die in Brasilien auf den Markt kommen, in China produziert und in Brasilien nur noch finalisiert (z.B. werden nur noch die Logos in Brasilien aufgenäht oder aufgeklebt). Der Marktdruck auf Pirateriemärkten hat enorm zugenommen. Tiefe Lohnkosten und fehlende staatliche Eingriffe gegen Fälscher sind heutzutage ausschlaggebend für die Standortwahl der Produktpiraten. Die Produktion und der Vertrieb von Piraterieprodukten finden heute weltweit statt. Das Internet unterstützt diese Entwicklung und vereinfacht den Produktpiraten den Verkauf ihrer Ware. Herr Vicquéry stellt fest, dass sich das Geschäft mit Fälschungen von der Strasse ins Internet verschiebt. Das Internet wird deshalb in den nächsten Jahren die grösste Herausforderung für Unternehmen und staatliche Behörden werden. Das traditionelle LACOSTE Poloshirt wird am häufigsten kopiert. Bis vor einigen Jahren machte es 99% der LACOSTE-Fälschungen aus; heute sind etwa 65% der gefälschten LACOSTE-Produkte Kleidungsstücke. Vermehrt werden auch Accessoires wie Taschen, Schuhe oder Sonnebrillen von Produktpiraten gefälscht (heute ca. 35% der Fälschungen). Das genaue Ausmass der Produktpiraterie ist dem Unternehmen LACOSTE nicht bekannt, da es sich um einen Schwarzmarkt handelt. Pro Jahr investiert LACOSTE aber drei Millionen Euro in die Bekämpfung des organisierten Verbrechens (welches meist hinter der Piraterieware steht). Auch über die Kundenzielgruppe der Produktpiraten kann LACOSTE nur spekulieren. Herr Vicquéry von LACOSTE ist der Ansicht, dass die Kundschaft der Produktpiraten breit angesiedelt ist. Als häufigstes Motiv vermutet er, dass der Kunde nicht über die notwendige Kaufkraft verfügt, um sich ein Original zu leisten. Fälschungen sind in den vergangen Jahren allerdings auch Kult geworden und gewisse Pirateriekunden kaufen so markentreu Piraterieware wie andere LACOSTE Produkte. Wie LACOSTE gegen die Marken- und Produktpiraterie vorgeht Die Marke LACOSTE, das Herzstück des Unternehmens, ist weltweit registriert. Allerdings geht LACOSTE nur in Ausnahmefällen rechtlich gegen Produktpiraten vor. Die zivil- und strafrechtlichen Verfahren sind in den meisten Ländern zu teuer und haben eine zu geringe Wirkung, als dass sich die rechtliche Auseinandersetzung vor Gericht lohnen würde. Zudem schrecken die Produktpiraten heute vor nichts zurück. Als LACOSTE vor einigen Jahren rigoros gegen Produktpiraten in Brasilien vorging, drohten diese dem französischen Unternehmen so lange mit Anschlägen auf Boutiquen und Mord an Mitarbeitern, bis sich LACOSTE gezwungen sah, aus Rücksichtnahme gegenüber seinen Mitarbeitern, aufzugeben. Herr Vicquéry hat das Vorgehen der Produktpiraten Seite 23 Jugend und Wirtschaft in Brasilien selbst miterlebt und wird deshalb auch nicht müde zu betonen, dass kriminelle und gewaltbereite Banden hinter Fälschungen stehen, die ohne Rücksicht auf Menschenrechte und Menschenleben Fälschungen produzieren. Das Hauptziel von LACOSTE in der Pirateriebekämpfung besteht darin, die Anzahl der Fälschungen geringer zu halten als die Anzahl Originalprodukte in einem Land. Sekundär werden die Fälscher und das organisierte Verbrechen bekämpft. Um dies zu erreichen, nutzt LACOSTE hauptsächlich organisatorische Massnahmen (rechtliche Verfahren werden, wie soeben erwähnt, nur sehr selten eingesetzt). Die LACOSTE Produktionsstandorte in Frankreich, Peru, China und den Maghreb-Staaten werden von unternehmenseigenen Mitarbeitern geführt und kontrolliert. So sollen Missbräuche jeglicher Art verhindert werden. Zudem findet ein tägliches Internetmonitoring statt, um Online-Anbieter von Fälschungen ausfindig zu machen. Des Weiteren arbeitet LACOSTE eng mit den Zollbehörden zusammen und führt Schulungen für Zoll- und Polizeibeamte durch. Da ein einzelnes Unternehmen selbst nicht viel anrichten kann in diesem globalen Kampf gegen die Produktpiraten, engagiert sich LACOSTE in zahlreichen Verbänden in der Schweiz, aber auch im Ausland. Produktpiraterie ist auch ein volkswirtschaftliches Problem. Länder, die mit starker Arbeitslosigkeit und Armut zu kämpfen haben, sind anfälliger auf Produktpiraten. Vereinzelt werden in solchen Ländern Produktionsstandorte eröffnet, um so Arbeitsplätze zu schaffen und indirekt gegen die Produktpiraten vorzugehen. Bisherige Sensibilisierungskampagnen Sensibilisierungskampagnen sind bei LACOSTE zwar auch ein Thema, allerdings spielen sie bei der Bekämpfung von Produktpiraterie keine allzu grosse Rolle. In Zusammenarbeit mit STOP PIRACY hat LACOSTE in der Schweiz bereits eine Kampagne durchgeführt. Hauptbotschaft der Kampagne war, dass die Herstellung sowie der Konsum von Fälschungen ein Verbrechen ist. Weitere Kampagnen sowie der Ausbau der unternehmenseigenen Homepage sind geplant. Wichtiger als die Sensibilisierung des Endkunden ist für LACOSTE die Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden und Verbänden. Die Aus- und Weiterbildung von Zollbeamten und Polizisten ist daher ein zentrales Anliegen von LACOSTE. Die Beschlagnahmung von Fälschungen ist meist einfacher als die Verfolgung der Produktpiraten. Gefälschte Produkte werden von LACOSTE entweder zerstört oder die KrokodilLogos werden entfernt und die Produkte (z.B. Poloshirts) einem Hilfswerk gesponsert. Seite 24 Jugend und Wirtschaft 8. Zusätzlich verwendete Quellen Hier werden nur noch Quellen aufgeführt, die bisher noch nicht in der Fallstudie zitiert wurden. Deutsche Zollverwaltung. (2010). Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie. Gefunden am 8. September 2010 unter http://www.zoll.de/b0_zoll_und_steuern/d0_verbote_und_beschraenkungen/f0_ gew_rechtsschutz/a0_marken_piraterie/index.html Promarca. (2010). Das Markenuniversum. Gefunden am 13. September 2010 unter http://www.promarca.ch/index.php?id=8 STOP PIRACY. (2011). Fälschung und Piraterie. Definitionen. Gefunden am 22. März 2011 unter http://www.stop-piracy.ch/de/candp/cap10.shtm Weitz, B. O. (2000). Fallstudienarbeit in der ökonomischen Bildung. Gefunden am 8. August 2009 unter http://www.sowi-online.de/methoden/dokumente/weitzfall.htm/ Seite 25 Jugend und Wirtschaft