Schwarze Geschichte in Weiß-Australien Australische Aborigines
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Schwarze Geschichte in Weiß-Australien Australische Aborigines
Schwarze Geschichte in Weiß-Australien Australische Aborigines gestern und heute Der folgende Artikel ist eine weiterführende Hintergrundinformation im Zusammenhang mit einem Vortrag, der am 25.2.2001 anlässlich der Ausstellung der SUB 200 Jahre europäische Besiedlung in Australien gehalten wurde Inhalt 1. Die ersten Bewohner Australiens Die bitteren Jahre: Schwarze Geschichte in Weiß-Australien "Landrights Now" Aborigines auf dem Wege zur Emanzipation 1988: Jahr der Trauer und der Hoffnung Aborigines in der multikulturellen Gesellschaft Australiens Literaturliste Die ersten Bewohner Australiens Viele Menschen glauben, dass Australien für die Menschheit von europäischen Seefahrern, Forschern und Abenteurern entdeckt worden ist. Die große Suche nach der "Terra Australis Incognita" seit dem 16. Jh. ist mit all ihren Höhen und Tiefen in der europäischen Wissenschaftsgeschichte verbrieft. Australien war bei der Ankunft der europäischen Neuankömmlinge aber kein unbesiedeltes Land, wie diese es annahmen. Die Bewohner des Kontinents konnten bereits auf eine lange Geschichte und auf vielfältige Kontakte zu Bewohnern der indonesischen Inseln und Neuguineas zurückblicken. Genau wie Amerika mußte Australien also nicht "entdeckt" werden. Wer aber waren die Menschen, von denen der seefahrende Vagabund William Dampier 1686 behauptete, sie seien die miserabelsten Kreaturen, die er je auf Erden zu Gesicht bekommen hätte? Für die Menschen der damaligen Zeit waren die Bewohner des 5. Kontinent äußerst primitiv. Mit der wissenschaftlich untermauerten Bezeichnung 'ab origines '- vom Ursprung abstammend - wurden sie auf die unterste Stufe in der Menschheitsentwicklung gesetzt. Diese Einstufung hatte fatale Folgen für die ersten Bewohner Australiens und mit ihr begann das schwärzeste Kapitel in ihrer langen Geschichte auf dem Kontinent. Was wissen wir heute über die Geschichte und das Leben der ersten Australier, der Aborigines ? Neueste archäologische Untersuchungen an der Nordostküste haben ergeben, dass die Besiedlung des australischen Kontinents durch die Aborigines vor etwa 60.000 Jahren erfolgt sein muß. Die Einwanderer waren archäologischen Ergebnissen zufolge Menschen vom Typus Homo sapiens sapiens, die aus Südostasien über die in der letzten Phase des Pleistozäns bestehenden Landbrücken zwischen der heutigen indonesischen Inselwelt, Neuguinea und dem um etwa ein Drittel größeren Australien eingewandert sein müssen. Glaubt man entsprechenden Rekonstruktionsversuchen, so ähnelten die klimatischen Bedingungen des Kontinents bis zu einem Klimawechsel vor etwa 20.000 Jahren denen des heutigen Südostasien. Die Hypothesen der Archäologie, Ethnologie, Ethnobotanik, Vor- und Frühgeschichte basieren auf der Annahme, dass die Einwanderer, die Australien im Nordosten betraten, sich entweder stemförmig oder entlang der Küsten und Flußläufe über den gesamten Kontinent ausbreiteten. Die wissenschaftlichen Rekonstrukteure präkolonialen Australiens, ihre Erkenntnisse nicht zuletzt aus dem reichen Schatz der oralen Traditionen der Aborigines beziehen, vertreten die These, dass es zwischen 300 und 500 verschiedene Gruppen, in der Literatur oft als Stammesverbände bezeichnet, mit einer ebensolchen Sprachenvielfalt gegeben hat. Eine Verkehrssprache im eigentlichen Sinne gab es nicht, die Verständigung der Gruppen untereinander erfolgte, z.B. im Hinblick auf den Ockerhandel von West- nach Ostaustralien, über ein ausgeklügeltes Zeichensprachensystem. Natürlich gab es auch Personen, die mehrere Sprachen beherrschten und die somit eine Funktion als Dolmetscher ausüben konnten. Die einzelnen Gruppen waren streng nach Abstammungslinien und verwandtschaftlichen Regelungen strukturiert. Für das einzelne Individuum hatte jedoch seine Lokalgruppe, entweder die Kernfamilie oder die erweiterte Familie, im Alltagsleben den größten Stellenwert. Als nicht-seßhafte Jäger und Sammler besaßen die Aborigines umfassende Kenntnisse über ökologische Zusammenhänge. So sind ihre zyklischen Wanderungen als eine Anpassung an ihren Lebensraum zu verstehen. Australien ist ein Kontinent großer geographischer und ökologischer Vielfalt: Wüsten, Dombusch- und Grassteppen, Eukalyptuswälder, Savannen und tropische Regenwälder bestimmten die unterschiedlichen Lebensbedingungen und kulturellen Ausprägungen der Aborigines. Diese Unterschiede verdeutlichten sich nicht nur anhand der materiellen Ausstattung, sondem sie wurden vielmehr durch religiöse Vorstellungen und die geistige Kultur, wie die Kunst, den Tanz, den Gesang und nicht zu letzt die Mythen zum Ausdruck gebracht. Die Umwelt besaß daher für die ersten Australier einen ganz zentralen Stellenwert. Es galt, das Land, Flora und Fauna zu pflegen und es nicht über die unmittelbaren ökonomischen Erfordernisse hinaus zu strapazieren oder gar auszubeuten. Bestimmte Jagdtechniken, wie z.B. das Abbrennen großer Grasflächen, um durch das nachwachsende junge Gras Känguruhs anzulocken, veränderten jedoch die Landschaft. Die Parklandschaften des Südostens sind ein Ergebnis dieser Jagdmethode. Jeder Mensch besaß einen Gegenpart in der belebten oder unbelebten Natur, das Totem. Dieses Totem hatte deutliche Auswirkungen auf das soziokulturelle Verhalten eines Menschen. Aus der engen Verbundenheit zur Umwelt erklärt sich nicht zuletzt der Anspruch der Aborigines auf Landrechte im heutigen Australien, die sie ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert einzufordem begannen. Das traditionelle Leben der Aborigines fand mit dem Eindringen der weißen Siedler aus dem fernen Europa ein jähes Ende. "The sky fell down ... " beschrieb ein alter Mann aus der Umgebung von Sydney bereits um die Jahrhundertwende den Anbruch der neuen Zeit. Die bitteren Jahre: Schwarze Geschichte in Weiß-Australien Der Kulturkontakt mit den Europäern Nachdem James Cook 1770 den australischen Kontinent für die britische Krone in Besitz nahm, dauerte es nur noch wenige Jahre bis die ersten Siedler ihre Ansprüche geltend machten. Die Geburtsstunde der weiß-australischen Nation wird historisch auf das Jahr 1788 gelegt. Es ist das Jahr, in dem die "First Fleet" mit etwa 1000 Sträflingen unter Kapitän Arthur Phillip in der Botany Bay landete. Der Kulturkontakt mit den weißen Eindringlingen verlief für die Aborigines an der Südostküste Dank der Besonnenheit und der Ermahnungen des inzwischen zum Gouverneur avancierten Phillip zunächst relativ friedlich. Die zunehmende Besiedlung der Ost- und Südostküste durch englische Siedler, die neben der Einführung von Rindern und Schafen, die für die Aborigines natürlich fremd waren, auch Grenzziehungen, oft durch Zäune besiegelt, mit sich brachte, wurde für die Aborigines bald lebensbedrohlich. Sie wurden massiv in ihrer Bewegungsfreiheit in ihren angestammten Territorien behindert und es wurde ihnen somit eine entscheidende Grundlage für ihre auf dem Jagen und Sammeln beruhende Existenz geraubt. Da die englischen Neuankömmlinge für die Erhaltung ihres Lebensunterhaltes ebenfalls stark auf die Jagd angewiesen waren, und so zu einem spürbaren Rückgang des Jagdwildes beitrugen, wurden sie für die Aborigines auch in diesem Punkt zu Konkurrenten. Die Eskalation mit den weißen Siedlern war nicht mehr zu vermeiden, als die Aborigines sich einen Ausgleich zu schaffen suchten, indem sie begannen, die Nutztiere der Siedler in die Palette ihres Jagdwildes einzubeziehen. Das im Sinne europäischer Nutzungsvorstellungen urbar gemachte Land bot für die Aborigines keine ausreichende Lebensgrundlage mehr, so dass sie vielfach gezwungen waren, als Bettler ihr Leben am Rande der Siedlungen zu fristen. "Kopfprämien" und Giftmehl In der neuen englischen Kolonie am anderen Ende der Welt wurde sehr bald die Lösung des "Aboriginal Problems" diskutiert. Im Hinblick auf den Aufbau eines an England orientierten Gemeinwesens konnte es nur eine Lösung geben: die Ausmerzung der als lebensunwürdig betrachteten australischen Urbevölkerung.Die legale Grundlage für diese Vorgehensweise wurde maßgeblich durch einen Erlaß des Gouverneurs Lachlan Macquarie 1816 gelegt. Die Methoden, die zur Lösung des Problems angewendet wurden, waren eindeutig: die 'Fuchsjagden" mit tasmanischen Aborigines, die in Ermangelung englischer Füchse und zur Erheiterung der Jäger anlässlich dieses zweifelhaften Vergnügens getötet wurden, ist nur eines von vielen grauenvollen Beispielen. Massaker an ganzen Gruppen, z.B. als Reaktion auf einen Vieh- oder Mehldiebstahl, hat es in allen Teilen Australiens gegeben und "Kopfprämien" für getötete Aborigines wurden von obersten Verwaltungsstellen festgesetzt. Ebenfalls verbreitete Methoden waren die Entlohnung mit vergifteten Lebensmittel für geleistete Dienste, das Schüren von Feindseligkeiten der Aborigines untereinander oder das Einsetzen von "Aboriginal Polizisten", die für die Tötung oder Ergreifung ihrer Landsleute bezahlt wurden. Obwohl der Akkulturationsprozeß in Australien aufgrund der geographischen und ökologischen Bedingungen sehr unterschiedlich verlief, so waren seine Folgen für die Aborigines generell gesehen verheerend. Die Ausrottungsmaßnahmen der europäischen Eindringlinge waren so erfolgreich, dass bis in die Mitte des 19. Jh. die Bevölkerungszahl der Aborigines von ca. 300.000 auf etwa 50.000 reduziert wurde. Auch die massive Gegenwehr einzelner Gruppen der Aborigines, wie die "Guerilla-Kriege" der Kalkadoon in Queensland und tasmanischer Aborigines oder die Schlachten mit den Weißen von Hawkesbury 1795, Parramatta 1797, Vinegar Hill 1804, Bathurst 1824, Pinjarra 1834, Eureka 1854 und Battle Mountain 1884 konnte diese Entwicklung nicht aufhalten. Reservation und Mission Den Überlebenden des Kolonisierungsprozesses wurden Rückzugsgebiete, die für die Siedler nicht nutzbar schienen, zugewiesen oder noch weitgehend bestehende Gruppen in diese Reservationen zwangsumgesiedelt. So trafen Aborigines aus völlig verschiedenen Herkunftsgebieten, unterschiedlichen kulturellen Kontexten und verfeindeten Gruppen aufeinander. Kommunikationsprobleme aufgrund der sprachlichen und kulturellen Vielfalt der Gruppen waren daher unvermeidbar. Ein Leben nach traditionellen Werten konnte unter diesen Umständen in den wenigsten Fällen stattfinden. Die Aborigines gerieten in die staatliche Abhängigkeit, die in den jeweiligen Verwaltungsgebieten durch einen "Aboriginal Protection Board" geregelt wurde. Die Festlegung der 'Aboriginal Policy" fiel somit ebenfalls in die Obliegenschaften der "Protection Boards". In der ersten Hälfte des 19. Jh. begannen die Missionen ihre Tätigkeit in Australien. Neben der Umsetzung ihrer obersten Prämisse, die Aborigines zu christianisieren, waren sie auch darum bemüht, die schlimmste Not, wie Unterernährung und Krankheit, zu lindern Einige Missionare versuchten über das Erlernen von Sprachen, den Aborigines näher zu kommen und so zu einem Verständnis ihrer Kultur zu gelangen, um ihre Missionierung besser durchsetzen zu können. Jedoch blieben auch solche Vorgehensweisen wenig erfolg reich: ihre eigenen Erfahrungen sowie der Umgang der Siedler, Sträflinge und Abenteurer untereinander ließ die Aborigines offen sichtlich am christlichen Wort der Nächstenliebe zweifeln. Außerdem waren sie nicht bereit, ihre eigene Philosophie und ihre religiösen Vorstellungen, die sich über Jahrtausende bewährt hatten, leichtfertig aufzugeben. Viele Missionare setzten ihre Christianisierungsversuche daher bei den kleinen Kindern an, die nur wenig durch religiöse und philosophische Ideen vorgeprägt waren. Menschenhandel, Menschenraub oder die Abtretung gegen Lebensmittel waren hier die üblichen Methoden, durch die Kinder zur Erziehung in meist weit entfernte Missionsschulen gebracht wurden. Diese Vorgehensweisen waren durch die damalige Rechtsprechung legalisiert und Eltern und Kinder sahen sich in der Regel nie wieder. Trotz solch drastischer Maßnahmen war die Christianisierung der Aborigines generell von wenig Erfolg gekrönt, und viele Missionen wurden aufgegeben, nachdem die Aborigines in der zweiten Hälfte des 20. Jh. selbst über sie bestimmen konnten. Die Missionare haben vielmehr sehr zur Erforschung von Sprachen und Kulturen der Aborigines beigetragen. Sie haben ethnologisches Wissen begründet und vertieft, auf das heute auch von Aborigines in ihrem Kampf um kulturelle Identität und Selbstbestimmung zurückgegriffen wird. Die Zeit des gewaltsamen Kulturkontaktes, der die systematische Vernichtung und kulturelle Entwurzelung mit sich brachte, wird in der heutigen Geschichtschreibung der Aborigines als die Zeit der "bitter years" beschrieben. Sie beschreibt auch die ökonomische Ausbeutung von Aborigines als billige Gruben- oder Farmarbeiter oder die sexuellen Mißhandlungen, denen Frauen und Mädchen in extremsten Maßen durch weiße Männer ausgesetzt waren. Die "bitter years" sollten sich erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert für die Aborigines zum Besseren wenden. "Landrights Now'' - Aborigines auf dem Wege der Emanzipation Aborigines und der 2. Weltkrieg Die Ereignisse des 2. Weltkrieges weckten in Australien die Angst vor einer drohenden japanischen Invasion. Es folgte die allgemeine Mo bilmachung, in die auch die Aborigines einbezogen wurden. Sie traten in Fabriken, in der Rüstungsindustrie oder in Reparaturwerkstätten in den Dienst des Heeres und der Luftwaffe. Sie erhielten in ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Arbeitsgruppen zum ersten Mal gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit und wurden von ihren weißen Arbeitskollegen, die ihre Ansichten über die Arbeitsmoral der Aborigines aufgrund unmittelbarer Erfahrungen ändern mußten, in der Regel akzeptiert und anerkannt. Nach Kriegsende wurde in der Öffentlichkeit die gerechte Entlohnung für Aborigines diskutiert, und selbst einige Gewerkschaften stellten sich auf ihre Seite. Die Lohnforderungen scheiterte zunächst am Widerstand der Farmer, was dazu führte, dass unter Aborigines erstmalig die Möglichkeit der Arbeitsniederlegung diskutiert wurde. Der Streik von Pilbara 1946, der sich über zwei volle Jahre erstreckte, war schließlich das Resultat und er führte in der Folge zu deutlichen Lohnerhöhungen für Aborigines, zur Gründung der ersten Aboriginal Bergwerksgesellschaft und zu Überlegungen, traditionelle Lebensweisen wieder aufzunehmen und das verbliebene kulturelle Erbe zu erhalten. 1944 wurde den Aborigines das Recht auf die Beantragung der australischen Staatsbürgerschaft gewährt. In der Verfassung des neuen australischen Staatenbundes von 1901 war ihnen der Status 'Eingeborene" verliehen worden, der sie der australischen Bevölkerung als nicht zugehörig klassifizierte. Die Aborigines gingen in ihrem Selbstbewußtsein gestärkt aus den 40er Jahren hervor. Obwohl sich durch diese Ereignisse für den größten Teil der Aborigines in den unterschiedlichen Reservationen oder Stadtrand-Ghettos keine grundlegende Veränderung ihrer miserablen sozialen, kulturellen und ökonomischen Situation ergab, so wurde in diesem ersten Kampf um akzeptable Löhne der Grundstein für ihren Kampf um Gleichberechtigung und Anerkennung in der australischen Gesellschaft gelegt. Die Nachkriegszeit Der wirtschaftliche Aufschwung der Nachkriegszeit machte für Australien den verstärkten Zuzug von Arbeitsmigranten aus verschiedenen Teilen Europas notwendig. Die offizielle Einwanderungspolitik sah die Assimilation dieser zukünftigen Neubürger in die englisch orientierte Gesellschaftsstruktur vor. Oberstes Ziel dieser Politik war die weitgehende Erhaltung Australiens als 'englische' Exklave im Südpazifik, festgelegt durch die Prämisse der "White Australian Policy" von 1901. Da die Aborigines durch die Geschehnisse während der 40er Jahre zu einem nicht mehr auszulöschenden gesellschaftlichen Faktor ge worden waren, wurde für sie von der weißen Gesellschaft ebenfalls die Assimilation angestrebt. Natürlich spielte auch hier der Gedanke an eine endgültige Lösung der 'Eingeborenenfrage" eine große Rol le. Darüber hinaus ging man davon aus, dass sich das Problem der Aborigines aufgrund der kulturellen Entwurzelung, die mit einem drastischen Geburtenrückgang - bis 1930 war ihre Bevölkerungszahl bereits auf 30.000 gesunken - verbunden war, sowie ihrer Chancenungleichheit in bezug auf Bildung und Arbeit ohnehin langfristig lösen würde. Die Regierungen der einzelnen Bundesstaaten, denen die "Aboriginal Affairs" oblagen, trugen bis in die 60er Jahre dementsprechend wenig dazu bei, um die Situation für die Aborigines im gesamtaustralischen Kontext erträglicher und lebenswürdiger zu gestalten. Die Land- und Bürgerrechtsbewegung der Aborigines Das einschneidende Ereignis, durch das sich die Lage der Aborigines zum Besseren wenden sollte, ist auf den 28.8.1963 datiert. Dieses ist das Datum des Tages, an dem eine Delegation der YoIngu aus dem Arnhem Land dem General Gouverneur, Vertreter der britischen Krone, in Canberra eine auf Rinde geschriebene, in englischer und ihrer eigenen Sprache verfaßte Petition übergab. In ihr forderten sie erstmalig das Recht auf Landbesitz, kulturelle und ökonomische Selbstbestimmung. Der Anlaß für diesen Schritt der Aborigines war die zunehmende Bedrohung ihrer Siedlungsgebiete durch den Bergbauboom, der in vielen Teilen Australiens eingesetzt hatte. Drei Jahre später, 1966, ging der Streik einer weiteren Gruppe aus dem Amhem Land, die als unterbezahlte Viehhirten ihren Lebensunterhalt fristeten, als der "Gurindji Walk Off" in die Annalen der australischen Geschichtsschreibung ein. Die Rindenpetition und die Aktion der Gurindji führten zur Entstehung der Land- und Bürgerrechtsbewegung der Aborigines. Ein Referendum, das am 27.5.1967 stattfand und das den Aborigines offiziell die Bürgerrechte zuerkannte, kann ebenfalls als Resultat dieser beiden Ereignisse gewertet werden. Als erster Bundesstaat richtete South Australia 1966 einen "Aboriginal Land Trust" ein, der Land an Aborigines übertragen konnte und Victoria folgt 1970 mit der Verabschiedung eines Gesetzes, das Aborigines das Recht auf Grundbesitz zubilligte. 1972 verliehen Aborigines aus verschiedenen Teilen Australiens ihren Forderungen nach Landrechten zusätzlichen und vehementen Ausdruck, indem sie vor dem Parlamentsgebäude in Canberra eine Zeltbotschaft, die "Aboriginal Tent Embassy" errichteten. Hier wurde auch zum ersten Mal die im gleichen Jahr geschaffene Flagge gehisst, die für die angestrebte kulturelle Einheit der Aborigines als australische Bevölkerungsgruppe stehen sollte. Für die Aborigines verbanden sich mit den Forderungen nach Landrechten nicht nur ökonomische sondem auch kulturelle Aspekte. Die geforderte Rückgabe und Übereignung traditioneller Gebiete schien Möglichkeiten zur Schaffung eigener wirtschaftlicher Grundlagen, der Unabhängigkeit von staatlicher Einflußnahme und auf lange Sicht die Rückgewinnung und Stärkung der kulturellen Identität zu eröffnen. "Landrights Now'' Eine grundlegende politische Prüfung der Landrechtsfrage führte 1974 die Labour Regierung unter Federführung von Geoff Whitlam durch. Die Arbeit einer eigens eingesetzten Kommission, die das Recht der Aborigines auf Landbesitz prüfte und Möglichkeiten der gesetzlichen Regelung und Umsetzung erarbeitete, führte schließlich 1976 zum "Aboriginal Land Rights (Northem Territory) Act". Dieses Gesetz räumte Landrechte für diejenigen Aborigines des Northern Territory ein, die ihren traditionellen Lebensweisen noch weitgehend verbunden waren und die eine enge Beziehung zu ihren angestammten Gebieten nachweisen konnten. Darüber hinaus wurde Aborigines die Möglichkeit eingeräumt, sowohl ehemalige Reservate zu übemehmen als auch Ansprüche auf ungenutztes "Crown Land" (Land im Besitz der britischen Krone) anzumelden. Weiterhin bekamen die sie nun die Möglichkeit, Einfluß auf die Ausbeutung von Bodenschätzen in ihren Gebieten zu nehmen. Die Landrechtsgesetzgebung des Northern Territory sah auch die Einrichtung von "Aboriginal Land Councils" und Kontrollinstanzen seitens der Aborigines in Form vom "Aboriginal Commissioners" vor. Auf Tasmanien wurde 1978 ein "Aboriginal Land Fund Trust" eingerichtet, der ungenutztes Regierungsland als "Aboriginal Land" ankaufen sollte.Andere australischen Bundesstaaten verabschiedeten eigene Landrechtsgesetze erst in den 80er Jahren: New South Wales 1983, Queensland 1984, Western Australia 1986. Die Aborigines, die inzwischen in offiziellen Statistiken mit einer Zahl von ca. 300.000 angegeben sind, verfügten 1986 über eine Landfläche von 768180 qkm, was einem Anteil von 8,3% an der Fläche Australiens entspricht. Ihre Verfügungsmöglichkeiten richteten sich jedoch nach einem Status des Landes, der nach ökonomischen Erwägungen der einzelnen Bundesstaaten festgelegt wurde. Den Bundesstaaten waren durch die Legislative entsprechende Möglichkeiten des erneuten Entzugs eingeräumt. Uluru, bekannter als Ayers Rock, wurde so z.B. unter der Bedingung übertragen, ihn für touristische Zwecke für die Dauer von 99 Jahren an das Northern Territory zurück zu verpachten. Nach Ablauf dieser Zeit muß erneut verhandelt werden.Versuche der Zentralregierung in Canberra, die Möglichkeiten der Bundesstaaten in dieser Hinsicht zu beschneiden, stießen auf große Widerstände, auch aus Kreisen der in Australien ansässigen multinationalen Konzerne. Zum Jahreswechsel 1993 erkannte die australische Zentralregierung schließlich offiziell ein Urteil als Möglichkeit zur Schaffung grundlegender gesetzlicher Neuregelungen an. Das Urteil des "High Court of Australia" im Falle "Mabo vs Queensland and the Commonwealth" hob den Status Australiens als "Terra Nullius" auf und räumte den Aborigines somit das ungefährdete Recht auf Land besitz ein. Seit der europäischen Invasion ab 1788 galt Australien als 'unbesiedelt und unkultiviert'. Von dieser eurozentristischen Ansicht leiteten sich die Vorgehens- und Umgangsweisen gegenüber den Aborigines maßgeblich ab. Das Urteil im Falle Mabo erkennt also zum ersten Mal offiziell in der Geschichte der weißen Besiedlung des 5. Kontinents die Aborigines als seine ursprünglichen Besitzer an. 1988: Jahr der Trauer und der Hoffnung - Aborigines in der multikulturellen Gesellschaft Australiens Der 26.2.1988 wurde für Australien zum großen nationalen, aber auch internationalen Ereignis. Der 200. Jahrestag der europäischen Besiedlung wurde gefeiert. Die Festlichkeiten des Februars wurden von massiven Protesten der Aborigines begleitet, die der Welt in einer Rückschau die Auswirkungen der weißen Besiedlung präsentierten. Ein Höhepunkt ihrer Demonstrationen war die außerordentlich medienwirksame Inbesitznahme der britischen Inseln durch den Künstler und Schriftsteller Burnum Burnum, der mit einem Ruderboot an der englischen Südküste landete, um dort die Flagge der Aborigines zu hissen. Die Aktionen machten nicht nur der australischen sondern auch der internationalen Öffentlichkeit deutlich, dass die Aborigines zu einer selbstbewußten Bevölkerungsgruppe innerhalb der Gesellschaft geworden sind. Durch die Arbeit ihrer Land- und Bürgerrechtsbewegung konnten sie sich Möglichkeiten schaffen, die ein selbstbestimmteres Leben in kultureller und ökonomischer Hinsicht bieten. Das gilt für die Aborigines in den Städten ebenso wie für die Bewohner der ländlichen Gegenden und des 'out back". Bestrebungen zur Selbstbestimmung In den 80er Jahre wurden viele kleine Aboriginal-Unternehmen im Bereich des Kunsthandwerks und der Textilindustrie gegründet. Es sind Radio- und Fernsehanstalten entstanden, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Kulturen der Aborigines neu zu beleben. Diese Medienanstalten tragen auch dazu bei, dass verloren geglaubte Sprachen wieder neu erlernt werden können. Kulturzentren und eigene Museen wurden eröffnet, die sich auch an die Nicht-Aborigines wenden, um zu einer Verständigung zwischen den Kulturen beizutragen. In den Bereichen Schule und Berufsausbildung wurden Lehrpläne entwickelt, die eine gemeinsame Ausbildung von Aborigines und Nicht-Aborigines ermöglichen sollen. In den Gemeinden der ländlichen Gebiete und des "out back" haben die Aborigines ebenfalls ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen. Sie begannen bereits Mitte der 70er Jahre mit dem Aufbau sogenannter 'outstations', in denen sie ein weitgehend an traditionelle Muster angelehntes Leben führen können, aber sich auch durch Gartenbau oder Farmwirtschaft und durch die Kunst- und Textilproduktion eine weitere Existenzgrundlage schufen. Heute sind die Produkte ihrer Arbeit für viele Gemeinden zur Haupteinnahmequelle geworden, und sie werden auch in die außeraustralische Weit exportiert. Die Aborigines wurden für Australien seit der 200-Jahr-Feier auf der internationalen Ebene zum Aushängeschild und es hat sich gezeigt, dass sich nationale australische Identität inzwischen ganz eng mit den Aborigines verbindet. Die Versuche der Wiedergutmachung durch die Weiß-Australier sind nicht zu übersehen und die Ansichten über die Aborigines haben sich in breiten Teilen der Bevölkerung verändert. Obwohl die generelle Entwicklung für die Aborigines in den vergangenen 30 Jahren inbesondere durch ihren eigenen Antrieb positiv verlaufen ist, so darf dennoch nicht vergessen werden, dass sie immer noch eine unterprivilegierte Bevölkerungsgruppe sind. Ihre Lebenserwartung liegt weit unter der anderer Australier, die Kindersterblichkeit ist wesentlich höher, die gesundheitliche Versorgung der Gemeinden ist mangelhaft, sie stellen weiterhin den größten Anteil an Analphabeten und im Zusammenhang mit ihren beruflichen Bildungs- und Karrieremöglichkeiten kann nicht von Chancengleichheit gesprochen werden. Sie werden kriminalisiert und wegen Bagatelldelikten unverhältnismäßig lange hinter Gitter gebracht. Die Todesrate unter AboriginalGefangenen ist nicht zuletzt durch Selbstmorde erschreckend hoch. Trotzdem sehen viele Aborigines ihre Zukunft in einem positiven Licht, und sie sind bereit, dafür zu kämpfen. Ein Zitat aus einem Lied der Inzwischen International bekannt ge wordenen Musikgruppe Yothu Yindi mag dieses belegen und diesen Ausflug in die vergangene und gegenwärtige Geschichte der australischen Aborigines beenden. "We've been working on a course for change trying to work out a balance... All it takes is understanding to make the dream come true ... this is only just the beginning now. 1 guess we have to work it out ... You and me we can make it happen." (Freedom, von der gleichnamigen CD 1993) Folgendes Lied der Wild Pumpkins at Midnight, einer Aboriginal Musikgruppe, die sich inzwischen aufgelöst hat, wurde in einem Kon zert in Sydney 1988 vorgetragen: The Birth of a Nation There's open plains and spreading towns Fences built over burial grounds We've bought and sold out sacred lands No one made an effort to understand Even after all these years debts have not been settled or cleared Do we just forget thern, are they legacies to be swept under carpets never seen Ghosts are watching as I walk through a midden with a lump in my throat Out by the old mission there's beer bottles, car tracks Old fire places and sketched in the sky ten thousand faces So I'm not going to celebrate the birth of a nation With a history of sadness and indignation. A woman watches as I walk down the street I'm wearing clothes, she's wearing bare feet Both worlds exist in this backward town where the black people live with the white people's frowns So if I have a drink on celebration day, I'll drink for the women and for the better day. She sits under her fa vourite, she got all her dignity Living and dying on the outskirts of town where the white people have kept the black people down We can't be held responsible for bad things of the past But massacres are memories and these memories will last. How can I celebrate the birth of a nation Without even mentioning emancipation. Literaturliste weiterführende Literatur: Attwood, Bain: The making of the Aborigines. Sydney 1989 Berndt C.H. / R. Bemdt: The Aboriginal Australians the first pioneers. Sydney 1983 Löffler, Anneliese (Hg.). Australische Märchen. Traumzeitmythen der Aborigines. rororo TB 1290.Reinbeck 1994. Maddock, Kenneth: The Australian Aborigines: a portrait of their society. Harmondsworth 1972. Mulvaney, D.J.: The prehistory of Australia. Ringwood 1975. Sykes, Roberta B.: Black Majority. An analysis of 21 years of Black Australian experience as emancipated Australian citizens. Hawthom 1989. Wilpert, Clara (Hg.): Der Flug des Bumerang. 40000 Jahre Australier. Hamburg 1987. Bücher von Aborigines oder im Namen von Aborigines: Gilbert, Kevin: Because a white man'll never do lt. Sydney 1973. Gilbert, Kevin: Living Black. Blacks talk to Kevin Gilbert. Melbourne 1977. Lamilami, L. Lamilami Speaks ... a story of the people of Goulburn Islands, North Australia. Sydney 1974 Miller, James: Koori: a will to win. The heroic resistance, survival and triumph of Black Australia. Morgan, Sally: Ich hörte die Nachtigall singen. Orlanda 1993 Palmer, K. / C. McKenna: Somewhere between Black and White: the story of a Victorian Aboriginal family, 1842 - 1980. Melbourne 1980. Perkins, Charles: A bastard like me. Sydney 1975. Rosser, B.: This is Palm Island. Canberra 1978. Roughsey, Dick: Moon and Rainbow: the autobiography of an Aboriginal. Sydney 1971. Walker, Kath (Oodgeroo Noonucl): Father Sky and Mother Earth. Brisbane 1981. Wongar, Bahumir: Der Schoß. Bornheim-Merten 1983. Wongar, Bahumir: Die Seele. Bornheim-Merten 1985. (Hinweis: Die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek in Göttingen führt ein Sondersammelgebiet "Australien", in dem die meisten der genannten englischsprachigen Bücher zu finden sind.)