Transfer Pricing Perspective Deutschland. Jahrbuch 2012

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Transfer Pricing Perspective Deutschland. Jahrbuch 2012
www.pwc.de/newsletter-transfer-pricing
Transfer Pricing
Perspective Deutschland
Jahrbuch 2012
Verrechnungspreiswissen
praxisnah, aktuell
und kompakt
www.pwc.de/newsletter-transfer-pricing
Transfer Pricing
Perspective Deutschland
Jahrbuch 2012
Verrechnungspreiswissen
praxisnah, aktuell
und kompakt
Von Dr. Abraham Ackerman, Anna Angerstein, Marie-Melanie
Bentzien, Stephan Bock, Alexandra Burg, Stefanie Dengel, Ron
Dorward, Verena Ebert, Irina Engler, Jan Feldtkeller, Kati
Fiehler, Eduardo R. Flöring Junior, Julian Franck, Beate
Gebken, Marianne Grabowski, Jörg Hanken, Dr. Yves Hervé,
Dirk Heyne, Dr. Lee Hu, Claudia Hutten, Andre Jaekel,
Dr. Michael Jakob, Claus Jochimsen, Daniela Kiel-Hammer,
Alexander Kölmel, Oliver Kost, Jan Krause, Martin Lang, Lorenz
Leonhardt, Oliver Liche, Hans-Peter Limbach, Holger Lorenzen,
Jan Luft, Kevin Lüking, Dr. Jutta Menninger, Dr. Michael A.
Müller, Frank Münch, Nicole Netto, Mirja Pollack, Katja Preker,
Gerd Reinke, Martin Renz, Daniel Retzer, Dr. Isabel Ruhmer,
Michael Schäfer, Guido Schepers, Britta Schmischke, Dr.
Christoph Sommer, Ina Sprenger, Ronald Steinert, Henning
Stemmer, Markus Straub, Susann van der Ham, Steffen Voll, Dr.
Ludger Wellens, Jobst Wilmanns, Norman Wingen und Gert
Wöllmann
Transfer Pricing Perspective Deutschland
Jahrbuch 2012
Herausgegeben von PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Von Dr. Abraham Ackerman, Anna Angerstein, Marie-Melanie Bentzien, Stephan Bock,
Alexandra Burg, Stefanie Dengel, Ron Dorward, Verena Ebert, Irina Engler, Jan Feldtkeller, Kati Fiehler, Eduardo R. Flöring Junior, Julian Franck, Beate Gebken, Marianne
Grabowski, Jörg Hanken, Dr. Yves Hervé, Dirk Heyne, Dr. Lee Hu, Claudia Hutten, Andre
Jaekel, Dr. Michael Jakob, Claus Jochimsen, Daniela Kiel-Hammer, Alexander Kölmel,
Oliver Kost, Jan Krause, Martin Lang, Lorenz Leonhardt, Oliver Liche, Hans-Peter
Limbach, Holger Lorenzen, Jan Luft, Kevin Lüking, Dr. Jutta Menninger, Dr. Michael A.
Müller, Frank Münch, Nicole Netto, Mirja Pollack, Katja Preker, Gerd Reinke, Martin
Renz, Daniel Retzer, Dr. Isabel Ruhmer, Michael Schäfer, Guido Schepers, Britta
Schmischke, Dr. Christoph Sommer, Ina Sprenger, Ronald Steinert, Henning Stemmer,
Markus Straub, Susann van der Ham, Steffen Voll, Dr. Ludger Wellens, Jobst Wilmanns,
Norman Wingen und Gert Wöllmann
Mai 2013, 162 Seiten, 4 Abbildungen und 3 Tabellen, Softcover
© PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen, Mikroverfilmung, die Einspeicherung
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abrufbar.
Vorwort
Vorwort
In unserem Jahrbuch Transfer Pricing Perspective Deutschland versammeln wir
seit mittlerweile vier Jahren die Beiträge unseres gleichnamigen Newsletters.
Dabei ist das Jahrbuch von Anfang an auf große und von Jahr zu Jahr steigende
Resonanz gestoßen. Wir freuen uns über diesen Erfolg und haben die Beiträge des
vergangenen Jahres im vorliegenden Jahrbuch wiederum für Sie zusammengestellt.
Wir möchten Sie mit Transfer Pricing Perspective Deutschland über aktuelle
internationale wie nationale Rechtsentwicklungen und Trends im Bereich
Verrechnungspreise auf dem Laufenden halten. Dabei haben wir nicht nur die
klassischen Themen wie die Gestaltung von Verrechnungspreisen und ihre
Verteidigung gegenüber Finanzbehörden im Blick, sondern verfolgen auch
spezifische Fragen, die im Verrechnungspreiskontext zunehmend an Bedeutung
gewinnen. Zudem erhalten Sie interessante Einblicke in unsere Beratungspraxis
sowie hilfreiche Hinweise.
Eines der Schwerpunktthemen des Jahres 2012 war die Bedeutung von
Verrechnungspreisen für die Steuerung von Vertriebsgesellschaften. Außerdem
stand eine wesentliche Änderung des deutschen Steuergesetzes im Fokus
mehrerer Beiträge: die Umsetzung des „Authorised OECD Approach“ in
nationales Recht – mit weitreichenden Folgen für die Einkommensermittlung
und die Besteuerung von Betriebsstätten.
Wie in den Vorjahren findet sich wiederum ein Kapitel zum Thema „Brennpunkt Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“. Und auch in
der Rubrik „Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU“ lässt sich
anhand der OECD-Entwicklungen ein zunehmender Schwerpunkt im Bereich
immaterieller Wirtschaftsgüter in der Verrechnungspreispraxis erkennen.
Das Thema Transfer Pricing und die damit verbundenen Fragen gewinnen
global zunehmend an Bedeutung: Die Zahl der Beiträge zu internationalen
Verrechnungspreisentwicklungen ist gegenüber den Vorjahren deutlich
gestiegen. Verstärkt finden sich auch in Ländern, die hier in der Vergangenheit
nicht in Erscheinung getreten sind, entsprechende Regelungen – wie etwa die
Beiträge zu Albanien, den Bahamas und Panama zeigen.
Wir hoffen, Ihnen auch mit diesem Jahrbuch wieder viele interessante
Informationen und Denkanstöße mit auf den Weg geben zu können, und
wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.
Ihr Redaktionsteam des „Transfer Pricing Perspective Deutschland“
Transfer Pricing Perspective Deutschland 3
Inhalt
Inhalt
Vorwort ....................................................................................................................3
A Schwerpunktthemen 2012 ................................................................................ 8
1 Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013: Umsetzung der
uneingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte in
nationales Recht .................................................................................................9
2 Geplante Änderungen der deutschen Verrechnungspreisvorschriften.......... 13
3 Verschärfung der Dienstvorschrift Zollwertrecht in Bezug auf
Verrechnungspreisbestimmungen................................................................... 16
4 Verwendung von nationalen und internationalen
Rechnungslegungsgrundsätzen im Rahmen der ökonomischen
Verrechnungspreisanalyse ...............................................................................18
5 Interdependenzen zwischen Tax-Reporting und
Managementreporting am Beispiel der Vertriebssteuerung ..........................25
6 Aussteuerung von Vertriebsgesellschaften: Praxiserfahrung und
Empfehlung ..................................................................................................... 28
7 Die zunehmende Bedeutung der BRICS-Staaten und
die Auswirkungen auf die OECD-Richtlinien..................................................32
8 Steuereffiziente Implementierung von Produktionsund Vertriebsstrukturen in China................................................................... 36
B Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU ............................... 41
1 OECD WP 6 – Special Session on the Transfer Pricing
Aspects of Intangibles ...................................................................................... 41
2 OECD veröffentlicht einen ersten Entwurf der Leitlinien zu
immateriellen Wirtschaftsgütern.................................................................... 43
3 Verrechnungspreisbestimmung ex ante und ex post – aktuelle
Stellungnahme der OECD ............................................................................... 48
4 Neuer OECD-Bericht: Dealing Effectively with the Challenges of
Transfer Prices ................................................................................................ 50
5 OECD-Statistik zu Verständigungsverfahren 2010.........................................54
6 EU Joint Transfer Pricing Forum plant Veröffentlichung eines
Berichts zu Kostenumlageverträgen bis Ende 2012........................................57
7 Grünbuch der Deutsch-Französischen Zusammenarbeit über
Konvergenzpunkte bei der Unternehmensbesteuerung ..................................... 58
C Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle
Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis .................................................................. 61
1 Europarechtliche Problemfelder der
deutschen Funktionsverlagerungsnormen...................................................... 61
4 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Inhalt
2 Auswirkungen des EuGH-Urteils in der Rechtssache „National Grid
Indus B.V.“ auf Funktionsverlagerungsfälle ..................................................... 62
3 Planungsideen im Zusammenhang mit
immateriellen Wirtschaftsgütern.................................................................... 64
4 Verlagerung von Managementaktivitäten ...................................................... 66
5 Nutzung gewerblicher Schutzrechte durch Vertriebsgesellschaften ............. 68
6 Markenstudie 2012: der monetäre Wert einer Marke ....................................70
D Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht.................................................74
1 Geschäftsbeziehungen und gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen:
Abgrenzung und Dokumentationspflicht..........................................................74
2 Anpassungen in einer Betriebsprüfung aufgrund fehlender
schriftlicher Verträge: Anmerkungen zum Urteil des FG Hamburg
vom 31. Oktober 2011 ....................................................................................... 77
3 Zeitnahe Dokumentation bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen
und Folgen einer nachträglichen Dokumentation ..........................................81
4 Mediation bei Verrechnungspreiskonflikten.................................................. 83
5 Arbeitnehmerentsendungen ins Ausland: Verrechnungspreise
und Sozialversicherung ................................................................................... 85
6 Geplante Änderungen des Versicherungsteuergesetzes und ihre
Auswirkungen auf globale Versicherungsverträge........................................... 90
7 AdV-Beschluss des FG Köln: Entstrickungsbesteuerung
europarechtlich zweifelhaft............................................................................. 92
E Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012 .................................95
1 Europa...............................................................................................................95
1.1 Albanien: Doppelbesteuerungsabkommen ................................................95
1.2 Dänemark: Verschärfung der Dokumentationsvorschriften .....................95
1.3 Italien: EU-Initiative zum Strafzuschlagssystem ...................................... 96
1.4 Liechtenstein: Aktuelles bei den
deutschen Doppelbesteuerungsabkommen............................................... 98
1.5 Niederlande: APAs für sogenannte Back-to-back-Gesellschaften in
den Niederlanden – Änderungen in der Verfahrensweise der
Finanzverwaltung ....................................................................................... 99
1.6 Niederlande: Grundsatzentscheidung zur Behandlung von
Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen ..................................... 100
1.7 Norwegen: keine Vertreterbetriebsstätte bei
Kommissionärsstruktur – positives Urteil im „Dell-Fall“........................102
1.8 Österreich/San Marino: Auskunftsabkommen ........................................104
1.9 Russland: Einführung von APA-Richtlinien durch die russische
Finanzverwaltung zum 1. Januar 2012 .....................................................105
1.10 Spanien: Grundsatzentscheidung zu Betriebsstätten ..............................106
Transfer Pricing Perspective Deutschland 5
Inhalt
1.11 Ungarn: neues DBA – Gegenberichtigungsklausel bei
Verrechnungspreiskorrekturen von verbundenen Unternehmen........... 107
2 Amerika...........................................................................................................109
2.1 Bahamas: Auskunftsabkommen ...............................................................109
2.2 Der Fremdvergleichsmaßstab aus brasilianischer Sicht – ist er
vereinbar mit OECD-Grundsätzen?.......................................................... 110
2.3 Panama: Auskunftsabkommen ................................................................. 113
2.4 USA – die kodifizierte Economic Substance Doctrine ............................. 114
2.5 Final US Cost Sharing Regulations ........................................................... 116
2.6 US-Gerichtsentscheidung zur Aggregation von Transaktionen und
zur Segmentierung von Finanzdaten ........................................................ 119
2.7 USA: Aufhebung des Verbots von rückwirkenden
Verrechnungspreisanpassungen (Zoll) .....................................................120
3 Asien................................................................................................................ 121
3.1 Australien: aktuelle Entwicklungen .......................................................... 121
3.2 China: aktuelle APA-Entwicklungen......................................................... 123
3.3 Verrechnungspreise im Fokus der chinesischen Steuerbehörden...........124
3.4 China: Fokus der Finanzverwaltung auf
immaterielle Wirtschaftsgüter und deren Bewertung für
steuerliche Zwecke..................................................................................... 125
3.5 Hongkong: aktuelle APA-Entwicklungen .................................................126
3.6 Großer Erfolg für internationalen Mobilfunkanbieter im Streit mit
der indischen Finanzverwaltung ............................................................... 127
3.7 Verrechnungspreise in Indien – Status, Best Practice und Ausblick ......128
3.8 Einführung der other method in Indien – ein Trend für den
hypothetischen Fremdvergleich? ..............................................................130
3.9 Indien: Komitee für die Umsetzung der Safe-HarbourRegelung eingesetzt ................................................................................... 132
3.10 Indien – Startschuss für APA-Programm................................................. 133
3.11 Indonesien: Überarbeitung der Verrechnungspreisrichtlinien ............... 135
3.12 Japan: Stärkung der Corporate Governance
im Bereich Transfer Pricing ......................................................................136
3.13 Taiwan: erstmaliger Abschluss eines
Doppelbesteuerungsabkommens.............................................................. 137
3.14 Vietnam: Fokus auf Verrechnungspreisen in Betriebsprüfungen ...........138
F Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen ....................139
1 Die Verrechnung der Bankenabgabe zwischen
verbundenen Unternehmen...........................................................................140
2 Pharmaindustrie – Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen...................143
3 Optimale Kapitalstrukturen bei Immobilieninvestitionen ........................... 147
4 Staatliche Subventionen und Verrechnungspreise –
ein politisches Thema? ...................................................................................149
6 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Inhalt
G Konzepte ......................................................................................................... 153
1 Wertschöpfungsbeitragsanalyse bei Profit Splits und anderen
hypothetischen Fremdvergleichssituationen mithilfe von
Rankingansätzen (Teil II) .............................................................................. 153
2 PE Analyser – neues Tool zur Identifizierung
von Betriebsstättenrisiken .............................................................................158
Unsere Expertise .................................................................................................160
Ihre Ansprechpartner.......................................................................................... 161
Transfer Pricing Perspective Deutschland 7
Schwerpunktthemen 2012
A Schwerpunktthemen 2012
Auch im Jahr 2012 standen Verrechnungspreisfragestellungen für global
agierende Konzerne im Fokus. Dabei war von ganz besonderem Interesse die
Diskussion über die geplante Ausweitung des in § 1 AStG kodifizierten Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstättensachverhalte, mit der eine Umsetzung
des Authorised OECD Approach (AOA) in nationales Recht mit Wirkung
ab dem Veranlagungszeitraum 2013 erfolgen soll. Zudem stellt die im
September 2012 erschienene Neufassung der Dienstvorschrift Zollwertrecht
unter Umständen neue Anforderungen an die Ermittlung von Verrechnungspreisen, wodurch bei einer Außenprüfung durch den Zoll verstärkt mit einem
Schwerpunkt auf mögliche Preisbeeinflussungen hinsichtlich des Zollwerts
zwischen verbundenen Unternehmen zu rechnen ist.
Ebenso bleibt die Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation ein
Klassiker. Für multinationale Unternehmen stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob internationale Rechnungslegungsgrundsätze im Rahmen der
ökonomischen Verrechnungspreisanalyse verwendet werden können oder aber
ob das Erfordernis einiger Länder, Finanzdaten nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen bei der Angemessenheitsanalyse zu verwenden, der angestrebten globalen Vereinheitlichung entgegensteht.
Ein immer wichtiger werdender Erfolgsfaktor für die Akzeptanz des
steuerlichen Verrechnungspreissystems ist auch die Abstimmung von Steuereffekten und Steuerungsaspekten von Verrechnungspreisen. Die Interdependenzen zwischen Tax-Reporting und Managementreporting werden
ausführlich am Beispiel der Vertriebssteuerung dargestellt. Zudem ist die
Aussteuerung von Vertriebsgesellschaften durch Vorgabe von Zielmargen
immer häufiger Gegenstand in der Verrechnungspreispraxis, wobei diverse
ertragsteuerliche und zollrechtliche Problemstellungen zu beachten sind.
Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung von Schwellenländern,
insbesondere der BRICS-Staaten, und der damit verbundene weiter wachsende
Geschäftsverkehr deutscher Unternehmen mit diesen Staaten führen oftmals
zu erhöhten Verrechnungspreisrisiken. Ursächlich hierfür sind eine unterschiedliche Vorgehensweise und Methodik bei der Verrechnungspreisermittlung, da Schwellenländer in der Regel keine Mitglieder der OECD sind
und einer Übernahme und Anwendung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien eher kritisch gegenüberstehen. Am Beispiel China wird gezeigt, dass im
Einzelfall trotz der unterschiedlichen Vorgehensweise und Methodik bei der
Verrechnungspreisermittlung aus deutscher und chinesischer Verrechnungs-
8 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
preis-, Zoll- und Umsatzsteuersicht optimierte Produktions- und
Vertriebsstrukturen möglich sind.
Die nachfolgenden Beiträge geben einen Überblick über die
Schwerpunktthemen des Jahres 2012.
1 Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013:
Umsetzung der uneingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte in nationales Recht
Von Kati Fiehler, Claudia Hutten und Dr. Christoph Sommer
Am 5. März 2012 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
den Referentenentwurf (RefE) eines Jahressteuergesetzes 2013
veröffentlicht. 1 Mit der im RefE geplanten Ausweitung des in § 1
AStG kodifizierten Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstättensachverhalte soll eine Umsetzung des Authorised OECD
Approach (AOA) in nationales Recht mit Wirkung ab dem
Veranlagungszeitraum 2013 erfolgen. Der AOA sieht die Fiktion
einer uneingeschränkten Selbstständigkeit der Betriebsstätte für
Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung vor. Demnach sollen
fiktive Geschäftsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zukünftig wie Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen behandelt und Verrechnungspreise entsprechend festgesetzt werden.
Hintergrund und Ziel des § 1 AStG-RefE
Mit dem § 1 AStG-RefE reagiert der Gesetzgeber auf die im Jahr 2010 durch
den OECD-Betriebsstättenbericht 2 sowie durch die Überarbeitung des Wortlauts von Art. 7 OECD-MA 3 und dessen Musterkommentierung erfolgte internationale Novellierung des AOA. Durch die geplante Umsetzung des AOA in
innerstaatliches Recht soll eine Harmonisierung der deutschen mit den OECDGrundsätzen der Betriebsstättengewinnermittlung und -besteuerung erreicht
1
2
3
Vgl. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen – Entwurf eines
Jahressteuergesetzes 2013, Bearbeitungsstand 05.03.2012. Diesen finden
Sie unter www.bundesfinanzministerium.de/nn_82/DE/BMF__Startseite/
Aktuelles/Aktuelle__Gesetze/Referentenentwuerfe/06-03-2012Jahressteuergesetz2013__Anlage,templateId=raw,property=publicationFile.pdf.
Vgl. OECD-Betriebsstättenbericht, Paris, 22.07.2010.
Vgl. OECD Model Tax Convention on Income and on Capital, Paris, 22.07.2010.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 9
Schwerpunktthemen 2012
werden. 4 Doppelbesteuerungen von Unternehmensgewinnen in DBA-Fällen
(im Hinblick auf Betriebsstättenbesteuerungen) sollen so zukünftig möglichst
vermieden werden. Gleichzeitig soll durch die Änderungen des § 1 AStG die
nationale Besteuerung grenzüberschreitender Geschäftsvorfälle hinsichtlich
der Zurechnung und Aufteilung von Unternehmensgewinnen für die unterschiedlichen Investitionsalternativen (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Betriebsstätten) vereinheitlicht werden. 5
Inhalt des § 1 AStG-RefE
Zum einen ist vorgesehen, den Anwendungsbereich des § 1 AStG auf Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften durch ihre explizite Einbeziehung
in die Definitionen des „Steuerpflichtigen“ und der „nahestehenden Person“ zu
erweitern. 6 Zum anderen soll durch die Einführung eines neuen Abs. 5 der in
§ 1 AStG kodifizierte Fremdvergleichsgrundsatz auf Betriebsstättensachverhalte
ausgeweitet und eine nationale Rechtsgrundlage für den AOA geschaffen
werden. Diese neuen Grundsätze sollen auch bei ständigen Vertretern im
Sinne des § 13 AO gelten. 7
Kern des AOA ist der sogenannte Functionally Separate Entity Approach, wonach die Ermittlung des Betriebsstättenergebnisses für steuerliche Zwecke in
Deutschland zukünftig in zwei Schritten erfolgen würde. 8
Im ersten Schritt wäre die Betriebsstätte als rechtlich selbstständiges und
wirtschaftlich unabhängiges Unternehmen zu fingieren. Dazu wären gemäß § 1
Abs. 5 Satz 3 AStG-RefE der Betriebsstätte die von ihrem Personal ausgeübten
Funktionen (significant people functions), die hierzu betriebsnotwendigen
Vermögenswerte, die übernommenen Chancen und Risiken sowie ein an-
4
5
6
7
8
Nachdem der Bundestag das unechte Vermittlungsergebnis zum Jahressteuergesetz
2013 vom 12.12.2012 am 17.01.2013 nicht angenommen und der Bundesrat am
01.02.2013 der seinerseits vom Bundestag beschlossenen Fassung des Gesetzes
erneut die Zustimmung verweigert hatte, wurde die Umsetzung des AOA in § 1 AStG
formulierungsgleich mit dem Entwurf des Jahressteuergesetz 2013 der Länder seitens
des Bundesrates am 01.03.2013 beschlossen (BR-Drs. 139/13 [Beschluss]). Die vorgesehene Änderung des § 1 AStG soll wie bisher erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden sein.
Siehe Begründung zu Art. 5 Nr. 1 des RefE.
Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG-RefE.
Vgl. § 1 Abs. 5 Satz 5 AStG-RefE.
Vgl. auch Wassermeyer, F., IStR 2012, S. 277, 280; Wilke, K.-M., IWB 8/2012,
S. 273–274; Baldamus, E.-A., IStR 2012, S. 318–319.
10 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
gemessenes Dotationskapital zuzuordnen (Erfolgsabgrenzung dem Grunde
nach). 9
Im zweiten Schritt wären dann auf Grundlage dieser Zuordnung die Arten der
Geschäftsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu bestimmen
und Verrechnungspreise unter Beachtung der allgemeinen, bereits für
verbundene Unternehmen geltenden Verrechnungspreisregelungen 10 fremdvergleichskonform festzusetzen (Erfolgsabgrenzung der Höhe nach). 11
Folglich wären in Zukunft Fallgestaltungen denkbar, in denen eine
Betriebsstätte Gewinne (Verluste) erzielt, obwohl das Unternehmen insgesamt
Verluste (Gewinne) erwirtschaftet.
Da schuldrechtliche Beziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte
nicht möglich sind, soll der Begriff „Geschäftsbeziehungen“ folgerichtig weiter
gefasst werden und als „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge“ 12 anstelle der bislang relevanten schuldrechtlichen
Beziehungen definiert werden. Würde § 1 AStG-RefE in der jetzigen Form
gesetzlich verankert, hätte dies zudem zur Folge, dass die Regelungen zur
Funktionsverlagerung zukünftig auch für das Verhältnis zwischen Stammhaus
und Betriebsstätte gelten würden. 13 Zudem kann es in Einzelfällen zu einem
Konkurrenzverhältnis zwischen den steuerlichen Entstrickungs- und
Verstrickungsvorschriften des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. des § 12 Abs. 1
KStG und dem Fremdvergleichsgrundsatz kommen. 14
Das BMF wird ferner zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, die die
neuen Regelungen, insbesondere die Gewinnaufteilung in Betriebsstättenfällen,
detailliert regeln soll. 15 Ebenso wird eine Überarbeitung des Betriebsstättenerlasses notwendig werden. Zu vermuten ist, dass die indirekte Gewinnaufteilungsmethode entfällt und die Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte
näher definiert wird.
9
10
11
12
13
14
15
Im Einzelfall könnte der AOA daher zu einer Abkehr von der Zentralfunktion des
Stammhauses führen.
Vgl. OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen,
Paris, 22.07.2010.
Vgl. § 1 Abs. 5 Satz 4 AStG-RefE.
Vgl. § 1 Abs. 4 AStG-RefE.
Vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG-RefE.
Vgl. § 1 Abs. 5 Satz 6 AStG-RefE.
Vgl. § 1 Abs. 6 AStG-RefE.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 11
Schwerpunktthemen 2012
Zeitliche Anwendung des § 1 AStG-RefE
Das Gesetz soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Dabei soll die Anwendung auf
Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften bei Vorliegen der Voraussetzungen als „nahestehende Person“ für alle noch nicht bestandskräftigen
Veranlagungen gelten. Die übrigen Neuregelungen des § 1 AStG sollen erstmals
für den Veranlagungszeitraum 2013 zur Anwendung kommen. 16 Im Ergebnis
wäre das neue Gesetz für Unternehmen, deren Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, bereits vor 2013, das heißt mit dem Beginn des nächsten Wirtschaftsjahres, anzuwenden. Da die meisten deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) noch die alte Fassung des Art. 7 OECD-MA enthalten, ist es
jedoch fraglich, ob der AOA auch ohne Änderung der DBAs gegenüber solchen
Vertragsstaaten durchsetzbar sein wird. 17
Würdigung des § 1 AStG-RefE
Bereits steuersystematisch erscheint die Positionierung des AOA in § 1 AStGRefE (Korrekturnorm) als problematisch. Wünschenswert wäre vielmehr eine
klare Abgrenzung zwischen den Gewinnermittlungsnormen einerseits und
Gewinnkorrekturnormen andererseits auch bei Betriebsstättensachverhalten.
Weiter verschärfend wirkt der Umstand, dass § 1 AStG-RefE in seiner derzeitigen Fassung eine Minderung der steuerpflichtigen inländischen Einkünfte
voraussetzt. 18 Dadurch würden aktuell nur Korrekturen zuungunsten des
Steuerpflichtigen in Betriebsstättenfällen vorgenommen. Folge wären mögliche
Doppelbesteuerungen von Unternehmensgewinnen, die unter Umständen
durch Verständigungs- und Schiedsverfahren geheilt werden könnten. 19
Da der neue § 1 AStG-RefE grundsätzlich Vorrang vor bestehenden DBAs
haben soll, könnten Doppelbesteuerungen auch auftreten, wenn einem abgeschlossenen DBA weder der überarbeitete Wortlaut von Art. 7 OECD-MA
noch der aktuelle zugehörige Musterkommentar zugrunde liegt. Zwar sieht § 1
Abs. 5 Satz 8 AStG-RefE eine Einschränkung dieses treaty override vor, falls
der Steuerpflichtige den Nachweis erbringt, (i) dass sich nach dem DBA
entweder keine oder eine geringe Einkommenskorrektur ergeben würde und
(ii) dass der andere Staat sein Besteuerungsrecht in Übereinstimmung mit
dem bestehenden DBA ausübt. Ob aber eine Doppelbesteuerung hierdurch
vermieden werden kann, bleibt für jeden Einzelfall zu prüfen.
Der RefE äußert sich zudem nicht zu Konsequenzen, die sich aus aufgrund der
Anwendung des AOA notwendigerweise vorzunehmenden Reallokationen
16
17
18
19
Vgl. § 21 Abs. 20 AStG-RefE.
Vgl. auch Wassermeyer, F., IStR 2012, S. 277.
Vgl. auch Wassermeyer, F., IStR 2012, S. 277, 282.
Vgl. auch Baldamus, E.-A., IStR 2012, S. 319.
12 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
von Funktionen, Risiken und Vermögensgegenständen zwischen Stammhaus
und Betriebsstätte ergeben, zum Beispiel ob dies zu einer Qualifikation als
Funktionsverlagerung führen könnte. Der Abschluss verbindlicher Auskünfte
mit den deutschen Steuerbehörden könnte diesbezügliche Unsicherheiten und
daraus resultierende Risiken verringern.
Fazit und Ausblick
Die Umsetzung des AOA in nationales Recht und die geplante Ausweitung der
Regelungen zu Funktionsverlagerungen auf Betriebsstätten würden grundlegende Änderungen bei der grenzüberschreitenden Besteuerung dieser
Investitionsalternative in Deutschland nach sich ziehen. Die Implementierung
des AOA dürfte mit zahlreichen Anwendungsproblemen in der Praxis – wie
zum Beispiel der notwendig werdenden jährlichen Überprüfung der Zuordnung
der Wirtschaftsgüter zwischen Stammhaus und Betriebsstätten – einhergehen.
Zwar wurde der RefE noch nicht in den Deutschen Bundestag eingebracht,
jedoch hat sich die Finanzverwaltung klar für die in dem Entwurf vorgeschlagenen Neuregelungen ausgesprochen. Daher ist eine entsprechende
Gesetzesänderung derzeit als wahrscheinlich anzusehen. Steuerpflichtige
sind somit bereits jetzt angehalten, ihre bestehenden Geschäftsmodelle und
-strukturen zu überprüfen, um steuerliche Risiken aus den erwarteten
gesetzlichen Änderungen zu minimieren.
2 Geplante Änderungen der deutschen
Verrechnungspreisvorschriften
Von Dr. Michael Jakob und Claudia Hutten
Neben der im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 zu
erwartenden Änderung des § 1 AStG, insbesondere des § 1 Abs. 5
AStG zur Einführung des OECD-Ansatzes für Betriebsstätten, plant
die deutsche Finanzverwaltung verschiedene weitere Änderungen
deutscher Verrechnungspreisvorschriften, insbesondere eine
Rechtsverordnung, die den Fremdvergleichsgrundsatz sowie die
Bereiche Vergleichbarkeit, Benchmarkanalysen und Jahresendanpassungen spezifiziert.
Einführung des OECD-Ansatzes für Betriebsstätten
Im vorangegangenen Beitrag haben wir bereits über die geplanten Änderungen
des § 1 AStG zur Umsetzung des Authorised OECD Approach (AOA) in
nationales Recht berichtet. Demnach werden Betriebsstätten und Stammhaus
Transfer Pricing Perspective Deutschland 13
Schwerpunktthemen 2012
für Zwecke der Gewinnverteilung wie unabhängige rechtliche Einheiten
angesehen. 20 Wie geplant, soll die geänderte Version des § 1 AStG Ende 2012
verabschiedet werden, um 2013 in Kraft zu treten. 21 Eine Rechtsverordnung,
die weitere Details zur Neuregelung von Betriebsstätten enthält, wird
Anfang/Mitte 2013 erwartet. Außerdem wird die Finanzverwaltung einen Erlass
hinsichtlich ihrer Interpretation der neuen Vorschriften veröffentlichen und
bestehende Erlasse zur Gewinnallokation bei Betriebsstätten entsprechend
anpassen.
Spezifizierung des Fremdvergleichsgrundsatzes
Das Bundesministerium der Finanzen plant darüber hinaus die Veröffentlichung
einer Rechtsverordnung zu § 1 Abs. 3 Satz 1–8 AStG mit weiteren Details zum
Fremdvergleichsgrundsatz. Da bislang noch kein Entwurf dazu vorliegt, ist
derzeit nicht absehbar, ob eine Rechtsverordnung noch im Jahr 2013 verabschiedet wird. Allerdings bergen bereits die derzeit diskutierten Inhalte der
geplanten Rechtsverordnung hochbrisante Themen mit potenziell signifikanten
Auswirkungen auf deutsche Steuerpflichtige. Derzeit befinden sich vor allem
die folgenden Punkte in Diskussion:
● Einschränkung der Anwendungsfälle für datenbankgestützte Fremdvergleichsanalysen (Benchmarkanalysen) durch eine Klarstellung bzw.
engere Auslegung der Akzeptanzkriterien. Eine Ausnahmeregelung wird
für bestimmte Routineunternehmen wie Lohnfertiger, Agenten und
Kommissionäre erwartet. Diesbezüglich soll die Verordnung die Unterscheidung zwischen Routineunternehmen und Hybridunternehmen (mit
einem Funktions- und Risikoprofil zwischen einem Routineunternehmen
und einem Strategieträger) klarer definieren. Es scheint beabsichtigt,
Vertriebsgesellschaften nicht als Routineunternehmen zu klassifizieren.
● Präzisierung der Begriffe „uneingeschränkt vergleichbar“ und „eingeschränkt vergleichbar“ (im Zusammenhang mit durch Benchmarkanalysen
identifizierten Vergleichsunternehmen) hinsichtlich ihrer unterschiedlichen
rechtlichen Konsequenzen. In diesem Zusammenhang sollen auch die Vor20
21
Für weitere Details verweisen wir auf den vorangegangenen Artikel „Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2013: Umsetzung der uneingeschränkten Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte in nationales Recht“.
Nachdem der Bundestag das unechte Vermittlungsergebnis zum Jahressteuergesetz
2013 vom 12.12.2012 am 17.01.2013 nicht angenommen und der Bundesrat am
01.02.2013 der seinerseits vom Bundestag beschlossenen Fassung des Gesetzes
erneut die Zustimmung verweigert hatte, wurde die Umsetzung des AOA in § 1 AStG
formulierungsgleich mit dem Entwurf des Jahressteuergesetz 2013 der Länder seitens
des Bundesrates am 01.03.2013 beschlossen (BR-Drs. 139/13 [Beschluss]). Die vorgesehene Änderung des § 1 AStG soll wie bisher erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 anzuwenden sein.
14 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
gehensweisen zur Identifikation von Vergleichsunternehmen sowie zur
Einengung von Bandbreiten näher bestimmt werden.
● Generelle Ablehnung von datenbankgestützten Benchmarkanalysen für
„einzigartige“ immaterielle Vermögensgegenstände. Stattdessen soll ein
hypothetischer Fremdvergleich gefordert werden, der beide Perspektiven
(die des Verkäufers und die des Käufers) berücksichtigt. Nichtsdestotrotz
könnten mögliche Bandbreiten von eingeschränkt vergleichbaren Werten
unter bestimmten Umständen als Referenz berücksichtigt werden.
● Generelle Ablehnung von Ergebnisanpassungen zum Jahresende, da diese
nach Ansicht der Finanzverwaltung in einer Gewinngarantie resultieren
würden, die als nicht vereinbar mit dem Fremdvergleichsgrundsatz angesehen wird. Für Routineunternehmen ist eine Ausnahmeregelung geplant.
Falls die Vorschriften in ihrer momentan diskutierten Form eingeführt würden,
dürften sie wohl mit ausländischen Vorschriften und der allgemeinen Praxis in
Konflikt stehen. Außerdem müssten viele Steuerpflichtige ihr Verrechnungspreissystem überdenken. Beispielsweise würden Vertriebsunternehmen nach
der neuen Definition nicht mehr als Routineunternehmen angesehen werden,
sodass die momentan häufig angewendete transaktionsbezogene Nettomargenmethode nicht mehr anerkannt werden würde. Darüber hinaus würde die
ebenfalls häufig zu sehende Praxis der auf Benchmarkanalysen basierenden
Jahresendanpassungen nicht länger von der Finanzverwaltung akzeptiert
werden.
Weitere Themen auf der Agenda
Die Finanzverwaltung plant für 2013 außerdem, bestehende Verwaltungsvorschriften 22 zu überarbeiten, um ihre Sicht auf bestimmte Sachverhalte
wie Konzernfinanzierungen, Dauerverluste und die Bewertung immaterieller
Vermögensgegenstände näher zu erläutern. Zwar sind die Erlasse für Steuerpflichtige nicht bindend – sie drücken lediglich die Sichtweise der Finanzverwaltung aus und stellen Anweisungen an die Betriebsprüfer dar –, dennoch
empfiehlt es sich, sie bei Planungen einzubeziehen, um Konflikte in einer
Betriebsprüfung zu vermeiden.
22
Insbesondere die Erlasse vom 23.02.1983 und vom 12.04.2005.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 15
Schwerpunktthemen 2012
3 Verschärfung der Dienstvorschrift Zollwertrecht in
Bezug auf Verrechnungspreisbestimmungen
Von Jörg Hanken, Michael Schäfer und Frank Münch
Dieses Thema betrifft insbesondere deutsche Unternehmen, die
Waren von verbundenen Unternehmen aus dem Drittland zollwertrechtlich „zu günstig“ importieren.
Mit der im September 2012 erschienenen Neufassung der Dienstvorschrift
Zollwertrecht 23 legt die Bundesfinanzverwaltung den Fokus zunehmend auf
mögliche Preisbeeinflussungen zwischen verbundenen Unternehmen und stellt
somit unter Umständen neue Anforderungen an die Ermittlung von Transferpreisen. Ein Großteil der Einfuhrgeschäfte wird mittlerweile zwischen
verbundenen Unternehmen getätigt, die Zahl steigt stetig. Das Bundesministerium der Finanzen reagiert in der Neufassung der Dienstvorschrift
nunmehr entsprechend darauf.
Aus zollrechtlicher Sicht wird der anzumeldende Zollwert in den häufigsten
Fällen grundsätzlich auf Basis des sogenannten Transaktionswerts ermittelt,
welcher dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis bei Einfuhr in das
Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft entspricht. Diese erste und am
häufigsten angewendete Bewertungsmethode geht zunächst von zwei voneinander unabhängigen Vertragsparteien aus. Doch auch bei Kaufgeschäften
zwischen verbundenen Unternehmen kann die Transaktionswertmethode
angewendet werden, sofern dargelegt werden kann, dass der Kaufpreis durch
die Verbundenheit keine Beeinflussung erfahren hat und auch von unabhängigen Käufern zu zahlen gewesen wäre.
Die gängige Praxis der Ermittlung von angemessenen Verrechnungspreisen
zwischen verbundenen Unternehmen, die häufig lediglich aus ertragsteuerlicher Sicht erfolgt und aus dieser Sicht vertretbar ist, kann dazu führen,
dass die auf dieser Basis angemeldeten Zollwerte bei der Einfuhr nicht anerkannt werden und die Anwendung sogenannter Folgemethoden bei der
Zollwertermittlung nach sich ziehen.
Die Bundesfinanzverwaltung hat in ihrer aktualisierten Dienstanweisung zum
Zollwertrecht nun mehrere Anhaltspunkte, die auf eine Preisbeeinflussung
23
Bundesministerium der Finanzen VSF Z5101, Dienstvorschrift Zollwertrecht,
derzeitige Fassung vom 24.08.2012.
16 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
hindeuten können, aufgelistet und geht damit erstmals ausdrücklich auf das
Vorhandensein und die Interpretation von Transferpreismodellen ein.
Demnach kann insbesondere dann eine preisbeeinflussende Verbundenheit
zwischen Verkäufer und Käufer unterstellt werden, wenn die Transferpreise
nachträglich erhöht worden sind, ohne dass das zuständige Hauptzollamt eine
entsprechende Mitteilung darüber erhalten hat. Auch nachträgliche price
adjustments, die in der Praxis des Öfteren zwischen verbundenen Unternehmen in regelmäßigen Zeitabständen (quartalsweise, jährlich) durchgeführt
werden, können ein Hinweis auf eine aus zollrechtlicher Sicht nicht annehmbare Preisbeeinflussung sein und werden im Rahmen von Außenprüfungen
zukünftig noch genauer untersucht werden. Die Zollverwaltung bedient sich
beim Vergleich von Unternehmenskennzahlen an vorhandenem Datenbankmaterial, welches Auskunft über fremdübliche Vergleichsspannen zum Beispiel
im Bereich von Bruttomargen geben kann. Eine im Rahmen einer Zollwertprüfung festgestellte Bruttomarge in Höhe von 35,8 Prozent würde zum
Beispiel als zu untersuchende Auffälligkeit gelten, wenn sie maßgeblich von
einer üblichen Vergleichsspanne (z. B. 26,5 Prozent bis 29,2 Prozent)
abweichen würde.
Die Anpassung des Unternehmensgewinns an eine sogenannte targeted arm’s
length margin (Zielmarge) und die damit einhergehende zollwertrechtliche
Problematik wurden bereits in der Ausgabe 9 von Transfer Pricing Perspective
Deutschland vom Februar 2011 thematisiert und haben nicht an Bedeutung
verloren. Die Anwendbarkeit von nachträglichen Preisanpassungen, die aus
ertragsteuerlicher Sicht noch Akzeptanz finden können, ist aus Sicht des Zolls –
aufgrund der Annahme von Preisbeeinflussung durch Verbundenheit – sehr
kritisch, was die Aktualisierung der Dienstanweisung durch die erneute Anführung dieses Sachverhalts nochmals unterstreicht.
Weitere Merkmale aus Sicht der Zollverwaltung für einen nicht anwendbaren
Verrechnungspreis sind, wenn
● der Verkäufer dem verbundenen Käufer im Zusammenhang mit den
eingeführten Waren nachträglich einen Vermögensvorteil (durch den
Ansatz bzw. die Erhöhung eines Aktivpostens oder den Wegfall bzw. die
Verminderung eines Passivpostens) ohne Gegenleistung zuwendet und
diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat (sog.
verdeckte Einlage);
● Nutzungsrechte an Warenzeichen und Urheberrechte vom verbundenen
Verkäufer gewährt werden, hierfür jedoch keine Entgelte im Verkaufspreis
der Waren berücksichtigt worden sind und auch keine Lizenzgebühren
gezahlt werden;
Transfer Pricing Perspective Deutschland 17
Schwerpunktthemen 2012
● der verbundene Verkäufer die Kosten für Design, Entwürfe und
Zeichnungen trägt, diese jedoch nicht dem Käufer weiterbelastet
oder im Preis berücksichtigt hat;
● festgestellt wird, dass der Verkäufer auf Zahlungen (z. B. Lizenzgebühren,
Finanzierungszinsen) verzichtet, die ihm eigentlich zustehen.
Empfehlung
Mit der Aufnahme der beiden neu gestalteten Absätze 31 und 32 in die oben
genannte Dienstanweisung ist mit einem verstärkten Prüfungsschwerpunkt
bei der Außenprüfung durch den Zoll hinsichtlich des Zollwerts zwischen
verbundenen Unternehmen zu rechnen. Zur Vermeidung der angeführten
Probleme ist bei der Transferpreisbestimmung schon im Vorhinein die Berücksichtigung der einschlägigen zollwertrechtlichen Aspekte empfehlenswert.
Transferpreise, welche zwar aus ertragsteuerlicher Sicht anwendbar sind,
jedoch beim Unternehmen zu Beanstandungen durch die Zollverwaltung
führen können, sollten unbedingt vermieden werden. Eine diesbezügliche
Kommunikation zwischen der Zoll- und der Steuerabteilung der Unternehmen
ist dabei unabdingbar.
Die aufgrund von festgestellter Preisbeeinflussung drohende Zollwertfeststellung durch sogenannte Folgemethoden (z. B. Transaktionswert gleicher
oder gleichartiger Waren, deduktive Methode, Schlussmethode) ist mit einem
nicht unerheblichen administrativen und unter Umständen auch monetären
Mehraufwand seitens der Unternehmen verbunden.
4 Verwendung von nationalen und internationalen
Rechnungslegungsgrundsätzen im Rahmen der
ökonomischen Verrechnungspreisanalyse
Von Gert Wöllmann und Marie-Melanie Bentzien
Multinationale Unternehmen verfolgen seit Jahren vermehrt das
Ziel, die Erstellung der national erforderlichen Verrechnungspreisdokumentationen so weit wie möglich global zu vereinheitlichen.
Neben Synergieeffekten im Rahmen der Erstellung (z. B. eines
zentral erstellten Master File) gewährleistet dieser Ansatz auch
eine größtmögliche globale Konsistenz in der Darstellung der Sachverhalte und Angemessenheitsanalysen, da die Dokumentation
18 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
global koordiniert nach einheitlichen Grundsätzen erfolgt. 24
Üblicherweise werden dabei zentral verfügbare und
standardisierte Daten um landesspezifische Informationen
ergänzt. 25 Häufig stehen jedoch nationale Regelungen einer
globalen Vereinheitlichung entgegen, wie zum Beispiel das
Erfordernis einiger Länder, Finanzdaten nach nationalen
Rechnungslegungsgrundsätzen bei der Angemessenheitsanalyse
zu verwenden.
Rechnungslegungsnormen im Rahmen der
Angemessenheitsanalyse in Deutschland
Die Verpflichtung zur Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation
beruht auf steuerlichen Vorschriften (§ 90 Abs. 3 AO) und ist im Rahmen von
Betriebsprüfungen auf Anfrage vorzulegen (§ 90 Abs. 3 Satz 6 AO). Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich allerdings auch auf die Vorlage steuerlich
relevanter Unterlagen, wozu auch die nach Grundsätzen des Handelsgesetzbuchs (HGB) zu erstellenden Unterlagen wie der Jahresabschluss gemäß § 264
Abs. 1 HGB gehören. 26 Dementsprechend werden in Tz. 2.2 der Verwaltungsgrundsätze Verfahren 27 nach lokalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellte
Abschlüsse als vorzulegende Dokumente ausdrücklich genannt. 28
Hinsichtlich der zugrunde zu legenden Rechnungslegungsnormen bei der
Angemessenheitsanalyse sind die deutschen Verrechnungspreisregelungen
jedoch weniger eindeutig. In § 4 Nr. 4 d) GAufzV 29 wird lediglich auf „Finanzdaten“ unabhängiger Unternehmen verwiesen und in Tz. 3.4.12.1 der
Verwaltungsgrundsätze Verfahren wird nur ausgesagt, dass der Fremd24
25
26
27
28
29
Ein Lösungsansatz hierzu ist z. B. die Erstellung von Global-Core-Dokumentationen
anhand des sog. Master-File-Konzepts; vgl. Verhaltenskodex zur Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen in der Europäischen Union (EU TPD).
EU TPD, S. 7.
§ 90 Abs. 3 Satz 7 AO i. V. m. § 97 Abs. 1 AO; vgl. Fiehler/Bentzien: Vorlage von
Management Accounts vs. Grenzen der Mitwirkungspflichten, in: Transfer Pricing
Perspective Deutschland, Ausgabe 11, August 2011.
Schreiben betr. Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahestehenden Personen mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen in Bezug auf
Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten, Berichtigungen sowie auf Verständigungs- und
EU-Schiedsverfahren (Verwaltungsgrundsätze Verfahren).
Vgl. Tz. 2.2 Verwaltungsgrundsätze Verfahren: sowohl (i) „der zum Handelsregister
eingereichte Jahresabschluss sowie der Konzernabschluss“ (§§ 290–315 HGB) als
auch (ii) die nach „örtlichen Gewinnermittlungsregeln aufgestellte[n] Geschäftsberichte
und Bilanzen nahestehender Unternehmen“.
Verordnung zu Art, Inhalt und Umfang von Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3
AO (Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung – GAufzV).
Transfer Pricing Perspective Deutschland 19
Schwerpunktthemen 2012
vergleichsgrundsatz für Zwecke der steuerlichen Einkünfteermittlung zu
beachten ist. Grundlage für Letztere ist zwar die lokale Rechnungslegung, aber
das ernsthafte Bemühen, den Fremdvergleichsgrundsatz zu beachten, sollte
auch auf Basis von nach internationalen Rechnungslegungsnormen ermittelten
Ergebnissen erfolgen können.
Kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen 30 müssen einen
Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards
(International Financial Reporting Standards – IFRS) erstellen (§ 315a Abs. 1
HGB) 31 und können in diesem Fall auf einen HGB-Konzernabschluss
verzichten. Daher werden bereits auch vermehrt Einzelabschlüsse nach
internationalen Rechnungslegungsstandards erstellt. Im Gegensatz zum
Konzernabschluss befreien diese jedoch nicht von der Pflicht zur Erstellung von
Einzelabschlüssen nach HGB. Folglich erstellen viele deutsche Unternehmen
aufgrund ihrer internationalen Kapitalmarktpräsenz neben lokalen
Einzelabschlüssen (z. B. HGB) auch nach internationalen Grundsätzen global
einheitliche Einzelabschlüsse (nach IFRS und/ oder United States Generally
Accepted Accounting Principles – US-GAAP) 32 auf. Letztere werden
zunehmend auch bei der Angemessenheitsanalyse berücksichtigt, da hierdurch
für alle Transaktionspartner (tested parties) einheitliche Standards
berücksichtigt werden und lokale Sonderregelungen unberücksichtigt bleiben.
In der Betriebsprüfungspraxis zeigt sich, dass die deutsche Finanzverwaltung
bei der Verprobung der Angemessenheit häufig zunächst auf die Einzelabschlüsse nach HGB des deutschen Transaktionspartners abstellt, aber einer
global einheitlichen Berücksichtigung von internationalen Rechnungslegungsstandards zumindest ergebnisoffen begegnet.
Rechnungslegungsnormen im Rahmen der
Angemessenheitsanalyse in ausgewählten Ländern
Um die Möglichkeiten einer international einheitlichen Verwendung von
Finanzdaten besser einschätzen zu können, hat PwC in einer Umfrage die
grundsätzliche Akzeptanz von internationalen Rechnungslegungsstandards
30
31
32
Gemäß § 264d HGB sind Kapitalgesellschaften auch kapitalmarktorientiert, wenn sie
einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene
Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG in Anspruch nehmen oder die
Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt
haben.
Oder optional nach § 315a Abs. 3 HGB.
Vgl. Vögele/Borstell/Engler, Handbuch der Verrechnungspreise, 3. Auflage, H58.
20 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
(hier IFRS) im Rahmen der Angemessenheitsanalyse in 17 Ländern 33 abgefragt.
Bei Ablehnung von IFRS wurde in der Umfrage zudem danach differenziert,
ob gesetzliche Regelungen die Verwendung lokaler Rechnungslegungsnormen
zwingend erfordern bzw. welche Konsequenzen bei abweichender Verwendung
von IFRS-Finanzdaten bei der Angemessenheitsanalyse innerhalb der
Verrechnungspreisdokumentation drohen (z. B. kein Schutz vor
Strafzuschlägen).
Aus den Umfrageergebnissen ist ersichtlich, dass in rund 70 Prozent der abgefragten Länder IFRS-Daten grundsätzlich im Rahmen von Verrechnungspreisdokumentationen akzeptiert werden. Allerdings ist in über 15 Prozent der
Länder die Verwendung von Finanzdaten nach lokalen Rechnungslegungsgrundsätzen gesetzlich vorgesehen und in weiteren 30 Prozent wird deren
Verwendung ohne gesetzliche Regelung bevorzugt. In über 35 Prozent der
befragten Länder drohen zudem sogar Sanktionen bei Verwendung von
anderen als lokalen Finanzdaten (meist unter der Voraussetzung, dass
signifikante Unterschiede zwischen den Rechnungslegungsstandards bestehen).
Die Ergebnisse der Umfrage sind in der folgenden Tabelle zusammenfassend
dargestellt:
33
Bei der Befragung handelt es sich um keine repräsentative Umfrage (Stand 2011). Die
Befragung umfasste die in der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Länder.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 21
Schwerpunktthemen 2012
Bei der Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen werden …
................................................................................................................................................................................
Land
... IFRSFinanzdaten
akzeptiert
... lokale Finanzdaten gesetzlich
vorgeschrieben
... lokale
Finanzdaten
bevorzugt
Sanktionen bei
Verwendung von
IFRS-Finanzdaten
–
X
–
ja, wenn IFRS von
lokalen Finanzdaten
signifikant abweichen
................................................................................................................................................................................
Argentinien
................................................................................................................................................................................
Australien
AIFRS
1
–
X
ja, wenn IFRS von
lokalen Finanzdaten
signifikant abweichen
................................................................................................................................................................................
Belgien
–
–
X
ja, wenn IFRS von
lokalen Finanzdaten
signifikant abweichen
................................................................................................................................................................................
China
X
–
X
ja, wenn IFRS von
lokalen Finanzdaten
(zum Nachteil Chinas)
signifikant abweichen
................................................................................................................................................................................
Dänemark
X
–
–
grundsätzlich nein
Finnland
X
–
–
k. A.
Frankreich
X
–
X
nein
Indien
–
X
–
k. A.
Italien
–
–
X
erhöhtes Risiko
Korea
–
X
–
erhöhtes Risiko
Österreich
X
–
–
nein
Norwegen
X
–
–
nein
Polen
X
–
–
nein
X
2
–
–
nein
Slowakei
X
2
–
–
nein
Südafrika
X
–
–
nein
Tschechische
Republik
X
–
–
k. A.
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
Portugal
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
1
Die australischen IFRS (AIFRS) sind zum größten Teil identisch mit den IFRS. Bei einem
Vorabverständigungsverfahren mit Australien ist lokal klar die Anwendung von AIFRS
vorgeschrieben.
2
Vorausgesetzt, der Konzernabschluss erfolgt auch nach IFRS.
22 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
Bereits diese kleine Länderauswahl zeigt, dass weltweit keine einheitliche
Regelung zur Verwendung von nationalen oder internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen bei der Angemessenheitsanalyse besteht. Jedoch ist eine
Tendenz hin zu einer stärkeren Akzeptanz von international einheitlichen
Rechnungslegungsstandards (hier IFRS) bei der Beurteilung der Analyse der
Angemessenheit der Verrechnungspreise festzustellen.
Vor- und Nachteile einer Verwendung von internationalen
Rechnungslegungsgrundsätzen im Rahmen einer globalen
Verrechnungspreisdokumentation
Multinationale Unternehmen stehen aufgrund der vorgenannten uneinheitlichen bzw. unklaren nationalen Regelungen vor der Wahl, die
Angemessenheitsanalyse in allen Ländern uneinheitlich nach lokalen
Rechnungslegungsstandards durchzuführen oder soweit möglich einheitlich
internationale Rechnungslegungsstandards zu verwenden. Solange internationale Rechnungslegungsstandards nicht in allen Ländern akzeptiert
werden, bleibt der Ansatz aus Konzernsicht zwangsläufig inkonsistent. Für
eine Verwendung internationaler Rechnungslegungsstandards sprechen aus
Konzernsicht insbesondere folgende Argumente:
● zentrale Bereitstellung der Finanzdaten möglich (Effizienzsteigerung
und Qualitätssicherung);
● Verwendung von weltweit einheitlichen Finanzdaten auf Basis von
international anerkannten Rechnungslegungsstandards (konsistente
Verwendung innerhalb des Konzerns) und damit Sicherstellung einer
weltweiten Vergleichbarkeit der verwendeten Finanzdaten und Ergebnisse;
● durch die Verwendung von einheitlichen Finanzdaten zur Verprobung der
Angemessenheit der Verrechnungspreise innerhalb der jeweiligen lokalen
Dokumentationen der Transaktionspartner kann gegenüber den nationalen
Finanzverwaltungen die einheitliche Argumentation widerspruchsfrei belegt
werden;
● auch die unterjährige Steuerung der Verrechnungspreise durch Soll-IstAbgleiche der Finanzergebnisse wird durch einheitliche Standards erheblich
vereinfacht und erfolgt weltweit nach einheitlichen Maßstäben; kein
verbundenes Unternehmen erzielt hierbei günstigere Verrechnungspreise
rein aufgrund von Unterschieden in den lokalen Rechnungslegungsstandards;
● auch die für die Erstellung von Benchmarkingstudien verwendeten Finanzdaten können somit langfristig in den Datenbanken vereinheitlicht bzw.
nach einheitlichen Grundsätzen aufbereitet werden; damit sollte sich das
Erfordernis der Erstellung zusätzlicher, rein lokaler Benchmarkingstudien
verringern;
Transfer Pricing Perspective Deutschland 23
Schwerpunktthemen 2012
● eine konsistente Verwendung der Finanzdaten nach internationalen
Rechnungslegungsstandards über die Jahre vermindert den Verdacht,
dass die Wahl der Rechnungslegungsstandards in Abhängigkeit von den
Ergebnissen erfolgte.
Die Verwendung lokaler Rechnungslegungsstandards ist ungeachtet der vorgenannten Vorteile aus Konzernsicht insbesondere dann erforderlich, wenn
nationale Gesetze oder Verordnungen dies zwingend erfordern und/oder bei
Nichtbeachtung kein Schutz vor Strafzuschlägen oder ähnlichen Sanktionen
besteht. Daneben zeigt sich, dass die Betriebsprüfer derzeit noch mit den
Finanzdaten nach lokalen Rechnungslegungsstandards besser vertraut sind und
diese daher häufig noch bevorzugen, auch ohne eine gesetzliche Grundlage
hierfür. Auch fällt es der Betriebsprüfung hierbei leichter, die Einkünfte aus der
Steuererklärung mit denen der Ergebnisrechnung nach nationalen Standards
und der Verrechnungspreisdokumentation abzugleichen. Letztere Argumente
der Gewohnheit wiegen aber die deutlichen Vorteile einer global einheitlichen
Verwendung von Finanzdaten nicht auf. Erst wenn in der überwiegenden Zahl
der Länder des jeweiligen Konzerns zwingend lokale Rechnungslegungsstandards gesetzlich gefordert sind, könnte dieser Konzern „einheitlich“ für
alle Gesellschaften die Verprobung der Ergebnisse nach lokalen Standards
vornehmen.
Fazit
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Finanzverwaltungen dem Trend
zur internationalen Vereinheitlichung der Standards für Zwecke der externen
Rechnungslegung (z. B. IFRS) bereits teilweise auch für steuerliche Zwecke
gefolgt sind. Dies gilt insbesondere für die Akzeptanz der IFRS im Rahmen der
Verrechnungspreisbildung und -dokumentation. Es bleibt zu hoffen, dass sich
auch die Länder mit derzeit deutlichem Fokus auf nationale Regelungen diesem
Trend zeitnah anschließen, um eine weltweit einheitliche Verwendung von
Finanzdaten zu ermöglichen. Dies dürfte auch vor dem Hintergrund der
verstärkt erforderlichen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen langfristig im eigenen Interesse der Steuerverwaltungen liegen. 34
34
§ 90 Abs. 2 AO; Art. 26 OECD-MA; Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2013,
insbesondere Gesetz über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU-Amtshilfegesetz).
24 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
5 Interdependenzen zwischen Tax-Reporting und
Managementreporting am Beispiel der
Vertriebssteuerung
Von Susann van der Ham, Dirk Heyne und Claudia Hutten
Verrechnungspreise erfüllen wesentliche Funktionen sowohl
im handelsrechtlichen Zahlenwerk als Basis für die steuerliche
Gewinnallokation als auch im Managementreporting für Zwecke
der Unternehmenssteuerung. Der folgende Artikel soll auf die
Interdependenzen zwischen Steuereffekten und Steuerungsaspekten hinweisen und aufzeigen, dass deren Abstimmung einen
wesentlichen Erfolgsfaktor für die Akzeptanz des steuerlichen
Verrechnungspreissystems darstellt.
Grundsätzlich gibt es drei Ausgestaltungsmöglichkeiten für das Verhältnis
zwischen steuerlich und managementorientiertem Verrechnungspreissystem:
● identische Verrechnungspreissysteme
● getrennte Verrechnungspreissysteme
● integrierte Verrechnungspreissysteme
Während in angelsächsischen Unternehmen eher getrennte Systeme verbreitet
sind, streben in Deutschland vor allem mittelständisch geprägte Unternehmen
häufig ein Einheitssystem (identisches Verrechnungspreissystem) an.
Gründe für die weite Verbreitung des Einheitssystems in Deutschland sind in
vermeintlichen Kosteneinsparungen (Effizienzgründe) zu suchen. Zudem ist
davon auszugehen, dass Überlegungen zu den Alternativen aufgrund der teilweise nicht optimalen Abstimmung zwischen Steuerabteilung und Controlling
gar nicht erst angestellt werden. Im Folgenden werden die unterschiedlichen
Ausgestaltungsmöglichkeiten sowie deren Vor- und Nachteile zusammengefasst.
Identische Verrechnungspreissysteme
In der handelsrechtlichen Berichterstattung sowie im Managementreporting
kommen identische Verrechnungspreismethoden und -preise zur Anwendung.
Wie an folgendem Beispiel der Vertriebssteuerung illustriert, führt ein
identisches Verrechnungspreissystem häufig nicht zu einem Konzernoptimum.
Aus steuerlicher Verrechnungspreissicht werden Vertriebsgesellschaften in
der Regel auf Basis der Wiederverkaufspreismethode bzw. der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode vergütet. Beide Methoden sollen im Ergebnis
den Routine-Vertriebsgesellschaften eher geringe, aber konstante Nettomargen
garantieren. Ebenso wird im Managementreporting der Ergebnisbeitrag häufig
als Beurteilungsmaßstab für die Managementleistung der VertriebsTransfer Pricing Perspective Deutschland 25
Schwerpunktthemen 2012
gesellschaften herangezogen. Hier ist jedoch in der Regel ein möglichst hoher
Ergebnisbeitrag der Vertriebsgesellschaft gefordert. Außerdem äußert sich die
Managementleistung in volatilen Ergebnisbeiträgen. Insofern ergibt sich ein
Zielkonflikt zwischen steuerlichen Zielen und Steuerungszielen. Für die
Vertriebsgesellschaften besteht kein Anreiz, aktiv die Erreichung von
steuerlichen Zielmargen anzustreben, gegebenenfalls besteht hier sogar ein
Konflikt. Dies birgt die Gefahr hoher Plan-Ist-Abweichungen 35 und einer
ungenügenden Umsetzung des steuerlichen Verrechnungspreissystems. Anpassungsbuchungen auf steuerliche Zielmargen wirken auf das Management
ohne flankierende Maßnahmen zunächst demotivierend. Es besteht kein
bzw. nur ein geringer Anreiz, höhere Bruttomargen zu generieren oder
Vertriebskosten zu minimieren. Im Ergebnis entsprechen die steuerlichen
Verrechnungspreise daher vielfach nicht konzernoptimalen Steuerungspreisen
und bieten beispielsweise keine oder nur unzureichende Anreize für eine
Optimierung der Profitabilität sowie eine Marktanteilserhöhung. Stattdessen
können sie zu Umsatz- und Ergebnisverlusten führen und weisen zum Beispiel
bedingt durch die Vollkostenorientierung Defizite bei der Erfüllung der
Informationsfunktion auf. Den Nachteilen des Einheitssystems stehen jedoch
Vorteile gegenüber, die vor allem in Effizienzaspekten der einheitlichen
Verrechnungspreisermittlung zu sehen sind.
Getrennte Verrechnungspreissysteme
Hier finden in der handelsrechtlichen Gewinn-und-Verlust-Rechnung und im
Managementreporting unterschiedliche Verrechnungspreise und -methoden
Anwendung. Abrechnungen zwischen Konzerngesellschaften basieren auf
steuerlichen Verrechnungspreisen, während im Managementreporting
konzernergebnisoptimierende Steuerungspreise zur Anwendung kommen. Eine
Überleitung zwischen den Methoden wäre sehr aufwendig und ist deshalb
regelmäßig nicht installiert. Diese Vorgehensweise ermöglicht betriebswirtschaftlich optimierte Konzernergebnisse, impliziert jedoch Betriebsprüfungsrisiken, die entsprechend proaktiv vorbereitet werden müssen. Zwar können die
steuerlichen Zielmargen im handelsrechtlichen Zahlenwerk erreicht werden,
allerdings mit in der Regel abweichenden Ergebnismargen im ManagementAccounting. Es besteht das Risiko, dass die Finanzverwaltung das steuerliche
Verrechnungspreissystem vor dem Hintergrund der tatsächlichen Steuerung
und der resultierenden Ergebnisallokation als inkonsistent ansieht.
35
Zur Auswirkung von Plan-Ist-Anpassungen vgl. den Artikel „Aussteuerung von
Vertriebsgesellschaften: Praxiserfahrung und Empfehlung“ in Ausgabe 14 von
Transfer Pricing Perspective Deutschland vom Mai 2012und den Artikel „Vereinbarung
von Zielmargen bei Vertriebsgesellschaften: Verrechnungspreismethodik, nachträgliche Preisanpassungen und deren zollrechtliche Implikationen“ in Ausgabe 9
von Transfer Pricing Perspective Deutschland vom Februar 2011.
26 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
Integrierte Verrechnungspreissysteme
Sowohl für handelsrechtliche als auch für Controllingzwecke wird grundsätzlich
ein Verrechnungspreissystem angewendet, welches die Zielkonflikte zwischen
steuerlichen Anforderungen und konzerngewinnoptimierenden Controllingvorgaben bestmöglich berücksichtigt. Ziel ist eine Erreichung von steuerlichen
Zielen sowie von Steuerungszielen. Mögliche Varianten für integrierte
Verrechnungspreissysteme sind die folgenden:
Definition einer integrierten Logik des Verrechnungspreissystems
Hier werden bereits bei der Gestaltung der Struktur des Verrechnungspreissystems die Anforderungen aus Sicht der Unternehmenssteuerung sowie die
steuerlichen Anforderungen berücksichtigt. Dies impliziert die Verwendung der
gleichen Methoden. Trotz dieser sich ergebenden strukturellen Verwandtschaft
können auch hier Unterschiede in der Preisbildung und der Ergebnisallokation
aus steuerlicher Sicht und Steuerungssicht entlang der Wertschöpfungskette
auftreten. Gründe für die Verwendung unterschiedlicher Preise liegen zum
Beispiel in den differenzierten Anforderungen des Vertriebs sowie des lokalen
Managements hinsichtlich der Preisinformationen. Diese auf den ersten
Blick konträren Anforderungen an die Informationsfunktion sowie die
Koordinationsfunktion der Verrechnungspreise lassen sich durch eine
geeignete Ausgestaltung der Methoden sowie Abrechnungslogiken erfüllen.
Definition eines integrierten Steuerungskennzahlensystems
Um die im Einheitssystem beschriebenen Zielkonflikte zu vermeiden, werden
Steuerungsziele nicht bzw. nicht nur über Margenziele, sondern über
differenzierte Steuerungsgrößen wie zum Beispiel Zielvorgaben und Kennzahlen in Bezug auf Marktanteile, Umsatzwachstum, Bestandsgrößen,
Zahlungsziele oder Liquiditätskennzahlen definiert. Steuerungsziele und
Kennzahlensysteme sollten sowohl mit der Konzernstrategie als auch mit der
dem steuerlichen Verrechnungspreissystem zugrunde liegenden Funktionsund Risikoverteilung in Einklang stehen. Beispielsweise darf eine funktionsund risikoarme Vertriebsgesellschaft keine warenbezogenen Risiken übernehmen. Ein solches integriertes Steuerungskennzahlensystem ermöglicht die
Einbindung der Verrechnungspreisstrategie in die Konzernstrategie und bietet
eine gute Basis sowohl für eine betriebswirtschaftliche Optimierung als auch
für eine effektive Umsetzung des Verrechnungspreissystems. Ein Erfolgsfaktor
bei der Gestaltung eines solchen Systems ist die Einbettung in bestehende
Controllingprozesse und die Berichterstattungssysteme.
Etablierung von Verrechnungspreisüberleitungen
Eine weitere Möglichkeit zur Berücksichtigung der Interdependenzen
zwischen steuerlichen Anforderungen und den Steuerungszielen besteht in
der Etablierung von Verrechnungspreisüberleitungen. Beispielsweise kann
Transfer Pricing Perspective Deutschland 27
Schwerpunktthemen 2012
hierfür im Managementreporting für alle Vertriebsgesellschaften ein
einheitlicher Verrechnungspreis festgelegt werden. Die buchhalterischen und
damit auch steuerlichen Verrechnungspreise werden auf dieser Grundlage
gemäß vorab definierten Überleitungsrechnungen, welche zum Beispiel unterschiedliche regionale Marktbedingungen berücksichtigen, ermittelt. Dieses
Vorgehen ermöglicht die Erreichung von steuerlichen Zielmargen bei gleichzeitigem Steuerungseffekt des in das Managementreporting eingeflossenen
Einheitspreises. Allerdings steht und fällt diese Methodik mit der Qualität der
Antizipation der lokalen Marktgegebenheiten. Außerdem enthält sie keine
betriebswirtschaftlichen Anreize zur Erreichung der steuerlich gewünschten
Margen mit der Folge hoher Anpassungseffekte und stark schwankender
Verrechnungspreise und damit verbundener steuerlicher und vor allem
zollrechtlicher Risiken.
Fazit
Welche der dargestellten Varianten für das einzelne Unternehmen am
sinnvollsten ist und wie deren konkrete Ausgestaltung aussehen sollte, ist
abhängig vom Einzelfall. Wesentliche entscheidungsrelevante Parameter sind
die Komplexität des zugrunde liegenden Geschäftsmodells, Praktikabilitätsanforderungen sowie Effizienz- und Transparenzüberlegungen. Zudem muss
die Lösung den individuellen Compliance- und Performancemanagement-Anforderungen gerecht werden. Letztlich sollte die Verrechnungspreissystematik
als Schnittstellenaufgabe zwischen Controlling, Steuern und operativen
Einheiten verstanden werden. Eine Abstimmung bereits bei der Konzeption
hilft sonst vorprogrammierte systemimmanente Defizite zu vermeiden. Auch im
laufenden Betrieb ist deren optimale Abstimmung ein wesentlicher Erfolgsfaktor für steuer- und steuerungsoptimale Verrechnungspreise.
6 Aussteuerung von Vertriebsgesellschaften:
Praxiserfahrung und Empfehlung
Von Ron Dorward und Alexander Kölmel
Die Aussteuerung von Vertriebsgesellschaften durch Vorgabe von
Zielmargen ist ein häufig verwendetes Verrechnungspreismodell.
Bereits in der Ausgabe 9 von „Transfer Pricing Perspective
Deutschland“ vom Februar 2011 haben wir auf die ertragsteuerlichen und zollrechtlichen Problemstellungen hingewiesen.
Da die Aussteuerung immer häufiger Thema in der Beratungspraxis ist, werden nachfolgend zwei typische Aussteuerungsmodelle auf Anwendbarkeit und Praktikabilität untersucht.
28 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
Hintergrund
Insbesondere große Konzerne gehen oft dazu über, verbundene Vertriebsgesellschaften im Ausland mittels einer vorgegebenen Zielmarge oder eines
Margenkorridors auszusteuern. In den USA ist beispielsweise die Anpassung
des gesamten Gewinns eines Unternehmens an fremdübliche Margen mittels
der Comparable Profits Method (CPM) erlaubt. Die CPM wird aber sowohl von
der OECD als auch von der deutschen Finanzverwaltung abgelehnt, da sie
keinen Bezug zu einzelnen Geschäftsvorfällen aufweist. Hintergrund für die
unterschiedlichen Vorgehensweisen ist, dass einige Länder wie etwa die USA
stärker ergebnisorientiert vorgehen, während die Vorgehensweise in Deutschland eher (wenn auch nicht ausschließlich) transaktionsorientiert ist.
Praxismodelle
Rückwirkende Anpassung der Marge durch Ausgleichszahlung
In dieser Variante wird die Marge der Vertriebsgesellschaft zum Ende des
Wirtschaftsjahres auf Fremdüblichkeit getestet. Weicht die tatsächliche Marge
der Vertriebsgesellschaft von der vorgegebenen fremdüblichen Zielmarge oder
einer Bandbreite von fremdüblichen Zielmargen ab, erfolgt eine rückwirkende
Anpassung durch eine Ausgleichszahlung.
Dieses Modell kann bei einer deutschen Vertriebsgesellschaft nur bei Anwendung der transaktionsbezogenen Nettomargenmethode (Transactional Net
Margin Method – TNMM) gerechtfertigt werden. 36 Die Anwendung der TNMM
muss durch Ausschluss der Standardmethoden und durch Bestätigung einer
Routinefunktion begründet werden und kann insbesondere nur transaktionsbezogen angewendet werden. Soll also die Marge der gesamten Vertriebsgesellschaft ausgesteuert werden, sollten sämtliche konzerninternen Transaktionsgruppen zwischen den ausländischen verbundenen Unternehmen
und der Vertriebsgesellschaft ein vergleichbar niedriges Funktions- und
Risikoprofil besitzen.
Zudem vertritt die deutsche Finanzverwaltung die Meinung, dass ein Aussteuerungsmechanismus einer rückwirkenden Preisanpassung nur anzuerkennen sei, wenn dieser bereits vor der Anwendung eindeutig und klar
vereinbart wurde. 37 Nach deutscher Rechtsprechung kann eine verdeckte
Gewinnausschüttung bereits vorliegen, falls keine klare und von vornherein
abgeschlossene Vereinbarung zugrunde liegt oder diese zivilrechtlich unwirksam ist. 38 Eingeschränkt wird diese Anforderung allerdings durch die
Sperrwirkung, die Art. 9 OECD-MA gegenüber den formalen Anforderungen
36
37
38
Vgl. Tz. 3.4.10.3 Verwaltungsgrundsätze Verfahren vom 12.04.2005.
Vgl. Tz. 3.4.12.8 Verwaltungsgrundsätze Verfahren vom 12.04.2005.
Vgl. FG Köln, Urteil vom 22.08.2007, 13-K-647/03, mit weiteren Nachweisen.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 29
Schwerpunktthemen 2012
des deutschen Steuerrechts entfaltet. In seinem rechtskräftigen Urteil vom
22. August 2007 führt das Finanzgericht (FG) Köln aus, dass „ein Mangel an
einer im Vorhinein abgeschlossenen klaren Vereinbarung der Anwendung
von Art. 9 OECD-MA nicht entgegensteht“. Damit kommt es nur auf die Angemessenheit der Vergütung an. 39
Dennoch ist es in der Praxis empfehlenswert, die Vereinbarung vertraglich
festzuhalten, um Diskussionen mit der Betriebsprüfung zu vermeiden. Eine
schriftliche Vereinbarung kann zudem dem erforderlichen Nachweis der
Fremdüblichkeit dienen.
Aus Sicht der Finanzverwaltung sollte eine solche Aussteuerungsregelung
sehr konkret die Zielmarge, die Bandbreite und den Korrekturmechanismus
darstellen. 40 Erfahrungsgemäß sind eine solche Vereinbarung sowie die tatsächliche Umsetzung der Verrechnungspreisbildung und -korrektur Gegenstände einer Betriebsprüfung. Um die Fremdvergleichskonformität der
Zielmarge zu belegen, ist die Anfertigung einer Datenbankanalyse (z. B.
AMADEUS) zu empfehlen.
Rückwirkende Verrechnungspreiskorrekturen können Korrekturen bei
Umsatzsteuerdeklarationen und im Drittlandsverkehr eventuelle Zollwertnachmeldungen auslösen. Zur ausführlichen Diskussion verweisen wir auf die
Ausgabe 9 von Transfer Pricing Perspective Deutschland vom Februar 2011,
Seite 4 f.
Eine rückwirkende Anpassung der Marge durch Ausgleichszahlung bietet
insgesamt den Vorteil, dass die Implementierung der Aussteuerung relativ
einfach erfolgen kann. Da Korrekturen lediglich einmalig am Jahresende
erfolgen, ist kein unterjähriges Monitoring der Marge der Gesellschaft
erforderlich und der administrative Aufwand hält sich in Grenzen. Mit
einer festen Zielmarge steigt insgesamt auch die Planungssicherheit, da
die vereinbarte Nettomarge des ausgesteuerten Unternehmens auch in
langfristige Planrechnungen einbezogen werden kann.
Allerdings können bei Zoll und Umsatzsteuer Korrekturen erforderlich sein,
die vor der Implementierung genau geprüft werden sollten. Ferner müssen die
39
40
Vgl. FG Köln, Urteil vom 22.08.2007, 13-K-647/03.
Vgl. Tz. 3.4.12.8 Verwaltungsgrundsätze Verfahren vom 12.04.2005.
30 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
Transaktionen der ausgesteuerten Gesellschaft zulässig zusammenfassbar
sein. 41
Zukunftsorientierte Aussteuerung durch Verrechnungspreise
Alternativ besteht die Möglichkeit, die Marge der Vertriebsgesellschaft durch
korrigierte zukünftige Verrechnungspreise auszusteuern. Hierbei wird der
Vertriebsgesellschaft am Jahresende keine Ausgleichszahlung gewährt. Wird
während des Wirtschaftsjahres festgestellt, dass die tatsächliche Nettomarge
der Gesellschaft stark von fremdüblichen Zielnettomargen abweicht, werden
die Verrechnungspreise so angepasst, dass sich die tatsächliche Nettomarge im
Verlauf des Wirtschaftsjahres möglichst dem Ziel annähert. Diese Anpassung
kann je nach geschäftsbedingter Schwankung der Marge der Gesellschaft
monatlich oder vierteljährlich erfolgen.
Aus Umsatzsteuer- und Zollsicht ist diese Alternative der prospektiven
Korrektur vorteilhafter. Allerdings sind unterjährig eine häufigere Ermittlung
und Überprüfung der tatsächlichen Nettomarge sowie gegebenenfalls häufigere
Verrechnungspreiskalkulationen notwendig. Bei stark saisonalem Geschäft,
insbesondere vor dem Wirtschaftsjahresende, stellt es sich als äußerst schwierig
heraus, eine Margenaussteuerung mit prospektiven Korrekturen zu erreichen.
Zudem ist für die unterjährige Messung der Marge ein entsprechendes ITReportingtool notwendig, das die Nettomarge der ausgesteuerten Gesellschaft
darstellen kann. Können systembedingt vor Abschluss des Geschäftsjahres nur
Bruttomargen (z. B. Deckungsbeitrag I) dargestellt werden, kann eine Anpassung oder Erweiterung des Systems notwendig werden.
Fazit
Insgesamt bieten sich für die Aussteuerung von Vertriebsgesellschaften mehr
als die oben genannten zwei Gestaltungsmöglichkeiten an, die im jeweiligen
Einzelfall überprüft werden sollten. Hierbei sollten die wesentlichen Aspekte
Ertrag-, Umsatzsteuer, Zoll, Prozesskosten und IT/Reporting-Anforderungen
bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Die rückwirkende Aussteuerung durch die TNMM bietet den Vorteil der Planungssicherheit und
reduziert den administrativen Überprüfungs- und Anpassungsaufwand, birgt
allerdings die Gefahr der Nichtanerkennung durch die deutsche Finanzverwaltung, insbesondere für den Fall, dass die Anwendung der TNMM infrage
gestellt wird. Mit der zukunftsbezogenen Aussteuerung durch Verrechnungspreiskorrekturen kann die Vertriebsgesellschaft in der Regel zwar nicht exakt
auf eine bestimmte Nettomarge ausgesteuert werden, aber es ergeben sich in
der Regel weniger ertragsteuerliche und zollrechtliche Fragestellungen. In
41
Vgl. Tz. 3.4.10.3 b Verwaltungsgrundsätze Verfahren vom 12.04.2005 i. V. m. § 2
Abs. 3 GAufzV.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 31
Schwerpunktthemen 2012
jedem Fall ist eine sorgfältige Planung vor Implementierung des Aussteuerungsmechanismus zu empfehlen.
7 Die zunehmende Bedeutung der BRICS-Staaten und
die Auswirkungen auf die OECD-Richtlinien
Von Holger Lorenzen und Jan Feldtkeller
Oftmals kommt es bei Geschäftsbeziehungen mit verbundenen
Unternehmen in Schwellenländern zu Doppelbesteuerungen und
Mehraufwand zur Minimierung dieser Steuerrisiken. Ursächlich
hierfür sind nicht nur eine unterschiedliche Vorgehensweise und
Methodik bei der Verrechnungspreisermittlung, sondern oftmals
auch die geringere Erfahrung dieser Länder mit Verrechnungspreissachverhalten.
Die Steuerung dieses Risikos ist für viele deutsche Unternehmen von zunehmender Bedeutung, da der Geschäftsverkehr mit den Schwellenländern,
etwa den BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika,
weiter wächst. Nachfolgend sollen die Gründe für dieses erhöhte Verrechnungspreisrisiko im Geschäftsverkehr mit Schwellenländern sowie die weitere
Entwicklung in diesem Bereich dargestellt werden.
Der Fremdvergleich als international anerkannte Grundlage der
Verrechnungspreisbestimmung
Zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen hat Deutschland bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) mit anderen Staaten abgeschlossen. Diese
legen fest, welcher Staat das jeweilige Besteuerungsrecht hat. Die deutschen
DBAs basieren generell auf dem Musterabkommen der OECD (OECD-MA), das
ursprünglich 1963 erstellt und seitdem stetig angepasst wurde.
Das OECD-MA 2010 kodifiziert in Art. 9 den Fremdvergleichsgrundsatz (arm’slength principle – ALP) wie folgt: Wenn verbundene Unternehmen „in ihren
kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte
Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so dürfen die Gewinne, die eines der
Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen
aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und
entsprechend besteuert werden“.
32 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
Wie der Fremdvergleichspreis konkret zu bestimmen ist – OECDRichtlinien oftmals nicht bindend für Schwellenländer
Zur Auslegung des ALP laut Art. 9 OECD-MA haben sich die Mitgliedsstaaten
der OECD (überwiegend entwickelte Industrieländer) im Jahr 1995 auf die
detaillierten OECD-Verrechnungspreisgrundsätze für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen (OECD-Richtlinien) geeinigt, die seitdem
stetig ergänzt und weiterentwickelt wurden, zuletzt im Juli 2010.
Deutschland hat als OECD-Mitglied an den OECD-Richtlinien mitgearbeitet
und erkennt diese als offiziellen Kommentar zum Art. 9 der DBAs an, der bei
Verständigungsverfahren oder Streitigkeiten zwischen den DBA-Vertragsstaaten heranzuziehen ist. Dementsprechend werden auch in den jüngeren
BMF-Schreiben zu Verrechnungspreisen, beginnend mit den Verwaltungsgrundsätzen Verfahren vom 12. Mai 2005, ausgiebig entsprechende Textstellen
der OECD-Richtlinien zitiert.
Während die OECD, die oftmals auch als Organisation der entwickelten
Industrieländer gesehen wird, aktuell 34 Mitgliedsstaaten umfasst, hat
Deutschland derzeit 122 DBAs abgeschlossen. Der überwiegende Teil der
deutschen DBAs ist also mit Staaten geschlossen worden, die nicht OECD-Mitglieder sind und die nicht in die Entwicklung der OECD-Richtlinien einbezogen
worden waren. Insbesondere die am schnellsten wachsenden Länder, wie zum
Beispiel sämtliche BRICS-Staaten, sind keine Mitglieder der OECD.
Für diese Nicht-OECD-Staaten, die oftmals mit den Schwellenländern gleichgesetzt werden, gilt zwar oftmals das ALP entsprechend Art. 9 der mit Deutschland abgeschlossenen jeweiligen DBAs, allerdings sind für diese Staaten die
OECD-Richtlinien zur Auslegung des ALP nicht verbindlich. Brasilien zum
Beispiel nutzt schematische Richtwerte für Lizenzen, Umlagen und Gewinne,
die dem jeweiligen Einzelfall wenig Rechnung tragen. Dies hat mit dazu
geführt, dass Deutschland das DBA mit Brasilien mittlerweile gekündigt hat,
da aufgrund der unterschiedlichen Auslegungen keine Rechtssicherheit mehr
gegeben war.
Kritische Punkte der OECD-Auslegung des
Fremdvergleichsgrundsatzes aus Sicht der Schwellenländer
Schwellenländer verfügen in der Regel über geringere immaterielle Wirtschaftsgüter wie Marken, Patente oder technisches Know-how. Zudem finden sich die
Konzernzentralen eher in den entwickelten Ländern. Stattdessen verfügen diese
Länder über Kostenvorteile, zum Beispiel geringere Lohnkosten, und über eine
zunehmend kaufkräftige Konsumentenschicht, die an westlichen Markenwaren
interessiert ist. Aus dieser unterschiedlichen Ausgangslage ergeben sich unterschiedliche Interpretationen des ALP. Kritische Punkte sind insbesondere:
Transfer Pricing Perspective Deutschland 33
Schwerpunktthemen 2012
Standortvorteile (location savings)
Schwellenländer wie zum Beispiel China vertreten oftmals die Auffassung, dass
die aufgrund niedrigerer Löhne und Produktionskosten erzielten zusätzlichen
Gewinne vollständig ihnen zustehen sollten. Die deutsche Finanzverwaltung
und Rechtsprechung geht dagegen von einer Teilung dieser sogenannten
location savings aus, die je nach Verhandlungsmacht der beteiligten Parteien
ausfällt.
Lokale immaterielle Wirtschaftsgüter (local marketing intangibles)
Aus Sicht der Schwellenländer wird immateriellen Wirtschaftsgütern wie
Technologien, Patenten und Markennamen, die oftmals den entwickelten
Industrieländern gehören, ein zu großer Wert zugemessen. In China war
es daher in der Vergangenheit zum Beispiel durchaus üblich, nur geringe
Lizenzsätze für immaterielle Wirtschaftsgüter in der Automobilindustrie
anzuerkennen.
Diese Länder sehen demgegenüber in dem lokalen Kundenstamm und anderen
lokalen marketing intangibles einen erheblichen Wert, der mindestens gleichrangig zu berücksichtigen sei. Hier spielt sicher auch die Idee eine Rolle, dass
letztendlich die Bürger der Schwellenländer die (teuren) Preise für Markenprodukte zahlen und dementsprechend auch die Steuer für die hieraus erzielten
Gewinne weitgehend im Land verbleiben sollte.
Lokale Marktprämie (local market premium)
Oftmals werden in Ländern wie Russland oder China höhere Gewinnmargen
erzielt als in den entwickelten Industrieländern. Schwellenländer wie etwa
China vertreten die Auffassung, dass diese Übergewinne der lokalen Gesellschaft allein zustünden und im Schwellenland zu besteuern seien. Auch hier
spielt die Überlegung eine Rolle, dass die höheren Preise von den Konsumenten
gezahlt werden und daher die Besteuerung der höheren Gewinnmarge weitgehend im Land erfolgen sollte.
Aufteilung von Synergien im Konzernverbund
Unternehmen in Schwellenländern arbeiten in zentralisierten und wertschöpfungskettenoptimierten Geschäftsmodellen oftmals als verlängerte Werkbank oder in anderen Routinefunktionen. Diese Tätigkeiten werden in der
Regel auf Basis der Kostenaufschlagsmethode mit einem Routinegewinn
vergütet. Die Residualgewinne fallen beim Entrepreneur an, der in der Regel
nicht im Schwellenland ansässig ist. Dieses Entrepreneurkonzept ergibt sich
direkt aus den OECD-Richtlinien, die weitgehend von einer Verteilung der
34 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
„Vorteile der Konzernintegration“ auf die einzelnen Konzerngesellschaften
absehen. 42
Schwellenländer sind demgegenüber häufig der Auffassung, dass Synergieeffekte auf alle an der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen aufgeteilt
werden sollten. Die Begründung hierfür ist, dass Konzerne ein anderes
Geschäftsmodell haben als unabhängige Unternehmen und dass dies bei der
Verrechnungspreisfestsetzung entsprechend berücksichtigt werden sollte.
Wer vertritt die Interessen der Schwellenländer?
Inzwischen haben sich verschiedene Organisationen der Interessen der
Schwellenländer angenommen. An erster Stelle sind hier die Vereinten
Nationen (UN) mit dem kürzlich veröffentlichten Practical Manual on Transfer
Pricing for Developing Countries zu nennen. Dieses stellt auch auf den Fremdvergleichsgrundsatz laut Art. 9 DBA ab und folgt in wesentlichen Punkten den
OECD-Richtlinien.
Allerdings propagieren die UN eine stärkere Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode, um Schwellenländer an den im Konzernverbund erzielten
Synergieeffekten partizipieren zu lassen. So soll die Gewinnaufteilungsmethode
auch bei Dienstleistungen zur Anwendung kommen 43 und bei einfachen Transaktionen soll eine vereinfachte Form des Profit Split angewendet werden 44 .
Ähnlich argumentiert Michael Durst, der frühere Direktor des IRS-APAProgramms, der die Notwendigkeit sieht, die derzeitigen Regeln grundlegend
zu reformieren und auf die verstärkte Anwendung einer praxisorientierten
Gewinnaufteilungsmethode auszurichten.
Weitere Entwicklung
Zukünftig wird es darum gehen, die OECD-Richtlinien so anzupassen, dass sich
die Schwellenländer einbezogen fühlen und ihre Interessen vertreten sehen.
Sowohl Joseph Andrus, seit Oktober 2011 neuer Leiter OECD Transfer Pricing,
als auch seine Vorgängerin Caroline Silberztein haben erst jüngst wieder
die Bedeutung der Schwellenländer und der Zusammenarbeit mit anderen
Organisationen betont. Auch die Schwellenländer haben kein Interesse daran,
den globalen Austausch durch unterschiedliche Verrechnungspreisregeln zu
behindern.
42
43
44
Siehe Tz. 1.10 der OECD-Richtlinien 2010.
Kapitel V Tz. 3 der UN-Richtlinien.
Kapitel I Tz. 7.11 der UN-Richtlinien.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 35
Schwerpunktthemen 2012
Es bleibt daher zu hoffen, dass zukünftig nicht mehrere unterschiedliche
Verrechnungspreissysteme nebeneinander entwickelt werden – eines für die
entwickelten Industrieländer und eines für die Schwellenländer –, sondern dass
eine sinnvolle Weiterentwicklung der OECD-Richtlinien beide Sichtweisen in
einem einheitlichen Regelwerk zusammenführen kann. Dabei ist zu beachten,
dass mit zunehmendem Entwicklungsstand eines Landes die Sympathie für
die OECD-Richtlinien zunimmt, wie dies zum Beispiel bei Südkorea zu
beobachten war.
Zusammenfassung
Die Schwellenländer, darunter die BRICS-Staaten, sind in der Regel keine
Mitglieder der OECD und stehen einer Übernahme und Anwendung der
OECD-Richtlinien eher kritisch gegenüber. Sie vertreten die Auffassung, dass
diese im Interesse der entwickelten Volkswirtschaften der Industrieländer
verfasst wurden und die originären Interessen der Schwellenländer nicht
berücksichtigen. Sie beklagen, nicht bei der Abfassung der OECD-Richtlinien
beteiligt gewesen zu sein, da ihr wirtschaftlicher Einfluss zum damaligen
Zeitpunkt nur gering war.
Deutsche Unternehmen sollten sich darüber bewusst sein, dass diese
Interessengegensätze zu Änderungen an den bestehenden Regelungen
führen werden und dass bis zu einer Angleichung weiterhin ein erhöhtes
Verrechnungspreisrisiko bei Geschäftsbeziehungen mit Schwellenländern
besteht. Insbesondere sollte derzeit möglichst vermieden werden, OECDerprobte Verrechnungspreisregelungen schematisch auf Schwellenländer
zu übertragen, ohne die jeweiligen besonderen lokalen Gegebenheiten und
Regelungen zu beachten.
8 Steuereffiziente Implementierung von Produktionsund Vertriebsstrukturen in China
Von Susann van der Ham und Ina Sprenger
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Expansion nach Asien und
insbesondere nach China stellen sich für europäische Konzerne
unter anderem die Fragen, wie zum Beispiel (i) eine neue
chinesische Produktionsstätte oder Vertriebseinheit in das
bestehende weltweite Konzernverrechnungspreissystem integriert
und (ii) die konkrete Struktur in China aufgesetzt werden soll und
kann. China wendet nicht die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien
2010 an. Aus deutscher Verrechnungspreissicht ist dies nicht
unkritisch. Der vorliegende Beitrag gibt einen kurzen Überblick
36 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
über eine aus deutscher und chinesischer Verrechnungspreis-, Zollund Umsatzsteuersicht optimierte Produktions- und Vertriebsstruktur und erläutert die jeweiligen Implikationen.
Grundstruktur
Für die deutsche Produktionsgesellschaft bestehen grundsätzlich zwei
Alternativen, eine weitere bzw. neue Produktionsstätte in China aufzusetzen:
● als Voll- bzw. Eigenproduzent oder
● als Auftragsfertiger
Mögliche Funktionsprofile der Produktionsgesellschaft
Produktionsstätte als
Voll- bzw. Eigenproduzent
Produktionsstätte als
Auftragsfertiger
Deutschland
Deutschland
Produzent/
Auftraggeber
Produzent/
Auftraggeber
Rechnung in
EUR (Lizenz)
China
Rechnung
in EUR (C+)
Rechnung
in EUR
China
Produzent/
Auftragsfertiger
Produzent/
Auftragsfertiger
Rechnung
in RMB
Rechnung
in RMB
Kunde
Warenfluss
Vertriebsgesellschaft
Kunde
Rechnungsfluss
Voll- bzw. Eigenproduzent
In diesem Fall ist nachteilig, dass es entweder zu einer Funktionsverlagerung
von Deutschland nach China durch Übergang des bestehenden Produktions-/
Produkt-Know-hows kommt oder dem chinesischen Produzenten vom bisherigen deutschen Produzenten eine Lizenz zu gewähren ist, die nach dem
Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-China einer zehnprozentigen
Quellenbesteuerung unterliegt.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 37
Schwerpunktthemen 2012
Auftragsfertiger
In diesem Fall ist der Verkauf der Produkte durch den deutschen Auftraggeber
an die chinesische Vertriebsgesellschaft unter den bestehenden Devisenkontrollvorschriften unter Umständen unzulässig mit der Folge, dass Kaufpreiszahlungen nicht transferiert werden dürfen. Der direkte Verkauf der
Produkte durch den deutschen Auftraggeber an chinesische Kunden würde
hingegen zu einem Betriebsstättenrisiko in China führen. Des Weiteren wird
bei Verkauf der Produkte durch den deutschen Auftraggeber an die chinesische
Vertriebsgesellschaft die Erstattung der Ausfuhrumsatzsteuer auf Ebene des
Auftragsfertigers versagt, sodass die Umsatzsteuer einen effektiven Kostenfaktor darstellt.
Zur Vermeidung dieser Nachteile bietet sich die Implementierung des BondedLogistics-Parks-Modells an.
BLP-Modell
Die sogenannten Bonded Logistics Parks (BLPs) sind von der chinesischen
Finanzverwaltung eingeführte, spezielle zollrechtlich überwachte Zonen
innerhalb einer oder angrenzend an eine Freihandelszone, die zunächst auf
die Entwicklung der internationalen Logistikbranche abzielten. Mittlerweile
existieren acht anerkannte BLPs (Wai Gao Qioa – WGQ, Qingdao, Ningbo,
Dalian, Zhangjiagang, Xiamen Xiangyu, Shenzhen, Yantian Hafen und Tianjin).
BLPs haben folgende Vorteile:
● idealer Standort für regionale Vertriebscenter
● Möglichkeit sogenannter Bonded-Lieferungen zwischen
Produktionsstätten in China und an chinesische Kunden
● Reduzierung der Umsatzsteuerlast auf lokale Produkte (Differenz
zwischen Vorsteuer und Ausfuhrumsatzsteuer-Erstattung)
38 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Schwerpunktthemen 2012
Bonded-Logistics-Parks-Modell
Deutschland
Auftraggeber
3
Rechnung
in EUR (C+)
1
China
2
Rechnung in EUR
(Servicegebühr)
Ausfuhr-UStErstattung
Auftragsfertiger
Export
Declaration
Form
4
2
fremder dritter
Logistikdienstleister
3
Rechnung Rechnung
in EUR
in EUR
Vertriebsgesellschaft
BLP in China
Einfuhr-UStZahlung
Import
Declaration
Form
3
Rechnung
in RMB
Kunde
Warenfluss
Rechnungsfluss
Die Einschaltung eines BLP zwischen chinesischem Auftragsfertiger und
chinesischer Vertriebsgesellschaft bzw. Kunden hat folgende Verrechnungspreis-, Umsatzsteuer- und Zollimplikationen:
1. Die chinesische Produktionsgesellschaft kann als Auftragsfertiger etabliert
werden. Dies entspricht vielfach dem Funktions- und Risikoprofil der
lokalen Gesellschaft. Know-how, Technologien und andere immaterielle
Wirtschaftsgüter können der lokalen Gesellschaft ohne zusätzliches Entgelt
beigestellt werden. So können quellensteuerliche Thematiken vermieden
werden.
2. Durch Einschaltung des BLP können bei Einhaltung entsprechender
Deklarationsvorschriften Umsatzsteuer-Erstattungen erreicht werden,
sodass eine effektive Belastung mit der Ausfuhrumsatzsteuer vermieden
werden kann.
3. Der Verkauf von Produkten des deutschen Auftraggebers an die chinesische
Vertriebsgesellschaft unterliegt bei Einfuhr aus dem BLP unter Einhaltung
entsprechender Deklarationspflichten nicht der Devisenkontrolle.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 39
Schwerpunktthemen 2012
4. In Abhängigkeit von dem Produkttypus können zollrechtliche Konsequenzen
bei der Wiedereinfuhr aus dem BLP nach China weitestgehend minimiert
werden.
Aus chinesischer Verrechnungspreissicht ist der Auftragsfertiger auf Kostenaufschlagsbasis zu vergüten und die Vertriebsgesellschaft sollte einen Routinegewinn erzielen. Für den Fall, dass der deutsche Auftraggeber die Produkte
direkt an chinesische Kunden verkauft, besteht demgegenüber ein Betriebsstättenrisiko.
Fazit
Die dargestellte Zwischenschaltung eines BLP kombiniert die aus deutscher
Verrechnungspreissicht vorteilhafte Auftragsfertigerstruktur mit der Erstattung
der chinesischen Ausfuhrumsatzsteuer. Eine Prüfung der Vorteilhaftigkeit
des BLP-Modells aus deutscher und chinesischer Verrechnungspreis-, Zollund Umsatzsteuersicht sollte dabei auch die Kosten für die Einschaltung des
BLP-Dienstleisters sowie den physischen Warenfluss in und aus dem BLP
berücksichtigen.
40 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
B Internationale Entwicklungen in der OECD
und der EU
Das Jahr 2012 war auf OECD-Ebene geprägt durch die Veröffentlichung
verschiedener Stellungnahmen, insbesondere des mit Spannung erwarteten
Entwurfs der Leitlinien zu immateriellen Wirtschaftsgütern.
Darüber hinaus hat die OECD eine Stellungnahme zu zeitlichen Aspekten
bei der Verrechnungspreisbestimmung (ex ante und ex post) veröffentlicht.
Daneben befasste sich die OECD im Bericht Dealing Effectively with the
Challenges of Transfer Pricing mit administrativen Aspekten und Vorschlägen
zur Erhöhung der Effizienz in Zusammenhang mit Verrechnungspreisprüfungen.
Die OECD-Statistik zu Verrechnungspreisverfahren 2010 gibt Auskunft über
Bestand, Zugang, Beendigung und durchschnittliche Bearbeitungsdauer von
Verrechnungspreisverfahren.
Auf EU-Ebene wurden Impulse durch den Bericht des EU Joint Transfer
Pricing Forum zu Kostenumlageverträgen sowie durch das Grünbuch der
Deutsch-Französischen Zusammenarbeit über Konvergenzpunkte bei der
Unternehmensbesteuerung gesetzt.
1 OECD WP 6 – Special Session on the Transfer Pricing
Aspects of Intangibles
Von Dr. Jutta Menninger
Im November 2011 fand erneut ein Treffen der Working Party 6
(WP 6) der OECD mit Unternehmensvertretern in Paris statt
(Special Session on the Transfer Pricing Aspects of Intangibles).
Schwerpunkt dieses Treffens waren Definitionen, Markenbewertung, die Zurechnung von Zahlungsströmen sowie die
Bedeutung von Synergien. Die im Vorfeld den Unternehmensvertretern gestellten Fragen sowie die Diskussion vor Ort zeigten,
dass die Vertreter der OECD sich bereits sehr intensiv mit allen
Fragen rund um die Verrechnungspreise von immateriellen
Werten beschäftigt hatten.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 41
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Die Diskussion im November 2011 betraf im Wesentlichen folgende
fünf Teilbereiche:
● Definition von immateriellen Werten
● Definition und Behandlung von Goodwill und Going Concern
● Definition, Bedeutung und Bewertung von Marken
● Zurechnung von Zahlungsströmen von immateriellen Werten
● Bedeutung von Unternehmenssynergien
Definition von immateriellen Werten
Bei dem ersten Treffen mit Unternehmensvertretern im März 2011 war bewusst
auf eine Diskussion zu den schwierigen und strittigen Abgrenzungsfragen
verzichtet worden, um sich zunächst vollständig auf die Bewertungsfragen
konzentrieren zu können. Diese Diskussion wurde im November 2011 nachgeholt: Eine schnelle und einfache Lösung der Abgrenzungsfragen zeichnete
sich allerdings wie erwartet nicht ab. In der Diskussion wurde jedoch deutlich,
dass sich weder die Vertreter der Finanzverwaltungen noch die der OECD mit
einer Beschränkung auf die rechtlich geschützten immateriellen Werte anfreunden können.
Definition und Behandlung von Goodwill und Going Concern
Joseph Andrus vom OECD Secretariat eröffnete die Diskussion mit
drei spezifischen Fragen:
● Was versteht man unter Goodwill im Rahmen von Verrechnungspreisen?
● Wer ist Eigentümer des Goodwills einer Unternehmensgruppe?
● Hat der Goodwill Auswirkungen auf den Fremdvergleichspreis?
Nach einer intensiven Diskussion zur Entstehung von Goodwill insbesondere
im Hinblick auf die Annahmen, dass ein Going Concern vorliegt, kristallisierte
sich als wesentlicher Aspekt der Diskussion die Einschätzung heraus, dass
diese Frage eher im Rahmen der Regelungen zu Business Restructurings
zu adressieren ist und weniger Gegenstand der Frage der Bestimmung von
Verrechnungspreisen für immaterielle Werte sein sollte.
Definition, Bedeutung und Bewertung von Marken
Sowohl aufseiten der Unternehmensvertreter als auch der Vertreter der Finanzverwaltungen und der OECD herrschte Einigkeit, dass es wichtig sei, bei der
Definition zwischen Marken und Markenzeichen zu unterscheiden. Unstrittig
war unter den Teilnehmern die potenziell große Bedeutung von Marken;
dies zeigte sich auch an der aktiven Diskussionsteilnahme von Ländern mit
Beobachterstatus wie Indien oder China. Zur Bewertung von Marken wurden
der ISO 10668 und die Anwendung eines Income Approach (wie z. B. des
Incremental Cash Flow Approach) präsentiert und diskutiert. Während die
Anwendung eines Income Approach nicht infrage gestellt wurde, ist nicht zu
42 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
erwarten, dass direkt auf die ISO 10668 Bezug genommen wird, sondern dass
eventuell einzelne Aspekte der Norm aufgegriffen werden.
Zurechnung von Zahlungsströmen von immateriellen Werten
Es wurden die Begriffe legal ownership, beneficial ownership, contractual
ownership und economic ownership präsentiert und diskutiert. Vor dem
Hintergrund der Darstellung der Vorgehensweise der australischen Finanzbehörde zur Ermittlung der Verrechnungspreise von Marketing Intangibles
wurde die Frage aufgeworfen, ob die Anerkennung eines economic ownership
überhaupt notwendig sei. Die Frage blieb letztlich unbeantwortet.
Bedeutung von Unternehmenssynergien
Der Schwerpunkt der Ausführungen lag auf der Darstellung, welche Unternehmenssynergien es gibt und wie sie entstehen. Dabei wurde deutlich, dass
es nicht um eine generelle Erfassung von Synergien geht, sondern um die Fälle,
in denen Synergien direkte Auswirkungen auf die Zahlungsströme der
immateriellen Werte haben.
Fazit
Erneut war die gemeinsame Diskussion der OECD und der Vertreter der
Finanzverwaltungen mit den Unternehmensvertretern sehr konstruktiv. Die
präzisen Fragestellungen und die offene Diskussion zeigten, dass das Projekt
sich gut entwickelt und im Zeitplan liegt.
2 OECD veröffentlicht einen ersten Entwurf der Leitlinien
zu immateriellen Wirtschaftsgütern
Von Dr. Jutta Menninger und Holger Lorenzen
Verrechnungspreisfestsetzungen im Zusammenhang mit immateriellen Wirtschaftsgütern sind ein kontroverses und viel
diskutiertes Thema bei Betriebsprüfungen. Insofern ist es zu
begrüßen, dass die OECD dieses Thema mit dem jetzt vorgelegten
Diskussionsentwurf zu Verrechnungspreisaspekten von immateriellen Wirtschaftsgütern sehr aktiv und schnell weiterentwickelt.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 43
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Aktueller Stand des OECD-Projekts zu Verrechnungspreisaspekten
von immateriellen Wirtschaftsgütern
Am 6. Juni 2012 ist ein erster Diskussionsentwurf der OECD Working Party 6
zu Verrechnungspreisaspekten von immateriellen Wirtschaftsgütern
erschienen. 45 Der Diskussionsentwurf stellt noch keinen Konsens der
beteiligten Finanzverwaltungen dar und ist auch noch nicht vom Committee
on Fiscal Affairs behandelt worden. Vielmehr ist die Veröffentlichung als Teil
eines Diskussionsprozesses mit interessierten Kreisen der Öffentlichkeit zu
verstehen. Schriftliche Kommentare waren bis zum 14. September 2012 bei
der OECD einzureichen. Im November 2012 fand eine weitere öffentliche
Konsultation statt, nach zwei vorausgegangenen Treffen im März und
November 2011 46 mit interessierten Teilnehmern aus Wirtschaft und
Beratung (business commentators).
Der Diskussionsentwurf besteht aus zwei Elementen:
● einem allgemeinen Teil, der das bisherige Kapitel VI der OECDVerrechnungspreisrichtlinien zu immateriellen Wirtschaftsgütern
(Special Considerations for Intangibles) ersetzen soll
● einem Anhang mit 22 Anwendungsbeispielen
Der jetzige Diskussionsentwurf behandelt noch nicht:
● die marktspezifischen Vorteile, Standortvorteile, Konzernsynergien,
den Personalbestand und ähnliche Faktoren, die im Diskussionsentwurf
als Vergleichbarkeitsfaktoren (comparability factors) und nicht als
immaterielle Wirtschaftsgüter behandelt werden
● aufgrund der Änderungen des Kapitels VI erforderliche Folgeänderungen
der Kapitel I bis III, des Kapitels VII sowie des Kapitels VIII der OECDVerrechnungspreisrichtlinien
Zu diesen Themen sollen zu einem späteren Zeitpunkt weitere
Diskussionsentwürfe folgen.
45
46
Discussion Draft – Revision of the Special Considerations for Intangibles in Chapter VI
of the OECD Transfer Pricing Guidelines and Related Provisions – 6 June to 14
September 2012, www.oecd.org/ctp/ transferpricing/50526258.pdf.
Vgl. hierzu den vorangegangenen Beitrag.
44 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Einige Highlights des Diskussionsentwurfs 47
Wesentlicher Kernpunkt ist, dass im Einklang mit bisherigen Stellungnahmen
der OECD die Wichtigkeit einer Vergleichbarkeitsanalyse (comparability
analysis) einschließlich einer Funktionsanalyse (functional analysis) betont
wird. Gerade bei immateriellen Wirtschaftsgütern soll die Verrechnungspreisanalyse ein Verstehen sowohl des Geschäftsmodells des Konzerns als auch der
Rolle, die die immateriellen Wirtschaftsgüter im spezifischen betrieblichen
Wertschöpfungsprozess haben, ermöglichen. 48
Auch wenn es sich lediglich um einen ersten und noch nicht verbindlichen
Diskussionsentwurf handelt, der sich in vielen Punkten noch ändern wird, sind
folgende, aus unserer Sicht besonders wesentliche Punkte hervorzuheben:
Definition von immateriellen Wirtschaftsgütern
aus Verrechnungspreissicht
Anstatt auf formalrechtliche oder buchhalterische Definitionen einzugehen, ist
die Verrechnungspreisanalyse bei immateriellen Wirtschaftsgütern darauf zu
fokussieren, was fremde Dritte unter vergleichbaren Umständen vereinbart
hätten. Dementsprechend ist die Behandlung und damit auch die Definition
eines immateriellen Wirtschaftsguts für Verrechnungspreiszwecke unabhängig
von rechtlichen oder sonstigen festgelegten Definitionen (Tz. 5 und 6). In der
deutschen Übersetzung wäre es daher eventuell sinnvoll, statt von immateriellen
Wirtschaftsgütern eher etwas weiter gefasst von immateriellen Werten zu
sprechen. 49
Die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien definieren in Kapitel IX (Business
Restructurings) ein intangible als etwas Werthaltiges (something of value).
Diese als zu unbestimmt kritisierte Definition ist im Diskussionsentwurf
konkretisiert worden. Danach bezeichnet ein intangible etwas,
● das kein materieller oder finanzieller Vermögensgegenstand ist und
47
48
49
Weiter gehende, englischsprachige Informationen finden Sie in den folgenden beiden
Alerts unseres Pricing Knowledge Network: www.publications.pwc.com/Display
File.aspx?Attachmentid=5755&Mailinstanceid=24719; www.publications.pwc.com/
DisplayFile.aspx?Attachmentid=5871&Mailinstanceid=25057.
Vor diesem Hintergrund ist die Lektüre von Abschnitt A (Identifiying Intangibles) und
insbesondere von Abschnitt A. 4 (Illustrations) empfehlenswert, weil er eine gute
Beschreibung der zu beachtenden Wesensmerkmale der verschiedenen immateriellen
Werte enthält.
Aus Konsistenzgründen wird in Übereinstimmung mit der bisher verwendeten
deutschen Terminologie in diesem Artikel weiterhin der Terminus „immaterielle
Wirtschaftsgüter“ verwendet.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 45
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
● das Eigentum und Kontrolle unterliegen kann (Tz. 5). Dies beinhaltet grund-
sätzlich eine Übertragbarkeit, gegebenenfalls in Zusammenhang mit anderen
Komponenten.
Bestimmte Markteigenschaften, Konzernsynergien und Ähnliches sollen nach
dieser Definition keine eigenständigen immateriellen Wirtschaftsgüter darstellen, sondern im Rahmen der Vergleichbarkeitsanalyse und bei der Preisbildung berücksichtigt werden (Tz. 5, 8, 23, 24 und 124).
Rechtliches versus wirtschaftliches Eigentum
Neben der Identifikation der relevanten immateriellen Wirtschaftsgüter kommt
eine wichtige Rolle der Identifikation der Gesellschaften zu, die unter Fremdvergleichsgesichtspunkten Anspruch auf Erträge aus der Nutzung dieser
Wirtschaftsgüter haben. Der Diskussionsentwurf gebraucht nicht den Begriff
des wirtschaftlichen Eigentums. Stattdessen wird zwischen dem (formalrechtlichen) Eigentümer unterschieden und demjenigen, dem der Ertrag
aus dem immateriellen Wirtschaftsgut zusteht (Tz. 27).
Ausgangspunkt für die Prüfung der Frage, wem der Ertrag aus dem immateriellen Wirtschaftsgut zusteht, sind weiterhin der rechtliche Schutz (z. B.
bei Patenten und Marken) sowie die vertraglichen Vereinbarungen (Tz. 30 f.).
Daher gehört es zur guten betrieblichen Praxis im Konzernverbund, die
geplante Zuordnung der Rechte am immateriellen Wert vor Beginn der
Entwicklungsaktivitäten schriftlich zu dokumentieren (Tz. 36).
Grundsätzlich ist dann in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die bei der
Schaffung und Werterhaltung des immateriellen Wirtschaftsguts von den
jeweiligen Parteien übernommenen Funktionen, Risiken und Kosten in Übereinstimmung mit dem (formaljuristischen) Eigentum und der Zuordnung der
Erträge stehen (Tz. 37).
Auch unter fremden Dritten werden Funktionen ausgelagert. Jedoch soll die
Konzerngesellschaft, die Ansprüche auf Erträge aus immateriellen Wirtschaftsgütern geltend macht, physisch und mit eigenen Mitarbeitern die zur Schaffung
und Werterhaltung des immateriellen Wirtschaftsguts wichtigen Funktionen
ausüben (Tz. 40). Je nach Sachlage sind dies zum Beispiel Design und Kontrolle
von Forschungs- und Marketingprogrammen, Management und Kontrolle
von Budgets, strategische Entscheidungen hinsichtlich der Entwicklungsprogramme und die laufende Qualitätskontrolle derjenigen Funktionen, die
einen wesentlichen Effekt auf den Wert des intangible haben (Tz. 40). Neben
der Aufsicht über die wichtigen Funktionen und damit verbundenen Risiken
sowie deren Steuerung und Kontrolle schließt dies die Kostentragung mit ein
(Tz. 41).
46 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Grundsätzlicher Wert eines immateriellen Wirtschaftsguts
Der einem immateriellen Wirtschaftsgut zuzuordnende Ertrag setzt sich
grundsätzlich zusammen aus dem
● wirtschaftlichen Ertrag des mit dem immateriellen Wirtschaftsgut
durchgeführten Geschäfts
● abzüglich der damit zusammenhängenden Kosten und
● abzüglich der Vergütung für ausgeübte Funktionen, genutzte
Wirtschaftsgüter (andere als das zu betrachtende immaterielle Gut)
und übernommene Risiken (Tz. 28).
Dabei sollte nicht automatisch angenommen werden, dass der Residualgewinn
nach Abzug von Routinevergütungen allein dem immateriellen Wirtschaftsgut
zuzuordnen ist. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls wie etwa Risikotragung, spezielle Marktcharakteristika, Standort, Geschäftsstrategien und
Konzernsynergien zu analysieren und zu berücksichtigen (Tz. 108).
Methodenwahl
Die Preisvergleichsmethode bietet sich an, wenn vergleichbare Marktpreise
vorliegen, die den Vergleichbarkeitskriterien der OECD genügen. Hier kann
auch ein vorhergehender Kauf des betreffenden immateriellen Wirtschaftsguts
von fremden Dritten ein erster Anhaltspunkt sein (Tz. 137 und 138). Liegen
keine Fremdvergleichspreise vor, kann eine Profit-Split-Methode zur Anwendung kommen, vor allem dann, wenn beide Seiten einzigartige immaterielle
Wirtschaftsgüter beisteuern (Tz. 128).
Wenn keine vergleichbaren Transaktionen identifiziert werden können, ist auch
die Anwendung von Bewertungstechniken möglich, um einen Fremdvergleichspreis zu ermitteln (Tz. 145 und 147). Insbesondere die Discounted-Cash-FlowMethode (DCF-Methode) wird hier als nützliches Analyseinstrument erwähnt
(Tz. 148). Dabei wird auf die hohen Anforderungen an Sorgfalt und Erfahrung
(due diligence and judgement) bei der Schätzung der Bewertungsparameter
und Annahmen sowie bei der Plausibilisierung der Prognoserechnungen
verwiesen (Tz. 149 ff.).
Weitere Entwicklung
Nach dem ursprünglichen Zeitplan der OECD sollte erst 2013 ein erster
Diskussionsentwurf zu den Verrechnungspreisaspekten von immateriellen
Wirtschaftsgütern erscheinen. Die frühzeitige Veröffentlichung und die damit
verbundene umfassende Einbeziehung von Anregungen aus Wirtschaft und
Beratung sind zu begrüßen. Klärung und Hilfestellung auf diesem wichtigen
Gebiet liegen im Interesse der Steuerpflichtigen und der internationalen
Finanzverwaltungen. Es bleibt abzuwarten, wie die öffentlichen Stellungnahmen und die Diskussionen innerhalb der OECD Working Party 6 und das
Transfer Pricing Perspective Deutschland 47
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Treffen mit Vertretern der Öffentlichkeit im November 2012 die weitere
Richtung des Projekts bestimmen werden.
3 Verrechnungspreisbestimmung ex ante und ex post –
aktuelle Stellungnahme der OECD
Von Holger Lorenzen
International finden sich zwei Ansätze zur Bestimmung von
Verrechnungspreisen. Während einige Länder, wie etwa Deutschland, die Festlegung von Verrechnungspreisen weitgehend nur auf
Basis der zum Zeitpunkt der Vertragsschließung vorhandenen
Informationen vorsehen („ex-ante approach“), gestatten andere
Länder auch die Einbeziehung späterer Erkenntnisse („ex-post
approach“). Die OECD hat hierzu am 6. Juni 2012 einen „Draft on
Timing Issues Relating to Transfer Pricing“ veröffentlicht. 50
Vorbemerkung
Die unterschiedliche Vorgehensweise der OECD-Mitgliedsstaaten bei der
Berücksichtigung von neuen Erkenntnissen führt immer wieder zu Doppelbesteuerungen für international operierende Unternehmensgruppen. Gerade in
Zeiten krisenhafter Entwicklungen kann es von entscheidender Bedeutung sein,
ob die Erwartungen vom Jahresanfang oder die besseren Erkenntnisse zum
Jahresende zugrunde gelegt werden. So haben zum Beispiel die Finanzkrise
und der Konkurs der US-Bank Lehman Brothers im Herbst 2008 eine vollständige Neueinschätzung der Ertragsaussichten zwischen Jahresanfang und
Jahresende 2008 mit sich gebracht.
Bisher wurde die Frage einer nachträglichen Preisfestsetzung in den Textziffern
3.67 bis 3.71 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2010 angesprochen.
Der jetzt vorgelegte OECD-Entwurf bringt keine grundlegenden Änderungen,
stellt aber das gesamte Thema zur Diskussion. Die OECD bat die interessierte
Öffentlichkeit insbesondere um Kommentare zu den Problemen, die in der
Praxis aus der Existenz der verschiedenen Ansätze resultieren, und zu
praktikablen Lösungsansätzen. Ein Treffen mit Vertretern der Öffentlichkeit
fand im November 2012 statt.
50
Vgl. www.oecd.org/ctp/transferpricing/50519380.pdf.
48 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Der „ex-ante approach“ („arm’s length price-setting“)
Bei diesem Ansatz werden bei der Preisfestsetzung nur die Informationen und
Erwartungen berücksichtigt, die den Parteien zum Zeitpunkt des Eintretens in
die Transaktion bekannt waren. Dabei sind Preisanpassungsklauseln, Meilensteinvereinbarungen oder andere fremdvergleichsübliche Vertragsklauseln,
wie etwa die Berücksichtigung von Rohstoffpreisschwankungen oder die
Vereinbarung einer Risikoteilung, erlaubt.
Dieser Ansatz entspricht der deutschen Verwaltungsauffassung, dass nach
Abschluss des Geschäfts vorgenommene nachträgliche Preisermittlungen nur
dann anzuerkennen sind, wenn im Vorhinein alle Preisbestimmungsfaktoren
vereinbart wurden. Dies soll sicherstellen, dass die Preisermittlung allein auf
bereits vorher festgelegten Rechenvorgängen beruht. 51
Der „ex-post approach“ („arm’s length outcome-testing“)
Andere OECD-Mitgliedsstaaten überprüfen die Ergebnisse konzerninterner
Transaktionen im Nachhinein, um deren Fremdüblichkeit nachzuweisen.
Dieser Test findet regelmäßig am Ende des relevanten Wirtschaftsjahres oder
zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung statt. Dabei werden die tatsächliche Geschäftslage und Marktentwicklung des abgelaufenen Wirtschaftsjahres zugrunde gelegt. Gerade vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren
stärkeren Konjunkturschwankungen und der steigenden Häufigkeit krisenhafter und unvorhergesehener Entwicklungen in der Weltwirtschaft kommt
diesem Ansatz verstärkte Aktualität zu. Länder, die diesen Ansatz vertreten,
argumentieren, dass dies eine flexiblere Preisfestsetzung und eine Berücksichtigung aller relevanten Informationen, insbesondere auch der tatsächlich
erzielten Ergebnisse von Vergleichsunternehmen im betreffenden Wirtschaftsjahr, ermöglicht.
Offene Fragen, die im OECD-Entwurf gestellt werden
Der vorliegende OECD-Entwurf wirft folgende Fragen auf, die der Klärung
bedürfen:
● Welche nachträglichen Informationen sollen die Steuerpflichtigen und die
Finanzbehörden einbeziehen dürfen und bis zu welchem Zeitpunkt sollen
diese zur Verfügung stehen?
● Kann ein Konsens zwischen den OECD-Mitgliedsstaaten dahin gehend
erreicht werden, dass vom Steuerpflichtigen vorgenommene nachträgliche
Preisanpassungen aufgrund neuer Erkenntnisse respektiert werden?
● Soll es Finanzbehörden erlaubt sein, bei einer mit hohen Unsicherheiten
behafteten Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter Preisanpassungsklauseln oder einen Neuverhandlungsmechanismus zu unterstellen? Die
51
Vgl. Tz. 3.4.12.8 der Verwaltungsgrundsätze Verfahren vom 12.04.2005.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 49
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter beruht oftmals auf unsicheren
Gewinnerwartungen, sodass eine nachträgliche Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung eine bessere Zuordnung des Besteuerungsvolumens
zwischen den Staaten ermöglichen könnte. Soweit keine Preisanpassungsklausel vereinbart ist, sieht auch das deutsche Steuerrecht in solchen Fällen
eine angemessene nachträgliche Anpassung vor, allerdings aufgrund der
Platzierung in § 1 Abs. 3 Satz 11 und 12 AStG wohl nur zum Nachteil des
Steuerpflichtigen.
Ausblick
Die konzeptionelle Klärung der aufgeworfenen Fragen hat Auswirkungen auf
verschiedene Bereiche der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien, insbesondere
auch auf das aktuelle OECD-Projekt zur Überarbeitung des Kapitels VI zu immateriellen Wirtschaftsgütern. 52 Es hat sich dabei gezeigt, dass die Akzeptanz
von finanzmathematischen Bewertungsmethoden durch die Mitgliedsstaaten
auch davon abhängt, inwieweit die zugrunde gelegten Prämissen und Gewinnprojektionen anhand der späteren tatsächlichen Entwicklung überprüft werden
können und inwieweit Finanzbehörden entsprechende Anpassungsklauseln
unterstellen dürfen.
Beide Ansätze, der arm’s length price-setting approach (ex ante) und der arm’s
length outcome-testing approach (ex post), sowie die Kombination dieser Ansätze sind in den OECD-Mitgliedsstaaten anzutreffen und für beide Konzepte
gibt es gute Begründungen. Die hieraus resultierende mögliche Doppelbesteuerung bleibt ein Risiko und lässt sich gegebenenfalls nur in zwischenstaatlichen Verständigungsverfahren lösen, sofern die jeweiligen nationalen
Verrechnungspreisvorschriften nicht kompatibel sind. Es bleibt abzuwarten,
in welche Richtung die Entwicklung gehen wird.
4 Neuer OECD-Bericht: Dealing Effectively with the
Challenges of Transfer Prices
Von Marianne Grabowski und Anna Angerstein
Zu Beginn dieses Jahres hat die OECD eine Studie zu
administrativen Aspekten in Zusammenhang mit Betriebsprüfungen mit Fokus auf Verrechnungspreisen veröffentlicht.
52
Vgl. hierzu den vorangegangenen Beitrag.
50 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Die Studie zeigt verschiedene Ansätze auf, um Betriebsprüfungen
zukünftig effizienter und schneller durchführen zu können. 53
Auch für Finanzverwaltungen stellen Betriebsprüfungen mit Fokus auf
Verrechnungspreisen (Verrechnungspreisprüfungen) häufig eine Herausforderung dar, da sie oftmals nur über begrenzte personelle Ressourcen
verfügen. Verrechnungspreisprüfungen können sich über Jahre hinziehen und
münden zunehmend in Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren. Die dabei auch
seitens der Finanzverwaltung entstehenden Kosten stehen in vielen Fällen in
keinem Verhältnis zu den Volumina der konzerninternen Transaktionen.
Das OECD Forum on Tax Administration (FTA – besetzt mit verschiedenen
Vertretern der Finanzverwaltungen) hat daher eine Studie herausgegeben, die
verschiedene Ansätze aufzeigt, wie Betriebsprüfungen zukünftig effizienter und
schneller durchgeführt werden können. Die Studie wurde von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Großbritannien durchgeführt und von den Mitgliedsstaaten des FTA, aber auch von Nichtmitgliedsstaaten unterstützt. Neben den
Finanzverwaltungen der unterschiedlichen Länder wurden auch Unternehmen
und Steuerberatungsgesellschaften befragt.
Die Kernaussagen der Studie werden im Folgenden zusammengefasst.
Auswahl der Prüfungsschwerpunkte
Zunächst sind die Identifikation und Bewertung möglicher Verrechnungspreisrisiken der geprüften Unternehmen bzw. der geprüften Transaktionen die
wichtigsten Faktoren für den effizienten Verlauf einer Verrechnungspreisprüfung. Hierbei gilt es, den Fokus auf die wichtigen und risikobehafteten
Transaktionen zu legen. Somit soll der administrative Aufwand für die Finanzverwaltungen und die geprüften Unternehmen minimiert werden sowie die
Prüfung in einem angemessenen Zeitrahmen zum Abschluss gebracht werden.
Der Bericht nennt unter anderem folgende Indizien für mögliche
Prüfungsschwerpunkte:
● signifikante Transaktionen mit verbundenen Unternehmen in
Niedrigsteuerländern
● Transfer von immateriellen Wirtschaftsgütern
● Umstrukturierungen
● Zahlungen mit hoher „Mobilität“ wie Zinsen, Versicherungsprämien
und Lizenzen
53
Weiterführende Literatur in englischer Sprache zu diesem Themenkomplex finden
Sie unter www.publications.pwc.com/DisplayFile.aspx?Attachmentid=5332
&Mailinstanceid=23228.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 51
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
● Verluste oder geringe Profitabilität
● keine oder unzureichende Verrechnungspreisdokumentation
Prüfungsbeginn und Prüfungsanfragen
Zunächst stellt das FTA fest, dass die Art und Weise, wie Verrechnungspreisprüfungen begonnen werden, entscheidend für den weiteren Prüfungsverlauf
ist. Prüfungsanfragen sollten fokussiert und spezifisch sein und sich auf eine
vorangegangene Risikobewertung stützen. Ein hinreichendes Verständnis
des Sachverhalts ist Voraussetzung, bevor technische Argumente zwischen
den Parteien ausgetauscht werden. Die Sachverhaltsermittlung sollte dabei
gemeinschaftlich nach einem zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigem abgestimmten Zeitplan erfolgen. Ebenso ist es erstrebenswert,
dass Verrechnungspreissachverhalte möglichst zeitnah geprüft werden. Hierbei
hat es sich als wesentlich erwiesen, dass auch seitens der Finanzverwaltung
Experten für bestimmte Branchen zur Verfügung stehen.
Governance (Steuerung des Prüfungsverlaufs)
Eine gute Steuerung des Prüfungsverlaufs durch die Finanzverwaltung soll
sicherstellen, dass zum einen die richtigen Prüfungsschwerpunkte ausgewählt
werden und zum anderen Vorgesetzte innerhalb der Finanzverwaltung stets
einen umfassenden Überblick über die laufenden Betriebsprüfungen haben, um
somit einen effizienten Verlauf der Prüfung sicherzustellen. Hierdurch soll eine
konsistente Herangehensweise bei der Prüfung von Verrechnungspreissachverhalten sichergestellt werden.
Sicherstellung von Fortschritt und Vermeidung von Verzögerungen
Verzögerungen bei Verrechnungspreisprüfungen sind oftmals durch den hohen
Umfang an benötigten Unterlagen und den damit verbundenen Arbeitsaufwand
sowie durch Unstimmigkeiten hinsichtlich der Notwendigkeit dieser Unterlagen
begründet. Eine frühe Abstimmung über den Umfang der bereitzustellenden
Informationen sowie ein klarer Zeitplan für die unterschiedlichen Phasen der
Betriebsprüfung in Abstimmung mit dem Unternehmen können zu einem
effizienten Prüfungsverlauf beitragen.
In vielen Verrechnungspreisprüfungen bleiben außerdem unterschiedliche
Auffassungen zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigem auch nach
intensivem Austausch bestehen. Einige Länder, beispielsweise Großbritannien,
haben spezielle Konfliktlösungsprozeduren eingeführt, welche eine Einigung
zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigem erreichen sollen, bevor der
Klageweg und/oder der Weg in ein Verständigungsverfahren beschritten wird
(alternative dispute resolution).
52 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Entscheidungsfindung
Häufig stehen Finanzverwaltungen, Steuerpflichtige und Berater vor der Frage,
wann die Sachverhaltsklärung abgeschlossen ist und die Prüfung zu einem
Ende kommen sollte. Hierbei ist es erforderlich, dass klare Regelungen für die
Lösung von Konflikten bestehen und darüber hinaus, wann eine Verhandlungslösung angestrebt wird oder aber der Klageweg bzw. das Verständigungsverfahren eingeleitet wird.
Der Bericht zeigt weiterhin Beispiele von Ländern auf, in denen interne
Genehmigungsprozesse innerhalb der Finanzverwaltung eingeführt worden
sind, die sicherstellen sollen, dass ein Verrechnungspreiskonflikt nur dann in
eine Klage mündet, wenn aus Sicht der Finanzverwaltung hinreichend Aussicht
auf Erfolg besteht.
Ressourcen, Erfahrungen und Einsatz von Spezialisten
Um Betriebsprüfungen effizient gestalten zu können, ist es essenziell, dass die
Finanzverwaltungen über ausreichend Erfahrung sowie ein grundlegendes
Verständnis des ökonomischen Umfelds der zu prüfenden Unternehmen
verfügen. Einige Finanzverwaltungen versuchen dies durch gemischte Teams
mit komplementären Fähigkeiten und Erfahrungen zu erreichen, während
andere Finanzverwaltungen Expertenteams für bestimmte steuerliche oder
industrielle Bereiche zusammenstellen. Vereinzelt werden auch externe Berater
hinzugezogen, um schwierige Verrechnungspreissachverhalte effizient lösen
zu können.
Fazit und Ausblick
Die Auseinandersetzung mit möglichen Defiziten und das Aufzeigen möglicher
Verbesserungsvorschläge sind sowohl aus Sicht der Finanzverwaltungen als
auch aus Sicht der Steuerpflichtigen sehr zu begrüßen, um in Zukunft Betriebsprüfungen zeit- und kosteneffizienter zu gestalten. Denn auch wenn die Mehrheit der Finanzverwaltungen angibt, dass Betriebsprüfungen in der Regel zwölf
Monate dauern, liegt die durchschnittliche Dauer tatsächlich bei 540 Tagen.
Basierend auf unseren Erfahrungen aus laufenden bzw. abgeschlossenen
Betriebsprüfungen ist es aus unserer Sicht vor allem zu begrüßen, wenn
zukünftig in Betriebsprüfungen verstärkt mit klaren Zeitplänen gearbeitet
wird und Prüfungsanfragen risikoorientiert und fokussiert formuliert sowie
begründet werden.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 53
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
5 OECD-Statistik zu Verständigungsverfahren 2010
Von Katja Preker
Im Dezember 2011 veröffentlichte die OECD ihre Statistik zu
Verständigungsverfahren (Mutual Agreement Procedure –
MAP) 2010. 54 Die Anzahl neu eingereichter MAP-Fälle ist überraschenderweise erstmals rückläufig. Deutschland kann die
Anzahl der erledigten Fälle im Vergleich zum Vorjahr um
35 Prozent steigern.
Die Statistik enthält je Land Informationen zur Anzahl der noch offenen
Verständigungsverfahren, zu den im Jahr 2010 zugegangenen und erledigten
MAP-Fällen sowie zur durchschnittlichen Bearbeitungsdauer eines
Verständigungsverfahrens. Im Jahr 2010 beteiligten sich an der Erhebung
sämtliche 34 OECD-Länder. Während in den Vorjahren ein kontinuierlicher
Anstieg sowohl der Bestände an offenen Verständigungsverfahren zum Jahresende als auch der Zugänge pro Jahr zu verzeichnen war, kehrte sich dieser
Trend 2010 erstmals um. Die Endbestände sanken im Vergleich zum Vorjahr
um 4,5 Prozent, der Rückgang bei den Neufällen 2010 fiel mit rund 25 Prozent
noch deutlicher aus. Hinsichtlich der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer
eines Verständigungsverfahrens zeichnet sich ein leichter Trend zu einer
steigenden Bearbeitungsdauer ab. Im Jahr 2010 lag der Durchschnitt bei etwa
26 Monaten, während ein MAP-Fall im Jahr 2007 noch innerhalb von rund
19 Monaten erledigt werden konnte. Der Fokus der weiteren Analysen liegt
auf der Auswertung der Statistik für Deutschland und seine wichtigsten OECDHandelspartner Frankreich, USA und Niederlande. 55
Deutschland
Das in Deutschland für Verständigungsverfahren zuständige Bundeszentralamt
für Steuern (BZSt) verzeichnete 2010 einen Endbestand von insgesamt 483
noch offenen Verständigungsverfahren. Im Vergleich zu 2009 entspricht dies
einem deutlichen Rückgang von mehr als 10 Prozent. Ursachen dafür waren
zum einen eine analog zur Gesamtbetrachtung rückläufige Anzahl von Neufällen (150 im Vergleich zu 177 im Vorjahr) sowie eine steigende Anzahl
54
55
Die OECD-Statistik finden Sie unter
www.oecd.org/document/9/0,3746,en_2649_37989739_48558537_1_1_1_1,00.html.
Die Außenhandelsstatistik 2010 des Statistischen Bundesamts finden Sie unter
www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/
Aussenhandel/Handelspartner/Tabellen/Content100/RangfolgeHandelspartner,
property=file.pdf.
54 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
erledigter Fälle. Erstmals konnte das BZSt innerhalb eines Jahres mehr als
200 MAP-Fälle (plus 35 Prozent) abschließen.
Überblick MAP-Statistik Deutschland
600
500
526
542
518
476
483
400
300
212
200
180
186
136
177 185
177
2008
2009
209
153
150
100
0
2006
2007
Endbestand 31.12.
Zugänge pro Jahr
2010
erledigte Fälle
Da Deutschland trotz Anfrage durch die OECD keine Angabe zur durchschnittlichen Bearbeitungsdauer der Verständigungsverfahren macht, hat PwC
die Bearbeitungsdauern im Folgenden exemplarisch anhand der für das Jahr
2006 verfügbaren Daten ermittelt. Mit Blick auf die 212 im Jahr 2006 neu
eingereichten Fälle zeigt sich, dass der Großteil der Fälle (27 Prozent) im Jahr
2008 erledigt werden konnte und somit nach einer Bearbeitungsdauer von
maximal 36 Monaten. Bedauerlich ist hingegen, dass ein Fünftel der 2006
eingereichten Fälle erst im Jahr 2010 erledigt werden konnte, während sogar
12 Prozent der Fälle zum 31. Dezember 2010 immer noch offen waren.
Erledigungsquote bei im Jahr 2006 eingereichten Fällen
26,89%
20,28%
15,09%
14,62%
10,85%
erledigt 2006 erledigt 2007 erledigt 2008 erledigt 2009 erledigt 2010
12,26%
nach 2010
Transfer Pricing Perspective Deutschland 55
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Deutschland im Vergleich zu seinen wichtigsten OECDHandelspartnern Frankreich, USA und Niederlande
Für Frankreich, die USA und die Niederlande zeichnen sich ähnliche
Entwicklungen ab. Die Zahl der neuen Fälle ist eher rückläufig, während die
Anzahl der erledigten Verständigungsverfahren pro Jahr tendenziell ansteigt.
Interessant ist, dass Deutschland in den Jahren 2006 und 2007 noch einen
höheren Bestand an Verständigungsverfahren als die USA verzeichnete. Dies
kehrte sich in den Jahren 2008 bis 2009 um, in denen die USA hohe Zuwachsraten bei den Endbeständen zu verzeichnen hatten. Zum Ende des Jahres 2010
liegen die USA nun mit 705 offenen MAP-Fällen an der Spitze der OECDAuswertung, gefolgt von Deutschland mit 483 Fällen. Die Analyse der
Bearbeitungsdauern zeigt, dass diese in den Niederlanden und den USA bereits
seit 2006 weitgehend konstant bei circa zwei Jahren liegen. Frankreich konnte
die Bearbeitungsdauer seiner MAP-Fälle von noch 38 Monaten im Jahr 2006
auf nur noch 22 Monate im Jahr 2009 senken.
Fazit
Aus der OECD-Statistik 2010 lässt sich der kurzfristige Trend einer rückläufigen Anzahl neu eingereichter Fälle ableiten. Deutschland hatte im
Vergleich zu 2009 etwa 15 Prozent weniger Neufälle zu verzeichnen. Die
Gründe hierfür können vielschichtig sein. Denkbar ist zum Beispiel, dass der
Steuerpflichtige zu einer strittigen Verrechnungspreisfrage bereits in der
Vergangenheit ein Verständigungsverfahren oder Advance Pricing Agreement
geführt hat, durch das auch für die Zukunft Klarheit geschaffen werden konnte.
Interessant ist, dass sich dieser Trend nicht ohne Weiteres mit unseren Praxiserfahrungen deckt. Aufseiten unserer Mandantschaft erleben wir eher eine
zunehmende Bereitschaft zur Durchführung von Verständigungsverfahren,
insbesondere dann, wenn die lokalen Steuerbehörden ein konzernweit
praktiziertes und bereits in vielen Ländern akzeptiertes Verrechnungspreissystem angreifen.
Die Statistik zeigt des Weiteren, dass die Bearbeitungsdauer im OECD-Durchschnitt bei etwas mehr als zwei Jahren liegt. Für Deutschland können diesbezüglich keine belastbaren Schlüsse gezogen werden, da die entsprechenden
Angaben nicht veröffentlicht werden. Insofern wäre es in jedem Fall zu
begrüßen, wenn Deutschland künftig aus Gründen der Transparenz auch diese
Angaben veröffentlicht. Positiv hervorzuheben bleibt, dass Deutschland die
Anzahl der erledigten Fälle im Vergleich zu 2009 um mehr als 35 Prozent
steigern konnte.
56 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
6 EU Joint Transfer Pricing Forum plant Veröffentlichung
eines Berichts zu Kostenumlageverträgen bis Ende 2012
Von Irina Engler und Daniel Retzer
Kostenumlageverträge (Cost Contribution Arrangements– CCAs)
sind ein immer wiederkehrendes Thema in Betriebsprüfungen.
Häufig werden die vereinbarten Konditionen zwischen den
verbundenen Gesellschaften nicht anerkannt. Um den Steuerpflichtigen mehr Rechtssicherheit zu verschaffen und die Doppelbesteuerung bzw. Anzahl der hieraus resultierenden Schiedsverfahren zu reduzieren, hat es sich das EU Joint Transfer Pricing
Forum (EUJTPF) nun zum Ziel gesetzt, bis Ende 2012 ein gemeinsames Konzept für Kostenumlageverträge für die Steuerverwaltungen der 27 EU-Mitgliedsstaaten zu entwickeln. 56
Insbesondere möchte das EUJTPF folgende Aspekte beleuchten:
1. Abgrenzung zu konzerninternen Dienstleistungsverträgen
2. Erhebung eines Gewinnaufschlags
3. Ermittlung des erwarteten Nutzens
4. Arten der zulässigen Beiträge (z. B. Bargeld, Sacheinlage)
5. Bestimmung eines angemessenen Aufteilungsschlüssels
6. Eintritt und Austritt von Teilnehmern, Beendigung von CCAs
7. Dokumentation von CCAs
Der Fokus soll dabei auf CCAs mit Dienstleistungscharakter gelegt werden. Das
sind CCAs, bei denen keine immateriellen Wirtschaftsgüter geschaffen werden.
Da die in den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien genannten Beispiele
für CCAs nicht die Komplexität tatsächlicher Fälle abbilden, könnte die
Veröffentlichung einer Richtlinie seitens des EUJTPF dazu beitragen, ein
einheitliches Verständnis von CCAs bei Finanzverwaltungen zu schaffen und
eine größere Konsistenz in der steuerlichen Behandlung zu erreichen. Damit
sollte es gelingen, zumindest zwischen den EU-Mitgliedsstaaten das Risiko
einer Doppelbesteuerung zu reduzieren.
56
Der „Report on Cost Contribution Arrangements on Services Not Creating Intangible
Property (IP)“ wurde im September 2012 veröffentlicht (vgl. den Beitrag in Ausgabe 17
von Transfer Pricing Perspective Deutschland vom Februar 2013).
Transfer Pricing Perspective Deutschland 57
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
7 Grünbuch der Deutsch-Französischen Zusammenarbeit
über Konvergenzpunkte bei der Unternehmensbesteuerung
Von Gert Wöllmann und Dr. Christoph Sommer
Bereits auf ihrem Sondergipfel am 16. August 2011 hatten Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und der französische Staatspräsident
Nicolas Sarkozy das ambitionierte Ziel der Einführung einer gemeinsamen deutsch-französischen Körperschaftsteuer vorgestellt. 57
Das nun veröffentlichte „Grünbuch der Deutsch-Französischen
Zusammenarbeit über Konvergenzpunkte bei der Unternehmensbesteuerung“ 58 enthält konkrete Handlungsempfehlungen zur Angleichung der Unternehmensbesteuerungssysteme beider Länder.
Hintergrund des Vorhabens
Vor dem Hintergrund der finanz- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen
der EU und des Euroraums, ausgelöst durch die weltweite Finanzkrise und die
anschließende Schuldenkrise in einigen EU-Mitgliedsstaaten, haben Deutschland und Frankreich beschlossen, ihre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der
Unternehmensbesteuerung weiter zu vertiefen. Die angestrebte körperschaftsteuerliche Harmonisierung soll dabei nicht nur die steuerlichen Befolgungsund Verwaltungskosten von grenzüberschreitend operierenden Unternehmensgruppen reduzieren und einen Unterbietungswettbewerb auf dem Gebiet der
Unternehmensbesteuerung zwischen Deutschland und Frankreich verhindern.
Vielmehr erhoffen sich beide Länder von einer gemeinsamen Körperschaftsteuer eine positive Signalwirkung für eine stärkere wirtschaftliche Integration
innerhalb der EU, eine langfristige Stabilität des Euro und damit letztendlich
auch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarktes. 59
Inhalt und Ziel des Grünbuchs
Basierend auf einer systematischen Untersuchung der Unternehmensbesteuerungssysteme in Deutschland und Frankreich werden im nun
vorgelegten Grünbuch mögliche Harmonisierungsmaßnahmen identifiziert
und kritisch gewürdigt. Bei der Ausgestaltung dieser Vorschläge für eine
57
58
59
Vgl. Wöllmann, G./Sommer, C., Gemeinsame deutsch-französische Körperschaftsteuer, in: Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 12, November 2011,
S. 17–19.
Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Grünbuch der Deutsch-Französischen
Zusammenarbeit über Konvergenzpunkte bei der Unternehmensbesteuerung,
Stand Februar 2012.
Vgl. Pressemitteilung der Bundesregierung Nr. 291 (Gemeinsamer DeutschFranzösischer Brief an EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy) vom 17.08.2011.
58 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Konvergenz der Körperschaftsteuersätze und -bemessungsgrundlagen beider
Länder wurde die politische Vorgabe berücksichtigt, dass es durch die geplante
Angleichung der Besteuerungssysteme zu keiner Schlechterstellung deutscher
oder französischer Kapitalgesellschaften kommen darf. 60 Gleichzeitig soll mit
der Veröffentlichung des Grünbuchs der Richtlinienvorschlag der Europäischen
Kommission zur gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) 61 unterstützt werden.
Im Grünbuch identifizierte Konvergenzfelder
Im Grünbuch werden im Wesentlichen folgende Konvergenzfelder identifiziert:
Steuersätze, Behandlung von Dividenden und Zinsen, Verlustabzug, Abschreibungen und Gruppenbesteuerung. Die Maßnahmen zielen vor allem auf
eine Senkung der effektiven Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften in
Frankreich ab, da diese derzeit deutlich höher ist als in Deutschland.
So soll der französische nominale Regelkörperschaftsteuersatz von momentan
33,3 Prozent schrittweise reduziert werden. Eine vollständige Harmonisierung
der Steuersätze in Deutschland und Frankreich, wie ursprünglich geplant, wird
nicht mehr verfolgt. Gleichzeitig wird eine Verbreiterung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage in Frankreich angestrebt. Konkret werden
unter anderem eine allgemeine Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen ähnlich der deutschen Zinsschranke, eine Einschränkung der
Anwendbarkeit der degressiven Abschreibung sowie ein Verbot der Abzugsfähigkeit der Abgabe auf den Mehrwert der Unternehmen 62 angeregt. Zudem
sollen die französischen Regelungen zur Verlustnutzung überprüft und eine
planmäßige Abschreibung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts eingeführt werden.
Auf deutscher Seite wird – entsprechend der derzeitigen Regelung in Frankreich – die Einführung einer Mindestbeteiligungsquote von 5 Prozent für die
Steuerfreiheit von Dividenden nach § 8b KStG erwogen. Auch werden eine
Erhöhung der Höchstgrenze beim Verlustrücktrag gemäß § 10d EStG auf
1 Million Euro und eine Abschaffung des Wahlrechts für Steuerpflichtige
hinsichtlich der Höhe des Verlustrücktrags in Betracht gezogen. Ferner
wird eine gesetzliche Regelung zur Nutzung grenzüberschreitender Verluste
diskutiert. Um eine Annäherung bei der Gruppenbesteuerung beider Länder zu
erreichen, könnte in Deutschland einerseits die Pflicht zum Abschluss eines
Ergebnisabführungsvertrags zwecks Gründung einer ertragsteuerlichen
60
61
62
Vgl. Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen
Staatspräsidenten Sarkozy am 16.08.2011.
Vgl. Europäische Kommission, KOM (2011) 121.
Cotisation sur la valeur ajoutée des entreprises (CVAE).
Transfer Pricing Perspective Deutschland 59
Internationale Entwicklungen in der OECD und der EU
Organschaft entfallen und andererseits eine Erhöhung der Mindestbeteiligungsquote von derzeit 50 Prozent auf 75 bis 95 Prozent für die Inanspruchnahme der Organschaftsregelungen vorgenommen werden. Eine
Eliminierung innerkonzernlicher Transaktionen – wie bei der französischen
intégration fiscale – lehnt Deutschland jedoch ab.
Auswirkungen auf den Fremdvergleichsgrundsatz und die GKKB
Obwohl im Grünbuch nicht explizit thematisiert, ist die geplante Überarbeitung
der Regelungen zur Gruppenbesteuerung aus Verrechnungspreissicht und für
die europäische GKKB-Initiative von entscheidender Bedeutung. Während
beim Fremdvergleichsgrundsatz die Gewinnabgrenzung zwischen den Konzerneinheiten prinzipiell durch Einzelerfassung und -bewertung jeder einzelnen
innerkonzernlichen Transaktion erfolgt, würde bei der GKKB die ermittelte
konsolidierte Steuerbemessungsgrundlage einer Unternehmensgruppe auf
Basis einer definierten Formel auf die EU-Mitgliedsstaaten zerlegt. 63 Zwecks
Konsolidierung der steuerlichen Ergebnisse von Konzerngesellschaften wären
gruppeninterne Transaktionen einschließlich der Zwischenergebnisse zu
eliminieren.
Nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen zur deutsch-französischen
Körperschaftsteuer, die gerade keine Eliminierung innerkonzernlicher Transaktionen für steuerliche Zwecke vorsehen, dürfte der Fremdvergleichsgrundsatz
auch weiterhin für die Gewinnabgrenzung zwischen in Deutschland und Frankreich operierenden Unternehmensgruppen einschlägig sein. Die im Grünbuch
bekundete Unterstützung für die GKKB kann daher aufgrund der derzeit nicht
vorgesehenen Konsolidierung nur bedingt überzeugen.
Fazit und Ausblick
Ohne Frage haben sich Deutschland und Frankreich mit der Veröffentlichung
des Grünbuchs einmal mehr als „Herz und Motor der Eurozone“ 64 präsentiert.
Nach dem Willen beider Länder sollen die im Grünbuch enthaltenen Konvergenzmaßnahmen ab 2013 sukzessive gesetzgeberisch umgesetzt werden.
Ob dieser ambitionierte Zeitplan tatsächlich eingehalten werden kann, darf
jedoch angezweifelt werden. Insbesondere die erheblichen ökonomischen
und finanziellen Auswirkungen lassen kontroverse Diskussionen auf allen
Ebenen erwarten.
63
64
Vgl. vertiefend Wöllmann, G./Sommer, C., Der Richtlinienvorschlag zur GKKB – quo
vadis, Konzernbesteuerung in der EU?, in: Transfer Pricing Perspective Deutschland,
Ausgabe 10, Mai 2011, S. 19–22.
Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Grünbuch der Deutsch-Französischen
Zusammenarbeit über Konvergenzpunkte bei der Unternehmensbesteuerung,
Stand Februar 2012, S. 3.
60 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
C Brennpunkt „Funktionsverlagerung und
immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
Die nachfolgenden Beiträge geben einen Überblick über die aktuellen
Entwicklungen im Themenkomplex Funktionsverlagerungen sowie bei der
steuerlichen Behandlung von immateriellen Wirtschaftsgütern.
1 Europarechtliche Problemfelder der
deutschen Funktionsverlagerungsnormen
Von Stephan Bock und Daniel Retzer
Im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 wurden
spezielle Vorschriften zur Besteuerung der grenzüberschreitenden
Verlagerung betrieblicher Funktionen zwischen nahestehenden
Personen in § 1 AStG eingeführt. Da diese Regelungen jedoch im
Inlandsfall keine Anwendung finden, stellt sich die Frage nach
ihrer Vereinbarkeit mit den europäischen Grundfreiheiten.
Funktionsverlagerungen im Inland
Sofern eine Funktion innerhalb Deutschlands verlagert wird, greifen die in § 8
Abs. 3 KStG verankerten Rechtsinstitute der verdeckten Gewinnausschüttung
bzw. der verdeckten Einlage, die grundsätzlich eine Einzelbewertung aller übergegangenen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter einschließlich
eines (anteiligen) Geschäfts- oder Firmenwerts vorsehen. Darüber hinaus
können unter Umständen auch Geschäftschancen mit erfasst werden, falls sich
diese hinreichend konkretisiert haben.
Weiter gehende Korrektur bei
grenzüberschreitenden Verlagerungen
Im grenzüberschreitenden Fall sind neben den Regelungen zur verdeckten
Gewinnausschüttung bzw. zur verdeckten Einlage auch die entsprechenden
Regelungen des § 1 AStG anzuwenden, sofern diese zu einer weiter gehenden
Korrektur als § 8 Abs. 3 KStG führen. Eine solche weiter gehende Korrektur
wird zumindest regelmäßig dann vorliegen, wenn im Rahmen der Funktionsverlagerung auch wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter übergehen
und die Öffnungsklauseln des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG nicht greifen, da der
Verrechnungspreis dann pauschaliert anhand eines Ertragswertverfahrens
ermittelt werden muss. Dabei sollen auch Standortvorteile und -nachteile sowie
Synergieeffekte erfasst werden.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 61
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
Zudem kann es bei einer Einzelbewertung aufgrund divergierender Wertmaßstäbe (Fremdvergleichspreis versus gemeiner Wert bzw. Teilwert) sowie
aufgrund der Notwendigkeit eines einlagefähigen Wirtschaftsguts im Rahmen
der verdeckten Einlage zu weiter gehenden Berichtigungen kommen.
Folglich sind die in § 1 AStG kodifizierten Regelungen potenziell geeignet, ein
inländisches Unternehmen davon abzuhalten, sich in einem anderen Mitgliedsstaat niederzulassen (vgl. Art. 49 AEUV). Fraglich ist indessen, ob diese durch
zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen sind.
Rechtfertigungsgründe für die Beschränkung
der Niederlassungsfreiheit
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellt
insbesondere die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen
den Mitgliedsstaaten einen geeigneten Rechtfertigungsgrund für einen Verstoß
gegen europäisches Primärrecht dar. Da im Rahmen der Transferpaketbewertung durch die Berücksichtigung ausländischer Standortvorteile,
Synergieeffekte und Gewinnpotenziale auch nicht in Deutschland geschaffene
Werte erfasst werden, sollte eine Rechtfertigung für die Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit insoweit jedoch bereits ausscheiden. Im Rahmen der
Rechtfertigungsprüfung stellt sich daher die Frage, ob § 1 AStG nicht über das
erforderliche Maß hinausgeht und damit aus europarechtlicher Sicht als
unverhältnismäßig einzustufen ist.
Fazit
Auch wenn es klare Indizien dafür gibt, dass die in § 1 AStG kodifizierten
Funktionsverlagerungsvorschriften gegen EU-Recht verstoßen, ist dies
derzeit nicht endgültig geklärt. Mangels anhängiger Verfahren ist eine finale
Entscheidung durch den EuGH in näherer Zukunft jedoch nicht zu erwarten.
2 Auswirkungen des EuGH-Urteils in der Rechtssache
„National Grid Indus B.V.“ auf Funktionsverlagerungsfälle
Von Stephan Bock und Daniel Retzer
Am 29. November 2011 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein
international viel beachtetes Urteil in der Rechtssache „National
Grid Indus B.V.“ (Az. C-371/10) gesprochen. Der Tatbestand der
Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte ist regelmäßig Gegenstand weitreichender Entstrickungsnormen, die auf eine Besteuerung stiller Reserven der übertragenen Wirtschaftsgüter zielen. Im Rahmen des genannten
62 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
Urteils meldete der EuGH Zweifel hinsichtlich einiger Aspekte
aktueller Entstrickungsnormen an. So könnte dieses auch
Auswirkungen auf die deutschen Vorschriften zu Funktionsverlagerungssachverhalten haben.
Kontext der Entscheidung
Der vom EuGH zu entscheidende Fall betraf die National Grid Indus B.V.,
eine nach niederländischem Recht gegründete Gesellschaft mit beschränkter
Haftung, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Großbritannien verlegt
hatte und somit ab diesem Zeitpunkt als dort ansässig betrachtet werden
musste. Die National Grid Indus B.V. verfügte nach der Sitzverlegung nicht
mehr über eine niederländische Betriebsstätte im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen den Niederlanden und Großbritannien, sodass eine
Sofortbesteuerung der bis zum Zeitpunkt der Sitzverlegung entstandenen
latenten Wertzuwächse nach den niederländischen Entstrickungsnormen vorgenommen wurde. Diese latenten Wertzuwächse entstammten Wechselkursgewinnen im Zusammenhang mit einer von der niederländischen Gesellschaft
gehaltenen Fremdwährungsforderung in Pfund Sterling gegenüber einer
britischen Gesellschaft.
In diesem Zusammenhang war vom EuGH zunächst zu entscheiden, ob sich
eine Gesellschaft auf Art. 49 AEUV (ehemals Art. 43 EGV „Niederlassungsfreiheit“) berufen kann, wenn ihr bei einer Verlegung des tatsächlichen Sitzes
von einem EU-Mitgliedsstaat in einen anderen eine „Schlussrechnungssteuer“
auferlegt wird. Die zu entscheidende Frage erlangt damit auch vor dem Hintergrund der deutschen Regelungen zu Funktionsverlagerungssachverhalten
Bedeutung. In diesem Zusammenhang stellt der EuGH jedoch klar, dass zwar
einerseits die Besteuerung der bis zum Sitzwechsel entstandenen stillen
Reserven eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit bedeuten kann, da bei
einer Sitzverlegung innerhalb des ursprünglichen Sitzstaats die steuerlichen
Folgen in dieser Form nicht eingetreten wären. Andererseits kann dies nach
Ansicht des EuGH nicht bedeuten, dass ein Mitgliedsstaat auf die Besteuerung
der bis zum Zeitpunkt der Sitzverlegung entstandenen stillen Reserven
verzichten muss.
Sofortbesteuerung der stillen Reserven
zum Überführungszeitpunkt
Eine wesentliche Problematik im Fall einer Sofortbesteuerung ergibt sich
daraus, dass dem Steuerpflichtigen noch keine liquiden Mittel zugeflossen sind,
mit denen er die anfallende Steuer begleichen könnte. Da die deutschen Vorschriften zur Funktionsverlagerung letztlich im Veranlagungszeitraum der
Übertragung einer Funktion ebenfalls eine sofortige Besteuerung vorsehen,
könnte das Urteil daher durchaus auch in diesem Kontext Bedeutung erlangen.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 63
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
So hat der EuGH, um einen Interessenausgleich zwischen Fiskus und Steuerpflichtigem zu erlangen, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung für
den vorgelegten Sachverhalt angeregt, dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht
zwischen der sofortigen Besteuerung und der Besteuerung zum Realisationszeitpunkt zu gewähren. Während der Realisationszeitpunkt für übertragene
materielle Wirtschaftsgüter relativ leicht bestimmbar sein dürfte, ist dieser
hinsichtlich Transferpaketen (insbesondere aufgrund enthaltener Gewinnpotenziale) schwerer bestimmbar bzw. regelmäßig über einen Zeitraum verteilt.
Weiterhin war im Rahmen des vorgelegten Sachverhalts zu beurteilen, auf
welche Art Verluste bzw. Wertminderungen zu berücksichtigen sind, die nach
der Sitzverlegung und somit nach dem regelmäßig für Entstrickungsnormen
relevanten Besteuerungszeitpunkt liegen. Der EuGH scheint in diesem Fall
jedoch zu einer Berücksichtigung der Verluste im Ansässigkeitsstaat nach
Sitzverlegung zu neigen.
Fazit
Obwohl der EuGH im vorliegenden Fall klargestellt hat, dass eine Besteuerung
stiller Reserven vor dem Realisationszeitpunkt eine Beschränkung der europäischen Grundfreiheiten nach sich zieht, ist eine direkte Auswirkung auf die
deutschen Vorschriften zur Funktionsverlagerung in näherer Zukunft fraglich.
Dies gilt umso mehr, als die deutschen Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme einer Nutzungsüberlassung zulassen und somit eine
zeitliche Streckung erlauben, sodass eine Sofortbesteuerung nicht stattfände.
3 Planungsideen im Zusammenhang mit
immateriellen Wirtschaftsgütern
Von Dr. Ludger Wellens
Immaterielle Wirtschaftsgüter (Intellectual Property – IP) haben
für Unternehmen eine strategische Bedeutung. Zunächst liefern
diese regelmäßig einen wesentlichen Anteil am Unternehmenswert, da sie für circa 40 bis 60 Prozent der Marktkapitalisierung
verantwortlich sind. Darüber hinaus sind sie die Quelle der nicht
routinemäßigen Vergütung. Der Besitz von IP bildet daher die
Basis für den Anspruch am Residualergebnis. Unternehmen sollten
aus diesem Grund analysieren, welche rechtlichen Einheiten im
Konzern IP besitzen, und dann Strategien entwickeln, wie das IP
steueroptimal eingesetzt werden kann.
64 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
Strategien können zum einen den Fokus auf möglichst steuerneutrale
Verlagerungen haben, um beispielsweise IP in einem steuergünstigen Land zu
zentralisieren. Sie können zum anderen den steueroptimalen Einsatz von IP
verfolgen. Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über
mögliche Strategien.
Verlagerung von IP
Grundsätzliche Behandlung bei Verlagerungen
IP wird durch den Einsatz eigener Ressourcen, beispielsweise im Rahmen
von Research & Development (R&D), geschaffen oder akquiriert. Bei der
Übertragung bzw. der Veräußerung von IP sind daher die darin ruhenden
stillen Reserven aufzudecken und einer Gewinnbesteuerung zuzuführen.
Eine Planungsidee ist die Nutzung vorhandener Verlustvorträge. Es stellt sich
jedoch die Frage, wie auch in Gewinnsituationen IP steueroptimal verlagert
werden kann.
Planungsidee zur Verlagerung von IP aus den USA
nach Deutschland
Nach Akquisitionen kann es beabsichtigt sein, das erworbene IP steueroptimal
nach Deutschland (oder in einen anderen Staat) zu übertragen. In einer mittlerweile erprobten Planungsidee wird eine Personengesellschaft in Deutschland
aufgesetzt, in die von einer deutschen Konzerngesellschaft Forderungen im
gleichen Nennwert wie das US-IP eingelegt werden. Danach werden 50 Prozent
der Einkünfte dem deutschen und 50 Prozent dem US-amerikanischen Gesellschafter zugewiesen. Während sich die Steuersituation in Deutschland unverändert zeigen sollte, können in den USA 50 Prozent der Steuerzahlung in
Deutschland angerechnet werden. Hierdurch wird während der Mindesthaltedauer von sieben Jahren ein positiver steuerlicher Effekt erreicht. Nach der
Mindesthaltedauer kann die Personengesellschaftsstruktur so aufgelöst
werden, dass der deutschen Konzerngesellschaft das IP zufällt, während die
Forderungen der US-amerikanischen Gesellschaft zugerechnet werden.
IP-Besitz- und Verwertungsgesellschaft
Mit der Struktur einer IP-Besitz- und Verwertungsgesellschaft können
gewerbesteuerliche Effekte erzielt werden.
IP-Gesellschaft im Inland
Im Konzern gibt es regelmäßig konzerninterne und konzernexterne Lizenznehmer und damit einen existierenden Lizenzstrom. Grundsätzlich können
Lizenzströme relativ leicht umgeleitet werden, indem das Eigentum an IP bzw.
externe Lizenzierungen an eine andere inländische Gesellschaft als Besitz- und
Verwertungsgesellschaft übertragen werden. Dies lässt sich im Inland steuerneutral darstellen. Als Planungsidee kann diese Besitz- und Verwertungs-
Transfer Pricing Perspective Deutschland 65
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
gesellschaft in einer Gemeinde mit einem niedrigen Hebesatz errichtet werden,
wodurch sich gewerbesteuerliche Effekte gegenüber dem vorherigen Zustand
erzielen lassen.
IP-Gesellschaft im Ausland in der Basisstruktur
Für diese Struktur wird eine Personengesellschaft im Ausland aufgesetzt. Hierfür stehen verschiedene bereits geprüfte Staaten zur Auswahl. Die Personengesellschaft übernimmt die Verwertung von vorhandenem IP, das sie von einer
oder mehreren inländischen Gesellschaften lizenziert hat. Der Rückfluss an
Lizenzzahlungen kann unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen bei den
inländischen Gesellschaften gewerbesteuerneutral erfolgen. Hierdurch lässt
sich die Steuerlast auf die Lizenzzahlungen im Inland halbieren.
IP-Gesellschaft im Ausland mit Lizenz-Booster
Neben der Nutzung vorhandener Lizenzströme können weitere Lizenzströme
geschaffen werden. Sofern in den Verrechnungspreisen für Warenlieferungen
IP eingepreist ist, kann dieses auch separiert werden. Mit anderen Worten,
es werden eigenständige Vergütungswege für die Warenlieferung – über die
lediglich der Produktionsprozess als solcher vergütet wird – und für die IPVergütung geschaffen. Selbstverständlich sind hierfür nicht steuerliche Gründe
ausschlaggebend. Im Ergebnis kann ein erheblicher Anteil der Gewinne
gewerbesteuerneutral vereinnahmt werden.
Fazit
Die Planung mit IP ist nicht erst seit der Diskussion innerhalb der Finanzverwaltung bzw. der OECD ein viel beachtetes Thema. Die verschiedenen
Möglichkeiten der IP-Planung zu kennen und gut abzuwägen, lohnt sich einfach
immer. Die in diesem Artikel dargestellten Ansätze sollen einige Möglichkeiten
hierzu darstellen.
4 Verlagerung von Managementaktivitäten
Von Dr. Michael Jakob und Beate Gebken
Um der wachsenden Bedeutung ausländischer Staaten als
Produktionsstandorte und Absatzmärkte gerecht zu werden,
sehen viele Konzerne die Notwendigkeit einer stärkeren
Managementpräsenz vor Ort. Dies kann jedoch vielfältige
steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Nicht erst seit der Finanzkrise ist bekannt, dass sich das wirtschaftliche Gewicht
zunehmend von Europa und den USA in andere Teile der Welt verlagert. In
66 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
diesem Zusammenhang werden regelmäßig die BRICS-Staaten angeführt, allen
voran China. Die Bedeutung dieser Staaten als Produktionsstandorte und
Absatzmärkte hat zugenommen und wird voraussichtlich weiter steigen.
Veränderungen in der Organisation
Da die interne Organisation vieler Unternehmen, insbesondere des Mittelstands, historisch gewachsen ist, werden Managementaktivitäten traditionell
zentral von Deutschland aus ausgeführt. Im Zuge ihres Wachstums im Ausland
stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Position auf den
lokalen Märkten gegen Wettbewerber zu behaupten. Obwohl bereits zahlreiche
deutsche Unternehmen in China meist mit funktions- und risikoarmen
Produktions- und Vertriebsgesellschaften vertreten sind, sehen viele die Notwendigkeit, einen Schritt weiterzugehen und ihre Position im Land zu festigen,
indem sie auch ihre Managementpräsenz vor Ort ausbauen. Die Stärkung der
lokalen Managementpräsenz wird als wesentlicher Wettbewerbsvorteil gesehen,
da sie ein klares Zeichen gegenüber lokalen Zulieferern und Abnehmern setzt.
Ziel ist zumeist die Schaffung größerer Nähe zum Kunden und damit der Aufbau bzw. die Festigung von Kundenbeziehungen.
Die Präsenz vor Ort kann auf verschiedene Weise erreicht werden. In der Praxis
häufig anzutreffen ist der Auf- bzw. Ausbau von Managementaktivitäten durch
kurz- oder langfristige Entsendungen. Dabei ist zunächst zu entscheiden,
welche Managementfunktionen zukünftig auf lokaler Ebene ausgeführt werden
sollen. In der Regel wird dies vor allem die für die Produktion und den Vertrieb
notwendigen Schlüsselpositionen betreffen. Des Weiteren ist zu klären, ob die
Umstellung ganze Abteilungen oder lediglich einzelne Stellen betreffen soll.
Auswirkung von Entsendungen
Die Erhöhung der Managementpräsenz durch kurz- oder langfristige
Entsendungen wirft neben einer Vielzahl von organisatorischen Aspekten eine
Reihe steuerlicher Fragestellungen auf und sollte daher sorgfältig abgewogen
und beleuchtet werden. Die wesentlichen verrechnungspreisbezogenen
Bereiche betreffen dabei:
● mögliche Konsequenzen aus den Vorschriften zur Funktionsverlagerung
● die Abbildung von Verrechnungen im laufenden Verrechnungspreissystem
● die Begründung von Betriebsstätten und die damit einhergehende
Gewinnermittlung
Im Fokus steht derzeit insbesondere die Anwendbarkeit der Regelungen zu
Funktionsverlagerungen bei Entsendung von Mitarbeitern. Beim Auf- und
Ausbau von Managementaktivitäten durch Entsendungen liegt eine Funktionsverlagerung insbesondere dann vor, wenn im Rahmen einer Personalentsendung das entsendete Personal seinen bisherigen Zuständigkeitsbereich
Transfer Pricing Perspective Deutschland 67
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
aus dem entsendenden Unternehmen beibehält und nach der Entsendung im
übernehmenden Unternehmen die gleiche Tätigkeit ausübt. Dabei ist davon
auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Finanzverwaltung diese
einzelne Stelle als Funktion ansieht und bei einer Verlagerung ins Ausland von
einer Funktionsverlagerung ausgehen wird, umso höher, je höher die Stellung
des Mitarbeiters ist und je mehr Funktionen zu seinem Aufgabenbereich
gehören. Diese Beurteilung drängt sich auf, wenn eine Reduktion der
Funktionen der deutschen Gesellschaft stattfindet und der Mitarbeiter
spezielles Know-how besitzt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob es sich
lediglich um eine Routinefunktion handelt. Die Beurteilung ist letztlich vom
Einzelfall abhängig und insbesondere davon, welche Managementaktivitäten
in welchem Umfang verlagert werden.
Fazit
Als Fazit ist festzuhalten, dass die Verlagerung von Managementaktivitäten
grundsätzlich integrierte Projekte mit vielen zu beachtenden Facetten mit
sich bringt. Die Umsetzung erfordert eine gründliche Analyse der Ziele und
Möglichkeiten sowie eine sorgfältige Planung und Implementierung, um
ungewollte steuerliche Konsequenzen wie Funktionsverlagerungen oder
Begründung von Betriebsstätten zu vermeiden.
5 Nutzung gewerblicher Schutzrechte
durch Vertriebsgesellschaften
Von Dr. Ludger Wellens und Jan Feldtkeller
Beim Verkauf von Waren von einem Hersteller an Vertriebsgesellschaften ist grundsätzlich die Vergütung für die Nutzung von
herstellungs- wie auch vertriebsbezogenen gewerblichen Schutzrechten (z. B. Patenten, Marken) im Warenpreis enthalten. So sieht
es auch die deutsche Finanzverwaltung in ihren Verwaltungsgrundsätzen.
Daneben kann es aber sinnvoll und rechtlich auch zulässig sein, dass die
Vergütung des Herstellers in eine Vergütung für die „reine“ Lieferung der Ware
sowie eine Vergütung für die Nutzung von vertriebsbezogenen, gewerblichen
Schutzrechten, welche oftmals über eine Lizenzstruktur abgebildet wird,
aufgeteilt wird.
Entscheidend ist hierbei, dass es nicht zu einer Doppelverrechnung kommt, was
dann nicht der Fall wäre, wenn die Gesamtvergütung (bestehend aus Produkt-
68 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
preis und Lizenz) insgesamt den Anspruch erheben kann, Fremdvergleichsgrundsätzen zu genügen.
Dennoch gilt es, bei der Erhebung von Vertriebslizenzen an Vertriebseinheiten
einige (erfolgs-)kritische Aspekte zu beachten. Zwei wesentliche Fallstricke
bezogen auf die (Nutzungs-)Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter seien
nachfolgend genannt.
Wann erschöpfen sich herstellungs- sowie vertriebsbezogene
gewerbliche Schutzrechte?
Eine Auslizenzierung gewerblicher Schutzrechte wäre nicht erforderlich und
eine entsprechende Lizenzgebühr somit steuerlich unzulässig, sollte der Inhaber der gewerblichen Schutzrechte – oder mit seiner Zustimmung ein Dritter
– ein von diesen gewerblichen Schutzrechten erfasstes Produkt bereits in den
Verkehr gebracht haben, da sich der Schutz der gewerblichen Schutzrechte
dann bereits erschöpft hätte (Erschöpfungs- bzw. Konsumtionstheorie).
Als „Inverkehrbringen“ ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, durch die
eine Ware mit Zustimmung des Berechtigten aus der internen Betriebssphäre in
die allgemeine Öffentlichkeit des Handelsverkehrs gelangt. Das kann somit
bedeuten, dass durch die Übertragung einer mit Patenten hergestellten und
einem Warenzeichen versehenen Ware auf den Händler diese patent- und
schutzfrei wird und eine Verletzung des Schutzrechts durch den Händler dann
nicht mehr möglich ist. Allerdings wird nach ganz herrschender Meinung in
Rechtsprechung und Literatur ein Inverkehrbringen der Ware und somit die
Erschöpfung entsprechender Schutzrechte regelmäßig erst dann angenommen,
wenn die Ware in den freien Handelsverkehr gebracht wird, also den Konzern
verlässt. Konzerninterne Warenlieferungen sollen nicht zur Erschöpfung der
Rechte führen.
Welche Nutzungsrechte benötigt die Vertriebseinheit?
Zum Vertrieb benötigen die Vertriebseinheiten Nutzungsrechte. Hierzu gehören
markenrechtliche Nutzungsrechte, sofern es sich um „gelabelte“ Produkte
handelt.
Sollte allerdings in den vertriebenen Produkten auch technisches Intellectual
Property (z. B. Patente, Gebrauchsmuster und entsprechende Anmeldungen)
des Herstellers stecken, so benötigen die Vertriebseinheiten ebenfalls die
entsprechenden Nutzungsrechte (bezüglich der zur Herstellung genutzten
Patente). Das Patentrecht kennt verschiedene Nutzungshandlungen; unter
anderem darf ein Erzeugnis, das Gegenstand eines Patents ist, ohne
Zustimmung des Rechteinhabers nicht angeboten oder „in Verkehr gebracht“
werden. Ansonsten wäre es denkbar, dass der jeweilige Rechteinhaber Unter-
Transfer Pricing Perspective Deutschland 69
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
lassungs-, Auskunfts- oder Schadensersatzansprüche anmeldet. Wie oben
dargestellt ist es jedoch gerade die Vertriebseinheit, welche die patentrechtlich
geschützte Ware in den freien Handelsverkehr bringt.
Fazit
Die obigen Ausführungen zeigen, dass grundsätzlich die Vergütung für
gewerbliche Schutzrechte im Warenpreis enthalten ist. Jedoch kann auch über
alternative Lizenzstrukturen nachgedacht werden. In beiden Fällen muss
jedoch bedacht werden, dass die Vertriebseinheit Nutzungsrechte benötigt, da
sie Waren in Verkehr bringt. Daher ist sowohl bei der Ausgestaltung der Lizenzverträge als auch bei reinen Lieferverträgen Vorsicht geboten. Sollten aufgrund
der Gestaltung beide Vertragstypen erforderlich sein, so sollten in jedem Fall
die Liefer- und Lizenzströme in aufeinander abgestimmten Verträgen geregelt
werden, um Doppelverrechnungen für auslizenzierte gewerbliche Schutzrechte
zu vermeiden.
6 Markenstudie 2012: der monetäre Wert einer Marke
Von Dr. Jutta Menninger
Marken existieren nicht nur in den Köpfen der Konsumenten,
sondern auch in den Bilanzen der Unternehmen. Doch wie gelingt
es den Unternehmen, das subjektive Markenempfinden ihrer
Kunden in objektiv messbare und somit bilanzierbare Markenwerte zu transformieren? Dazu haben wir die 100 umsatzstärksten
Unternehmen in Deutschland sowie die Mitglieder des Markenverbands e. V. befragt. Die Studie wurde nach 1999 und 2005
bereits zum dritten Mal durchgeführt und ermöglicht einen
Vergleich der Ergebnisse im Zeitablauf.
Unternehmen schätzen den Wert ihrer Marke: Eine starke Marke gilt als der
wichtigste Garant für den Unternehmenserfolg. Die Befragten beziffern den
Anteil ihrer Marken am Gesamtwert des Unternehmens auf 50 Prozent, im
Vergleich zu 2005 allerdings mit abnehmender Tendenz. Eine nach unserer
Erfahrung eher realistische Einschätzung, da es in den meisten Unternehmen
weitere wesentliche (immaterielle) Werttreiber gibt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass hier vor allem die klassischen „Markenartikelunternehmen“
befragt wurden, das heißt, für Unternehmen anderer Branchen sehen die Werte
sicherlich ganz anders aus.
70 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
Die häufigsten Anlässe für eine Markenbewertung: Transaktionen
und Lizenzierung
Am häufigsten werden Marken aus finanzorientierten Anlässen wie Transaktionen von Unternehmen und Lizenzierungen bewertet. Insgesamt hat es
eine deutliche Verschiebung der Markenbewertungsanlässe gegeben. Marken
werden nicht mehr wie in der Vergangenheit hauptsächlich für marketinggetriebene Zwecke bewertet, sondern zunehmend vor dem Hintergrund finanzorientierten Handelns mit Marken. Entsprechend hat bereits jedes dritte Unternehmen monetäre Markenbewertungen durchführen lassen. Die Bereitschaft
dazu ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – im Vergleich zu 2005
um rund 30 Prozent.
Standardisierung der Markenbewertung
Die Mehrheit der Unternehmen kennt die einschlägigen Standards zur Markenbewertung. Insbesondere im Vergleich zu 2005 ist die Bekanntheit des IDW
S 5 65 deutlich angestiegen. Auch die erst im Jahr 2010 veröffentlichte Norm
DIN ISO 10668 66 erfreut sich einer gleichermaßen hohen Bekanntheit. Über
50 Prozent der bisher durchgeführten Markenbewertungen stehen im Einklang
mit diesen Standards. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen kann sich
vorstellen, Bewertungen künftig nach diesen Standards durchführen zu lassen.
Relevanz der Marken bei der Einkunftsabgrenzung
Ein zunehmendes Spannungsfeld sind in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Sichtweisen der entwickelten Länder und der Schwellenländer.
Dabei wird die lokale Entwicklung einer internationalen Marke gern als
Verdienst des jeweiligen Landes betrachtet und eine entsprechende Vergütung
eingefordert. Beispielhaft sei der Maruti-Suzuki-Fall genannt. 67 Wenig überzeugend ist die reine Fokussierung auf die Marketingaufwendungen im Sinne
eines Bright Line Test. Wovon die Markenverantwortlichen ein leidvolles Lied
singen können, ist die Tatsache, dass viele Marketingaufwendungen nicht
den gewünschten Erfolg erzielen. Die Marktforschung hat daher Verfahren
entwickelt, die die Wirkung der Marketingaktivitäten auf die Markenattribute
erfassen. Diese Messungen werden regelmäßig durchgeführt, sodass die
Positionierung der Marke im Zeitablauf verglichen werden kann. Solche
Informationen können zur Abwehr überzogener Vergütungsforderungen
hilfreich sein.
65
66
67
„Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte“, veröffentlicht im
Jahr 2007 vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. – IDW.
„Markenbewertung – Anforderungen an die monetäre Markenbewertung“,
veröffentlicht vom Deutschen Institut für Normung e. V. – DIN.
Maruti Suzuki India Ltd. versus ACIT Transfer Pricing Officer of New Delhi, W. P. (C)
6876/2008, Entscheidung des Supreme Court of India vom 01.10.2010.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 71
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
Auch im Rahmen der Diskussionen der Working Party 6 (WP 6) der OECD 68
zu den Transfer Pricing Aspects of Intangibles wurden die Bedeutung von
Marken sowie die Möglichkeiten der Wertmessung für die Bestimmung der
Verrechnungspreise intensiv diskutiert. Die in der Markenstudie abgefragten
Standards, wie der IDW S 5 sowie die ISO 10668, wurden dabei ebenfalls
thematisiert. In den aktuellen OECD-Verrechnungspreisrichtlinien wird
allgemein zwischen Marketing Intangibles und Trade Intangibles unterschieden. Das Glossar enthält für das Marketing Intangible folgende Definition:
„An intangible that is concerned with marketing activities, which aids in the
commercial exploitation of a product or service and/or has an important
promotional value for the product concerned.“ Aufgrund der weiten Definition
werden neben Marken auch erfasst: Kundenstamm, Vertriebs-Know-how,
Wettbewerbsverbote etc. Die in der DIN ISO 10668 geforderte Unterscheidung
zwischen Markenzeichen und Marken wurde bei der letzten öffentlichen
Diskussion der WP 6 der OECD im November 2011 als sinnvoll und notwendig
erachtet. Es darf daher erwartet werden, dass der Entwurf für das überarbeitete
Kapitel 6 der OECD-Richtlinien eine präzisere Definition und Abgrenzung der
Intangibles enthält. Dies würde einen signifikanten Beitrag für eine fundierte
Diskussion möglicher unterschiedlicher Auffassungen verschiedener Länder
leisten. Fraglich ist zum Beispiel die von einigen Ländern vertretene Auffassung, dass ein noch aufstrebender Markt mit einer potenziellen hohen
Preisprämie bzw. mit überdurchschnittlichen Margen und einer großen
Nachfrage ebenfalls als Marketing Intangible zu betrachten sei. Zutreffender
erscheint vielmehr die Berücksichtigung solcher Aspekte im Rahmen der
Vergleichbarkeitsanalyse.
Da Marken eine Unique Selling Proposition begründen sollen, liegt die
Vermutung nahe, dass es sich bei Marken per definitionem um einzigartige
Wirtschaftsgüter handelt, die entsprechend zu vergüten sind. Leider klaffen
auch hier Anspruch und Wirklichkeit häufig auseinander. Es gibt Untersuchungen von Marktforschungsunternehmen, die belegen, dass die Mehrzahl
der Marken bestenfalls als mittelmäßig zu bezeichnen ist und dass es im Falle
vieler Marken nicht gelingt, die Mehrkosten für die Markenpositionierung
angemessen vom Markt vergütet zu bekommen. Außerdem besitzen diese
Marken meist eine begrenzte Nutzungsdauer. Es empfiehlt sich daher, bei der
Vergütung für die Nutzung von Marken bzw. für einen Transfer genau hinzusehen, welchen Mehrwert diese tatsächlich generieren. Vor diesem Hintergrund stellt sich außerdem die Frage, ob grundsätzlich ein „hypothetischer
Fremdvergleich“ für die Preisermittlung von Marken notwendig ist oder ob
68
Siehe hierzu die Beiträge „OECD WP – 6 Special Session on the Transfer Pricing
Aspects of Intangibles“, S. 41 ff sowie „OECD veröffentlicht einen ersten Entwurf der
Leitlinien zu immateriellen Wirtschaftsgütern“, S. 43 ff vom aktuellen Jahrbuch 2012.
72 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Brennpunkt „Funktionsverlagerung und immaterielle Wirtschaftsgüter“ – aus der Praxis
nicht zumindest eingeschränkte Fremdvergleichspreise existieren. Wie nicht
anders zu erwarten, hängt die zutreffende Antwort von dem jeweiligen Sachverhalt ab. Es gibt sicher einige Branchen und Produktmarken, für die es
möglich ist, eingeschränkte Fremdvergleichspreise zu ermitteln, die auch den
Vergleichbarkeitskriterien genügen. Sofern Verrechnungspreise für die Übertragung einer Marke bestimmt werden sollen, können diese mittels der Lizenzpreisanalogie errechnet werden. Ist die Vergleichbarkeit jedoch tatsächlich
nicht gegeben, könnte der „hypothetische Fremdvergleich“ anhand kapitalwertorientierter Methoden, wie zum Beispiel der Mehrgewinnmethode, durchgeführt werden.
Die aktuellen Diskussionen mit den Finanzverwaltungen sowie einschlägige
Urteile zeigen, dass das Thema Marken oben auf der Agenda steht.
Erkenntnisse aus der Praxis der monetären Markenbewertung, wie sie in der
Markenstudie 2012 zusammengefasst sind, können daher an der einen oder
anderen Stelle für die Analyse und Argumentation hilfreich sein.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 73
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
D Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Das Jahr 2012 hat gezeigt, dass sich das Betriebsprüfungsklima in Deutschland
im Bereich Verrechnungspreise weiterhin verschärft. Die nachfolgenden
Beiträge setzen sich schwerpunktmäßig mit Themen auseinander, mit denen
Steuerpflichtige und ihre Berater in aktuellen Betriebsprüfungsfällen
konfrontiert werden.
Die Beiträge behandeln dabei die Fragen, ob auch gesellschaftsrechtliche
Beziehungen dokumentationspflichtig sind und welche Folgen der Steuerpflichtige zu befürchten hat, wenn außerordentliche Geschäftsvorfälle nicht
zeitnah dokumentiert wurden. Die Praxis von Verrechnungspreisen in der
Betriebsprüfung zeigt, dass neben fachlichem Know-how vermehrt auch
Verhandlungsgeschick und mediatorische Fähigkeiten eine Rolle spielen. Der
Beitrag „Mediation in Verrechnungspreiskonflikten“ greift dieses Thema auf
und beschreibt die nationale wie internationale Relevanz der Mediation in
Verrechnungspreiskonflikten.
Ein weiterer Beitrag beschäftigt sich mit der aktuellen Rechtsprechung zum
Thema „Anpassung im Rahmen einer Betriebsprüfung aufgrund des Verstoßes
gegen deutsche Formvorschriften“.
Darüber hinaus werden die Widersprüche einer Arbeitnehmerentsendung
nach Verrechnungspreisgrundsätzen und einer Entsendung im Sinne der
sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze dargestellt und die geplanten
Änderungen im Bereich der Versicherungsteuer sowie die vom Finanzgericht
Köln geäußerten europarechtlichen Bedenken gegen die deutschen
Entstrickungsregelungen diskutiert.
1 Geschäftsbeziehungen und gesellschaftsvertragliche
Vereinbarungen: Abgrenzung und Dokumentationspflicht
Von Susann van der Ham und Dr. Michael Jakob
In Betriebsprüfungen sehen sich Steuerpflichtige häufig mit dem
Vorwurf konfrontiert, gesellschaftsvertragliche Vorgänge nicht
dokumentiert zu haben. Es werden Schätzungen und Sanktionen
angedroht. Steuerpflichtige sollten gewappnet sein und ihre
Dokumentationspflichten kennen – aber auch deren Grenzen.
74 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Die Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise bei Vorgängen mit
Auslandsbezug ergeben sich aus § 90 Abs. 3 AO. Die in diesem Rahmen zu
erstellenden Aufzeichnungen erstrecken sich auf Geschäftsbeziehungen mit
nahestehenden Personen im Sinne des § 1 AStG. Was unter einer Geschäftsbeziehung zu verstehen ist, wird in § 1 Abs. 5 AStG erläutert. Danach ist eine
Geschäftsbeziehung jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche
Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung darstellt und Teil
einer Tätigkeit im Sinne der §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG ist.
Der Begriff der schuldrechtlichen Beziehung wird aus § 241 BGB abgeleitet. Das
Schuldverhältnis berechtigt den Gläubiger dazu, vom Schuldner eine Leistung
zu fordern. Dabei sind diejenigen schuldrechtlichen Beziehungen, die zugleich
gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen darstellen, keine Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Abs. 5 AStG und damit nicht dokumentationspflichtig. Grundsätzlich sind also alle schuldrechtlichen Beziehungen relevant,
mit Ausnahme solcher, die – im engeren Sinne – im Gesellschaftsvertrag
geregelt sind oder – im weiteren Sinne – unter diesen zu fassen sind.
Allerdings reicht die bloße Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag nicht aus,
um eine schuldrechtliche Beziehung zu einer gesellschaftsvertraglichen
Vereinbarung zu machen. Umgekehrt kann eine schuldrechtliche Beziehung
durchaus als gesellschaftsvertragliche Vereinbarung anzusehen sein, auch
wenn sie nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt ist. Maßgeblich ist stets der
wirtschaftliche Gehalt der Transaktion: Betrifft die einer Transaktion zugrunde
liegende Regelung die Funktionsfähigkeit bzw. Erhaltung der Gesellschaft,
dann ist sie auch dann gesellschaftsvertraglicher Natur, wenn sie nicht im
Gesellschaftsvertrag selbst schriftlich verankert ist.
Eine gesellschaftsvertragliche Veranlassung könnte zum Beispiel vorliegen,
wenn in einem Konzern die ausländische Tochter einer inländischen Muttergesellschaft als Agent auftritt und unter Verwendung des Logos (Bildmarke)
der Muttergesellschaft deren Produkte vertreibt. Der im Gesellschaftsvertrag
definierte Geschäftszweck ist die Vermittlung von Handelsgeschäften auf
schuldrechtlicher Basis für die Produkte der Muttergesellschaft. Die Agententätigkeit als solche ist daher als schuldrechtliche Beziehung anzusehen. Die
Beistellung des Logos wird nicht explizit im Vertrag geregelt.
Soweit der Agent ohne die Verwendung des Logos der Muttergesellschaft seine
in der Satzung verankerte Funktion (die ausschließliche Vermittlung von
Produkten der Muttergesellschaft) nicht ausüben könnte, ist davon auszugehen,
dass die Beistellung des Logos gesellschaftsvertraglicher Natur ist. Dem steht
nicht im Wege, dass eine konkrete Verankerung im Gesellschaftsvertrag nicht
vorliegt, da es auf den wirtschaftlichen Gehalt der Transaktion ankommt. Im
Transfer Pricing Perspective Deutschland 75
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Ergebnis liegt keine Geschäftsbeziehung „Beistellung einer Bildmarke“ nach § 1
Abs. 5 AStG vor, die dokumentationspflichtig wäre. Vielmehr handelt es sich
um eine Regelung gesellschaftsvertraglicher Natur, die nicht dokumentationspflichtig ist.
Selbst wenn man im vorliegenden Fall die Überlassung des Logos nicht als
eine Regelung gesellschaftsvertraglicher Natur ansähe, bliebe es dennoch
eine fremdübliche, unentgeltliche Beistellung einer Marke, die eindeutig der
Agententätigkeit zuzurechnen und nicht als eigenständige Geschäftsbeziehung
zu dokumentieren wäre. Die Beistellung der Marke wäre also implizit Bestandteil der Geschäftsbeziehung Agententätigkeit.
In der Literatur wird nur die „positive“ Dokumentation diskutiert, also die
Dokumentation nach § 90 Abs. 3 AO für Geschäftsbeziehungen. Es finden sich
keine Hinweise darauf, dass § 90 Abs. 3 AO so auszulegen ist, dass auch im
Fall des Nichtvorliegens einer Geschäftsbeziehung (also z. B. bei gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen) eine Dokumentation anzufertigen ist, und
zwar auch nicht präventiv im Sinne einer Darlegung, dass bzw. warum eine
bestimmte schuldrechtliche Beziehung eine nicht dokumentationspflichtige,
gesellschaftsvertragliche Vereinbarung darstellt. Wenn der Steuerpflichtige
davon ausgehen konnte, dass es sich um eine nicht dokumentationspflichtige,
gesellschaftsvertragliche Vereinbarung handelt, kann insofern auch eine
Betriebsprüfung ihm nicht vorhalten, er habe diesbezüglich keine oder eine
unvollständige oder unverwertbare Dokumentation vorgelegt, und mit
Schätzungen oder Sanktionen drohen. Es bleibt im Übrigen einer Betriebsprüfung unbenommen, zu einem steuerlich relevanten Sachverhalt durch
konkrete Anfragen weitere Unterlagen und Informationen anzufordern, die
den Sachverhalt aufzuklären helfen und die Auffassung des Steuerpflichtigen
darlegen. Allerdings kann es sich für Steuerpflichtige im Einzelfall empfehlen,
bereits im Rahmen der Dokumentation auch auf Transaktionen einzugehen, die
nicht dokumentationspflichtig sind, um langwierige Diskussionen mit der
Betriebsprüfung zu vermeiden.
Fazit
Als Fazit ist festzuhalten, dass eine Dokumentationspflicht dann nicht gegeben
ist, wenn zwar eine schuldrechtliche Beziehung vorliegt, es sich aber um eine
gesellschaftsvertragliche Regelung handelt. Zwar tendiert die Finanzverwaltung
dazu, Geschäftsbeziehungen auch dort anzunehmen, wo einer Transaktion
eine gesellschaftsrechtliche Regelung zugrunde liegt, und entsprechend mit
Schätzungen und Sanktionen zu drohen. Dennoch besteht keine Verpflichtung
des Steuerpflichtigen zu einer „Negativdokumentation“ zum Nachweis, dass
eine Transaktion nicht dokumentationspflichtig ist.
76 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
2 Anpassungen in einer Betriebsprüfung aufgrund
fehlender schriftlicher Verträge: Anmerkungen zum
Urteil des FG Hamburg vom 31. Oktober 2011
Von Holger Lorenzen und Jan Feldtkeller
Bei Betriebsprüfungen kann es zu divergierenden Auffassungen
darüber kommen, ob die Vereinbarungen mit verbundenen ausländischen Unternehmen bestimmten formalen Anforderungen
genügen. Dem wird oftmals entgegengehalten, dass es im Fremdvergleich in erster Linie darauf ankommt, ob die Leistungen
tatsächlich erbracht und angemessen berechnet worden sind.
Insofern gelte der wirtschaftliche Grundsatz „substance over
form“. Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat mit aktuellem
Urteil die Rechtsprechung des FG Köln bestätigt, dass ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eine „Sperrwirkung“ gegenüber
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entfalten kann, wenn das Finanzamt eine
Gewinnkorrektur nach nationalem Recht auf rein formale
Beanstandungen stützt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit
seinem Urteil vom 11. Oktober 2012 die Ansicht der Finanzgerichte
mittlerweile bestätigt. 69
Sachverhalt
Im Streitfall hatte eine niederländische Muttergesellschaft ihrer
100-prozentigen deutschen Tochtergesellschaft mit Rechnung vom
31. Dezember 2004 Aufwendungen von 70.826 Euro in Rechnung gestellt.
Grundlage war ein bereits Ende 2003 mündlich geschlossener Vertrag über die
Erbringung verschiedener konzerninterner Dienstleistungen (concern services
cost-sharing agreement). Dieser Vertrag wurde erst im späteren Verlauf des
Jahres 2004 schriftlich fixiert.
Die Abrechnung der Konzernleistungen erfolgte nach geleisteten Stunden, wobei die Stundensätze auf Basis der Kosten der jeweiligen Konzernabteilungen
mit einem Gewinnaufschlag zwischen 2 Prozent und 7 Prozent kalkuliert
wurden. Hieraus ergaben sich für 2004 Stundensätze von 77 Euro (Information
and Communication Technology) bis 161 Euro (Management Department).
69
Vgl. Gimmler/Lang, Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 2 OECD-MA gegenüber Gewinnanpassungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, in: Ausgabe 17 von Transfer Pricing
Perspective Deutschland, Februar 2013.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 77
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, dass die konzerninterne Dienstleistungsverrechnung gemäß § 8 Abs. 3 KStG im Streitjahr 2004 als verdeckte
Gewinnausschüttung (vGA) zu berücksichtigen sei. Nach der Rechtsprechung
des BFH seien Leistungen zwischen einer Gesellschaft und ihrem beherrschenden
Gesellschafter nur dann anzuerkennen, wenn ihnen eine zivilrechtlich wirksame, vorherige, klare und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung zugrunde
liege. Diese Voraussetzung erfülle der erst im Nachhinein schriftlich fixierte
mündliche Vertrag nicht.
Entsprechende Bescheide wurden im April 2008 erlassen, der Einspruch wurde
mit Entscheidung vom 2. August 2010 als unbegründet zurückgewiesen.
Der im Oktober 2010 erhobenen Klage hat das FG Hamburg in vollem Umfang
stattgegeben und die verbuchten Aufwendungen als Betriebsausgaben
anerkannt.
Nationale Rechtsprechung: vGA kann auf formale Kriterien
gestützt werden
Die höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt eine vGA vor allem dann an,
wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil
zuwendet, den sie einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (materieller
Fremdvergleich).
Bei einem beherrschenden Gesellschafter kann laut Rechtsprechung eine vGA
auch bereits dann anzunehmen sein, wenn es an einer klaren, im Voraus
getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten
Vereinbarung fehlt (formaler Fremdvergleich).
Die obigen Kriterien sind nicht im Sinne von absoluten Tatbestandsvoraussetzungen zu verstehen, sondern vielmehr indiziell dahin gehend zu
würdigen, ob sie den Rückschluss zulassen, dass die betreffenden Leistungen
durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. 70
Das formale Erfordernis geht zudem nicht von einem schriftlichen Vertrag aus,
auch wenn dies aus Dokumentations- und Nachweisgründen empfehlenswert
ist, sondern nur von einem zivilrechtlich wirksamen Vertrag.
Dafür ist die Schriftform aber in der Regel nicht zwingend. Insofern können
Verträge auch mündlich abgeschlossen werden oder sich aus konkludentem
Handeln ergeben.
70
Siehe BFH-Urteil vom 29.10. 1997, Az. I R 24/97.
78 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Das FG Hamburg vertritt hierzu in Tz. 23 des Urteils folgende Auffassung:
„Denn auch bei Geschäften zwischen voneinander unabhängigen Geschäftspartnern kommt es regelmäßig vor, dass rückwirkende Vereinbarungen
getroffen und Leistungen erbracht werden, ohne dass bereits im Voraus eine
Vereinbarung bzw. eine in allen Einzelheiten ausformulierte Vereinbarung
abgeschlossen wurde […].“
Ein DBA kann eine Sperrwirkung gegenüber rein formalen
Korrekturen begründen
DBAs beschränken im Allgemeinen die nach innerstaatlichem Recht
bestehenden Besteuerungsbefugnisse, indem sie festlegen, welcher der
beteiligten Staaten welchen Gewinn der Besteuerung unterwerfen darf.
In diesem Sinne hatte das FG Köln bereits mit Urteil vom 22. August 2007
(EFG 2008, 161) rechtskräftig entschieden, dass Art. 9 OECD-MA eine Sperrwirkung entfaltet, wenn eine Korrektur auf rein formale Beanstandungen
gestützt wird.
Im vorliegenden Fall des FG Hamburg wurde im mündlichen Verfahren einvernehmlich festgestellt, dass die berechneten Aufwendungen materiell nicht zu
beanstanden waren, sodass eine rein formal begründete Betriebsprüfungsanpassung vorlag.
Das FG Hamburg hat sich in seiner Entscheidung ausdrücklich der Auffassung
des FG Köln angeschlossen. Demzufolge komme es nicht darauf an, ob die
den Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen zugrunde liegenden
Bedingungen im Vor- oder erst im Nachhinein vereinbart worden seien.
Dies entspreche der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum, der zufolge
insbesondere die formalen Sonderbedingungen der vGA nach nationaler Rechtsprechung bei grenzüberschreitend verbundenen Unternehmen im Falle eines
Art. 9 OECD-MA entsprechenden DBA unberücksichtigt bleiben müssen.
Folgerungen für die Praxis
Der Fokus dieses Artikels und des FG-Urteils liegt naturgemäß auf der Sperrwirkung des DBA und behandelt nur am Rande die BFH-Rechtsprechung zu
den Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA.
Während das gleichlautende Urteil des FG Köln vom 22. August 2007 nicht
angegriffen wurde, hat die Finanzverwaltung gegen das Urteil des FG Hamburg
vom 31. Oktober 2011 zwischenzeitlich Revision eingelegt (BFH I R 75/11). Mit
Urteil vom 11. Oktober 2012 hat der BFH die Auffassung des FG Hamburg
bestätigt, sodass der Sachverhalt nunmehr höchstrichterlich geklärt ist.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 79
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Aus Sicht des internationalen Steuerrechts ist die aktuelle Rechtsprechung zu
begrüßen. Sie stellt erneut klar, dass ein Vertragsstaat sich nicht auf Kosten
des anderen Vertragsstaats einen höheren Anteil am Unternehmensgewinn
sichern kann, indem er einseitig über den DBA-Text hinausgehende formale
Anforderungen setzt. Ein solches Vorgehen könnte gegebenenfalls durch eine
entsprechende Gesetzgebung (treaty override) gedeckt werden, keinesfalls aber
auf Grundlage einer innerstaatlichen Rechtsprechung erfolgen.
Bei einer anderen Entscheidung wären zudem Auseinandersetzungen mit
ausländischen Finanzverwaltungen vorprogrammiert, da diese in der Regel
keine erhöhten formalen Anforderungen kennen. Im vorliegenden Fall des FG
Hamburg und des dazu ergangenen Revisionsurteils des BFH wären die Niederlande kaum zu einer Gegenkorrektur bereit gewesen, da die konzerninternen
Dienstleistungen unstrittig zum Nutzen der deutschen Gesellschaft angefallen
waren.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass in Nicht-DBA-Fällen
grundsätzlich kein Abkommensschutz besteht und dementsprechend auch
formale Anforderungen zu einer vGA führen können. Erschwerend kommt in
diesen Fällen hinzu, dass in der Regel auch kein Verständigungsverfahren
vorgesehen ist.
Auch wenn ein DBA vorliegt, ist zu prüfen, ob das entsprechende DBA eine Art.
9 OECD-MA entsprechende Klausel enthält.
Aus Sicht der Praxis gilt weiterhin Folgendes: Es bleibt empfehlenswert,
schriftliche Verträge im Vorhinein zu schließen. Dies ist insbesondere aus
Dokumentationsgründen sinnvoll. Zudem ist in vielen Fällen eine vertragliche
Risikozuordnung zwischen den Parteien erforderlich, die nur im Vorhinein
vereinbart werden kann und nicht im Nachhinein, wenn sich das Risiko bereits
realisiert hat.
Soweit ein Vertrag lediglich mündlich geschlossen wurde, sollte dieser aus
Nachweisgründen möglichst zeitig schriftlich fixiert werden. Eine tatsächliche
konkludente Handhabung kann oftmals die mündliche Vereinbarung belegen.
80 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
3 Zeitnahe Dokumentation bei außergewöhnlichen
Geschäftsvorfällen und Folgen einer nachträglichen
Dokumentation
Von Martin Renz und Dr. Isabel Ruhmer
Außergewöhnliche Geschäftsvorfälle gemäß § 90 Abs. 3 Satz 3 AO
erfordern eine zeitnahe Dokumentation und müssen der Finanzbehörde nach Aufforderung innerhalb von 30 Tagen vorgelegt
werden. 71 Welche Folgen eine verspätet erstellte Dokumentation
einerseits und eine verspätete Vorlage andererseits auslösen
können, ist häufig Gegenstand von Diskussionen mit den
Finanzbehörden.
In der Praxis mehren sich die Fälle, in denen bei der Prüfung außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle von den Finanzbehörden vorgehalten wird,
eine Dokumentation sei nicht zeitnah erstellt worden und deshalb seien die
entsprechenden Rechtsfolgen zu ziehen. Vor diesem Hintergrund möchten
wir im vorliegenden Artikel auf die konkreten Rechtsgrundlagen sowie auf
die Folgen einer nachträglichen Dokumentation von außergewöhnlichen
Geschäftsvorfällen eingehen.
Gesetzliche Regelungen
Außergewöhnliche Geschäftsvorfälle im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 3 der AO
erfordern eine zeitnahe Dokumentation. 72 Gemäß § 3 Abs. 1 GAufzV muss eine
Dokumentation innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem sich der Geschäftsvorfall ereignet hat, angefertigt werden, um als
zeitnah zu gelten. Die Finanzbehörde kann die Vorlage solcher Aufzeichnungen
in der Regel nur im Rahmen einer Außenprüfung, dann jedoch mit einer
verkürzten Frist von 30 Tagen, verlangen. 73 Wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige die Dokumentation nicht zeitnah erstellt und dadurch seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 Satz 3 AO verletzt hat, greifen § 162 Abs. 3
Satz 1 und 2 AO, wonach die Finanzbehörde widerlegbar vermutet, dass die
tatsächlichen Einkünfte höher als die erklärten sind, und somit die Einkünfte –
71
72
73
Siehe § 90 Abs. 3 Satz 9 AO.
Eine nicht abschließende Auflistung außergewöhnlicher Geschäftsvorfälle findet sich
in § 3 Abs. 2 GAufzV. Diese umfasst insbesondere Abschlüsse oder Änderungen
langfristiger und gewichtiger Verträge, Vermögensübertragungen im Zuge von
Umstrukturierungen, die Übertragung oder Überlassung von Wirtschaftsgütern im
Rahmen von Funktionsverlagerungen sowie eine erhebliche Änderung der
Geschäftsstrategie.
Siehe § 90 Abs. 3 Satz 6 und 9 AO.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 81
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
gegebenenfalls unter Ausschöpfung einer resultierenden Preisspanne zulasten
des Steuerpflichtigen – zu schätzen hat. Ferner hat die Finanzbehörde einen
Strafzuschlag von bis zu 1 Million Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden
vollen Tag der Fristüberschreitung, festzusetzen. 74
Allgemeine Anmerkungen zu den gesetzlichen Regelungen
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die oben genannten Strafzuschläge
lediglich im Falle einer verspäteten Vorlage, das heißt einer Überschreitung der
30-Tage-Frist, nicht jedoch bei einer verspäteten Erstellung der zeitnahen
Dokumentation festzusetzen sind. Dies ist vermutlich nicht zuletzt dadurch
begründet, dass selten eindeutig festgestellt werden kann, wann Aufzeichnungen tatsächlich erstellt worden sind. 75 Hinsichtlich der aus § 162
Abs. 3 AO folgenden Schätzungsbefugnis ist anzumerken, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in mehreren Fällen,
in denen eine Schätzung der Einkünfte aufgrund einer Verletzung der Mitwirkungspflichten in Erwägung gezogen wurde, zu dem Ergebnis kommt, dass
eine Schätzung des tatsächlichen Einkommens nicht zur Sanktionierung des
Steuerpflichtigen genutzt werden darf. 76
Folgen einer nachträglichen Dokumentation
Die deutsche Finanzverwaltung führt explizit aus, dass im Falle der verspäteten
Erstellung von Aufzeichnungen für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle deren
Beweiswert unter Berücksichtigung der Tatsache der Verspätung (Indiz) zu
würdigen ist. 77 Ferner wird festgehalten, dass der Zweck einer Schätzung die
Ansetzung derjenigen Besteuerungsgrundlagen ist, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit haben und demnach der Wirklichkeit am
nächsten kommen. 78 Es dürfte insofern unstrittig sein, dass auch verspätet
erstellte Dokumentationen bei einer Einkommensschätzung berücksichtigt und
für eine ermessensfehlerfreie Schätzung alle zum Zeitpunkt der Schätzung vorhandenen Informationen (d. h. auch verspätet erstellte sowie verspätet vor-
74
75
76
77
78
Siehe § 162 Abs. 4 Satz 3 AO.
So auch Schreiber in Kroppen: Handbuch Internationale Verrechnungspreise I,
Erläuterungen Verwaltungsgrundsätze zur Einkunftsabgrenzung bei international
verbundenen Unternehmen, BKV Lfg. 7, September 2005, Rn. 148.
Siehe z. B. BFH-Urteil vom 15.05.2002 – X R 33/99: Die Schätzung darf nicht dazu
verwendet werden, „die Steuererklärungspflichtverletzung zu sanktionieren und den
Kläger zur Abgabe der Erklärungen anzuhalten“.
Siehe BMF-Schreiben vom 12.04.2005 – IV B 4 – S. 1341 – 1/05, BStBl. 2005 I,
S. 570 (Verwaltungsgrundsätze Verfahren, Tz. 4.6.1).
Siehe Verwaltungsgrundsätze Verfahren, Tz. 4.5, sowie das dort zitierte BFH-Urteil
vom 19.01.1993, BStBl. 1993 II, S. 594.
82 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
gelegte Unterlagen) verwertet werden müssen. 79 Im Ergebnis ist festzuhalten,
dass nicht zeitnah erstellte Aufzeichnungen nicht für die Frage der Verwertbarkeit der Dokumentation, erst recht jedoch nicht für die Frage der
Angemessenheit einer Preisvereinbarung unbeachtet bleiben dürfen. 80
Fazit
Bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen besteht für den Steuerpflichtigen
eine erhöhte Mitwirkungspflicht, insbesondere im Hinblick auf die zeitnahe
Erstellung der Dokumentation, da sonst eine Schätzung der Besteuerungsgrundlage durch die Finanzbehörde droht. Ausschlaggebend für eventuelle
Strafzuschläge bei außerordentlichen Geschäftsvorfällen ist jedoch nur die
Verletzung der verkürzten Vorlagefrist von 30 Tagen, nicht aber eine Nichteinhaltung der zeitnahen Erstellung. Letztlich ist für den Steuerpflichtigen
wichtig zu wissen, dass auch verspätet erstellte Aufzeichnungen von der Finanzbehörde sowohl bei der Beurteilung der Verwertbarkeit der Dokumentation
als auch bei der Festsetzung des fremdüblichen Verrechnungspreises selbst
Beachtung finden müssen.
4 Mediation bei Verrechnungspreiskonflikten
Von Ronald Steinert und Henning Stemmer
Im Zuge der aktuellen Verabschiedung des neuen Mediationsgesetzes 81 und der anhaltenden Diskussion dazu in der Fachwelt 82
möchten wir der Frage nachgehen, ob die Mediation auch für
Verrechnungspreiskonflikte ein alternativer Streitbeilegungsansatz sein kann.
Die Doppelbesteuerungs-Verständigungs- und EU-Schiedsverfahren sowie
Advance Pricing Agreements stellen die zentralen formellen Instrumentarien
zur Beilegung bzw. Vermeidung von Streitfällen über Verrechnungspreise dar.
Neben diesen klassischen Instrumentarien könnte die Mediation ein alter-
79
80
81
82
So sieht es auch die einschlägige Literatur, siehe z. B. Vögele/Fügemann, in:
Vögele/Borstell/Engler: Verrechnungspreise, 3. Auflage 2011, Kapitel E, Rn. 31.
So auch Schreiber, a. a. O.
Das Gesetz ist – mit über einjähriger Verspätung – am 22.07.2012 in Kraft getreten.
Vgl. Mediationsgesetz vom 21.07.2012, veröffentlicht im BGBl. I 2012, S. 1577.
Vgl. z. B. FAZ vom 11.07., 20.06. und 29.05.2012; Henssler/Deckenbrock, DB 2012,
S. 159; Prütting, AnwBl. 2012, S. 204.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 83
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
nativer Ansatz sein, um Verrechnungspreiskonflikte in der Praxis effizient
und zeitnah zu lösen. 83
Mediation
Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien
mithilfe eines Mediators oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.
Der Mediator wird von den Parteien selbst bestimmt, wobei zum Beispiel eigens
dafür eingerichtete Mediationsstellen der Industrie- und Handelskammern die
Parteien hierzulande bei ihrer Auswahl beraten. Der Mediator ist kein Schiedsrichter und hat keine Entscheidungsgewalt. Er begleitet die Parteien bei
ihren Verhandlungen und hilft ihnen unter Anwendung bewährter Methodik,
gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die den Interessen der Parteien gerecht
werden.
Relevanz auf nationaler Ebene
Vor allem im Rahmen steuerlicher Außenprüfungen entsteht aufgrund der
Komplexität von Verrechnungspreisfällen mit ihren ökonomischen und steuerrechtlichen Facetten oftmals ein beachtliches Konfliktpotenzial, zumal das
Gebiet der Verrechnungspreise in den letzten Jahren regelmäßig ein Prüfungsschwerpunkt war.
In dieser Situation könnte der Einsatz der Mediation dazu dienen, verhärtete
Positionen aufzubrechen und unter Vermeidung von zeit- und kostenintensiven
Auseinandersetzungen eine zukunftsorientierte und tragfähige Lösung herbeizuführen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der Feststellung, dass die
Bestimmung von Verrechnungspreisen keine „exakte Wissenschaft“ 84 ist,
sondern eine Beurteilung im Einzelfall erfordert. Es gibt nicht den einen
richtigen Preis und daher überreichlich Raum für Konfrontationen.
Relevanz auf internationaler Ebene
Die Aktivitäten und Bestrebungen der Finanzverwaltungen auf OECD- und
Einzelstaatsebene zum Einsatz der Mediation bei Verrechnungspreisfällen
bringen die Anerkennung der Mediation und das Bedürfnis nach diesem Mittel
zur Konfliktlösung klar zum Ausdruck. 85
83
84
85
Vgl. Baumhoff/Puls, IStR 2010, S. 802.
Tz. 1.13 OECD-Richtlinien 2010.
Vgl. Institutionalizing Mediation in the OECD Guidelines, www.oecdguidelines.nl/wpcontent/uploads/ annex_7_boston_meeting.pdf; Nias, International Tax Journal 2010,
S. 25.
84 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Denkbare Auswirkungen könnten sich zukünftig vor allem im Rahmen von
Verständigungsverfahren ergeben. Denn dort könnte die Mediation eine
Möglichkeit zur Beschleunigung des Verfahrens sein.
Relevanz auf konzerninterner Ebene
Zur einvernehmlichen Lösung von etwaigen Konflikten auf konzerninterner
Ebene können die Parteien in ihre Intercompany-Verträge eine Mediationsklausel aufnehmen, bei Meinungsverschiedenheiten zunächst ein Mediationsverfahren durchzuführen.
Fazit
Für die Mediation gibt es, nicht zuletzt aufgrund des Fehlens eines geschützten
Berufsbilds, keine wissenschaftlich aufbereiteten Zahlen, doch wird die Erfolgsquote in Deutschland bei etwa 75 Prozent angesetzt. 86 Ob und inwieweit sich
die Mediation als zusätzliches Instrument zur Konfliktlösung in Verrechnungspreisfällen durchsetzen wird, bleibt abzuwarten und muss in der Beratungspraxis weiter erprobt werden.
5 Arbeitnehmerentsendungen ins Ausland:
Verrechnungspreise und Sozialversicherung
Von Hans-Peter Limbach, Verena Ebert und Britta Schmischke
Arbeitnehmerentsendungen ins Ausland gehören zum betrieblichen
Alltag vieler international agierender Konzerne. Dabei spielen aus
Arbeitgebersicht steuerliche, arbeitsrechtliche, sozialversicherungsrechtliche sowie damit einhergehende administrative Fragestellungen eine Rolle. Ein steuerlicher Aspekt aus Verrechnungspreissicht ist die Aufteilung der mit der Entsendung entstehenden
Kosten zwischen dem entsendenden und dem aufnehmenden Unternehmen. Aus Arbeitnehmersicht ist neben der Frage nach der
persönlichen Steuerpflicht insbesondere die Frage nach der Sozialversicherung von Bedeutung.
Aus den zahlreichen rechtlichen Fragestellungen, die sich im Zusammenhang
mit Entsendungen ins Ausland ergeben können, wird im Folgenden nur das
Zusammenspiel zwischen Verrechnungspreisen und Sozialversicherungsrecht
betrachtet.
86
Vgl. Engel, Collaborative Law, 2010, S. 103.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 85
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Verrechnungspreisgrundsätze
Nach deutschen steuerlichen Grundsätzen liegt eine Arbeitnehmerentsendung
dann vor, wenn ein Arbeitnehmer mit seinem bisherigen Arbeitgeber
(entsendendes Unternehmen) vereinbart, für eine befristete Zeit bei einem
verbundenen Unternehmen (aufnehmendes Unternehmen) tätig zu werden,
und das aufnehmende Unternehmen entweder eine arbeitsrechtliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber abschließt oder als wirtschaftlicher Arbeitgeber
anzusehen ist. 87
Die mit der Arbeitnehmerentsendung einhergehenden direkten und indirekten
Kosten sind ohne Gewinnzuschlag von dem Unternehmen zu tragen, in dessen
Interesse die Entsendung erfolgt. 88 Somit ist aus Verrechnungspreissicht zu
prüfen,
● ob die Entsendung ausschließlich im Interesse des aufnehmenden Unternehmens liegt und die Kosten vollständig von diesem Unternehmen zu
tragen sind,
● ob sie ganz oder teilweise im Interesse des entsendenden oder eines
übergeordneten Unternehmens liegt und daher die Kosten von diesem
Unternehmen zu tragen sind, oder
● ob sie im Interesse beider Unternehmen liegt und daher die Kosten
zwischen den beteiligten Unternehmen aufzuteilen sind.
Sozialversicherungsrechtliche Grundsätze
Grundsätzlich richtet sich die Sozialversicherungspflicht nach dem Arbeitsort, das heißt, die Sozialversicherungspflicht besteht im Tätigkeitsstaat. 89 Bei
vorübergehenden Einsätzen bestimmter Mitarbeiter im Ausland kann abweichend von diesem Grundsatz die Sozialversicherung weiterhin im Entsendestaat bestehen, wenn es sich um eine Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne handelt.
Eine Entsendung im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze liegt
vor, wenn sich ein Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers aus dem
Inland ins Ausland begibt, um dort eine Beschäftigung für diesen Arbeitgeber
87
88
89
Tz. 2.1. Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen international
verbundenen Unternehmen in Fällen der Arbeitnehmerentsendung (Verwaltungsgrundsätze Arbeitnehmerentsendung) vom 09.11.2001.
Tz. 2.3 und 3.1 Verwaltungsgrundsätze Arbeitnehmerentsendung.
Vgl. Wellisch/Thiele, Sozialversicherungspflicht bei internationaler Mitarbeiterentsendung – Vorschriften und Gestaltungsmöglichkeiten, IStR 2003, S. 746.
86 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
auszuüben. 90 Dabei kommt es insbesondere darauf an, dass das deutsche
Beschäftigungsverhältnis derart weiter besteht, dass der entsendende Arbeitgeber weisungsbefugt bleibt und der Entgeltanspruch gegenüber dem
entsendenden Arbeitgeber besteht. 91 Dies stellt einen signifikanten Unterschied zur verrechnungspreisrelevanten Entsendung dar.
Dabei ist weiterhin zu unterscheiden, ob ein Sozialversicherungsabkommen
zwischen dem Entsendestaat und dem Zielstaat vorliegt 92 und ob die beteiligten
Staaten der Europäischen Union angehören.
Entsendungen ohne Sozialversicherungsabkommen
Zur Verdeutlichung des Zusammenspiels zwischen Verrechnungspreisen und
Sozialversicherungsrecht und den damit einhergehenden Besonderheiten wird
von folgendem Grundfall ausgegangen: Ein deutsches Unternehmen sendet
seinen Mitarbeiter für zwei Jahre zur Tochtergesellschaft nach Singapur (TG
Singapur). Die TG Singapur soll die Kosten für die Entsendung tragen, da die
Entsendung im wirtschaftlichen Interesse der TG Singapur liegt. Zu diesem
Zweck stellt das deutsche Unternehmen den Arbeitslohn und alle mit der
Entsendung zusammenhängenden Kosten der TG Singapur in Rechnung. Mit
Singapur besteht kein Sozialversicherungsabkommen.
Aus deutscher Verrechnungspreissicht ist der dargestellte Grundfall unproblematisch. Nach den oben genannten deutschen Verrechnungspreisgrundsätzen trägt das Unternehmen die Kosten der Entsendung, in dessen
wirtschaftlichem Interesse die Entsendung erfolgt – hier die TG Singapur. Ein
Gewinnaufschlag ist steuerlich nicht angezeigt, da es sich bei der Entsendung
gerade nicht um eine Dienstleistung handelt.
Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht stellt sich der Sachverhalt allerdings
anders dar. Eine Entsendung zu einer ausländischen Beteiligungsgesellschaft
im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze liegt nur vor, wenn die
Entsendung im wirtschaftlichen Interesse des inländischen Unternehmens
erfolgt, das heißt die Tätigkeit des Arbeitnehmers wirtschaftlich dem inländischen Unternehmen zugerechnet werden kann. 93 Zudem muss das
Arbeitsentgelt weiterhin bei dem inländischen Unternehmen als
90
91
92
93
Tz. 3.1 der Richtlinie zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei
Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV) vom 02.11.2010 (Aus- und
Einstrahlungs-RL).
Tz. 3.3 Aus- und Einstrahlungs-RL.
Bilaterale Abkommen über soziale Sicherheit hat die BRD zurzeit u. a. mit Australien,
China, Indien, Kanada und den USA.
Vgl. Tz. 3.3.3 Aus- und Einstrahlungs-RL.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 87
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Betriebsausgabe steuerrechtlich geltend gemacht werden. 94 Wird das
Arbeitsentgelt vom ausländischen verbundenen Unternehmen getragen, da die
erbrachte Arbeitsleistung diesem wirtschaftlich zuzurechnen ist, liegt keine
Entsendung im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze vor. 95
Als Konsequenz würde der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall nicht mehr
der deutschen Sozialversicherung unterliegen und müsste eventuell Nachteile
bei den Rentenansprüchen und den Ansprüchen bei Arbeitslosigkeit in
Kauf nehmen.
Um persönliche Nachteile für den Arbeitnehmer zu vermeiden, könnte der
Arbeitgeber einen Antrag auf Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung stellen. Dieser Antrag ist zwingend vor der Entsendung einzureichen, sodass zusätzlicher administrativer Aufwand für den Arbeitgeber
(das deutsche Unternehmen) anfällt. Der administrative Aufwand erhöht sich
signifikant, wenn der Arbeitnehmer nicht zwei Jahre durchgehend ins Ausland
entsendet wird, sondern innerhalb eines Jahres mehrmals für einige Wochen
bei der ausländischen Tochtergesellschaft tätig ist. Der Antrag auf Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist in diesem Fall vor jeder
Entsendung zu stellen. Ferner wäre zu prüfen, ob im Bereich der gesetzlichen
Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften) eine freiwillige Auslandsunfallversicherung abgeschlossen werden kann.
Der Mitarbeiter selbst kann für die Dauer der Auslandsbeschäftigung einen
Antrag auf Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung stellen.
Dieser Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der Auslandsbeschäftigung zu stellen.
Wie bereits oben dargestellt, ist es aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht
angezeigt, dass der Arbeitslohn während der Auslandsbeschäftigung des Arbeitnehmers als Betriebsausgabe bei dem deutschen Unternehmen steuerlich
abzugsfähig bleibt. Dies könnte erreicht werden, wenn mit der ausländischen
Gesellschaft eine Dienstleistungsvereinbarung geschlossen und neben den
Kosten ein zusätzlicher Gewinnaufschlag berechnet wird. Hierbei bleibt jedoch
zu beachten, dass es sich dabei nicht um eine Entsendung im Sinne der
Verrechnungspreisgrundsätze, sondern eben um eine Dienstleistung handelt.
94
95
Vgl. Tz. 3.3.3 Aus- und Einstrahlungs-RL.
Vgl. Wellisch/Thiele, Sozialversicherungspflicht bei internationaler Mitarbeiterentsendung – Vorschriften und Gestaltungsmöglichkeiten, IStR 2003, S. 746.
88 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Entsendungen mit Sozialversicherungsabkommen
oder ins EU-Ausland
Anders gestaltet sich der Fall, wenn das deutsche Unternehmen Arbeitnehmer
befristet für zwei Jahre zur Tochtergesellschaft in den USA (TG USA) bzw. in
Frankreich (TG Frankreich) entsendet. Den aufnehmenden Gesellschaften
sollten auch hier die Gehaltskosten sowie sonstige durch die Entsendung
verursachte Kosten in Rechnung gestellt werden.
Aus steuerlicher Sicht ergeben sich keine Abweichungen von dem oben
dargestellten Fall.
Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht liegt nun die Besonderheit darin, dass
Deutschland mit den USA ein Sozialversicherungsabkommen geschlossen hat
bzw. es sich bei der Entsendung zur TG Frankreich um eine innereuropäische
Entsendung handelt. Auch bei Entsendungen in Länder, mit denen ein
Sozialversicherungsabkommen besteht, ist es erforderlich, dass die Entsendung
im wirtschaftlichen Interesse des entsendenden Unternehmens erfolgt. 96 Ob
eine Entsendung im Sinne des bilateralen Sozialversicherungsabkommens
vorliegt, ist nach den gleichen Grundsätzen wie bei Entsendungen in das
sogenannte vertragslose Ausland (siehe ersten Fall oben) zu prüfen.
Sofern das aufnehmende Unternehmen die Kosten trägt und somit eine
Entsendung im Sinne des bilateralen Abkommens über soziale Sicherheit nicht
vorliegt, bietet das Sozialversicherungsabkommen mit den USA (wie alle
anderen bilateralen Abkommen, die Deutschland mit diversen Staaten
geschlossen hat) die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten,
sofern ein begründetes Interesse des Arbeitnehmers vorliegt, im Sozialversicherungssystem des Entsendestaats zu verbleiben. 97 Durch die
Beantragung der Ausnahmegenehmigung obliegen dem deutschen Unternehmen wiederum zusätzliche administrative Pflichten. In Bezug auf die
bestehenden bilateralen Abkommen über soziale Sicherheit ist zu beachten,
dass diese nicht immer alle Sozialversicherungszweige erfassen und daher
weitere Feststellungen hinsichtlich einer weiteren Anwendung des deutschen
Sozialversicherungsrechts notwendig sind.
Bei Entsendungen innerhalb der EU ist es maßgeblich, dass der Arbeitsvertrag
und der daraus entstehende Entgeltanspruch des Arbeitnehmers gegenüber
dem entsendenden Unternehmen während des Entsendezeitraums bestehen
bleiben – unabhängig davon, wer die Arbeitnehmervergütung wirtschaftlich
96
97
Vgl. Wellisch/Thiele, Sozialversicherungspflicht bei internationaler Mitarbeiterentsendung – Vorschriften und Gestaltungsmöglichkeiten, IStR 2003, S. 746.
Art. 6 Abs. 2 Sozialversicherungsabkommen Deutschland – USA.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 89
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
trägt. 98 Liegt eine Entsendung im Sinne des EU-Rechts nicht vor, besteht auch
hier die Möglichkeit einer Ausnahmevereinbarung, um den Mitarbeiter im
deutschen Sozialversicherungsrecht zu belassen.
Fazit
Der Widerspruch zwischen einer Entsendung nach Verrechnungspreisgrundsätzen und einer Entsendung im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen
Grundsätze kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer ungewollt aus dem
deutschen Sozialversicherungssystem ausscheidet. Insofern sind die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen bei der Ausgestaltung der jeweiligen
Entsendung genau zu prüfen und die notwendigen Anträge rechtzeitig zu
stellen. Alternativ kann es im Einzelfall sinnvoll sein, einen Dienstleistungsvertrag mit einer fremdüblichen Vergütung zwischen den beteiligten Unternehmen im Zusammenhang mit einer Beschäftigung von Mitarbeitern im Ausland zu vereinbaren. Allerdings liegt in einem solchen Fall keine Entsendung,
sondern eine Dienstleistungsvereinbarung vor.
6 Geplante Änderungen des Versicherungsteuergesetzes
und ihre Auswirkungen auf globale Versicherungsverträge
Von Mirja Pollack und Gerd Reinke
Die Bundesregierung hat einen Entwurf des Verkehrsteueränderungsgesetzes veröffentlicht, der wahrscheinlich ab
1. Januar 2013 unter anderem wesentliche Änderungen im
Bereich der Versicherungsteuer zur Folge haben wird. 99 Die
darin enthaltenen Neuregelungen können auch Auswirkungen
für deutsche Konzerngesellschaften bzw. Betriebsstätten haben,
die in einen globalen Versicherungsvertrag einbezogen sind.
Hintergrund
Durch die Gesetzesänderung ist für Versicherungsverträge mit Nicht-EU/EWRVersicherern (sog. Drittlandversicherern) eine Erweiterung der deutschen
Versicherungsteuerpflicht zu erwarten. Dies betrifft unter anderem globale
98
99
Vgl. Wellisch/Thiele, Sozialversicherungspflicht bei internationaler Mitarbeiterentsendung – Vorschriften und Gestaltungsmöglichkeiten, IStR 2003, S. 746.
Am 25.10.2012 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur
Änderung des VerStG in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung (BT-Drs.
17/11183) beschlossen. Der Bundesrat hat diesem am 23.11.2012 zugestimmt (BRDrs. 634/12), sodass das Gesetz am 05.12.2012 verkündet werden konnte (BGBl.
2012 I, S. 2431).
90 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Versicherungsverträge zwischen einem Drittlandversicherer und einem
ausländischen, weltweit tätigen Konzern, der die deutschen und weitere
Konzerngesellschaften bzw. Betriebsstätten abdeckt. Bisher kommt für diese
Versicherungsverträge die Erhebung deutscher Versicherungsteuer nur eingeschränkt bzw. bei Vermögensschadenversicherungen (z. B. globaler Haftpflichtversicherung) gar nicht in Betracht, obwohl „deutsche Risiken“ wirtschaftlich abgesichert werden.
Nach dem Gesetzentwurf reicht für die Versicherungsteuerpflicht von
Verträgen mit Drittlandversicherern nunmehr der unmittelbare oder mittelbare
Bezug des Versicherungsverhältnisses auf ein Unternehmen oder eine Betriebsstätte in Deutschland aus. Dadurch könnten jetzt auch Konzernversicherungen
für alle Schäden erfasst werden, durch die deutsche Tochtergesellschaften bzw.
Betriebsstätten mitversichert sind.
Auswirkungen der geplanten Gesetzesänderung
In Zukunft könnte also in den oben beschriebenen Vertragskonstellationen
zusätzlich deutsche Versicherungsteuer anfallen. In Einzelfällen ist sogar eine
doppelte Versicherungsteuerbelastung im In- und Drittland denkbar.
Hat ein Drittlandversicherer in der EU bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) weder eine Betriebsstätte noch einen zur Entgegennahme des
Versicherungsentgelts bestellten Bevollmächtigten, wäre die ausländische
Konzernobergesellschaft als Versicherungsnehmerin und Steuerentrichtungsschuldnerin für die unter Umständen monatliche Anmeldung und Abführung
der deutschen Versicherungsteuer zuständig. Darüber hinaus haftet sie für
die deutsche Versicherungsteuer und muss nunmehr auch Aufzeichnungen
führen, die bestimmte Mindestangaben zum Versicherungsvertrag und seiner
deutschen versicherungsteuerlichen Behandlung enthalten (strafbewehrte
Sanktionen bei Nichteinhaltung der Aufzeichnungspflichten sind bisher nicht
im Gesetzentwurf vorgesehen).
Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten, die durch einen globalen
Versicherungsvertrag Versicherungsschutz genießen, könnten ergänzend als
Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Dies ermöglicht der
deutschen Finanzverwaltung direkte Zugriffsmöglichkeiten auf die deutschen
Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten, die ebenfalls die oben genannten
Aufzeichnungen führen müssen.
Handlungsbedarf
Kosten für globale Versicherungsverträge werden oftmals im Rahmen einer
Umlage anteilig an die Konzernunternehmen verrechnet. Bei deutschen
Tochtergesellschaften und Betriebsstätten, die durch einen globalen
Transfer Pricing Perspective Deutschland 91
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Versicherungsvertrag mit einem Drittlandversicherer Versicherungsschutz
genießen, sollte deshalb Folgendes in Erwägung gezogen werden:
● Abgleich bestehender Umlageverträge, ob darin enthaltene Versicherungsprämien künftig der deutschen Versicherungsteuer unterliegen
● Information der Muttergesellschaft über die möglichen Auswirkungen der
Änderungen des Versicherungsteuergesetzes für den Konzern
● Sicherstellung, dass im Falle einer zukünftigen deutschen Versicherungsteuerbelastung die notwendigen internen Compliance-Prozesse sowohl in
der Muttergesellschaft als auch in der deutschen Tochtergesellschaft bzw.
Betriebsstätte implementiert werden
7 AdV-Beschluss des FG Köln: Entstrickungsbesteuerung
europarechtlich zweifelhaft
Von Martin Renz und Daniela Kiel-Hammer
Das Finanzgericht (FG) Köln hat ernstliche europarechtliche
Zweifel hinsichtlich der zwangsweisen gewinnerhöhenden Auflösung eines nach den Grundsätzen des Betriebsstättenerlasses 100
gebildeten Ausgleichspostens nach Ablauf von zehn Jahren
anlässlich der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte geäußert. 101
Gegenstand der Entscheidung
In dem vorliegenden Fall gründete die Klägerin eine Betriebsstätte in Belgien,
der aufgrund des funktionalen Zusammenhangs im Jahr 1998 auch eine
Beteiligung mit hohen stillen Reserven zugeordnet wurde. Aufgrund von
Tz. 2.6.1 des Betriebsstättenerlasses wurde für steuerliche Zwecke ein Ausgleichsposten gebildet, der nach zehn Jahren (also 2008) steuerwirksam
aufgelöst wurde, ohne dass die stillen Reserven realisiert wurden. Im
Rahmen der Veranlagung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen 2008 löste das Finanzamt schließlich den
gebildeten passiven Ausgleichsposten gewinnerhöhend auf.
Das FG hatte gegen die zwangsweise Auflösung und entsprechende
Besteuerung der stillen Reserven, ohne dass diese tatsächlich realisiert
100
101
BMF-Schreiben vom 24.12.1999: Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der
Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen,
BStBl. 1999 I, S. 1076.
Beschluss vom 16.11.2011, Az. 10 V 2336/11, DStRE 2012, S. 329.
92 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
wurden, erhebliche Bedenken, zweifelte an der Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsakts und stimmte der Aussetzung der Vollziehung zu.
Konsequenzen für die nationale Entstrickungsbesteuerung
Entscheidend für einen Verstoß gegen EU-Recht ist für den vorliegenden Sachverhalt, ob die nationale Entstrickungsbesteuerung die Niederlassungsfreiheit
gemäß Art. 49 AEUV unverhältnismäßig beschränkt.
Ausgehend vom Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache „National Grid Indus B.V.“ widerspricht eine sofortige Besteuerung der
stillen Reserven grundsätzlich der Niederlassungsfreiheit, solange die tatsächliche Realisierung der stillen Reserven noch nicht erfolgt ist. Sowohl der
Betriebsstättenerlass als auch die allgemeinen Entstrickungsregelungen der
§ 12 KStG und § 4 Abs. 1 EStG sehen zwar keine sofortige Besteuerung vor,
jedoch erfolgt die Besteuerung der stillen Reserven durch die Bildung des
passiven Ausgleichspostens spätestens nach zehn Jahren bzw. nach § 4g EStG
auf fünf Jahre gestreckt, auch wenn keine tatsächliche Realisierung der stillen
Reserven erfolgte. Daher sind diese Regelungen nicht geeignet, einen Verstoß
gegen die Niederlassungsfreiheit auszuschließen.
So hatte bereits das FG Rheinland-Pfalz den Betriebsstättenerlass als unvereinbar mit der Niederlassungsfreiheit angesehen, soweit die Zuordnung
eines Wirtschaftsguts zu einer Betriebsstätte im EU-Ausland – im Gegensatz
zu reinen Inlandsfällen – zu einer Besteuerung der stillen Reserven führt. 102
Im anschließenden Revisionsverfahren hat der Bundesfinanzhof diese Frage
allerdings offengelassen, da er nach Aufgabe der finalen Entnahmetheorie
nicht mehr von einem Besteuerungstatbestand ausging. 103
Aktuelle Brisanz bekommt dieses Thema auch durch die geplante Änderung des
§ 1 AStG, wonach die Überführung eines Wirtschaftsguts auf eine ausländische
Betriebsstätte auch in den Anwendungsbereich dieser Einkünftekorrekturnorm
fallen soll. Auch wenn der Gesetzentwurf gemäß § 1 Abs. 5 Satz 6 AStG neu vorsieht, dass die Möglichkeit, einen Ausgleichsposten nach § 4g EStG zu bilden,
nicht eingeschränkt werden soll, dürften im Hinblick auf die oben genannte
Rechtsprechung des EuGH die geplanten Änderungen des § 1 AStG erheblichen
europarechtlichen Bedenken begegnen. Das Urteil des FG Köln unterstreicht,
dass diese Sichtweise offenbar auch von den deutschen Finanzgerichten geteilt
wird.
102
103
Urteil vom 17.01.2008, Az. 4 K 1347/03, DStRE 2008, S. 1056.
Urteil vom 28.10.2009, Az. I R 28/08, BFH/NV 2010, S. 432.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 93
Aktuelle Entwicklungen im nationalen Recht
Fazit
Welche Bedeutung der AdV-Beschluss für die nationale Entstrickungsbesteuerung haben wird, bleibt offen. Es ist abzuwarten, wie das FG Köln
in der Hauptsache abschließend entscheiden wird. In Bezug auf die geplante
Änderung des § 1 AStG wäre wünschenswert, dass eine entsprechende Regelung
aufgenommen wird, die eine Steuerstundung bis zur tatsächlichen Realisierung
der stillen Reserven vorsieht.
94 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
E Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Die nachfolgenden Beträge fassen die wichtigsten internationalen Verrechnungspreisentwicklungen zusammen, soweit sie nicht an anderer Stelle in diesem
Buch diskutiert werden. Im Fokus stehen dabei vor allem Neuerungen und
Verschärfungen bei den Dokumentationsvorschriften, APA-Regimen und den
Doppelbesteuerungsabkommen diverser Länder in Europa, Amerika und Asien.
Daneben werden Betriebsprüfungserfahrungen, veröffentlichte verrechnungspreisrelevante Schreiben lokaler Finanzverwaltungen sowie aktuelle Rechtsprechungen in verschiedenen Ländern dargestellt.
1 Europa
1.1 Albanien: Doppelbesteuerungsabkommen
Von Mirja Pollack und Verena Ebert
Bereits am 6. April 2010 wurde das erste Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Albanien und Deutschland (DBA D – ALB)
unterzeichnet.
Das Abkommen ist am 23. Dezember 2011 in Kraft getreten und damit ab dem
Veranlagungszeitraum 2012 anzuwenden. Es orientiert sich im Wesentlichen
am OECD-Musterabkommen. Jedoch bestehen auch Abweichungen – zum
Beispiel entsteht eine Montagebetriebsstätte bereits, wenn die Dauer von
neun Monaten überschritten wird (Art. 5 Abs. 3 DBA D–ALB). Weitere Abweichungen bestehen in Zusammenhang mit Künstlern und Sportlern (Art. 17),
selbstständiger Arbeit (Art. 14, Anlehnung an das UN-Musterabkommen) und
bei Veräußerungsgewinnen (Art. 13 Abs. 6 DBA D–ALB).
1.2 Dänemark: Verschärfung der
Dokumentationsvorschriften
Von Gert Wöllmann und Jan Luft
Zur Steigerung der Steuereinnahmen verabschiedete die dänische
Regierung ein neues Gesetz zu Verrechnungspreisen.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 95
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Gemäß der Neuregelung kann die dänische Steuerverwaltung, nachdem sie eine
Dokumentation angefordert und geprüft hat, vom Steuerpflichtigen zusätzlich
einen Bericht eines Wirtschaftsprüfers verlangen. Dieser Bericht ist innerhalb
von 90 Tagen vorzulegen und soll bestätigen, dass die Transaktionen mit
verbundenen Unternehmen unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes
verrechnet wurden. Der Wirtschaftsprüferbericht ist für die Finanzverwaltung
nicht bindend. Die Regelung soll jedoch nur für Unternehmen mit Verlusten in
den letzten vier Jahren gelten oder für grenzüberschreitende Transaktionen mit
Ländern außerhalb der Europäischen Union, die kein Doppelbesteuerungsabkommen mit Dänemark abgeschlossen haben.
Bei einer unzureichenden Verrechnungspreisdokumentation oder einer
Beantwortung weiterer Anfragen kann ein Bußgeld in Höhe von circa
35.000 Euro pro Wirtschaftsjahr erhoben werden zuzüglich eines Zuschlags
von 10 Prozent des Mehrbetrags der berichtigten Einkünfte. Das Bußgeld kann
um 50 Prozent reduziert werden, falls nach erfolgter Prüfung eine ordnungsgemäße Dokumentation nachgereicht wird. Zurzeit beträgt das Bußgeld das
Zweifache der aufgrund der Nichterstellung einer Dokumentation vom Steuerpflichtigen gesparten Kosten, zuzüglich 10 Prozent auf die Einkommenskorrektur.
1.3 Italien: EU-Initiative zum Strafzuschlagssystem
Von Jobst Wilmanns, Kevin Lüking und Stefanie Dengel
In letzter Zeit konnten wir – neben der teilweise aggressiven
Prüfungsweise der italienischen Steuerbehörden – zunehmend
Probleme mit den italienischen verfahrensrechtlichen Regelungen
bezüglich Strafzuschlägen bei Betriebsprüfungen beobachten.
Die italienischen Steuerbehörden erheben auf die zusätzlich festgesetzte Steuer,
die sich aus Einkommensanpassungen im Rahmen von Betriebsprüfungen
ergibt, einen Strafzuschlag. Dieser ist derart gestaltet, dass ein Steuerpflichtiger
dafür „belohnt“ wird, wenn er die von den italienischen Steuerbehörden zusätzlich festgesetzte Steuer möglichst zeitnah annimmt. Akzeptiert der Steuerpflichtige die Anpassungen der italienischen Steuerbehörden binnen maximal
90 Tagen, reduziert sich dieser Strafzuschlag auf ein Sechstel der zusätzlich
festgesetzten Steuer. Wenn der Steuerpflichtige hingegen die Einkommensanpassungen der italienischen Steuerbehörden nicht akzeptiert und Rechtsmittel einlegt, in das Verständigungsverfahren nach dem Doppelbesteuerungsabkommen oder in das Verständigungs- und Schiedsverfahren nach der EUSchiedskonvention geht, erhöht sich die Strafgebühr automatisch auf 100 bis
200 Prozent. Darüber hinaus wird häufig parallel ein Steuerstrafverfahren
96 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
eingeleitet, das den Weg in das EU-Schiedsverfahren verschließt (wenn eine
Verurteilung stattfindet) oder zumindest zeitlich hemmt, solange das Verfahren
anhängig ist. Sollte sich im Rahmen des Gerichtsverfahrens oder des
Verständigungsverfahrens bzw. Schiedsspruchs kein Ergebnis einstellen,
welches das ursprünglich erklärte Einkommen des Steuerpflichtigen in voller
Höhe bestätigt, muss dieser einen Strafzuschlag von mindestens 100 Prozent
entrichten, was zwangsläufig zu einer Doppelbesteuerung führt. Gerade im
Bereich der Verrechnungspreise, wo die von den italienischen Steuerbehörden
aufgerufenen Anpassungsbeträge häufig signifikant sind und daher vom Steuerpflichtigen oft nicht zeitnah akzeptiert werden können, stellt dieses Strafzuschlagssystem ein enormes steuerliches Risiko dar und führt regelmäßig zu
Doppelbesteuerungen.
Argumentation gegen das italienische Strafzuschlagssystem
Obwohl die italienischen Strafzuschlagsregelungen sowohl bei grenzüberschreitenden als auch bei inländischen Fällen angewendet werden, liegt
möglicherweise ein Verstoß gegen geltende EU-Prinzipien vor. Es gibt gute
Gründe, gerade bei Verrechnungspreisfällen gegen das italienische Strafzuschlagssystem zu argumentieren:
● Da italienische Verrechnungspreisvorschriften nur auf grenzüberschreitende
Sachverhalte Anwendung finden und damit eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit vorliegt, könnten italienische Strafzuschläge, die auf
Verrechnungspreisanpassungen zurückzuführen sind, dazu führen, dass eine
steuerliche Berichtigung stattfindet, die der Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) vom 21. Januar 2010 (C-311/08) entgegensteht.
Entsprechend diesem Urteil sollen steuerliche Anpassungen nicht über das
hinausgehen, was als fremdvergleichskonform anzusehen ist. Die zusätzliche
Erhebung von Strafzuschlägen führt dagegen regelmäßig zu einer Anpassung, die über das Fremdvergleichsniveau hinausgeht.
● Da keine Strafzuschläge erhoben werden, falls der Steuerpflichtige den
Behörden rechtzeitig eine Verrechnungspreisdokumentation vorlegt, die den
Vorgaben vollumfassend entspricht, können die Anforderungen an die
Dokumentation ausführlicher sein, als es für eine Überprüfung der Angemessenheit notwendig wäre. In diesem Sinne könnte auch ein Verstoß
gegen das genannte EuGH-Urteil vorliegen, das dem Steuerpflichtigen die
Möglichkeit einräumt, Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den
Abschluss des Geschäfts beizubringen, ohne ihn übermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen.
● Die Inanspruchnahme eines Rechtsbehelfs gegen das Vorgehen der
italienischen Steuerbehörden erhöht die angesetzten Strafzuschläge in
überdurchschnittlicher Höhe, wodurch faktisch zahlreiche Steuerpflichtige
davon abgehalten werden, ihre Rechte durchzusetzen. Zudem kann Italien
kein faires Verfahren und somit keinen wirksamen Rechtsbehelf garantieren,
Transfer Pricing Perspective Deutschland 97
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
● Die Strafzuschläge werden ohne Rücksicht auf mögliche Entlastungstat-
bestände erhoben. Infolgedessen sind die Gesetze unverhältnismäßig, da
hier eine unwiderlegbare Vermutung einer Verfehlung des Steuerzahlers
unterstellt wird.
● Bei Verrechnungspreisfällen hindert das italienische System mit seinen
Strafzuschlägen den grenzüberschreitenden Handel sowie Investitionen
im eigenen Land. Aus diesem Grund besteht ein Konflikt mit dem
europäischen Binnenmarkt.
1.4 Liechtenstein: Aktuelles bei den
deutschen Doppelbesteuerungsabkommen
Von Mirja Pollack und Verena Ebert
Zusätzlich zu dem bereits seit 2009 bestehenden Auskunftsabkommen haben das Fürstentum Liechtenstein und Deutschland
am 17. November 2011 ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
geschlossen. Ziel des DBA ist es, die wirtschaftlichen Beziehungen
und gegenseitigen Investitionen zu verbessern. Dies wird beispielsweise durch Verzicht auf Quellensteuern für bestimmte Dividenden,
Zinsen und Lizenzen erzielt.
Hinzuweisen ist insbesondere auf folgende Vereinbarungen:
● Art. 7 des Abkommens ist an Art. 7 OECD-MA 2010 angelehnt und enthält
eine uneingeschränkte Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte.
● Sofern die beteiligten Staaten im Rahmen eines Verständigungsverfahrens
keine Einigung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erzielen konnten,
wird die Besteuerung im Rahmen eines Schiedsverfahrens geregelt.
Das DBA Deutschland – Liechtenstein ist zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten.
98 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
1.5 Niederlande: APAs für sogenannte Back-to-backGesellschaften in den Niederlanden – Änderungen
in der Verfahrensweise der Finanzverwaltung
Von Susann van der Ham, Guido Schepers und Lorenz Leonhardt
Viele multinationale Unternehmen nutzen die Niederlande als
Standort für ihre Back-to-back-Finanzierungs-, Leasing- und
Lizenzaktivitäten. Die niederländische Finanzverwaltung ist
generell daran interessiert, mit diesen sogenannten Back-to-backGesellschaften oder Durchleitungsunternehmen (unilateral)
Vorabverständigungsverfahren abzuschließen. Solche Advance
Pricing Agreements (APAs) verschaffen den Steuerpflichtigen
im Voraus Klarheit über die Fremdvergleichskonformität der
Vergütung für die niederländische Tochtergesellschaft. Unter
anderem vor dem Hintergrund der erneuten Diskussion innerhalb
der OECD bezüglich des Begriffs „wirtschaftliches Eigentum“
(„beneficial ownership“) hat die niederländische Finanzverwaltung Ende 2011 ihre Verfahrensweise bei der Behandlung
von APAs für bestimmte Arten von Durchleitungsstrukturen
geändert („außerordentliche Durchleitungsstrukturen“).
Im Vergleich zu den bisherigen Regelungen macht die geänderte Verfahrensweise es erforderlich, dass für diese außerordentlichen Durchleitungsstrukturen
zusätzlich folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Geschäftstätigkeit/Substanz
Neben den bisherigen Substanzkriterien müssen nun zusätzlich drei neue Vollzeitarbeitskräfte eingestellt werden. Diese Bedingung ist insbesondere dann
nicht erfüllt, wenn Mitarbeiter von bestehenden niederländischen Konzerngesellschaften entsendet oder verrechnet werden.
Höheres Eigenkapital
Im Einklang mit der erneuten Diskussion innerhalb der OECD über „wirtschaftliches Eigentum“ muss ein höherer Eigenkapitalbetrag ausgewiesen
werden (wobei die neuen Vollzeitarbeitskräfte damit beauftragt sind, dieses
erhöhte Eigenkapital zu verwalten). Hierzu hat die niederländische Finanzverwaltung allerdings absichtlich keine allgemeinen Richtlinien herausgegeben,
sodass die exakte Höhe des Eigenkapitals von Fall zu Fall zu bestimmen ist. Es
ist denkbar, dass die niederländische Finanzverwaltung hierfür auf die BaselRaten zurückgreifen wird.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 99
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Höhere Vergütung
Dementsprechend sollte die Vergütung für die übernommenen (Finanzierungs-)
Funktionen („Bearbeitungsgebühr“) sowie für die verbundenen Risiken im
Verhältnis zum Eigenkapital („Risikoprämie“) höher sein.
Für einige Arten von Durchleitungsstrukturen bedeutet die Änderung
der Verfahrensweise der niederländischen Finanzverwaltung eine
Verkomplizierung der derzeitigen Voraussetzungen für die Gewährung eines
APA in den Niederlanden. Allerdings hat die niederländische Finanzverwaltung
zusätzlich aufgezeigt, dass sie im Rahmen der neuen Verfahrensweise dazu
bereit ist, APAs bei Durchleitungsstrukturen abzuschließen, die bis jetzt noch
nicht für ein APA in den Niederlanden infrage kamen. Beispiele solcher
Strukturen sind doppelstöckige Strukturen zum Aufbau einer „Eigenkapitalmauer“ und formlose Kapitaleinlagen innerhalb der steuerlichen Organschaft.
Die Änderungen in der Verfahrensweise sind unmittelbar in Kraft getreten
und im Prinzip auch anwendbar, wenn bestehende APAs verlängert werden
sollen. Die niederländische Finanzverwaltung empfiehlt, im Rahmen von
Konsultationen die Auslegung der zusätzlichen Voraussetzungen zu klären.
Dies gilt vor allem hinsichtlich der Eigenkapitalvoraussetzungen, da hier die
Besonderheiten des jeweils vorliegenden Falls von Bedeutung sind.
1.6 Niederlande: Grundsatzentscheidung zur Behandlung
von Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen
Von Gert Wöllmann, Jan Luft und Dr. Christoph Sommer
Mit seiner erst jetzt veröffentlichten Grundsatzentscheidung vom
25. November 2011 hat der niederländische Oberste Gerichtshof
zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Darlehensgewährungen zwischen verbundenen Unternehmen Stellung
genommen.
Im zugrunde liegenden Fall gewährte eine niederländische Muttergesellschaft
ihrer niederländischen (unterkapitalisierten) Tochtergesellschaft ein Darlehen,
welches jedoch von dieser nicht zurückgezahlt werden konnte. Daraufhin nahm
die Muttergesellschaft eine Abschreibung der uneinbringlichen Darlehensforderung vor. Die niederländische Finanzverwaltung erkannte diese Abschreibung steuerlich mit der Begründung nicht an, dass die Tochtergesellschaft als vollkommen unabhängiges Unternehmen ein vergleichbares Darlehen
von einem fremden Dritten nicht erhalten habe. Das von der Muttergesellschaft
gewährte Darlehen sei daher gemäß Tz. 1.65 der OECD-Verrechnungspreis-
100 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
richtlinien 104 von Fremd- in Eigenkapital umzuqualifizieren und der
Betriebsausgabenabzug zu verweigern.
In seinem Urteil stellte der Oberste Gerichtshof nun jedoch ausdrücklich
klar, dass der Fremdvergleichsgrundsatz allein keinen Maßstab zur Umklassifizierung eines Eigenkapital ersetzenden Darlehens von Fremd- in
Eigenkapital darstellt. Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen seien
allerdings als unangemessen zu beurteilen (sog. onzakelijke lening), wenn i) die
vereinbarten Zinssätze dem Fremdvergleich nicht entsprächen und ii) der Darlehensgeber Risiken akzeptiere, die ein fremder Dritter unter vergleichbaren
Bedingungen nicht eingehen würde. Nur in diesen Fällen sind Abschreibungen
auf Darlehen, einschließlich nicht bezahlter Zinsen, steuerlich nicht anzuerkennen. Der Darlehensgeber hat dagegen Zinseinnahmen zu versteuern,
die für ein vergleichbares Darlehen mit Sicherheitengestellung unter fremden
Dritten zu zahlen wären.
Mit dieser Grundsatzentscheidung wird in den Niederlanden eine analoge
Entwicklung hinsichtlich der Beurteilung der Angemessenheit grenzüberschreitender Finanzierungsverhältnisse vollzogen wie in Deutschland. Denn
auch das entsprechende BMF-Schreiben vom 29. März 2011 105 sieht vor, dass
bei Darlehensverhältnissen zwischen einem inländischen beherrschenden
Gesellschafter und einer ihm nahestehenden ausländischen Person das Fehlen
einer Sicherheit nicht unmittelbar zur Unangemessenheit des Zinssatzes
führe. 106 Begründet wird dies mit der Verbundenheit („Rückhalt im Konzern“),
da diese für sich genommen bereits eine ausreichende Sicherheit darstelle.
Fehlt eine Sicherheit, wird die steuerliche Anerkennung einer Teilwertabschreibung in Deutschland grundsätzlich verweigert.
104
105
106
OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax
Administrations, 22.07.2010.
Vgl. BMF-Schreiben „Anwendung des § 1 AStG auf Fälle von Teilwertabschreibungen
und andere Wertminderungen auf Darlehen an verbundene ausländische Unternehmen“, Az. IV B 5 – S 1341/09/10004.
Vgl. hierzu ausführlich Wilmanns, J./Gimmler, F., Teilwertabschreibungen auf
grenzüberschreitende Darlehen – neues BMF-Schreiben, in: Transfer Pricing
Perspective Deutschland, Ausgabe 10, Mai 2011, S. 2–5.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 101
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
1.7 Norwegen: keine Vertreterbetriebsstätte bei
Kommissionärsstruktur – positives Urteil im
„Dell-Fall“
Von Jörg Hanken, Marianne Grabowski und Andre Jaekel
Mit dem Urteil vom 2. Dezember 2011 hat der norwegische Oberste
Gerichtshof entschieden, dass bei einer Kommissionärsstruktur
mit Sitz des Kommissionärs in Norwegen und einem Prinzipal in
Irland keine Betriebsstätte des Prinzipals in Norwegen vorliegt,
nachdem die Vorinstanzen das Vorliegen einer Betriebsstätte
bejaht hatten. Durch dieses Urteil besteht nun wieder eine
einheitliche Rechtsauffassung bezüglich des Vorliegens von
Vertreterbetriebsstätten bei Kommissionärsstrukturen.
Sachverhalt und Urteil
Streitpunkt im zugrunde liegenden Verfahren war die Interpretation von Art. 5
Abs. 5 DBA Norwegen – Irland (identisch zum OECD-Musterabkommen –
OECD-MA), der die Voraussetzungen für die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte regelt. Demnach begründet derjenige eine Vertreterbetriebsstätte, der unter anderem „im Namen“ des Prinzipals agiert und „gewöhnlich
Verträge in dessen Namen“ schließt.
Im zu entscheidenden Fall setzte der irische Prinzipal Dell eine norwegische
Gesellschaft als Kommissionär ein, welche die Produkte des Prinzipals im
eigenen Namen und auf Rechnung des irischen Prinzipals in Norwegen
vertreiben sollte. Eine rechtliche Bindungswirkung gegenüber dem Prinzipal für
die Geschäfte des Kommissionärs wurde zwischen dem Prinzipal und dem
Kommissionär vertraglich ausgeschlossen. Die norwegischen Finanzbehörden
interpretierten Art. 5 Abs. 5 DBA Norwegen – Irland dahin gehend, dass durch
die Ausübung der Tätigkeit des norwegischen Kommissionärs eine „De-facto“Betriebsstätte des Prinzipals vorliegen sollte. Dabei führten die Finanzbehörden
an, dass zwar der Prinzipal qua Vertrag nicht rechtlich gebunden werden
konnte, der Kommissionär aber den Prinzipal faktisch gebunden hatte, weil der
Prinzipal die Bestellungen nicht nachweisbar überprüft und genehmigt, und
tatsächlich jede Bestellung angenommen hatte. Diese Auffassung wurde auch
in erster Instanz vom norwegischen Finanzgericht mit Urteil vom 2. März 2011
geteilt. 107 Im Ergebnis hat das Gericht entschieden, dass die „Vollmacht, im
Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen“ (Art. 5 Abs. 5 OECD-MA),
107
Vgl. Hinweis auf S. 35 im Jahrbuch 2011/2012 vom Transfer Pricing Perspective
Deutschland, April 2012.
102 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
faktisch und nicht vertraglich bzw. formell auszulegen ist. Das Gericht hat
ferner das positive Urteil im Fall „Zimmer“ (Kommissionär begründet keine
Vertreterbetriebsstätte in Frankreich) nicht berücksichtigt, da es auf einem
„alten“ Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und der „alten“ OECD-MAKommentierung basierte. Der norwegische Oberste Gerichtshof hat nun gegen
die Vorinstanz entschieden, dass die „Vollmacht, im Namen des Unternehmens
Verträge abzuschließen“, gemäß Art. 5 Abs. 5 DBA Norwegen – Irland nicht
faktisch, sondern formell auszulegen sei.
In der Urteilsbegründung führte der norwegische Oberste Gerichtshof an, dass
das DBA Norwegen – Irland für das Vorliegen einer Vertreterbetriebsstätte
zwingend eine rechtliche Bindungswirkung des Kommissionärs gegenüber dem
Prinzipal fordert. Diese sei schon deshalb nicht gegeben, weil das norwegische
Zivilrecht bei Kommissionärsverträgen keine rechtliche Bindungswirkung
zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär im Zusammenhang mit
dessen Geschäften mit Kunden vorsieht und dies weiterhin nicht zwischen den
Parteien vereinbart wurde. Das Gericht orientierte sich hierbei vorrangig am
norwegischen Zivilrecht und wich somit von der Kommentierung des OECD-MA
ab, die sich in Teilen am im englischsprachigen Raum vorherrschenden Common
Law orientiert. Des Weiteren verweist der norwegische Oberste Gerichtshof
auf das französische Urteil bezüglich „Zimmer“ vom 31. März 2010 108 , bei dem
der französische Oberste Gerichtshof urteilte, dass „weitere Vereinbarungen“
für die rechtliche Bindungswirkung vorliegen müssen, da ein gewöhnlicher
Kommissionärsvertrag nicht ausreichend sei, eine Vertreterbetriebsstätte
zu begründen. Da Dell in 15 weiteren Ländern vergleichbare Kommissisonärsstrukturen betreibt und es dort zu keinen Beanstandungen kam, wertete der
norwegische Oberste Gerichtshof dies als weiteres Indiz für das Nichtvorliegen
einer Vertreterbetriebsstätte.
Unterschiedliche Auslegung des OECD-MA in der Vergangenheit
Mit der Entscheidung des französischen Obersten Gerichtshofs in Sachen
„Zimmer“ vom 31. März 2010 wurde für die Prüfung des Vorliegens einer
Vertreterbetriebsstätte bei Kommissionärsstrukturen eine strenge, sich am
nationalen Recht orientierende Auslegung hinsichtlich der rechtlichen
Bindungswirkung des Kommissionärs gegenüber seinem Kommittenten
herangezogen. Bis zum abweichenden Urteil des norwegischen Finanzgerichts
vom 2. März 2011 galt die Argumentation des französischen Obersten Gerichtshofs als Hilfestellung für die Interpretation von Art. 5 Abs. 5. Daher ist es sehr
zu begrüßen, dass der norwegische Oberste Gerichtshof nun gegen die Vor108
Vgl. Fiehler, K./Bentzien, M.-M., Diskussionsentwurf zu geplanten Änderungen der
Definition von Betriebsstätten im Rahmen des OECD-Musterabkommens, in: Transfer
Pricing Perspective Deutschland, Jahrbuch 2011/2012, April 2012, S. 35.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 103
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
instanz entschieden hat und insofern die zeitweise vorhandene Unsicherheit
hinsichtlich der „De-facto“-Auslegung beseitigt ist. Klassische Kommissionärsstrukturen führen demnach grundsätzlich nicht zu Vertreterbetriebsstätten,
es sei denn, es bestehen konkrete Vereinbarungen und Anzeichen, aus denen
sich eine rechtliche Bindungswirkung des Kommittenten gegenüber dem
Kommissionär erkennen lässt.
Neukommentierung des OECD-MA
Das Urteil des norwegischen Obersten Gerichtshofs vom 2. Dezember 2011
erging zeitgleich mit dem Vorhaben der OECD, die Kommentierung zu
Art. 5 OECD-MA zu überarbeiten. Dazu veröffentlichte die OECD am
12. Oktober 2011 einen Diskussionsentwurf, in dem zahlreiche Fragen und
Diskussionsgrundlagen enthalten sind. Zu dem überarbeiteten Diskussionsentwurf vom 19. Oktober 2012 konnte bis zum 31. Januar 2013 Stellung
genommen werden. Bei der Überarbeitung des Kommentars zu Art. 5 ist mit
Spannung zu erwarten, ob und inwiefern die zum Beispiel vom norwegischen
Obersten Gerichtshof im Rahmen des „Dell-Urteils“ geforderten eindeutigeren
Kriterien für das Vorliegen einer Vertreterbetriebsstätte bei Kommissionärsstrukturen berücksichtigt werden.
1.8 Österreich/San Marino: Auskunftsabkommen
Von Mirja Pollack und Verena Ebert
Es werden derzeit immer mehr Abkommen auf der Grundlage des
OECD-Musterabkommens zum Informationsaustausch zwischen
OECD-Staaten und Steueroasen abgeschlossen.
Seit dem 1. März 2012 ist das Revisionsprotokoll vom 29. Dezember 2010 zum
bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich, das den OECDAmtshilfestandard implementiert, in Kraft getreten. Das mit San Marino
geschlossene Auskunftsabkommen ist am 23. Dezember 2011 in Kraft getreten.
Hintergrund dieser Entwicklungen ist ein im Jahr 2000 begonnenes Projekt
der OECD. Daraus gingen Listen mit Staaten hervor, die nicht zur internationalen Zusammenarbeit bereit sind (sog. Schwarze Liste), bzw. mit Staaten,
die eine Umsetzung der international vereinbarten Regeln zwar zugesagt, aber
noch nicht ausreichend vollzogen haben (sog. Graue Liste – u. a. mit Bahamas,
Panama, San Marino, Österreich). Da diese Länder mit Sanktionen rechnen
mussten, haben sich inzwischen alle Staaten zur Erfüllung der Standards zum
Informationsaustausch verpflichtet.
104 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
1.9 Russland: Einführung von APA-Richtlinien durch die
russische Finanzverwaltung zum 1. Januar 2012
Von Irina Engler und Lorenz Leonhardt
Am 18. Juli 2011 wurden in Russland Ergänzungen zur Steuergesetzgebung im Bereich Verrechnungspreise beschlossen, die zum
1. Januar 2012 in Kraft getreten sind. Im Zusammenhang hiermit
wurden auch erstmals Regelungen zu Advance Pricing Agreements
(APAs) eingeführt.
Zur Spezifizierung und Erläuterung des notwendigen Prozesses für den
Abschluss eines APA hat die russische Finanzverwaltung am 12. Januar 2012
ein Schreiben (No. OA-4-13/85) mit entsprechenden Richtlinien veröffentlicht.
Diese Richtlinien sind rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 anwendbar und
orientieren sich stark an den von der OECD aufgestellten und im Allgemeinen
international anerkannten Verrechnungspreisprinzipien zu APAs (insbesondere
Kapitel IV, Abschnitt F der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2010).
Derzeit soll nur russischen Unternehmen, die als sogenannte größte Steuerzahler registriert sind, offenstehen, einen Antrag auf Durchführung eines APA
zu stellen. Die Festsetzung von hohen Schwellenwerten ist typisch für die
russische Steuergesetzgebung. Sobald die Anwendung der Regelung für eine
kleine Gruppe von Steuerpflichtigen erfolgreich getestet wurde, werden die
Schwellenwerte üblicherweise herabgesetzt.
Die wesentlichen Inhalte der Richtlinien lassen sich wie folgt zusammenfassen:
● Es sind sowohl unilaterale als auch bi- bzw. multilaterale
APA-Verfahren möglich.
● Ein APA kann entweder für eine Transaktion oder eine Transaktionsgruppe
abgeschlossen werden, sodass in der Regel mehrere separate APAs beantragt
und abgeschlossen werden müssen.
● In den Richtlinien sind die einzelnen Schritte für die Durchführung eines
APA beschrieben. Erwähnenswert ist die Empfehlung eines Vorgesprächs
(pre-filing meeting), um den Gegenstand und Inhalt des APA-Antrags
abzustimmen.
● Bedarf der erste APA-Antrag aus Sicht der russischen Finanzverwaltung
einer Überarbeitung, kann der Steuerpflichtige diesen ersten Entwurf
entsprechend anpassen und einen erneuten Antrag stellen.
● Das APA tritt in der Regel am 1. Januar des auf das Jahr des Abschlusses
folgenden Jahres in Kraft. Ein rückwirkender Beginn zum 1. Januar des
aktuellen Jahres ist ebenfalls möglich, falls die vereinbarte Regelung bereits
ab dem 1. Januar angewendet wurde.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 105
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
● Der APA-Antrag ist unter Beifügung der erforderlichen Antragsunterlagen
zu stellen. Den Richtlinien sind die für einen APA-Antrag notwendigen
Musterformulare beigefügt, um sicherzustellen, dass der Antrag in einer
einheitlichen Struktur erfolgt.
Obwohl die Musterformulare einen Empfehlungscharakter haben, ist es vor
dem Hintergrund, dass die russische Finanzverwaltung oft sehr formalistisch
vorgeht, empfehlenswert, sich an diese und sonstige Regelungen in den
Richtlinien zu halten.
1.10 Spanien: Grundsatzentscheidung zu Betriebsstätten
Von Gert Wöllmann, Jan Luft und Dr. Christoph Sommer
Mit dem Urteil vom 12. Januar 2012 hat der spanische Oberste
Gerichtshof entschieden, dass ein Schweizer Prinzipal, der über
seine Tochtergesellschaft auf dem spanischen Markt eigene
Produkte verkauft, eine Betriebsstätte in Spanien begründet, der
Teile der in Spanien generierten Umsätze des Schweizer Stammhauses zugeordnet werden müssen.
Der zu entscheidende Fall betraf ein Schweizer Pharmaunternehmen und
dessen spanische Tochtergesellschaft, die ursprünglich als Eigenproduzent
und -händler agierte. Durch Umstrukturierungsmaßnahmen wurde diese zum
Auftragsfertiger und Handelsvertreter ihrer Muttergesellschaft abgeschmolzen.
Gleichzeitig mietete die Muttergesellschaft Lagerkapazitäten bei ihrer Tochtergesellschaft an. Die Tätigkeit als Handelsvertreter beschränkte sich ausdrücklich auf die Vermittlung von Geschäften; eine rechtliche Abschlussvollmacht wurde der Tochtergesellschaft nicht erteilt. Folge der Umstrukturierung
war ein deutlicher Gewinnrückgang der spanischen Gesellschaft.
Nach zwei Vorinstanzen bestätigte nun der Oberste Gerichtshof die Auffassung
der Finanzverwaltung, wonach die spanische Tochtergesellschaft als Betriebsstätte des Schweizer Prinzipals zu qualifizieren sei, der Teile der Gewinne der
Schweizer Gesellschaft aus dem Verkauf der Produkte im spanischen Markt
zuzuordnen seien. Die Höhe der Gewinnzuordnung zur Betriebsstätte bestimmt
sich dabei nach den von dieser ausgeübten Funktionen, übernommenen
Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgütern. Der Oberste Gerichtshof
begründete seine Auffassung mit einer weiten Auslegung des Begriffs der
Vertreterbetriebsstätte (Art. 5 Abs. 5 OECD-MA), wonach die spanische
Gesellschaft durch ihre Vermittlungstätigkeit und die damit verbundene
wirtschaftliche Betätigung im spanischen Markt die Schweizer Mutter-
106 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
gesellschaft – trotz fehlender rechtlicher Vollmacht – faktisch gebunden habe.
Ferner sei die Tochtergesellschaft durch ihre Tätigkeit als Auftragsfertiger auch
als „abhängiger Produzent“ zu qualifizieren. Mit diesem Begriff führte der
Oberste Gerichtshof eine neue Betriebsstättendefinition ein. Dagegen wurde
das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 1
OECD-MA mit dem Verweis abgelehnt, dass das Unterhalten eines Lagers eine
Hilfstätigkeit im Sinne des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA darstelle.
Das ergangene spanische Urteil dürfte insbesondere die derzeit auf Ebene der
OECD geführte Diskussion hinsichtlich der Voraussetzungen der Begründung
einer Betriebsstätte und des Umfangs der Einkommenszurechnung weiter
beleben. Denn auch der im Herbst 2011 von der OECD veröffentlichte Vorschlag zur Änderung der Kommentierung des Art. 5 OECD-MA 109 sieht die
Möglichkeit der Begründung einer Vertreterbetriebsstätte bereits bei Vorliegen einer bloßen wirtschaftlichen Vollmacht vor, auch wenn explizit keine
rechtliche Vollmacht erteilt worden ist. 110 Mit Blick auf die geplante Änderung
des § 1 AStG dürfte die geführte Diskussion bezüglich der Definition von
Betriebsstätten auch für Deutschland von hoher praktischer Relevanz sein.
Denn durch die vorgesehene Änderung des § 1 AStG beabsichtigt der Gesetzgeber unter anderem die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstättensachverhalte, um so eine Rechtsgrundlage für die Umsetzung des sogenannten Separate Entity Approach der
OECD zu schaffen.
1.11 Ungarn: neues DBA – Gegenberichtigungsklausel bei
Verrechnungspreiskorrekturen von verbundenen
Unternehmen
Von Daniela Kiel-Hammer
Am 28. Februar 2011 wurde in Budapest das Revisionsabkommen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik
Ungarn zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur
Vermeidung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom
109
110
Vgl. OECD, Interpretation and Application of Article 5 (Permanent Establishment) of
the OECD Model Tax Convention, Paris, 12.10.2011.
Vgl. hierzu auch Fiehler, K./Bentzien, M.-M., Diskussionsentwurf zu geplanten
Änderungen der Definition von Betriebsstätten im Rahmen des OECD-Musterabkommens, in: Transfer Pricing Perspective Deutschland, Ausgabe 12,
November 2011, S. 19–20.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 107
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Einkommen und vom Vermögen unterzeichnet. Die Regelungen für
verbundene Unternehmen enthalten nunmehr in Art. 9 Abs. 2 des
Revisionsabkommens Regeln zur Gegenberichtigung.
In der Praxis gibt es nicht den einzigen angemessenen Verrechnungspreis,
sondern vielmehr eine Bandbreite möglicher Werte. Angesichts des vom
Verrechnungspreis ausgehenden Steuersenkungspotenzials stehen diese im
Fokus von Betriebsprüfungen. Im Falle von Verrechnungspreiskorrekturen in
einem Vertragsstaat kann die korrespondierende Berichtigung im anderen
Vertragsstaat auf Grundlage der neuen abkommensrechtlichen Bestimmungen
zur Gegenberichtigung erfolgen.
Die neue Regelung
Voraussetzung für die Verpflichtung zur Gegenberichtigung
Der andere Vertragsstaat ist allerdings nur dann zur Gegenberichtigung
verpflichtet, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:
● Erstens muss die Verrechnungspreiskorrektur zu einer wirtschaftlichen
Doppelbesteuerung führen. Diese liegt vor, wenn ein verbundenes Unternehmen eines Vertragsstaats, dessen Gewinne erhöht wurden, mit einem
Gewinnbetrag steuerpflichtig wird, der bereits beim korrespondierenden
verbundenen Unternehmen des anderen Vertragsstaats besteuert wurde.
● Zweitens muss der Berichtigungsbetrag unmittelbar auf einer Erstkorrektur
nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs beruhen.
● Drittens muss zwischen den Vertragsstaaten Einigkeit über den Grund und
die Höhe der Erstberichtigung bestehen.
Praktische Umsetzung
Sollte im Rahmen einer Betriebsprüfung eines Vertragsstaats bei einem
verbundenen Unternehmen eine Einkommenserhöhung aufgrund einer
Verrechnungspreiskorrektur im Raum stehen, empfiehlt es sich, das
korrespondierende verbundene Unternehmen unverzüglich darüber in
Kenntnis zu setzen. Dieses sollte sich unter Darlegung der Feststellungen
der Betriebsprüfung des anderen Vertragsstaats umgehend mit seinem
zuständigen Finanzamt in Verbindung setzen, um bereits im Vorfeld eine
korrespondierende Gegenberichtigung gemäß Art. 9 Abs. 2 des Revisionsabkommens abzuklären bzw. zu beantragen.
Inkrafttreten
Das neue deutsch-ungarische Abkommen tritt am 30. Tag nach dem Austausch
der Ratifikationsurkunden in Kraft. Die Ratifikationsurkunden wurden am
30. November 2011 ausgetauscht. Insofern ist das neue Doppelbesteuerungsabkommen auf steuerliche Sachverhalte ab 1. Januar 2012 anzuwenden.
108 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Vorteil gegenüber multinationalen Verständigungsund Schiedsverfahren
Im Vergleich zu den Verständigungs- und Schiedsverfahren nach der EUSchiedskonvention kann die abkommensrechtliche Gegenberichtigungsklausel
zu einer effizienteren und schnelleren Bewältigung von Verrechnungspreisstreitigkeiten führen. Dadurch können formalisierte, Ressourcen bindende
Verständigungs- und Schiedsverfahren vermieden werden. Allerdings besteht
nur im Rahmen der EU-Schiedskonvention ein Einigungszwang.
Bedeutung für den Steuerpflichtigen
Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist die Einführung der Gegenberichtigungsverpflichtung grundsätzlich zu begrüßen, da hierdurch Folgen nicht angemessener Verrechnungspreise hoffentlich schneller berichtigt werden
können. Bei fehlender Kompromissbereitschaft der Vertragsstaaten ist die Einleitung eines Verständigungs- und Schiedsverfahrens jedoch unumgänglich. Es
bleibt daher abzuwarten, wie die neuen abkommensrechtlichen Bestimmungen
zur Gegenberichtigung in der täglichen Praxis umgesetzt werden.
2 Amerika
2.1 Bahamas: Auskunftsabkommen
Von Mirja Pollack und Verena Ebert
Es werden derzeit immer mehr Abkommen auf der Grundlage des
OECD-Musterabkommens zum Informationsaustausch zwischen
OECD-Staaten und Steueroasen abgeschlossen.
Das zwischen Deutschland und den Bahamas geschlossene Auskunftsabkommen ist am 12. Dezember 2011 in Kraft getreten.
Hintergrund dieser Entwicklungen ist ein im Jahr 2000 begonnenes Projekt
der OECD. Daraus gingen Listen mit Staaten hervor, die nicht zur internationalen Zusammenarbeit bereit sind (sog. Schwarze Liste), bzw. mit Staaten,
die eine Umsetzung der international vereinbarten Regeln zwar zugesagt, aber
noch nicht ausreichend vollzogen haben (sog. Graue Liste – u. a. mit Bahamas,
Panama). Da diese Länder mit Sanktionen rechnen mussten, haben sich
inzwischen alle Staaten zur Erfüllung der Standards zum Informationsaustausch verpflichtet.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 109
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
2.2 Der Fremdvergleichsmaßstab aus brasilianischer
Sicht – ist er vereinbar mit OECD-Grundsätzen?
Von Holger Lorenzen, Nicole Netto und Eduardo R. Flöring junior
Im Gegensatz zu den OECD-Richtlinien, den US-Regularien wie
auch den Verrechnungspreisvorschriften bedeutender lateinamerikanischer Volkswirtschaften, zum Beispiel Argentinien und
Mexiko, erkennen die brasilianischen Steuergesetze den international gängigen Fremdvergleichsmaßstab nicht an. Der folgende
Artikel erörtert die Vereinbarkeit des brasilianischen „Fixed profit
margin“-Ansatzes mit internationalen Standards und dessen
Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit multinationaler Unternehmen, die in Brasilien vertreten sind.
Übersicht über die Regeln und den Hintergrund des
brasilianischen Verrechnungspreismodells
Brasilien führte 1996 Verrechnungspreisgesetze ein. Seitdem wurden die
Verrechnungspreisgesetze und ihre Verwaltungsanweisungen mehr als 20 Mal
geändert, was den Ruf Brasiliens, ein Land mit unvorhersehbarem und sich
ständig veränderndem gesetzlichem Umfeld zu sein, verstärkt. Die jüngste
Reform wurde im April 2012 durch die „Provisorische Maßnahme“ (MP)
Nr. 562/2012 111 eingeleitet und im September 2012 durch das Gesetz
Nr. 12.715/2012 112 in geltendes Recht umgesetzt.
Die durch Gesetz Nr. 12.715/2012 in Kraft getretenen Änderungen sind weitreichend und novellieren nahezu alle Bereiche des Regulierungsrahmens für
Verrechnungspreise. So werden beispielsweise die im Rahmen der Wiederverkaufspreismethode bislang angewendeten fixed profit margins von
20 Prozent bzw. 60 Prozent angepasst und betragen nunmehr, in Abhängigkeit
von der jeweiligen Branche, 20, 30 oder 40 Prozent. Des Weiteren wird für
Transaktionen mit börsengehandelten Rohstoffen festgelegt, dass die Steuer111
112
Das brasilianische Rechtssystem kennt die „Provisorische Maßnahme“ (MP) als
spezielles präsidiales Dekret, das in bestimmten Rechtsbereichen Gesetzeskraft ohne
vorherige parlamentarische Zustimmung erlangt. Basierend auf der Begründung der
Wichtigkeit und Eiligkeit, muss die MP allerdings innerhalb von 120 Tagen durch beide
parlamentarische Kammern bestätigt werden, damit sie ihre Gesetzeskraft nicht ex
tunc verliert.
Gesetz Nr. 12.715/2012 gilt für Transaktionen, die ab 2013 durchgeführt werden.
Steuerzahler können jedoch von einem bisher noch nicht hinreichend geklärten
Wahlrecht Gebrauch machen und das Gesetz auf bereits 2012 durchgeführte
Transaktionen anwenden.
110 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
pflichtigen die börsenbasierten Marktpreise der Rohstoffe als Vergleichsdaten
für Transaktionen mit verbundenen Unternehmen berücksichtigen müssen
(PCI-Methode [Import] und PECEX-Methode [Export]).
Obwohl die Änderungen nicht so weitreichend sind, dass sie den international
üblichen Fremdvergleichsmaßstab und die diesem zugrunde liegende ökonomische Vernunft anerkennen, werden die fixed profit margins von den
meisten Beobachtern und Analysten begrüßt, da die neuen Standards mehr
Fairness für den Steuerzahler bedeuten und außerdem den oft dargestellten
„Safe harbour“-Ansatz stärken. Die in der Vergangenheit für alle Industriebereiche uniform angewendeten fixed profit margins vernachlässigen die ökonomische Realität der verschiedenen Geschäftsfelder, da die Gewinnmargen
zwischen diesen nicht uniform sind.
In der Tat begründet Brasilien seine Verrechnungspreispolitik in verschiedenen
internationalen Foren mit der Schwierigkeit, für seine Steuerbehörden die
auf Basis der komplexeren internationalen Regularien erstellten Studien
nachzuvollziehen. Wie vielen anderen Schwellenländern fehlen Brasilien die
Ressourcen (z. B. Datenbanken für die Suche vergleichbarer Unternehmen) und
die technische Expertise für das Verständnis der komplexen Dokumentationen
und Berechnungen, die multinationale Unternehmen in ihren
Dokumentationen verwenden.
Vor Kurzem sagte Guido Mantega, Finanzminister Brasiliens, vor der UNGruppe zur Ausarbeitung eines Verrechnungspreismanuals, das die OECDRichtlinien ergänzen soll, dass Brasiliens „Fixed profit margin“-Ansatz die
Notwendigkeit der Suche vergleichbarer Unternehmen beseitigt und einen
einfachen, kostengünstigen Ansatz sowohl für Behörden als auch für Steuerpflichtige darstellt und so das Erfordernis reduziert, externe Berater hinzuzuziehen. Zugleich äußerte sich der Abteilungsleiter für Verrechnungspreise der
zentralen brasilianischen Steuerbehörde (Receita Federal do Brasil – RFB)
skeptisch über die zeitnahe Übernahme der Fremdvergleichsinterpretation
der OECD durch Brasilien und argumentierte, dass der „Fixed profit margin“Ansatz die Anwendung von Methoden vereinfacht und dadurch die Länge von
Betriebsprüfungen und die Anzahl der benötigten Prüfer reduziert.
Erfahrungen aus der Praxis und Erwartungen
Auf den ersten Blick könnte man die Logik der brasilianischen Steuerbehörden
sogar unter der Annahme begrüßen, dass der „Fixed profit margin“-Ansatz dem
Steuerzahler tatsächlich positive praktische Effekte bringt. Die tatsächliche
Geschäftswelt der vergangenen Jahre in Brasilien widerlegt dies jedoch.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 111
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Anstatt das angepriesene vereinfachte System zur Verminderung des Verwaltungsaufwands zu sein, verursachen die brasilianischen Verrechnungspreisvorschriften jährlich eine hohe Zahl an juristischen Auseinandersetzungen mit den
Steuerbehörden und erzeugen einen Beratungsaufwand, der weltweit seinesgleichen sucht. 113 In diesem Zusammenhang kritisieren viele Verantwortliche,
dass Brasiliens Versagen, internationalen Rechtsstandards zu folgen, verschiedene
grenzüberschreitende Probleme mit sich bringt, die oft zu Doppelbesteuerung
führen. Bis jetzt waren weder der starke Lobbyismus multinationaler Unternehmen noch die zunehmende Wichtigkeit Brasiliens in der Welt ausreichend,
um ein faireres und flexibleres System mit maximaler Vereinbarkeit mit dem
international gebräuchlichen Fremdvergleichsmaßstab zu fördern.
Ein anschauliches Beispiel liefert die Behandlung von Advance Pricing
Agreements (APAs). Während Brasiliens Verrechnungspreisvorschriften
die Möglichkeit von APAs nicht explizit nennen, erlauben gesetzmäßige
Bestimmungen Anträge zur Veränderung der fixed profit margins für die
einzelnen Industriebereiche oder auch individuell für den Steuerzahler. In der
16-jährigen Verrechnungspreisgeschichte Brasiliens erreichte allerdings keines
der Unternehmen, das einen solchen Antrag stellte, eine Lockerung der gesetzmäßig vorgesehenen Gewinnmargen.
Es gibt weitere stützende Argumente dafür, dass Brasiliens Verrechnungspreisgesetze Zeichen einer unpassenden und unflexiblen Steuerpolitik sind. In
Anbetracht der kompletten Vernachlässigung der wirklich akuten Themen –
einschließlich der Transaktionen zwischen verbundenen Parteien – haben die
brasilianischen Behörden nie versucht, royalties oder technical assistance fees
zu regulieren, die immer ein Teil traditioneller Körperschaftsteuerregeln
waren. 114 Ungeachtet der durch die Finanzkrise 2008/2009 verursachten
113
114
In der kürzlich von PwC veröffentlichten Studie „Paying Taxes 2012 – The Global
Picture“ wurde Brasilien wegen des steuerlichen Umfelds auf dem letzten Platz
eingestuft. Unter Einbeziehung aller Bundes-, Länder- und Gemeindesteuern wird
geschätzt, dass brasilianische Steuerzahler durchschnittlich 2.600 Stunden im Jahr
damit verbringen, steuerliche Regularien zu erfüllen. Zum Vergleich: Im Vereinigten
Königreich sind es im Durchschnitt 110 Stunden und in Deutschland 221 Stunden.
Die brasilianischen Steuerbehörden zeigen neuerdings verstärkt Interesse an Dienstleistungen und immateriellen Vermögensgegenständen. Die RFB veröffentlichte
letzten Juni eine Verordnung, die neue Informationserfordernisse zu Servicetransaktionen mit ausländischen Unternehmen begründet. Solche Transaktionen müssen
nun im „Integrierten System für ausländischen Service-Handel“ (SISCOSERV), das
nützliche Daten konsolidiert, gemeldet werden. Die Daten sollen nicht nur den
Behörden helfen, brasilianische Exporte von Services und immateriellen Vermögensgegenständen zu fördern, sondern auch durch Doppelprüfung Steuerhinterziehung
vermeiden.
112 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Unruhen und der Finanzierungskosten auf den internationalen Märkten
änderte Brasilien erst im Dezember 2012 (mit Wirkung ab 1. Januar 2013) die
Abzugsfähigkeitsregelungen der Zinsenrate für Intercompany-Darlehen.
Man könnte schlussfolgern, dass Brasilien sich in seiner Rolle als
„Verrechnungspreisausreißer“ genügt. Sein außergewöhnliches Steuergesetz
scheint ausländische Investoren nicht abzuschrecken und die Wirtschaft
Brasiliens hat einige Rekorde bezüglich Wirtschaftswachstums- oder Arbeitslosigkeitsindizes gebrochen. Gleichermaßen sind die brasilianischen Behörden
zufrieden mit dem „Erfolg“ ihres Modells und möchten es durch Einfluss auf
Verrechnungspreisforen außerhalb der OECD-Welt in andere Schwellenländer
exportieren. Solange ausländisches Geld und die dadurch generierten Steuern
nach Brasilien fließen, werden die Steuerbehörden wahrscheinlich der
Versuchung widerstehen, ihre Leitlinien und Regularien an internationale
Standards anzupassen.
2.3 Panama: Auskunftsabkommen
Von Mirja Pollack und Verena Ebert
Es werden derzeit immer mehr Abkommen auf der Grundlage des
OECD-Musterabkommens zum Informationsaustausch zwischen
OECD-Staaten und Steueroasen abgeschlossen. Mit Panama sollen
Verhandlungen über ein Auskunftsabkommen aufgenommen
werden.
Hintergrund dieser Entwicklungen ist ein im Jahr 2000 begonnenes Projekt
der OECD. Daraus gingen Listen mit Staaten hervor, die nicht zur internationalen Zusammenarbeit bereit sind (sog. Schwarze Liste), bzw. mit Staaten,
die eine Umsetzung der international vereinbarten Regeln zwar zugesagt, aber
noch nicht ausreichend vollzogen haben (sog. Graue Liste – u. a. mit Bahamas,
Panama, San Marino, Österreich). Da diese Länder mit Sanktionen rechnen
mussten, haben sich inzwischen alle Staaten zur Erfüllung der Standards zum
Informationsaustausch verpflichtet.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 113
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
2.4 USA – die kodifizierte Economic Substance Doctrine
Von Markus Straub
In der Ausgabe 8 von „Transfer Pricing Perspective Deutschland“
vom November 2010 berichteten wir über die Kodifizierung
der Economic Substance Doctrine (ESD) in den USA sowie ein
ergänzendes Schreiben des Internal Revenue Service (IRS).
Zwischenzeitlich hat die Large Business and International Division
(LB&I Division) des IRS Dienstanweisungen (LB&I Directive) an
die IRS-Außenprüfer zur Prüfung der Anwendbarkeit der ESD
herausgegeben. Dieser Artikel gibt einen Überblick über deren
Inhalte.
Hintergrund
Die ESD besagt, dass ein Geschäftsvorfall einem wirtschaftlichen Zweck außer
der Einsparung von Steuern dienen muss, um steuerlich anerkannt zu werden,
er also „wirtschaftliche Substanz“ aufweisen muss. Kann der IRS nachweisen,
dass ein Geschäftsvorfall keine wirtschaftliche Substanz hat, werden auf die zu
entrichtenden Nachsteuern Strafzuschläge von 40 Prozent erhoben. Hat der
Steuerpflichtige den Geschäftsvorfall in seiner Steuererklärung angemessen
offengelegt, reduziert sich dieser Satz auf 20 Prozent. Anwendbar sind diese
Regelungen auf Geschäftsvorfälle, die nach dem 30. März 2010 stattfinden.
Mit der LB&I Directive beschreibt der IRS einen vierstufigen Prozess, anhand
dessen die Außenprüfer ermitteln, ob die ESD anwendbar ist. Steuerpflichtige
können sich zwar nicht auf diese Dienstanweisung berufen, jedoch bieten die
ersten drei Stufen einen Einblick in die Sichtweise des IRS und können für
die Beurteilung hilfreich sein.
Vierstufiger Prozess der LB&I Directive
Im ersten Schritt soll der Außenprüfer ermitteln, ob die Fakten des Sachverhalts dafür sprechen, dass die ESD wahrscheinlich nicht anwendbar ist.
Hierzu geben die Dienstanweisungen 18 Tatsachen und Umstände vor, bei
deren Vorliegen die ESD tendenziell nicht anwendbar ist (z. B. die Transaktion
ist at arm’s length, hat Gewinnpotenzial abseits eines Steuervorteils, forciert
keine Verluste). Der zweite Schritt gibt dem Außenprüfer 17 Faktoren vor, bei
deren Vorliegen die ESD tendenziell anwendbar ist. Diese Faktoren sind jeweils
das Gegenteil der im ersten Schritt genannten Tatsachen und Umstände (z. B
die Transaktion ist nicht at arm’s length, hat außer dem Steuervorteil kein
Gewinnpotenzial, forciert Verluste). Sollte der Außenprüfer nach Durchführung
dieser beiden Schritte zum Ergebnis kommen, dass die ESD wahrscheinlich
anwendbar ist, muss sein Vorgesetzter in einem dritten Schritt weitere Faktoren
überprüfen und der Einschätzung zustimmen. Die Dienstanweisung gibt hier
114 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
sieben Fragen vor, die in diesem Schritt berücksichtigt werden müssen. Diese
Fragen geben hier wichtige Hinweise, in welchen Fällen der IRS eher abgeneigt
sein wird, die ESD anzuwenden. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein,
wenn es bereits einen entsprechenden Präzedenzfall gibt oder wenn eine Transaktion durch Steuererleichterungen durch den Kongress der Vereinigten
Staaten gezielt gefördert wird. Im vierten und letzten Schritt muss der Director
of Field Operations dem Ergebnis aus den ersten drei Schritten zustimmen.
Dem Steuerpflichtigen soll hier vorher die Möglichkeit gegeben werden,
Stellung zu nehmen.
Fazit
Aufgrund der hohen Strafzuschläge sollten Steuerpflichtige alle Transaktionen
identifizieren, in denen möglicherweise die ESD anwendbar sein könnte. Die
Schritte, die die LB&I Directive vorgibt, können zwar eine Orientierung geben,
um Geschäftsvorfälle im Rahmen der Steuererklärung angemessen offenzulegen. Jedoch sollte bedacht werden, dass die LB&I Directive lediglich
Bindungswirkung für den IRS entfaltet.
Update
Nach der Ausgabe der LB&I Directive haben viele Steuerfachleute argumentiert,
dass der IRS die Kodifizierung der ESD verwaltungstechnisch abgeschafft habe,
zumindest in Bezug auf große steuerpflichtige Unternehmen. Die Hürden des
vierstufigen Prozesses der LB&I Directive seien so hoch, dass die IRS-Prüfer die
ESD ganz selten verwenden könnten. Im Juni 2012 bestritt der IRS, dass er
die ESD verwaltungstechnisch abgeschafft habe, und sagte, dass er den IRSPrüfern nur praktische interne Führung angeboten habe. Dennoch scheint es
so, dass es ziemlich schwierig sein wird, die ESD auf große steuerpflichtige
Unternehmen anzuwenden.
Darüber hinaus zeigt die Entstehungsgeschichte der ESD, dass diese auf
Transaktionen mit nahestehenden Personen nicht angewendet werden soll,
wenn die Transaktionen unter den Verrechnungspreisregeln der USA (Internal
Revenue Code § 482) fremdüblich sind. Diese Entstehungsgeschichte ist zwar
kein Teil des endgültigen Gesetzes, aber trotzdem ein Hinweis darauf, dass der
IRS den Internal Revenue Code § 482 anstatt der ESD für Transaktionen mit
nahestehenden Personen anwenden würde.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 115
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
2.5 Final US Cost Sharing Regulations
Von Norman Wingen und Dr. Lee Hu
Cost Sharing Agreements (CSAs) sind für forschende US-Konzerne
ein beliebtes Instrument, um ausländische Tochtergesellschaften
an Forschungs- und Entwicklungskosten zu beteiligen. Durch die
verabschiedeten Final Cost Sharing Regulations 2011 ergeben sich
dabei einige Neuerungen, insbesondere bei der Bewertung von
Ausgleichszahlungen zu einem bestehenden CSA.
Am 16. Dezember 2011 wurden vom US Department of Treasury und vom
Internal Revenue Service (IRS) die endgültigen Cost Sharing Regulations (im
Folgenden „Final Regulations“) 115 erlassen, welche die Temporary Regulations
vom 5. Januar 2009 ablösen. Die Final Regulations folgen in den Grundzügen
den Temporary Regulations, wurden jedoch durch neue klarstellende Beispiele
ergänzt und führen einige Änderungen bei der Anwendung der Income Method
im Rahmen der Bewertung von Ausgleichszahlungen (platform contribution
transactions – PCTs) zu einem bestehenden CSA ein. Ergänzt werden die Final
Regulations durch neue „2011 Temporary Regulations“ 116 sowie „2011 Proposed
Regulations“, 117 die am 19. Dezember 2011 veröffentlicht wurden.
Grundzüge eines US Cost Sharing Agreement
Ein CSA ist eine Vereinbarung zwischen verbundenen Unternehmen, Kosten
und Risiken für die gemeinsame Entwicklung immaterieller Wirtschaftsgüter
entsprechend dem individuell erwarteten Nutzen (reasonably anticipated
benefit) aufzuteilen. Dabei existieren grundsätzlich zwei Arten von Beiträgen zu
CSAs, die entsprechend den Regelungen der US Cost Sharing Regulations
fremdüblich zu vergüten sind. Dies sind einerseits die laufenden gemeinsamen
Entwicklungskosten (cost sharing transactions) und andererseits externe
Beiträge – sogenannte PCTs. PCTs sind Ausgleichszahlungen als Kompensation
für bereits vorhandene Vorteile des CSA oder für Vorteile, die ein neuer Teilnehmer in das CSA einbringt. Innerhalb eines CSA erhalten alle Teilnehmer
115
116
117
Section 482: Methods to Determine Taxable Income in Connection with a Cost
Sharing Arrangement (Final regulations and removal of temporary regulations).
Federal Register 76:246 (December 22, 2011), p. 80082.
Section 482: Methods to Determine Taxable Income in Connection with a Cost
Sharing Arrangement (Final regulations and temporary regulations). Federal Register
74:2 (January 5, 2009), p. 340.
Section 482: Methods to Determine Taxable Income in Connection with a Cost
Sharing Arrangement (Notice of proposed rulemaking and notice of public hearing).
Federal Register 70:166 (August 29, 2005), p. 51116.
116 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
unbefristete und sich gegenseitig ausschließende Nutzungsrechte an den
gemeinsam entwickelten immateriellen Wirtschaftsgütern. Des Weiteren
spezifizieren die US Cost Sharing Regulations, wie die aufzuteilende Kostenbasis und der erwartete Nutzen der Teilnehmer zu bestimmen sind. Zu
beachten ist darüber hinaus, dass CSAs explizite formale Voraussetzungen
erfüllen müssen und dass für diese eigenständige, erweiterte Dokumentationsvorschriften bestehen.
Bewertung einer PCT
Investor Model
Wichtigstes Prinzip bei der Bewertung einer PCT zur Vergütung von vorhandenen bewertungsfähigen Vorteilen (Ressourcen, Kapazitäten oder
sonstige Rechten 118 ) bleibt das Investor Model. Nach diesem Ansatz wägt
ein potenzieller Teilnehmer auf Grundlage der zum Zeitpunkt des Eintritts
vorhandenen Informationen ab, ob er entsprechend dem Risiko seiner
Forschungstätigkeit im Rahmen des CSA eine angemessene Rendite
erwirtschaften kann oder ob es für ihn eine bessere realistische Alternative zum
Eintritt in das CSA gibt. Für PCT-Zahler ist die Alternative, ein vergleichbares
immaterielles Wirtschaftsgut von einem unverbundenen Dritten zu lizenzieren.
PCT-Empfänger hingegen könnten alternativ das immaterielle Wirtschaftsgut
auf eigene Kosten und Risiken selber entwickeln, um es anschließend zu
lizenzieren.
Die Final Regulations stellen in der Präambel klar, dass der betrachtete Zeitraum des Investor Model von der Nutzungsdauer der zugrunde liegenden
immateriellen Wirtschaftsgüter abweichen kann. Der zu betrachtende Zeitraum
entspricht dem Zeitraum, in dem aus der Teilnahme am CSA Gewinne erwartet
werden.
Income Method
Grundsätzlich muss die Auswahl der Bewertungsmethode unter Berücksichtigung der sogenannten best method rule erfolgen. Eine mögliche Methode
zur Bestimmung fremdüblicher PCTs ist die Income Method. Dabei vergleicht
ein potenzieller Teilnehmer eines CSA den Barwert des erwarteten Gewinns aus
der Teilnahme am CSA mit dem Barwert des erwarteten Gewinns aus der
Lizenzierungsalternative. Die Differenz beider Barwerte ist die PCT-Zahlung.
118
Zu beachten ist, dass der Begriff des bewertungsfähigen Vorteils im Sinne eines CSA
weiter gefasst ist als die Definition des deutschen immateriellen Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 117
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Wesentliche Neuerungen durch die Final Regulations 119
Während laut IRS fremdübliche PCT-Zahlungen nur auf Basis des Ergebnisses
vor Steuern ermittelt werden können, werden zur Schätzung der zukünftigen
Gewinne und zur Ermittlung eines angemessenen Abzinsungsfaktors (discount
rate) oft Ergebnisse nach Steuern verwendet. Die Final Regulations zeigen in
mehreren Beispielen auf, wie aus einem Ergebnis nach Steuern PCT-Zahlungen
durch einen tax gross-up von einem Ergebnis vor Steuern abgeleitet werden
(Treas. Reg. 1.482-7(g)(4)(viii)).
Einen Schwerpunkt bilden Hinweise zur Bestimmung eines fremdüblichen
Abzinsungsfaktors. Es ist damit zu rechnen, dass dadurch der Abzinsungsfaktor
in zukünftigen Betriebsprüfungen ein Schwerpunkt sein wird. Der IRS erkennt
zwar grundsätzlich an, dass bei der CSA-Alternative und der Lizenzierungsalternative unterschiedliche Abzinsungsfaktoren angewendet werden können.
Allerdings stellen die Final Regulations klar, dass beide Alternativen auf den
gleichen, nach Wahrscheinlichkeiten gewichteten Gewinnvorhersagen basieren,
mit dem einzigen Unterschied der PCT-Zahlungen bzw. der Lizenzzahlungen.
Eine Differenzierung des Abzinsungsfaktors kann demnach nur aus unterschiedlichen Risiken hinsichtlich der Verpflichtung aus den PCT-Zahlungen
oder den Lizenzzahlungen hergeleitet werden (Treas. Reg. § 1.482-7(g)(4)(vi)
(F)(1)). Damit begegnen die Final Regulations einer möglichen Unterbewertung
der PCT-Zahlungen durch eine nicht gerechtfertigte Differenzierung der Abzinsungsfaktoren.
Des Weiteren wird durch den IRS in den „2011 Proposed Regulations“ eingeführt, dass mögliche PCT-Zahlungen direkt durch Ermittlung des Barwerts
eines Differential Income Stream zu ermitteln sind. Dabei ist der Differential
Income Stream der direkte Gewinnunterschied zwischen der CSA-Alternative
und der Lizenzierungsalternative. Als einheitlicher Abzinsungsfaktor wird der
Weighted Average Cost of Capital vergleichbarer Forschungsunternehmen
vorgeschlagen. Einzelheiten zur praktischen Bestimmung des angemessenen
Abzinsungsfaktors bleiben jedoch unklar.
Es ist möglich, PCT-Zahlungen auch als Lizenz, das heißt abhängig von einer
angemessenen Basis, zu strukturieren (contingent payment terms). Voraussetzung ist, dass eine solche Vereinbarung fremdvergleichskonform ist und dass
die Lizenz eindeutig im Vorhinein bestimmt worden ist und die Zahlungen tatsächlich geleistet werden. Die Final Regulations stellen dazu in mehreren neuen
119
Weiterführende Informationen in englischer Sprache finden Sie unter
www.publications.pwc.com/DisplayFile.aspx?Attachmentid=5244
&Mailinstanceid=22942.
118 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Beispielen dar, unter welchen Umständen solche Lizenzstrukturen vom IRS
anerkannt werden (Treas. Reg. § 1-482-7(h)(2)(iii)(C)).
Fazit
Die Bestimmungen zu CSAs haben zum Ziel, den Transfer von immateriellen
Wirtschaftsgütern aus den USA ohne angemessene Kompensation zu
erschweren. Allerdings haben die Regelungen durch den Fokus auf die
bewertungstechnischen Fragen der Income Method an Komplexität zugenommen. Der deutsche Betrachter fühlt sich unweigerlich an vergleichbare
Diskussionen im Rahmen der Regelungen zur Funktionsverlagerung erinnert.
Es darf bezweifelt werden, dass immer komplexere bewertungstechnische
Regelungen die Rechtssicherheit des Steuerpflichtigen erhöhen. Letztlich
gewinnt aufgrund der erhöhten Komplexität der CSA-Vorschriften der
Abschluss eines Advance Pricing Agreement an Bedeutung.
2.6 US-Gerichtsentscheidung zur Aggregation von Transaktionen und zur Segmentierung von Finanzdaten
Von Gert Wöllmann und Jan Luft
In dem Gerichtsverfahren zwischen Microsoft Corp. und der
Bundesstaatsbehörde 120 wurde die von der Finanzverwaltung
vorgenommene Aggregation aller Transaktionen und Geschäftsbereiche zu einer Transaktion als beliebig und unvernünftig
verworfen. Vor allem die fehlende Separierung von Transaktionen
mit fremden Dritten wurde kritisiert.
Eine Bundesstaatsbehörde hatte im Rahmen der Prüfung der Verrechnungspreise ihre Analyse unter Anwendung der Gewinnvergleichsmethode vorgenommen. Hierbei wurde ein Vergleich einer Gewinn-und-Kosten-Relation
von Microsoft Corp. mit der von branchenähnlichen Unternehmen vorgenommen. Dabei wurden sowohl Ergebnisse aus Transaktionen von mit
Microsoft Corp. verbundenen Unternehmen als auch Transaktionen mit
fremden Dritten berücksichtigt. Diese Vorgehensweise wurde damit begründet,
dass Microsoft Corp. zu komplex und vielschichtig sei, um die relevanten Transaktionen im Rahmen der Angemessenheitsanalyse sachgerecht voneinander
trennen zu können.
120
D.C. Office of Admin. Hearings, Case No. 2010-OTR-00012 (01.05.2012).
Transfer Pricing Perspective Deutschland 119
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
In den USA kann eine Gruppierung von Transaktionen mit verbundenen
Unternehmen und fremden Dritten nur erfolgen, wenn diese in einem engen
wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Grundsätzlich dürfen Transaktionen
nur zusammengefasst werden, wenn sie vergleichbare Produkte oder Dienstleistungen beinhalten.
Im vorgenannten Gerichtsverfahren wurde die einheitliche Verrechnungspreisanalyse der Finanzverwaltung vom Verwaltungsgericht als beliebig und
unangemessen verworfen. Das Gericht bemängelte vor allem die fehlende
Analyse zur Begründung der vorgenommenen Gruppierung sowie das fehlende
Bemühen der Finanzverwaltung, die Transaktionen mit verbundenen Unternehmen von denen mit unverbundenen zu trennen. Es konnte somit kein sachgerechter Vergleich der Finanzkennzahlen von Microsoft Corp. mit denen von
fremden Dritten vorgenommen werden. Zudem sei Microsoft Corp. nach
eigener Aussage in sieben verschiedenen Geschäftsbereichen tätig gewesen,
während die Finanzverwaltung vereinfachend nur eine Aktivität (Software)
bei ihrer Analyse berücksichtigt habe.
Die Entscheidung regelt zwar nur den konkreten Einzelfall, dennoch wird die
gängige Praxis, wie die Gewinnvergleichsmethode angewendet wird, infrage
gestellt. Aufgrund der Entscheidung ist es empfehlenswert, eine detaillierte
Analyse der Transaktionen vorzunehmen, mögliche Gruppenbildungen hinreichend zu begründen und das Eigengeschäft sowie Transaktionen mit
fremden Dritten ebenfalls hinreichend bei der Angemessenheitsanalyse zu
berücksichtigen.
Am 17. Dezember 2012 entschied die Bundesstaatsbehörde, nicht gegen die
Gerichtsentscheidung vorzugehen.
2.7 USA: Aufhebung des Verbots von rückwirkenden
Verrechnungspreisanpassungen (Zoll)
Von Gert Wöllmann und Julian Franck
Die US Customs and Border Protection (CBP) hebt die Regelung des
Headquarter Ruling Letter (HRL) auf, mit der die bisherigen
Beschränkungen hinsichtlich rückwirkender Anpassungen von
Verrechnungspreisen aufgehoben wurden. In Fällen von Warenlieferungen in die USA sind rückwirkende Anpassungen von
Verrechnungspreisen und damit von Zollwerten zwischen nahestehenden Personen wieder möglich. Dies beinhaltet auch die
Möglichkeit von Zollerstattungen.
120 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Die Neuregelung bezieht sich auf den Fall von Warenlieferungen in die USA
(inbound) und die damit in Zusammenhang stehenden festgesetzten Zölle. Laut
Neuregelung ist eine rückwirkende Anpassung der Verrechnungspreise unter
bestimmten Voraussetzungen möglich, wenn die Vereinbarung einer objective
formula belegt werden kann.
In dem neuen Schreiben definiert die CBP die Anforderungen an die objective
formula sowie die Anwendungsvoraussetzungen, damit nachträglich angepasste ertragsteuerliche Verrechnungspreise auch für Zwecke der Zollwertermittlung bzw. -korrektur akzeptiert werden können. Hierzu gehören
insbesondere eine schriftliche Verrechnungspreisrichtlinie, die Erfüllung der
allgemeinen ertragsteuerlichen Verrechnungspreisvorschriften (Internal
Revenue Code § 482) sowie besondere Aufzeichnungspflichten.
Durch die Verwendung der objective formula ergeben sich neue Planungsmöglichkeiten und Sicherheiten im Bereich von Verrechnungspreisanpassungen, inklusive der Möglichkeit von rückwirkenden Zollerstattungen.
Unternehmen sollten nach Möglichkeit ihr Verrechnungspreissystem im
Hinblick auf die neuen Kriterien analysieren, um gegebenenfalls von der Neuregelung profitieren zu können. Die Verrechnungspreisdokumentation des
Unternehmens sollte zudem einen ganzheitlichen Ansatz zur Optimierung für
ertragsteuerliche und zollrechtliche Zwecke verfolgen.
3 Asien
3.1 Australien: aktuelle Entwicklungen
Von Mirja Pollack und Verena Ebert
Am 16. März 2012 hat der australische Gesetzgeber einen Gesetzentwurf (Exposure Draft 121 ) veröffentlicht, in dem der erste Teil
einer Reihe von angekündigten Änderungen der australischen
Verrechnungspreisregeln enthalten ist. Ausgelöst durch die für
den australischen Fiskus negative Entscheidung des australischen
Gerichtshofs in dem Fall SNF 122 wurde bereits am 1. November 2011
121
122
Vgl. Exposure Draft of Tax Laws Amendment – 2012 Measures No. 3 – Bill 2012:
Cross Border Transfer Pricing.
Weiterführende Informationen zur Rechtssache SNF finden Sie unter
www.publications.pwc.com/DisplayFile.aspx?Attachmentid=4634
&Mailinstanceid=20984.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 121
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
eine umfassende Reform der Verrechnungspreisregelungen
angekündigt.
Ziel der Reformen ist insbesondere die Absicht, die aus dem Jahr 1982
stammenden derzeitigen australischen Verrechnungspreisregelungen
(Division 13 des dritten Teils des australischen Einkommensteuergesetzes
„Income Tax Assessment Act 1936“) an international bewährte Standards
anzupassen, um rechtliche Unsicherheiten zu beseitigen. Des Weiteren sollen
die Regelungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen mit den von Australien abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) abgestimmt werden und
die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 2010 unmittelbar zur Interpretation
herangezogen werden können.
Der jetzt veröffentlichte Gesetzentwurf enthält lediglich einen Teil der angekündigten Reformen und befasst sich im Wesentlichen mit der Einführung
einer neuen nationalen Vorschrift zur Einkommenskorrektur (Subdivision 815
des „Income Tax Assessment Act 1997“) zusätzlich zu der geltenden
Verrechnungspreisvorschrift in Division 13. Durch die neue Vorschrift
berechtigt der jeweilige Artikel 9 der australischen DBAs – unabhängig von den
bisherigen nationalen australischen Verrechnungspreisvorschriften – zu einer
Korrektur der Verrechnungspreise. Aus Sicht des australischen Gesetzgebers
hat die Einführung nur klarstellenden Charakter, sodass sich für die Anwendbarkeit der neuen Vorschrift eine rückwirkende Geltung ab dem 1. Juli 2004
ergibt.
Der Hauptunterschied der Regelungen zur Einkommenskorrektur besteht
in der Art der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Während die
Vorschriften der Division 13 eine transaktionsbezogene Bestimmung der
Verrechnungspreise vorsehen, stellt die neue Regelung auf die Gesamtgewinnsituation der Gesellschaft ab. Auswirkungen werden sich daher erwartungsgemäß für Konzerngesellschaften ergeben, die Verluste bzw. geringe Gewinne
erzielen. Ferner können sich Effekte für Unternehmen ergeben, die bisher eine
transaktionsbezogene Argumentation der Angemessenheit der Verrechnungspreise verfolgt haben und bei denen die Betrachtung der Gewinnsituation zu
anderen Ergebnissen führt.
Die in dem Konsultationspapier vom 1. November 2011 veröffentlichten
Änderungsvorschläge wie auch der jetzige Gesetzentwurf sind von der
australischen Wirtschaft und Beraterseite insbesondere aus folgenden
Gründen kritisiert worden:
● Ausweitung des Besteuerungsrechts der Finanzverwaltung
● rückwirkende Geltung der Subdivision 815 ab 2004, da die Regelung nicht
lediglich als Klarstellung zu verstehen ist
122 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
● Diskriminierung gegenüber Ländern, mit denen Australien ein DBA ab-
geschlossen hat, denn im DBA-Fall gibt es nun – im Gegensatz zum NichtDBA-Fall – eine weitere Einkommenskorrekturvorschrift
● Möglichkeit der Finanzverwaltung, Transaktionen mit verbundenen
Unternehmen neu zu bestimmen
● Anwendung nur von ausgewählten, für die Finanzverwaltung vorteilhaften
Regelungen der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze
● Ausweitung der Unterschiede zur Ermittlung des Zollwerts, da es keine
Verknüpfung der Auswirkungen beider Rechtsgebiete gibt
Diese Tatsachen dürften zum einen – entgegen dem postulierten Ziel der
Reformen – zu einer Erhöhung der Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendbarkeit der Verrechnungspreisregelungen in Australien führen und
zum anderen zu einer Erhöhung der Komplexität des Steuerrechts.
Die nächsten Schritte zur Umsetzung der geplanten Reformen (insbesondere
eine Überarbeitung der Division 13 sowie eine grundlegende Überarbeitung
der Gewinnverteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufgrund der
neuesten OECD-Entwicklungen, insbesondere des Separate Entity Approach
werden durch weitere Gesetzentwürfe in Kürze erwartet.
3.2 China: aktuelle APA-Entwicklungen
Von Gert Wöllmann, Jan Luft und Dr. Christoph Sommer
Die internationale Nachfrage nach Advance Pricing Agreements
(APAs) zwecks Vermeidung von Doppelbesteuerungen steigt
weiter. In China wurde das erste Outbound-APA vereinbart. Der
Fall betraf die Verrechnungspreisgestaltung einer chinesischen
Muttergesellschaft mit ihrer Vertriebstochtergesellschaft in
Europa.
Neben den bereits bestehenden fast 20 bilateralen und circa 50 unilateralen
APAs, die allesamt Verrechnungspreisgestaltungen zwischen ausländischen
Muttergesellschaften und ihren chinesischen Tochtergesellschaften betreffen,
wurde nun das erste Outbound-APA in China abgeschlossen. Hierbei wurde
auch zum ersten Mal die Verwendung eines ausländischen verbundenen Unternehmens als tested party seitens der chinesischen Finanzverwaltung akzeptiert.
Der Abschluss des Outbound-APA zeigt nicht nur die rapide Entwicklung der
chinesischen Verrechnungspreisvorschriften, sondern spiegelt auch die
Bedeutung des Exports für die chinesische Volkswirtschaft wider.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 123
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
3.3 Verrechnungspreise im Fokus der
chinesischen Steuerbehörden
Von Jörg Hanken und Mingzhe Ouyang
Die oberste chinesische Steuerbehörde, die State Administration of
Taxation (SAT), wird für 2012 ein verstärktes Augenmerk auf die in
China anfallenden Gewinne multinationaler Unternehmen richten,
um Steueroptimierungen aufzudecken und zu reduzieren. Das geht
aus einem Artikel des „China Taxation Newspaper“ hervor.
Entwicklungen im Jahr 2011
In den vergangenen Jahren haben die chinesischen Steuerbehörden die Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidungsstrategien verschärft. Nach
den neuesten Statistiken stiegen aufgrund dieser Maßnahmen die Steuereinnahmen der Volksrepublik China (VR China) um 2,657 Milliarden Euro
(23,9 Milliarden Renminbi 123 ) im Jahr 2011. Davon entfielen 2,312 Milliarden
Euro (20,8 Milliarden Renminbi) auf „normale“ Betriebsprüfungen (d. h. alle
Steuerarten), die im Nachgang der Durchsicht der Steuererklärungen und
Verrechnungspreisdokumentationen angestoßen wurden. 78 Millionen Euro
(0,7 Milliarden Renminbi) entfielen dabei auf die Bereiche Advance Pricing
Agreement (APA) und Mutual Agreement Procedure (MAP) und 267 Millionen
Euro (2,4 Milliarden Renminbi) auf spezielle Verrechnungspreisbetriebsprüfungen.
Vor allem unterstützen die chinesischen Steuerbehörden nachdrücklich die
Anwendung von APAs. Im Jahr 2011 haben mehr als 120 Unternehmen APAs
und MAPs beantragt und die SAT verhandelte in zehn Meetings 29 Fälle mit
sieben ausländischen Steuerbehörden, unter anderem mit den USA, Japan und
Südkorea. Sieben dieser Fälle führten zu Vereinbarungen, fünf Fälle wurden
offiziell unterzeichnet. Durch APAs und MAPs stiegen die Steuereinnahmen
der VR China um 78 Millionen Euro (0,7 Milliarden Renminbi), und Doppelbesteuerungen multinationaler Unternehmen in Höhe von 356 Millionen Euro
(3,2 Milliarden Renminbi) konnten verhindert werden.
SAT-Fokus für 2012
„Nach Region und Industrie“ lautet der Ansatz, der von der SAT bei der Durchführung von Verrechnungspreisbetriebsprüfungen seit 2012 verfolgt wird. Die
SAT hat dabei bestimmte Zielbranchen für die verschiedenen lokalen Steuer123
Zugrunde gelegter durchschnittlicher Umrechnungskurs für 2011 von
8,995997 Renmimbi/Euro.
124 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
behörden ausgewählt, um erste vorläufige Auswertungen und Ermittlungen
durchführen zu können. Demnach konzentrieren sich die chinesischen Finanzbehörden bei ihren Ermittlungen derzeit vor allem auf die Automobilbranche,
die Immobilienbranche, den Einzelhandel und die Transportindustrie.
In Bezug auf die zu prüfenden Transaktionsarten konzentriert sich die SAT nun
deutlich stärker auf die Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter sowie auf
Finanztransaktionen.
Dabei wollen die chinesischen Steuerbehörden auch für 2012 weiterhin strikt und
möglichst zeitnah die angefertigten Dokumentationen und jährlich erstellten
Unterlagen prüfen, die von den Unternehmen über ihre Transaktionen mit
verbundenen Unternehmen erstellt werden. Diese Unterlagen sollen als solide
Grundlage für branchen- und unternehmensweite Verrechnungspreisprüfungen
sowie für die Verständigungsverfahren dienen.
Die Abgabefrist für die Steuererklärungen 2012 sowie für die Verrechnungspreisdokumentation 2012 ist Ende Mai 2013. Die Betriebsprüfungen für 2012
beginnen ab Juni 2013. Multinationale Konzerne, die in den derzeit fokussierten
Zielbranchen tätig sind, sollten bereits im Vorfeld aktiv werden und ihr
Verrechnungspreissystem bzw. die Verrechnungspreisdokumentationen überprüfen und gegebenenfalls nachbessern, um Diskussionen und Anpassungen bei
zukünftigen Verrechnungspreisprüfungen so weit wie möglich zu reduzieren.
Auch sollten multinationale Unternehmen APAs und MAPs als eine Möglichkeit
in Betracht ziehen, Doppelbesteuerungen zu minimieren.
3.4 China: Fokus der Finanzverwaltung auf
immaterielle Wirtschaftsgüter und deren
Bewertung für steuerliche Zwecke
Von Gert Wöllmann und Julian Franck
Die China State Administration of Taxation (SAT) legt ihren Fokus
zunehmend auf die Prüfung des Transfers von Eigenkapital und
die Bewertung von immateriellen Vermögensgegenständen. Diese
Themen werden vermehrt in internen Schulungen behandelt und
auch in einem speziellen Handbuch der Finanzverwaltung
thematisiert, um zukünftig besser auf komplexe internationale
Verrechnungspreissachverhalte vorbereitet zu sein.
Die SAT wird zunehmend in Betriebsprüfungen und Verständigungsverfahren
mit Fragen zum Transfer von Eigenkapital und der Bewertung von
Transfer Pricing Perspective Deutschland 125
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
immateriellen Vermögensgegenständen konfrontiert. Um besser auf diese
Themen vorbereitet zu sein, wurden detaillierte Schulungsunterlagen zum
Thema Bewertung für die Finanzverwaltung erstellt. Diese beinhalten sowohl
Grundlagen der Bewertungsmethoden als auch Hinweise zur Prüfung von
Bewertungsgutachten (inklusive Fallstudien).
In Zukunft ist aufgrund dieser Initiativen zu erwarten, dass die chinesische
Finanzverwaltung vermehrt auch komplexere Verrechnungspreisthematiken
aufgreift und kritisch hinterfragt und mit zunehmender Praxiserfahrung ihr
Wissen weiter ausbauen wird. Unternehmen mit entsprechenden Transaktionen sollten sich daher auf eine intensivere und kritischere Hinterfragung
der Angemessenheit einstellen und darauf vorbereiten. So sind insbesondere
rein qualitative Analysen zwingend um aussagekräftige quantitative Analysen
(z. B. Bewertungsgutachten) zu ergänzen.
3.5 Hongkong: aktuelle APA-Entwicklungen
Von Gert Wöllmann, Jan Luft und Dr. Christoph Sommer
Die internationale Nachfrage nach Advance Pricing Agreements
(APAs) zwecks Vermeidung von Doppelbesteuerungen steigt
weiter. Auf diese Entwicklung hat nun die Finanzverwaltung in
Hongkong (Inland Revenue Department – IRD) kurze Zeit nach
Abschluss des ersten APA mit der Novellierung von APA-Vorschriften reagiert.
Nachdem Mitte Februar 2012 das erste APA über einen Verrechnungspreissachverhalt in Hongkong abgeschlossen worden war, wurde durch die am
29. März 2012 erfolgte Veröffentlichung der Departmental Interpretation and
Practice Notes No. 48 – Advance Pricing Arrangement (DIPN 48) nun auch
eine nationale Regelung zu APAs eingeführt. Die DIPN 48 umfasst das gesamte
APA-Regelwerk und dient dem Steuerpflichtigen als Leitfaden bei der Antragstellung und den weiteren Verhandlungen mit dem IRD. Insbesondere sieht die
DIPN 48 den Abschluss bi- und multilateraler APAs vor, was die Präferenz des
IRD unterstreicht, Verrechnungspreiskonflikte möglichst im Rahmen eines
Verständigungsverfahrens im Sinne des Art. 25 OECD-MA beizulegen. Aus
diesem Grund ist für Steuerpflichtige aus Ländern, mit denen Hongkong kein
Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat (wie z. B. Deutschland), die
Beantragung eines APA vorerst nicht möglich.
126 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
3.6 Großer Erfolg für internationalen Mobilfunkanbieter
im Streit mit der indischen Finanzverwaltung
Von Jörg Hanken und Arundhati Pandeya
Der Oberste Gerichtshof Indiens hat Vodafone International
Holdings BV (VIH) im Streit um mögliche Steuernachforderungen
in Höhe von circa 2 Milliarden US-Dollar recht gegeben. Das
Urteil legt fest, dass ein im Ausland erfolgter Transfer von Unternehmensanteilen, der indirekt zu einem Transfer von Unternehmensanteilen innerhalb Indiens führt, nicht in Indien besteuert
werden kann bzw. muss. Das weltweit mit Spannung erwartete
Urteil ist als ein positives Signal für ausländische Investoren zu
werten.
Das Verfahren drehte sich um die Übernahme des indischen Mobilfunkanbieters Hutchison Essar Ltd (HEL) durch VIH im Jahr 2007. VIH hatte die
strategische Zweidrittelbeteiligung an HEL, einer Holding auf den Cayman
Islands, erworben. Die indischen Steuerbehörden forderten daraufhin Quellensteuer von Vodafone, da die Transaktion ihrer Ansicht nach Vermögenswerte
in Indien betraf. Vodafone hingegen argumentierte, dass Indien für die
Besteuerung des Hutchison-Deals nicht zuständig sei, da die Transaktion
zwischen zwei ausländischen Unternehmen stattgefunden habe.
Wenn auch das Urteil festlegt, dass im Ausland getätigte Transaktionen
nach derzeitiger Rechtslage nicht in Indien besteuert werden können, ist zu
beachten, dass der sich in Diskussion befindliche Direct Taxes Code 2010
einen Vorschlag enthält, genau dies zu ermöglichen. Daher ist bei M&A-Transaktionen mit indischem Bezug eine sorgfältige Analyse der steuerlichen Folgen
nach wie vor sehr zu empfehlen.
Darüber hinaus sollten Steuerpflichtige in Indien ihre Verpflichtungen
insbesondere bezogen auf eine möglicherweise anfallende Quellensteuer
detailliert kennen, da diese eine Haupteinnahmequelle für die indischen
Steuerbehörden geworden ist und aggressiv eingetrieben wird.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zwar der zeitliche und finanzielle
Aufwand eines Gerichtsverfahrens in Indien nicht zu unterschätzen ist, aber das
Urteil in der Rechtssache Vodafone stärkt – auch für Verrechnungspreissachverhalte – sowohl die Rechte der Steuerpflichtigen als auch das Vertrauen in die
Unabhängigkeit der indischen Rechtsprechung.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 127
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
3.7 Verrechnungspreise in Indien – Status, Best Practice
und Ausblick
Von Ron Dorward und Arundhati Pandeya
Seit ihrer Einführung im Februar 2001 haben sich die
Verrechnungspreisregulierung und -überwachung in Indien sehr
schnell weiterentwickelt und sich inzwischen den Ruf erarbeitet, zu
den strengsten und aggressivsten der Welt zu gehören. Dem steht
eine unabhängige Justiz gegenüber, die in einer Reihe von (langwierigen und ressourcenintensiven) Prozessen für den Steuerzahler entschieden hat. 124
Die Auseinandersetzungen mit den indischen Steuerbehörden, in deren
Rahmen grundsätzliche Fragestellungen aufgeworfen, detailliert diskutiert und
geklärt werden, können hochkomplexer Natur sein. Dies betrifft zum Beispiel
die Behandlung immaterieller Wirtschaftsgüter insbesondere in den Bereichen
Marketing oder Managementdienstleistungen. Auf der anderen Seite finden
sich Fälle mit rein Compliance-bezogenen Verstößen gegen die indischen
Verrechnungspreisregeln wie zum Beispiel die Hinterfragung der Angemessenheit der herangezogenen Vergleichsunternehmen bei Benchmarkinganalysen (in Indien werden lokale Vergleichsunternehmen gefordert) oder das
Nichtvorhandensein einer (adäquaten) Verrechnungspreisdokumentation.
Best Practice
Vor diesem Hintergrund vertreten Verrechnungspreisexperten in Indien die
Meinung, dass die Harmonisierung der Zusammenarbeit des internen Steuerund Rechnungswesens und der Strategiestellen hohe Priorität genießen muss.
Dies ist essenziell, um die steuerlichen Auswirkungen betriebswirtschaftlicher
Entscheidungen frühzeitig zu erkennen und die regelkonforme Verrechnung
und Dokumentation sicherzustellen.
Die Sicherstellung einer verständlichen und allumfassenden Verrechnungspreisdokumentation ist bereits im Hinblick auf Compliance-Richtlinien unabdingbar. Zudem stellt sie eine herausragende Argumentationshilfe in Auseinandersetzungen mit den indischen Steuerbehörden dar. Die jüngere
124
Vgl. TP Week, „Victory for the tax payer in Mentor Graphics case“, 08.11.2007,
www.tpweek.com/Article.aspx?ArticleID=1695387; „Indian tribunal favours
taxpayer over arm’s length payment of royalty for technical services“, 08.12.2010,
www.tpweek.com/ Article.aspx?ArticleID=2728589; „Special Report: everything
you need to know about the Vodafone ruling“, 30.01.2012,
www.tpweek.com/Article.aspx?ArticleID=2969580.
128 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Vergangenheit zeigt, dass die weitaus größte Anzahl an Anpassungen mehrheitlich auf eine inadäquate Dokumentation zurückzuführen ist. Wichtig: Die
Dokumentation sollte zeitgleich zur eigentlichen Transaktion erfolgen.
Das Vorhandensein von unternehmensweit existierenden Verrechnungspreisrichtlinien und deren Befolgung schaffen keinen automatischen Schutz vor
Betriebsprüfungen und daraus entstehenden Strafzahlungen in der Folge von
Anpassungen. Obwohl der indische Fiskus unternehmensweit geltende Richtlinien generell anerkennt, muss separat geprüft und sichergestellt werden, dass
diese global orientierten Richtlinien den lokalen indischen Gegebenheiten, den
indischen Gesetzen sowie der Rechtsprechung genügen.
Neben einer lückenlosen Verrechnungspreisdokumentation ist es unabdingbar,
die eigene Verteidigungsstrategie zu identifizieren und zu dokumentieren.
Indische Verrechnungspreis-Betriebsprüfungen können langwierig und
ressourcenfressend sein, sodass es von wesentlichem Vorteil ist, die Kontrolle
über den Betriebsprüfungsprozess nicht aus der Hand zu geben. Dies sollte
über eine frühzeitige, klare Positionierung sowie die entsprechende transparente Kommunikation gegenüber dem verantwortlichen Betriebsprüfer
erfolgen.
Ausblick – APAs, Strafzahlungen und mehr
Nach lauter werdenden Beschwerden indischer bzw. in Indien tätiger Unternehmen über die enormen Strafzahlungen, die aufgrund von Verrechnungspreisdisputen verhängt worden sind, ist die indische Regierung eingeschritten
und hat eine Schlüsselreform auf den Weg gebracht. Im Rahmen des Finance
Bill 2012 hat das Finanzministerium das Central Board of Direct Taxes (CBDT)
angewiesen, das Rahmenwerk für die Einrichtung eines APA-Mechanismus
zu schaffen. APA-Regelungen wurden in Indien mit Wirkung vom 1. Juli 2012
eingeführt und ermöglichen sowohl unilaterale als auch bilaterale und multilaterale APAs.
Darüber hinaus enthält der Finance Bill 2012 eine Reihe von verrechnungspreisbezogenen Überarbeitungen existierender Definitionen sowie die Einführung neuer Konzepte und Strafzahlungen. 125 Eine genaue Bewertung dieser
für beide Seiten (Steuerzahler und Fiskus) bedeutenden Veränderungen kann
erst nach Finalisierung sowie Verabschiedung durch das CBDT erfolgen.
125
Vgl. PwC, Pricing Knowledge Network, „PKN Alert / TCDR Alert India – Union
Budget 2012 – Key amendments in transfer pricing provisions (APAs introduced)“,
16.03.2012.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 129
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
3.8 Einführung der other method in Indien – ein Trend für
den hypothetischen Fremdvergleich?
Von Susann van der Ham, Irina Engler und Arundhati Pandeya
In Indien hat das Central Board of Direct Taxes mit der Erlassung
der Norm 10AB die sechste Verrechnungspreismethode („other
method“) in das indische Einkommensteuergesetz eingeführt. Die
Norm 10AB ist am 1. April 2012 in Kraft getreten und soll ab dem
Wirtschaftsjahr 2011/2012 angewendet werden.
Gemäß der neuen Regelung sind die traditionellen fünf Verrechnungspreismethoden vorrangig anzuwenden. Other method kann in Indien eine beliebige
Methode sein, nach der die Preise so bestimmt werden, wie sie fremde Dritte
bei gleichen oder ähnlichen Transaktionen festgelegt hätten, sofern sie unter
ähnlichen Umständen alle relevanten Informationen in ihre Preisbestimmung
mit einbezogen hätten.
Die Einführung der sechsten Methode wird von indischen Steuerexperten
begrüßt und als weitere Stärkung der Rechte der Steuerzahler angesehen.
Die Experten gehen von einer häufigen Anwendung der other method in der
Zukunft aus, da sie in der Praxis eine sehr hohe Flexibilität bietet und vor allem
bei solchen Transaktionen angewendet werden kann, die in der Vergangenheit
aufgrund ihrer Komplexität nur unzureichend mithilfe der fünf traditionellen
Methoden abgedeckt werden konnten. Dies trifft insbesondere auf die Bewertung
von Anteilen, immateriellen Wirtschaftsgütern, Funktionsverlagerungen und
Garantien zu. Im Rahmen der other method können zukünftig Informationen
wie zum Beispiel Preisinformationen aus Verhandlungen, Angebote von
fremden Dritten, Ausschreibungen und Bewertungsstudien angeführt werden,
die früher wegen unzureichender unbeschränkter Vergleichbarkeit von den
indischen Behörden beanstandet wurden.
Der Gewinn an Flexibilität geht jedoch mit einer Erhöhung des (bereits vorher
schon beachtlichen) Dokumentationsaufwands einher, da in diesem Fall eine
nachvollziehbare Argumentation vorgelegt werden muss, weshalb die sechste
Methode zur Festlegung des Fremdvergleichspreises geeigneter als die fünf
traditionellen Methoden ist. Darüber hinaus liegt die Beweislast hinsichtlich
der Angemessenheit des Verrechnungspreises, die mittels einer sechsstufigen
Analyse (comparability factors nach Rule 10C) nachzuweisen ist, weiterhin
beim Steuerpflichtigen.
Obwohl die Einführung einer sechsten Methode für Indien sicherlich einen
großen Schritt hin zur Flexibilisierung der Verrechnungspreisvorschriften
130 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
darstellt, setzt die indische Finanzverwaltung hiermit keineswegs einen Trend.
Vielmehr sind ähnliche Regelungen in anderen Jurisdiktionen und internationalen Richtlinien ebenfalls zu finden.
In Deutschland sieht § 1 Abs. 3 AStG vor, dass, sofern weder uneingeschränkt
noch eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte festgestellt werden
können, der Steuerpflichtige seine Preise nach dem hypothetischen Fremdvergleich zu bestimmen hat. Beim hypothetischen Fremdvergleich, der faktisch
als die sechste Methode angesehen werden kann, handelt es sich um einen
fiktiven Preisvergleich, der sich danach richtet, was voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vereinbart hätten. 126 Auf Grundlage einer
Funktionsanalyse sowie innerbetrieblicher Planrechnungen sind der Mindestpreis des Leistenden und der Höchstpreis des Leistungsempfängers festzulegen.
Kann kein dem Fremdvergleichsgrundsatz mit hoher Wahrscheinlichkeit
entsprechender Preis aus diesem Einigungsbereich bestimmt werden, wird
der Mittelwert als der angemessene Preis angesehen.
In den USA finden die sogenannten unspecified methods immer dann Anwendung, wenn diese Methoden im jeweils vorliegenden Fall als die am besten
geeigneten angesehen werden können (best method rule). Diese Methoden
berücksichtigen das allgemeine Prinzip, wonach unabhängige Dritte die Transaktion beurteilen, indem sie realistische Alternativtransaktionen betrachten.
Auch die OECD erlaubt die Preisbestimmung anhand von other methods 127 ,
sofern die fünf Standardmethoden zu keinem geeigneten Preis führen. Sollte
eine other method genutzt werden, muss exakt dargelegt werden, warum die
Standardmethoden als nicht geeignet betrachtet werden. Zusätzlich muss
aufgezeigt werden, wie der Verrechnungspreis bestimmt wurde.
Die United Nations (UN) erwähnen nicht explizit die Anwendbarkeit von other
methods. Sie räumen lediglich ein, dass bei verbundenen Unternehmen Preise
nicht unangemessen sein müssen, falls andere Methoden als die in den OECDRichtlinien vorgeschriebenen zur Anwendung kommen. 128
Jedes der oben genannten Länder bzw. jede der genannten Institutionen
gestattet in gewisser Weise die Nutzung von mindestens einer weiteren
Methode zusätzlich zu den Standardmethoden. Während Indien, die USA sowie
die UN und die OECD mehr Spielraum bei der Ausgestaltung der Methode
126
127
128
Becker/Kroppen, Internationale Verrechnungspreise, V 2.1.4; Vogel, Art. 9 Rn. 32.
Vgl. Tz 2.9 der OECD-Richtlinien 2010.
Vgl. Tz. 1.1 der UN-Richtlinien.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 131
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
erlauben, sieht der Gesetzgeber in Deutschland ein konkretes Schema zur
Durchführung des hypothetischen Fremdvergleichs vor. Gemeinsam ist den
Vorschriften und Richtlinien der oben genannten Länder bzw. Institutionen,
dass other methods nur dann genutzt werden dürfen, wenn die Standardmethoden zu keinem zutreffenden Ergebnis führen.
Fazit
Alternative Methoden erlangen zunehmend praktische Relevanz, da sich
die Suche nach geeigneten Fremdvergleichsdaten für die Anwendung von
Standardmethoden immer schwieriger gestaltet. Es ist erkennbar, dass die
Regierungen diesem Problem Rechnung tragen wollen, indem sie alternative
Methoden zulassen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Ansatz zu einem größeren
Konsens zwischen den Steuerpflichtigen und den Finanzverwaltungen führt.
3.9 Indien: Komitee für die Umsetzung der
Safe-Harbour-Regelung eingesetzt
Von Gert Wöllmann und Julian Franck
Indien hat ein Komitee eingesetzt, das konkrete Anwendungsvoraussetzungen zur bereits 2009 eingeführten sogenannten SafeHarbour-Regelung erarbeiten soll. Ziel der Regelung ist es, Indien
als Investitionsstandort für ausländische Investoren attraktiver zu
gestalten.
Die Safe-Harbour-Regelung gilt insbesondere für Forschungs- und
Entwicklungszentren sowie den IT-Sektor. Das Komitee wurde dazu
eingesetzt, diese Branchen hinsichtlich der Umsetzung der Regelung zu
analysieren, um dann nach Konsultationsverfahren mit Vertretern der
Unternehmen und der Finanzverwaltung Anwendungsvorschriften zur
Safe-Harbour-Regelung zu entwerfen.
Durch die safe harbours sollen die Verrechnungspreise für einfache Transaktionen unter bestimmten Voraussetzungen von der Finanzverwaltung ohne
gesonderte Prüfung anerkannt werden. Die Finanzverwaltung kann sich dann
im Umkehrschluss in Betriebsprüfungen und (Vorab-)Verständigungsverfahren
vermehrt um komplexere Transaktionen kümmern. Unternehmen mit überwiegend oder ausschließlich einfacheren Transaktionen profitieren insbesondere
durch Erleichterungen bei der Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation
und der steuerlichen Prüfung der Verrechnungspreise. Die Fokussierung auf
komplexe Sachverhalte dürfte hingegen zu längeren Prüfungen bei diesen
Transaktionen führen.
132 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
3.10 Indien – Startschuss für APA-Programm
Von Ronald Steinert und Arundhati Pandeya 129
Insbesondere in Schwellenländern wie Indien rücken
Verrechnungspreise vermehrt in das Blickfeld der Finanzbehörden. 130 Diese Entwicklung führt bei vielen multinationalen
Unternehmen zu einem Bedürfnis nach mehr Rechtssicherheit.
Vorliegend soll daher das in Indien jüngst eingeführte APAProgramm näher beleuchtet werden.
Ein Advance Pricing Agreement (APA) ist eine Vereinbarung zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem, in der bestimmte Methoden zur Bestimmung
eines angemessenen Verrechnungspreises vorab für einen bestimmten Zeitraum verbindlich festgelegt werden. APA-Regelungen wurden in Indien mit
Wirkung vom 1. Juli 2012 eingeführt und ermöglichen sowohl unilaterale, also
ohne die Einbindung der ausländischen Gegenseite, als auch bilaterale und
multilaterale APAs.
Verrechnungspreisklima in Indien
Steuerpflichtige in Indien stehen vor der Herausforderung, ihre Verrechnungspreise in einem hochkontroversen Umfeld zu dokumentieren und zu
verteidigen. Durch das indische Jahressteuergesetz 2012 (Finance Bill 2012)
erfolgt in Indien eine beachtliche Verschärfung der Verrechnungspreisvorschriften. 131 Neben der Erweiterung der Dokumentationspflicht auch auf
Inlandstransaktionen gehören hierzu eine Einschränkung bei der Durchführung des Fremdvergleichs und die Verschärfung von Strafzahlungen.
Derzeit sind in Indien verrechnungspreisbezogene Rechtsstreitigkeiten mit
einem Gesamtwert von über 600 Milliarden Rupien (ca. 8,5 Milliarden Euro)
anhängig. In seiner Rede zum indischen Budget 2012–2013 wies der damalige
Finanzminister Pranab Mukherjee darauf hin, dass APAs in einer globalisierten
Wirtschaft mit grenzüberschreitenden Produktionsketten und weitreichenden
internationalen Handelsbeziehungen helfen können, die Anzahl an Steuer-
129
130
131
Die Autoren danken Herrn Dr. Manoj Raj (PwC Frankfurt am Main) für
seine Unterstützung.
Zum Konfliktpotenzial durch zunehmende Bedeutung der BRIC-Staaten vgl.
Lorenzen/Feldtkeller, IWB 12/2012, S. 452.
Vgl. Bittner/Jann, IWB 11/2012, S. 388.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 133
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
streitigkeiten deutlich zu reduzieren und ausländischen Investoren ein sicheres
Steuerumfeld zu bieten. 132
Ausgestaltung des indischen APA-Programms
Das indische APA-Programm entspricht im Wesentlichen der international
gängigen Praxis und Ausgestaltung. 133
So hat der Steuerpflichtige zum Beispiel – wie auch in Deutschland – die
Möglichkeit, das Vorgespräch (prefiling) mit der Finanzbehörde auf anonymer
Basis durchzuführen. Im Rahmen solcher Vorgespräche werden unter anderem
die geplanten Verrechnungspreismethoden und der APA-Zeitraum erörtert.
Für den Fall, dass der Steuerpflichtige sich gegen die Beantragung eines APA
entscheidet, muss er nicht befürchten, dass im Rahmen des anonymen Vorgesprächs offenbarte Informationen in der nächsten Betriebsprüfung gegen ihn
verwendet werden können. Verwendungshindernisse oder -verbote für den
Fall, dass die Verhandlungen zu einem späteren Zeitpunkt scheitern, bestehen
aber – wie üblich – nicht. 134
Ausdrückliche Regelungen zur Frage einer rückwirkenden Anwendung (rollback) bestehen im Gegensatz zur deutschen Rechtslage 135 in Indien nicht.
Allerdings wird ein abgeschlossenes APA auch für die Behandlung der offenen
Vorjahre sicherlich hilfreich sein, wie die praktischen Erfahrungen in anderen
Ländern zeigen.
Die Höhe der Gebühren für ein APA richtet sich seitens der indischen Finanzbehörde nach der Höhe des Transaktionsvolumens und beträgt zwischen
1 Million Rupien (ca. 14.200 Euro) und 2 Millionen Rupien (ca. 28.400 Euro).
Möglichkeiten eines APA zwischen Deutschland und Indien
Laut aktuellen Aussagen unserer Kollegen von PwC Indien würde ein Antrag
auf ein bilaterales APA mit Deutschland von der indischen Finanzbehörde
derzeit wohl abgelehnt werden, da im deutsch-indischen DBA eine dem OECDMusterabkommen (OECD-MA) entsprechende Regelung des Art. 9 Abs. 2 fehlt.
Aus deutscher Sicht und nach Aussagen des Bundeszentralamts für Steuern ist
132
133
134
135
Vgl. http://articles.economictimes.indiatimes.com/2012-08-31/news/33521426_1_apainternational-transaction-tax-authorities, zuletzt eingesehen am 05.11.2012.
Zu den Einzelheiten des indischen APA-Programms in englischer Sprache siehe
www.publications.pwc.com/DisplayFile.aspx?Attachmentid=5987
&Mailinstanceid=25467.
Vgl. Müller/Ruppert, IWB 13/2012, S. 484.
BMF-Schreiben vom 05.10.2006 – IV B 4 - S1341 - 38/06, BStBl 2006 I S. 594,
Tz. 7.3.
134 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
diese Bewertung nicht nachvollziehbar, zumal Rechtsgrundlage für bilaterale
APAs auf Abkommensebene Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA ist.
Vor diesem Hintergrund erscheint insoweit ein gewisser politischer Druck auf
Indien wünschenswert. Dies gilt umso mehr, als Indien in der deutschen
Wirtschaft aktuell ohnehin an Ansehen verliert. 136
Fazit
Die Einführung des APA-Programms in Indien ist positiv zu werten. Es bleibt
spannend zu beobachten, wie häufig APAs in der Praxis genutzt werden,
insbesondere angesichts der Schnelllebigkeit der indischen Verrechnungspreisregelungen. In Bezug auf bilaterale APAs sollte Indien seine vermutlich
ablehnende Haltung gegenüber den Ländern überdenken, in denen das jeweilige DBA keine entsprechende Regelung des Art. 9 Abs. 2 OECD-MA enthält.
3.11 Indonesien: Überarbeitung
der Verrechnungspreisrichtlinien
Von Verena Ebert und Mirja Pollack
Die indonesische Steuerbehörde hat am 11. November 2011 überarbeitete Verrechnungspreisrichtlinien (PER-32) veröffentlicht, die
an diesem Tag wirksam wurden.
Die jetzigen Änderungen der erst 2010 herausgegebenen Verrechnungspreisrichtlinien (PER-43) haben das Ziel, die indonesische Verrechnungspreispraxis
weiter an internationale Standards, insbesondere die im Jahr 2010 überarbeiteten OECD-Verrechnungspreisrichtlinien, anzupassen. Die Änderungen
betreffen vor allem die folgenden Bereiche:
● Im Gegensatz zu den vorherigen Richtlinien, die eine Hierarchie der
Verrechnungspreismethoden vorsahen, ermöglichen die neuen Richtlinien
dem Steuerpflichtigen die Wahl der am besten geeigneten Methode. Damit
wird erstmalig auch die transaktionsbezogene Nettomargenmethode (Transactional Net Margin Method – TNMM) als gleichwertige Methode
anerkannt.
● Inländische Geschäftsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen sind nunmehr von der Dokumentationspflicht ausgenommen, mit Ausnahme von
solchen Geschäftsbeziehungen, bei denen die Vertragspartner mit unterschiedlichen Steuersätzen besteuert werden.
136
Vgl. FAZ vom 03.11.2012.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 135
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
● Die Grenze für die Anwendung der Dokumentationspflicht wurde von
10 Millionen Indonesia Raya (ca. 860 Euro) pro Transaktion auf
10 Milliarden Indonesia Raya (ca. 860.000 Euro) pro Transaktionspartner
angehoben. Unabhängig davon sind im Rahmen der Steuererklärung weiterhin alle Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen aufzuführen.
● Die neuen Richtlinien bestimmen eine Präferenz für den internen gegenüber
dem externen Fremdvergleich.
● Ferner ist eine Definition von Umlageverträgen in Anlehnung an die
Definition der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien für Cost Contribution
Arrangements enthalten.
● Bei Fehlen von schriftlichen Verträgen wird das Vertragsverhältnis auf Basis
des tatsächlichen Verhaltens der Parteien beurteilt.
3.12 Japan: Stärkung der Corporate Governance
im Bereich Transfer Pricing
Von Susann van der Ham und Steffen Voll
Japans National Tax Agency (NTA) möchte die Corporate
Governance von großen Gesellschaften durch die Einführung eines
Fragebogens zur Beachtung von Verrechnungspreisgrundsätzen
(„Fragebogen“) stärken. 137 Damit liegt die NTA im Trend. Auch in
den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen 138 aus dem
Jahr 2011 wird die Wichtigkeit etablierter betrieblicher Prozesse
zur Einhaltung steuerlicher Vorschriften sowie einer Zusammenarbeit multinationaler Unternehmen mit Finanzverwaltungen
betont. Aufgrund der aktuellen Schwerpunktsetzung der OECD
ist auch in weiteren Ländern mit ähnlichen Anstrengungen der
Finanzverwaltungen zu rechnen.
Der Fragebogen ist Teil eines Programms zur allgemeinen Stärkung der
Corporate Governance im Steuerrecht. Er soll Aufschluss darüber geben, ob
bei der Festlegung von Verrechnungspreisen die japanischen Verrechnungspreisvorschriften befolgt werden, und aufzeigen, wie große Unternehmen
Verrechnungspreisthematiken organisatorisch umsetzen. Die NTA beabsichtigt,
137
138
Siehe dazu auch Yuriko Nagano NTA Official Says Survey Designed to Raise
Awareness of Transfer Pricing, Tax Management Transfer Pricing Report 2012,
Bloomberg BNA und PwC PKN Alert (www.publications.pwc.com/DisplayFile.aspx?
Attachmentid=5846&Mailinstanceid=24966).
Siehe Rn. 101/102 (www.oecd.org/daf/internationalinvestment/
guidelinesformultinationalenterprises/48004323.pdf).
136 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
durch die Einführung des Fragebogens das Bewusstsein für Verrechnungspreise
zu stärken und die Bereitschaft zur Einhaltung der Verrechnungspreisvorschriften zu erhöhen. Der Fragebogen untergliedert sich in die folgenden sieben
Themenbereiche:
1. Verständnis der japanischen Verrechnungspreisvorschriften
2. Einbindung der Geschäftsführung in Verrechnungspreisangelegenheiten
3. Identifikation von Transaktionen mit verbundenen ausländischen
Unternehmen und der zugrunde liegenden Umstände
4. Erstellung einer globalen Verrechnungspreisrichtlinie
5. Herleiten von Verrechnungspreisen anhand von
Verrechnungspreismethoden
6. Umgang mit Verrechnungspreisproblematiken
7. Kommunikation mit Steuerbehörden in Verrechnungspreisfragen
Insgesamt beinhaltet der Fragebogen 31 Fragen, zu denen eine Selbsteinschätzung anhand einer vorgegebenen Skala vorzunehmen ist.
Der Fragebogen ist von bestimmten großen japanischen Gesellschaften auszufüllen. Bislang haben etwa 26 Unternehmen an der Befragung teilgenommen.
Über den Fragebogen hinaus sucht die NTA den offenen Austausch mit den
Steuerpflichtigen über die Anwendung von Verrechnungspreisvorschriften.
Daneben verstärkt die NTA auch ihre Bemühungen, verrechnungspreisrelevante Kenntnisse bei den Unternehmen aufzubauen, indem sie spezielle
Seminare für Handels- oder Industriegruppen anbietet.
Die jüngsten Entwicklungen in Japan zeigen, dass es für multinationale Unternehmen ratsam ist, effiziente Verrechnungspreisprozesse zu etablieren. Hierzu
zählen insbesondere auch die Implementierung einer Verrechnungspreisrichtlinie sowie die Erstellung und regelmäßige Aktualisierung einer Verrechnungspreisdokumentation.
3.13 Taiwan: erstmaliger Abschluss eines
Doppelbesteuerungsabkommens
Von Mirja Pollack und Verena Ebert
Im Dezember 2011 wurde das erste Doppelbesteuerungsabkommen
zwischen dem Deutschen Institut in Taipeh und der TaipehVertretung in der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet.
Damit wurden die bereits im Jahr 2002 aufgenommenen
Verhandlungen formell abgeschlossen.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 137
Internationale Verrechnungspreisentwicklungen 2012
Deutschland erkennt Taiwan nicht als souveränen Staat an und unterhält deshalb keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Die deutschen Interessen
werden in Taipeh seit dem Jahr 2000 vom Deutschen Institut wahrgenommen.
Mangels Souveränität ist das Abkommen kein völkerrechtlicher Vertrag. Das
hat zur Folge, dass die innerstaatliche Umsetzung in Deutschland im Rahmen
eines nationalen Steuergesetzes nicht durch Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erfolgt.
Das Abkommen basiert auf dem OECD-Musterabkommen und bedeutet daher
eine Erhöhung der Rechtssicherheit sowie eine erhebliche Vereinfachung für
die bereits guten bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland
und Taiwan. Das deutsche Gesamthandelsvolumen mit Taiwan lag im Jahr
2010 bei 12,5 Milliarden Euro.
Das Abkommen ist am 7. November 2012 in Kraft getreten und findet ab dem
1. Januar 2013 Anwendung.
3.14 Vietnam: Fokus auf Verrechnungspreisen
in Betriebsprüfungen
Von Verena Ebert und Mirja Pollack
Infolge der 2011 erzielten Steuereinnahmen aufgrund von Betriebsprüfungen bei in Vietnam ansässigen ausländischen Unternehmen
hat die vietnamesische Steuerbehörde ihren Fokus auf die Prüfung
der Verrechnungspreise gerichtet. Die lokalen Finanzämter
wurden angewiesen, verstärkt Betriebsprüfungen bei Unternehmen mit internationalen Anteilseignern durchzuführen, die
in den Jahren 2008 bis 2010 Verluste oder geringe Gewinne
erwirtschaftet haben.
Zu diesem Zweck wurden Fragebögen an ausgewählte Steuerpflichtige
versendet, um insbesondere Informationen über die Verrechnungspreispraxis
und das Vorhandensein einer Verrechnungspreisdokumentation zu erlangen.
Es ist zu erwarten, dass auf Basis dieser Daten eine Auswahl von zu prüfenden
Unternehmen getroffen wird.
Steuerpflichtige sollten darauf vorbereitet sein, ihre Verrechnungspreisdokumentation, die in Vietnam zeitnah zu erstellen ist, den Steuerbehörden
auf Nachfrage innerhalb von 30 Tagen vorlegen zu können. Bei Verlusten oder
bei niedriger bzw. schwankender Profitabilität sollte die Verrechnungspreisdokumentation eine fundierte wirtschaftliche Begründung enthalten.
138 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
F Problemstellungen und Lösungen in
ausgewählten Branchen
International agierende Unternehmen stehen branchenübergreifend vor der
Herausforderung, ihre Verrechnungspreise im Spannungsfeld volatiler Finanzund Absatzmärkte und immer aggressiver werdender Finanzverwaltungen
zu bestimmen und zu verteidigen. Die nachstehenden Artikel behandeln für
ausgewählte Industriezweige diesbezügliche Problemstellungen mit dem Ziel,
zum einen das Problembewusstsein zu schärfen und zum anderen potenzielle
Lösungsansätze vorzustellen.
So stehen global agierende Banken neuerdings vor dem Problem, wie mit der
zur Eindämmung der Finanz- und Eurokrise in diversen europäischen Staaten
eingeführten Bankenabgabe aus Verrechnungspreissicht umzugehen ist. Um
eine steuerliche Mehrfachbelastung zu vermeiden, scheint eine Harmonisierung
der diesbezüglichen Regelungen zwingend erforderlich. Andernfalls drohen
dem Bankensektor Wettbewerbsverzerrung oder gar Geschäftsverlagerung.
Im Immobiliensektor haben die Entwicklungen an den Kapitalmärkten dazu
geführt, dass externe Fremdkapitalgeber sich zunehmend die Frage nach einer
betriebswirtschaftlich optimalen Kapitalstruktur für Neuinvestitionen stellen.
Um den entsprechenden Nachweis zu erbringen, könnte es sich anbieten,
die steuerlich notwendige Verrechnungspreisdokumentation sowohl von
Inbound- als auch Outbound-Investitionen zukünftig um die Darstellung der
Angemessenheit der gewählten Kapitalstruktur zu erweitern.
Immer knappere Kassen führen aufseiten der Finanzverwaltung dazu, die
Angemessenheit von Verrechnungspreisen verschärft unter die Lupe zu
nehmen. Hierbei werden unter anderem die sogenannte Palettenbetrachtung
wie auch der Einbezug von staatlichen Subventionen in die Verrechnungspreissetzung kritisch hinterfragt. Wann eine Bündelung von Geschäftsvorfällen
grundsätzlich denkbar erscheint, wird dabei am Beispiel der Pharmaindustrie
erörtert. Ob Subventionen bei der Verrechnungspreisfindung zu berücksichtigen sind, wird erst durch Analyse der jeweiligen Subvention und ihrer
Wirkung deutlich. Die nachfolgenden Artikel zeigen jeweils mögliche
Argumentationsskizzen auf.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 139
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
1 Die Verrechnung der Bankenabgabe zwischen
verbundenen Unternehmen
Von Jobst Wilmanns und Oliver Liche
Um den Finanzsektor an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen
und die zukünftige Finanzmarktstabilität zu gewährleisten, wurde
auf dem G-20-Gipfel im Juni 2010 in Toronto beschlossen, eine
Bankenabgabe zu erheben. Mittlerweile haben neben Deutschland
auch Österreich, Zypern, Frankreich, Ungarn, Portugal, Schweden
und Großbritannien die Bankenabgabe eingeführt. Andere Länder
wie zum Beispiel Polen planten ebenfalls die Implementierung
einer solchen Abgabe, haben dies jedoch aus unterschiedlichen
Gründen aufgegeben.
Da das Vorgehen und die Umsetzung zwischen den Ländern nicht abgestimmt
wurden, fällt die Ausgestaltung der Bankenabgabe in allen Ländern unterschiedlich aus.
In Ermangelung einheitlich koordinierter Regelungen zur Bankenabgabe durch
die einzelnen Staaten kann die steuerliche Behandlung der Bankenabgabe bei
Finanzierungsverhältnissen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sowie
zwischen rechtlich selbstständigen Einheiten bei einem mehrstufigen Bankenkonzern nicht einheitlich gelöst werden.
Rechtliche Gestaltung der Bankenabgabe
Im Folgenden wird die Verrechnung der Bankenabgabe zwischen verbundenen
Unternehmen bei grenzüberschreitenden Aktivitäten erläutert. Anhand dessen
wird untersucht, welche Probleme und Gefahren dies für international
agierende Kreditinstitute darstellt. Besonderes Augenmerk wird – aufgrund
der Bedeutung des Finanzstandorts London aus Sicht der deutschen Bankenkonzerne – auf die britischen Regelungen zur Bankenabgabe gerichtet.
Nach deutschen Regelungen handelt es sich bei der Bankenabgabe um eine
Sonderabgabe und keine Steuer 139 (§ 2 AO). Die Jahresbeiträge werden von
den jeweiligen beitragspflichtigen Banken in den Restrukturierungsfonds eingezahlt. Anders dagegen handelt es sich bei der Bankenabgabe beispielsweise in
Großbritannien um eine Steuer, 140 deren Einnahmen nicht in einen
139
140
BT-Drs. 17/3024, S. 17.
„There is to be a tax called the bank levy“, Schedule 1 Part 1 des britischen
Bankenabgabegesetzes.
140 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
gesonderten Fonds wie in Schweden und Deutschland, sondern unmittelbar in
den Staatshaushalt fließen.
Die Jahresbeiträge dürfen steuerlich nicht als Betriebsausgaben abgezogen
werden. 141 Für die Verrechnung stellt sich daher die Frage, ob der Teil der
Abgabe, der auf Tätigkeiten der ausländischen Niederlassung beruht, steuerlich
den Auslandsniederlassungen zugeordnet werden kann und so ein steuerlicher
Abzug innerhalb der Betriebsstättenbesteuerung der ausländischen
Niederlassung nach den dort geltenden steuerlichen Regelungen erreicht
werden kann.
Beitragsverpflichtete Kreditinstitute und Beitragshöhe
Abgabenpflichtig sind in Deutschland gemäß § 2 RStruktFG:
● alle Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG mit einer aufsichtsrechtlichen Erlaubnis, einschließlich Tochterkreditinstitute ausländischer Banken
● inländische Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, die
nach § 53 KWG Bankgeschäfte im Inland betreiben
Ausnahmen sind Kreditinstitute mit Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum, die
im Inland tätig sind, da sie nach § 53b KWG keine Erlaubnis nach § 32 KWG
benötigen und der Jahresabschluss nicht nach der Kreditinstituts-Rechnungslegungsverordnung erstellt werden muss.
Unternehmen, für die die Ausnahme nach § 2 KWG gilt, ebenso Institute, die
von der Körperschaftsteuerpflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 KStG befreit sind, und
andere Finanzunternehmen sind von der Abgabepflicht ausgenommen.
Der jährliche Umfang der Abgaben nach Mindest- und Höchstbeträgen ist in
den verschiedenen Staaten sehr unterschiedlich ausgeprägt und auch die Laufzeiten, Abgabensätze und Bemessungsgrundlagen variieren von Land zu Land.
Auch die beitragsrelevanten Passiva und Derivate ausländischer Betriebsstätten
werden in die Bemessungsgrundlage des deutschen Stammhauses einbezogen,
da die Berechnung der Jahresbeiträge nicht auf Grundlage des konsolidierten
Konzernabschlusses, sondern auf Grundlage des HGB-Einzelabschlusses
vorgenommen wird. Der Betriebsstätte muss ein entsprechender Anteil am
Gesamtergebnis zugeordnet werden. 142 Die Zurechnung der quotal auf die ausländische Niederlassung entfallenden Jahresbeiträge zum jeweiligen Betriebs141
142
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 13 EStG n. F.
BMF-Schreiben vom 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl 1999 I S. 1076,
Tz. 2.3.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 141
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
stättenergebnis sollte möglich sein. Dabei könnte sich die Verteilung auf
Stammhaus und Betriebsstätte an den betriebsrelevanten Passiva und
Derivaten orientieren.
Falls der auf die Betriebsstätte entfallende Anteil des Jahresbeitrags im Ausland
steuerlich abzugsfähig wäre, bedeutet dies eine Minderung der Bemessungsgrundlage für die ausländische Steuer.
Das Risiko einer mehrfachen Belastung durch die Bankenabgabe
im Zusammenhang mit Stammhaus, Tochtergesellschaft und
ausländischer Betriebsstätte
Mangels internationaler Regelungen besteht die Gefahr einer Doppelbelastung.
So wird beispielsweise die britische banking levy im Gegensatz zur deutschen
Bankenabgabe auch auf britische Niederlassungen im Ausland errichteter
Banken erhoben. Für deutsche Kreditinstitute mit britischer Tochtergesellschaft bedeutet dies, dass die britische Niederlassung hinsichtlich des
britischen Teils der Bemessungsgrundlage zweimal mit der Bankenabgabe
belastet wird. Zum einen in Deutschland, da die beitragsrelevanten
Verbindlichkeiten und Derivate der britischen Niederlassung dem deutschen
Stammhaus gehören und in dessen Bemessungsgrundlage einbezogen werden
müssen, und zum anderen in Großbritannien, da eine britische Niederlassung
ausländischer Banken ebenfalls einer Bankenabgabe unterliegt.
Die Bankenabgabe wird in Großbritannien auf Basis des Konzernabschlusses
der abgabenpflichtigen Bankengruppe ermittelt. Tochtergesellschaften werden
ebenfalls mit in den Konsolidierungskreis einbezogen. Problematisch wird es,
wenn die konsolidierten Tochtergesellschaften in ihrem Heimatland oder über
eine Zweigniederlassung in einem dritten Staat abgabenpflichtig sind. Das
würde bedeuten, dass die Bankengruppe hinsichtlich der Zweigniederlassungen
dreifach belastet wird, nämlich im Heimatstaat der Bankengruppe, im Staat der
Zweigniederlassung und im Sitzstaat der Tochtergesellschaft.
Anrechenbarkeit im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen
Eine Möglichkeit zur Vermeidung von Mehrfachbelastungen könnten
Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) darstellen, da sie das Ziel verfolgen,
steuerliche Mehrfachbelastungen zu reduzieren. Jedoch ist ihre Anwendbarkeit
zweifelhaft, da die Bankenabgabe beispielsweise in Deutschland keine Steuer,
sondern eine Sonderabgabe bzw. keine Steuer im Sinne der DBAs ist.
Abhilfe könnte das am 7. Dezember 2011 unterzeichnete „Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten
Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Bankenabgabe“ leisten.
142 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
Das Abkommen regelt die Anrechnung der jeweiligen Bankenabgabe. Damit
soll die steuerliche Belastung aus dem extraterritorialen Anwendungsbereich
der nationalen Bestimmungen reduziert werden, da deutsche und britische
Regelungen hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und Abgabensätze nicht
deckungsgleich sind.
Das Abkommen ist ein erster Ansatz, um das Problem der Doppelbesteuerung
zu lösen.
Fazit
Das Problem der steuerlichen Mehrfachbelastung international tätiger
Unternehmen durch Bankenabgaben verschiedener Staaten sollte durch
Verhandlungen auf internationaler Ebene in Form von bilateralen Abkommen
gelöst werden. Eine Harmonisierung der Regelungen ist dringend erforderlich,
andernfalls könnte es zu Wettbewerbsverzerrung oder gar Geschäftsverlagerung der Banken kommen.
Die Europäische Kommission beabsichtigte, ein EU-weites Netz von Bankenrettungsfonds zur Gewährleistung eines koordinierten Vorgehens beim Ausfallen einer Bank einzuführen. Die Ablösung der jeweiligen Einzelregelungen
der Länder durch ein EU-einheitliches Konzept könnte das Problem der
Doppelbesteuerung für die Zukunft lösen. Entsprechende Überlegungen
sind jedoch noch nicht vorangeschritten.
2 Pharmaindustrie – Zusammenfassung
von Geschäftsvorfällen
Von Kati Fiehler und Jan Krause
Nach nationalem Recht sind bei Sachverhalten, die Vorgänge mit
Auslandsbezug betreffen, Aufzeichnungen grundsätzlich geschäftsvorfallbezogen zu erstellen. Dies entspricht im Wesentlichen der
Maßgabe der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien, wonach grundsätzlich eine auf den Einzelfall bezogene Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes gefordert wird. Jedoch ist es unter
bestimmten Voraussetzungen möglich, sachlich bzw. zeitlich miteinander verbundene Geschäftsvorfälle zusammenzufassen. Von
dieser Möglichkeit wird unter anderem in der Pharmaindustrie
häufig Gebrauch gemacht (Basket Approach), was unter Umständen zu Diskussionen in einer steuerlichen Betriebsprüfung
führen kann.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 143
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
Hintergrund und Rechtsgrundlage
Im Rahmen der Dokumentationsvorschriften 143 haben Steuerpflichtige bei
Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den
Inhalt ihrer Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen 144 geschäftsvorfallbezogene Aufzeichnungen 145 zu erstellen. Diese transaktionsspezifische
Betrachtungsweise führt allerdings in der Praxis zu ganz erheblichen
Schwierigkeiten und administrativem Aufwand. 146 In der extremsten Interpretation würde dies dazu führen, dass für jede einzelne Produktlieferung zu
dokumentieren wäre, dass die dieser Produktlieferung zugrunde liegenden
Bedingungen fremdüblich sind (beispielsweise durch Nachweis einer
bestimmten durch die jeweilige Produktlieferung erzielten Marge).
Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass der Gesetzgeber in der
Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) die Zusammenfassung
von Geschäftsvorfällen unter bestimmten Kriterien zugelassen hat. Demnach
können Geschäftsvorfälle, die
● gemessen an Funktionen und Risiken wirtschaftlich vergleichbar sind und
bei denen die Gruppenbildung nach vorher festgelegten und nachvollziehbaren Regeln vorgenommen wurde und gleichartig oder gleichwertig sind
oder
● bei denen die Zusammenfassung auch bei Geschäften zwischen fremden
Dritten üblich ist (z. B. Verkauf eines Druckers und seine Wartung) oder
● es für die Prüfung der Angemessenheit im Hinblick auf eine
Geschäftsbeziehung weniger auf den einzelnen Geschäftsvorfall, sondern
mehr auf die Beurteilung des Gesamtgeschäfts ankommt, zum Beispiel bei
ursächlich zusammenhängenden Geschäftsvorfällen und bei Teilleistungen
im Rahmen eines Gesamtgeschäfts, 147
in einer Gruppe dokumentiert werden.
Auch gemäß den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien soll zunächst grundsätzlich eine auf den Einzelfall bezogene Dokumentation der Anwendung
des Fremdvergleichsgrundsatzes erfolgen. 148 Es wird jedoch anerkannt, dass
einzelne Geschäftsvorfälle häufig so eng miteinander verbunden sind oder so
143
144
145
146
147
148
§ 90 Abs. 3 AO.
Im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG.
§ 2 Abs. 3 GAufzV.
Vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, S. 69; ähnlich auch Schlaa/Hüning,
IWB Nr. 24, Gruppe 1, Fach 3, S. 2143, Kroppen/Rasch, IWB 2003, Fach 3, Deutschland, Gruppe 1, S. 1958.
Tz. 3.4.13 Verwaltungsgrundsätze Verfahren vom 12.04.2005, IV B 4 – S 1341 – 1/05.
Vgl. Tz. 3.1, 3.9 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien für multinationale
Unternehmen und Steuerverwaltungen, Juli 2010.
144 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
eng aufeinander folgen, dass eine sachgerechte Beurteilung jedes einzelnen
Geschäftsvorfalls nicht möglich ist, sodass eine Zusammenfassung der
Geschäftsvorfälle zulässig wäre. Als Beispiele führt die OECD hier unter
anderem langfristige Verträge über Warenlieferungen und Dienstleistungen,
Rechte auf Nutzung immaterieller Vermögenswerte und die Preisgestaltung bei
einer Palette eng miteinander verbundener Produkte, für die eine gesonderte
Preisermittlung für jedes einzelne Produkt oder jeden einzelnen Geschäftsvorfall nicht praktikabel ist, an.
Im Rahmen der „Palettenbetrachtung“ (Portfolio Approach) 149 verfolgt der
Steuerpflichtige eine Geschäftsstrategie, bei der bestimmte Geschäftsvorfälle
zusammengefasst werden, um über die Gesamtheit der Geschäftsvorfälle und
nicht unbedingt durch ein bestimmtes Produkt innerhalb dieses Portfolios
einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Somit können einzelne Dienstleistungen oder Produkte innerhalb des Portfolios eine sehr geringe oder gar
negative Marge aufweisen, wenn dies dem Absatz von Produkten oder Dienstleistungen, mit denen eine hohe Marge zu erzielen ist, förderlich ist.
Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen in der Pharmaindustrie
Für die Praxis der Pharmaindustrie ist die Gruppenbildung von großer
Bedeutung. Insbesondere werden häufig sachlich oder zeitlich miteinander
verbundene Geschäftsvorfälle im Rahmen der vorgenannten Palettenbetrachtung zusammengefasst. 150 Die Vor- und Nachteile aus einzelnen Lieferund Leistungsbeziehungen werden bei diesem Ansatz miteinander saldiert.
Somit wird nicht auf die einzelne Liefer- oder Leistungstransaktion, sondern
auf eine nach bestimmten Kriterien zusammengefasste Einheit abgestellt. Die
Brutto- oder Nettomarge wird demzufolge für eine Produktpalette ermittelt,
nicht jedoch für die einzelnen Produkte. 151
Dementsprechend werden häufig Geschäftsvorfälle, die – gemessen an den
Funktionen und Risiken – wirtschaftlich vergleichbar sind, zu Gruppen
zusammengefasst. Hierbei kann es immer wieder vorkommen, dass das
Portfolio sowohl Produkte umfasst, mit denen eine hohe Marge erzielt werden
kann, als auch solche, die eine niedrige oder gar negative Marge aufweisen.
Hierbei spielen vor allem der Produktlebenszyklus sowie die Laufzeit des
Patentschutzes eine große Rolle. Darüber hinaus werden einige Produkte aus
strategischen Erwägungen in das Portfolio einbezogen, beispielsweise um
einen bestimmten Marktanteil zu erreichen bzw. zu verteidigen oder um eine
149
150
151
Tz. 3.10 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien.
Vgl. auch Schreiber in Kroppen, 13. Ergänzungslieferung, Anm. 240 zu Verwaltungsgrundsätze Verfahren.
Vgl. auch Eigelshoven/Kratzer, IStR 2004, S. 32.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 145
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
Produktgruppe zu vervollständigen. Dabei wird meist auch nicht danach
unterschieden, von welchem internen Konzernlieferanten ein bestimmtes
Produkt geliefert wird. Somit ist die Gruppierung von Geschäftsvorfällen in
der Regel betriebswirtschaftlich und nicht steuerlich motiviert.
Betriebsprüfung
Im Rahmen von Betriebsprüfungen wird die Gruppierung von Geschäftsvorfällen unter Anwendung der Palettenbetrachtung mitunter aufgegriffen
und infrage gestellt. Uneinigkeit besteht insbesondere bezüglich der Kriterien,
nach denen eine Palettenbetrachtung vorgenommen werden darf. Die Anforderungen der Finanzverwaltung sind sehr weit formuliert und unpräzise. 152
Rückschlüsse, inwieweit im Einzelfall eine Gruppierung von Geschäftsvorfällen
tatsächlich zulässig ist, können kaum gezogen werden. Der Finanzverwaltung
wird hierdurch ein großer Argumentationsspielraum eröffnet. Diesen nutzt
sie und fordert nicht selten segmentierte oder gar produktspezifische Auswertungen an. Derartige Auswertungen sind in Unternehmen, die die Palettenbetrachtung anwenden, allerdings nicht oder nur sehr pauschaliert vorhanden
und können daher nicht in einer verlässlichen Art und Weise vorgelegt werden.
Ebenso müssen diese bei einer Palettenbetrachtung nicht Bestandteil der
Verrechnungspreisdokumentation sein. Aufgrund der weiten und sehr
allgemein gehaltenen Formulierung der Finanzverwaltung ist es im Rahmen
der Verrechnungspreisdokumentation Aufgabe des Steuerpflichtigen, zu
entscheiden und zu dokumentieren, ob eine Gruppierung von Geschäftsvorfällen zulässig ist. 153
Fazit
Derzeit besteht in Deutschland eine hohe Rechtsunsicherheit bezüglich der
Kriterien, nach denen eine Gruppenbildung möglich ist. Die Sichtweise der
Finanzverwaltung ist dabei mitunter überzogen (produktspezifische Margenauswertung). Sofern der Steuerpflichtige das Prinzip der Palettenbetrachtung
nachvollziehbar anwendet, ist eine solche Sichtweise der Finanzverwaltung
abzulehnen.
152
153
Vgl. hierzu Fiehler, K./ Bentzien, M.-M. „Betriebsprüfung: Vorlage von Management
Accounts vs. Grenzen der Mitwirkungspflichten“ in Ausgabe 11 von Transfer Pricing
Perspective Deutschland vom August 2011.
Vgl. auch Schlaa/Hüning, IWB Nr. 24, Gruppe 1, Fach 3, S. 2150.
146 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
3 Optimale Kapitalstrukturen bei Immobilieninvestitionen
Von Dr. Michael A. Müller, Dr. Abraham Ackerman und Alexandra Burg
Bei grenzüberschreitenden Immobilieninvestitionen ist eine Angemessenheitsdokumentation nicht nur aus steuerlichen Gründen
zwingend notwendig. Auch Banken und andere externe Fremdkapitalgeber fordern zunehmend einen Nachweis darüber, dass die
konzernintern vereinbarten Konditionen angemessen sind. Dies
bedeutet aber nicht nur zusätzlichen Aufwand für den Investor.
Eine steuerlich notwendige Angemessenheitsdokumentation kann
auch genutzt werden, um eine betriebswirtschaftlich optimale
Kapitalstruktur zu ermitteln und damit die Erträge aus der
Immobilieninvestition zu maximieren.
Wer unterliegt den deutschen Dokumentationspflichten?
Die Angemessenheit von Verrechnungspreisen für grenzüberschreitende
konzerninterne Transaktionen muss durch die Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation nachgewiesen werden. Diese Dokumentationsvorschriften
treffen Steuerpflichtige. Der Begriff schließt dabei sowohl unbeschränkt als
auch beschränkt Steuerpflichtige mit ein. Damit unterliegen
● im Ausland ansässige Investoren, die inländische Immobilien halten, und
● im Inland ansässige Investoren, die ausländische Immobilien halten,
den deutschen Dokumentationspflichten. Erleichterungen bezogen auf den
Umfang der zu erstellenden Dokumentation orientieren sich allein am Volumen
der konzerninternen Transaktionen. Für beschränkt Steuerpflichtige sind keine
Erleichterungen vorgesehen.
Welche Finanzierungen müssen dokumentiert werden?
Immobilientransaktionen werden typischerweise sowohl durch externe als
auch durch konzerninterne Darlehen finanziert. Bei grenzüberschreitenden
konzerninternen Finanzierungen ist die Angemessenheit des Darlehens zu
dokumentieren, um den gesetzlichen Dokumentationspflichten nachzukommen
und damit das Risiko von Ergebnisanpassungen und Strafzuschlägen zu
reduzieren. Eine Dokumentation ist jedoch oft nicht nur aus steuerlichen
Gründen notwendig. Zunehmend machen Banken oder andere externe
Kreditgeber die Vorlage einer Angemessenheitsdokumentation für das intern
begebene Darlehen zur Voraussetzung für die Gewährung bzw. Auszahlung des
externen Darlehens.
Welche Finanzierungskonditionen sind angemessen?
Doch nach welchen Maßstäben gelten eigentlich Darlehenskonditionen als
angemessen bzw. unangemessen? Da sich die Höhe des Zinssatzes vor allem
Transfer Pricing Perspective Deutschland 147
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
an der Kreditwürdigkeit der beliehenen Immobilien orientiert, sollten bei
der Ermittlung von Darlehenskonditionen insbesondere folgende Faktoren
berücksichtigt werden:
● Beleihungsgrad und Kapitalstruktur
● Cashflow und Erträge
● Marktposition und Qualität der Vermögenswerte
Maßgeblich für die Höhe der Zinsen ist insbesondere der sogenannte
Beleihungsgrad (loan to value – LTV). Der LTV misst das Verhältnis des
Gesamtdarlehensbetrags zum Wert des beliehenen Vermögens. In der Praxis
sind mit zunehmendem LTV steigende Darlehenszinssätze zu beobachten.
Dies liegt daran, dass mit steigendem Verschuldungsgrad das Ausfallrisiko für
den Fremdkapitalgeber steigt, was sich in steigenden Darlehenszinssätzen
widerspiegelt.
Was ist die optimale Kapitalstruktur?
Eine steuerlich notwendige Angemessenheitsdokumentation kann deshalb auch
genutzt werden, um eine betriebswirtschaftlich optimale Kapitalstruktur zu
ermitteln. Insbesondere im gegenwärtigen Zinsumfeld gilt, dass Eigenkapital
„teurer“ als Fremdkapital ist. Anders ausgedrückt: Ein Eigenkapitalgeber
fordert in der Regel eine höhere Rendite für sein Kapital als ein Fremdkapitalgeber. Dies ändert sich aber mit steigendem Verschuldungsgrad. Die vom
Fremdkapitalgeber geforderten Zinssätze steigen dann allmählich an, sodass
ab einem bestimmten Verschuldungsgrad Fremdkapital „teurer“ als Eigenkapital wird. Daher sollte bei der Festlegung der Finanzierungsstruktur ein
Kompromiss zwischen „teurem“ Eigenkapital und – bis zu einem gewissen
Grad – „günstigerem“ Fremdkapital gefunden werden. Dadurch können die
Kapitalkosten minimiert und die Erträge aus der Immobilieninvestition
maximiert werden.
Welche Dienstleistungskonditionen sind angemessen?
Typische Immobiliendienstleistungen zwischen verbundenen Unternehmen
sind sogenannte Assetmanagement- und Fund-Management-Leistungen. Unter
dem Begriff der Assetmanagement-Leistungen werden Tätigkeiten zusammengefasst, die sich auf die Verwaltung, Entwicklung, Nutzung bzw. Verwertung
von Immobilienvermögen konzentrieren. Die Vergütung für entsprechende
Tätigkeiten kann unter anderem als Prozentsatz vom Wert des verwalteten
Immobilienvermögens festgesetzt werden. Fund-Management-Leistungen
umfassen unter anderem Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der
Ausgestaltung des Fonds, der Finanzierungsgestaltung oder des Reportings.
Die Vergütungen können ähnlich ausgestaltet sein wie diejenigen für
Assetmanagement-Leistungen.
148 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
Bei der Festlegung der Vergütung für solche Leistungen fordert die Finanzverwaltung, dass die vom Leistungserbringer voraussichtlich erzielten Erträge
den übernommenen Funktionen und Risiken des Dienstleisters entsprechen.
Da diese im Einzelfall sehr unterschiedlich sind, gibt es in der Praxis eine breite
Vergütungsspanne. Bei der Dokumentation der Leistungsbeziehung steht die
Darstellung des vom Leistungsempfänger empfangenen Nutzens im Vordergrund, da dies erfahrungsgemäß ein Schwerpunkt im Rahmen von Betriebsprüfungen ist.
Fazit
Typische Verrechnungspreisfragen bei grenzüberschreitenden Immobilieninvestitionen betreffen die Angemessenheit von konzerninternen Finanzierungsund Dienstleistungskonditionen. Der deutsche Fiskus und zunehmend
auch externe Fremdkapitalgeber fordern, sowohl bei Inbound- als auch bei
Outbound-Investitionen die Angemessenheit durch eine Verrechnungspreisdokumentation zu belegen. Eine solche Dokumentation sollte auch dazu
genutzt werden, eine betriebswirtschaftlich optimale Kapitalstruktur für die
Immobilieninvestition zu ermitteln.
4 Staatliche Subventionen und Verrechnungspreise –
ein politisches Thema?
Von Oliver Kost und Martin Lang
Die stockende Energiewende, Fotovoltaik als Kapitalanlageoption,
die Kritik westdeutscher Kommunen am Solidarpakt II – staatliche
Subventionen und Steuerungsmaßnahmen haben oftmals kontroverse öffentliche Diskussionen zur Folge. Auch in der Betriebsprüfung können solche Subventionen für Diskussionen darüber
sorgen, in welcher Form sie bei der Verrechnungspreisermittlung
zu berücksichtigen sind.
Staatliche Subventionen, wie zum Beispiel Forschungs- und Entwicklungszuschüsse, können als lokale Standortvorteile bzw. Marktbesonderheiten zu
qualifizieren sein und zu beachtlichen Kostenersparnissen und Ergebnisbeiträgen führen. Für die zutreffende Berücksichtigung staatlicher Subventionen bei der Bestimmung von Verrechnungspreisen sind jedoch
verschiedene Einflussfaktoren zu beachten.
Arten und Wirkungen staatlicher Subventionen
Als Lenkungsinstrumente des Staats haben öffentliche Subventionen das Ziel,
das Verhalten der Haushalte und Unternehmen zielgerichtet zu steuern. Ob-
Transfer Pricing Perspective Deutschland 149
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
wohl in der Praxis zahlreiche staatliche Beihilfen existieren, sollen an dieser
Stelle beispielhaft Maßnahmen zur investiven Förderung und Maßnahmen zur
Nachfrageförderung betrachtet werden. Maßnahmen zur investiven Förderung
(z. B. Investitionszuschüsse und -zulagen) als Mittel der kommunalen Standortpolitik zielen auf die Senkung der Investitionskosten eines Unternehmens ab.
Infolgedessen kann die betriebswirtschaftliche Effizienz aufgrund geringerer
Abschreibungsbeträge oder eines direkten Ausweises der Zuwendung als Ertrag
gesteigert werden. Maßnahmen zur Nachfrageförderung (z. B. die Abwrackprämie oder die EEG-Umlage) zielen auf die Stimulierung des Konsums einer
Ware oder Dienstleistung ab und beeinflussen das betriebliche Ergebnis des
Anbieters nur in indirekter Weise.
Gegenwärtiger Meinungsstand zur Berücksichtigung
von Standortvorteilen
Staatliche Subventionen standen in der Vergangenheit meist nicht unmittelbar
im Fokus der betrieblichen Verrechnungspreisermittlung. Sie werden jedoch
zunehmend von der Betriebsprüfung als Diskussionspunkt aufgegriffen,
insbesondere dann, wenn die Anwendung der Preisvergleichsmethode nicht in
Betracht kommt. Die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung zu diesem
Thema ist bislang indifferent, davon abhängig, ob inländische oder ausländische Standortvorteile betroffen sind. Mit Urteil des Finanzgerichts
Münster vom 16. März 2006 (Az. 8 K 2348/02 E) hat sich die Rechtsprechung
bei Lohnfertigern für eine (im Urteilsfall hälftige) Aufteilung von Standortvorteilen zwischen den Transaktionspartnern ausgesprochen. Darüber hinaus
kann auch der Neufassung des § 1 Abs. 3 AStG bzw. § 3 Abs. 2 FVerlV –
zumindest bei Fällen einer Funktionsverlagerung – die gesetzgeberische
Auffassung entnommen werden, dass Standortvorteile aufzuteilen sind, da
diese in die Bemessung von Transferpaketen einzubeziehen und gegebenenfalls
hälftig aufzuteilen sind. 154
Die OECD führt in ihren aktuellen Verrechnungspreisrichtlinien 155 aus, dass
staatliche Maßnahmen als Besonderheit des jeweiligen Marktes bei der
Verrechnungspreisfindung zu berücksichtigen sind. Auch vor dem Hintergrund
der vielfältigen Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme vermeiden die OECDRichtlinien jedoch eine klare Aussage, wie staatliche Maßnahmen im konkreten
154
155
Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 FVerlV sind Standortvorteile grundsätzlich in die Ermittlung
von Gewinnpotenzialen einzubeziehen. Ferner ist im Rahmen des sog. hypothetischen Fremdvergleichs der Mittelwert des Einigungsbereichs für die Bewertung
des Transferpakets heranzuziehen, sofern kein anderer Wert glaubhaft gemacht
werden kann.
Vgl. Tz. 9.148 ff. der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien für multinationale
Unternehmen und Steuerverwaltungen, Juli 2010.
150 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
Fall zu berücksichtigen sind. Die Berücksichtigung von Subventionen und die
Ermittlung eines konkreten Aufteilungsmaßstabs bei der Verrechnungspreisbildung bleiben daher eine Entscheidung des Einzelfalls. Grundsätzlich kann
jedoch die folgende zweistufige Betrachtung als Anhaltspunkt dienen.
In der ersten Stufe sollte die Subvention im Hinblick auf ihre Wirkungsweise
und auf den mit ihr beabsichtigten Effekt hin untersucht werden. Dabei ist
entscheidend, ob bereits die zweckgemäße Mittelvergabe und -verwendung im
Wesentlichen den gewünschten volkswirtschaftlichen Erfolg herbeiführt (z. B.
Beschäftigungs- und Ansiedlungseffekte). Ist dies der Fall, so liegt es nahe, die
betriebswirtschaftlichen Standortvorteile nach den im nachfolgenden Absatz
benannten Kriterien den Transaktionspartnern zuzuordnen und gegebenenfalls
aufzuteilen. Soweit dies nicht der Fall ist, etwa wenn der politische Lenkungswille auf die Beeinflussung von Marktmechanismen selbst abzielt, kann eine
weitere differenzierte Betrachtung der staatlichen Maßnahme notwendig sein.
Auf der zweiten Stufe kommt bei der Beurteilung, ob und inwieweit den
Vertragspartnern die Standortvorteile zustehen, der jeweiligen Verhandlungsposition regelmäßig eine zentrale Rolle 156 zu. Diese kann beispielhaft anhand
folgender Fragestellungen ermittelt werden:
● Welche Vertragspartei hat die Förderfähigkeit der Maßnahme herbeigeführt
(z. B. durch eine Finanzierungs- und Investitionsentscheidung)? Hiernach
könnte der Vertragspartei, die die Durchfinanzierung der Maßnahme erst
ermöglicht und gegebenenfalls auch die Investitionsentscheidung trifft, ein
Anteil am Standortvorteil zuzurechnen sein.
● Welcher Transaktionspartner übernimmt die Einwerbung der Fördermittel
und ist für die Einhaltung der sogenannten Zweckbindungsvoraussetzungen
verantwortlich? Da auch die Erfüllung der formellen Antrags- und Meldepflichten eine Voraussetzung zur Gewährung einer Subvention ist, sind die
insoweit ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken bei der
Aufteilung des Standortvorteils zu berücksichtigen.
● Welche Geschäftsstrategie verfolgen die Transaktionspartner? Grundsätzlich
sollte derjenige Transaktionspartner, der die strategische Entscheidungskompetenz in Zusammenhang mit der geförderten Maßnahme innehat und
somit bestimmte Funktionen ausübt sowie Risiken trägt, einen Anteil am
erzielten wirtschaftlichen Vorteil beanspruchen können. Bei einem reinen
Routineunternehmen als Zuwendungsbegünstigtem wird die in diesem
Zusammenhang stehende strategische Einflussnahme bzw. Entscheidungskompetenz typischerweise eingeschränkt sein und daher kann dem
156
Eine Aufteilung des Standortvorteils gemäß der jeweiligen Verhandlungsposition
setzt gleichwohl voraus, dass diese nicht wesentlich durch gesellschaftsrechtliche
Maßnahmen verfälscht wird.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 151
Problemstellungen und Lösungen in ausgewählten Branchen
Strategieträger auch in diesem Fall ein Anteil der Subventionsvorteile
zustehen.
● Wie sind die relevanten Angebots- und Nachfragemärkte strukturiert?
Beispielhaft können Markteintrittsbarrieren, die spezifische Stellung der
Unternehmen am Markt und andere Faktoren die Verhandlungspositionen
der beteiligten Unternehmen beeinflussen.
Fazit
Der Einfluss von Subventionen bei der Verrechnungspreisfindung ist vom
Einzelfall abhängig. Wichtig für einen zutreffenden Verrechnungspreis
ist zunächst eine Analyse der jeweiligen Subvention und ihrer Wirkung.
Insbesondere konsumorientierte staatliche Subventionen wie die EEGUmlage erfordern eine gründliche Betrachtung der volks- und betriebswirtschaftlichen Effekte. Erst dann können die identifizierten betriebswirtschaftlichen Wirkungsfaktoren quantifiziert und gegebenenfalls den
Konzernteilen anteilig zugeordnet werden.
152 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Konzepte
G Konzepte
Die Wertschöpfungsbeitragsanalyse sowie Betriebsstättenrisiken sind nach wie
vor Gegenstand anhaltenden Interesses und häufiger Diskussionen.
Um die im Rahmen der Wertschöpfungsbeitragsanalyse bei hypothetischen
Fremdvergleichssituationen vorzunehmenden subjektiven Einschätzungen in
objektivierte und quantitativ gestützte Ergebnisse für die Verrechnungspreisbestimmung umzuwandeln sowie um unternehmensindividuelle Betriebsstättenrisiken zu erkennen und diesen projektbegleitend von der ersten bis
zur letzten Phase zu begegnen, hat PwC innovative Tools und Lösungsansätze
entwickelt.
Diese werden in den nachfolgenden Beiträgen vorgestellt und ihr Nutzen für
Steuerpflichtige aufgezeigt.
1 Wertschöpfungsbeitragsanalyse bei Profit Splits und
anderen hypothetischen Fremdvergleichssituationen
mithilfe von Rankingansätzen (Teil II)
Von Dr. Yves Hervé
In der Ausgabe 11 der „Transfer Pricing Perspective Deutschland“
vom August 2011 wurde ein Lösungsansatz skizziert, wie man in
hypothetischen Fremdvergleichssituationen, bei denen die
Standard-Verrechnungspreismethoden (Preisvergleichs-, Kostenaufschlags- und Wiederverkaufspreismethode) für die Fremdvergleichswürdigung ungeeignet erscheinen, gemäß den Anforderungen von § 1 Abs. 3 AStG einen wahrscheinlichsten Wert in
einer großen Spannbreite zwischen Mindestpreis des leistenden
Unternehmens und Höchstpreis aus Sicht des die Leistung
empfangenden Unternehmens bestimmen kann. 157 In diesem
Beitrag möchten wir die Vorgehensweise an einem Praxisbeispiel
illustrieren.
157
Vgl. hierzu Herve, Y./Wilcke, D. „Wertschöpfungsbeitragsanalyse bei Profit Splits und
anderen hypothetischen Fremdvergleichssituationen mithilfe von Rankingsätzen
(Teil I)“ in Ausgabe 11 der Transfer Pricing Perspective Deutschland.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 153
Konzepte
Praxisbeispiel aus der Automobilzuliefererindustrie
In einer typischen Konzernwertschöpfungskette erbringt die inländische
Konzernmutter M folgende Leistungen: Produktentwicklung, Werkzeugentwicklung, Key-Account-Management, Brand-Marketing. Die ausländische
Konzerntochter T erbringt folgendes Leistungsbündel: Sourcing, Produktion
und Produktionsplanung, Qualitätskontrolle, Supply-Chain-Management und
Distribution.
In einer solchen Wertschöpfungskette sind grundsätzlich verschiedene
Geschäftsmodelle und Verrechnungspreissysteme vorstellbar. Wir gehen
in unserem Beispiel jedoch vom Co-Entrepreneur-Modell aus.
Co-Entrepreneur-Modell
Die Tochter soll den Hauptanteil der Entrepreneurchancen und Risiken
in der Wertschöpfungskette tragen, die Mutter aber für den Einsatz ihrer
immateriellen Werttreiber vergütet werden. Als fremdvergleichskonforme
Lösung dem Grunde nach wird eine umsatzabhängige Lizenzzahlung an die
Mutter bestimmt. Die Höhe der Lizenzzahlung soll sich aus den Planzahlen des
Unternehmens ableiten. Die Planzahlen liegen wie in der Automobilbranche
meist üblich projektbezogen für einen Zeitraum von sieben bis neun Jahren vor.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in den ersten beiden Jahren vor Beginn der
Produktion (start of production – SOP) nur Akquisitions- und Entwicklungsleistungen von der Mutter erbracht werden, denen kein Umsatz gegenübersteht. Dagegen fällt nach SOP der Löwenanteil des Aufwands in den Jahren 3
bis 9 bei der Tochter an, denen bestimmte Umsatzerwartungen gegenüberstehen. Lizenzzahlungen sollen dann auch erst ab Jahr 3 an die Mutter fließen.
Hypothetischer Fremdvergleich
Interne und externe Preisvergleichsdaten für die Höhe der Lizenz liegen im
Beispielfall annahmegemäß nicht vor. 158 Es ist daher zwingend ein
hypothetischer Fremdvergleich gemäß § 1 Abs. 3 AStG durchzuführen.
Im vorliegenden Fall unterstellen wir, dass alle ausgeübten Funktionen keinen
Routinecharakter haben und der hypothetische Fremdvergleich zu einer
Gewinnaufteilungsmethode (Profit Split) führt. Als Preisuntergrenze für die
Lizenz unterstellen wir dabei, dass der Lizenzgeber mindestens seine Kosten
erwirtschaften möchte. Der Höchstpreis der Lizenz wird analog bestimmt.
Unter Berücksichtigung der Lizenz wird der Lizenznehmer zumindest kosten158
Nach Meinung der Finanzverwaltung (Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung)
sind externe Preisvergleichsdaten im Lizenzfall regelmäßig für die Fremdvergleichsanalyse nicht anwendbar. Allerdings folgt die Praxis dieser Meinung nicht uneingeschränkt. Die Anwendbarkeit ist vielmehr einzelfallbezogen zu prüfen.
154 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Konzepte
deckend operieren wollen. Im vorliegenden Beispielfall führt dies, wie der
folgenden Tabelle zu entnehmen ist, zu einer Lizenzbandbreite von 13,7 bis
20,9 Prozent mit einem Mittelwert von 17,3 Prozent. Dieser Wert, der einer
50:50-Gewinnaufteilung entspricht, ist als Einigungswert für die Lizenzbestimmung heranzuziehen, sofern es nicht gelingt, zu dokumentieren, dass
ein anderer Wert in der Bandbreite unter Berücksichtigung der spezifischen
Transaktionsumstände wahrscheinlicher ist.
Beispiel
................................................................................................................................................................................
LE ownership
NPV costs
................................................................................................................................................................................
Product development
M
500
Tool development
M
100
Key account management
M
300
Brand marketing
M
50
Sum
M
950
Manufacturing cost management
T
3,000
Supply chain management
T
200
Product quality control
T
300
Sourcing
T
2,000
Sum
T
5,500
................................................................................................................................................................................
(14.7%)
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
(85.3%)
................................................................................................................................................................................
Sum M + T
6,450
NPV sales
6,950
NPV profit
500
Minimum licence
950
(13.7%)
Maximum licence
1,450
(20.9%)
Mid-point licence
1,200
(17.3%)
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
................................................................................................................................................................................
Return on costs M
21.0%
Return on costs T
3.6%
................................................................................................................................................................................
Bestimmung des wahrscheinlichsten Werts der Lizenzzahlung
durch Wertschöpfungsbeitragsanalyse und Rankingtool
Im vorliegenden Fall wird die 50:50-Aufteilung jedoch als unwahrscheinlich
verworfen, weil sie nicht würdigt, dass die Leistungserbringer in der Wertschöpfungskette, die beide Nichtroutineleistungen ausüben, ganz unter-
Transfer Pricing Perspective Deutschland 155
Konzepte
schiedliche Kostenstrukturen haben. Dies würden fremde Dritte ebenso berücksichtigen wie die Tatsache, dass einige Wertschöpfungsbeiträge qualitativ
höherwertiger sind als andere. Um diesen Tatsachen Rechnung zu tragen und
quantitative Schlussfolgerungen zu ermöglichen, wird im Folgenden eine Wertschöpfungsbeitragsanalyse basierend auf folgendem Rankingtool durchgeführt.
Die Wertschöpfungsbeitragsanalyse wird wie folgt durchgeführt:
Präferenzranking von Funktionstupeln
Aus der Grundgesamtheit aller Funktionen, die für die Analyse herangezogen
werden (in unserem Fall acht), werden alle möglichen Paarkombinationen
(Funktionstupel) gebildet und jedes Tupel wird nachher gegenüber sämtlichen
anderen Tupeln in seiner qualitativen Werthaltigkeit verglichen. Die dahinterliegenden hypothetischen Fragen an die kompetenten Ansprechpartner des
Konzerns lauten:
● Wenn Sie die jeweiligen Paarkombinationen direkt vergleichen, welcher
Paarkombination würden Sie wirtschaftlich einen höheren Mehrwert
zubilligen?
● Welche Paarkombination von Funktionen würden Sie im Zweifel eher an
fremde Dritte auslagern können, wenn Sie dazu gezwungen wären?
Das Ergebnis ist ein Ranking der Funktionen hinsichtlich ihres Wertschöpfungsbeitrags. Der paarweise Vergleich von Funktionen hat
mehrere Vorteile:
● Unter Anwendung mikroökonomischer Ansätze der Entscheidungstheorie
lassen sich die Ergebniseinschätzungen auf Konsistenz bzw. Widerspruchsfreiheit überprüfen.
● Die Form der Abfrage stellt eine gewisse Ergebnisoffenheit sicher und erhöht
damit die Objektivität der Einschätzung.
● Die Objektivität der Ergebnisse lässt sich durch separate Interviews
von einzelnen Funktionsverantwortlichen noch steigern. Die Ergebnisauswertung basiert dann auf der Bildung von Durchschnittswerten.
Überleitung der qualitativen Ergebnisse in einen
quantitativen Profit Split
Beim relativen Vergleich der Funktionstupel werden den beiden Siegerfunktionen jeweils Gewinnerpunkte zugewiesen. Aus einer Auswertung aller
Paarvergleiche lässt sich somit den einzelnen Funktionen nicht nur ein relatives
Ranking zuweisen, sondern eine Punktzahl. Im Beispielfall befindet sich die
Gesamtpunktzahl in der dritten Spalte der folgenden Tabelle. Hier ist zu
erkennen, dass im Beispielfall der Produktentwicklung mit 22 Prozent der
größte Wertschöpfungsbeitrag in der Zulieferer-Wertschöpfungskette beigemessen wird. Berücksichtigt man allerdings, dass mit der Funktionsausübung
156 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Konzepte
sehr unterschiedliche Kostenstrukturen und Risiken einhergehen, erscheint es
angemessen, den qualitativen relativen Wertschöpfungsbeitrag mit dem Anteil
der relativen Kosten der Funktionen in der Wertschöpfungskette zu gewichten.
Bei einem Kostenanteil von 8 Prozent in der Wertschöpfungskette reduziert
sich der Wertschöpfungsbeitrag der Produktentwicklung auf 12 Prozent.
Beispiel
................................................................................................................................................................................
LE ownerPoints from
ship
ranking analysis
Point
share
Cost
share
Profit
share
................................................................................................................................................................................
Product development
M
336
22%
8%
12%
Tool development
M
176
12%
2%
1%
Key account management
M
163
11%
5%
3%
Brand marketing
M
94
6%
1%
0%
LE
M
51%
15%
17%
Manufacturing cost management
T
260
17%
47%
54%
Supply chain management
T
174
12%
3%
2%
Product quality control
T
141
9%
5%
3%
Sourcing
T
168
11%
31%
23%
LE
T
49%
85%
83%
................................................................................................................................................................................
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................................................................................................................................................................................
Überleitungsrechnung in Lizenzrate
Konsolidiert man die funktionalen Ergebnisse auf Legal-Entity-Ebene, ergibt
sich für die Mutter ein angemessener Gewinnanteil von 17 Prozent im Vergleich
zu einem relativen Kostenanteil von 15 Prozent. Dieser Wert differiert
signifikant gegenüber der bisher berechneten 50:50-Gewinnaufteilung. Hier
wird berücksichtigt, dass unterschiedliche Kostenstrukturen auch bei einer
Verhandlung zwischen fremden Dritten berücksichtigt würden.
Das Profit-Split-Ergebnis aus der Wertschöpfungsbeitragsanalyse fließt
nun unter Berücksichtigung der Umsatz- und Kostenerwartungen in die
Bestimmung der Lizenzsätze ein. Im vorliegenden Fall ergibt sich auf den
Kapitalwert (NPV) des Umsatzes ein Lizenzwert von 14,9 Prozent – dieser ist
aus den Zahlen der ersten Tabelle abzuleiten. Der tatsächliche Lizenzsatz ergibt
sich dann endogen aus dem Cashflow-Forecast, der zur Bestimmung des
Kapitalwerts des Umsatzes führt. Der Lizenzsatz wird umso stärker von den
14,9 Prozent nach oben abweichen, je später es in der erwarteten Zeitreihe zu
Lizenzzahlungen kommt (nach SOP) und je stärker das erwartete Umsatz-
Transfer Pricing Perspective Deutschland 157
Konzepte
wachstum im Zeitverlauf ist (weiter in der Zukunft gelegene Umsätze sind mit
einer größeren Unsicherheit verbunden und werden stärker diskontiert).
Abschließende Ausführungen
Der hier vorgestellte Rankingansatz erlaubt es, in hypothetischen Fremdvergleichssituationen explizite Wertansätze zu bestimmen und zu begründen,
die vom Mittelwert der Einigungsbandbreite abweichen, und dabei quantitative
Faktoren (z. B. Kosten) ebenso zu berücksichtigen wie qualitative Unterschiede
in der Einschätzung von Wertschöpfungsbeiträgen von Nichtroutinefunktionen.
Der methodische Ansatz der Wertschöpfungsbeitragsanalyse ist ergebnisoffen
und schützt dabei vor dem Vorwurf, Ergebnisauswertungen zielgerichtet in eine
bestimmte Richtung zu treiben.
2 PE Analyser – neues Tool zur Identifizierung
von Betriebsstättenrisiken
Von Claus Jochimsen, Irina Engler und Daniel Retzer
Unternehmen sehen sich bei ihren grenzüberschreitenden
Aktivitäten einem ständigen Risiko ausgesetzt, durch ungünstige
Vertragsgestaltungen (z. B. bei Ad-hoc-Entsendungen oder Auslandsprojekten) unbeabsichtigt Betriebsstätten zu begründen.
Steuerrisiken entstehen dadurch sowohl für die Unternehmen als
auch für die eingesetzten Mitarbeiter.
Während die Personalabteilungen diesen Aspekten üblicherweise wenig
Beachtung schenken, haben die unternehmenseigenen Steuerabteilungen selten
Kapazitäten für die laufende Überwachung der Auslandsaktivitäten. Teilweise
fehlt es auch an einer zielgerichteten Kommunikation zwischen diesen Abteilungen, um Steuerrisiken rechtzeitig zu identifizieren. Hier setzt das von
PwC entwickelte Tool PE Analyser an.
Der PE Analyser zeigt die unternehmensindividuellen Risiken in diesem
Bereich auf und gibt der Steuerabteilung ein Tool an die Hand, um Unternehmensaktivitäten effektiv mit den aktuellen Gesetzen und den Doppelbesteuerungsabkommen abzugleichen, Risiken zu erkennen und diesen
projektbegleitend von der ersten bis zur letzten Phase zu begegnen.
Vorgehensweise
Zu Beginn eines Projekts wird ein vorab definierter Fragebogen ausgefüllt;
dieses Ausfüllen kann entweder manuell vom Projektteam bzw. der Steuerabteilung oder automatisch mittels Schnittstelle zu einer Projektdatenbank
158 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Konzepte
erfolgen. Im Anschluss erhält die Steuerabteilung eine erste Analyse hinsichtlich etwaiger Betriebsstättenrisiken. Die eingegebenen Informationen
werden dabei in einer zentralen Datenbank gespeichert. Gleichzeitig können
weiter gehende Prüfungsprozesse (z. B. durch externe Berater) angestoßen
werden. Die Steuerabteilung übernimmt in diesem Zusammenhang die
Administration der Datenbank. Sich im weiteren Projektverlauf ergebende
Änderungen können wiederum automatisch oder manuell (seitens der Projektmanager) in die Datenbank eingepflegt werden. Somit wird die Steuerabteilung
in die Lage versetzt, Änderungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu
reagieren.
Nutzen
Aktivitäten des Unternehmens, die zu einer möglichen Begründung von
Betriebsstätten führen, können frühzeitig erkannt werden. Analyse und
fortlaufendes Monitoring helfen, steuerliche Risiken zu reduzieren bzw. zu
vermeiden. Im besten Fall kann durch die Gestaltung von Verträgen bzw. von
Aufgaben und Befugnissen die Begründung einer Betriebsstätte präventiv
vermieden werden.
Transfer Pricing Perspective Deutschland 159
Konzepte
Unsere Expertise
Wir PwC widmen uns seit 20 Jahren dem globalen Thema Verrechnungspreise
mit dem Fokus auf Qualität, die Sie von einem der weltgrößten Dienstleistungsunternehmen zu Recht erwarten können. Unsere internationale Verrechnungspreispraxis besteht aus mehr als 200 Partnern und 1.800 engagierten
Verrechnungspreisfachkräften in mehr als 70 Ländern.
Unsere Spezialisten arbeiten bei jedem Projekt grenzüberschreitend eng
zusammen und schöpfen aus einem weltweiten Fundus an Ressourcen, um für
jedes Verrechnungspreisprojekt das geeignete Team für Ihre Anforderungen
zu finden. Dies ermöglicht uns, ein weites Spektrum an konzerninternen
Transaktionen in Nord-, Mittel- und Südamerika, Europa, Afrika und Asien
abzudecken und dabei eine für jeden unserer Mandanten maßgeschneiderte
Beratungsleistung anzubieten – angefangen bei der Planung, Umsetzung und
Dokumentation von Verrechnungspreissystemen bis hin zu der Verteidigung
von Verrechnungspreisen in Betriebsprüfungen und der Beratung in Bezug auf
den Abschluss von Advance Pricing Agreements.
Über uns
Unsere Mandanten stehen tagtäglich vor vielfältigen Aufgaben, möchten
neue Ideen umsetzen und suchen Rat. Sie erwarten, dass wir sie ganzheitlich
betreuen und praxisorientierte Lösungen mit größtmöglichem Nutzen
entwickeln. Deshalb setzen wir für jeden Mandanten, ob Global Player,
Familienunternehmen oder kommunaler Träger, unser gesamtes Potenzial
ein: Erfahrung, Branchenkenntnis, Fachwissen, Qualitätsanspruch,
Innovationskraft und die Ressourcen unseres Expertennetzwerks in
158 Ländern. Besonders wichtig ist uns die vertrauensvolle Zusammenarbeit
mit unseren Mandanten, denn je besser wir sie kennen und verstehen, umso
gezielter können wir sie unterstützen.
PwC. 9.300 engagierte Menschen an 28 Standorten. 1,49 Mrd. Euro Gesamtleistung. Führende Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft in
Deutschland.
160 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Ihre Ansprechpartner
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Berlin
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Transfer Pricing Perspective Deutschland 161
Konzepte
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162 Transfer Pricing Perspective Deutschland
Praxisorientiertes Kompendium für Verrechnungspreisexperten
Das vierte Jahrbuch Transfer Pricing Perspective Deutschland versammelt die Beiträge
des vom Verrechnungspreisnetzwerk von PwC Deutschland herausgegebenen gleichnamigen Newsletters und enthält Informationen rund um das Thema Verrechnungspreise.
Die praxisorientierten Beiträge sind thematisch gegliedert und stellen internationale wie
nationale Entwicklungen und Fragestellungen, branchenspezifische Lösungsansätze sowie
Planungs- und Implementierungskonzepte vor. Nicht zuletzt das breite thematische
Spektrum macht das Jahrbuch somit für alle, die sich in der täglichen Praxis intensiv mit
Fragen des Transfer Pricing beschäftigen, zu einer wertvollen Lektüre. Nach dem Motto
„Aus der Praxis für die Praxis“ stellt es somit ein hervorragendes Nachschlagewerk für
Verrechnungspreisexperten dar.
www.pwc.de

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