Apallisches Syndrom?" Basale Stimulation

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Apallisches Syndrom?" Basale Stimulation
Was ist ein Wachkoma bzw. „ Apallisches Syndrom?"
In seiner ursprünglichen Bedeutung wird unter einem apallischen Syndrom ein Erlöschen des
Selbstbewusstseins und der Kontaktfähigkeit in Folge einer schweren Schädel-Hirnverletzung
oder eines Sauerstoffmangels am Gehirn verstanden. Ein Wachkoma bzw. apallisches
Syndrom äußert sich folgendermaßen: der Patient liegt mit offenen Augen da und weist auch
einen Schlaf - Wach
Rhythmus auf, ist jedoch aus eigener Kraft kaum zur Kontaktaufnahme mit seiner Umwelt
fähig, obwohl bereits manchmal vegetative oder emotionale Reaktionen erfolgen. Es besteht
eine stabile Atmung und die Ernährung erfolgt meist über eine Sonde. Die Betroffenen
können sich nicht bzw. kaum aktiv bewegen, wodurch es häufig zu einer allgemeinen
Muskeltonuserhöhung ( Spastik) kommt.
Nicht selten wird daher die Erkrankung auch als vegetativer Zustand bezeichnet. Mit dieser
Bezeichnung wird nahegelegt, die Lebensform dieser Kranken sei als „ primitiv",
„pflanzliches Leben" oder- wie im Nationalsozialismus gesehen und heute leider immer noch
vorkommend- als „sinnlose Hülle" oder „lebensunwert" zu bewerten. Dies ist jedoch
unhuman und unethisch. Menschen im Wachkoma sind weder Sterbende noch „ Hirntote"; sie
brauchen keine Sterbehilfe (Euthanasie); sondern Lebenshilfe! Die beste Möglichkeit hierfür
ist die gezielte Stimulation der Basissinne ( Basale Stimulation)
Basale Stimulation
Was ist Basale Stimulation?
Basale Stimulation ist ein Konzept, das ursprünglich von dem Sonderpädagogen und
Heilpädagogen Prof. Dr. Andreas Fröhlich entwickelt wurde. Er hat in den 70er Jahren ein
Konzept zur Förderung mehrfachbehinderte Kinder entwickelt. Fröhlich war der
Überzeugung, das auch mehrfachbehinderte Kinder erlebnis- und wahrnehmungsfähig sind,
das auch sie über psychosoziale Kompetenzen verfügen- auch wenn Außenstehende das kaum
registrieren können. Gleichzeitig verfügen diese Kinder über ein elementares Bedürfnis nach
Wahrnehmung, Bewegung, und Kommunikation, können aber diese Bedürfnisse nur schwer
selbständig erfüllen. Fröhlich bot diesen Kinder Wahrnehmungserfahrungen an, die an sehr
frühe meist vorgeburtliche Erfahrungen anknüpften. Diese waren z.B. ein Spüren der
Körpergrenzen, ein sich in Bewegung erleben oder das Erleben des Inneren durch
Vibrationen. Somit würden die Kinder in ihrem Erleben begleitet und ihre Fähigkeiten
gefördert. Gemeinsam mit der Krankenschwester und Diplompädagogin Christel Bienstein
wurde das Konzept auf die Erwachsenenpflege übertragen und wird mittlerweile in vielen
Bereichen genutzt. Das Ziel der Stimulation liegt im Versuch, die gesamte Wahrnehmung des
betreffenden Menschen anzuregen und neu zu orientieren: seinen eigenen Körper mit allen
Bewegungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten, die Haut als Kontaktstelle zur Welt, die
Empfindung der eigenen Lage im Raum, das Aufnehmen von Informationen aus der Umwelt
mittels unserer Sinne. Dabei sei an etwas Grundsätzliches erinnert:
Nur durch Bewegung können unsere Sinne arbeiten
Eine Anregung wird nur für kurze Zeit wahrgenommen, es sei denn, die
Beziehung an eine Sache oder an eine Person kann damit verknüpft werden.
Die drei wichtigsten Bereiche der basalen Stimulation sind die somatische, die
vestibuläre und die vibratorische Anregung.
Weitere Stimulationsebenen sind die orale, die auditive, und die taktilhaptische Anregung. Außerdem können noch olfaktorische und visuelle Reize
angeboten werden.
Somatische Anregung (Ganzkörperliche)
Der somatische Bereich umfasst die gesamte Körperoberfläche mit allen hier möglichen
Sinneseindrücken wie Temperatur, Berührung ( Kontakt, Druck, Rhythmus, Abfolge),
Bewegung, aber auch Bereiche der Tiefensensibilität, also Druck und Zug usw. In der
Systematischen Anregung geht es darum, das durch krankheitsbedingte Bewegungslosigkeit
verlorengegangene Körperschema wiederherzustellen. Dazu gibt es verschiedene
Möglichkeiten: Massagen mit Massagehandschuhen können den sensorischen Druck erhöhen,
Massageöle oder die warme Luft eines Föns wirken stimulierend. Eigentlich kann jede
Pflegehandlung zur Stimulation benutzt werden ( Waschungen, Lagerungen)
Vestibuläre Anregung (Gleichgewicht)
Hier geht es darum, durch Veränderung der Körperlage möglichst viele Impulse zu
vermitteln. Zarte Schaukelbewegungen und Vibrationen stimulieren das
Gleichgewichtssystem, wodurch die Schwerkraft und die eigene Lage im Raum wieder besser
wahrgenommen werden können. Es können auch Spezialbetten eingesetzt werden, dann sollte
der Impuls jedoch nach 20 Minuten eingestellt werden. Zu weiche Lagerung behindern eine
gezielte Stimulation.
Vibratorische Anregung
Jegliche Schwingung wird vom Skelettsystem um-/weitergeleitet. Durch Einsatz kleiner
Massagegeräte – nicht entlang der Muskulatur, sondern entlang der Knochenleitung – kann
Körperbewusstsein bzw. Länge einer Extremität wiederentdeckt werden.
Orale Stimulation (Schmecken)
Die Aktivierung des Mundbereiches ist insbesondere dann wichtig, wenn Patienten künstlich
ernährt werden müssen oder auch als Vorbereitung des Schlucktrainings. Möglichst keine
Mundklemmen verwenden und möglichst natürliche Mundpflegemittel einsetzen, um keine
unangenehmen Stimuli zu setzen. Tupfer mit dem Lieblingssaft des Patienten könnten einen
sehr hohen Reiz bieten
Auditive Anregung (Hören)
Das Aufnehmen von Reizen über das Gehör ist eine weitere Möglichkeit der Stimulation.
Das Vorlesen des Lieblingsbuches oder aus der Zeitung können die Aufmerksamkeit erhöhen
und den Patienten aus der Isolation locken. Sollte dies durch Angehörige oder nahestehende
Bekannte geschehen, kann der Effekt noch größer sein. Bei Musik eher vorsichtig sein, diese
kann zur Berieselung und damit zur Qual für den Patienten werden.( Es wurden bereits Fälle
bekannt, in denen die Patienten ihre vorher geliebte Musik nach dem Erwachen aus dem
Koma hassten.)
Taktil-haptische Anregung (Greifen und Fühlen)
Hierbei geht es hauptsächlich darum, mit den Händen oder Füßen Gegenstände, insbesondere
ihre Oberfläche zu ertasten oder zu ergreifen. Handbewegung und Denken haben oft einen
Zusammenhang. Statt Handbewegungen zu stoppen, ist es sinnvoller die Hände tasten, greifen
oder fühlen zu lassen (z.B. weich, harte, glatte oder rauhe Gegenstände.)
Visuelle Reize (Sehen)
Das Sehen ist ein sehr komplexer Sinn. Vor allem hell/ dunkel kann früh wahr genommen
werden, ebenso Angebote mit klaren Kontrasten ( z.B. schwarz / weiß oder gelb / blau, sowie
Gesichter), ebenso Gegenstände mit scharfen Konturen oder Gegenstände in Bewegung ( z.b.
Mobile). Auch die Biographie spielt eine Rolle. Bedeutungsvolles wird der Betroffene
schneller erfassen.
Olfaktorische Wahrnehmung (Riechen)
Da der Geruchssinn der einzige Sinn ist, der den Thalamus ( Tor zum Bewusstsein) nicht
passiert und somit auch nicht herausgefiltert werden kann, ist es wichtig, gerade in diesem
Bereich Stimulation zu betreiben. Über den Einsatz von Massageölen wurde bereits
berichtet.Es können gezielt Duftöle oder Liebliungsgerüche eingesetzt werden. Sinnvoll
könnte auch das Anlegen einer Kräuterspirale sein, die im Zusammenspiel mit angenehmen
Temperaturen auf den Patienten einwirken kann.
Ein wichtiger Punkt in der Begleitung von Menschen mit Wahrnehmungsstörungen ist die
Aufmerksamkeit auf alles, was der Kranke als für ihn unverständlich oder bedrohlich deuten
könnte. Anstelle des Offenseins und Zulassens wird er sich unweigerlich schützen, d.h. gegen
Wahrnehmungen verschließen.