Dokumentnummer: 2u113_06 18.1.2007 Hanseatisches OLG

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Dokumentnummer: 2u113_06 18.1.2007 Hanseatisches OLG
DNotI
Deutsches Notarinstitut
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letzte Aktualisierung:
2u113_06
18.1.2007
Hanseatisches OLG Bremen, 18.1.2007- 2 U 113/06
AktG § 129
Ausschluss eines Aktionärs aus der Hauptversammlung
Ordnungsrufen fortgesetzter beleidigender Äußerungen zulässig
wegen
trotz
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen
Geschäftszeichen: 2 U 113/06 = 13 O 9/06 Landgericht Bremen
Beschluss
in dem Rechtsstreit
M.
Vermögensverwaltungs- und Grundstücks-GmbH,
vertr. d. d. GF K. -W.
F.
,
Straße 104, 50823 Köln,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Ulrich K. ,
straße 12, 44263 Dortmund,
gegen
Deutsche R. E.
AG, vertr. d. d. Vorstand C. B.
damm 8-32, 20099 Hamburg,
u. K. K.
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte L.
& W.
straße
Geschäftszeichen: 033144-0006-JSO
, 20354 Hamburg,
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen – 3. Kammer für
Handelssachen – vom 04.08.2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt Euro 30.000,-.
Gründe:
Die Berufung ist gemäß § 522 II ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
1) Der Senat ist einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung keine
Aussicht auf Erfolg hat. Zur Begründung wird auf den Beschluss des Senats
vom 18.01.2007 verwiesen.
2) Das Gericht verbleibt auch unter Berücksichtigung der Erwiderung der Klägerin
vom 15.03.2007 bei seiner Auffassung, dass Anhaltspunkte für Zweifel an der
Richtigkeit
und
Vollständigkeit
der
entscheidungserheblichen
Tatsachenfeststellung durch das Gericht des ersten Rechtszuges nicht
erkennbar sind (§ 529 I Ziff. 1 ZPO). Ferner sind die rechtlichen Bewertungen
des Landgerichts in der angegriffenen Entscheidung – zumindest im Ergebnis –
zutreffend. Unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Klägerin vom
15.03.2007 weist der Senat ergänzend zum Inhalt des genannten Beschlusses
vom 18.01.2007 auf folgende Gesichtspunkte hin:
a) Der Senat hält an der vertretenen Auffassung fest, dass die
Äußerungen, „die Herren dort vorne“ … „seien Lumpen, Lügner, und
Pöbler“ formalbeleidigenden Charakter haben, ungehörig und in diesem
Zusammenhang eines Wahrheitsbeweises nicht zugänglich sind. Unter
Berücksichtigung dieses Umstandes ist ein Saalverweis zumindest dann
geboten, wenn der fragliche Störer trotz mehrer Ordnungsrufe seitens
der Versammlungsleiters sich nicht entschuldigt und sein störendes
Verhalten fortsetzt. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es auf
die exakte Zahl der Ordnungsrufe nicht an. Gemäß unstreitigem Teil des
Urteils des Landgerichts wurde der Geschäftsführer der Klägerin
zumindest mehrfach zur Ordnung gerufen, ohne sein störendes
Verhalten abzustellen. Dies war ausreichend.
b) Bei dem formal erteilten „Hausverbot“ handelte es sich in der Sache
tatsächlich um einen Saalverweis. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände
durfte der Geschäftsführer der Klägerin bei verständiger Würdigung der
entsprechenden Erklärung des Versammlungsleiters dies nicht anders
verstehen. Der insoweit neue und ergänzende Vortrag der Klägerin
gemäß Schriftsatz vom 15.03.2007 (Bl. 202) war einerseits nicht zu
berücksichtigen (§ 531 II ZPO). Andererseits ist der Vortrag inhaltlich
völlig unsubstanziiert und daher einer Beweisaufnahme auch nicht
zugänglich.
c) Die Argumentation des Senats zum Verstoß der Bekanntmachung
gegen § 124 III 3 AktG führt nicht zu einer unzulässigen Verkürzung des
Rechtsweges. Dieses Argument war von der Klägerin bereits in erster
Instanz vorgetragen worden. Es wurde vom Landgericht zwar im Urteil
nicht ausdrücklich behandelt. Den Ausführungen des Landgerichts lässt
sich aber entnehmen, dass es diesen Gesichtspunkt für irrelevant hielt,
ohne ausdrücklich zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Unabhängig
hiervon bestehen grundsätzlich auch keine Bedenken, erst in zweiter
Instanz die Entscheidung auf einen neuen Gesichtspunkt zu stützen.
Dadurch wird der Rechtsschutz nicht unzulässig beschränkt.
Zudem ist für den Senat weiter nicht erkennbar, dass die hier
fehlerhaften Berufsbezeichnungen bei objektiver Betrachtung aller
Umstände Bedeutung für das Abstimmungsverhalten der Aktionäre
gehabt haben soll.
3) Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine mit der
Revision angreifbare Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des
Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Daher war durch Beschluss nach § 522 II ZPO zu entscheiden (§ 522 II Nr. 2
und 3 ZPO). Die von der Klägerin gewünschte Zulassung der Revision kommt
nicht in Betracht (§ 543 II ZPO).
Bremen, den 10.04.2007
Der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen
Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen
Geschäftszeichen: 2 U 113/2006 = 13 -O- 9/2006
BESCHLUSS
in Sachen
M.
Vermögensverwaltungs- und Grundstücks-GmbH,
vertr. d. d. GF K. –W. F. ,
Straße 104, 50823 Köln,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
,
-Straße 12, 44263 Dortmund,
gegen
D.
R. E. AG,
vertr. d. d. Vorstand C. B. u. K. K.
damm 28-32, 20099 Hamburg,
,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte L.
& W. ,
straße 50, 20354 Hamburg,
Geschäftszeichen: 033144-0006-JSO.
1) Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bremen –
3. Kammer für Handelssachen – vom 29.09.2006 einstimmig gemäß §
522 II ZPO zurückzuweisen.
2) Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15.02.2007.
3) Zur Begründung wird auf folgende Erwägungen des Senats hingewiesen.
a) Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten. Diese führte am
28.09.2005 in Hamburg eine Hauptversammlung durch, deren
Tagesordnung am 19.08.2005 im elektronischen Bundesanzeiger
bekannt gemacht worden war. In der Hauptversammlung wurde die
Klägerin durch ihren Geschäftsführer vertreten. Wegen des Verlaufs
der Hauptversammlung wird auf die Darstellung im unstreitigen Teil
des Tatbestandes im Urteil des Landgerichts (Bl. 131/2 d.A.)
verwiesen.
Der
Versammlungssaal
Geschäftsführer
nach
der
Klägerin
entsprechender
verließ
den
Aufforderung
des
Versammlungsleiters gegen 18.54 Uhr in Begleitung inzwischen
herbeigeholter Polizisten.
Die Klägerin greift mit ihrer Klage verschiedene Beschlüsse der
Hauptversammlung mit der Anfechtungsklage an.
Das Landgericht Bremen wies diese Anfechtungsklage durch das
angegriffene Urteil vom 29.09.2006 ab. Zur Begründung führte das
Landgericht aus, einerseits sei die Klägerin nicht berechtigt, weil sie
nicht nachgewiesen habe, dass sie bereits zum Zeitpunkt der
Bekanntmachung
der
Tagesordnung
der
Hauptversammlung
Aktionärin der Beklagten gewesen sei. Andererseits sei die
Verweisung des Geschäftführers der Klägerin aus dem Saal wegen
dessen Verhalten berechtigt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in
erster Instanz wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe
des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 130 – 136 d.A.).
Gegen dieses ihr am 04.10.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am
06.11.2006 eingelegte und am 04.01.2007 begründete Berufung,
nachdem
zuvor
die
Berufungsbegründungsfrist
entsprechend
verlängert worden war.
Zur Begründung trägt die Klägerin u.a. vor, sie sei bereits am
31.12.2000 Aktionärin der Beklagten gewesen. Der Ausschluss ihres
Geschäftsführers
von
der
weiteren
Teilnahme
an
der
Hauptversammlung sei nicht gerechtfertigt gewesen. Zumindest sei
es nicht geboten gewesen, ihrem Geschäftsführer Hausverbot zu
erteilen. Ein Verweis aus dem Versammlungssaal sei ausreichend
gewesen. Zudem sei die Bekanntmachung der Hauptversammlung
fehlerhaft gewesen, weil die aktuell ausgeübten Berufe bzgl. der
Herren Pahlke und Ditterich nicht zutreffend angegeben gewesen
seien.
Wegen
des
weiteren
Vorbringens
der
Klägerin
im
Berufungsverfahren wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom
04.01.2007 (Bl. 152 – 159 d.A.) verwiesen.
b) Die zulässige Berufung der Klägerin hat nach einstimmiger
Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache
hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern
keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
Das Landgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen,
weil
die
Verweisung
des
Geschäftsführers
aus
dem
Saal
gerechtfertigt war und die dargelegten Fehler der Bekanntmachung
für die Entscheidung der Aktionäre nicht relevant waren. Daher kann
die Frage ungeklärt bleiben, ob die Klägerin bereits am 31.12.2000
Aktionärin der Beklagten war.
aa) Ausschließung des Geschäftsführers der Klägerin von der
weiteren Teilnahme an der Hauptversammlung vom 28.09.2005:
Grundsätzlich gehört die Verweisung eines Aktionärs aus dem
Saal zur Zuständigkeit des Leiters einer Hauptversammlung.
Dieser ist für den ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlung
zuständig. Die Ausschließung ist gerechtfertigt, wenn der
betreffende
Aktionär
den
reibungslosen
Ablauf
der
Hauptversammlung stört und die Störung nicht auf andere –
mildere – Weise behoben werden kann. Ein Ausschluss kommt
nur als „ultima ratio“ in Betracht, weil anderenfalls das
Teilnahmerecht des Aktionärs zumindest stark eingeschränkt
wäre (vgl. BGH in NJW 1966,43ff.).
Der Ablauf der damaligen Hauptversammlung gemäß Protokoll
des Notars Dr. B. von Schweinitz (Bl. 34 – 84 d.A.) ist hinsichtlich
des persönlichen Verhaltens des Geschäftführers der Klägerin im
Kern
unstreitig.
verfassten
Dem
„Notat“
vom
können
Geschäftsführer
insoweit
der
keine
Klägerin
wesentlichen
Abweichungen entnommen werden. Die Klägerin greift die
entsprechende Feststellung des Landgerichts im angegriffenen
Urteil im Rahmen der Berufung nicht konkret an.
Gemäß Seite 12 des Protokolls erklärte der Geschäftsführer
lautstark, „die Herren dort vorne“ … seien „Lumpen, Lügner und
Pöbler“. Nach einem weiteren Wortwechsel beschränkte der
Geschäftsführer dies auf die Herren Ditterich und Bock.
Dieses Verhalten hält der Senat für schlicht ungehörig. Eine
derartige Wortwahl gehört nicht in eine sachliche Diskussion
bzw.
Auseinandersetzung
Zumindest
wäre
eine
und
ist
daher
Entschuldigung
für
zu
unterlassen.
diese
verbale
Entgleisung geboten gewesen. In diesem Zusammenhang wird
darauf hingewiesen, dass es auf einen etwaigen Wahrheitsgehalt
dieser Äußerungen nicht ankommt, weil es sich um eine
formalbeleidigende
Wortwahl
handelt,
die
einem
Wahrheitsbeweis nicht zugänglich ist.
Der Geschäftsführer wurde durch den Saalverweis nicht
überrascht. Er wurde gemäß Seite 15 des Protokolls insgesamt
fünfzehnmal ermahnt, der Ausschluss aus dem Saal wurde
zudem zuvor angekündigt bzw. angedroht. Dennoch änderte
dieser sein Verhalten nicht, er störte die Versammlung weiter
durch laute Zwischenrufe.
Unter diesen Umständen war es nicht möglich, eine geordnete
Versammlung durchzuführen, um wichtige Angelegenheiten der
Beklagten zu erörtern und zu beschließen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde ihr Geschäftsführer
nach dem Wortlaut und der Wortwahl des Protokolls lediglich des
Versammlungssaales verwiesen, nicht jedoch des gesamten
Hotelgebäudes. Die Verwendung der Begriffe „Hausrecht“ bzw.
„Hausverbot“
durch
den
Beurteilung
nicht
entgegen.
Versammlungsleiters
Versammlungsleiter
bezog
sich
Das
steht
„Hausrecht“
mangels
dieser
des
weitergehender
Zuständigkeit erkennbar lediglich auf den Versammlungssaal.
Jedes andere Verständnis verbot sich für jeden verständigen
Aktionär im Saal.
Ob und inwieweit der Hotelmanager bzw. die eingesetzten
Polizeibeamten dieses ausgesprochene Saalverbot in der Folge
auf das Gebäude ausgeweitet haben, ist in diesem Rechtsstreit
irrelevant. Eine Zurechnung zum Versammlungsleiter ist nicht
erkennbar. Nach Auffassung des Senats wäre es vielmehr Sache
des Geschäftführers der Klägerin gewesen, auf seinen –
angeblichen – Wunsch hinzuweisen, sich zukünftig im Vorraum
des Versammlungssaales aufzuhalten, um über Lautsprecher die
Versammlung zu verfolgen zu können. Ohne eine derartige
Maßnahme
bestand
für
den
Versammlungsleiter
keine
Veranlassung, von sich aus tätig zu werden.
bb) Falsche
bzw.
unvollständige
Angabe
der
aktuellen
Berufsbezeichnungen der Kandidaten „Pahlke“ bzw. „Ditterich“:
Gemäß § 124 III3 AktG muss der jeweilige Wahlvorschlag den
Namen, ausgeübten Beruf und Wohnort angeben.
Die aktuellen Berufsbezeichnungen in der Bekanntmachung
bzgl. der Herren Pahlke (ehemaliges Mitglied des Vorstandes
einer Bank) und Ditterich (Berater) erfüllten die Voraussetzungen
der genannten Vorschrift nicht.
Dieser Fehler in der Bekanntmachung war aber nicht ursächlich
für das Abstimmungsergebnis in der Hauptversammlung. Bei
reinen Verfahrensverstößen – wie hier – besteht nur dann eine
Anfechtungsmöglichkeit, wenn ein objektiv urteilender Aktionär in
Kenntnis der wahren Umstände anders abgestimmt hätte. Eine
Anfechtung ist daher nur dann begründet, wenn bestimmten
Aktionären Informationen vorenthalten wurden, die sie als
Grundlage
ihrer
Willensbildung
vernünftigerweise
erwarten
dürfen (Vgl. MK, 2.A., Rdnr. 28 zu § 243 AktG).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Angabe des
aktuell ausgeübten Berufs soll dem jeweiligen Aktionär die
Möglichkeit geben, die Frage der Eignung der vorgeschlagenen
Personen überprüfen zu können. Der Begriff „Berater“ ist zwar
wenig aussagekräftig. Die von der Klägerin vorgenommene
Verbindung zu einem Sexualberater liegt jedoch mehr als fern.
Gemeint war erkennbar „irgendein“ Berater in wirtschaftlichen
Angelegenheiten. Eine nähere Eingrenzung war nach Ansicht
des Senats für die damals zu treffende Entscheidung des
Aktionärs nicht zwingend notwendig. Nur bei besonderem
Interesse des Aktionärs hätte es weiterer Aufklärung bzw.
Abgrenzung zum Tätigkeitsbereich von Sexualberatern oder
Kosmetikberatern bedurft.
Diese Erwägungen gelten im Ergebnis auch für Herrn Ditterich.
Es wurde mitgeteilt, dass Herr Ditterich früher im Vorstand einer
Bank tätig war. Dies war als Entscheidungsgrundlage für
Aktionäre ausreichend, weil die – zumindest frühere – berufliche
Tätigkeit
hinreichend
herausragenden
beschrieben
Stellung
von
wurde.
Angesichts
Vorstandsmitgliedern
der
von
Gesellschaften kann nicht angenommen werden, dass zum
Beispiel der aktuelle Zusatz „im Ruhestand“ die Entscheidung
von Aktionären beeinflusst hätte.
Bremen, den 18.01.2007
Der 2. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen